Fassbinder / Schroeter / Wenders
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Fassbinder / Schroeter / Wenders
2015 | Heft 28 münchen Věra Chytilová Deutsche Filme 2014 DEFA: Die besten Jahre Naher Osten Jacques Tati Audiodeskription Architekturfilmtage Kriegsende 1945 Fassbinder / Schroeter / Wenders Franz Josef Strauß Avi Mograbi Hou Hsiao-Hsien John Smith Edmund Meisel Paul Thomas Anderson Pedro Costa Orson Welles Eintrittspreise 4 € (3 € für MFZ-Mitglieder). Ab 120 Minuten Filmlänge oder mit Gästen: 1 € Aufschlag. Ab 180 Minuten, mit Live-Musik oder bei 3D: 2 € Aufschlag. Die Kasse öffnet jeweils 60 Minuten vor und schließt 30 Minuten nach Beginn der Vorstellung. Bei allen öffentlichen Veranstaltungen verbleibt ein Kartenkontingent für den freien Verkauf an der Abendkasse. Kartenreservierung Kartenreservierungen sind bis zu vier Wochen im voraus möglich und können unter der Telefonnummer 089 / 233 96450 auf Band gesprochen werden. Vorbestellte Karten müssen bis 20 Minuten vor Vorstellungsbeginn an der Kasse abgeholt worden sein, ansonsten verfällt die Reservierung. Kartenvorverkauf Karten können bis zu vier Wochen im voraus gekauft werden. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass unmittelbar vor Vorstellungsbeginn bei starkem Besucherandrang kein Kartenvorverkauf erfolgt. Karten behalten ihre Gültigkeit nur bis Vorstellungsbeginn. An der Abendkasse können vorverkaufte Karten bis 20 Minuten vor Vorstellungsbeginn gegen Kostenerstattung wieder zurückgegeben werden. Programmabonnement Das Kinoprogrammheft und unseren Newsletter können Sie unter www.muenchner-stadtmuseum.de/film kostenlos abonnieren. Das Programmheft wird an Mitglieder des MFZ auf Wunsch kostenlos versandt. Ansonsten bitten wir um die Zusendung eines adres- sierten und mit 1,45 € frankierten DIN A5-Briefumschlages an die Adresse des Filmmuseums. Den täglich aktualisierten Spielplan finden Sie auch auf Twitter: @filmmuseummuc. Mitgliedschaft Wer sich für die Arbeit des Filmmuseums interessiert, kann Mitglied im Verein der Freunde des Filmmuseums München, dem Münchner Filmzentrum e.V. (MFZ) werden. Mitgliedsanträge sind an der Kinokasse erhältlich. Der Jahresbeitrag beträgt 20 € und berechtigt zum ermäßigten Eintritt ins Filmmuseum sowie zur Teilnahme an den Mitgliederversammlungen des MFZ, in denen die Programmplanungen des Filmmuseums diskutiert und Projekte entwickelt werden. Weitere Informationen erhalten Sie unter Tel. 0177 / 728 46 81 und www.muenchner-filmzentrum.de. Rollstuhlfahrer / Hörgeschädigte Der Kinosaal im Untergeschoss ist über einen Aufzug für Rollstuhlfahrer zugänglich. Die Behindertentoilette befindet sich im Untergeschoss neben dem Kinoeingang. Das Kino ist mit einer Induktionsschleife für Hörgerätebesitzer ausgestattet. Saalmikrofon Das Kino verfügt über ein Saalmikrofon zur Kontrolle des Kinotons durch die Filmvorführer. Verkehrsverbindung Sie erreichen das Filmmuseum in 5 Gehminuten vom U/S-Bahnhof Marienplatz oder in 7 Gehminuten vom U-Bahnhof und der Trambahnhaltestelle Sendlinger Tor. MitgliederversammlungendesMünchnerFilmzentrumse.V.(MFZ) Die für alle Interessierten öffentlichen Mitgliederversammlungen des Fördervereins des Filmmuseums finden einmal im Monat montags um 19 Uhr im Gotischen Zimmer des Ignaz-Günther-Hauses (St.-Jakobs-Platz 20, 80331 München, 1. Stock) statt. Termine: 9. März 2015, 13. April 2015, 4. Mai 2015, 8. Juni 2015 und 13. Juli 2015. Informationen: kontakt@muenchner-filmzentrum.de. »OpenScene«amDonnerstag Die Termine am Donnerstag sind teilweise für aktuelle Sonderveranstaltungen reserviert. Das Programm wird spätestens acht Tage vorher festgelegt und in den Schaukästen an der Kinokasse, im E-Mail-Newsletter, unter www.muenchner-stadtmuseum.de/film/open-scene.html, auf Facebook, auf Twitter und durch Ankündigungen in der Tagespresse bekannt gegeben. Impressum Landeshauptstadt München. Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum, St.-Jakobs-Platz 1, 80331 München, 089/233 20538, Email: filmmuseum@muenchen.de · Redaktion: Stefan Drößler, Claudia Engelhardt, Christoph Michel, Klaus Volkmer · Gestaltung: Heiner Gassen, München · Druck: BluePrint AG, München Jahrgang 1945, Hammett, Welles, Audiodeskription Gleich drei deutsche Filmemacher, deren Werke Schwerpunkte in unserer 3 Věra Chytilová . . . Filmsammlung bilden, haben in diesem Jahr ihren 70. Geburtstag: Werner 11 Deutsche Filme 2014 . . . Schroeter (7. April), Rainer Werner Fassbinder (31. Mai), Wim Wenders (14. August). Jedem von ihnen wieder einmal eine vollständige Einzelretro16 DeFa: Die besten Jahre . . . spektive zu widmen, hätte unser Programm weitgehend ausgefüllt. So entstand die Idee, die Werke der drei miteinander in Beziehung zu setzen: Alle 24 Naher Osten . . . drei haben Ende der 1960er Jahre angefangen, in München Filme zu drehen, alle drei kannten sich und haben in unterschiedlichen Konstellationen 27 Film und Psychoanalyse . . . miteinander gearbeitet oder sich untereinander geholfen, alle drei haben sich in ihren Filmen mit Deutschland und mit deutscher Geschichte aus29 Jacques Tati . . . einandergesetzt, und alle drei haben bereits in den 1970er Jahren an33 audiodeskription . . . gefangen, auch im Ausland zu filmen. Es ist spannend zu sehen, wie sich die sehr unterschiedlichen Werke entwickelt haben. Eine ganz besondere Sen35 architekturfilmtage . . . sation stellt die Präsentation der Arbeitskopie der ursprünglichen Fassung von Wim Wenders’ HAMMETT dar, die als verloren gilt. Produzent Francis 39 Kriegsende 1945 . . . Ford Coppola, der die Fassung verwarf und Wim Wenders zum Neudreh mit z. T. anderen Darstellern zwang, hat angeblich alles Material des ersten 41 Fassbinder / Schroeter / Wenders . . . Drehs vernichten lassen. Überlebt hat aber ein vom Schneidetisch abgefilmtes Amateurvideo der Arbeitskopie in sehr schlechter Bildqualität, welches 50 Franz Josef Strauß . . . das Filmmuseum – so gut es geht – restauriert hat und erstmals zeigt. 52 avi Mograbi . . . Gleich zwei »Jubiläen« hat Orson Welles 2015 aufzuweisen: Seinen 100. Geburtstag (6. Mai) und seinen 30. Todestag (10. Oktober). Auch sein filmi53 Hou Hsiao-hsien . . . sches Werk wird im Filmmuseum aufbewahrt. Viele seiner unvollendeten Fragmente sind in München restauriert worden und laufen in diesem 59 John Smith . . . Sommer und Herbst auf Symposien, Konferenzen und in Retrospektiven in 60 edmund Meisel . . . Europa, in den USA und in Asien. Die Werke von Orson Welles und Rainer Werner Fassbinder miteinander in Beziehung zu setzen, wäre sicherlich 66 Paul Thomas anderson . . . auch einmal eine interessante Idee: Beide waren ungeheuer produktiv und haben mit einer starken Gruppe im Hintergrund angefangen, Welles mit dem 70 Zuschauerkino . . . Mercury Theatre, Fassbinder mit dem antiteater, beide kamen über das Theater zu Radio, Kino und Fernsehen, beide traten als Schauspieler, Regis71 Pedro Costa . . . seur und Autor in Erscheinung, beide haben Genrefilme und aufwändige Literaturadaptionen gedreht, aber auch sehr persönliche Formen des Essay74 Orson Welles . . . films entwickelt. Es bleibt ein Projekt für die Zukunft, diese Gedanken wei83 Kalenderübersicht . . . terzuspinnen und auszuarbeiten. In diesem Programm sind Werke beider Filmemacher zu sehen, aber nicht in direktem Bezug zueinander. Erstmals zeigt das Filmmuseum im Rahmen eines Inklusionsprojekts vier Filme mit Audiodeskription für blinde und sehbehinderte Menschen: Einen Spielfilm, einen Dokumentarfilm, einen Stummfilm und zwei Slapstickkomödien, die die Deutsche Hörfilm gGmbH für das Filmmuseum München bearbeitet hat. Wir stellen die Audiodeskription als eigene künstlerische Form vor, die auch für Sehende interessant ist. Lassen Sie sich einmal auf das Experiment ein, Ihre Sehgewohnheiten hörend zu ergänzen und zu vergleichen! Am 14. April wird nach der Vorführung von Percy Adlons ZUCKERBABy mit Audiodeskription ein Podiumsgespräch über diese Form der Filmvermittlung stattfinden. Ihr Filmmuseum R = Regie · B = Drehbuch · K = Kamera · M = Musik · S = Schnitt · D = Darsteller · P = Produktion · OF = Originalfassung · OmU = Originalfassung mit deutschen Untertiteln · OmeU = Originalfassung mit englischen Untertiteln · OmfU = Originalfassung mit französischen Untertiteln · OmÜ = Originalfassung mit deutscher Übersetzung · dtF = deutsche Synchronfassung · \ = Livemusikbegleitung Rückblick 14. September 2014: marianne Sägebrecht und percy adlon im foyer des filmmuseums bei der vorstellung des films zucKeRbaby im Rahmen der percy-adlon-Retrospektive. 18. September 2014: Der philippinische Regisseur Kidlat Tahimik präsentiert den Klassiker DeR paRfümieRTe albTRaum und Teile seines neuen films memoRieS of oveRDevelopmenT. 24. September 2014: Die biermösl blosn geben ein Konzert nach der vorführung des Dokumentarfilms plaTTln in umTaTa von peter heller zur feier von 30 Jahren filmstadt münchen e.v. 14. Dezember 2014: Simone fürbringer, michaela Dietl, frederick Reuss und nicolas humbert nach der aufführung der multimediapräsentation max mohR – exil ShanGhai. 17. Dezember 2014: Stefan Drößler und Rob houwer, der seine deutschen filmproduktionen aus den 1960er und 1970er Jahren dem filmmuseum münchen zur einlagerung übergibt. 11. Januar 2015: Waltraud burger (Kz-Gedenkstätte Dachau), max mannheimer und filmemacherin carolin otto nach der vorführung des films DeR WeiSSe Rabe – max mannheimeR. Věra Chytilová Retrospektive Věra Chytilová věra chytilová bei Dreharbeiten in den 1960er Jahren 3 Věra Chytilová (2.2.1929–12.3.2014) war eine einzigartige Erscheinung in der tschechischen Filmszene. Eine Regisseurin, die ihre Vision von Kunst und Regie konsequent und kompromisslos verfolgte wie nur wenige ihrer Kollegen – von ihren Kolleginnen ganz zu schweigen. Für viele Schauspieler, Kameraleute, Beleuchter oder Toningenieure war sie eine gefürchtete (und manchmal unberechenbare) Herrscherin am Set, doch mit ihrem sozialen Empfinden überraschte sie immer wieder. Meistens erreichte sie, was sie sich vorgenommen hatte. Im Jahr 1957 war sie als einzige Frau zum Studium an der Prager FAMU (Film- und Fernsehfakultät der Akademie der Musischen Künste) aufgenommen worden und musste sich in einer reinen Männerdomäne behaupten. Vielleicht wurden daher die Frauen mit ihren Schicksalen in verschiedenen Zeiten, Lebenssituationen und sozialen Umgebungen eines ihrer Hauptthemen – so wie in den Filmen PyTEL BLECH (EIN SACK FLÖHE, 1962), STROP (DIE DECKE, 1962), O NĚČEM JINÉM (VON ETWAS ANDEREM, 1963), SEDMIKRÁSKy (TAUSENDSCHÖNCHEN, 1966), HRA O JABLKO (EIN BISSCHEN SCHWANGER, 1977), PASTI, PASTI, PASTIČKy (GROSSE FALLEN, KLEINE FALLEN, 1998) oder HEZKÉ CHVILKy BEZ ZÁRUKy (SCHÖNE MOMENTE, 2006). Zu einer Persönlichkeit von europäischem Format wurde sie Mitte der 1960er Jahre durch die Konsequenz, mit der sie gesellschaftliche Missstände aufzeigte und menschliche Unzulänglichkeiten aufs Korn nahm. In dieser Hinsicht war sie eine fundamentale Moralistin, deren Waffen der Sarkasmus und die Kompromisslosigkeit waren. Nicht zufällig nannte die britische Tageszeitung The Guardian sie die »Margaret Thatcher des tschechischen Kinos«. Zum Film kam sie durch das künstlerische Umfeld ihres ersten Ehemanns, des Fotografen Karel Ludwig, und ihre kurze Karriere als Mannequin. Ihrem attraktiven Äußeren verdankte sie auch kleinere Filmrollen. Die Welt des Films fesselte sie so sehr, dass sie von 1953 bis 1957 in den Barrandov-Filmstudios als Scriptgirl und Regieassistentin arbeitete. Das alles half ihr entscheidend bei der Bewerbung an der FAMU. Und auch ihre Courage: »Es gefällt mir nicht, wie man bei uns Filme dreht. Ich will es besser machen!« – diesen denk- ovoce STRomŮ RaJSKých Jíme (fRüchTe DeS paRaDieSeS) Věra Chytilová 4 würdigen Satz trug sie beim Auswahlgespräch für die FAMU vor. Damit beeindruckte sie sogar den strengen Chef am Lehrstuhl für Regie Otakar Vávra. Mit ihrem Mut und ihrer klaren Vision gewann Chytilová bald schon den Respekt ihrer Mitstudenten, die die damalige tschechoslowakische Neue Welle begründeten: Jiří Menzel, Evald Schorm, Jan Němec, Pavel Juráček, Ivan Passer, Antonín Máša und Jan Schmidt. Bei aller Verschiedenheit besaßen die Filme dennoch Gemeinsamkeiten wie improvisierte Dialoge, die häufige Besetzung mit Laien, den absurden Humor, den Zauber des Zufalls, die ungeschönte Darstellung von Liebesirrungen und -verwirrungen. Mit ihren vier Mitstudenten Menzel, Němec, Schorm und Jireš drehte Chytilová gemeinsam den Episodenfilm PERLIČKy NA DNĚ (PERLEN AUF DEM MEERESGRUND, 1965). Letztlich ging sie jedoch ihren eigenen Weg – einen Weg, der die damals gefeierte Methode des cinéma vérité genauso anzweifelte wie die weit verbreiteten Stilisierungen. Chytilová erarbeitete sich eine ganz eigene Handschrift: Filme ohne feste Geschichten, aufbauend auf einer ruhelosen Kamera, einer scheinbar inhomogenen Schnittkomposition und auf Übertreibungen. Sie war eine echte Autorenfilmerin, die sich immer treu blieb. Ihre Filmbesessenheit wurzelte schon in der Kindheit: Als Kind saß sie im Kino wie angekettet im Sessel und war nicht bereit, diesen vor Filmende zu verlassen, selbst dann nicht, wenn sie auf die Toilette musste. Und so machte sie ein paarmal in ihre Gummistiefel, die sie an den Füßen trug. Als sie fürchtete, aus der FAMU wegen eines dummen Vorwandes entlassen zu werden, versuchte sie sich das Leben zu nehmen. Das Unkonventionelle, das ihr eigen war, projizierte sie in ihre Charaktere. Gegen alle Normen rebellierten beispielsweise die beiden Protagonistinnen in SEDMIKRÁSKy, ein formales Experiment mit herausragender visueller Aufladung, das Chytilová als ihren besten Film bezeichnete. Daran beteiligt war auch die ebenfalls eigenwillige Künstlerin, Drehbuchautorin und langjährige Freundin Ester Krumbachová und Věras zweiter Ehemann, der Kameramann Jaroslav Kučera. Ihr nächster Film, OVOCE STROMŮ RAJSKÝCH JÍME (FRÜCHTE DES PARADIESES, 1970), stellt in ebenso origineller Bildsprache Überlegungen zu Wahrheit und Lüge an, die sich aus biblischer Symbolik ableiten, konkret aus der Geschichte von Adam und Eva. In der Dreiecksgeschichte denkt Chytilová über die Schlüsselfrage des Vertrauens in der Beziehung zwischen Mann und Frau nach und fragt, ob es besser ist, die Früchte vom Baum der Erkenntnis zu essen und die Konsequenzen zu tragen, oder sie nicht zu essen und glücklich zu sein. Genau dieses Dilemma aber lastete auf den tschechischen Filmemachern mit dem ganzen Gewicht der Zensur nach der Augustokkupation 1968. Schon die provokative Groteske SEDMIKRÁSKy über einen »Teufelskreis aus Pseudowerten und Pseudobeziehungen« (Chytilová) hatte im Mai 1967 eine parlamentarische Anfrage in der Nationalversammlung ausgelöst. »Wir sind davon überzeugt, dass zwei Filme, die wir gesehen haben […], auf einen grundlegenden Weg unseres Kulturlebens hinweisen, auf dem kein redlicher Arbeiter, Bauer oder Intellektueller gehen kann und gehen wird […]. Wie lange werden sie mit den Nerven des Arbeiters und Bauern spielen und überhaupt, welche Demokratie bringen sie?«, entrüstete sich der Abgeordnete Jaroslav Pružinec über SEDMIKRÁSKy und Jan Němecs Film O SLAVNOSTI A HOSTECH (VOM FEST UND DEN GÄSTEN, 1966). Die Anfrage wurde von 21 Abgeordneten unterschrieben. Der Vorfall war ein Vorbote für die zahlreichen Schwierigkeiten mit den kommunistischen Machthabern, die Chytilová das Arbeiten zeitweise unmöglich machten. Dem großen Druck und den Auseinandersetzungen mit den höchsten Rängen des Regimes zum Trotz drehte die Regisseurin nach einer sechsjährigen Zwangspause ab Mitte der 1970er Jahre einige bemerkenswerte Filme, die zum Besten gehören, was in dieser Zeit in der tschechischen Kinematografie entstand. Věra Chytilová Die zweite Hälfte der 1980er Jahre war für Chytilová geprägt von der Suche nach neuen Themen und Genres. Die scharfe Gesellschaftskritik trat dabei etwas in den Hintergrund. Chytilová drehte chiffrierte Gleichnisse wie ŠAŠEK A KRÁLOVNA (DER NARR UND DIE KÖNIGIN, 1988), über die Macht und ihr Gegenstück, und den suggestiv-beklemmenden VLČÍ BOUDA (DIE WOLFSBAUDE, 1987), ihren einzigen Horrorfilm. KOPyTEM SEM, KOPyTEM TAM (EINMAL HIN, EINMAL HER, 1988), der erste tschechische Film über das Thema AIDS, erinnerte im moralischen Anspruch an ihre früheren Filmarbeiten. Die Kritik richtete sich hier aber weniger gegen gesellschaftliche Mechanismen, als gegen den promisken Lebensstil der jungen Leute. Dennoch stand auch hier die durchdringende Studie menschlicher Charaktere im Zentrum. Danach folgte mit DĚDICTVÍ ANEB KURVAHOŠIGUTNTAG (DAS ERBE ODER: FUCKOFFJUNGSGUTNTAG, 1992) ein Film, der die Restitutionspraktiken anprangert. Chytilová versuchte sich zum ersten Mal an einer volkstümlichen Komödie, die ihr jedoch künstlerisch nicht ganz gelang. Paradoxerweise traf die Schaffenskrise sie in einer Zeit, als die »Samtene Revolution« endlich die absolute künstlerische Freiheit gebracht hatte. Wie eine Reminiszenz auf ihre alten Filme wirkte PASTI, PASTI, PASTIČKy (GROSSE FALLEN, KLEINE FALLEN, 1998) über eine brutale weibliche Rache für eine Ver- 5 mí pRaŽanÉ mi RozumĚJí (meine pRaGeR veRSTehen mich) Kaum einer ihrer Kollegen bezog so suggestiv und erbarmungslos Stellung zur Auszehrung der sogenannten »Normalisierungszeit« der 1970er und 1980er Jahre wie Chytilová mit HRA O JABLKO, PANELSTORy (GESCHICHTE DER WÄNDE, 1980), KALAMITA (KALAMITÄTEN, 1982) und FAUNOVO VELMI POZDNÍ ODPOLEDNE (FAUNS ALLZU SPÄTER NACHMITTAG, 1983). Unter anderem belegen diese Filme, dass Chytilová nicht nur auf Frauenthemen festgelegt war. Allerdings schildert sie eine Männerwelt, in der die Frauen sich selbstbewusst und kompromisslos behaupteten. Ob es nun die Moral des Doktors in HRA O JABLKO ist, wo sie die männliche Hauptrolle mit ihrem ehemaligen Mitstudenten aus der FAMU, dem Regisseur Jiří Menzel, besetzte, oder die bissige Studie über männliche Eitelkeit und Willensschwäche in FAUNOVO VELMI POZDNÍ ODPOLEDNE – die Männer gehen aus der Konfrontation mit den Frauen stets mit moralischen Schrammen hervor und erscheinen als die Schwächeren. Bis heute beeindruckt auch die für viele Jahre verbotene Satire PANELSTORy. Sie spielt in einer matschigen, unfertigen Wohnsiedlung, in der die Regisseurin erbarmungslos die Plattheit von Beziehungen und Charakteren aufdeckt, die grotesk selbstverliebt und gleichgültig dem gegenüber sind, was um sie herum passiert. Stilbildend für den Film war die Handkamera von Jaromír Šofr, mit dem die Regisseurin die Mehrheit ihrer Filme bis Mitte der 1980er Jahre drehte. Aufmerksamkeit verdient auch ein Dokumentarfilm, der in dieser Zeit als Auftragsarbeit als Bestandteil einer italienischen Serie über die Kulturzentren des alten Kontinents entstand, PRAHA – NEKLIDNÉ SRDCE EVROPy (PRAG, DAS UNRUHIGE HERZ EUROPAS, 1984). Chytilová zog darin das gängige Bild von Prag als Stadt mit historischer und kultureller Kontinuität in Zweifel und bewies, dass ihr Talent über die Grenzen des Spielfilms hinausreichte. Dem Mozart-Film MÍ PRAŽANÉ MI ROZUMĚJÍ (MEINE PRAGER VERSTEHEN MICH, 1991) dagegen fehlte ein stringenter Aufbau. VZLETy A PÁDy (AUFSTIEG UND FALL, 2000) war ein Tribut an ihren ersten Mann Karl Ludwig, wies aber weit über die persönliche Ebene hinaus. Er feierte zugleich das künstlerische Schaffen der Gesellschaft in den 1950er und 1960er Jahren und zeigte die unsinnigen Praktiken und Verbrechen des totalitären Regimes. PÁTRÁNÍ PO ESTER (ESTER, 2006) war ein bemerkenswertes Porträt ihrer Freundin und Mitarbeiterin Ester Krumbachová, in dem sie die Persönlichkeit dieser progressiven Künstlerin und Drehbuchautorin nachzeichnet, die mit ihrer künstlerischen Haltung eine ganze Generation an Filmemachern beeinflusst hat. Věra Chytilová 6 gewaltigung, in dem die Regisseurin es letztmals mit egoistischen und arroganten Männern »aufnahm«. Schauspielerisch brillierte Zuzana Stivínová. VyHNÁNÍ Z RÁJE (VERTREIBUNG AUS DEM PARADIES, 2001) knüpfte an die biblische Symbolik von OVOCE STROMŮ RAJSKÝCH JÍME (FRÜCHTE DES PARADIESES) an: Wieder wurde das Thema der Erkenntnis, in diesem Fall der absoluten Freiheit, durch die Nacktheit der Protagonisten symbolisiert. Von den Kinozuschauern verabschiedete sich Chytilová mit einer unterhaltsamen Studie über eine Psychologin und ihre Beziehungen, in der ihre ironischen Übertreibungen noch einmal aufblitzen: HEZKÉ CHVILKy BEZ ZÁRUKy (SCHÖNE MOMENTE, 2006). Die Trägerin des prestigeträchtigen Preises Český lev (Tschechischer löwe) für ihren langjährigen künstlerischen Beitrag zum tschechischen Film und die Mutter der Schauspielerin und Künstlerin Tereza Kučerová und des Kameramannes Štěpán Kučera blieb eine hartnäckige Kämpferin. Nach der Revolution engagierte sie sich für den Kampf gegen die Privatisierung der Barrandov-Studios und des tschechischen Films, sie wirkte im Rat der Hauptstadt Prag mit und kandidierte erfolglos für den Senat. Sie blieb eine grimmige Moralistin, die allerdings vom Alter und der Verbitterung über die Richtung, in die sich das tschechische Kino nach 1989 entwickelte, geschwächt war. Davon zeugt auch das Dokument CESTA (REISE, 2004), das die junge Filmemacherin Jasmina Bralić-Blažević über sie drehte. »Věra fing manchmal an zu weinen, solche Situationen waren schwer. Ich muss sagen, dass es mich viel Mut gekostet hat, in solchen Momenten nicht die Kamera auszuschalten«, bekennt die Dokumentarfilmerin. Es ist fast symbolisch, dass Chytilová das letzte große Projekt, um das sie sich viele Jahre bemüht hat, nicht mehr realisieren konnte. Das Drehbuch über die rebellierende tschechische Schriftstellerin Božena Němcová im 19. Jahrhundert trug den Arbeitstitel TVÁŘ NADĚJE (DAS GESICHT DER HOFFNUNG) und entstand schon Ende der 1970er Jahre. Damals war es aber nicht »erwünscht«. Nach der Revolution gelang es Chytilová, für das Projekt staatliche Unterstützung zu erhalten. Die Restfinanzierung des anspruchsvollen historischen Werks konnte sie aber in einer Zeit, in der immer mehr billige Kommerzfilme gewünscht waren, nicht mehr zusammenbringen. Auf dem art film fest in Trenčianske Teplice im Jahr 2009 merkte sie an: »Auf der Welt fehlt immer noch das Mitgefühl. Die Moral steht am Rande des gesellschaftlichen Interesses. Wenig Aufmerksamkeit widmet man der Kultur. Es regieren dumme Menschen, und noch dazu Männer.