Mi lieb gstöört Vättu - Schlachthaus Theater Bern

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Mi lieb gstöört Vättu - Schlachthaus Theater Bern
Theater fünfnachbusch
Koproduktion Schlachthaus Theater Bern
Paula Fünfeck
Mein lieber verrückter Vater
Mi lieb
gstöört Vättu
Für Kinder ab 8 Jahren und ihre Erwachsenen
Vorwort
– von Maike Lex (Leitung Schlachthaus Theater Bern)
Trix
war irgendwie immer da. In unserem Büro im Theater an der
Rathausgasse schaute sie oft vorbei, was auch daran liegt, dass das
AUA-Büro im selben Gebäude ist. Sie war natürlich auch genauso oft
weg, denn sie war ja viel auf Reisen. Meine ehemalige Kollegin
Myriam hat mal treffend beschrieben, dass Trix Meisterin sei im
Ausrechnen,
welche
Züge
man
nehmen
muss,
um
nach
einer
Abendvorstellung in Hamburg am nächsten Morgen eine Schulvorstellung
in München zu sehen – um dann am Abend wieder in Zürich für eine
wichtige Performance zu sein. Oder so ähnlich. Oder sie tauchte in
eine Probephase ab. Die Inszenierung von Theater, ob auf einer Bühne
oder breiter gedacht als Festival-Gestalterin, war ihre umfassende
Leidenschaft und ihr selbst gefasster Lebensauftrag.
Trix hatte uns schon 2013 das Stück «Mein lieber verrückter Vater»
von Paula Fünfeck ans Herz gelegt. Für sie war klar, dass sie die
Kinderrolle mit einem Kind besetzen würde. Mit Kindern konnte Trix
toll arbeiten, erzählte mir Irene, die sie seit vielen Jahren kennt.
Sie hat beobachtet, wie hingebungsvoll und geduldig Trix für «Wo ist
Gretel» mit Matilda gearbeitet hat und weiss, wie viel die damals 9Jährige von Trix über das Theaterspielen gelernt hat. Als Trix krank
wurde, haben wir das Projekt verschoben auf einen neuen Termin im
Frühjahr 2015. Aber es kam nicht dazu. In einem Gespräch deutete
Trix an, dass sie sich vorstellen könnte, dass der Regisseur Hannes
Rudolph mit dem Stück arbeiten könnte.
Es hat mich ermutigt und gefreut, dass Reni und Simu, die das
Projekt mit Trix schon teilweise vorbereitet hatten, nach ihrem Tod
bereit waren und dazu Lust hatten, Trix' letztes Projekt mit einem
anderen Regisseur zu realisieren. Und dass Hannes seinerseits sich
auf die Idee eingelassen hat, auf das Team und das Stück. «Mi lieb
gstöört Vättu» war ein Glücksfall. Hannes hat es selbstverständlich
nicht «wie Trix» inszeniert, was niemand auf dieser Welt gekonnt
geschweige denn gewollt hätte. Trix ist fort. Ein anderer Regisseur
hat das Stück inszeniert. Dennoch kann man diesen Akt als eine Spur
von Trix sehen. Es ist eine Geschichte, die Trix beschäftigt hat.
Eine gefühlvolle Geschichte über eine innige Beziehung, die von
Überforderung und Mut erzählt und noch ganz viel mehr.
