„UKW ist ein sehr teures System“
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„UKW ist ein sehr teures System“
Digitalradio I pro media. 3/2012 I 43 >> Zahl der digitalen Radioprogramme über DAB+ nimmt kontinuierlich zu „UKW ist ein sehr teures System“ Interview mit Joachim Uhrig, Leiter Business Development, Terratec Electronic GmbH Nachdem im August 2011 mit der Ausstrahlung der ersten digitalen Radioprogramme über DAB+ begonnen worden ist, sind inzwischen auch in mehreren Bundesländern digitale Programme an den Start gegangen. Dazu gehören sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Angebote in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Hessen. Zu den Herstellern von DAB+-Empfangstechnik gehört auch TERRATEC Electronic. Der deutsche TV-, Video- und Soundkarten-Hersteller ist eines der bedeutenden Multimedia-Unternehmen in Europa. TERRATEC gehört auch zu den Pionieren im Bereich DAB. >> Joachim Uhrig Geboren: 1964 Studium zum Ingenieur für Medientechnik Musikredakteur und Studioleiter bei Privatradios Labelmanager bei der Intercord Tonträger GmbH Geschäftsführer der Aracade Music Company Seit 2002 bei Radiolution GmbH Seit 2010 verantwortlich zusätzlich bei der Terratec Electronic GmbH für das Business Development, u.a. für DAB+ promedia: Herr Uhrig, wie lange wird es Ihrer Meinung nach noch UKW geben? Uhrig: Zehn bis 15 Jahre wird ungefähr der Zeitrahmen sein. In Deutschland existieren inklusive der Autoradios circa 330 Millionen UKW-Geräte und es ist für die Gerätehersteller schwierig, innerhalb kürzester Zeit Ersatz bereit zu stellen. Es wird auch noch einen gewissen Zeitrahmen in Anspruch nehmen, um den Netzausbau für DAB+ zu komplettieren. promedia: Man kann heute in jedem Winkel Deutschlands in hoher Qualität UKW-Radio hören. Warum muss man das abschaffen? Uhrig: UKW ist ein sehr teures System. DAB+ hat den Vorteil, dass es für die Radiosender eine Kostenersparnis bringt. Es gibt in Deutschland circa 450 Antennenstandorte für eine bundesweite Abdeckung, inklusive der Relaisstationen. Für DAB+ sind nur etwas mehr als 100 Antennenstandorte erforderlich. Das heißt, wir können auf ein Viertel der Kapazität verzichten, sparen dadurch Energie und in der Konsequenz Kosten für die Betreiber. Für den Konsumenten entfällt bei DAB+ vor allem die lästige Frequenzsuche. DAB+ liefert ihm zudem zusätzliche Daten, wie zum Beispiel exaktere Verkehrsmeldungen aber auch wesentlich genauere Daten für das Navigationssystem. Bei DAB+, zumindest bei den etwas teureren Geräten, wird auch das Cover-Artwork der Musik angezeigt. Kurzum: Der Kunde kann neue Funktionen nutzen, die ihm UKW nicht bietet. promedia: Die privaten Sender führen aber gegen DAB+ aus , dass es für sie zusätzliche Investitionen erfordert, ohne einen einzigen Hörer mehr zu bekommen... Uhrig: Zu Beginn ist mit höheren Kosten zu rechnen, die sich aber vor allem aus dem Parallelbetrieb ergeben. In dem Moment, wo man aber UKW abschaltet, erspart das enorm viel Geld. Einem regionalen Radiosender in Stuttgart z.B. entstehen im Jahr für die UKW-Verbreitung Kosten von 360.000 Euro. Wenn der Sender das gleiche Programm über DAB+ anbieten würde, belaufen sich die Kosten auf unterhalb von 60.000 Euro. Zum anderen sind die privaten UKW-Hörfunklizenzen und die Investitionen oft noch nicht refinanziert. Eine neue Technologie bedeutet auch neue Mitbewerber und damit auch eine Teilung des Werbemarktes. Das versucht man natürlich zu verhindern, auch indem DAB+ negativ bewertet wird. 44 I pro media. 3/2012 I Digitalradio promedia: Wie wollen Sie die Sender zu einem Umdenken zwingen? Uhrig: Der treibende Faktor ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk. In dem Moment, wo der erste aus der Reihe der ARD-Anstalten bei UKW aussteigt, werden sich auch die Privaten Schritt für Schritt aus UKW zurückziehen. Aber es muss ein öffentlich-rechtlicher Sender sein – private werden das von sich aus nicht tun, weil sie Angst haben, Marktanteile zu verlieren. Gewährleistet sein muss aber, dass genügend Endgeräte in den Haushalten stehen und dass die Leute diese Endgeräte auch annehmen. promedia: Wo kann man inzwischen DAB+ empfangen? Uhrig: Es bestand Ende 2011 eine 70-Prozent-Abdeckung in Deutschland. Weitgehend versorgt sind die Autobahnnetze. Die 70-Prozent-Abdeckung bezieht sich allein auf DAB+. Alle DAB+ - Geräte können auch DAB empfangen und DAB-Programme gibt es ja schon seit Jahren. Die Sender, die im Moment auf DAB senden, steigen jetzt auf DAB+ um, weil es