« Jana podskalská Die Retrospektive Věra Chytilová findet in Zusammenarbeit mit dem Tschechischen Zentrum München und dem Národní filmový archiv in Prag statt. Strop (Die Decke) | ČSSR 1962 | R+B: Věra Chytilová | K: Jaromír Šofr | M: Jan Klusák | D: Marta Kanovská, Julián Chytil, Josef Abrhám, Jiří Menzel, Ladislav Mrkvička | 42 min | OmU | Chytilovás Abschlussfilm an der Filmhochschule beschreibt einige Tage im Leben einer Medizinstudentin, die ihr Studium aufgibt, um Model zu werden. Doch die Abkehr vom bisherigen Alltag bringt nicht die gewünschte Veränderung. – Pytel blech (Ein Sack Flöhe) | ČSSR 1962 | R+B: Věra Chytilová | K: Jaromír Šofr | D: Helga Čočková | 43 min | OmU | Die scheue Eva fängt als Lehrmädchen in einer Textilfabrik an und muss sich mit ihren Zimmergenossinnen im Wohnheim arrangieren. Sie fasst Vertrauen zu der aufmüpfigen Jana. »Ich provozierte die Mädchen und die Aufsichtspersonen im Wohnheim, spontan zu reagieren, ich wollte, dass sie sie selbst sind. Die Dialoge sind improvisiert, ich wusste nicht im voraus, was die Darsteller sagen werden – und genau das macht den Film so überzeugend.« (Věra Chytilová) ▶ Freitag, 6. März 2015, 18.30 Uhr O něčem jiném (Von etwas anderem) | ČSSR 1963 | R+B: Věra Chytilová | K: Jan Čuřík | M: Jiří Šlitr | D: Eva Bosáková, Věra Uzelacová, Josef Langmiler, Jiří Kodet, Milivoj Uzelac, Miroslava Matlochová | 90 min | OmU | »Die Regisseurin konfrontiert ohne vordergründige Parteinahme den Alltag zweier Frauen – einer bekannten Sportlerin, deren Leben mit rastlosem Training ausgefüllt ist, und den einer Hausfrau und Mutter, die unter der Leere ihres Daseins leidet; während das Training der Sportlerin dokumentarisch gezeigt wird, ist die zweite Handlungslinie fiktiv. Die beiden Geschichten berühren sich nie, aber spiegeln sich aneinander, jedes Leben stellt das andere in Frage.« (Ulrich Gregor) »Der ganze Film ging um das Thema: Ähnlich oder nicht ähnlich? Gleich oder verschieden? Und immer von neuem entdeckt man, dass jede von ihnen etwas anders ist, als man zunächst annahm.« (Věra Chytilová) »So böse ist selten gezeigt worden, welche Chancen der Selbstverwirklichung Frauen haben.« (Frieda Grafe) ▶ Samstag, 7. März 2015, 18.30 Uhr Perličky na dně (Perlen auf dem Meeresgrund) | ČSSR 1965 | R: R+B: Jiří Menzel, Jan Němec, Evald Schorm, Věra Chytilová, Jaromil Jireš, nach Kurzgeschichten von Bohumil Hrabal | K: Jaroslav Kučera | M: Jan Klusák, Jiří Šust | D: Emil Iserle, Miloš Čtrnáctý, ▶ Sonntag, 8. März 2015, 18.30 Uhr Sedmikrásky (Tausendschönchen) | ČSSR 1966 | R: Věra Chytilová | B: Věra Chytilová, Ester Krumbachová, Pavel Juráček | K: Jaroslav Kučera | M: Jiří Šlitr, Jiří Šust | D: Ivana Karbanová, Jitka Cerhová, Julius Albert, Jan Klusák, Marie Češková, Jiřina Myšková, Marcela Březinová | 76 min | OmU | »Eine närrische, dadaistische Komödie, eine Orgie spektakulärer visueller Köstlichkeiten, sinnlicher Dekors und wunderbarer Farbexperimente, eine groteske Farce, die trotzdem Věra Chytilová voll heiterer Weisheit ist. Zwei leichtsinnige junge Mädchen, gelangweilt und respektlos, sich weder der Vergangenheit noch der Zukunft bewusst, stolpern durch eine bizarre Reihe von Zufallsbekanntschaften, wilden Abenteuern, Fressorgien und Kuchenschlachten.« (Amos Vogel) – Cesta – portrét Věry Chytilové (Die Reise: Porträt Vera Chytilova) | Tschechien 2004 | R+B: Jasmina Bralić-Blažević | K: Štěpán Kučera | M: Petr Hromádka | Mit Věra Chytilová, Tereza Kučerová | 53 min | OmeU 7 ▶ Freitag, 13. März 2015, 18.30 Uhr Ovoce stromů rajských jíme (Früchte des Paradieses) | ČSSR 1970 | R: Věra Chytilová | B: Věra Chytilová, Ester Krumbachová | K: Jaroslav Kučera | M: Zdeněk Liška | D: Jitka Nováková, Karel Novák, Jan Schmid, Julius Albert, Alice Auspergerová | 99 min | OmU | »Äußerlich geht der Film von der Geschichte des Sündenfalls aus, dessen Protagonisten hier Eva und Joseph heißen; die Schlange erscheint in Gestalt eines bärtigen, ganz und gar in Rot gekleideten Verführers namens Robert. Es geht um die Frage des Weiterlebens nach der Erkenntnis der Wahrheit; zwischen den Zeilen sind symbolisch-allegorische Anspielungen SeDmiKRáSKy (TauSenDSchönchen) Josefa Pechlátová, Vladimír Boudník, Dana Valtová | 105 min | OmU | Ein »Anthologiefilm der Neuen tschechischen Welle« (Ulrich Gregor), der sich von tragikomischen Erzählungen von Bohumil Hrabal über die Poesie des Alltags inspirieren ließ. Fünf Episoden: DER TOD DES HERRN BALTHASAR, DIE SCHWINDLER, HAUS DER FREUDE, IMBISSSTUBE »DIE WELT« und ROMANZE. In Chytilovás Episode IMBISSSTUBE »DIE WELT« wird während der Hochzeitsfeier in einem Restaurant eine junge Frau gefunden, die Selbstmord begangen hat. Als die Polizei eintrifft, stößt sie auf eine angetrunkene Hochzeitsgesellschaft und verhaftet den Bräutigam. Die Braut bleibt allein zurück. Věra Chytilová 8 auf die Besetzung der ČSSR 1968 zu erkennen.« (Ulrich Gregor) »Eine Frage beschäftigte mich immer wieder intensiv: Wir befanden uns auf einer ständigen Suche nach Wahrheit, aber waren wir damit zugleich auch imstande, sie zu ertragen? Ist die Wahrheit vereinbar mit absoluter Harmonie? Erkenntnis mit Liebe?« (Věra Chytilová) ▶ Samstag, 14. März 2015, 18.30 Uhr Hra o jablko (Spiel um den Apfel / Ein bisschen schwanger) | ČSSR 1977 | R: Věra Chytilová | B: Věra Chytilová, Kristina Vlachová | K: František Vlček | M: Miroslav Kořínek | D: Jiří Menzel, Dagmar Bláhová, Evelyna Steimarová, Jiří Kodet, Nina Popelíková | 100 min | OmU | Die Hebamme Anna kommt aus der Provinz in eine Prager Entbindungsklinik, wo der Chefarzt Dr. Josef John sich immer wieder mal unter dem weiblichen Personal oder den Patientinnen eine sexuelle Beziehung sucht. Obwohl sich Annas und Josefs Auffassung vom Gebären deutlich unterscheiden – er sieht darin lediglich Routine und nichts Einmaliges –, kommen sich die beiden näher. Alles scheint gut, bis sie von ihm ein Kind erwartet. »Obwohl an der Oberfäche in einem scheinbar unverbindlichen Stil angelegt, offenbart der Film zwischen den Zeilen Věra Chytilovás besonderes Temperament, ihre Sensibilität und Phantasie; deutlich ist der Film aus der Perspektive der Heldin erzählt.« (Ulrich Gregor) ▶ Sonntag, 15. März 2015, 18.30 Uhr Panelstory aneb Jak se rodí sídliště (Geschichte der Wände) | ČSSR 1980 | R: Věra Chytilová | B: Věra Chytilová, Eva Kačírková | K: Jaromír Šofr | M: Jiří Šust | D: Lukáš Bech, Antonín Vaňha, Eva Kačírková, Oldřich Navrátil, Jiří Kodet | 96 min | OmU | Am Rande von Prag entsteht eine Neubausiedlung. Die Bauarbeiten sind noch lange nicht abgeschlossen, doch die meisten Wohnungen werden bereits bezogen. Mehr schlecht als recht beginnt sich der Alltag in den Provisorien einzurichten. Ein kleines Kind und ein alter Mann versuchen, sich im Chaos der Baustelle zu orientieren. Von nun an kreuzen sich beständig ihre Wege, auch jene der anderen Bewohner, und flechten ein nervöses Gespinst von Verständigung und Sprachlosigkeit. »Meine Arbeitsweise war bei diesem Film sehr chaotisch und spontan. Eigentlich mag ich das nicht und leide darunter, aber Ordnung ist steril, und hinter dem Chaos kann vielleicht die Wahrheit stecken.« (Věra Chytilová) ▶ Freitag, 20. März 2015, 18.30 Uhr Faunovo velmi pozdní odpoledne (Fauns allzuspäter Nachmittag) | ČSSR 1983 | R: Věra Chytilová | B: Věra Chytilová, Jiří Brdečka, Ester Krumbachová, nach der Erzählung von Jiří Brdečka | K: Jan Malíř | M: Miroslav Kořínek, Jiří Stivín | D: Leoš Suchařípa, Vlasta Špicnerová, Libuše Pospíšilová, Jiří Hálek, Tereza Kučerová | 99 min | OmU | »Ein eitler Frauenheld, Ingenieur in einem Baubüro in Prag, kann sich mit dem Älterwerden nicht anfreunden und steigt noch im Herbst seines Lebens unermüdlich jungen Frauen nach. Eine subtile Tragikomödie um die nimmermüde Suche eines liebenswerten Lüstlings, hervorragend gespielt und von einer extrem bewegten Kamera eingefangen. Humorvoll und unterhaltsam, manchmal ins Groteske übersteigert, macht sich der Film über die Spiele und Verführungskünste der Männer ebenso lustig wie über manche Unverfrorenheit der Frauen, wobei unter der Oberfläche die Angst der Menschen, das Leben verpasst zu haben, sichtbar wird.« (Lexikon des Internationalen Films) ▶ Samstag, 21. März 2015, 18.30 Uhr Praha – neklidné srdce Evropy (Prag – das unruhige Herz Europas) | ČSSR 1984 | R+B: Věra Chytilová | K: Jan Malíř | M: Michael Kocáb | 59 min | OmU | Chytilová zeigt ein Porträt ihrer Stadt Prag, in dem sie nicht Daten oder Fakten aufzählt, sondern durch die Jahrhunderte hinweg zeitgeschichtliche Zusammenhänge und Traditionen aufzeigt, die von der Architektur, Musik und Mythologie Prags geprägt wurden. – Mí Pražané mi rozumějí (Meine Prager verstehen mich) | Tschechien 1991 | R: Věra Chytilová | B: Věra Chytilová, Zdeněk Mahler | K: Jaroslav Brabec | M: Miroslav Kořínek | D: Milan Šteindler, Tereza Kučerová, Lenka Loubalová, Miloslav Mejzlík, Bronislav Poloczek | 59 min | OmeU | Eine fiktive Geschichte über Mozarts Aufenthalt in Prag. Die Architektur der Stadt wird mit Mozarts Musik unterlegt und macht die Veränderungen ▶ Freitag, 27. März 2015, 18.30 Uhr Vlčí bouda (Die Wolfsbaude) | ČSSR 1987 | R: Věra Chytilová | B: Věra Chytilová, Daniela Fischerová | K: Jaromír Šofr | M: Michael Kocáb | D: Miroslav Macháček,Tomáš Palatý, Štěpánka Červenková, Jan Bidlas, Rita Dudusová | 92 min | OmU | Elf Jugendliche treffen sich zu einem Skikurs in einer von der Umwelt abgeschotteten Berghütte. Es stellt sich bald heraus, dass irgendetwas mit dem Kursleiter nicht stimmt. Die Atmosphäre wird bedrohlich. »In DIE WOLFSBAUDE scheint Chytilová die Themen ihrer frühen Filme fortzuführen, allerdings diesmal im Gewand eines kommerziell erfolgversprechenden Science-Fiction- und Horrorfilms. Die sozialkritischen und politischen Implikationen sind stets vorhanden, wenn man unter die Oberfläche des Geschehens schauen möchte, aber dies ist kein aufdringlicher Film mit einer Botschaft und kann auch ganz einfach nur als ambivalenter und oft effektiver und unheimlicher Genre-Film genossen werden.« (Justin McKinney) grunde liegt, spielt einen Schlossverwalter. In seinen Visionen verwandelt er sich in einen Hofnarren, der die Launen einer despotischen Königin zu erdulden hat. Die Visionen fangen an, sich in der Realität fortzusetzen. »Die Geschlechter erproben wechselseitige Mechanismen der Unterdrückung, flechten ein Netz von Abhängigkeiten, Positionen oder Ränge in der sozialen Hierarchie, setzen Akzente, bestimmen den Ausgangspunkt oder lösen schließlich den Knoten. Der Narr von einst ist ein Museumsdomestike von heute, die egozentrische Herrscherin mit ihren delikat-perversen Spielchen ist zur exzentrischen Touristin transformiert.« (Fred Gehler) ▶ Freitag, 3. april 2015, 21.00 Uhr ▶ Samstag, 28. März 2015, 18.30 Uhr Vzlety a pády (Aufstieg und Fall) | Tschechien 2000 | R+B: Věra Chytilová | K: Štěpán Kučera | M: Josef Spitzer | Mit Václav Chochola, Karel Ludwig, Zdeněk Tmej, Věra Chytilová, Blanca Chocholová | 108 min | OmeU | »Chytilovás eindrucksvollstes Werk nach der ›Samtenen Revolution‹ ist der zweiteilige Dokumentarfilm AUFSTIEG UND FALL, der die Geschichte von drei tschechischen Fotografen von 1930 bis in die Gegenwart untersucht. Zu Beginn ihrer Karriere, als sie als Model arbeitete, war Chytilová mit Karel Ludwig verheiratet, der sich auf Porträts von Schauspielerinnen im Hollywood-Stil spezialisiert hatte. Chytilová unternimmt eine faszinierende Reise in eine verborgene Kultur, in der sie selber mitgewirkt hat.« (Peter Hames) Der Film zeigt, wie sich Václav Chochola, Karel Ludwig, Zdeněk Tmej trotz politisch wechselnder Zeiten nicht von ihren ästhetischen und politischen Konzepten haben abbringen lassen. ▶ Sonntag, 29. März 2015, 18.30 Uhr Šašek a královna (Der Narr und die Königin) | ČSSR 1988 | R: Věra Chytilová | B: Boleslav Polívka, Věra Chytilová | K: Jan Malíř | M: Jiří Bulis | D: Boleslav Polívka, Chantal Poulain, Jiří Kodet, Vlastimil Brodský, Jiří Pecha | 116 min | OmU | Bolek Polívka, der Autor der gleichnamigen Theaterinszenierung, die dem Film zu- Kopytem sem, kopytem tam (Einmal hin, einmal her) | ČSSR 1989 | R: Věra Chytilová | B: Věra Chytilová, Pavel Škapík | K: Jaroslav Brabec | M: Jiří Chlumecký, Jiří Veselý | D: Tomáš Hanák, Milan Šteindler, David Vávra, Tereza Kučerová, Bára Dlouhá, Ivana Kuntová | 129 min | OmU | »Drei Freunde vertreiben sich die Langeweile mit Blödeleien und Affären. Das Leben scheint ein Spiel ohne Einsatz zu sein. Als einer von ihnen an AIDS erkrankt, ändert sich alles schlagartig. Der Spaß weicht der Suche nach einem sinnvollen Leben. Ein ernster Film über die selbstzerstörerischen Tendenzen des Menschen und die Bedrohung, die von ihm selbst ausgeht.« (Lexikon des Internationalen Films) »Ich war immer der Überzeugung, dass ein Film eine Botschaft in sich tragen muss, dass er Zeugnis ablegen muss über die Moral der Zeit Es ist wichtig, die Menschen an ihre Würde, den Mut, die Ehre und die Hoffnung zu erinnern.« (Věra Chytilová) ▶ Samstag, 4. april 2015, 21.00 Uhr Dědictví aneb Kurvahošigutntág (Das Erbe oder: Fuckoffjungsgutntag) | Tschechien 1993 | R: Věra Chytilová | B: Věra Chytilová, Bolek Polívka | K: Ervin Věra Chytilová deutlich, die sich während Mozarts zweihundertjähriger Abwesenheit in der Stadt vollzogen haben. 9 Věra Chytilová 10 Sanders | M: Jiří Bulis | D: Bolek Polívka, Miroslav Donutil, Anna Pantůčková, Jozef Kroner, Dagmar Havlová | 120 min | OmeU | Ein Dorf in Mähren, 1991: Ein tschechischer Hinterwäldler, der in einer verfallenen Hütte am Existenzminimum lebt, wird durch eine unerwartete Erbschaft zum Millionär. »Chytilovás Komödie wurde ein kommerzieller Erfolg, fiel in der Kritik aber durch. Als einer der wenigen Filme zu Beginn der 1990er Jahre griff er die kapitalistische Moral an und betrachtete kritisch deren Ausschweifungen und Maßlosigkeiten.« (Heike Guggi) »Ich hatte erwartet, dass nach dem erzwungenen Materialismus geistige Probleme Vorrang bekommen würden. Aber weit gefehlt. Heute haben wir einen Materialismus, der materialistischer ist, als es der Marxismus jemals war. Früher regierte die Propaganda, heute das Geld.« (Věra Chytilová) ▶ Sonntag, 5. april 2015, 21.00 Uhr Pasti, pasti, pastičky (Große Fallen, kleine Fallen) | Tschechien 1998 | R: Věra Chytilová | B: Věra Chytilová, Eva Kačírková, Michal Lázňovský | K: Štepán Kučera | M: Jiří Chlumecký | D: Zuzana Stivínová, Miroslav Donutil, Pavel Zatloukal, Břetislav Rychlík, Pavel Brichta | 124 min | OmeU | »Eine Anhalterin wird von zwei Männern vergewaltigt. Die Frau, Lenka, lädt die beiden in ihr Haus ein, wo sie sie unter Drogen setzt und als ausgebildete Tierärztin fachmännisch kastriert. Dies ist nur der Anfang von Chytilovás ›feministischer schwarzer Komödie‹: Die beiden Männer bewahren ihre Hoden in Gefäßen auf und hoffen auf ein Wunder, während sie ihrerseits auf Rache sinnen. Die Tatsache, dass einer der Männer als Minister in der Regierung sitzt, verleiht der Geschichte eine politische Dimension.« (Peter Hames) »Die beiden Hauptdarsteller, die auch den größten Irrwitz mit unübertrefflichem Professionalismus spielen, verleihen dem Film erst seine schmerzlich-komische Wirkung.« (David Stratton) ▶ Montag, 6. april 2015, 21.00 Uhr Vyhnání z ráje (Vertreibung aus dem Paradies) | Tschechien 2001 | R: Věra Chytilová | B: Věra Chytilová, Bolek Polívka, nach dem Roman von Desmond Morris | K: Klaus Fuxjäger | D: Bolek Polívka, Věra Havelková, Jan Antonín Pitínský, Milan Šteindler, Veronika Bellová, Arnošt Goldflam | 124 min | OmeU | Am Nudistenstrand »Paradisio« wird ein Film gedreht. Die Produktion verläuft keineswegs störungsfrei, weil alle Beteiligten eine andere Vorstellung davon haben, was das Endprodukt sein soll. Der Regisseur möchte eine »künstlerische, experimentelle Metapher über Adam und Eva« schaffen. Der neureiche russische Produzent erwartet einen erotischen Film, der Drehbuchautor spricht von einer »positiven Sicht auf die Realität«. Die Statisten machen aus Neugierde, wegen des Geldes oder aus reinem Exhibitionismus mit. Eine Satire auf das Filmemachen, die »einige umwerfende und groteske Bilder und interessante Ideen beinhaltet«, deren Geschichte aber »zu lose konstruiert ist« (Peter Hames). ▶ Freitag, 10. april 2015, 21.00 Uhr Pátrání po Ester (Ester) | Tschechien 2005 | R+B: Věra Chytilová | K: David Čálek | Mit Věra Chytilová, Jan Němec, Ivan Vyskočil, Květa Fialová, Jiří Krejčík | 128 min | OmeU | Porträt der Künstlerin und Drehbuchautorin Ester Krumbachová (1923–1996). »In der ersten Einstellung des Films sagt Chytilová (mit dem Rücken zur Kamera) mit einer fragenden und unsicheren Stimme wie zu sich selbst: ›Ich dachte, ich kenne sie.‹ Und dann, in ihrem typischen, rücksichtslosen Stil, beginnt sie eine Recherche. Sie interviewt mit bohrenden und manchmal skrupellosen Fragen eine ganze Reihe von Esters Bekanntschaften, die von engen Freunden über bekannte Persönlichkeiten bis hin zu anonymen Saufkumpanen im legendären Pub Zum grünen Fuchs reichen. Chytilová will ihrer Freundin kein ehrfürchtiges Denkmal setzen, noch ist sie an Enthüllungsjournalismus interessiert. Sie lässt Esters Persönlichkeit lebendig werden mit all ihren Facetten und Widersprüchlichkeiten.« (Stanislava Přádná) ▶ Samstag, 11. april 2015, 21.00 Uhr Hezké chvilky bez záruky (Schöne Momente) | Tschechien 2006 | R: Věra Chytilová | B: Věra Chytilová, Kateřina Irmanovová | K: Martin Štrba | M: David Kraus | D: Jana Janěková, Jana Krausová, Bolek Polívka, David Kraus, Igor Bareš | 108 min | OmeU | Die Psychologin Hana hat Probleme auf allen Ebenen: Ihr arbeitsloser Ehemann verlässt sie wegen einer anderen, ihr pubertierender Sohn interessiert sich nur für seine Computerspiele, und in ihrer Praxis gehen Frauen und Männer aller Altersstufen ein und aus, die auf der Suche nach Balance und Glück sind. Eine bittere Komödie: »Ich versuche herauszufinden, warum wir unfähig sind, objektiv zu sein und uns nicht nur um uns selbst zu drehen. Ich hoffe, dass dieser Film unsere heutige Gesellschaft widerspiegelt. Wir haben alle unsere Probleme, aber wir müssen uns bewusst sein, dass es allein von uns selbst abhängt, was wir mit unserem Leben anfangen.« (Věra Chytilová) ▶ Sonntag, 12. april 2015, 21.00 Uhr Deutsche Filme 2014 Deutsche Filme 2014 phoenix 11 Wie in den Vorjahren hat das Filmmuseum wieder drei Filmkritiker gefragt, ihre Favoriten zu benennen. Es geht nicht darum, Publikumslieblinge auszuwählen, sondern deutsche Filme, die 2014 im Kino anliefen und die als wirklich interessant, künstlerisch relevant und innovativ gelten können. Das Ergebnis der kleinen Umfrage erstaunt. Nur ein Film wurde von allen dreien genannt: PHOENIX von Christian Petzold – wenn auch von Ralf Schenk nur auf dem vorletzten Platz »mit deutlichen Bauchschmerzen«. Sechs Filme haben immerhin zwei Stimmen erhalten. Viele der Filme sind im Kino nur kurz gelaufen und in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen worden. Insgesamt zeigt die Auswahl ein weit vielfältigeres und spannenderes Bild des deutschen Films, als es Publikumshits wie DER MEDICUS, FACK JU GÖHTE oder HONIG IM KOPF vermuten lassen. So lädt die Filmreihe des Filmmuseums nicht nur dazu ein, Versäumtes nachzuholen, sondern auch Neues zu entdecken. Von den nachfolgend aufgelisteten Top 10-Listen der Kritiker wurden jeweils die ersten vier Titel berücksichtigt, durch Überschneidungen kam dann jeweils meist mindestens noch ein fünfter und sechster Titel hinzu. Ronald Zehrfeld spielt in drei der ausgewählten Filme mit: PHOENIX, DIE GELIEBTEN SCHWESTERN und RICO, OSKAR UND DIE TIEFERSCHATTEN. Rainer Gansera (Süddeutsche Zeitung) 1 Rico, Oskar und die Tieferschatten 2 Der blinde Fleck 3 Im Labyrinth des Schweigens 4 Westen 5 Kofelgschroa. Frei. Sein. Wollen 6 Meine Schwestern 7 Phoenix 8 Ein Geschenk der Götter 9 The Airstrip 10 Love Steaks Ralf Schenk (Defa-Stiftung) 1 Anderson 2 Städtebewohner 3 Kreuzweg 4 Westen 5 Fräulein Else 6 Zeit der Kannibalen 7 Die geliebten Schwestern 8 Jack 9 Phoenix 10 Über-Ich und Du Christiane Peitz (Tagesspiegel) 1 Die geliebten Schwestern 2 Phoenix 3 Kreuzweg 4 Jack 5 Love Steaks 6 Über-Ich und Du 7 Citizenfour 8 Domino-Effekt 9 Städtebewohner 10 Das finstere Tal Erstmals zeigen wir fast alle Filme in englisch untertitelten Originalfassungen, um sie auch fremdsprachigen Zuschauern zugänglich zu machen. Deutsche Filme 2014 12 Der blinde Fleck | D 2013 | R: Daniel M. Harrich | B: Daniel M. Harrich, Ulrich Chaussy | K: Walter Harrich, Tobias Corts | M: Ian Honeyman | D: Benno Fürmann, Nicolette Krebitz, Heiner Lauterbach, August Zirner, Jörg Hartmann, Isolde Barth | 92 min | OmeU | Realen Begebenheiten folgend erzählt der Film vom Münchner Rundfunkjournalisten Ulrich Chaussy, der sich nicht damit zufrieden gibt, dass das Oktoberfestattentat vom 26. September 1980 – der schwerste Terroranschlag in der BRD-Geschichte mit 13 Toten und über 200 Verletzten – zur Aktion eines verwirrten Einzelnen erklärt wird. Chaussy findet Hinweise, dass der Täter Verbindungen zur rechtsradikalen Szene, also Hintermänner hatte. Er stößt auf skandalöse Vertuschungen, haarsträubende Manipulationen der journalistischen Arbeit, und lässt über drei Jahrzehnte hinweg nicht locker mit seinen Nachforschungen. Ein Politthriller, der das Formelhafte des Genres vermeidet, auf Pathos und Rührseligkeiten verzichtet. Gerade so gelingt es, der präzis recherchierten Geschichte bezwingende Nähe, Evidenz und brisante Aktualität zu verleihen. (Rainer Gansera) ▶ Freitag, 6. März 2015, 21.00 Uhr 10. März 2015, 18.30 Uhr ▶▶ Dienstag, Phoenix | D 2014 | R: Christian Petzold | B: Christian Petzold, Harun Farocki, nach Motiven des Romans »Le retour des cendres« von Hubert Monteilhet | K: Hans Fromm | M: Stefan Will | D: Nina Hoss, Ronald Zehrfeld, Nina Kunzendorf, Michael Maertens, Daniela Holz | 98 min | OmeU | Der umstrittenste deutsche Film des Jahres: Christian Petzold arrangiert die große deutsche Frage von Schuld und Verstrickung und dem Zusammenleben von Opfern und Tätern nach dem Ende des Nationalsozialismus zum Melodram. Eine Versuchsanordnung: Eine Jüdin kehrt aus dem Konzentrations- lager zurück, mit verbranntem und wiederhergestelltem neuem Gesicht, und die Liebe ihres Lebens erkennt sie nicht mehr. Im Gegenteil: Er will diese vermeintlich andere Frau nach dem Ebenbild seiner vermeintlich toten Nelly formen. Lager-Rückkehrer-Filme sind eine Rarität im deutschen Film, Petzold betritt Neuland mit seinem von Noir-Anleihen durchsetzen Nachkriegsdrama. Und macht eine Wahrscheinlichkeitsrechnung auf – erkennt er sie, erkennt er sie nicht? Aber ist wahres Erkennen zwischen Verblendung und Verdrängung überhaupt möglich? (Christiane Peitz) ▶ Samstag, 7. März 2015, 21.00 Uhr ▶▶ Mittwoch, 11. März 2015, 18.30 Uhr Fräulein Else | D 2013 | R+B: Anna Martinetz, nach der Novelle von Arthur Schnitzler | K: Jakob Wiessner | M: Markus Lehmann-Horn | D: Korinna Krauss, Michael Kranz, Martin Butzke, Marion Krawitz | 67 min | OmeU | Während ihres Urlaubs in einem indischen Luxushotel erfährt eine junge Frau von der drohenden Insolvenz und Verhaftung ihres Vaters. Um diese Gefahr abzuwenden, soll sie einen anderen Hotelgast, einen