Es ist unendlich traurig, dass Trix nicht mehr da ist. Ich wäre
gespannt gewesen zu sehen, was sie aus dem Text gemacht hätte mit
ihrer Sensibilität für Kinder, die vor schwere Aufgaben gestellt
sind. Ich danke Hannes, Reni, Simu, Hoschi, Luna, Annette und
Katharina, dass sie dieses Stück realisiert haben. Trix bleibt
unvergessen. – (Beatrix Bühler, 6. Juli 1948 – 21. Juni 2014)
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Mi lieb gstöört Vättu
Von Paula Fünfeck
Schweizer Erstaufführung
In berndeutscher Adaption von Raphael Urweider
Verlagsrechte: henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin
Premiere: 13.Januar 2016 im Schlachthaus Theater Bern
Besetzung
Spiel Malou
Spiel Biba
Inszenierung
Ausstattung
Musik
Lichtdesign & Technik
Theaterpädagogische Begleitung
Produktionsleitung
Koproduktion
Thomas U.Hostettler (46)
Luna Paiano (9)
Hannes Rudolph
Renate Wünsch
Simon Ho
Demian Jakob
Katharina Vischer
Graziella Cisternino
Annette von Goumoëns
Schlachthaus Theater Bern
Abstract
Biba ist neun. An Schultagen ist er morgens immer sehr müde. Ausser
heute. Heute ist er fit wie in den Ferien. Bibas Vater heisst Malou
und ist ein genialer Erfinder. Sogar die Weltraumbehörde NASA hat
sich schon für Malous Ideen interessiert. Aber heute ist Malou so
müde, dass er den Wecker verschläft und auch nicht aufstehen will,
als Biba ihn weckt. „Mi lieb gstöört Vättu“ handelt vom Alltag eines
Kindes, das mit seinem kranken Vater zusammenlebt. Malou ist
manchmal so traurig, dass er es kaum aushält und an anderen Tagen
fit, gesprächig und genial, als würden seine Gedanken Formel 1
fahren. Das macht Bibas Leben nicht gerade einfach. Aber er weiss
sich fast immer zu helfen – ob es darum geht, Malou aus dem Bett zu
kriegen, die Wohnung auf Vordermann zu bringen oder Malous
Erfindungen zu verkaufen.
Die Story
„Mi lieb gstöört Vättu“ erzählt eine Geschichte, die die
herkömmlichen Autoritätsverhältnisse spielerisch auf den Kopf
stellt, um sie so aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten zu
können.
Biba ist neun und hat ein Problem. Es ist dreiundvierzig und heisst
Malou. Malou ist krank, seine Erkrankung heisst "bipolare Störung",
und Malou ist Bibas Vater. Der ist chaotisch, himmelhoch jauchzend
oder zu Tode betrübt. Er braucht genauso viel Nachsicht und
Unterstützung bei der Bewältigung des Lebens wie ein Kind. Wenn er
einen seiner trüben Tage hat, schafft er es nicht, sich alleine
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anzuziehen. Geschweige denn, arbeiten zu gehen. An solchen Tagen
wird das Überstreifen einer Socke zur unüberwindlichen Hürde
zwischen ihm und dem Tag. Dann muss Biba sich Geschichten ausdenken
und Malou bei seinem Chef und sich selbst in der Schule
entschuldigen. All das, was normalerweise Eltern für ihre Kinder
tun. Wenn Malou dagegen einen seiner strahlenden Tage hat, ist er
ein genialer Erfinder, seine Ideen stapeln sich in einer Schublade,
und es kann passieren, dass er, vor lauter Begeisterung über sich
und die Welt hinauswächst und Geschäfte tätigt, die ihn auf Jahre
hinaus in Schwierigkeiten bringen. Malou ist jemand, dem man ständig
aus der Patsche helfen muss. Das ist stressig, manchmal komisch, oft
beängstigend. Biba liebt seinen Vater trotzdem über alles. Denn Biba
hat sonst niemanden, und er glaubt an Malous Ideen.
Im Stück und auf der Bühne erleben wir einen Tag im Leben von Malou
und Biba, und dieser Tag beginnt optimal, denn Biba fühlt sich
ausgeschlafen wie in den Ferien, das ist noch nie vorgekommen. Er
begrüsst die Welt vor seinem Fenster, die Meisen, die Fahrradständer
und Müllcontainer. Bis er entdeckt, dass der Wecker Ferien gemacht
hat. Es ist nicht sieben Uhr, es ist halb elf. Malou hat verschlafen,
er hat Biba nicht geweckt und auch kein Frühstück gemacht. Malou hat
heute seinen trüben Tag, er will im Bett bleiben, ihm ist alles
egal. Was soll Biba in der Schule sagen? Jeden Tag kommt er beinahe
zu spät oder ohne Hosen in die Schule, wenn Malous Augenlieder
morgens zu schwer sind, um die Welt in seinen Kopf zu lassen! Biba
erklärt die „verrückte Krankheit“ von Malou zum Feind und entwickelt
fantastische Strategien, diesen Feind zu bekämpfen.
Background
– Text von Trix Bühler & Paula Fünfeck
Wir gestehen, auch diese Produktion wird voraussichtlich wie unsere
bisherigen Kindertheaterproduktionen das Publikum spalten, in
Erwachsene und Kinder. Die Erwachsenen (nicht alle!) werden sagen:
“Wunderbar, so berührend, aber doch eher nix für Kinder.” Die
LehrerInnen (nicht alle!) werden sagen: „Wenn ich das gewusst
hätte!!!” und sie werden einen Beschwerdebrief an das Schlachthaus
Theater schreiben. Die Kinder aber werden sich freuen, dass SIE
gemeint sind, dass sie ernst genommen werden, dass Theater wirklich
Grosses bedeuten kann, dass es auf- und anregend ist und auch noch
Spass macht.
