„UKW ist ein sehr teures System“

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„UKW ist ein sehr teures System“
Digitalradio I
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>> Zahl der digitalen Radioprogramme über DAB+ nimmt kontinuierlich zu
„UKW ist ein sehr teures System“
Interview mit Joachim Uhrig, Leiter Business Development, Terratec Electronic GmbH
Nachdem im August 2011 mit der Ausstrahlung der ersten digitalen Radioprogramme über
DAB+ begonnen worden ist, sind inzwischen auch in mehreren Bundesländern digitale Programme an den Start gegangen. Dazu gehören sowohl öffentlich-rechtliche als auch private
Angebote in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern,
Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Hessen.
Zu den Herstellern von DAB+-Empfangstechnik gehört auch TERRATEC Electronic. Der deutsche TV-, Video- und Soundkarten-Hersteller ist eines der bedeutenden Multimedia-Unternehmen in Europa. TERRATEC gehört auch zu den Pionieren im Bereich DAB.
>> Joachim Uhrig
Geboren: 1964
Studium zum Ingenieur für Medientechnik
Musikredakteur und Studioleiter bei Privatradios
Labelmanager bei der Intercord Tonträger
GmbH
Geschäftsführer der Aracade Music Company
Seit 2002 bei Radiolution GmbH
Seit 2010 verantwortlich zusätzlich bei der
Terratec Electronic GmbH für das Business
Development, u.a. für DAB+
promedia: Herr Uhrig, wie lange wird
es Ihrer Meinung nach noch UKW
geben?
Uhrig: Zehn bis 15 Jahre wird ungefähr
der Zeitrahmen sein. In Deutschland existieren inklusive der Autoradios circa 330
Millionen UKW-Geräte und es ist für die
Gerätehersteller schwierig, innerhalb kürzester Zeit Ersatz bereit zu stellen. Es wird
auch noch einen gewissen Zeitrahmen in
Anspruch nehmen, um den Netzausbau
für DAB+ zu komplettieren.
promedia: Man kann heute in jedem
Winkel Deutschlands in hoher Qualität UKW-Radio hören. Warum muss
man das abschaffen?
Uhrig: UKW ist ein sehr teures System.
DAB+ hat den Vorteil, dass es für die
Radiosender eine Kostenersparnis bringt.
Es gibt in Deutschland circa 450 Antennenstandorte für eine bundesweite
Abdeckung, inklusive der Relaisstationen.
Für DAB+ sind nur etwas mehr als 100
Antennenstandorte erforderlich. Das
heißt, wir können auf ein Viertel der
Kapazität verzichten, sparen dadurch
Energie und in der Konsequenz Kosten
für die Betreiber. Für den Konsumenten
entfällt bei DAB+ vor allem die lästige
Frequenzsuche. DAB+ liefert ihm zudem
zusätzliche Daten, wie zum Beispiel
exaktere Verkehrsmeldungen aber auch
wesentlich genauere Daten für das Navigationssystem. Bei DAB+, zumindest bei
den etwas teureren Geräten, wird auch
das Cover-Artwork der Musik angezeigt.
Kurzum: Der Kunde kann neue Funktionen nutzen, die ihm UKW nicht bietet.
promedia: Die privaten Sender führen
aber gegen DAB+ aus , dass es für sie
zusätzliche Investitionen erfordert,
ohne einen einzigen Hörer mehr zu
bekommen...
Uhrig: Zu Beginn ist mit höheren
Kosten zu rechnen, die sich aber vor
allem aus dem Parallelbetrieb ergeben.
In dem Moment, wo man aber UKW
abschaltet, erspart das enorm viel
Geld. Einem regionalen Radiosender in
Stuttgart z.B. entstehen im Jahr für die
UKW-Verbreitung Kosten von 360.000
Euro. Wenn der Sender das gleiche
Programm über DAB+ anbieten würde,
belaufen sich die Kosten auf unterhalb
von 60.000 Euro. Zum anderen sind
die privaten UKW-Hörfunklizenzen
und die Investitionen oft noch nicht
refinanziert. Eine neue Technologie
bedeutet auch neue Mitbewerber und
damit auch eine Teilung des Werbemarktes. Das versucht man natürlich zu
verhindern, auch indem DAB+ negativ
bewertet wird.
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promedia: Wie wollen Sie die Sender
zu einem Umdenken zwingen?
Uhrig: Der treibende Faktor ist der
öffentlich-rechtliche Rundfunk. In dem
Moment, wo der erste aus der Reihe
der ARD-Anstalten bei UKW aussteigt,
werden sich auch die Privaten Schritt für
Schritt aus UKW zurückziehen. Aber es
muss ein öffentlich-rechtlicher Sender
sein – private werden das von sich aus
nicht tun, weil sie Angst haben, Marktanteile zu verlieren. Gewährleistet sein
muss aber, dass genügend Endgeräte
in den Haushalten stehen und dass die
Leute diese Endgeräte auch annehmen.
promedia: Wo kann man inzwischen
DAB+ empfangen?
Uhrig: Es bestand Ende 2011 eine
70-Prozent-Abdeckung in Deutschland.
Weitgehend versorgt sind die Autobahnnetze. Die 70-Prozent-Abdeckung
bezieht sich allein auf DAB+. Alle DAB+
- Geräte können auch DAB empfangen
und DAB-Programme gibt es ja schon seit
Jahren. Die Sender, die im Moment auf
DAB senden, steigen jetzt auf DAB+ um,
weil es wiederum eine Geldersparnis ist.