Kunsthändler, bitten, ihrer Familie das Geld zu leihen. Doch der Mann stellt eine Bedingung: Er verlangt, ihren Körper nackt zu sehen. Anna Martinetz übersetzt Arthur Schnitzlers Novelle in eine audiovisuelle Sinfonie subjektiver Welt- und Selbstsichten. Souverän montiert die Debütregisseurin Gedanken und Gefühle der Hauptfigur, Träume und Visionen, Bewusstes und Unbewusstes zu einem vielschichtigen Persönlichkeitsbild. Zugleich sprengt sie das Private und erweitert es zu einer Studie von Ängsten und Fluchtbewegungen einer saturierten Gesellschaft in den Strudeln der Zeit. (Ralf Schenk) ▶ Sonntag, 8. März 2015, 21.00 Uhr | Zu Gast: anna Martinetz ▶ Freitag, 13. März 2015, 21.00 Uhr Die geliebten Schwestern | D 2014 | R+B Dominik Graf | K: Michael Wiesweg | M: Sven Rossenbach, Florian van Volxem | D: Hannah Herzsprung, Florian Stetter, Henriette Confurius, Claudia Messner, Ronald Zehrfeld, Maja Maranow | 139 min / 171 min (Director’s Cut) | Die Liebe, die Gefühle, das Briefeschreiben, das Reisen, das Reden, das Träumen, Beziehung, Familie: Das alles funktionierte anders zu Schillers Zeiten, wir wissen heute nicht, wie. Dominik Graf stellt es sich vor, er wünscht es sich herbei, wie er sagt, weil er den Menschen aus der Vergangenheit nicht auf den Pelz rücken will wie ein Arzt mit dem Hörrohr. Und doch kommt seine ménage à trois zwischen Schiller (Florian Stetter) und den Schwestern von Lengefeld (Hannah Herzsprung, Henriette Confurius) der Vergangenheit nahe wie lange kein deutscher Kostümfilm. Der Unbedingtheit der Gefühle, der Intensität und Geschwindigkeit der Kommunikation im Postkutschen-Zeitalter, der Radikalität des Dichters, der Klugheit der Frauen – mit Herz und Verstand. (Christiane Peitz) ▶ Samstag, 14. März 2015, 21.00 Uhr (Director’s Cut) ▶▶ Dienstag, 17. März 2015, 18.30 Uhr Rico, Oskar und die Tieferschatten | D 2014 | R: Neele Leana Vollmar | B: Christian Lerch, Andreas Bradler, Klaus Döring, nach dem Roman von Andreas Steinhöfel | K: Torsten Breuer | M: Oliver Thiede | D: Anton Petzold, Juri Winkler, Karoline Herfurth, Axel Prahl, Ronald Zehrfeld, Ursula Monn, Anke Engelke, Katharina Thalbach | 96 min | Wortwitz und SkurrilCharme von Andreas Steinhöfels preisgekröntem Kinderbuch kann Neele Leana Vollmar kongenial auf die Leinwand übersetzen. Rico: der »tiefbegabte« Zehnjährige, der etwas langsam denkt, aber die Welt ungemein intensiv wahrnimmt. Oskar mit Helm: der hochbegabte und überängstliche Achtjährige, der nicht nur die ersten 110 Primzahlen auswendig aufsagen kann, sondern auch sämtliche Unfallstatistiken parat hat. Die beiden Außenseiter-Jungs entdecken, dass Freundschaft eine prima Sache ist, und dass sie gemeinsam auch den mysteriösen »Mister 2000«, dessen Kindesentführungen Berlin in Atem halten, zur Strecke bringen können. Krimi, philosophischer Diskurs, Milieustudie Berlin-Kreuzberg, grandioser Abenteuerfilm. Auch für Erwachsene äußerst empfehlenswert. (Rainer Gansera) ▶ Sonntag, 15. März 2015, 21.00 Uhr ▶▶ Mittwoch, 18. März 2015, 18.30 Uhr Deutsche Filme 2014 Städtebewohner | D 2014 | R+B: Thomas Heise | K: Robert Nickolaus | M: Bowen Liu | 90 min | OmeU | In einem Gefängnis in Mexiko-Stadt, in der Comunidad San Fernando, leben mehr als zweihundert Straftäter. Als sehr junge Männer, fast Kinder noch, wurden sie hier eingewiesen, als Erwachsene werden sie sich irgendwann wieder in der vermeintlichen Freiheit zurechtfinden müssen. Thomas Heise, der mehrere Wochen lang den Alltag der Gefangenen teilte, beobachtet drei von ihnen bei ihren Verrichtungen, beim Besuch von Freundinnen und Kindern, beim Umgang miteinander. Sein Fokus ist die Gegenwart, nicht die Vergangenheit, das Verbrechen von einst interessiert ihn nicht. Statt dessen leistet er sich einen kühlen, klug zwischen Distanz und Nähe austarierten Blick auf eine Mikrogesellschaft der besonderen Art: Was geschieht mit dem Individuum unter den rigiden Regeln eines erzwungenen Kollektivs? Und was hat das Universum des Gefängnisses mit der umgebenden Wirklichkeit zu tun? (Ralf Schenk) 13 Deutsche Filme 2014 14 Im Labyrinth des Schweigens | D 2014 | R: Giulio Ricciarelli | B: Elisabeth Bartel, Giulio Ricciarelli | K: Martin Langer, Roman Osin | M: Niki Reiser, Sebastian Pille | D: Alexander Fehling, André Szymanski, Friederike Becht, Johannes Krisch, Hansi Jochmann | 123 min | OmeU | BRD 1958: Petticoat und Rock’n’Roll, das Wirtschaftswunder boomt. Peinliche Erinnerungen an die jüngste Vergangenheit sind nicht erwünscht. Als der junge, ehrgeizige Staatsanwalt Johann Radmann in Frankfurt gegen einen ehemaligen Auschwitz-Wärter, der mittlerweile im Schuldienst tätig ist, ermitteln will, muss er sich gegen eine mächtige Mauer des Verdrängens und Vergessenwollens behaupten. Aber er erhält Unterstützung von Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (Gert Voss in seiner letzten Rolle), der die Ermittlungen bedeutend ausweitet. Regisseur Giulio Ricciarelli gelingt die Kombination von Genre-Drama, gesellschaftlichem Zeitbild und Lehrstück, wenn er die Ermittlungen Radmanns zum Diskurs über die Schuldfrage und die Mechanismen ihrer Verdrängung macht. Ein Wendepunkt der deutschen Nachkriegsgeschichte im Gewand eines packenden Justizthrillers. (Rainer Gansera) ▶ Freitag, 20. März 2015, 21.00 Uhr ▶▶ Dienstag, 24. März 2015, 18.30 Uhr Anderson | D 2014 | R+B: Annekatrin Hendel | K: Frank Riebe, Jule Cramer | Mit Sascha Anderson, Wilfriede Maaß, Lars Barthel, Thomas Plenert, Bert Papenfuß, Roland Jahn | 95 min | OmeU | Sascha Anderson, Jahrgang 1953, galt als der charismatische Pop-Star der oppositionellen Ost-Berliner Künstlerszene im Prenzlauer Berg. Doch nach dem Fall der Mauer stellte sich heraus, dass er zugleich als übereifriger Informant der Staatssicherheit tätig war. Der Film holt den schil- lernden Dichter vor die Kamera, fragt ihn nach damaligen Motivationen und heutigen Haltungen. Schuld und Reue sind für Anderson noch immer keine Kriterien, die ihn wirklich betreffen, doch bei denen, die mit ihm zu tun hatten, sitzen die Verletzungen tief. Wie schon in ihrem Vorgängerfilm VATERLANDSVERRÄTER entwirft Annekatrin Hendel ein Mosaik aus Erinnerungssplittern, das sie zum Gleichnis über Vertrauen und Verrat, Ehrgeiz und Geltungsbewusstsein, das Spiel mit der Macht und den dafür zu zahlenden Preis verdichtet. (Ralf Schenk) ▶ Samstag, 21. März 2015, 21.00 Uhr Love Steaks | D 2013 | R: Jakob Lass | B: Jakob Lass, Ines Schiller, Timon Schäppi, Nico Woche | K: Timon Schäppi | M: Golo Schultz | D: Lana Cooper, Franz Rogowski, Georg Ludwig-Grosse, Simone Düring, Eric Popp, Gisela Köster, Björn Küssner | 90 min | OmeU | Ein tolldreistes Debüt: LOVE STEAKS, die spröde Romanze zwischen einer Hilfsköchin (Lana Cooper) und einem Masseur (Franz Rogowski) in der prekären Arbeitswelt eines Wellnesshotels. Lana ist Trinkerin, impulsiv, unberechenbar, Clemens hingegen linkisch und schüchtern – eine unmögliche amour fou. Regisseur Jakob Lass hat – frei nach seinem »Fogma«-Manifest als Kampfansage »gegen die Panikstarre« des deutschen Films – ohne Script gedreht und ohne Fördergelder, in einem realen Luxushotel an der Ostsee. Mit Laien als Nebendarstellern, den Küchenhilfen, Service-Angestellten und Gästen. Kein Meisterwerk, aber ein wildes, raues Stück Kino, die Wiedergewinnung einer hierzulande verschütteten erzählerischen Freiheit. (Christiane Peitz) ▶ Sonntag, 22. März 2015, 21.00 Uhr ▶▶ Mittwoch, 25. März 2015, 18.30 Uhr ▶ Freitag, 27. März 2015, 21.00 Uhr ▶▶ Dienstag, 31. März 2015, 18.30 Uhr Westen | D 2013 | R: Christian Schwochow | B: Heide Schwochow, frei nach dem Roman »Lagerfeuer« von Julia Franck | K: Frank Lamm | M: Lorenz Dangel | D: Jördis Triebel, Tristan Göbel, Jacky Ido, Alexander Scheer, Anna Antonowicz, Stefan Lampadius, Andreas Nickl | 102 min | OmeU | Einer jungen Mutter gelingt Mitte der Siebzigerjahre die legale Ausreise aus der DDR, und sie landet im West-Berliner Notaufnahmelager Marienfelde. Sie muss demütigende Aufnahmeprozeduren und peinliche Befragungen durch alliierte Geheimdienstler über sich ergehen lassen. Lagerödnis grau in grau, geplatzte Träume vom besseren Leben – aber eine Heldin, die tapfer die bunten Farben des Lebens verteidigt. Regisseur Christian Schwochow, 36, bekannt geworden mit NOVEMBERKIND und DIE UNSICHTBARE, ist ein Meister intimer Erforschung von Charakteren, Milieus und Stimmungslagen. Er mixt Agententhriller-Spannung mit deutsch-deutschem Sehnsuchtsmelodram und schenkt Jördis Triebel eine Glanzrolle als DDR-Emigrantin auf der Suche nach der Freiheit des Westens. (Rainer Gansera) ▶ Samstag, 28. März 2015, 21.00 Uhr ▶▶ Mittwoch, 1. april 2015, 18.30 Uhr Jack | D 2014 | R: Edward Berger | B: Edward Berger, Nele Mueller-Stöfen | K: Jens Harant | M: Christoph M. Kaiser, Julian Maas | D: Ivo Pietzcker, Georg Arms, Luise Heyer, Nele Mueller-Stöfen, Odine Johne, Jacob Matschenz, Johann Jürgens | 102 min | OmeU | Siemensdamm, Stadtautobahn, Shoppingmall, Tiefgarage – Regisseur Edward Berger hat Berlins Peripherie als Schauplatz gewählt, die gesichtslose, indifferente Seite der Stadt. Der Junge Jack ist allein auf sich gestellt, atemlos, stur, überfordert. Er muss den kleinen Bruder versorgen, ihre blutjunge Mutter lässt sie im Stich. Die beiden sind Verlorene, Getriebene, immer auf der Suche, immer auf der Flucht. Ein Nachtfilm mit Handkamera, auf Augenhöhe seiner Protagonisten gedreht, ohne hektische Schnitte, mit langen Plansequenzen. Ein Film über Bedrängnis und Verlorenheit, über Kinder in der Großstadt, die keine Kinder sein dürfen. Ivo Pietzcker gibt der Tapferkeit ein Gesicht, das man nicht mehr vergisst. (Christiane Peitz) ▶ Sonntag, 29. März 2015, 21.00 Uhr Deutsche Filme 2014 Kreuzweg | D 2014 | R: Dietrich Brüggemann | B: Dietrich und Anna Brüggemann | K: Alexander Sass | D: Lea van Acken, Franziska Weisz, Florian Stetter, Lucie Aron, Klaus Michael Kamp, Birge Schade, Anna Brüggemann, Hanns Zischler | 110 min | OmeU | Das Seelenleben der Hauptfigur ist, mit seinen langen, flächigen Einstellungen, an die 14 Bilder des Kreuzweges angelehnt – von »Jesus wird zum Tode verurteilt« bis »Der heilige Leichnam Jesu wird ins Grab gelegt«. Maria scheint zunächst ein »normaler« Teenager zu sein, doch ihre Mutter zwingt sie mit harter Hand dazu, all ihr Tun den Regeln der Priesterbruderschaft Pius XII. anzupassen und unterzuordnen. Als der kleine Bruder schwer erkrankt und ein »Opfer« benötigt wird, fühlt sich Maria dazu berufen, ihr Leben ins Spiel zu bringen. Kein Lehrer, kein Arzt kann sie davon abhalten. So nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Dabei ist KREUZWEG keine Abrechnung mit Religiosität schlechthin, sondern mit der ins Fanatische und Aberwitzige gesteigerten Auslegung des Glaubens. (Ralf Schenk) 15 DeFa: Die besten Jahre DEFA in den 1960ern: Die besten Jahre DaS Kaninchen bin ich 16 Die Babelsberger DEFA zwischen 1960 und 1970 Die 1960er-Jahre waren das spannendste Jahrzehnt der DEFA. Eine junge Generation von Filmemachern wagte sich an schwierige gesellschaftliche Fragen und suchte zugleich nach neuen formalen Mitteln. Sie wollte die aus Ufa-Zeiten ererbte ideelle und ästhetische Behäbigkeit der Babelsberger Filmfabrik abschütteln und wandte sich im selben Atemzug von dem in Köpfen und Herzen durchaus präsenten Stalinismus ab. Im Schatten der Mauer, mit deren Bau im August 1961 begonnen worden war und in deren Folge die Hoffnung aufkeimte, unabhängig von den Einflüssen des Westens freier und offener über eigene Probleme reflektieren zu können, wurden auch die Filme selbstbewusster. Man nahm regen Anteil an der wachsenden Souveränität der jungen polnischen, tschechischen, ungarischen, sowjetischen Regisseure und wollte dem nicht nachstehen. Was die französische nouvelle vague, das britische free cinema, was Antonioni, Pasolini und Fellini in Italien leisteten, wurde an der Babelsberger Filmhochschule und in den DEFA-Studios enthusiastisch debattiert. In Künstlerklubs in Ost-Berlin waren sowohl der erfahrene Billy Wilder als auch der junge, vielversprechende Andrej Tarkovskij zu Gast. Joris Ivens und Chris Marker ermunterten die Teilnehmer des Leipziger Dokumentarfilmfestivals, sich konsequenter und mutiger als bisher der Wirklichkeit zu öffnen. Tatsächlich brach sich, es klingt paradox, in dem nach außen hin streng abgeriegelten Land eine neue, mit internationalen Entwicklungen vielfältig verbundene filmische Modernität Bahn. Es ist hier nicht der Raum, komplex auf Ursachen und Wirkungen einzugehen, nur so viel: Das alles hatte natürlich mit Politik zu tun. Innerhalb der Führung der DDR hatte sich neben den Altkadern, die noch jede Entwicklung kritisch beäugten, eine junge Funktionärselite etabliert, der die Luft im Lande zu stickig geworden war und die für frischen Wind sorgen wollte: ökonomisch, indem den Betrieben mehr Raum zu Eigenverantwortlichkeit eingeräumt werden sollte (dieser Prozess nannte sich »Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung«); politisch, indem zum Beispiel der jungen Generation ein sehr viel größeres Selbstbestim- DeFa: Die besten Jahre habe. Zwar entstanden 1960/61 um die dreißig Kinospielfilme pro Jahr, doch kaum einer davon blieb im Gedächtnis, und das Publikum wanderte immer mehr zum Fernsehen ab. In dieser Situation kam eine neue Führungsmannschaft ins DEFA-Studio: der neue Direktor Jochen Mückenberger, der neue Chefdramaturg Klaus Wischnewski, der neue Parteisekretär Werner Kühn; außerdem wurde mit Günther Witt ein neuer Filmminister eingesetzt und mit Hans Bentzien ein neuer Kulturminister. Alle waren zwischen dreißig und vierzig Jahre alt, ehrgeizig, mutig, mit dem Willen, Fenster zu öffnen. Zu ihrer gemeinsamen Strategie, die Zuschauer zurück ins Kino zu holen, gehörten zwei feste Vorsätze: Filme über die Gegenwart sollten problembewusst sein, gesellschaftliche Entwicklungen kritisch begleiten, mehr Fragen stellen als Antworten geben. Neben solcher Art eingreifendem Kino wollte man den lange vernachlässigten, publikumswirksamen Genrefilm wieder stärken: mit gut gemachten Krimis, Komödien, Musicals, Abenteuer- und Science-fictionFilmen (möglichst im 70-mm-Format, an dessen technischen Voraussetzungen fleißig getüftelt wurde), auch Western (die in der DDR »Indianerfilm« hießen, um schon im Namen den Fokus deutlich werden zu lassen). Beide Entwicklungen wurden unter der neuen Studioleitung vorangetrieben, und viele der jungen Filmemacher zeigten sich hoch engagiert. Zumal auch der innerbetriebliche Entscheidungsprozess deutlich demokratischere Formen annahm: Die von Autoren und Regisseuren seit Mitte der 1950er-Jahre geforderten »Künstlerischen Arbeitsgruppen« bekamen mehr Eigenständigkeit, konnten selbständig, ohne lange Zensurprozesse und damit verbundene Einsprüche von »oben«, Stoffe und Szenarien entwickeln. Erst die Freigabe zum Dreh musste vom Studiodirektor getroffen werden, und 17 SpuR DeR STeine mungsrecht als zuvor eingeräumt wurde (gestützt durch ein »Jugendkommuniqué«) oder indem die alte, stalinistische Gerichtsbarkeit durch einen neuen Rechtspflegebeschluss abgelöst wurde. Die Kunst wurde zur Triebkraft, Zeugin und kritischen Wegbegleiterin dieser Prozesse; so viele erregende Bücher, Theaterstücke, Gedichte oder Filme wie in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre hatte es im ganzen Jahrzehnt zuvor nicht gegeben. Freilich streckten die politischen Hardliner nicht ihre Waffen. Die Staatspartei SED (ihre vier Blockparteien CDU, LDPD, NDPD und Bauernpartei können wir hier vernachlässigen) zerfiel immer deutlicher in zwei Lager: das der vergleichsweise liberalen Reformer, an deren Spitze sich, von Moskau und dem dortigen Parteiführer Nikita Chruschtschow bekräftigt, Walter Ulbricht höchstselbst gestellt hatte; und das der Traditionalisten, die auf der »reinen Lehre« beharrten und jeden Versuch der gesellschaftlichen Modernisierung als »Revisionismus« denunzierten (Beispiele: Paul Verner, Erich Honecker oder der Leipziger SED-Chef Paul Fröhlich). Keine Frage, dass der gesamte Reformprozess der frühen 1960er-Jahre von herben Rückschlägen begleitet war, ähnlich wie in der Sowjetunion. Und als dort, in Moskau, die Hardliner wieder die Oberhand gewannen und Leonid Breshnew zum neuen Parteichef berufen wurde, musste dies auch gravierende Auswirkungen auf die Politik – und besonders die Kulturpolitik – der DDR haben. Welche Entwicklungen gab es in dieser Zeit im Film, welche Rolle spielte das Kino? Der DEFA-Spielfilm schien am Anfang des Jahrzehnts von jedem Glück verlassen. Slatan Dudow (KUHLE WAMPE), einer der Spitzenregisseure der DEFA, konstatierte, dass man sich »im Hafen der Mittelmäßigkeit« bequem eingerichtet DeFa: Die besten Jahre erst nach Fertigstellung des Films trat die Hauptverwaltung Film auf den Plan, die eine staatliche Zulassung erteilen musste. Dieses bisher nie gekannte Maß an Freiheit galt indes nur kurze Zeit: 1964/65. 1965 sollte für die DEFA dann ein Schicksalsjahr werden. Die SED war mit ihrer Wirtschaftspolitik, ausgehend von einem massiv verstärkten ökonomischen Druck aus der Sowjetunion, in eine Krise geraten. Da diese Krise evident war, aber tabuisiert werden musste, brauchte die SED für ihre Dezembertagung 1965, das so genannte 11. Plenum des Zentralkomitees, einen Sündenbock. Und fand ihn gleichsam über Nacht in der Kultur und Kunst. In Film, Theater, Fernsehen und Literatur, so konstatierte Honecker in seinem Referat, gäbe es Entwicklungen, die dem Sozialismus schädlich, ja feindlich gegenüber stünden. Vor allem die DEFA wurde an den Pranger gestellt: Zwei ihrer (bis dato noch nicht in der Öffentlichkeit gezeigten) Filme liefen vor den Delegierten des Plenums, DAS KANINCHEN BIN ICH von Manfred Bieler und Kurt Maetzig und DENK BLOSS NICHT ICH HEULE von Manfred Freitag, Jochen Nestler und Frank Vogel. Beide riefen höchste Missbilligung hervor. Sozialistische Kunst, so der Duktus der Anklagenden, dürfe sich nicht zum Richter über die Gesellschaft aufspielen. Kunst müsse parteilich sein, das Positive der Entwicklung zeigen und nicht im beRlin um Die ecKe 18 »Dreck«, im »Abseitigen« herumwühlen. Der mit allen Wassern des Machtinstinks gewaschene Walter Ulbricht hängte sein Fähnchen sofort in den Wind. In einem »Offenen Brief« an Kurt Maetzig, der am 23. Januar 1966, einen Monat nach dem Plenum, im neuen Deutschland veröffentlicht wurde, machte er sich komplett die Denkungsart der Hardliner zu eigen und verurteilte die liberalen Aufbrüche in der Kunst erbarmungslos: »Manche Künstler«, so schrieb er, »genießen heute den Zweifel an allem wie Rauschgift. (…) Glauben die Künstler, mit krassem Naturalismus, faktografischer Aneinanderreihung negativer Verhaltensweisen, gemischt mit grobem Sexualismus eine sozialistische Kunst schaffen zu können?« Viele DEFA-Künstler wussten nach dem 11. Plenum nicht, wie ihnen geschah. Sie begannen, die Fehler bei sich selbst zu suchen. Manche glaubten, durch Schnitte an ihren neuen Filmen noch zu retten, was nicht mehr zu retten war. Sie hatten den tiefen Riss, der durch die Gesellschaft, die Partei ging, noch längst nicht in seinen Dimensionen begriffen. Sie ließen, auch weil sie ihre auf die Gesellschaft bezogenen Utopien und Hoffnungen dann vollkommen hätten in Frage stellen müssen, den Gedanken nicht zu, dass viele jener Antifaschisten und Remigranten, die 1945 begonnen hatten, im deutschen Osten ein »neues Deutschland« Aber was heißt schon: am Pranger? In der Öffentlichkeit blieben die Geschehnisse weithin unbeachtet. Die meisten Filme starben bereits im Studio einen leisen Tod, wurden dort in der Endphase gestoppt, gar nicht mehr zur staatlichen Abnahme eingereicht: eine Mischung aus Angst, vorauseilendem Gehorsam und der Befolgung von Hinweisen, die sich aus internen Gutachten von Mitarbeitern der Hauptverwaltung Film und der Kulturabteilung des ZK der SED ergaben. Die aufmerksamen Leser der Ost-Berliner Publikumszeitschrift filmspiegel mochten sich zwar darüber wundern, dass DEFA-Filme in Meldungen oder Bildberichten kurz angekündigt worden waren, dann aber nie das Licht der Leinwand erblickten. Doch die Einzigen, die sich – neben den betroffenen Künstlern – wirklich darüber erregten, waren die weit über zweitausend Studioangestellten aus dem nichtkünstlerischen Bereich, die Bauleute, Tischler, Stukkateure, Beleuchter, Tonmannschaften, Fahrer, Requisiteure, die um ihre Jahresendprämien fürchteten. Solidarität zwischen ihnen und den Künstlern war damals (und blieb stets) Mangelware; Frank Vogel brachte es später auf den Punkt: »Die Intellektuellen blieben mit ihren Vorstellungen allein, ja die alte Intellektuellenfeindlichkeit wurde wieder mobilisiert. Von den zweitausend DEFA-Mitarbeitern hat damals nicht einer gesagt: ›Lasst uns doch die Filme wenigstens einmal ansehen, die verboten werden sollen.‹ Da hieß es nur: ›Die Künstler, diese Spinner, haben uns um die Planerfüllung, um die Jahresprämien gebracht. Was kann ich dafür, dass der Drehbuchautor so freche Dialoge schreibt!