Wir sind nicht unglücklich über diese Spaltung, im Gegenteil, wir
wollen etwas bewegen. Wir überlassen die Seifenopern und idyllischen
Familienklischees der Werbung und sind der Auffassung, dass ein Kind
an Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein gewinnt, wenn man ihm die
Welt nicht vorenthält. Die Autorin Paula Fünfeck, selbst Mutter von
zwei Kindern im Schulalter, ist eine Meisterin im Heranführen von
Kindern an die Widrigkeiten ihres Lebens und die Möglichkeiten, sich
davon nicht unterkriegen zu lassen. Sie schreibt: „Der Junge Biba im
Stück „Mein lieber verrückter Vater“ ist in eine ihn total
überfordernde Situation geworfen. Verkehrte Familienwelt: Ein Vater,
der keine Hilfe für sein Kind ist, sondern ein psychisches Wrack,
dem geholfen werden muss. Eine Figur, die Mitleid erregt, die selbst
überfordert ist. Wir sehen in dem Stück die Versuche des Kindes,
Lösungen zu finden für eine Situation, der es nicht gewachsen ist:
Eine Katastrophe? Nichts, was man Kindern zeigen sollte? Es könnte
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sie verunsichern, ängstigen, traurig machen? Diese Angst, Kinder zu
traumatisieren, indem wir sie mit unkindlichen Themen, mit
Ausweglosigkeit, mit grausamen Bildern, konfrontieren, zeigen
meistens vor allem eines: Unsere eigene Unsicherheit im Umgang mit
Tabu-Themen. Wer Kinder hat wird mir vermutlich zustimmen, dass wir
alle die Tendenz verspüren, unsere Kinder schonen zu wollen. Wir
spüren, dass sie Sicherheit brauchen, Geborgenheit suchen, unsere
Schlussfolgerung lautet: Sei stark, sei unfehlbar, vermeide
Situationen, in denen du unsouverän bist; etwa, wenn du zugeben
musst, dass du etwas nicht weisst oder nicht im Griff hast. Wir
wollen nicht, dass unsere Kinder uns in einem Zustand der
Entgrenzung beobachten können, wir fürchten, es könnte ihnen
schaden. Ich möchte zu bedenken geben, dass es hauptsächlich unsere
Tabus sind, die uns einholen, wenn wir für Kinder Verantwortung
übernehmen und alles zu sehr filtern wollen, was sie zu sehen
bekommen und was nicht, und dass das Vermeiden aller bedrohlichen
Themen unter Umständen nicht zu mehr sondern zu weniger Sicherheit
für die Kinder führen kann. Denn ein allzu ängstliches
Aufrechterhalten dieser Tabus hat vor allem zur Folge, dass wir
unsere Kinder mit diesen Themen unheilvoller Weise oft allein
lassen; denn Grausamkeit, Hilflosigkeit, Ungerechtigkeit, Probleme,
für die sich keine einfachen Lösungen finden lassen, die gibt es nun
einmal in unserer Welt, und zu glauben, dass unsere Kinder dies
nicht bemerken, ist vor allem eines: Selbstbetrug und eine
sträfliche Fehleinschätzung kindlicher Beobachtungsgabe. Kinder
brauchen Sicherheit, sie brauchen Geborgenheit aber Geborgenheit
gibt man einem Kind nicht, indem man so tut, als gäbe es bestimmte
Gefahren nicht, sondern indem man ehrlich ist, es nicht im Stich
lässt und ihm zeigt, dass es selbst Kräfte in sich hat, mit denen es
den Gefahren begegnen kann. Eine existenzielle, wichtige und grosse
Angst ist die, von den Eltern verlassen zu werden. Das ist auch die
Angst, um die es auch in „Mein lieber verrückter Vater“ geht. Die
Depressionen des Vaters sind eine Variante dieses Schreckgespenstes:
von den Eltern verlassen zu werden und vorzeitig allein
zurechtkommen zu müssen.