wiederum eine Geldersparnis ist. Antenne Bayern zum Beispiel steigt im Moment auf DAB+ um, drittelt damit den Datendurchsatz und das spart auch Geld. promedia: Bietet die Geräteindustrie ausreichend Lösungen, die relativ preisgünstig und praktikabel sind? Uhrig: Die Kunden haben im Moment weit über 100 Geräte zur Auswahl – von günstigen Geräten um die 40 Euro bis zu sehr hochwertigen Geräten. Gerade im Bereich der Küchenradios gibt es ein sehr großes Angebot. Auch für mobile Lösungen ist schon gesorgt. Es gibt für Apple- und Nokia-Geräte Anwendungen. Bei der Automobilindustrie ist technisch gesehen der Vorreiter BMW, die hervorragende Lösungen anbieten. Auch bei Mercedes, VW und Audi bekommen die Kunden DAB+ als Option. Die Automobilindustrie ist der Motor von DAB+, denn im Auto hört man bevorzugt Radio. promedia: Man kann bereits unabhängig von einem PC Interne- zudem immer noch ein vergleichbar zu tradio hören. Ist damit DAB nicht anderen europäischen Ländern schlechte eigentlich die alte Technologie und Versorgung mit Daten im Mobile-Netz. Internet(radio) die zukunftsfähige? Das liegt daran, dass Deutschland eine Uhrig: Jeden Bürger, der Radio hören relativ große Fläche darstellt, die teilweise will, ausschließlich per Internetradio zu dünn besiedelt ist. Warum sollte man versorgen, ist über unsere Infrastruktur im hier aufwändig investieren? Der RundDSL- oder VDSL-Bereich nicht zu bewältifunkstaatsvertrag schreibt gen. Wenn man aber vor, dass gewährleistet zum Beispiel DIE AUTOwerden muss, dass jeder jeden Tag drei MOBILINDUSTRIE Radio hören kann. Stunden Radio IST DER MOTOR über das Internet VON DAB+. promedia: Das kann er hört und das doch mit UKW... einen Monat Uhrig: Wir müssen neben lang, verursacht den Kosten und dem Mehrwert auch das ein Downloadvolumen von ca. 8 GB. die Nachhaltigkeit sehen. In Bayern Das wird kein Mobilfunkanbieter mehr werden im Moment durch den Betrieb gewährleisten. Die Internetradiohörer der UKW-Stationen pro Stunde ca. 700 haben damit aber noch nicht im Internet kWh an Strom verbraucht. Bei einer gesurft, noch keine E-Mails verschickt Umstellung auf DAB+ liegt der Verund waren noch nicht auf Facebook. Der brauch nur noch bei ca. 40 kWh. Wenn Südwestrundfunk hat in Stuttgart mit Taman diese Zahl auf die großen Bundesxifahrern einen Versuch gemacht und sie länder hochrechnet, ist das eine enorme tagsüber über ihr Handy Internetradio im Stromersparnis im Jahr. Außerdem gibt Auto hören lassen. Die meisten hatten ein es für den Bürger noch einen Riesenvorbegrenztes Datenvolumen von 1 GB und teil, für Radio über das Internet muss er nach zwei Tagen war dieses Volumen beimmer bezahlen und für DAB+ nicht. reits aufgebraucht. In meinem Wohnort können 50 Leute gleichzeitig über UMTS promedia: Wann werden etwa zehn Radio hören, aber dann ist dieser Sender Prozent der Radionutzer nicht mehr bereits ausgelastet. Es wohnen aber dort UKW, sondern DAB+ nutzen? 10.000 Einwohner, wie soll das funktioUhrig: Media Broadcast beabsichtigt, dienieren? Diese Datenflats, die im Moment ses Jahr zur IFA einen zweiten bundesweivon vielen Betreibern angeboten werden, ten Multiplex mit einem Hundertprozentwerden irgendwann ihr Ende finden. In Ausbau zu starten. Das heißt, es kommen Amerika gibt es schon keine mehr, weil nochmal 14 Sender hinzu und wir haben das Netz überlastet ist. dann bundesweit 28 Sender zur Verfügung. Übrigens: als Ende 1940/Anfang promedia: Mit LTE wird die Bandbrei1950 UKW eingeführt wurde, gab es te mobil zunehmen und auch die Sergenau dieselben Diskussionen wie jetzt verkapazitäten werden ausgebaut… über DAB+ mit den gleichen Argumenten Uhrig: Es wurden viele Studien beaufzwischen UKW und Mittelwelle. Jeder, tragt, um festzustellen, wie viele Leute der sich ein neues Radio kauft, wird DAB+ mobil über das Internet Radio hören. mitkaufen. Und wenn sich der Trend, der Das bewegt sich in einem Drei- bis Viersich seit August beim Kauf der DAB+-GeProzentbereich. LTE wird zudem wohl räte zeigt, die nächsten Jahre so durchsetkeine echte Peer-to-Peer-Lösung anbieten, zen wird, dann gehe ich davon aus, dass das haben die Telekom und Vodafone wir in fünf bis sieben Jahren zehn Prozent bereits angekündigt. Also, man wird nicht der Bevölkerung damit versorgt haben, mit LTE direkt auf ein Handy streamen aber wahrscheinlich noch mehr. Es ist vor können. LTE ist ein shared-medium. Keine allem abhängig davon, wie das Angebot echten Flats und je mehr User umso aussieht. (JG) schlechter der Datendurchsatz. Wir haben „