‹« Insgesamt kamen 1965/66 zwölf Spielfilme und mehrere Dokumentarfilme auf den Index; auch die öffentliche Aufführung des vom belgischen Regisseur Frans Buyens im DEFA-Dokumentarfilmstudio gedrehten Films DEUTSCHLAND – ENDSTATION OST fiel dem Plenum zum Opfer. Was verboten und ins Staatliche filmarchiv der DDR eingelagert wurde, war – alles in allem – der kritische Panoramablick auf die eigene Gesellschaft: die Industrie- und Schulpolitik, das Justizwesen, die Jugendpolitik, das Zusammenspiel der Generationen. Verboten wurden damit übrigens auch spannende ästhetische Versuchsanordnungen, Belege für die zunehmende Modernität des DDR-Kinos: Man nehme nur JAHRGANG 45 und DENK BLOSS NICHT ICH HEULE, die mithalten können mit den besten Filmen der nouvelle vague – übrigens Jahre vor der Etablierung des neuen Deutschen films in der Bundesrepublik! Schließlich kamen 1966 nur acht DEFA-Filme heraus und blieben auch im Kino, darunter der erste Indianerfilm DIE SÖHNE DER GROSSEN BÄRIN (Regie: Josef DeFa: Die besten Jahre aufzubauen, zugleich finsterste Doktrinäre waren, Exekutoren des stalinistischen Zwangsapparats, Zeitzeugen und bisweilen auch Mitwirkende verheerender »Säuberungswellen« in der eigenen Partei. Und dass hinter ihnen die sowjetische Besatzungsmacht stand, mit Panzern und Gewehren, an allen Ecken und Enden des Landes. Über die damit verbundenen existentiellen Konsequenzen in der DDR öffentlich zu reflektieren, wagte erst Frank Beyer, und erst im November 1989, bei der Pressekonferenz zur Wiederaufführung seines Verbotsfilms SPUR DER STEINE. Wolf Biermann, der Wirkungen und Ursachen schon lange vorher thematisiert hatte, war ausgebürgert worden. Und Wolfgang Leonhard, Hermann Weber, Gerhard Zwerenz? An ihnen klebte der schlimmste Makel, der Makel der Abtrünnigkeit, des Verrats. Jeder für sich eine Persona non grata. Die Revolution hatte ihre kritischsten Kinder schon in den 1950er-Jahren in den Orkus des Vergessens verbannt. In der Beurteilung von Wegen und Zielen, wie es mit der DDR und ihrer Kunst weitergehen sollte, waren auch die Filmemacher der DEFA keineswegs von gleicher Denkungsart. So wie unter den Politikern gab es auch unter den Künstlern die verschiedensten Fraktionen: mehr oder weniger offenkundige Rebellen, Mitläufer auf der einen und anderen Seite, Opportunisten – und auch tiefgläubige Konservative, die den politischen Hardlinern willig zuarbeiteten. In den Monaten nach dem 11. Plenum wurde erst einmal die Führungsmannschaft des DEFA-Spielfilmstudios komplett entlassen – Mückenberger, Wischnewski, Kühn, auch Witt und Bentzien. Weitgehend filmfremde Exekutoren der dogmatischen Parteilinie traten an ihre Stelle, unsicher, tastend, vorsichtig. Sämtliche Projekte, die bei der DEFA in Arbeit waren, kamen auf den Prüfstand. An Stelle der rund zwanzig geplanten DEFA-Spielfilme erschienen 1966 nur acht auf den Leinwänden. SPUR DER STEINE, mit dem sich die DEFA bei »der Partei« (bei welchem Teil der Partei?) rehabilitieren wollte, wurde im Sommer 1966 nach wenigen Tagen Laufzeit und organisierten Protesten der »Arbeiterklasse« ebenfalls verboten. Gerhard Klein und Wolfgang Kohlhaase, die glaubten, ihr Film BERLIN UM DIE ECKE käme einigermaßen unbeschadet davon – schließlich ging es hier um junge Arbeiter und ihren Reifeprozess in der Gesellschaft –, sahen sich plötzlich ebenso am Pranger wie ihre Kollegen Ulrich Plenzdorf und Herrmann Zschoche (KARLA), Klaus Poche und Jürgen Böttcher (JAHRGANG 45), Egon Günther (WENN DU GROSS BIST, LIEBER ADAM), Christa Wolf und Kurt Barthel (FRÄULEIN SCHMETTERLING) und andere. 19 DeFa: Die besten Jahre 20 Mach) sowie ein Zirkus-, ein Musik- und ein Kriminalfilm und drei Kinderfilme, von denen einer, der freche ALFONS ZITTERBACKE (Regie: Konrad Petzold), aus ideologischen Gründen so stark gekürzt werden musste, dass sich der Regisseur weigerte, seinen Namen im Vorspann erscheinen zu lassen. Die neu installierte DEFA-Leitung, allen voran Direktor Franz Bruk, hatte zuzusehen, dass die Welle verbotener und abgebrochener Produktionen nicht in eine Atmosphäre kompletter Resignation mündete. Seine einzige Chance: Den Künstlern mussten neue Projekte ermöglicht werden. Ein durchaus nicht unkompliziertes Unterfangen, denn zahlreiche Stoffe, die in verschiedenen Entwicklungsphasen vorlagen, waren nach dem Kahlschlag obsolet geworden. So war die zweite Hälfte der 1960er-Jahre mit einem Rückzug in private Geschichten verbunden (Herrmann Zschoche zum Beispiel drehte Filme, die LEBEN ZU ZWEIT oder WEITE STRASSEN – STILLE LIEBE hießen, die junge Ingrid Reschke WIR LASSEN UNS SCHEIDEN und so weiter und so fort) oder in historische Stoffe, in denen man auch neue ästhetische Formen ausprobieren konnte (Heiner Carows DIE RUSSEN KOMMEN war dann 1968 der erste Film nach der Welle des 11. Plenums, der wiederum einem Verbot zum Opfer fiel: diesmal wegen »Psychologisierung des Faschismus« – was immer das heißen sollte). Spannend blieb die Arbeit von Frank Vogel, der 1962 mit … UND DEINE LIEBE AUCH einen dokumentarisch grundierten »Mauerfilm« gedreht hatte und mit DENK BLOSS NICHT ICH HEULE einen der spannendsten 11.-Plenum-Filme. Nun zeigte er in DAS SIEBENTE JAHR, dass er auch am Ende dieser schönen, schlimmen 1960er-Jahre auf der Höhe der Zeit blieb. Ein privater Film, sicher, über die Konflikte in einer Ehe zwischen einem viel beschäftigten Schauspieler (Wolfgang Kieling) und einer Ärztin. Und doch: nouvelle vague pur, viele Alltagsbeobachtungen, mit einer wunderbar leichten Kamera, spielerisch, und doch auch mit einer Gedankentiefe, wie sie nur wenige DEFA-Filme am Ende dieses Jahrzehnts hatten. Dass Roland Gräf, Kameramann bei DAS SIEBENTE JAHR und vorher schon bei Böttchers JAHRGANG 45, in den frühen 1970er-Jahren zur Regie wechselte, war dann ein Glücksfall fürs nächste DEFA-Jahrzehnt. Für ein Jahrzehnt, in dem Regisseure wie Rainer Simon, Siegfried Kühn, Iris Gusner, Helmut Dziuba zum Zuge kamen und an der Seite von Heiner Carow, Egon Günther und anderen ihre eigenen Erfahrungen mit Kunst und Politik, Macht und Ohnmacht, Anpassung und mehr oder weniger leiser Subversion machten. Aber das ist schon wieder ein anderes, das nächste spannende DEFA-Kapitel. Ralf Schenk Schaut auf diese Stadt | DDR 1962 | R: Karl Gass | B: Karl Gass, Karl-Eduard von Schnitzler | K: Hans Dumke, Hans Eberhard Leupold | M: Jean Kurt Forest | 85 min | Der abendfüllende Kompilationsfilm, an dessen Arbeit schon vor dem Bau der Berliner Mauer im August 1961 begonnen wird, mutiert danach zu einer Rechtfertigung der geschlossenen Grenze. Karl Gass und sein CoAutor Karl-Eduard von Schnitzler umreißen aus streng parteilicher Perspektive die Gründe, die zum Mauerbau führten: Verlockung durch Märkte, Medien, Kirche und Kultur des Westens, anhaltende Sabotage und Subversion, der »Missbrauch West-Berlins« als Stachel im Fleisch des Sozialismus. Als Gegenentwurf wird das idyllische Wunschbild »friedlicher Wohngebiete« im Osten gezeichnet, einschließlich kämpferischer Aufmärsche im Zentrum Ost-Berlins. Ein propagandistisches Panorama, das sich freilich keine Zeit nimmt, auf die widerstreitenden Gefühle, die Trauer der nunmehr auf lange Sicht getrennten Familien und Freunde einzugehen. ▶ Mittwoch, 11. März 2015, 21.00 Uhr | einführung: Ralf Schenk … und deine Liebe auch | DDR 1962 | R: Frank Vogel | B: Paul Wiens | K: Günter Ost | M: Hans-Dieter Hosalla | D: Ulrich Thein, Armin Mueller-Stahl, Kati Székely, Katharina Lind, Alfonso Arau, Maria Besendahl | 92 min | Berlin im August 1961. Das Mädchen Eva steht zwischen den beiden Brüdern Ulli und Klaus, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Klaus ist ein Filou und liebt das schnelle Geld, das er als Taxifahrer im Westteil der Stadt verdient. Ulli wirkt ernster, nachdenklicher. Am Tag des Mauerbaus steht er mit der Waffe in der Hand an der Grenze. Als Eva von Klaus schwanger wird, will der sich der Verantwortung entziehen und in den Westen fliehen. Liebes- und Dreiecksgeschichte und zugleich ein spannendes Zeitbild mit zahlreichen dokumentarischen Szenen. »Ein leiser, zärtlicher, sehr menschlicher Film, der den Atem Berlins hat, den Geruch seiner Straßen und Plätze« (Rosemarie Rehahn). Eine der ersten großen Kinorollen von Armin MuellerStahl. ▶ Mittwoch, 18. März 2015, 21.00 Uhr | einführung: Stefan Drößler Sonntagsfahrer | DDR 1963 | R: Gerhard Klein | B: Karl Georg Egel, Wolfgang Kohlhaase | K: Helmut Bergmann | M: Wilhelm Neef | D: Angelica Domröse, Harald ▶ Mittwoch, 25. März 2015, 21.00 Uhr Deutschland – Endstation Ost | DDR 1964 | R+B: Frans Buyens | K: Hans-Eberhard Leupold | 84 min | Der belgische Regisseur Frans Buyens dreht bei der DEFA einen Film, der drei Jahre nach dem Mauerbau nach dem »normalen Alltag« im Osten forscht. Ein um Sympathie werbendes Porträt der DDR, die mitten in einer gesellschaftlichen Reformphase steckt. Buyens »dokumentiert kontroverse Ansichten über Mauerbau und Reisefreiheit, befragt Grenzsoldaten nach dem Schießbefehl, interviewt Straßenpassanten, Arbeiterfrauen, Unternehmer von halbstaatlichen Gesellschaften, LPG-Bauern, ausländische Studenten. Eine ungewöhnliche, subjektive Momentaufnahme ostdeutscher Befindlichkeiten und politischer Sichtweisen« (Thomas Heimann). Obwohl Parteichef Walter Ulbricht zunächst euphorisch auf den Film und seine Offenheit reagierte, wurde er aufgrund der Einsprüche linientreu-dogmatischer Funktionäre nur intern gezeigt und schließlich ganz ins Archiv verbannt. ▶ Mittwoch, 1. april 2015, 21.00 Uhr DeFa: Die besten Jahre Der geteilte Himmel | DDR 1964 | R: Konrad Wolf | B: Christa Wolf, Gerhard Wolf, Konrad Wolf, Willi Brückner, Kurt Barthel, nach dem Roman von Christa Wolf | K: Werner Bergmann | M: Hans-Dieter Hosalla | D: Renate Blume, Eberhard Esche, Hilmar Thate, Hans HardtHardtloff, Martin Flörchinger, Erika Pelikowsky | 110 min | Nach ihrem psychischen und physischen Zusammenbruch reflektiert eine junge Frau ihr Leben: Da ist die Liebe zu einem zehn Jahre älteren Chemiker, der ihr neue Horizonte öffnete, dann aber beruflich enttäuscht wird und sich in den Westen absetzt. Da sind die Kollegen im Waggonwerk, die Freunde am Lehrerinstitut. Und die vielen unbeantworteten Fragen an eine Gesellschaft im Auf- und Umbruch. Offene, kritische Bestandaufnahme der DDR-Gegenwart, zu expressionistischen Bildern verdichtet. Mit seiner Filmsprache bewegte sich Konrad Wolf auf modernstem Niveau, vergleichbar den cinéastischen Vexierspielen eines Alain Resnais (L’ANNÉE DERNIÈRE À MARIENBAD), die ihm sichtlich als Vorbild dienten. Einer der großen internationalen Erfolge der DEFA, nach dem gleichnamigen Roman von Christa Wolf. 21 ▶ Mittwoch, 8. april 2015, 21.00 Uhr Denk bloß nicht ich heule | DDR 1965/1990 | R: Frank Vogel | B: Manfred Freitag, Jochen Nestler | K: Günter Ost | M: Hans-Dieter Hosalla | D: Peter Reusse, Anne-Kathrein Kretzschmar, Helga Göring, Harry Hindemith, Herbert Köfer, Jutta Hoffmann | 91 min | Der Abiturient Peter Naumann verkündet in einem Aufsatz, DenK bloSS nichT ich heule Halgardt, Herwart Grosse, Irene Korb, Erich Gerberding | 87 min | Am 12. August 1961 brechen acht Menschen in drei Autos aus Leipzig nach Berlin auf, um aus der DDR in den Westen zu fliehen. Auf der Fahrt prallen die unterschiedlichen Charaktere aufeinander, es kommt zu erbittertem Streit. Als die Gruppe am anderen Morgen Berlin erreicht, hat der Mauerbau begonnen, die Grenze ist dicht. Bleibt nur noch die Rückfahrt in die ungeliebte »Zone«. Hintergründige Ironie trifft auf pure Klamotte, Kabarett und Didaktik: Nicht nur bei den Figuren, auch bei den Filmemachern geht die Rechnung nicht auf. Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase: »Ich dachte, mit dieser Satire könnten wir etwas zur Erhellung und Entkrampfung beitragen. Das war ein Irrtum. In jeder Familie gibt es etwas, worüber bei Tisch nicht gern gesprochen wird. In meinem Fall ist es dieser Film.« DeFa: Die besten Jahre 22 dass er »die Republik nicht braucht«, und wird deshalb von der Schule relegiert. Er soll sich auf dem Land »bewähren« und extern auf die Prüfungen vorbereiten, eckt aber weiter an und beharrt auf seiner Meinung. Bis es zu einer folgenschweren Prügelei kommt. Weil der Film mit bisher nie gekannter Härte über die widerspruchsvolle Realität und den Generationskonflikt in der DDR reflektiert und Parteifunktionäre schwere Bedenken erheben, muss er im Sommer 1965 umgeschnitten werden und fällt im Dezember desselben Jahres dann doch einem Verbot zum Opfer. 1990 rekonstruiert Kameramann Günter Ost die Originalfassung; bei seiner Aufführung auf der Berlinale wird DENK BLOSS NICHT ICH HEULE als Beispiel für die bis dato unbekannte ostdeutsche nouvelle vague gefeiert. ▶ Mittwoch, 15. april 2015, 21.00 Uhr | einführung: Ralf Schenk Das Kaninchen bin ich | DDR 1965/1990 | R: Kurt Maetzig | B: Manfred Bieler, nach dem Roman »Maria Morzeck oder Das Kaninchen bin ich« von Manfred Bieler | K: Erich Gusko | M: Gerhard Rosenfeld, Reiner Bredemeyer | D: Angelika Waller, Alfred Müller, Irma Münch, Ilse Voigt, Wolfgang Winkler | 118 min | Maria Morzeck, 19, darf nicht studieren, weil ihr Bruder in einem Prozess wegen »staatsgefährdender Hetze« zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt worden ist. Durch Zufall lernt sie den Richter Paul Deister kennen und verliebt sich in ihn, ohne zunächst zu wissen, dass er das Urteil über ihren Bruder sprach. Auf ihrer Suche nach der Wahrheit muss sie begreifen, dass Deister ein erbarmungsloser Karrierist ist, der sein Fähnchen in jeden Wind hängt. Einer der mutigsten Filme gegen staatliche Repression, dem von der SED-Führung Pessimismus, Skeptizismus und insgesamt eine feindliche Haltung zur DDR vorgeworfen wird. Regisseur Kurt Maetzig, dem daran gelegen ist, mehr Demokratie in der Gesellschaft anzumahnen und den staatstragenden Opportunismus unter die Lupe zu nehmen, übt nach dem Verbot des Films im Dezember 1965 Selbstkritik. ▶ Mittwoch, 22. april 2015, 21.00 Uhr Berlin um die Ecke | DDR 1966/1990 | R: Gerhard Klein | B: Wolfgang Kohlhaase | K: Peter Krause | M: Georg Katzer | D: Dieter Mann, Kaspar Eichel, Monika Gabriel, Erwin Geschonneck, Hans Hardt-Hardtloff | 85 min | Nach EINE BERLINER ROMANZE (1955) und BERLIN – ECKE SCHÖNHAUSER (1957) der dritte Berlin-Film des Teams Kohlhaase/Klein, der sich mit Problemen Jugendlicher und Konflikten mit der älteren Generation befasst. Olaf und Horst, Arbeiter in einem Metallbetrieb, klagen über veraltete Maschinen und fehlende Ersatzteile. Ihre Fragen an die Gesellschaft werden immer lauter und drängender, und dennoch scheint sich nichts zu ändern. »Die Bilder vermitteln einen sinnlichen Genuss am Rhythmus und den kleinen und großen Erlebnissen des Alltags. Ein genaues, stilles, tief berührendes menschliches Dokument« (Erika Richter). Im Sommer 1966 wegen »Verunglimpfung der Arbeiterklasse« verboten, durfte der Film erstmals zur 750-Jahr-Feier Berlins 1987 in Vorführungen des Staatlichen filmarchivs der DDR gezeigt werden. ▶ Mittwoch, 29. april 2015, 21.00 Uhr Spur der Steine | DDR 1966 | R: Frank Beyer | B: Karl Georg Egel, Frank Beyer nach dem gleichnamigen Roman von Erik Neutsch | K: Günter Marczinkowsky | M: Wolfram Heicking | D: Manfred Krug, Eberhard Esche, Krystyna Stypulkowska, Johannes Wieke, Walter Richter-Reinick, Hans-Peter Minetti | 139 min | Der Zimmermann Balla, Kraftprotz und Anarchist, ist der ungekrönte König der Baustelle, seine Brigade reißt noch alles raus, was die Bürokratie vermasselt hat. Doch die junge Ingenieurin Kati Klee, die er mag, verliebt sich in einen anderen. Ausgerechnet in den verheirateten Parteisekretär Horrath, auch kein schlechter Kerl, aber eben einer »von oben«. Erik Neutschs Buch, in den 1960er-Jahren viel gelesen, wird von Frank Beyer zu einem packenden »Western« auf einer ostdeutschen Großbaustelle verdichtet. Im Sommer 1966 nach nur wenigen Tagen Laufzeit verboten, gilt der Film seit seiner Wiederaufführung 1989/90 als bedeutendes Zeit- und Sittenbild, das mutig und konsequent die tiefe innere Zerrissenheit der DDR-Staatspartei reflektiert und eindeutig auf der Seite der Reformer, der Utopie eines »demokratischen Sozialismus« steht. ▶ Mittwoch, 6. Mai 2015, 21.00 Uhr Karla | DDR 1966/1990 | R: Herrmann Zschoche | B: Ulrich Plenzdorf, Herrmann Zschoche | K: Günter Ost | M: Karl-Ernst Sasse | D: Jutta Hoffmann, Jürgen Hentsch, Hans Hardt-Hardtloff, Inge Keller, Rolf Hoppe | 123 min | Jutta Hoffmann in ihrer wohl schönsten Kinorolle als »Giulietta Masina der DDR«: Karla hat das Lehrerstudium beendet und trifft an ihrer ersten Schule auf einen weit verbreiteten Opportunismus der Kollegen. Aber auch die Abiturienten wissen bereits, was sie sagen dürfen und müssen, um beruflich weiterzukommen. Karla hat keine Lust, zu alldem zu schweigen, und bringt mit ihren Idealen von Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Gerechtigkeit die Verhältnisse ins Wanken. Kluge, berührende Studie über Zustände in der »sozia- DeFa: Die besten Jahre KaRla listischen Volksbildung«, die ihre Gültigkeit als Parabel über Mut und Vertrauen, Wahrheit und Irrtum bis heute nicht verloren hat. Nach dem Rohschnitt wird dem Film 1966 vorgeworfen, er zeige einen künstlichen Widerspruch zwischen Ideal und unvollkommener Wirklichkeit. Das daraufhin ausgesprochene Verbot gilt bis 1990. ▶ Mittwoch, 20. Mai 2015, 21.00 Uhr Jahrgang 45 | DDR 1966/1990 | R: Jürgen Böttcher | B: Klaus Poche, Jürgen Böttcher | K: Roland Gräf | M: Henry Purcell | D: Rolf Römer, Paul Eichbaum, Monika Hildebrand, Holger Mahlich, Gesine Rosenberg, A. R. Penck | 94 min | Al und Li, ein junges Ehepaar aus dem Berliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg, wollen sich trennen. Al, ein leidenschaftlicher Motorradliebhaber, glaubt, endlich seine lang ersehnte Freiheit wiederzufinden. Li, eine Säuglingsschwester, ist tief verletzt. Haben die beiden noch eine Chance, wieder zueinander zu kommen? Erster und einziger Spielfilm des Malers und Dokumentaristen Jürgen Böttcher (»Strawalde«). Nach der um 25 Jahre verspäteten Uraufführung 1990 schreibt der Kritiker Heinz Kersten: »Ein sehr lyrischer Film mit poesievollen Alltagsimpressionen.« Für viele Filmhistoriker eine der schönsten DEFAArbeiten überhaupt, dem Tempo und Rhythmus eines improvisierten Jazzstücks nachempfunden, meisterhaft impressionistisch fotografiert von Roland Gräf. ▶ Mittwoch, 27. Mai 2015, 21.00 Uhr Das siebente Jahr | DDR 1969 | R+B: Frank Vogel | K: Roland Gräf | M: Peter Rabenalt | D: Wolfgang Kieling, Jessy Rameik, Ulrich Thein, Monika Gabriel, Alfred Müller | 83 min | Eines der großen, weitgehend unbekannten Meisterwerke des DEFA-Gegenwartsfilms in den späten 1960er-Jahren. Der aus dem Westen in den Osten übergesiedelte Wolfgang Kieling in der Rolle eines prominenten Schauspielers, dessen Ehe mit einer Herzchirurgin nach sieben Jahren in eine Krise zu geraten droht. Mit einer fast getupften, selten ins Dramatische gesteigerten Handlung und einer weitgehend beobachtenden Kamera entsteht die Momentaufnahme einer Gruppe von Ost-Berliner Intellektuellen, die sich in ihrem Alltag eingerichtet haben und sich doch nach neuen Herausforderungen, nach einem imaginären »anderen« Glück im Leben sehnen. Musikalisch akzentuiert von modernen Pianorhythmen und Villon-Balladen, die Wolfgang Kieling singt. ▶ Mittwoch, 3. Juni 2015, 21.00 Uhr Weite Straßen – stille Liebe | DDR 1969 | R: Herrmann Zschoche | B: Ulrich Plenzdorf, nach der Erzählung »Endlose Straßen« von Hans-Georg Lietz | K: Roland Gräf | M: Peter Rabenalt | D: Manfred Krug, Jaecki Schwarz, Jutta Hoffmann, Ulrike Plenzdorf, Heidemarie Schmidt, Ilse Voigt | 76 min | Fast ein Jahrzehnt vor seiner westdeutschen Fernfahrer-Serie AUF ACHSE spielt Manfred Krug einen »Kapitän der Landstraße«, der mit flotten Sprüchen und immer zu einem Spaß aufgelegt von Kap Arkona bis ins Erzgebirge unterwegs ist. Sein Beifahrer, ein verkrachter Student, wird von dem späteren TATORT-Kommissar Jaecki Schwarz dargestellt. Dritte im Bunde, in die sich beide Männer verlieben, ist Jutta Hoffmann als junge Frau in einer Ehekrise. Sympathische, differenziert gezeichnete Figuren zwischen Sein und Schein, mit denen der Film unterschiedliche Lebensentwürfe und -haltungen auslotet. Ein psychologisches Kammerspiel der leisen Wahrheitssuche, der Wiederentdeckung der Wirklichkeit. Ein geglückter Versuch der DEFA, sich nach dem »Kahlschlag« des Verbotsjahres 1965/66 von strikten politischen Maßregeln zu emanzipieren. ▶ Mittwoch, 17. Juni 2015, 21.00 Uhr 23 Naher Osten: Filmreihe ›Common Grounds‹ Naher Osten Die aufstrebenden Städte der Golf-Region und die konfliktreichen Schauplätze im Mittleren und Nahen Osten sind einnehmende Themen der medialen Berichterstattung. Die oft extremen Bilder aus dem öffentlichen Raum dieser Gebiete prägen unseren westlichen Blick auf die Region in ihrem inhaltlichen Gehalt ebenso wie in ihrer manipulativen Ästhetik. Die Ausstellung »Common Grounds« in der Villa Stuck setzt diesen Bildern künstlerische Werke entgegen, die einen anderen, vielfältigeren Ansatz zeigen, sich mit gesellschaftlichen Bedingungen auseinanderzusetzen. »Common Grounds« bezieht sich auf das kommunikationswissenschaftliche Modell des »Grounding«, der Annahme, dass zwischen Kommunikationspartnern ein gemeinsamer Wissensraum besteht, der den Dialog gelingen lässt. Dieses Modell wurde ausführlich von Herbert H. Clark untersucht. In seiner Schrift »Using Language« aus dem Jahr 1996 untersucht er Voraussetzungen für eine funktionierende Kommunikation, die demnach auf dem wichtigen Faktor beruht, dass die Information von beiden Kommunikationspartnern geteilt werden kann. Es geht dabei um die Fähigkeit, das Gesprächsthema in einen kontextuellen Rahmen einzubetten: »Common ground is a form of self-awareness – self-knowledge, self-belief, self-assumption – in which there is at least one other person with the analogous self-awareness.« Clark führt auch den Begriff des »Communal common ground« ein, der Kategorien wie micRophone 24 Nationalität, Beruf, Hobbies, Religion, Sprache beinhaltet. Dieses Basiswissen divergiert je unterschiedlicher diese Kategorien zwischen Kommunikationspartnern sind. Gerade das Wissen über ein Themenfeld, das seit mehr als drei Jahren die Welt in Atem hält, der Mittlere und Nahe Osten, ist von unterschiedlichem und einseitigem Wissen charakterisiert. Die Ausstellung stellt Künstlerinnen und Künstler vor, die sich in ihren Werken mit dieser Region auseinandersetzen. Sie verhandeln den öffentlichen Raum, der ebenfalls im Begriff des »Common Ground«, als Gemeinsamkeit oder Bezugserde impliziert ist, und geben Möglichkeiten diesen neu zu erfahren. Hazem Harb visualisiert in seiner Wandarbeit »Till the End« (2014) durch Quader, deren Kanten geschlossen oder geöffnet sind, Durchlässigkeit und hermetische Abgeschlossenheit. Grenzen werden verdichtet zur geometrischen Form. Das Architekten- und Künstlerkollektiv DAAR erforscht die Situation in Israel und im palästinensischen Gebiet, um Strategien zur Umnutzung von ehemals militärisch genutzten Flächen zu entwickeln. Die Linie, die Grenzen beschreibt, Fluchtwege auf Landkarten nacherzählt und Räume definiert – wie in den wunderbaren Zeichnungen von Susan Hefuna –, wird zum Signum von Freiheit und Unfreiheit. Diesen Arbeiten stehen narrative Kunstwerke gegenüber, die ein Bild unter der Oberfläche der Geschichtsschreibung und der medialen Berichte zeigen. Es sind latente Bilder, Bilder, Naher Osten die auf dem noch nicht entwickelten Film und damit dem Auge verborgen sind, sie legen ein vielschichtigeres Bild der unmittelbaren Gegenwart offen. Diese Strategie findet sich bei den Filmemachern Joana Hadjithomas und Khalil Joreige, die mit ihrem Film JE VEUX VOIR im Filmmuseum vertreten sind, wie auch bei Bouchra Khalili. Sie sagt: »It is always about transitory moments of life, transitory which lasts, as if you had a latent image, which never reaches the end of the revelation but which potentially is the revelation.« Dieses Sichtbarmachen von konzeptuellen Nebenwegen und von narrativen Motiven kann das kollektive Bildgedächtnis ergänzen. Wie Horst Bredekamp dies in seiner Publikation »Theorie des Bildakts« bezeichnet: »Bilder können nicht vor oder hinter die Realität gestellt werden, weil sie diese mitkonstituieren. Sie sind nicht deren Ableitung, sondern eine Form ihrer Bedingung.