Umsetzung/Ästhetik
– Text von Trix Bühler
Stichwort: Verkehrte Welt – ein Tag im Leben eines Kindes
Wir sind glücklich, dass wir nicht auf der grossen Bühne, sondern im
Schlachthauskeller spielen werden. Der Raum ermöglicht, subtil sich
auf leisen Pfoten in die Normalität einer verkehrten Welt zu
begeben. Es müssen keine grossen Töne gespuckt werden, die
Spielweise erlaubt eine unverblümte Direktheit. Paula Fünfecks
Sprache, eine frech-poetische Verdichtung von Alltagssprache, sowie
die thematisch aussergewöhnliche Umkehrung von
Autoritätsverhältnissen sollen situativ ganz normal bespielt werden.
Auch surreale Momente wie ein erinnerter imaginierter nächtlicher
Zoobesuch (eine fürwahr väterliche Idee Malous) sollen wie ein
realer Flash wirken.
Zur Besetzung: Die Rolle des Jungen haben wir mit einem Kind
besetzt, richtiger mit 2 Jungens, die zum Teil zusammen proben und
alternierend die Vorstellungen spielen werden. Diese künstlerische
Entscheidung ist der Textvorlage geschuldet. In der Rolle des Kindes
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nach üblicher Besetzungspraxis eine möglichst kleine schmale
Schauspielerin in Jungenskleidern mit Schildkappe auf dem Kopf
agieren zu sehen, würde die brisante Umkehrung des Verhältnisses
Kind-Erwachsener auf eine pure Theaterrealität reduzieren. Anders
als bei den vorangehenden durch Theater fünfnachbusch realisierten
Kinder-und Jugendtheaterstücken von Paula Fünfeck, die grotesk mit
künstlerisch überhöhten Formen wie Oper und Dichtung spielten, macht
im aktuellen Text das Verhältnis von realer Welt und real verkehrter
Welt die künstlerische Energie aus. Dass Kinder professionell
Theater spielen, diese Entwicklung ist nicht nur ein Gewinn für die
Entwicklung neuer Theaterpraxen und Formate, sondern auch für
das/die beteiligte(n) Kind(er). Ich habe bereits mehrfach
professionell mit Kindern als Spezialisten des Alltags aus KinderPerspektive im Theater gearbeitet, zuletzt bei “Wo ist Gretel?” von
Charles Way bei der Formation Theater EigerMönchundJungfrau.
Bezug Schweiz
– Text von Trix Bühler
Exklusion von Psychisch Kranken und Exklusion von
„verhaltensauffälligen“ Kindern sind kein exklusives Schweizer
Problem, sondern eines, das nicht nur in der Schweiz, sondern
generell in den westlichen Industrienationen sukzessive zunimmt und
wahrgenommen wird. Die Theorie dazu wächst, Fachtagungen zur Frage
Inklusion-Exklusion finden statt, die Praxis hinkt trotz engagierter
Versuche hinterher. Theater kann andere Erfahrungsräume öffnen und
auf sinnlich-konkrete Weise zu Grenzverschiebungen anstiften.
Theater fünfnachbusch
Theater fünfnachbusch ist eine Berner Theatergruppe, die seit 2003
die freie Theaterszene mitprägt. Die Produktionen von Theater
fünfnachbusch tournieren in der Schweiz und werden zu nationalen und
internationalen Festivals eingeladen. Die Gruppe arbeitet mit Berner
KünstlerInnen, zieht aber auch Mitwirkende aus anderen Kantonen
hinzu und arbeitet mit internationaler Beteiligung. Theater
fünfnachbusch versteht sich als Produktionsteam, das die Phantasie
aller Beteiligten bei der Kreation einfordert. Das ästhetische
Credo: tiefgehende Leichtigkeit. Die erprobt das Team in
unterschiedlichsten Formaten: Autorentheater, Eigenkreationen,
Kinder- und Jugendtheater, Theater für Erwachsene.
Nach “Spinnen” von Sabine Wang (UA 2003), “MaxundMurx” von Paula
Fünfeck (SE 2005), “Fressoper” von Paula Fünfeck (SE 2006),
«Absolute Anfänger» von Bettina Wegenast (UA 2009), “Hund Hund” von
Sabine Wang (UA 2011) und dem Ensembleprojekt “Lost in Buenos Aires”
(2012 Baires / 2013 Bern und Schweiztournee) werden wir mit “Mi lieb
gstöört Vättu” ein drittes Stück von Paula Fünfeck umsetzen: einen
Eintagesausflug mitten in ein Kinderleben von heute.