Antenne Bayern zum Beispiel steigt im
Moment auf DAB+ um, drittelt damit den
Datendurchsatz und das spart auch Geld.
promedia: Bietet die Geräteindustrie
ausreichend Lösungen, die relativ
preisgünstig und praktikabel sind?
Uhrig: Die Kunden haben im Moment
weit über 100 Geräte zur Auswahl – von
günstigen Geräten um die 40 Euro bis
zu sehr hochwertigen Geräten. Gerade
im Bereich der Küchenradios gibt es ein
sehr großes Angebot. Auch für mobile
Lösungen ist schon gesorgt. Es gibt für
Apple- und Nokia-Geräte Anwendungen.
Bei der Automobilindustrie ist technisch
gesehen der Vorreiter BMW, die hervorragende Lösungen anbieten. Auch bei
Mercedes, VW und Audi bekommen die
Kunden DAB+ als Option. Die Automobilindustrie ist der Motor von DAB+, denn
im Auto hört man bevorzugt Radio.
promedia: Man kann bereits unabhängig von einem PC Interne-
zudem immer noch ein vergleichbar zu
tradio hören. Ist damit DAB nicht
anderen europäischen Ländern schlechte
eigentlich die alte Technologie und
Versorgung mit Daten im Mobile-Netz.
Internet(radio) die zukunftsfähige?
Das liegt daran, dass Deutschland eine
Uhrig: Jeden Bürger, der Radio hören
relativ große Fläche darstellt, die teilweise
will, ausschließlich per Internetradio zu
dünn besiedelt ist. Warum sollte man
versorgen, ist über unsere Infrastruktur im
hier aufwändig investieren? Der RundDSL- oder VDSL-Bereich nicht zu bewältifunkstaatsvertrag schreibt
gen. Wenn man
aber vor, dass gewährleistet
zum Beispiel
DIE AUTOwerden muss, dass jeder
jeden Tag drei
MOBILINDUSTRIE
Radio hören kann.
Stunden Radio
IST
DER
MOTOR
über das Internet
VON DAB+.
promedia: Das kann er
hört und das
doch mit UKW...
einen Monat
Uhrig:
Wir müssen neben
lang, verursacht
den Kosten und dem Mehrwert auch
das ein Downloadvolumen von ca. 8 GB.
die Nachhaltigkeit sehen. In Bayern
Das wird kein Mobilfunkanbieter mehr
werden im Moment durch den Betrieb
gewährleisten. Die Internetradiohörer
der UKW-Stationen pro Stunde ca. 700
haben damit aber noch nicht im Internet
kWh an Strom verbraucht. Bei einer
gesurft, noch keine E-Mails verschickt
Umstellung auf DAB+ liegt der Verund waren noch nicht auf Facebook. Der
brauch nur noch bei ca. 40 kWh. Wenn
Südwestrundfunk hat in Stuttgart mit Taman diese Zahl auf die großen Bundesxifahrern einen Versuch gemacht und sie
länder hochrechnet, ist das eine enorme
tagsüber über ihr Handy Internetradio im
Stromersparnis im Jahr. Außerdem gibt
Auto hören lassen. Die meisten hatten ein
es für den Bürger noch einen Riesenvorbegrenztes Datenvolumen von 1 GB und
teil, für Radio über das Internet muss er
nach zwei Tagen war dieses Volumen beimmer bezahlen und für DAB+ nicht.
reits aufgebraucht. In meinem Wohnort
können 50 Leute gleichzeitig über UMTS
promedia: Wann werden etwa zehn
Radio hören, aber dann ist dieser Sender
Prozent der Radionutzer nicht mehr
bereits ausgelastet. Es wohnen aber dort
UKW, sondern DAB+ nutzen?
10.000 Einwohner, wie soll das funktioUhrig: Media Broadcast beabsichtigt, dienieren? Diese Datenflats, die im Moment
ses Jahr zur IFA einen zweiten bundesweivon vielen Betreibern angeboten werden,
ten Multiplex mit einem Hundertprozentwerden irgendwann ihr Ende finden. In
Ausbau zu starten. Das heißt, es kommen
Amerika gibt es schon keine mehr, weil
nochmal 14 Sender hinzu und wir haben
das Netz überlastet ist.
dann bundesweit 28 Sender zur Verfügung. Übrigens: als Ende 1940/Anfang
promedia: Mit LTE wird die Bandbrei1950 UKW eingeführt wurde, gab es
te mobil zunehmen und auch die Sergenau dieselben Diskussionen wie jetzt
verkapazitäten werden ausgebaut…
über DAB+ mit den gleichen Argumenten
Uhrig: Es wurden viele Studien beaufzwischen UKW und Mittelwelle. Jeder,
tragt, um festzustellen, wie viele Leute
der sich ein neues Radio kauft, wird DAB+
mobil über das Internet Radio hören.
mitkaufen. Und wenn sich der Trend, der
Das bewegt sich in einem Drei- bis Viersich seit August beim Kauf der DAB+-GeProzentbereich. LTE wird zudem wohl
räte zeigt, die nächsten Jahre so durchsetkeine echte Peer-to-Peer-Lösung anbieten,
zen wird, dann gehe ich davon aus, dass
das haben die Telekom und Vodafone
wir in fünf bis sieben Jahren zehn Prozent
bereits angekündigt. Also, man wird nicht
der Bevölkerung damit versorgt haben,
mit LTE direkt auf ein Handy streamen
aber wahrscheinlich noch mehr. Es ist vor
können. LTE ist ein shared-medium. Keine
allem abhängig davon, wie das Angebot
echten Flats und je mehr User umso
aussieht.
(JG)
schlechter der Datendurchsatz. Wir haben
„