« So ist der Wandel in dieser Region auch als globale Neuordnung wahrzunehmen. verena hein 25 »Common Grounds« ist eine Ausstellung des Museums Villa Stuck, gefördert von der Kulturstiftung des Bundes, die noch bis zum 17. Mai 2015 zu sehen ist. Das Filmprogramm wurde von Claudia Engelhardt kuratiert. Bab’ Aziz (Der Tanz des Windes) | Tunesien 2005 | R: Nacer Khemir | B: Tonino Guerra | K: Mahmoud Kalari | M: Armand Amar | D: Parviz Shahinkhou, Maryam Hamid, Nessim Khalal, Mohamed Graïaa, Golshifteh Farahani | 98 min | OmU | Eine Hymne an das Erzählen und die Liebe. In der Tradition von »1001 Nacht« entfaltet der Regisseur Geschichten von Prinzen, Palästen und langen Irrfahrten. Das Mädchen Ishtar und ihr Großvater Bab’ Aziz, ein blinder Derwisch, sind unterwegs zum großen Derwisch-Treffen in der Sahara, dessen Ort sich aber nur jenen offenbart, die mit dem Herzen der Stille der Wüste zu lauschen vermögen. Die Geschichten der Menschen, denen sie begegnen, verflechten sich kunstvoll mit der Haupthandlung. Gleichzeitig setzt sich der Film mit der Tradition des Sufismus, mit Mystik und Spiritualität auseinander. ▶ Dienstag, 10. März 2015, 21.00 Uhr | einführung: Verena Hein Persepolis | Frankreich 2007 | R+B: Vincent Paronnaud, Marjane Satrapi, nach der Graphic Novel von Marjane Satrapi | M: Olivier Bernet | 96 min | OmU | Die Erinnerungen einer Exil-Iranerin, die 1995 nach Jahren in Österreich beschließt, in ihre Heimat zurückzukehren. Der autobiografisch gefärbte Zeichentrickfilm erzählt seine politisch ambitionierte Geschichte in einfachen, flächigen Schwarz-Weiß-Zeichnungen, mit viel satirischem Witz und Selbstironie. Marjane ist acht Jahre alt, als der Schah aus dem Iran vertrieben wird und die Mullahs die Macht an sich reißen. Fortschritt und Freiheit bleiben im Zuge der »Islamischen Revolution« auf der Strecke. Die religiösen Führer verbieten alle »westliche Dekadenz«. Doch die rebellische Marjane denkt nicht daran, sich zu unterwerfen. ▶ Dienstag, 17. März 2015, 21.00 Uhr | einführung: Parastou Forouhar Je veux voir (Lass es mich sehen) | Libanon 2008 | R+B: Joana Hadjithomas & Khalil Joreige | K: Julien Hirsch | M: Scrambled Eggs | Mit Catherine Deneuve, Rabih Mroué | 75 min | OmeU | Wie kann das Kino helfen, Bilder und Geschichten der Hoffnung für ein vom Krieg gezeichnetes Land zu finden, die einer ganzen Generation traumatisierter junger Libanesen verloren gegangen sind? In Beirut trifft Catherine Deneuve ihren dort äußerst populären Kollegen Rabih Mroué, um mit ihm zu einer Reise mit ungewissem Ausgang aufzubrechen. Mit Leibwächter und Filmcrew im Tross fahren sie in den Südlibanon, wo der Krieg am schlimmsten gewütet hat. Die spektakulären Fernsehbilder des Krieges erschienen den Filmemachern so mächtig, dass jede Geschichte, jedes Kinobild dadurch obsolet geworden schien. So entstand die Idee, diesem Film über die beiden Protagonisten die Aura des Kinos und seine Emotionen zurückzugeben. ▶ Dienstag, 24. März 2015, 21.00 Uhr Naher Osten 26 Microphone (Mikrofon) | Ägypten 2010 | R+B: Ahmad Abdalla | K: Tarek Hefny | M: Bassam Nessim | D: Khaled Abol Naga, Menna Shalabi, yousra El Lozy, Hani Adel, Ahmad Magdy | 122 min | OmeU | Khaled kehrt aus den USA zur Beerdigung seiner Mutter nach Alexandria zurück und trifft Underground-Musiker, Graffiti-Künstler und Filmemacher in einem Land im Aufbruch. »Ich wollte einen Spielfilm machen, der aus einer Reise durch die Straßen, Alleen und Dächer der Stadt besteht und in dem Khaled – die Hauptfigur – die Zuschauer an der Hand durch die verschiedenen Zwischenhalte führt, zu denen Menschen, Subkulturen und künstlerisches Schaffen zählen, die alle in der Stadt existieren, aber oft unsichtbar für uns sind. Die Reise basiert auf den wirklichen Geschichten der Künstler und ist aus deren Sicht erzählt.« (Ahmad Abdalla) ▶ Dienstag, 31. März 2015, 21.00 Uhr Soullam ila Dimashk (Leiter nach Damaskus) | Syrien 2013 | R: Mohamed Malas | B: Mohamed Malas, Samer Mohamad Ismail | K: Joude Gorani | M: Toufic Farroukh, Charbel Haber | D: Gianna Aanid, Izzat Abou Jabal, Hussein Al Shazli, Nohad Assi, Mustafa El Mustafa | 95 min | OmeU | Ghalia glaubt, vom Geist Zeinas besessen zu sein, einer jungen Frau, die am Tag von Ghalias Geburt im Meer ertrunken ist. Sie geht nach Damaskus, um Schauspiel zu studieren und mehr über sich selbst zu erfahren. Dort kommt sie in einem alten Haus unter, das von jungen Künstlern aus allen Teilen Syriens bewohnt wird. In der Abgeschiedenheit der Herberge verliebt sich Ghalia in einen jungen Regisseur, während es draußen auf den Straßen zu stürmischen Aufständen kommt. Mohamed Malas, Syriens bekanntester Autorenfilmer, weckt in diesem heimlich gedrehten Drama die Geister seines Landes. ▶ Dienstag, 7. april 2015, 21.00 Uhr Man Negahdar Jamali, western misazam (Ich heiße Negahdar Jamali und drehe Western) | Iran 2012 | R+B: Kamran Heidari | M: Ennio Morricone, Hamid Saeed | 65 min | OmeU | In der alten iranischen Stadt Shiraz lebt der Westernfan und Exzentriker Negahdar Jamali, der seit 35 Jahren iranische Western dreht, ohne Budget oder andere professionelle Unterstützung. Seine Leidenschaft sind Filme, wie sie John Ford gemacht hat – Familie, Arbeit und auch seine Ehe geraten darüber immer mehr ins Hintertreffen. Jamali organisiert Kostüme und instruiert Nachbarn und Familie, Cowboys zu spielen, afghanische Arbeiter werden zu Indianern, und in der iranischen Landschaft entsteht die Illusion des amerikanischen Westens. Vorgeführt wird das neueste Werk jeweils vor Nachbarn im improvisierten Freilichtkino. ▶ Dienstag, 14. april 2015, 21.00 Uhr | einführung: Silvia Bauer The Iranian Film (Der iranische Film) | Marokko 2014 | R+B: yassine El Idrissi | K: yassine El Idrissi, Rachid Boughanem | Mit yassine El Idrissi, Rachid Boughanem, yassine Halabi, Houssine Bouhssine | 67 min | OmeU | Der marokkanische Filmstudent yassine liebt das iranische Kino und seine Regisseure Mohsen Makhmalbaf, Abbas Kiarostami, Jafar Panahi. Mit Hilfe seiner Freunde versucht er, einen »iranischen Film« in Marokko zu drehen. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach möglichst originalgetreuen Schauplätzen und Laiendarstellern, kämpfen mit der Bürokratie, die das Skript über den »Nationalfeiertag« nicht so einfach absegnen mag, sowie der Engstirnigkeit der Dorfbevölkerung. yassine El Idrissis fiktiver Dokumentarfilm stellt die Frage, warum im Iran im Gegensatz zu Marokko die Filmproduktion floriert, wo es doch dort viel weniger Freiheit gibt als in Marokko. ▶ Dienstag, 21. april 2015, 21.00 Uhr | einführung: Silvia Bauer Film und Psychoanalyse: Virtual Love Film und Psychoanalyse gibt es ein Mitfühlen, ein Sich-Verlieben, ein ethisches Handeln zwischen den »Arten«? Was passiert, wenn die künstlichen Wesen das Bewusstsein ihrer selbst als eigentlich exklusives Merkmal realer menschlicher Wesen erwerben? In diesen Filmen wird die Essenz des Menschen, seines Wesens und seines Schicksals zum Thema. Es stellt sich die spannende Frage, ob die Vermengung von virtuellen und realen Beziehungsaspekten in unserer Alltagswelt auch dazu führt, dass die Unterscheidung von realer Erfahrung mit einem realen Gegenüber und Leben mit einer Erinnerung oder Projektion so schwierig und dramatisch werden könnte wie in den Visionen unserer Filme. mathias lohmer und corinna Wernz Blade Runner | USA 1982 | R: Ridley Scott | B: Hampton Fencher, David Webb Peoples, nach dem Roman »Do Androids Dream of Electric Sheep?« von Philip K. Dick | K: Jordan Cronenweth | M: Vangelis | D: Harrison Ford, Sean young, Rutger Hauer, Daryl Hannah, Edward James Olmos | 117 min | OmU | Ridley Scotts Dystopie aus dem Jahr 1982 ist uns beängstigend nahe gekommen: Sie spielt in einem fiktiven Los Angeles des Jahres 2019, in einer riesigen, ständig verregneten und verdreckten Metropole voller beziehungsloser Einzelner. Ex-Cop Rick Deckard übernimmt widerstrebend die Aufgabe, aufständische »Replikanten« 27 heR Partnersuche über Online-Foren und Second-LifeSpiele sind Teil unserer Alltagskultur geworden. Wir leben in Phantasien über vermeintlich reale Andere, spielen bewusst mit Liebesprojekten und -projektionen sowie kunstvoll entworfenen medialen Selbstkonzepten. In Filmen wird diese doppelte Realität von wirklich und scheinbar Realem (»Virtuellem«) schon seit Jahrzehnten eindringlich vorgeführt. Ethische und existentielle Fragen werden anhand der Kollision von realen und virtuellen Existenzformen zugespitzt. Die Liebe zu Replikanten (BLADE RUNNER), intelligenten Betriebssystemen (HER), menschgewordenen Erinnerungen (SOLARIS) und Liebe in einer insgesamt virtuellen Realität, möglicherweise dem Wahnsinn (ABRE LOS OJOS), sind die filmischen Varianten, mit denen wir in dieser Reihe aus dem Genre der Science-Fiction-Filme den Aspekt der »virtuellen Liebe« herausgreifen wollen. Weil »Virtuelles« gerade nicht »Irreales« meint, sondern Aspekte und Funktionsweisen des Realen imitiert, übersteigert und entlarvt, können die typischen Bedingungen und Wirrnisse der Suche nach Liebe sich oft sehr grundsätzlich in den Filmen zeigen. »Virtuelle Wesen« erscheinen dabei als mangelhaft oder übermächtig – entsprechend müssen diese Erscheinungsformen in der filmischen Realität vernichtet oder nobilitiert werden. Immer wieder werden die Grenzen zwischen Menschen und Imitat-Menschen wechselseitig überschritten – Film und Psychoanalyse 28 ausfindig zu machen, künstliche, spezialisierte Übermenschen mit unausgegorenen Emotionen, und sie dann auszuschalten. Ebenso widerwillig beginnt er, sich in Rachael zu verlieben. Auch sie ist eine Replikantin, wird sich allerdings ihrer »Gemachtheit« gerade erst bewusst. Der Science-Fiction-Film-noir kulminiert in einem Showdown zwischen Deckard und einem kämpferischen Replikantenpaar, Pris und Roy. Zunehmend unklar wird dabei aber, wer kälter und gefühlloser ist: die Menschen oder die verfolgten Replikanten? Unter der Oberfläche aller Action stellt der Film uns die Frage: Was ist überhaupt »menschlich«, und was ist die »Realität« der Liebe? ▶ Sonntag, 22. März 2015, 17.30 Uhr | einführung: Matthias Baumgart, Mathias Lohmer und Corinna Wernz Her | USA 2013 | R+B: Spike Jonze | K: Hoyte van Hoytema | M: Arcade Fire | D: Joaquin Phoenix, Amy Adams, Rooney Mara, Olivia Wilde, Chris Pratt, Scarlett Johansson (Stimme) | 126 min | OmU | Theodore, der von einer Trennung beschädigte Held dieses Films, verfällt der körperlosen Stimme von Scarlett Johansson, die als Betriebssystem seines Rechners eigentlich nur seinen Alltag organisieren soll. Als personalisierte, künstliche Intelligenz mit dem Namen Samantha entwickelt dieses technische Wunder eine erstaunliche Persönlichkeit, deren Entstehung und Entwicklung in Anpassung an Theodores Wünsche wir mit atemberaubendem Tempo miterleben. Die Gespräche mit ihr und in der Folge die Verliebtheit in sein von ihm selbst geschaffenes Gegenüber helfen Theodore paradoxerweise, sich dem wirklichen Leben wieder zuzuwenden. Das ist erstaunlich, denn auch in seinem Beruf bewegt er sich in einem irrealen Bereich: er schreibt fiktive Briefe für Fremde. Eine doppelte virtuelle Existenz also, und reine Autoerotik trotz der verführerischen Stimme. Spike Jonze gelingt hier erneut, absonderlichem Verhalten und absurden Motivationen den Anschein völliger Selbstverständlichkeit zu geben, so wie viele den heute üblichen Umgang mit intimen Aktivitäten im Netz für ganz normal anstatt verwunderlich halten. ▶ Sonntag, 19. april 2015, 17.30 Uhr | einführung: Katharina Leube-Sonnleitner und eva Friedrich Abre los Ojos (Öffne die Augen) | Spanien 1997 | R: Alejandro Amenábar | B: Mateo Gil, Alejandro Amenábar | K: Hans Burmann | M: Alejandro Amenábar, Mariano Marín | D: Eduardo Noriega, Penélope Cruz, Najwa Nimri, Fele Martínez, Chete Lera | 114 min | OmeU | César, ein junger erfolgsverwöhnter Playboy verliert durch den Anschlag einer eifersüchtigen Geliebten sein gutes Aussehen, die soeben gewonnene Liebe seines Lebens und seinen Verstand. Verunsichert durch komplexe Erzählstränge und Zeitschleifen kann auch der Zuschauer nicht recht zwischen Rahmen- und Binnenhandlung unterscheiden. Ebenso wenig findet er Distanz zu den verzweifelten Bemühungen des nun verunstalteten Protagonisten, seinen früheren Zustand wieder vollständig herzustellen, insbesonders des einst so mühelosen Begehrtwerdens. Oder handelt es sich um Halluzinationen, um einen eventuell begangenen Mord aus dem Bewusstsein zu bannen? Ob Césars Erlebnisse real sind, zu einem Alptraum gehören oder, wie es zunehmend scheint, virtuell generiert werden, bleibt im philosophischsten Film Amenábars spürbarer in der Schwebe als in dem Remake VANILLA SKy (2001) von Cameron Crowe. Um aufzuwachen und ins richtige Leben zu finden, muss César die Augen öffnen und einen Suizid riskieren. ▶ Sonntag, 7. Juni 2015, 17.30 Uhr | einführung: Salek Kutschinski und andreas Hamburger Soljaris (Solaris) | SU 1972 | R: Andrej Tarkovskij | B: Andrej Tarkovskij, Friedrich Gorenstein, nach dem Roman von Stanisłav Lem | K: Vadim Jusov | M: Eduard Artemëv | D: Donatas Banionis, Nikolaj Grinko, Natalja Bondarčuk, Jüri Järvet, Anatolij Solonicyn, Olga Barnet | 167 min | OmU | Von der Forschungsstation beim Planeten Solaris treffen wirre Nachrichten ein. Der Psychologe Kris Kelvin muss sich für immer von seinem alten Vater verabschieden, um die weite Reise dorthin anzutreten. Er trifft auf eine paranoide Crew, und er sieht seltsame Fremde. Plötzlich ist auch seine durch Suizid verstorbene Frau Hari wieder bei ihm. Er versteht schnell, dass sie eine Ausgeburt des Planeten ist, der Kelvins eigene Phantasien materialisiert. Dennoch gelingt es ihm nicht, sich von ihr zu befreien. In Tarkovskijs ergreifend poetischer Verfilmung von Stanisłav Lems gleichnamigem Roman aus dem Jahr 1961 wird die Beziehung des Protagonisten zu seiner virtuellen Geliebten zur analytischen Reise. Die Länge, die Tiefe und das gemäßigte Tempo des Films, die vielen Wiederholungen schaffen einen meditativen Ort, der den Zuschauer im »Projektionsraum« des Kinosaals in seine eigene Vergangenheit führt. ▶ Sonntag, 5. Juli 2015, 17.30 Uhr | einführung: andreas Hamburger, Salek Kutschinski und Vivian Pramataroff-Hamburger Jacques Tati Retrospektive Jacques Tati l’illuSionniSTe 29 Wie alle ganz großen Komiker schafft Tati ein universum, bevor er uns zum lachen bringt. um seine figur ordnet sich eine Welt, kristallisiert sich wie die gesättigte lösung um das Salzkorn, das man hineinwirft. Gewiss, die von Tati geschaffene figur ist komisch, doch fast nebenbei und in jedem fall bezogen auf dieses universum. bei den komischsten Gags braucht monsieur hulot nicht einmal persönlich anwesend zu sein, denn er ist nichts anderes als die metaphysische verkörperung einer unordnung, die noch lange anhält, wenn er selbst schon wieder woanders ist. andré bazin Wenn das Filmmuseum wieder einmal die Filme von Jacques Tati zeigt, dann gibt es dafür gute Gründe. Zum einen sind die Filme sehr sorgfältig digitalisiert worden und liegen nun erstmals alle mit deutschen Untertiteln vor. So kann man sie in all ihrer Pracht in unverfälschten Originalfassungen sehen. Ein anderer Grund ist aber auch, dass die Filme von Jacques Tati nur im Kino zur vollen Wirkung kommen. Das liegt zum einen daran, dass das Lachen ansteckend ist und deshalb zusammen mit anderen mehr Spaß macht. Zum anderen liegt es an dem Gestaltungsprinzip der Filme: In Tatis Filmen muss man genau hinsehen und hinhören. Sie bestehen fast nur aus Totalen, es gibt keine Großaufnahmen. Das verlangt höchste Aufmerksamkeit: In den langen Einstellungen des in 70mm auf- genommenen PLAy TIME muss man regelrecht suchen, wo im Bild gerade ein Gag passiert. Vom Mehrkanalton, der in anderen Filmen über die Effektkanäle »Atmosphäre im Raum« schafft, nutzt Tati nur die Frontkanäle, um den Blick des Zuschauers im Bild zu lenken. Trotzdem kann man selbst beim wiederholten Sehen immer noch Gags entdecken, die einem zuvor entgangen sind, wie das kleine Modellflugzeug im Regal, das beim Ausfall der Klimaanlage langsam die Flügel hängen lässt. Tatis Filme verlangen einen aktiven Zuschauer, der mitdenkt. Sie trainieren das Sehen. Sie stehen damit in krassem Widerspruch zu aktuellen Komödien wie HONIG IM KOPF, in der Til Schweiger dem Zuschauer keinerlei Freiheit gönnt, sondern in einem Großaufnahmen-Stakkato-Feuerwerk ständige Bedeutsamkeit einhämmert. Tatis Ideal war eine »demokratische Komödie«, in der er selber als Hauptdarsteller immer mehr in den Hintergrund rückt. »Statt dass es Hulot ist, wie in LES VACANCES DE M. HULOT, der die Gags, die im Film vorkommen, macht und ausführt, habe ich in PLAy TIME die Gags den anderen überlassen und jeweils die Person ausgewählt, die am geeignetsten schien, sie auszuführen. Nicht Hulot ist es, der auf den Knopf drückt, um herauszubekommen, wie man jemanden in einem Jour de fête (Tatis Schützenfest) | F 1949 | R: Jacques Tati | B: Jacques Tati, Henri Marquet, René Wheeler | K: Jacques Mercanton, Jacques Sauvageot | M: Jean yatove | D: Jacques Tati, Guy Decomble, Paul JouR De fêTe Jacques Tati 30 Büro anmeldet; ich wähle die geeignetste Person, das auszuführen, das heißt einen kleinen pensionierten Herrn, der es viel besser macht, als Hulot es könnte. Hulot würde es wahrscheinlich anders machen, er würde sich im Knopf irren; der Kleine aber gibt sich Mühe, er hat Angst vor all den Knöpfen, er fühlt sich nicht wohl.« Man kann sehr schön nachverfolgen, wie Tati anfangs noch im Mittelpunkt seiner Filme steht und dann von Film zu Film immer mehr in den Hintergrund rückt. Der Zuschauer kann sich nicht mehr darauf verlassen, dass Tatis Figur ihn durch das Geschehen führt. Vielmehr verschwindet Tati in PLAy TIME und TRAFIC passagenweise völlig von der Bildfläche. Stattdessen tauchen andere Personen auf, die wie Tati aussehen und mit ihm verwechselt werden. Den radikalen Schlusspunkt setzt der Kurzfilm FORZA BASTIA, den Tatis Tochter nach dem Tod ihres Vaters fertig gestellt hat. Wir sehen, wie sich die Einwohner der Stadt Bastia auf Korsika auf ein Fußballspiel vorbereiten. »Für mich ist eine Komödie Beobachtung. Ich bin ein visueller Mensch.« (Jacques Tati) Allein aus der Art der Beobachtung, durch Bildkadrierung, Montage und die Verstärkung einzelner Töne entsteht Komik. In FORZA BASTIA gibt es keinen Auslöser für Gags, die Absurditäten ergeben sich ausschließlich aus dem Alltag, Protagonisten sind Menschen im normalen Leben. Erstmals in München zu sehen ist L’ILLUSIONNISTE, ein Zeichentrickfilm nach einem Drehbuch von Jacques Tati, das dieser Ende der 1950er Jahre geschrieben hat. Es beschreibt einen Varieté-Künstler auf Reisen und weist Bezüge zu Jacques Tatis eigener Herkunft auf (die uns der wunderbare Dokumentarfilm TATI SUR LES PAS DE M. HULOT vor Augen führt). Sylvain Chomet entwickelte aus dem Drehbuch eine ganz eigene Vision und gestaltete den Protagonisten – anders als von Tati ursprünglich vorgesehen – als Monsieur Hulot. So lebt Tatis Kinofigur weiter, wenn auch anders, als sich Tati das vorgestellt hatte: »Einer meine Träume war, dass Hulot in anderen Filmen mitgespielt hätte. Als Statist. Plötzlich hätte man ihn an einer Bushaltestelle gesehen, wie er wartete, oder wie er hinter einem Taxi herlief. Man hätte sich gesagt: Was macht der denn da? Und dann wäre der Film weitergegangen, als ob nichts gewesen wäre.« (Jacques Tati) Stefan Drößler Frankeur, Santa Relli, Maine Vallée | 86 min / 79 min / 77 min | OmU – Ein französisches Dorf bereitet sich auf die jährliche Kirmes vor. In einem Zeltkino sieht der Dorfbriefträger einen Bericht über seine Kollegen von der amerikanischen Post, deren rasantes Tempo er mit seinem Fahrrad zu imitieren versucht. Gedreht wurde der Film gleich zweimal: in Schwarzweiß und im Thomsoncolor-Farbverfahren. Da das Kopierwerk von Thomsoncolor in Konkurs ging, konnte Tati seinen Film nur in Schwarzweiß herausbringen. 1961 drehte er deshalb für die Wiederaufführung des Films Szenen nach, in denen ein Maler das Dorf besucht und Zeichnungen anfertigt, die im Schwarzweißbild handkoloriert wurden. Erst 1995 konnte vom ursprünglichen Negativ eine Farbkopie gezogen werden. Die Farbversion unterscheidet sich in vielen Details von der schwarzweißen Fassung. ▶ Freitag, 3. april 2015, 18.30 Uhr (schwarzweiße Urfassung) ▶▶ Dienstag, 7. april 2015, 18.30 Uhr (kolorierte Fassung von 1961) ▶▶▶ Freitag, 17. april 2015, 18.30 Uhr (Farbversion von 1995) Les vacances de M. Hulot (Die Ferien des Monsieur Hulot) | F 1953 | R: Jacques Tati | B: Jacques Tati, Henri Marquet | K: Jacques Mercanton, Jean Mousselle | M: Alain Romans | D: Jacques Tati, Nathalie Pascaud, Louis Perrault, André Dubois, Lucien Frégis | ▶ Samstag, 4. april 2015, 18.30 Uhr (erstaufführungsfassung) ▶▶ Sonntag, 12. april 2015, 18.30 Uhr (Wiederaufführungsfassung von 1978) Mon Oncle (Mein Onkel) | F 1958 | R: Jacques Tati | B: Jacques Tati, Jacques Lagrange | K: Jean Bourgoin | M: Alain Romans, Frank Barcellini | D: Jacques Tati, Jean-Pierre Zola, Adrienne Servantie, Alain Bécourt, Lucien Frégis | 116 min | OmU – Monsieur Hulot lebt in einem altertümlichen Haus in Saint-Maure und kümmert sich um den Sohn seiner Schwester, die in einem reichen Villenviertel wohnt. MON ONCLE trug das Bild des idyllischen Paris um die Welt. Die Möglichkeiten der Farbe als Gestaltungsmittel werden geschickt genutzt, um die unterschiedlichen Milieus der Pariser Viertel voneinander abzugrenzen. »Tatis Humor ist außerordentlich restriktiv, weil er sich absichtlich auf Beobachtungshumor beschränkt und alle Einfälle ausscheidet, die der reinen Burleske verpflichtet sind. Innerhalb der Beobachtungskomik nimmt Tati noch eine zweite Zensur vor: er eliminiert das Unwahrscheinliche.