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Erläuterungen
– von Hannes Rudolph (Regie)
Im November bekam ich einen Anruf von Maike Lex. Die folgenden Sätze
werde ich nie vergessen: „Wir haben mit Trix damals darüber
gesprochen, was aus dem Projekt wird, wenn sie es nicht mehr selbst
machen kann. Sie hat gesagt, wenn sie sich überhaupt jemanden
vorstellen könnte, der das an ihrer Stelle macht, dann sei das
Hannes Rudolph.“
Trix Bühler und ich haben niemals zusammen
gearbeitet. Wir haben uns – zwangsläufig, denn sie war ja immer da –
öfters bei Aufführungen getroffen und haben gern über das Gesehene
gestritten. Sie hat fast alle meine Inszenierungen, die in der
Schweiz zu sehen waren, gesehen. Ich mochte sie sehr und ihr Tod hat
mich getroffen. Vor allem weil sie immer da war und nun fehlt. Dass
sie mir dieses Projekt anvertraut (wiewohl nicht freiwillig: Jeder,
der sie kennt, weiss, dass sie es lieber selbst gemacht hätte), ehrt
mich. Es stand für mich ausser Frage, dieses „Erbe“ nicht
anzutreten.
„Mi lieb gstöört Vättu“ ist ein ungewöhnliches Kinderstück. Es mutet
dem Publikum viel zu. Es ist sprachlich eigen, verspielt und
poetisch. Es gibt kaum „Action“. Es wird ein Zustand verhandelt und
zwar kein sehr schöner. Trix Bühler beschreibt ihn im Dossier als
„verkehrte Welt“. Das hat sie am meisten interessiert: Ein Kind, das
durch die Krankheit des Vaters in die Erwachsenenrolle gedrängt wird
und ein Vater, der aufgrund seiner Krankheit manchmal wie ein Kind
agiert. Und ihre wichtigste künstlerische Setzung, dass das Kind von
einem Kind gespielt werden müsse, damit diese Umkehr fühl- und
sichtbar wird, halte ich für absolut folgerichtig. Wir werden für
die Rolle des Sohnes satt zwei Kinder ein Kind aus Bern suchen (die
ursprünglich angedachten Kinder sind inzwischen leider zu alt für
die Rolle). Das restliche Team ist dasselbe Team, das Trix Bühler
zusammengestellt hat.
Ich kann natürlich keine Inszenierung à la Beatrix Bühler machen.
Und Trix Bühler hatte auch sicher nicht im Sinn, dass ich in
irgendeiner
Weise
versuche,
ihren
„Stil“
zu
kopieren.
So
funktioniert Theater ja nicht. Ich teile aber ihre Herangehensweise,
wenn es darum geht, Theater zu machen, das nicht verniedlicht und
nicht versucht, sich bei den Kindern oder gar ihren Erwachsenen
anzubiedern. Ich teile ihre Auffassung, dass es keinen Naturalismus
und keinen grossen Raum braucht. Und ich teile sogar ihr wichtigstes
Interesse an diesem Stück: Die Verkehrung der Rollenverhältnisse,
mit einem Vater, der sich kindisch verhält und einem Kind, das über
Gebühr erwachsen sein muss. Mit Ausstatterin und Musiker werde ich
mich in den nächsten Wochen auf die Reise begeben, damit „Mi lieb
gstöört Vättu“ eine Inszenierung mit meiner Handschrift wird:
sprachlich und emotional genau, bildhaft, wo Bilder mehr erzählen
können als Worte, ehrlich mit der Theatersituation, spielerisch in
einem Sinne, wie Kinder spielen: die Behauptung, die sehr ernst
genommen wird und dennoch gleich wieder verworfen werden kann – und
nichts anderes war es ja, was Trix intendiert hat, als sie gegenüber
Maike Lex meinen Namen nannte.
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Kurzbios der Beteiligten
Hannes Rudolf, Inszenierung
Zürich
Hannes Rudolph wurde 1977 in Leipzig geboren. Nach dem mathematischnaturwissenschaftlichen Gymnasium studierte er in Leipzig und Tübingen
Psychologie. Währenddessen erste Laieninszenierungen, sowie Hospitanzen
und Assistenzen am Schauspiel Leipzig und Landestheater Tübingen. Nach
Abschluss des Studiums Gastassistenzen in Berlin (DT), sowie
Festengagements an den Schauspielhäusern in Bochum und Zürich. Seit
2007 freischaffender Regisseur. Hannes Rudolph lebt seit 2005 in der
Schweiz und ist einer von zwei Vätern zweier Kinder.