« (François Truffaut) ▶ Sonntag, 5. april 2015, 18.30 Uhr Tati sur les pas de M. Hulot (Jacques Tati trifft Monsieur Hulot) | F 1989 | R+B: Sophie Tatischeff | 102 min | dtF | Jacques Tatis Tochter Sophie Tatischeff, die beim Schnitt von PLAy TIME, TRAFIC und PARADE mit ihrem Vater zusammenarbeitete und an der Restaurierung der Filme JOUR DE FÊTE und FORZA BASTIA mitwirkte, hat alle erdenklichen Filmdokumente und Fotos von ihrem Vater zusammengetragen und einen bewegenden Film montiert, der zeigt, wie sehr Kino, Performance und Leben bei ihrem Vater miteinander verquickt waren. Neben ihren eigenen Filmen DÉGUSTATION MAISON (1978) und LE COMPTOIR (1998) ist der sehr selten gezeigte Dokumentarfilm TATI SUR LES PAS DE M. HULOT das große Vermächtnis der 2001 verstorbenen Filmemacherin, die auch als Cutterin für Jean-Pierre Mocky, Jean-Pierre Melville, Jean-Jacques Annaud, Jacques Doillon, Tony Gatlif und Coline Serreau arbeitete. play Time ▶ Montag, 6. april 2015, 18.30 Uhr Play Time (Tatis herrliche Zeiten) | F 1967 | R: Jacques Tati | B: Jacques Tati, Jacques Lagrange | K: Jean Badal, Andréas Winding | M: Francis Lemarque | D: Barbara Dennek, Jacques Tati, Jacqueline Lecomte, Georges Montand, Reinhard Kolldehoff | 124 min | ohne Dialog – Monsieur Hulot verschwindet in einem modernen Paris, das nur noch aus Beton und Glasfassaden besteht, in denen die alten Wahrzeichen bestenfalls noch als Spiegelungen kurz aufblitzen. Für PLAy TIME baute Tati eine ganze Stadt mit beweglichen Häusern und drehte unzählige Varianten einer jeder Einstellung, bis sie seinen Vorstellungen exakt entsprach. Sein Film hat keinen Hauptdarsteller mehr, keine Identifikationsfigur, keine Storyline. Viele Handlungsstränge laufen parallel, und Monsieur Hulot, der hin und wieder auf- und abtaucht, besitzt so wenige individuelle Merkmale, dass im Verlauf des Filmes gleich mehrere Doppelgänger auftauchen, die für zusätzliche Verwirrung sorgen. ▶ Mittwoch, 8. april 2015, 18.30 Uhr Jacques Tati 95 min / 89 min | OmU – Ein Sommerurlaub in einem französischen Urlaubsort an der Küste der Bretagne. Jacques Tati tritt erstmals als Monsieur Hulot auf, der mit seinem vorsintflutlichen Auto im Ort eintrifft und weitgehend stumm bleibt. Tati überarbeitete seinen Film mehrfach: Für die Wiederaufführung von 1963 kürzte er den Film, orchestrierte die Musik neu und reduzierte die Dialoge, 1977 fügte er in diese Wiederaufführungsfassung dann eine ganze neugedrehte Sequenz ein: Der Gag mit dem eingeknickten Kajak-Boot, das wie ein bedrohlicher Fischkopf aus dem Wasser ragt, wurde ausgebaut und spielt auf Steven Spielbergs JAWS – DER WEISSE HAI an, da nun am Strand eine Panik ausbricht. 31 Jacques Tati 32 Trafic (Tati im Stoßverkehr) | F 1971 | R: Jacques Tati | B: Jacques Tati, Jacques Lagrange, Bert Haanstra | K: Eddy van der Enden, Marcel Weiss | M: Charles Dumont | D: Jacques Tati, Maria Kimberley, Marcel Fraval, Honoré Bostel, François Maisongrosse | 98 min | OmU | TRAFIC entstand als Gemeinschaftprojekt von Tati und dem niederländischen Regisseur und Produzenten Bert Haanstra. Um Tatis notorische Überziehung von Produktionsbudgets einzudämmen, wurden die Aufgaben geteilt: Haanstra sollte produzieren und Regie führen, Tati das Drehbuch schreiben und die Hauptrolle als Monsieur Hulot spielen. Teile des Films sollten auf der neueröffneten Autobahn A1 zwischen Frankreich und Belgien spielen. Doch Haanstra merkte bald, dass er Tati nicht zügeln konnte und überließ ihm die Regie. Tatis Satire auf die Autowelt besitzt einige bemerkenswerte Gags und Beobachtungen, weist aber wegen des beschränkten Budgets nicht mehr die präzise Struktur der vorherigen Tati-Filme auf. ▶ Freitag, 10. april 2015, 18.30 Uhr Parade | Schweden 1974 | R+B: Jacques Tati | K: Gunnar Fischer, Jean Badal | M: Charles Dumont | D: Jacques Tati, Karl Kossmayer, Pierre Bramma, Michèle Brabo, Pia Colombo | 89 min | OmU | Tati kombinierte Aufnahmen mit der Zirkusgruppe Veteranerna (Die Veteranen), die er für ein nie vollendetes Projekt einer Satire über das Fernsehen hergestellt hatte, mit einer auf Video gefilmten Zirkusschau, die er im Oktober 1973 in Stockholm arrangierte, und Nummern von Zirkuskünstlern, die er in einem Pariser Studio drehte. Im fertigen Film, der von Video auf 35mm-Film transferiert wurde, spielt Tati den Conférencier einer Zirkusschau, in der das Publikum miteinbezogen wird und auch Tati einige seiner berühmten Pantomimen darbietet. Im Publikum konzentriert sich die Kamera auf zwei Kinder, die am Ende hinter die Kulissen der Zirkusarena führen. ▶ Samstag, 11. april 2015, 18.30 Uhr On demande une brute (Grobian gesucht) | F 1934 | R: Charles Barrois | B: Jacques Tati, Alfred Sauvy | M: Marcel Landowski | D: Jacques Tati, Rhum, Hélène Pépée, Raymond Turgy, Jean Clairval | 25 min | OmU – Gai dimanche (Fröhlicher Sonntag) | F 1935 | R: Jacques Berr | B: Jacques Tati, Rhum | K: Jean Paulis | M: Michel Levine | D: Jacques Tati, Rhum | 22 min | OmU – Soigne ton gauche (Achte auf deine Linke) | F 1936 | R: René Clément | B: Jacques Tati, JeanMarie Huard | M: Jean yatove | D: Jacques Tati, Max Martel, Louis Robur, Jean Aurel, Champel van der Haegen | 13 min | OmU – L’école des facteurs (Die Schule der Briefträger) | F 1946 | R+B: Jacques Tati | K: Louis Félix | M: Jean yatove | D: Jacques Tati, Paul Demange | 16 min | OmU – Frühe Kurzfilme, in denen sich der Stil von Jacques Tati herauskristallisiert und in seinem ersten Meisterwerk L’ÉCOLE DES FACTEURS zu Tage tritt: Die Geschichte des Dorfbriefträgers, der mit seinem Fahrrad die amerikanischen Kollegen imitiert. ▶ Freitag, 17. april 2015, 21.00 Uhr L’illusionniste (Der Illusionist) | F 2010 | R+B+M: Sylvain Chomet, nach einem Originaldrehbuch von Jacques Tati (1959) | 80 min | OmU – »In jeder Einstellung atmet dieser Zeichentrickfilm den Geist Tatis. Nach der legendären Tati-Figur Monsieur Hulot ist schon der Varietékünstler entworfen, der von neuen Vergnügungen verdrängt wird, von Paris zunächst nach England und dann bis in ein Nest in Schottland tingelt, wo er mit seinen Zauberkünsten eine junge Frau so begeistert, dass sie mit ihm zieht. Aber auch die Liebeserklärung an das Varieté und die Melancholie über das Verschwinden des Alten entsprechen ganz dem Tonfall der Filme Tatis. Man spürt, wie viel Herzblut Chomet in diesen Film gelegt, mit wie viel Liebe er jede Szene entworfen hat. So wird dieser Film, dessen gezeichnete Figuren mehr berühren als vielfach die Protagonisten von Realfilmen, selbst zur reinsten Zauberkunst.« (Walter Gasperi) ▶ Samstag, 18. april 2015, 18.30 Uhr ▶▶ Sonntag, 19. april 2015, 21.00 Uhr Cours du soir (Abendschule) | F 1967 | R: Nicolas Ribowski | B: Jacques Tati | K: Jean Badal | M: Léo Petit | D: Jacques Tati, Alain Fayner, Marc Monjou | 29 min | OmU – Anneliese Rothenberger gibt sich die Ehre | BRD 1975 | R: Ekkehard Böhmer | B: Hans Hubberten | 18 min (Ausschnitt) – VIP-Schaukel | BRD 1977 | R: Edgar von Heeringen | B: Margret Dünser | K: Don Jones, Daniel Karpinski | 11 min (Ausschnitt) – Forza Bastia 1978 ou l’île en fête (Vorwärts Bastia!) | F 2000 | R: Jacques Tati, Sophie Tatischeff | B: Jacques Tati | K: yves Agostini, Henri Clairon, Alain Pillet | M: I Muvrini | 28 min | OmU – Tati führt seine berühmten Pantomimen vor, in einem Kurzfilm, der in den Sets von PLAy TIME entstanden ist, und in einer deutschen Fernseh-Show. Margret Dünser führt mit ihm eines seiner letzten Interviews vor der Kamera. Tatis Tochter Sophie Tatischeff stellte nach Tatis Tod den letzten Film fertig: Am Rande eines UEFA-Cup-Fußballspiels beobachtet Tati die Absurditäten des Alltags. ▶ Samstag, 18. april 2015, 21.00 Uhr Projekt Audiodeskription im Kino Wie entsteht ein Hörfilm? Bei Spielfilmen, Serienfolgen und Dokumentationen ist es für blinde Menschen schwierig, der Handlung zu folgen. Dann sind Bildbeschreibungen notwendig, die in Worte fassen, was im Bild vor sich geht. Eine Audiodeskription beschreibt in knappen Worten zentrale Elemente der Handlung sowie Gestik, Mimik und Dekors. Diese Texte werden in den Dialogpausen eingesprochen. Audiodeskription eröffnet blinden und sehbehinderten Menschen einen direkten Zugang zur Bilderwelt des Films. In ein bis zwei Durchläufen wird der Film einer ersten Analyse unterzogen. Dabei werden Fragen geklärt wie: Welche Figuren, welche Orte müssen detailliert beschrieben werden? Welche besonderen Anforderungen stellt der konkrete Film an die Audiodeskription: Gibt es Zeitsprünge, Rückblenden, Traumsequenzen? Dann wird der Film Szene für Szene bearbeitet. Ständiges Verknappen der beschreibenden Texte gehört zu den wichtigsten Aufgaben, da die Lücken zwischen den Dialogen in der Regel nicht viel Platz für Einfügungen lassen und die Atmosphäre des Films erhalten bleiben soll. Die Audiodeskription wird dann im Tonstudio aufgenommen, mit der Originaltonspur abgemischt und als optional anwählbare Tonspur in das Menü der DVD eingebunden bzw. im Fernsehen ausgestrahlt. Die Bildbeschreibungen werden in Zusammenarbeit von sehenden, blinden und sehbehinderten Filmbeschreibern verfasst. Auch die Tonregie im Studio liegt häufig in der Hand blinder / sehbehinderter Mitarbeiter. Ihnen obliegt die Aufgabe, für eine optimale Verzahnung der zusätzlichen Sprachinformationen mit dem akustischen Gesamtgeschehen des Films zu sorgen. audiodeskription Warum gehen blinde Menschen ins Kino? Filme ohne Bilder – das ist Alltag für viele Menschen. Auch blinde Menschen lieben Filme, nutzen Filme, schauen fern, gehen ins Kino, schätzen den Film auch als Gemeinschaftserlebnis mit nichtbehinderten Menschen. Das Radio ist für Blinde kein Ersatz für den Film. Filme sind zentraler Bestandteil unserer Alltagskultur, Filme sind Gesprächstoff – am Arbeitsplatz, in der Familie. Weiteres Motiv: Wer sein Leben lang Filme gesehen hat, mit dem Fernsehen groß geworden ist, wird auch dann nicht auf dieses Medium verzichten wollen, wenn das Sehen nachlässt. Rund 700 000 Menschen in Deutschland sind blind oder sehbehindert, sie haben keinen unmittelbaren Zugang zum Film. Audiodeskription heißt die Technik, die Filme für blinde Menschen barrierefrei zugänglich macht. Audiodeskription verwandelt einen Film in einen Hörfilm: Die Szeneninhalte werden beschrieben, also Handlung, Gestik, Mimik, Dekors, Kostüme – alle für das Verständnis des Film wichtigen visuellen Aspekte. 33 Die Deutsche Hörfilm 1993 wurde beim ZDF der erste Film mit Audiodeskription in Deutschland ausgestrahlt. 1998 nahm die Deutsche Hörfilm gGmbH (DHG) – damals noch firmierend als »Projekt Hörfilm« – ihre Arbeit auf mit dem Ziel, das Medium Hörfilm in der deutschen Medienlandschaft zu verankern und die Voraussetzungen für den Ausbau eines hochwertigen Angebots zu schaffen. Sie treibt die Entwicklung der Audiodeskription durch vielfältige Impulse voran, so etwa durch die ersten Hörfilm-Aufführungen bei der Berlinale, die europaweit ersten Hörfilm-DVDs, die ersten akustischen Menüsteuerungen, das erste Theaterstück mit Audiodeskription oder die Vorstellung der Audiodeskription im Rahmen der Internationalen Funkausstellung. Neuere gesetzliche Rahmenbedingungen haben zu einer spürbaren Ausweitung des Angebots an Hörfilmen geführt. Seit 2014 vergeben die filmförderungsanstalt und der Deutsche filmförderfonds ihre Produktionsförderung unter der Maßgabe, dass von den geförderten Filmen eine barrierefreie Fassung hergestellt wird – mit Audiodeskription für blinde und sehbehinderte Mediennutzer, und mit Untertiteln für hörbehinderte Menschen. Aufführungen im Filmmuseum München Früher wurde die Audiodeskription im Kino live eingesprochen, der Sprecher saß im Kinosaal oder, wo vorhanden, in einer Sprecherkabine, und sprach das audiodeskription 34 Manuskript zum laufenden Film ein. Heute ist die Audiodeskription im Kinosaal digital zugänglich. Sie wird mit dem DCP (digitale Filmkopie) geliefert und vom Kinoserver aus auf Funkkopfhörer übertragen. Bei den Aufführungen im Filmmuseum werden die Tonspur des Films und die Audiodeskription jedoch gemeinsam über die Lautsprecher eingespielt, so dass jeder im Saal den Film als Hörfilm erleben kann. Es ist ein Versuch, der die Möglichkeit bietet, sich mit dem Medium »Hörfilm« auseinanderzusetzen. Dabei werden Stummund Tonfilme, Dokumentar- und Spielfilme, neue und alte Produktionen vorgestellt, die alle exklusiv für die Aufführungen im Filmmuseum München hergestellt worden sind. Volker Schlöndorff, der sich anlässlich der Hörfilm-Ausstrahlung von DIE BLECHTROMMEL mit der »Übersetzung« der Bilder seines Films in Sprache beschäftigt hatte, beschrieb die Rezeption eines Hörfilms folgendermaßen: »Alle Wahrnehmung ist subjektiv. Es ist eine für den Film manchmal vielleicht entlarvende Angelegenheit, nur gehört zu werden. Letztendlich sagen wir immer, der Film entsteht nicht auf der Leinwand, sondern im Kopf des Zuschauers. In dem Sinne ist auch der Blinde ein Zuschauer. In seinem Kopf entsteht ein Film, der vielleicht zum Schluss anders ist als der Film, den der Sehende gesehen hat, der aber auch seine Kraft hat.« martina Wiemers Die Filmreihe ist ein Zusammenarbeit des Filmmuseums München mit der Deutschen Hörfilm gGmbH im Rahmen der Initiative »Projekt Inklusion im Kulturreferat«. Alle Audiodeskriptionen der nachfolgenden Filme wurden von der Deutschen Hörfilm konzipiert und hergestellt. Zuckerbaby | BRD 1984 | R+B: Percy Adlon | K: Johanna Heer | M: Dreieier | D: Marianne Sägebrecht, Eisi Gulp, Manuela Denz, Toni Berger, Will Spindler | 86 min | Die Angestellte eines Bestattungsunternehmens verliebt sich in einen U-Bahn-Fahrer und setzt alles daran, ihn zu erobern. Percy Adlon über den Erfolg seines Films: »Ich glaube, es ist die Menschlichkeit, eine Menschlichkeit, die aber nicht dick aufgetragen daherkommt, sondern in Form einer leichten Erzählung, einer Komödie, wie man sagt, obwohl es ja gar nicht so viel zu lachen gibt. Und dass sich ein Traum erfüllt, den sicherlich viele Menschen haben, dass sie, obwohl sie total eingeklemmt in ihrer Bürgerlichkeit, in ihrer Ehe oder was auch immer sind, die Möglichkeit haben, sich von alledem mit einem Schlag zu befreien.« ▶ Dienstag, 14. april 2015, 18.30 Uhr | Zu Gast: Martina Wiemers (Deutsche Hörfilm), Juliana Bauhofer (Projekt Inklusion im Kulturreferat) The Battle of the Century (Alles in Schlagsahne) | USA 1927 | R: Clyde Bruckman | K: George Stevens | M: Richard Siedhoff | D: Stan Laurel, Oliver Hardy, Noah young, Sam Lufkin | 16 min | Ollie ist Manager des Boxers Stan. Am Tag nach einem verlorenen Kampf lösen die beiden eine monumentale Tortenschlacht aus. Der nur fragmentarisch erhaltene Klassiker läuft in einer vom Filmmuseum rekonstruierten Fassung. – Spuk um Mitternacht | USA 1931 | R: James Parrott | K: George Stevens | D: Stan Laurel, Oliver Hardy, Otto Fries, Lucien Prival, Tiny Sandford | 40 min | Der einzige erhaltene frühe Tonfilm, in dem Stan und Ollie selber deutsch sprechen, handelt von einer Erbschaft und einem Geisterhaus, in dem die beiden übernachten. ▶ Mittwoch, 15. april 2015, 18.30 Uhr Mein München | Deutschland 2000 | R+B+K: Percy Adlon | 89 min | Beginnend mit einem Hubschrauberflug über München und unterlegt von Karl Valentins Sketch »Das Aquarium«, zeigt der heute in Kalifornien lebende Filmemacher Percy Adlon in seinem »Liebesbrief an meine Heimatstadt« einen ganz persönlichen Blick auf die Stadt und die Stationen seines Lebens dort. Dazu dienen zahlreiche Filmausschnitte über Münchner Künstler, die Adlon in dreißig Jahren seiner Filmarbeit mit der Kamera besucht und für das Fernsehen porträtiert hat. So entsteht ein höchst unterhaltsames Kaleidoskop Münchner Geschichten, Münchner Originale und Münchner Lebensart. »Ich komme bis heute in die Metropole des Föhns so oft ich kann zurück, weil ich es ohne Weißwürscht nicht lange aushalte.« (Percy Adlon) ▶ Dienstag, 21. april 2015, 18.30 Uhr Vom Reiche der sechs Punkte | Deutschland 1927 | R: Hugo Rütters | B: Hugo Rütters, Robert Wirtz, Hubert Horbach | D: Herr Metzler, Lotte Kleinschmidt, Robert Wirtz, Hubert Horbach, Josef Petri | 95 min | Ein beeindruckender und berührender Stummfilm, der abseits der großen Filmzentren Berlin und München entstand: Die Geschichte eines Ingenieurs, der sein Augenlicht verliert und sich mit seinem Schicksal als Blinder abfinden muss, führt in eindrucksvollen dokumentarischen Bildern das Leben und die Arbeit in den Blindenanstalten in Köln, Düren und Neuwied vor. Geschickt werden Spielszenen, dokumentarische Aufnahmen und Lehrfilminhalte miteinander verbunden. Der vom Filmmuseum München restaurierte erste Stummfilm mit Audiodeskription wurde 2008 mit dem Deutschen Hörfilmpreis ausgezeichnet. ▶ Mittwoch, 22. april 2015, 18.30 Uhr Vielfalt erforschen – Beton | Barock Kann denn Barock Sünde sein? Wann hat man begonnen, ihn zusammenzubringen mit Überschwang und Exzess, mit Kitsch und Schwulst? Seit wann steht er quer zu Vorstellungen vom Einfachen, Harmonischen, Klassischen, in der Ästhetik, in der Architektur? Das Programm der 15. Architekturfilmtage versucht einen neuen Blick, auf den Barock und andere diskreditierte Genres. Ein kleines Plädoyer fürs Irrationale, Irreale, Irresponsible. Gegen die Dominanz der Ausgewogenheit, der Harmonie. Für den Barock. Den Brutalismus. Den Beton. Play Time Baroque La Sapienza ist das Motto, und Eugène Green der Patron dieses Unternehmens. LA SAPIENZA heißt sein neuester Film, inspiriert von Francesco Borrominis Kirche Sant’Ivo alla Sapienza in Rom. Sapienza, das ist Wissen und Weisheit, aber auch Souveränität und Präsenz. Wie sie sich im Bauen präsentiert und wie das Gebaute sie erleben lässt. Ein »Reflex des ewigen Lichts« heißt es von ihr im Vorspruch des Films, und in einem Zitat von Rabelais: »Wissen ohne Bewusstheit ist nichts als eine Ruine der Seele.« Green ist in Amerika geboren, seine Filme dreht er in Europa. Sie sind einfach gebaut, wirken streng, symmetrisch, statisch, die Menschen stehen sich gegenüber, frontal aufgenommen, sie sprechen langsam und ruhig, manchmal direkt mit Blick in die Kamera, und es ist faszinierend, ihnen beim Sprechen zuzuschauen. Man spürt, wie das, was sie sagen, sie beschäftigt, eine innere Unsicherheit, eine tiefe Emotion. LA SAPIENZA ist ein metaphysisches Road Movie, es geht hier um die Umwege auf dem Pfad zur Erkenntnis. Ein berühmter, viel geehrter Architekt nimmt eine Auszeit, die Schönheit ist ihm suspekt geworden, er orientiert sich nun nach dem Funktionalen. Um über sein Metier wieder Klarheit zu finden, folgt er den Spuren und den Bauten des großen Borromini. Borromini, heißt es, das ist der mystische Barock, eine persönliche Erfahrung, der Gegenspieler ist sein Kollege Gian Lorenzo Bernini, das ist der rationale Barock, einer, der die Hierarchien und Regeln respektiert. Pirouetten im Himmel Voltaire ist der Erzfeind für Eugène Green. Der hat den Franzosen den Klassizismus eingebleut, die Kultur der absoluten Rationalität. Das Rationale hat er mit dem Französischen gleichgesetzt, kategorisch, alles andere ist Barock und höchst suspekt. Die Sünde gegen die Vernunft. Greens Architekt startet seine Bildungsfahrt im Tessin, in Bissone, dem Geburtsort von Borromini. Er nimmt einen jungen Mann mit, der Architektur studieren will und eine Art Lehrer für ihn wird. Der strenge Stil des Films und die Verspieltheit des Barock bringen am Ende eine neue Natürlichkeit hervor. Metaphysik, die Mystik der Architektur. Noch ein Lehrmeister, möglicherweise, was die verstörenden Erfah- architekturfilmtage la Sapienza 15. Architekturfilmtage 35 architekturfilmtage rungen mit dem Barock angeht, ist Lauritz de Thurah, ein mad architect in Dänemark. Borrominis Sant’Ivo alla Sapienza hat ihn inspiriert, eine spiralförmige Kirche in Christianshavn zu bauen. Wie ein Korkenzieher bohrt sich der blaue Turm in den Himmel, wie eine Himmelstreppe. Weil aber die Spirale die falsche, Gott nicht gefällige Richtung nimmt, hat der Baumeister, so geht eine hübsche Legende, sich von seinem Turm in den Tod gestürzt. Bei Green gehen die Schwenks die Fassaden hinauf übergangslos weiter in den blauen Himmel, sie lösen jubilierend die Formen auf in der Bewegung. Das Kino ist barock seinem Wesen nach, immer bereit zur Euphorie und zur Anarchie. In der Architektur des Barock finden sich die Windungen, die Walter Benjamin in dessen Theater vermisst. Aus dem berühmtem Trauerspielbuch: »Und vollends fehlt der Zug zum Kleinen, zum Geheimen. So üppig wie vergeblich trachtet man durch Rätselhaftes und Verstecktes es abzulösen. Lust weiß im wahren Kunstwerk sich flüchtig zu machen, im Augenblick zu leben, hinzuschwinden, neuzuwerden. Das barocke Kunstwerk will nichts als dauern und klammert sich mit allen Organen ans Ewige.« 36 office baRoque Tod dem Parkhaus Mehr als zum Barock scheint das zum Brutalismus zu passen, zur Mythologie – und Ideologie – des Bauens mit Beton. Den Perspektivwechsel, zu dem der Barock in seinen kühnen Varianten animiert, Bauten Fischer von Erlachs etwa (»eklatant elektrisierend« nennt sie Wolfgang Welsch, »etlichen Bauten der Postmoderne verwandt«), das Spiel mit Positionen – des Betrachters zum Kirchenraum, des Menschen zu Gott, des Diesseits zum Jenseits – hat mit erfrischender Brutalität Gordon Matta-Clark in seinen Aktionen realisiert, in denen er neue Blickschneisen in kompakte Materie fräste. Architektur in Bewegung gesetzt, die Spannung, in die das Material gebracht wurde, in eine neue Dynamik gelöst. Sein Projekt Office Baroque in Antwerpen war »barock im Sinne eines Borrominischen Gefühls«. Der schlechte Ruf des Betons kommt von der Roheit, der Grobheit, von der Funktionalität, die man damit assoziiert, in der Folge von Le Corbusier, der ihn in Indien erprobte. Beton meint Blockbauten, grobe Klötze, das Material wirkt für die Ewigkeit, aber es bekommt schnell eine gewisse Schäbigkeit. Traurig komisch, das Trauma des Beton: wenn eine Betonschöpfung ihren Schöpfer nicht überlebt. Dem viel geehrten Owen Luder ist das passiert mit seinem Trinity Square Parkhaus in Gateshead, das sich nie so entfalten konnte wie erhofft und schnell Abnutzungsschäden zeigte. Die Bewohner des Viertels wollten es weg haben. Beim Abriss ist Luder selber dabei. Die Kamera fängt seinen traurigen Blick ein, aber dann zückt er doch schnell sein Mobiltelefon und macht eine letzte Aufnahme von seinem Geschöpf. Es wird auf der Leinwand überleben, eine Szene des Kultfilms GET CARTER von Mike Hodges spielt hier, in der Michael Caine brutal-elegant, vom genius loci bewegt, seinen Gegner erledigt. Das Tower House in Tokyo aus den Sechzigern ist ein Produkt der radikalen Stadterweiterung. Riesige Diagonalen wurden durchs Stadtgebiet gepflügt, schmale Parzellen blieben zur Bebauung, manche mit eigentlich unbrauchbaren dreieckigen Grundflächen. Das Tower House von Takamitsu Azuma gewinnt aus strikter Funktionalität seine Transzendenz, außen ist es ein abweisender, sich abschließender Klotz, im Innern spiralig wie die Kirche von Christianshavn. Ein luftiges Gebilde, das ein eigenes Gefühl von Gemeinschaft vermittelt, das kommunikativ ist und komplizenhaft. Ebenfalls von 1966, das Congress Center in Kyoto, von Sachio Otani. Berühmt bis heute durch die Weltklimakonferenz, die dort 1997 stattfand. Ein Bunker der neuen Art, gefilmt von Stefanie Gaus und Volker Sattel in voller Aktion. Konferieren und Kommunizieren, das Labyrinth des Baus macht das zu einem Kräftespiel von Anziehung und Autismus. Tati pur. Das Ewige und das Flüchtige Für einen besseren Ruf des Betons sorgen in der Moderne die Kirchen. Sie reflektieren die Povera-Bewegung des Katholizismus, die heute der Papst Franziskus mit Nachhaltigkeit propagiert. Die Kirchen, die Gottfried Böhm in den Fünfzigern baute, Felsen aus Beton und Glas, sind Orte eines Urerlebnisses, der elementare Gott, mit einer Welt ohne jeden falschen Zierat. Mit den Böhms ist, auf einzigartige Weise, Bauen zum familiären Unternehmen geworden. Der Film könnte auch Sainte-bernadette und Beton‹, das Kühle und das Warme, das spielt auf zentrale Themen des Films an, um die auch die Existenz von Gottfried Böhm zentriert ist.