Thomas U. Hostettler, Akteur
Bern
Ausbildung zum Elektromonteur, dann zum Schauspieler an der
Hochschule für Musik und Theater in Bern. Anschliessend Engagement
am Tiroler Landestheater Innsbruck 94-98. Danach als freier
Schauspieler tätig in der Schweiz, Österreich und Deutschland, u.a.
am Luzerner Theater, Schlachthaustheater Bern, Gessnerallee ZH,
Staatstheater Kassel, Stadttheater Bern, an festen Häusern in
Mannheim, Berlin, Basel, Wien, Südtirol und extensiv in freien
Produktionen. Sänger der Rockbands „biggerclub“ und „sexarmy“.
Er arbeite u.a. mit den RegisseurInnen Fabienne Hadorn, Sebastian
Nübling, Michel Schröder, Meret Matter, Nils Torpus, Heinz Spöerli,
Barbara Weber. Letzte Arbeiten – eine Auswahl: mit kolypan
Joints’n’Chips, Pussy’n Pimmel; mit kraut_produktion Von der Kürze
des Lebens, Chronisten 1 – 4, Schlachtplatten, Herz der Finsternis,
Amphibienmensch; mit Karl's Kühne Gassenschau FABRIKK; mit Club 111
Miss Monster; mit Theater Marie Amerika von Gerhard Meister, mit
Barbara Weber Mother T – unplugged. Schweizweite Gastspiele und über
die Schweiz hinaus nach Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien
und in die Niederlande.
Alle kennen ihn als Hoschi, er ist für „Viel Freude im Leben und
SPACE“.
Renate Wünsch, Ausstattung
Bern
Arbeitet seit 1992 als Bühnen- und Kostümbildnerin. Diverse Kostümund Bühnenbilder in freien Projekten u.a. Schlachthaus Theater Bern,
Tojo Theater Bern, Gessnerallee Zürich, Fabriktheater Zürich,
Zürcher Theaterspektakel, Tuchlaube Aarau, Theater Roxy Basel,
Vorstatdtheater Basel, Hoftheater, Theater Sgaramusch,
Theater
Eiger Mönch und Jungfrau. RegisseurInnen, mit denen sie zusammen
arbeitete: Meret Matter, Beatrix Bühler, Carole Blanc, Christoph
Mörikofer, Katja Fillmann, Heiko Kalmbach, Suanne-Marie Wrage,
Hans-Peter Incondi, Grazia Pergoletti. Engagements am
Schauspielhaus Zürich, Stadttheater Bern, Luzerner Theater,
Theater Biel Solothurn, Theater Freiburg i. B. und Theater
Baden Baden. 1999 Stipendium für Darstellende Kunst an der
Akademie Schloss Solitude Stuttgart, 2003 Werkbeitrag des
Kanton Bern für Angewandte Kunst, 2006 für den Förderpreis am
Figura Theaterfestival in Baden nominiert. Von 1992- 2007 im
Kollektiv Tojo Theater Bern. Seit 1996 Co. Leiterin Theater
Club 111.
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Simon Ho, Komposition
Bern / Brüssel
Lebt und arbeitet in Bern und Bruxelles als Komponist und Musiker.
Uraufführungen an den Internationalen Musikfestwochen Luzern, am
Centro para la difusion de la Musica Contemporanea in Madrid, in New
York, Berlin, Mexico, Buenos Aires, Havanna und der Schweiz.
Ho ist u.a. Gastkomponist am Deutschen Theater Berlin, am
Staatstheater Stuttgart, Stadttheater Bern, Theater Luzern und
zahlreichen freien Tanz- und Theatergruppen in der Schweiz.
Spielt und komponiert für seine Projekte mit Shelley Hirsch in New
York, Susanna Moncayo & Jaime Torres in Buenos Aires, Travesias mit
Lorenz Hasler in der Schweiz und Kuba und seinem Ho-Orchestra mit
Henk Hofstede (the Nits) und den Värtinää in Europa.
Als Komponist und Arrangeur arbeitete er an verschiedenen CD
Produktionen u.a. für Tzadik New York, I Salonisti (Sony Classic),
Züri West, Shelley Hirsch und für seine Solo Alben. Er gewann
verschiedene Musikpreise und denkt nicht in Stilschubladen.