« Von Paul Virilio, dem vehementen Vordenker der modernen Gesellschaft, gibt es, gemeinsam mit Claude Parent, eine Kirche, gebaut 1966, im gleichen Jahr wie das Tower House, die Sainte-Bernadette in Nevers. Sie ist von den Bunkern inspiriert, die Virilio lang und liebevoll studierte, von den Luftschutzkellern aus dem Zweiten Weltkrieg. Und von der Grotte der heiligen Bernadette in Lourdes. Die Kirche als Arche, oder vielleicht gar als ein Walfisch, eine Architektur, die die Menschen schutzbietend verschluckt. Von den Baumeistern Virilio und Parent in die Zukunft projiziert, die geprägt ist vom Kalten Krieg, von der Furcht vor dem endgültigen Atomkrieg und den neuen Schutzräumen, die aus dieser Furcht heraus gebaut werden. Und die obsolet scheinen heute, in der Zeit, da die Kriege nicht von außen drohen, sondern im Innern geführt werden, aus dem Internet heraus. Sébastien Koeppels Kamera porträtiert die Kirche in schwindelerregenden Schwenks und Fahrten in Aglaia Konrads BLOCKHAUS-Film. Die Offenheit der Kirche demonstriert, zur gleichen Zeit wie die Virilios konzipiert, auch die Kirche Zur heiligsten Dreifaltigkeit. Ihr sieht man an, dass kein Architekt am Werk war, sondern ein Bildhauer, Fritz Wotruba. Sie wirkt entschieden in den Raum gestellt, eine Wiesenlandschaft am Rand von Wien. 1964 konzipiert, 1976 fertiggestellt, ein Jahr zuvor, kurz nach Fertigstellung des Rohbaus, ist Wotruba gestorben. Man plante es in Bronze zu schaffen, später war Marmor im Gespräch, preiswerter aus Jugoslawien, ein wenig grauer als der weiße aus Carrara, dann kam man endlich auf Beton. Dass kein Schöpfer den Fertigbau kontrolliert, steigert die Durchsichtigkeit des Baus. »Das Abenteuer, als das Wotruba das Unternehmen dieser Kirche stets empfunden hatte, betraf indessen viel weniger die äußeren Umstände des Auftrages, der Platzierung und der Planung als das Baukunstwerk selber. Es entstand tatsächlich nicht auf dem Reißbrett – auf das es gleichwohl später fast wie auf ein Streckbett gespannt werden musste –, sondern als Gipsmodell, nicht höher als eine Handspanne. Und eigentlich wollte der Bildhauer vom Architekten nur, dass er das Modell mitsamt allen Klecksen, Schlieren und Fingerabdrücken einfach zu einer Kirche vergrößere.« (Manfred Sack) Beton himmelwärts »Repulsive Architektur« hat Virilio seine Bauten genannt, sie treten in Kontrast, in Widerstand gegen die Landschaft, die sie umgibt. Momente der Invasion, die bei aller Plumpheit und Hässlichkeit oft auch ungemein lässig wirken können. Man sieht das schon an den erratischen Betonbauten, manche halb fertig nur, in der italienischen Landschaft, die das Projekt 99 DOM-INO sammelt und katalogisiert. Höchstes Bautenglück bereiten MAILLARTS BRÜCKEN, gefilmt von Heinz Emigholz. Der Künstleringenieur Robert Maillart baute zwischen 1924 und 1935 ein Dutzend Brücken in kleinen Tälern der Schweiz. Er revolutionierte mit der Reduktion des Materials auf die tragenden Teile den Brückenbau und fand zu einer bis dahin unbekannten Formenwelt. Beton, der in seiner Materialität Teil der Natur ist, der schwerelos himmelwärts strebt und zu fliegen scheint. Virilio und Wotruba, Otani und Azuma, die Familie Böhm … In den schönsten Momenten löst das Bauen mit Beton ein lockeres Kreisen in Landschaft und Licht aus, entwickelt ein unerhörtes spielerisches, ein spiritu- architekturfilmtage Die böhmS »Concrete Love« heißen. »Es gibt im Deutschen«, sagt der Regisseur Maurizius Staerkle-Drux, »keine Entsprechung für das englische Wortspiel. Man weiß nicht genau, wie sich ›Concrete‹, also Beton, und ›Love‹ aufeinander beziehen. ›Liebe zum Beton‹ oder nur ›Liebe 37 architekturfilmtage 38 elles Potential. Und das Kino kann erst recht diese Architektur zum Tanzen, zum Jubilieren bringen. Für ein Fest der Weisheit, der Fülle, der Präsenz. Carl Lamb tat das bereits in seinem RAUM IM KREISENDEN LICHT von 1936 – der zweite Schlüsselfilm des Programms, neben LA SAPIENZA –, technisch für seine Zeit hoch ambitioniert und Neuland betretend. Zum ersten Mal zeigt der Film durch Verwendung des Zeitraffers die Wanderung des Sonnenlichts in den Räumen alter Baukunst. Die Wieskirche der Gebrüder Zimmermann (zwar schon Rokoko, aber das tut der Argumentation und Demonstration keinen Abbruch) wird zum Ort von abenteuerlichsten Licht-Spielereien. Geheimnis und Schönheit des Lichts im Raum. Die einfachste und umfassendste Definition von Architektur. »Räume sind nur Leere«, heißt es bei Eugène Green. »Leere, die gefüllt werden muss. Mit Licht. Und mit Menschen.« Fritz Göttler / Klaus Volkmer Ein Programm der Bayerischen Architektenkammer in Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum München. Konzeption: Stephanie Hausmann, Klaus Volkmer 99 Dom-Ino | Italien 2014 | R+B: »Space Caviar« (Joseph Grima, Martina Muzi) | K: Andrea Bosio | 130 min | OmeU | Le Corbusiers Erfindung von 1914, Maison Dom-Ino, ein System zur industriellen Serienproduktion von Wohnhäusern basierend auf Stahlbeton-Skeletten, La Sapienza | Italien 2014 | R+B: Eugène Green | K: Raphael O’Byrne | M: Claudio Monteverdi | D: Fabrizio Rongione, Christelle Prot Landmann, Ludovico Succio, Arianna Nastro | 106 min | OmeU ▶ Freitag, 24. april 2015, 21.00 Uhr | Zu Gast: eugène Green Johann Bernhard Fischer von Erlach – Der Baumeister Salzburgs | Österreich 2006 | R+B: Renate Lachinger | K: Alexander Proschek | 34 min – Office Baroque | Belgien 1977 | R+B: Eric Convents, Roger Steylaerts | K: Eric Convents | M: André Stordeur | 40 min | OmeU – My Summer 77 with Gordon MattaClark | Belgien 2013 | R+B+K: Cherica Convents | M: Nico Staelens | 30 min | engl.OF ▶ Samstag, 25. april 2015, 18.30 Uhr | einführung: andreas Kreul Himmelstigen (Stairway to Heaven) | Dänemark 1995 | R+B: Nils Vest | K: Erik Norsker | M: Anders Koppel | 58 min | OmeU – Balthasar Neumann und die Würzburger Residenz | BRD 1987 | R+B: Dieter Wieland | K: Hermann Reichmann | 20 min – Der Barockschmied Oegg | BRD 1982 | R+B: Dieter Wieland | K: Hermann Reichmann | 14 min – Raum im kreisenden Licht | Deutschland 1936 | R+B: Carl Lamb | K: H. O. Schulze | M: Karl Höller | 14 min – Building | Belgien 2003 | R+B: Anouk De Clercq | Animation: Joris Cool | M: Anton Aeki | 12 min ▶ Samstag, 25. april 2015, 21.00 Uhr | einführung: andreas Kreul ist auch 100 Jahre später noch eine Konstruktionsform, die die Essenz des Modernismus definiert. Auf der Architekturbiennale 2014 in Venedig wurde das Projekt als Installation von 99 Filmen gezeigt; wir präsentieren zum ersten Mal die Kino-Version – 45 Häuser-Porträts, mit Kommentaren der Erbauer und Bewohner. ▶ Donnerstag, 23. april 2015, 19.00 Uhr | Zu Gast: Joseph Grima, Martina Muzi Vielfalt erforschen | Deutschland 2009 | R+B+K: Katrin Leuthe & Rainer Knepperges | 2 min – Béton brut | GB 2014 | R+B+K: Timothy Smith | 5 min – Get Luder | GB 2010 | R+B: Jonathan Carr | K: Evan Goldman | 9 min | OF – Beton | Österreich 2013 | R+B: Gustav W. Trampitsch | K: Gerhard Kaiser | 50 min – Wotruba Wien | Belgien 2009 | R+B: Aglaia Konrad | K: Vincent Pinckaers | 12 min – Blockhaus | Belgien 2009 | R+B: Aglaia Konrad | K: Sébastien Koeppel | 10 min – Maillarts Brücken | Deutschland 2001 | R+B+K: Heinz Emigholz | 24 min ▶ Sonntag, 26. april 2015, 18.30 Uhr | einführung: Two Baroque Churches | USA 1955 | R+B+K: Charles & Ray Eames | 11 min – Wotruba | Österreich 2014 | R+B+K: Thomas Draschan | 6 min – Die Böhms – Architektur einer Familie | Deutschland 2014 | R+B: Maurizius Staerkle-Drux | K: Raphael Beinder | M: Jonas Bühler | 87 min Beyond Metabolism | Deutschland 2014 | R+B: Stefanie Gaus & Volker Sattel | K: Volker Sattel | 42 min | OmU – Tower House | Östereich 2013 | R+B+K: KarlHeinz Klopf | 62 min | OmU ▶ Freitag, 24. april 2015, 18.30 Uhr ▶ Sonntag, 26. april 2015, 21.00 Uhr Matthieu Wellner Kriegsende 1945 Die WiDeRSTänDiGen. zeuGen DeR WeiSSen RoSe: Sophie Scholl Vor 70 Jahren: Kriegsende 1945 39 Eine kleine Filmreihe stellt Filme vor, die die deutsche Vergangenheit aus der Perspektive von Zeitzeugen dokumentieren oder autobiografische Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg aufarbeiten. Dabei wurden vor allem auch Filme ausgewählt, die sich mit der Rolle Münchens beschäftigen und die in der Sammlung des Filmmuseums archiviert sind. Am 30. April und am 6. Mai 2015 ist es möglich, nach Voranmeldung im Filmmuseum Schulvorstellungen zu arrangieren. Bitte melden Sie sich bei Interesse unter filmmuseum@muenchen.de. Deutschland, bleiche Mutter | BRD 1979 | R+B: Helma Sanders-Brahms | K: Jürgen Jürges | M: Jürgen Knieper | D: Eva Mattes, Ernst Jacobi, Elisabeth Stepanek, Angelika Thomas, Rainer Friedrichsen | 151 min (ungekürzte Originalfassung) | Helma Sanders-Brahms erzählt von einer »verlorenen« Generation Frauen, die im Krieg jung verheiratet waren und danach mit ihren kriegstraumatisierten Männern den Wiederaufbau leisten mussten. Und sie erzählt von einer Mutter-KindBeziehung vor dem Hintergrund von Krieg und Zerstörung. »Wenn Helma Sanders von ihren Gefühlen redet, mag ich nicht immer zuhören, aber wenn sie Emotionen in Bilder übersetzt, dann kann ich noch lange zu- schauen. Ich sehe Eva Mattes als Lene: den Backfisch und die Hexe, Kaffeekränzchen-Lene und Landstreicher-Lene, die keusche Braut und die alte Frau mit dem entstellten Gesicht. In keinem anderen Film hat diese phantastische Schauspielerin so viel von sich sehen lassen.« (Hans C. Blumenberg) ▶ Dienstag, 28. april 2015, 19.00 Uhr Journey To Justice | USA 2006 | R+B+K: Steve Palackdharry | M: Terry Herald | Mit Howard Triest, Brent Triest, Margot E. Coville, Ursula Jung | 106 min | OmU | JOURNEy TO JUSTICE erzählt die bewegende Geschichte von Howard Triest, der als Jude in München zur Zeit des Nationalsozialismus verfolgt wird und dem als 16-Jähriger die Flucht nach Amerika gelingt. Als siegreicher US-Soldat kehrt er nach dem Krieg nach Deutschland zurück. Bei den Nürnberger Prozessen ist er Dolmetscher der Gerichtspsychiater. So wird er direkt mit den Tätern konfrontiert, die auch für den Mord an seinen Eltern in Auschwitz verantwortlich sind. 1947 kauft er sich eine Filmkamera und dokumentiert die Zerstörung seiner Heimatstadt München. Als 83-jähriger kehrt er zusammen mit seinem Sohn Brent nach München zurück und sucht die Orte seiner Vergangenheit auf. Der Film verknüpft die alten Aufnahmen mit den Erlebnissen in der Gegenwart. Kriegsende 1945 ▶ Mittwoch, 29. april 2015, 18.30 Uhr 40 Die Widerständigen. Zeugen der Weißen Rose | Deutschland 2008 | R+B: Katrin Seybold | K: Alfred Tichawsky, Gerardo Milsztein, Sorin Dragoi | Mit Traute Lafrenz-Page, Jürgen Wittenstein, Herta SieblerProbst, Franz J. Müller, Elisabeth Hartnagel, Susanne Zeller-Hirzel, Lilo Fürst-Ramdohr, Erich Schmorell, Hans Hirzel | 92 min | »Ein leiser, starker, dem aufmerkenden Zuschauer unvergesslicher Film ist entstanden, in dem auf jede Rekonstruktion, auf jede nachträgliche Besichtigung von sogenannten Schauplätzen verzichtet wurde. Die ohne Fragen ins Bild gesetzten Gesprächsteile der unterschiedlich das damalige Geschehen vergegenwärtigenden Freunde werden nur knapp unterbrochen durch Fotos, die zum großen Teil aus dem Besitz der Zeitgenossen stammen. Es entsteht nie der Eindruck eines Interview-Films. Wir erleben mit Lebensgeschichten gefüllte Bekenntnisse, die von keiner historischen Patina in falsche Glanzstücke verwandelt worden sind.« (Klaus Podak) ▶ Dienstag, 5. Mai 2015, 18.30 Uhr Nein! Zeugen des Widerstandes in München 1933–1945 | D 1998 | R: Katrin Seybold | B: Katrin Seybold, Anne-Barb Hertkorn | K: Thomas Schwan, Gerardo Milsztein | M: Hanning Schröder | Mit Louise Oehl, Engelbert Öggel, Hans Weber, Anni Pröll, Centa Herker-Beimler, Walter Joelsen, Marie-Luise SchultzeJahn, Gertrud Poetzinger, Imma Mack, Anneliese Knoop-Graf | 54 min | »Katrin Seybold gelingt es, in dieser sensiblen Dokumentation der leisen Töne Menschen zum Sprechen zu bringen, deren Heldenhaftigkeit in Vergessen geraten ist, die aber als Beispiel für Zivilcourage gelten sollten. NEIN! ist ein Ausnahmefilm, der in seiner universellen Relevanz über die Grenzen Münchens hinausgeht.« (Margret Köhler) – Ludwig Koch. Der mutige Weg eines politischen Menschen | D 2000 | R: Katrin Seybold | B: Katrin Seybold, AnneBarb Hertkorn | K: Thomas Schwan, Gerardo Milsztein | Mit Hans-Jochen Vogel, Margot Linsert, Hans Taschner, Inge Hügenell | 29 min | »Ein eindrucksvolles Porträt!« (Abendzeitung) ▶ Mittwoch, 6. Mai 2015, 18.30 Uhr Night Will Fall (Hitchcocks Lehrfilm für die Deutschen) | GB 2014 | R: André Singer | B: Lynette Singer | K: Richard Blanshart | M: Nicholas Singer | 76 min | OF | Bei der Befreiung der ersten Konzentrationslager 1945 sind Kameramänner der Alliierten angehalten, die Vorgänge systematisch zu dokumentieren – das Unfassbare festzuhalten. Dabei entstehen bestürzende Bilder, die alles in den Schatten stellen, was man bisher gesehen hat. Namhafte Filmemacher wie Sidney Bernstein, Alfred Hitchcock, Billy Wilder und Stewart McAllister versuchen, die Bilder in einem Film zu verarbeiten. Doch politische Bestrebungen zum Wiederaufbau Deutschlands verhindern die Fertigstellung und die Veröffentlichung der Aufnahmen. »Ein beeindruckender, bewegender, schmerzlicher und oft erschütternder Dokumentarfilm, der originales Archivmaterial mit Statements von Zeitzeugen elegant zusammenfügt. Manchmal hält man es kaum aus, doch der Film ist immer fesselnd und kraftvoll.« (Mark Adams) ▶ Dienstag, 19. Mai 2015, 18.30 Uhr München 1945 | Deutschland 1945 | R+B: Willi Cronauer | K: Bartl Seyr, Kurt Grigoleit | 76 min – Fronleichnam 3. Juni 1945 München | Deutschland 1945 | R+B: Willi Cronauer | K: Bartl Seyr, Kurt Grigoleit | 9 min – Bereits wenige Wochen nach dem Einmarsch der Amerikaner konnte Willi Cronauer das zerstörte München filmen. Die ersten Aufnahmen entstanden während der feierlichen Fronleichnamsprozession mit Kardinal Michael Faulhaber, die vorbei an Trümmerbergen durch die bereits vom Schutt befreiten Straßen der Altstadt führte. Die weiteren Aufnahmen dokumentieren das Ausmaß der Kriegsschäden und Zerstörungen, ausgehend von der Isar durch das Tal zum Marienplatz, und von hier aus sternförmig durch die Innenstadt und die Vororte von München. Das mit 35mm-Kameras aufgenommene Material wurde von Willi Cronauer nie zu einem fertigen Filmen montiert und vertont. Elisabeth Angermair vom Stadtarchiv München wird die Aufnahmen live kommentieren und die Orte identifizieren. ▶ Mittwoch, 20. Mai 2015, 18.30 Uhr Fassbinder / Schroeter / Wenders Fassbinder / Schroeter / Wenders Fassbinder, auftaucht und in ihnen mächtige Affekte von Fremdenhass, Wut und Aggression aufrührt. Milieuenge, Ressentiment, Gefühlskälte, tableauartig stilisierte Szenen: Fassbinders Handschrift ist in jeder thematischen und stilistischen Faser zu erkennen. Uraufgeführt im Oktober 1969 bei der Internationalen Filmwoche Mannheim. 1969, das Jahr des ersten Rampenlichts. Bei diesen Filmtagen 1969 in Mannheim erhält Werner Schroeter für seinen ersten Langfilm, EIKA KATAPPA, den Josefvon-Sternberg-Preis. Auch das ein Werk, das die Originalität seines Machers fulminant und souverän zur Geltung bringt. Schroeters Collagen-Stil, seine Theatralik, das Ineinander von Liebessehnsucht und Todesvision, der bunte Mix aus Oper und Schlager, Gefühlspathos und Parodie/Travestie. Unentwegte Anrufung der »Götterbotin« Maria Callas und Konzentration auf den ekstatischen Augenblick mit seinen Lieblingsdarstellerinnen, Musen und Fetischfiguren Magdalena Montezuma und Carla Aulaulu. Wenders veröffentlicht 1969 in der Monatszeitschrift Filmkritik eine Hymne auf Schroeter. Im Blick auf die ellenlangen Plansequenzen und die Doppelprojektion bei Schroeters ARGILA (1969) zieht er Verbindungs- 41 KaTzelmacheR Aufbruch in München Allem Anfang wohnt ein Zauber inne. Wim Wenders erinnert sich an die erste Begegnung mit Rainer Werner Fassbinder im Bungalow, einer Schwabinger Kneipe, Ende der 1960er-Jahre: »Mensch, Rainer … Ich erinnere mich: vor der Jukebox tanzte ein Mädchen, allein. Minirock, die krausen Haare hochgesteckt. Sie hieß Hanna. Und der Typ mit dem Bierglas in der Hand, der da stundenlang rumstand und ihr zuschaute, das warst Du. Ihr wart eine ganze Clique und machtet irgendwie Theater. Die andere Clique waren wir, die ›Münchner Sensibilisten‹, Studenten an der Filmhochschule … Eines Tages hieß es, der Rainer hätte einen Film gedreht, mit der Hanna. Mit ganz wenig Geld und in ganz kurzer Zeit. KATZELMACHER. Da haben wir Dich dann ganz anders angeschaut.« Hanna ist Hanna Schygulla, die Fassbinders Star werden wird, sein Glamour-Girl. KATZELMACHER (1969) ist nach LIEBE IST KÄLTER ALS DER TOD (1969) Fassbinders zweiter Spielfilm, basierend auf seinem im Kollektiv des antiteater erarbeiteten Theaterstück. Vier junge Paare, die in einer Atmosphäre kleinbürgerlicher Vorstadt-Ödnis und Langeweile einander umkreisen – bis der griechische Gastarbeiter Jorgos, gespielt von Fassbinder / Schroeter / Wenders linien zu Filmen des amerikanischen »Underground«, aber nur, um den Vorrang von Schroeters »Konzentriertheit« keck und selbstbewusst herauszustellen: »In Filmen von Warhol haben faszinierende Sachen zwar lange gedauert, aber sie waren überhaupt nicht konzentriert. Die Filme von Werner Schroeter sind unglaublich konzentriert.« Seine Art der Konzentriertheit, anfangs geschult an Popmusik-Popart-Vorbildern, demonstriert Wenders 1969 mit dem 21-minütigen ALABAMA: 2000 LIGHT yEARS. Ein Mann eingehüllt in einen weiten Mantel, eine Pistole, die Mini-Andeutung einer Story, lange Einstellungen als Sog und Faszination, Autofahrten vor allem. »Noch nie hat jemand München und die Straßen am Rande Münchens so gefilmt, das heißt so gesehen, erfüllt mit dieser Weite« (Helmut Färber). ALABAMA: 2000 LIGHT yEARS wird zum exemplarischen Film der »Münchner Sensibilisten«, die als Gegenpol der »Berliner Politfilmer« gesehen werden. In der ersten InnenSzene des Films, bei der die Kamera schwebend ein Kneipenambiente durchquert, sieht man einen hochgewachsenen, schlaksigen jungen Mann mit Sonnenbrille an der Jukebox stehen: Werner Schroeter. 1969, das Jahr, in dem drei deutsche Filmemacher Jahrgang 1945 definitiv erkennbar werden in ihrer Originalität und künstlerischen Eigenart: Rainer Werner Fassbinder († 1982), Werner Schroeter († 2010), Wim Wenders. Drei Galionsfiguren des Neuen Deutschen Films, der in den Jahren zwischen 1966 und Fassbinders Tod 1982 seine staunenswerte, ruhmreiche Aufbruchszeit hat. Diese Jahre zwischen 1966 und 1982 alabama: 2000 liGhT yeaRS 42 bilden auch den zeitlichen Rahmen unserer Hommage an Fassbinder / Schroeter / Wenders anlässlich ihrer 70. Geburtstage. Thematisch gruppiert soll in der Filmauswahl aus den drei Œuvres etwas vom Geist des Aufbruchs spürbar werden, von den Suchbewegungen im Umkreis von Pop-Art, Avantgardekino, Underground, von der Anmaßung und Notwendigkeit, das Filmemachen in der BRD mit der Entschiedenheit des Autorenkinos neu zu erfinden. Welche Sehnsuchtsorte werden aufgesucht? Wie reflektieren die drei Filmemacher deutsche Geschichte und gesellschaftliche Befindlichkeiten? Autorenkino. Das europäische Autorenkino offenbart sich nach 1945 in drei epochemachenden »Neuen Wellen«, in drei künstlerischen Aufbrüchen, die Reflex gesellschaftlicher Umbrüche sind. Junge Filmemacher wollen ihrer Generation Sprache und Ausdruck verleihen. Dreifacher Eklat einer Vielfalt von Talenten, die der Nachkriegszeit den Puls fühlen. Unmittelbar nach 1945 der Italienische Neorealismus, der für einige Jahre den Ruhm des italienischen Kinos ausmacht: Befreiung der Bilder von Pathos und Propaganda: Rossellini, Visconti, Antonioni, Fellini. Zehn Jahre später bereiten sich in Frankreich junge Filmkritiker, gruppiert um die Redaktion der cahiers du cinéma, aufs Filmemachen vor: Godard, Truffaut, Rivette, Rohmer, Chabrol. Der Erfolg von Truffauts LES 400 COUPS in Cannes 1959 wird zum Fanal der Nouvelle Vague. Wieder zehn Jahre später der Aufbruch des Neuen Deutschen Films, der sich in seiner cinephilen Geste nos und die theaterhaften Fernsehspiele nicht wollte.« Ein prägendes Vorbild bei der Attacke auf das Erzählkino ist der aus dem Umkreis der nouvelle vague stammende Jean-Marie Straub, der damals in München lebt und arbeitet. In seinem DER BRÄUTIGAM, DIE KOMÖDIANTIN, DER ZUHÄLTER sind Fassbinder und weitere Darsteller des antiteater-Kollektivs zu sehen. Eine Passage aus der langen Autofahrt des Films baut Fassbinder als Straub-Reminiszenz in LIEBE IST KÄLTER ALS DER TOD ein. Deutsche Geschichte. Deutlicher und direkter als Schroeter und Wenders wendet sich Fassbinder den Themen der deutschen Geschichte und Befindlichkeit zu. Von der Xenophobie-Studie in KATZELMACHER bis zur pessimistischen Sicht auf die Nachkriegsgeschichte in der sogenannten BRD-Trilogie, deren Auftakt DIE EHE DER MARIA BRAUN (1978) zum großen Erfolg wird. In Fassbinders Beitrag zu DEUTSCHLAND IM HERBST (1977) ist aufschlussreich, wie er, aufgewühlt vom Tod der RAF-Terroristen Meinhof, Baader und Raspe in Fassbinder / Schroeter / Wenders das Bild emphatisch gegen die Story verteidigt, denn die Story verhält sich zum Bild wie ein Vampir, der ihm das Leben aussaugt. Alle filmischen Avantgardebewegungen finden ihre zentrale ästhetische Stoßrichtung im Kampf gegen die konventionellen psychologischen oder spektakulär-dramatischen Erzählmuster. Nur so kann das Kino, das sich von ästhetischen und ideologischen Altlasten befreien will, neu erfunden werden. Schon im Surrealismus der 1920er-Jahre zeigt sich das, wenn Buñuel nach einer Traumlogik der Bilderassoziationen sucht. Wenders wird sich später dem Geschichtenerzählen annähern. Ein Entwicklungsgang, den auch Schroeter und Fassbinder auf ihre Weise absolvieren. Aber zuerst gilt die Kampfansage gegen das Erzählkino. Schroeter: »Mir war immer klar, dass ich den Schrott des Erzählki- DeR bombeRpiloT vielfältig auf die Nouvelle Vague bezieht, auf deren Maxime, dass das Kino der Zukunft so persönlich sein müsse wie ein Tagebuch oder Bekenntnis. Zuerst treten die etwas älteren Filmemacher auf den Plan: Herzog, Schlöndorff, Kluge, Reitz, dann die jüngeren: Thome, Lemke, Wenders, Schroeter und Fassbinder, der mit seiner fiebrig vorangetriebenen Produktivität rasch auch international zum Aushängeschild des New German Cinema wird. Antrieb erfährt der Aufbruch von den gesellschaftlichen Turbulenzen jener Jahre, den Protesten gegen den Vietnamkrieg, der weltweiten Revolte der Jugend, dem Mai 1968. Hinzu kommt, dass das Kino in den 1960er Jahren seine Vorrangstellung verliert. Der Siegeszug des Fernsehens führt in eine Situation, die das BRD-Kino Ende der 1960er Jahre zur Dümpelei zwischen Softsex und Klamotte macht. Dass München zu einem wichtigen Ausgangsort des Neuen Deutschen Films wird, hat damit zu tun, dass hier im Juli 1966 die erste Filmhochschule eröffnet wird, die Hochschule für Fernsehen und Film (HFF). Für den ersten Studentenjahrgang bewerben sich über tausend Kandidaten, darunter Wenders und Schroeter. Beide werden aufgenommen, doch Schroeter bricht das »pseudotheoretische Filmstudium in München« rasch ab. Er bewirbt sich dann an der im September 1966 eröffneten Deutschen Film- und Fernsehakademie (DFFB) in Berlin. Dort bewerben sich zugleich auch Rainer Werner Fassbinder und Rosa von Praunheim, mit dem Schroeter damals zusammenlebt. »Aber wir drei wurden abgelehnt«, notiert Schroeter in seiner Autobiographie, »wenn wir später dort Seminare hielten, war diese Ablehnung immer wieder einen Witz wert«. Als Mitbegründer der antiteater-Kommune nimmt Fassbinder den Umweg übers Theater zum Filmemachen. Wenders zieht das dreijährige Studium an der HFF durch, aber wichtiger als das offizielle Lehrprogramm sind ihm die gegenseitige Inspiration unter den Studenten, die Freundschaft mit dem Schriftsteller Peter Handke, das Flipperspiel im Bungalow. Die Kurzfilme, die Wenders während der HFF-Zeit dreht, sind keine Übungsfilme, sondern fertige, souveräne Gestaltungen: SAME PLAyER SHOOTS AGAIN, SILVER CITy, ALABAMA: 2000 LIGHT yEARS. 