Katharina Vischer, Training und Dramaturgie
Bern
Theaterpädagogin, Regisseurin und Mutter von zwei Kindern.
Ausbildung u.a. am Theater Neumarkt Zürich, Theaterhaus Gessnerallee
und am Opernhaus Zürich, (bei Stephan Müller, Volker Hesse, Werner
Düggelin, Marianne Weems). Weiterbildungen in Japan und New York.
Seit 1997 Inszenierungen von Theater- und Musiktheater-Produktionen
in der freien Szene. Sie arbeitete viele Jahre als Theaterpädagogin
am Schlachthaus Theater Bern, dort baute sie Kinder- und
Jugendtheaterclubs auf und organisierte mit Reihe 5 fragt nach ein
Feedback von Jugendlichen zu den dortigen Produktionen. Aktuell
leitet sie die Fachgruppe Schultheater an der PH Bern.
Raphael Urweider , berndeutsche Übersetzung
Bern
Urweider ist Lyriker und Übersetzer, der auch als Musiker und Rapper
auftritt und in seinen Texten von den unterschiedlichsten
sprachspielerischen Techniken Gebrauch macht.
Er bestreitet viele Lesungen im In- und Ausland, in den letzten
Jahren unter anderem am grossen Poesie-Festival in Medellin
(Kolumbien), in Marokko, Indien, Südafrika, England, Oesterreich,
Deutschland. Er schrieb 10 Lieder zum Krieg für Jan Müller-Wieland.
Mit Matto Kämpf verfasste er mehrere berndeutsche Theaterstücke,
zuletzt Alice im Ungerland, 2010.
Urweider übersetzte unter anderem den Gedichtband Minsk, die Oper
Hamlin und das Libretto Minsk der englischen Dichterin Lavinia
Greenlaw, das Libretto Le Chalet von Eugène Scribe ins Deutsche (als
Forschungsprojekt der HKB), sowie Theaterstücke von Joanna Laurens und
den Roman von Pedro Lenz Der Keeper bin ich. Im Moment übersetzt er
zusammen mit Händl Klaus Der Teich von Robert Walser vom
Schweizerdeutschen ins Hochdeutsche. Er erhielt 1999 den Leonce- undLena –Preis, im Jahr 2000 folgte der Buchpreis des Kantons Bern für
seinen Lyrikband Lichter in Menlo Park, 2002 wurde ihm der 3sat-Preis
beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt zugesprochen, 2004 der
Clemens-Brentano-Preis. Für Alle deine Namen erhielt er 2009 den
Schillerpreis der schweizerischen Schillerstiftung, 2012 den Zürcher
Lyrikpreis und das Stipendium Weiterschreiben der Stadt Bern.
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Annette von Goumoëns, Produktionsleitung
Luzern
Annette von Goumoëns wurde 1971 in Luzern geboren. Sie studierte
Musical Theatre an der AMDA (American Musical and Dramatic Academy)
in New York und absolvierte anschliessend ein Studium in Popular
Performing Arts an der LIPA (Liverpool Institute for Performing
Arts). Während der letzten 15 Jahre war sie in den verschiedensten
Produktionen und Projekten auf nationalem wie auch internationalem
Terrain als kreative, organisatorische, vermittelnde und
konzeptionelle Kulturschaffende in der Kunst- und Kulturszene (New
York, England, Frankreich, Belgien, Norwegen, Deutschland,
Österreich und Schweiz) tätig. 2006 belegte sie das
Nachdiplomstudium in Kulturmanagement an der Universität Basel, das
sie 2009 mit dem Master in Arts Management abschloss. Von 2010 bis
2012 leitete sie die Geschäftstelle beim Theater Marie in Aarau.
Seit dem Sommer 2012 ist sie nun wieder als selbstständige
Produktionsleitung in der Freien Tanz- und Theaterszene unterwegs.
Kontakt
Künstlerische Leitung:
Hannes Rudolph
Agnesstrasse 44
8004 Zürich
Mobil: 079 827 29 38
E-Mail: hannes.rudolph@gmx.de
www.hannesrudolph.de
Produktionsleitung:
Kultur Projekte
Annette von Goumoëns
Eschenstrasse 26
6005 Luzern
Mobil: 079 257 23 76
E-Mail: goumoens@bluewin.ch
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