3 AMERIKANISCHE LP’S produziert er zusammen mit Peter Handke für den Hessischen Rundfunk. Nieder mit dem Erzählkino! Wenders schreibt auch Filmkritiken und Essays, nicht nur die Eloge auf Schroeter, auch einen Verriss zu KATZELMACHER: »Das Grauenvolle an diesem Film ist, dass er bis ins kleinste Detail lustlos ist!« Wenders forciert eine Ästhetik, die 43 Storyboards von hammeTT, wie sie in der aRbeiTSKopie hammeTT verwendet werden Fassbinder / Schroeter / Wenders 44 Stammheim, die Diskussion darüber mit seiner Mutter zum inquisitorischen Verhör macht. Er will ihr antidemokratische Ressentiments entlocken, die auf eine aus der Nazizeit fortwirkende autoritäre Fügsamkeit schließen lassen. In DIE DRITTE GENERATION (1979) zeigt Fassbinder Terroristen als bourgeoise Clowns und Marionetten des Systems, das den Terror als Vorwand benötigt, um seine Machtmittel der Überwachung und Kontrolle zu modernisieren und aufzurüsten. Vergleichsweise sanft rechnet Wenders in FALSCHE BEWEGUNG (1975) und IM LAUF DER ZEIT (1976) mit Vaterfiguren ab. Schroeters BOMBERPILOT (1970) ist thematisch nicht weit entfernt von DIE EHE DER MARIA BRAUN. Drei Frauen in der Zeit des Übergangs vom Nationalsozialismus zur Eisenhower-Ära. Schroeter interessiert »die Zerreißprobe zwischen ›Kraft durch Freude‹ und Nachkrieg mit amerikanischem Kultur- und Karriereverständnis«. Sehnsuchtsorte / Utopien. Schroeters Sehnsuchtsort liegt in Italien. Bis ins Klischeehafte zelebriert er das in seinem bei der Berlinale 1980 prämierten PALERMO ODER WOLFSBURG. Da werden in Palermo fortwährend Gedichte rezitiert und Opernarien gesungen. In Wolfsburg ist alles Grau-in-Grau. Vom jungen Mann, der nach Wolfsburg kommt, sagt die italienische Gastwirtin: »Er brachte das Leben meiner Heimat mit sich und ich wollte nicht, dass er zerstört wird hier, wo es kein Licht gibt, keine Sonne, keine Lieder, keine Gespräche, wo alles nützlich zu sein hat!« Schroeter: »Damals glaubte ich an die Utopie, dass Italien wegen seiner Menschen, seiner Lebensqualität und seinem Sinn für die Freiheit ein Modell für ganz Europa sein könne. Diese Hoffnung ist längst verloren.« Desillusionierung und Ernüchterung gibt es auch für Wenders bei der Begegnung mit seinem Sehnsuchtsort Amerika. Zuerst die Erfahrung der Heimkunft: »Zum ersten Mal in Amerika kam ich eines Morgens, in aller Herrgottsfrühe mit einem Autobus vom Flughafen Kennedy nach Manhattan. Ich war zuhause. Anders kann ich nicht benennen, was ich empfunden habe an jenem Tag, an dem ich von früh bis spät durch die Straßen lief.« Dann die Erfahrungen, die den »amerikanischen Traum« zerplatzen lassen. Zur Sisyphusarbeit wird 1978 bis 1982 sein HAMMETT-Projekt in Hollywood unter der Ägide Francis Ford Coppolas. Schon die Arbeit am Drehbuch ist ein schier endloses Hin-und-Her: »Ich bin sehr weit gegangen in dem Versuch, den Film, den ich machen wollte, vorher bereits zu schreiben. Aber dieser Film ist in den Kopf von Coppola nicht reingegangen. Er war ihm zu sehr Autorenfilm: über einen Autor und von einem Autor. Er wollte mehr Action drin haben.« Auch die Dreharbeiten werden immer wieder unterbrochen und neu angesetzt. Schauspieler werden ausgetauscht, Rollen gestrichen, neue Figuren eingebaut. Von ersten, später verworfenen Drehfassungen gibt es leider kein Originalmaterial mehr, aber Videoaufzeichnungen vom Schneidetisch. Sie vermitteln, trotz kar- Die von Stefan Drößler und Rainer Gansera konzipierte Filmreihe findet statt in Zusammenarbeit mit und mit Unterstützung der Münchner Volkshochschule (Klaus Blanc). Die Anfänge Fassbinder, Schroeter, Wenders: Die Anfänge | Vortrag von Rainer Gansera mit Filmbeispielen | 30 min – Das kleine Chaos | BRD 1967 | R+B: Rainer Werner Fassbinder | K: Michael Fengler | D: Christoph Roser, Marite Greiselis, Rainer Werner Fassbinder, Greta Rehfeld, Liselotte Eder | 12 min – Alabama: 2000 Light Years | BRD 1969 | R+B: Wim Wenders | K: Robby Fassbinder / Schroeter / Wenders ger Bildqualität, eine Ahnung davon, wie HAMMETT als ein Wenders-Autorenfilm hätte aussehen können. Fassbinder kennt keinen bestimmten Sehnsuchtsort. In frühen Interviews spricht er davon, mit seinen Filmen »ein Haus bauen« zu wollen. Im Essay zu seiner »Berlin Alexanderplatz«-Adaption mit dem schönen Titel »Die Städte des Menschen und seine Seele«, beschreibt er das »Leben in der Großstadt« als ein »ganz besonderes Wachsein«. Aber in seinen Filmen ist jede Stadt ein Ort, an dem es – wie es Franz Biberkopf in BERLIN ALEXANDERPLATZ widerfährt – nicht gelingt, zu lieben, anständig zu sein, ein Zuhause zu finden. Die Utopie, einen »wahren Liebenden« zu finden, zerschlägt sich in jeder Stadt, an jedem Ort. Überraschungen. Das Bild vom dem, was wir »typisch« für einen Filmemacher nennen, verfertigt sich rasch zu einem geschlossenen Ganzen. Aber da gibt es Brüche, Ausnahmen, Überraschungen. Zwei Beispiele. In den zahlreichen Filmen, die Schroeter 1968 dreht, ist erkennbar, wie er auf seinen theatralischen und ekstatischen Collagen-Stil zusteuert, den er dann in EIKA KATAPPA groß ausfaltet. Aber er dreht 1968 auch den Film AGGRESSION, der nicht in den Collagen-Stil passt, der sich als erstaunlich realistisches, wunderbar hingebungsvoll gezeichnetes Frauenporträt entpuppt. Wenders gesteht gern, dass er in seinen ersten Filmen mit den Frauenfiguren Probleme gehabt habe. Zum Beispiel sei ihm Hanna Schygullas Figur in FALSCHE BEWEGUNG viel zu blass geraten. Dem soll nicht widersprochen werden, doch es gibt eine verblüffende Ausnahme. In DIE ANGST DES TORMANNS BEIM ELFMETER (1972), der Adaption von Peter Handkes gleichnamigem Roman, gelingt Wenders die Zeichnung der Frauenfiguren faszinierend facettenreich. Nicht nur das. Rhythmus der Bilder, Schilderung der Orte und Räume, Zeichnung der Atmosphären, Diktion der Dialoge – all das fügt sich zu einem vollkommenen Ganzen. Es scheint, als hätte Wenders hier seine ideale Balance von Bildermachen und Geschichtenerzählen gefunden. Ende einer Epoche. 1982, mit Fassbinders Tod, endet die Blütezeit des Neuen Deutschen Films. Das Autorenkino wird vom Produzentenkino verdrängt. Passend zur Kohl-Ära und ihrer radikalen Ökonomisierung aller Bereiche. Das Wort »Autorenfilm«, bis dahin ein Ehrentitel, wird zum Schimpfwort. Schon seit 1977 agitieren die Produzenten kampagnenartig gegen die Autoren und setzen sich mit ihren Bestsellerverfilmungen und Genre-Wiederbelebungsversuchen durch. 1982 ist Fassbinder mit der Endfertigung von QUERELLE beschäftigt, der Verfilmung des Romans »Querelle de Brest« von Jean Genet. Ein Projekt, das zuerst Schroeter realisieren sollte. Bei den Filmfestspielen von Cannes 1982 sehen sich Wenders und Fassbinder zum letzten Mal. Wenders erstellt dort seinen Film CHAMBRE 666: »Ich hatte eine Reihe von Regisseuren gebeten, in ein Zimmer des Hotels zu kommen, wo wir eine Kamera und eine Nagra aufgebaut hatten, damit sie dort, allein mit den Geräten, etwas über die Zukunft des Kinos sagen sollten«. Antonioni, Spielberg, Herzog und viele andere machen mit. Auch Fassbinder. Er gibt ein kurzes Statement ab, bei dem der müde, resignierte Ton des Vortrags der hoffnungsfrohen Botschaft widerspricht: Die Zukunft gehöre dem individuellen Kino einzelner Autoren. Dieses Kino sei »heute schon wichtiger als das Sensationskino«. Rainer Gansera 45 Müller, Wim Wenders | D: Paul Lys, Peter Kaiser, Werner Schroeter, Christian Thierfelder, Christian Friedel | 21 min – Aggression | BRD 1968 | R+B+K: Werner Schroeter | D: Heidi Lorenzo, Knut Koch | 22 min – Hollywoodkino, Gangsterfilme, Schwarzweißaufnahmen, Alltag und Gewalt. Frühwerke dreier unterschiedlicher Filmemacher, die ihren Traum vom Kino in Kurzfilmexprimenten umzusetzen suchen. Fassbinder spielt in seinem Film selber mit und hantiert mit einem Revolver, Schroeter steht im ersten 35mm-Film von Wenders an der Musicbox und stellt mit AGGRESSION ein 16mm-Remake seiner 8mm-Studie FACES her. Fassbinder / Schroeter / Wenders ▶ Freitag, 1. Mai 2015, 18.30 Uhr 46 Katzelmacher | BRD 1969 | R+B: Rainer Werner Fassbinder, nach seinem Theaterstück | K: Dietrich Lohmann | M: Peer Raben | D: Rainer Werner Fassbinder, Hanna Schygulla, Rudolf Waldemar Brem, Lilith Ungerer, Elga Sorbas, Irm Hermann, Harry Baer | 88 min | »Form und Inhalt sind hier praktisch nicht auseinanderzudividieren. Wie Schlafwandler gehen die Figuren durch ihre Begegnungen; genau das ist natürlich der Eindruck, den Fassbinder suggerieren will. Diese Suggestion wirkt im Verein mit Fassbinders statischen Totalen und seinen bewusst unästhetischen Gruppierungen der Figuren einer Identifikation entgegen und zwingt zugleich den Zuschauer, seine Haltung zu den Darstellern und ihren Rollen zu überdenken. Die wohlfeile Versuchung, in KATZELMACHER einen Mikrokosmos der kleinbürgerlichen deutschen Gesellschaft zu sehen, wird so abgelöst von der Erkenntnis, dass die Lektionen dieses Films universelle Gültigkeit haben.« (David Wilson) ▶ Freitag, 1. Mai 2015, 21.00 Uhr | einführung: Rainer Gansera Der Stadtstreicher | BRD 1966 | R+B: Rainer Werner Fassbinder | K: Josef Jung | D: Christoph Roser, Susanne Schimkus, Michael Fengler, Thomas Fengler | 10 min – Der Bräutigam, die Komödiantin und der Zuhälter | BRD 1968 | R: Jean-Marie Straub | B: JeanMarie Straub, Danièle Huillet, nach dem Stück »Krankheit der Jugend« von Ferdinand Bruckner | K: Niklaus Schilling, Hubertus Hagen | D: James Powell, Lilith Ungerer, Rainer Werner Fassbinder, Peer Raben, Irm Hermann | 20 min – Same Player Shoots Again | BRD 1968 | R+B+K: Wim Wenders | D: Hanns Zischler | 12 min – 3 amerikanische LP’s | BRD 1969 | R+K: Wim Wenders | B: Peter Handke | 13 min – Himmel hoch | BRD 1968 | R+B+K: Werner Schroeter | D: Steven Adamczewski, Rita Bauer, Joachim Bauer | 10 min – Momentaufnahmen aus München Ende der 1960er Jahre, in denen sich die Vorlieben und Stile von Fassbinder, Wenders und Schroeter ausprägen. Die Filme von Jean-Marie Straub und Danièle Huillet waren wichtige Bezugspunkte. ▶ Samstag, 2. Mai 2015, 18.30 Uhr | einführung: Rainer Gansera Eika Katappa | BRD 1969 | R+B: Werner Schroeter | K: Werner Schroeter, Robert van Ackeren | D: Gisela Trowe, Carla Aulaulu, Magdalena Montezuma, Knut Koch, Rosy-Rosy, René Schönberger | 144 min | Werner Schroeters erster abendfüllender Film war sein internationaler künstlerischer Durchbruch: »Eine Sammlung assoziativer Bilder und Töne aus meiner Lebenswelt, ein freies Kompendium, denn ein dramaturgisches Konzept entstand erst im Schnitt.« (Schroeter). »144 Minuten lang die Wirklichkeit des Kitsches der westlichen Kultur. Tosca, Monroe und Golgatha, Siegfried, Callas und Tango sind hier die Einheit, die scheinbar hoch entwickeltes Kulturbewusstsein säuberlich zu trennen beflissen ist. Mit opulent ausgehaltenen und wiederholten melodramatischen Bildern wird der Punkt festgemacht, an dem wir zwischen Kunst und Kitsch keineswegs unterscheiden, sondern ihre Üppigkeit als Seelenoper genießen.« (Peter W. Jansen) ▶ Samstag, 2. Mai 2015, 21.00 Uhr | einführung: Rainer Gansera Werner Schroeters Anfänge im Underground | Vortrag von Stefan Drößler mit Filmbeispielen | 30 min – Magdalena | BRD 1968 | R+K: Werner Schroeter | D: Magdalena Montezuma | 2 min – Home Movie | BRD 1968 | R: Werner Schroeter | D: Werner Schroeter, Daniel Schmid, Elfi Mikesch, Carla Aulaulu | 4 min – Maria Callas singt 1957 Rezitativ und Arie der Elvira aus Ernani 1844 von Giuseppe Verdi | BRD 1968 | R+B+K+D: Werner Schroeter | 11 min – Argila | BRD 1969 | R+B+K: Werner Schroeter | D: Gisela Trowe, Magdalena Montezuma, Carla Aulaulu, Sigurd Salto | 33 min – An der Hochschule für Fernsehen und Film hielt er es nicht lange aus, weil er sofort praktisch arbeiten wollte: Werner Schroeter drehte 1968 mehr als ein Dutzend 8mm-Filme, bevor er seine ersten 16mm-Filme in Filmclubs und Undergroundkinos öffentlich zeigte. Sein Werdegang im Kontext des »anderen Kinos« Ende der 1960er Jahre in der BRD. ▶ Sonntag, 3. Mai 2015, 18.30 Uhr ▶ Sonntag, 3. Mai 2015, 21.00 Uhr | einführung: Rainer Gansera Deutschland Die Ehe der Maria Braun | BRD 1978 | R: Rainer Werner Fassbinder | B: Peter Märthesheimer, Pea Fröhlich | K: Michael Ballhaus | M: Peer Raben | D: Hanna Schygulla, Klaus Löwitsch, Ivan Desny, Gottfried John, Gisela Uhlen, Rainer Werner Fassbinder | 120 min | »Eine große Chronik der Ära Adenauer. Zum ersten Mal scheint es dem Regisseur gelungen zu sein, die Erfahrungen aller vorausgegangenen Arbeiten zu vereinen; das Ergebnis ist reicher an Motiven und Stimmungen als die meisten anderen Filme Fassbinders, dabei weniger obsessiv und monomanisch inszeniert. DIE EHE DER MARIA BRAUN ist ebenso populär wie kritisch, ebenso unterhaltsam wie politisch. Und der Film zeigt, wie weit Fassbinder als Chronist von Gefühlen ins In- nere Deutschland vorzudringen vermag. Fassbinders Geschichtsschreibung verläuft kontrapunktisch zu den offiziellen Annalen der Bundesrepublik.« (Hans Günther Pflaum) ▶ Freitag, 22. Mai 2015, 18.30 Uhr | einführung: Rainer Gansera Polizeifilm | BRD 1969 | R+K: Wim Wenders | B: Albert Gröschel, Wim Wenders | D: Jimmy Vogler, Kasimir Esser, Peter Frötschl | 11 min | Ein ironischer Instruktionsfilm der Polizei für den Umgang mit demonstrierenden Studenten. – Der Bomberpilot | BRD 1970 | R+B+K: Werner Schroeter | D: Carla Aulaulu, Mascha Rabben, Magdalena Montezuma, Werner Schroeter, Daniel Schmid | 65 min | »Magdalena stellte eine Kirchenrestauratorin, Reichsvolkshochschullehrerin und Schlangentänzerin dar, Carla Aulaulu eine Sängerin und Bäckerin, Mascha Rabben eine Varieté-Tanzerin. Mascha kränkelt mit einem Nervenzusammenbruch, Carla erleidet eine Fehlgeburt, Magdalena bringt sich nach dem Tod des Führers beinahe ums Leben. Die drei tingeln und machen Karriere bis nach Amerika, alles ziemlich bizarr. Wir hatten ja kein Geld und nahmen uns frech, was wir brauchten. Wir trieben es mit den komischen Kontrasten zwischen Bild und Sprache ziemlich weit.« (Schroeter) ▶ Freitag, 22. Mai 2015, 21.00 Uhr | einführung: Stefan Drößler Falsche Bewegung | BRD 1975 | R: Wim Wenders | B: Peter Handke, frei nach dem Roman »Wilhelm Meisters Lehrjahre« von Johann Wolfgang Goethe | K: Robby Müller | M: Jürgen Knieper | D: Rüdiger Vogler, Hanna Schygulla, Hans Christian Blech, Nastassja Kinski, Peter Kern, Ivan Desny | 103 min | Handkes Version von Goethes Geschichte: Wilhelm reist durch Deutschland, um die Welt zu begreifen. Unterwegs begegnet er verschiedenen Menschen, die ihn zeitweise begleiten. Fassbinder / Schroeter / Wenders Die Angst des Tormanns beim Elfmeter | BRD 1972 | R+B: Wim Wenders, nach dem Roman von Peter Handke | K: Robby Müller | M: Jürgen Knieper | D: Arthur Brauss, Kai Fischer, Erika Pluhar, Libgart Schwarz, Marie Bardischewski | 101 min | »Am Buch hat mich eigentlich weniger ›Handke‹ interessiert als die Geschichte und die Art, wie etwas beschrieben wird. Wie da eins auf das andere folgt, ein Satz auf den anderen. Diese Genauigkeit ist genau das, was mir Lust gemacht hat, den Film auf eine ähnliche Art zu machen, nämlich in Bildern, die auf eine ähnliche Art aufeinanderfolgen wie die Sätze von Handke, also Bilder, die auch stimmen und genauso präzise sein müssen. Deshalb ist der Film auch recht aufwändig, weil nur mit Aufwand auch so eine Präzision herzustellen ist, nämlich in dem Sinne, dass die Bilder, die wir machen, auch erinnern können an ganz bestimmte Einstellungen, wie wir sie z.B. aus amerikanischen Filmen gewöhnt sind oder kennen.« (Wenders) 47 »Hanna Schygulla kannte ich schon, bevor sie ihren ersten Film machte. Ich besuchte oft die gleiche Kneipe wie Fassbinder, den Bungalow, wo sie vor der Musikbox tanzte. Dort hat auch er sie kennengelernt. Als wir FALSCHE BEWEGUNG drehten, hatte sie schon ein Dutzend Filme mit ihm gemacht. Sie war in den Filmen von Fassbinder sehr lebhaft, in meinem sichtlich weniger, und ich habe das als eine Art Niederlage meinerseits erlebt.« (Wenders) Fassbinder / Schroeter / Wenders ▶ Samstag, 23. Mai 2015, 18.30 Uhr | einführung: Rainer Gansera 48 Episode aus Deutschland im Herbst | BRD 1978 | R+B: Rainer Werner Fassbinder | K: Michael Ballhaus | D: Rainer Werner Fassbinder, Liselotte Eder, Armin Meier | 26 min | Ein schonungsloses Selbstporträt angesichts der Ereignisse von Mogadischu, der Ermordung Schleyers und der RAF-Selbstmorde in Stammheim, in das Fassbinder auch seinen Lover und seine Mutter miteinbezieht. – Die dritte Generation | BRD 1979 | R+B+K: Rainer Werner Fassbinder | M: Peer Raben | D: Volker Spengler, Bulle Ogier, Hanna Schygulla, Harry Baer, Eddie Constantine, Vitus Zeplichal | 110 min | Eine wilde Farce über den Terrorismus. »Beißend und verlachend, mit Gefühlen und Spannung, Polemik und Karikatur, Brutalität und Dummheit, in einer Atmosphäre wie im Traum, wie im Märchen. Wie die Märchen, die man Kindern erzählt, damit sie ihr Leben als lebendig Begrabene besser ertragen.« (Fassbinder) ▶ Samstag, 23. Mai 2015, 21.00 Uhr | einführung: Rainer Gansera Im Lauf der Zeit | BRD 1976 | R+B: Wim Wenders | K: Robby Müller, Martin Schäfer | M: Improved Sound Ltd. | D: Rüdiger Vogler, Hanns Zischler, Lisa Kreuzer, Marquard Bohm, Rudolf Schündler | 175 min | Zwei Männer fahren in einem LKW entlang der deutsch-deutschen Grenze. Der eine zieht durch die Lande und re- pariert Kinoprojektoren, der andere hat sich gerade von seiner Frau getrennt. Es geht um das Problem, miteinander zu kommunizieren, und um die Amerikanisierung des Lebens. »Bei der Motivsuche zu FALSCHE BEWEGUNG bin ich dauernd auf Motive gestoßen, die ich gar nicht gebrauchen konnte, weil so ein Ort in der Geschichte nicht vorkam. Ich habe schließlich so viel anderes in Deutschland gefunden, was mir gefallen hat, dass ich mir gewünscht habe, ich hätte keine feste Geschichte. Da habe ich beschlossen, als nächstes einen Reisefilm zu machen, in den ich ganz nach Belieben das reinnehmen kann, was mir unterwegs gefällt.« (Wenders) ▶ Sonntag, 24. Mai 2015, 19.00 Uhr | einführung: Rai- ner Gansera Palermo oder Wolfsburg | BRD 1980 | R: Werner Schroeter | B: Werner Schroeter, Giuseppe Fava | K: Thomas Mauch | D: Nicola Zarbo, Calogero Arancio, Magdalena Montezuma, Brigitte Tilg, Antonio Orlando | 180 min | Die Geschichte eines jungen Sizilianers, der in Wolfsburg Arbeit sucht, zwei Menschen tötet und erst vor Gericht durch das Eingeständnis seiner Tat seine Identität wiederfindet. Erzählt in drei vordergründig disparaten Strängen: Im ersten wird des Protagonisten Heimat und kultureller Hintergrund skizziert, im zweiten dessen Ankunft und Erfahrungen in der Volkswagen-Stadt Wolfsburg in düsteren, bedrängenden Bildern gezeichnet, der dritte mündet schließlich in eine furiose Gerichtsszene mit surrealen Anklängen. Es wird eine bewusst subjektive, emotionale und romantisierende Sicht auf die bundesrepublikanische Aufbauphase gezeigt, in der Leben nur noch verwaltet und bürokratisiert wird. ▶ Montag, 25. Mai 2015, 19.00 Uhr | einführung: Stefan Drößler In die Welt hinaus Warnung vor einer heiligen Nutte | BRD 1971 | R+B: Rainer Werner Fassbinder | K: Michael Ballhaus | M: Peer Raben | D: Lou Castel, Eddie Constantine, Hanna Schygulla, Rainer Werner Fassbinder, Margarethe von Trotta, Magdalena Montezuma, Werner Schroeter | 103 min | In einem Hotel am Meer in Spanien wartet ein Filmteam auf den Beginn der Dreharbeiten. »Ein paar Mal tanze ich mit Magdalena eng umschlungen und tröstend. Sie spielte Irm, die abgewiesene Liebhaberin des Regisseurs, die ihm verzweifelte dramatische Szenen macht. Magdalena und ich amüsierten ▶ Freitag, 29. Mai 2015, 18.30 Uhr | einführung: Rainer Gansera Querelle – Ein Pakt mit dem Teufel | BRD 1982 | R: Rainer Werner Fassbinder | B: Rainer Werner Fassbinder, Burkhard Driest, nach dem Roman von Jean Genet | K: Xaver Schwarzenberger | M: Peer Raben | D: Brad Davis, Franco Nero, Jeanne Moreau, Laurent Malet, Hanno Pöschl | 108 min | engl. OF | Werner Schroeter war noch mit dem Casting und der Suche für Drehorte für die Verfilmung von Genets »Querelle« beschäftigt, als die Produzenten ihn durch Rainer Werner Fassbinder ersetzten, dessen Namen die Finanzierung des Films erleichterte. »Ich kann mir die Welt des Jean Genet nicht an Originalschauplätzen vorstellen, da jedwede Handlung, die in dieser Welt geschieht, jede Geste, jeder Blick, immer anderes bedeutet, immer wesentlich mehr und immer Größeres, meist Heiliges. Ich habe mich daher entschieden, dass der Film in einer Art surrealistischer Landschaft gedreht wird, die sich aus spezifischen Teilen und Signalen aller angesprochenen Motive zusammensetzt.« (Fassbinder) ▶ Freitag, 29. Mai 2015, 21.00 Uhr | einführung: Rainer Gansera Reverse Angle: NYC March ’82 (Ein Brief aus New York) | USA 1982 | R+B: Wim Wenders | K: Lisa Rinsler | D: Francis Ford Coppola, Wim Wenders, Louis Malle, Isabelle Weingarten, Tony Richardson | 17 min | OF | Ein Tagebuchfilm über die Probleme bei der Herstellung von HAMMETT. – Hammett | USA 1982 | R: Wim Wenders | B: Ross Thomas, Dennis O' Flaherty, nach dem Roman von Joe Gores, | K: Philip Lathrop, Joseph Biroc | M: John Barry | D: Frederic Forrest, Peter Boyle, Marilu Henner, Roy Kinnear, Elisha Cook jr., Lydia Lei, Michael Chow | 94 min | OF – Arbeitskopie Hammett | USA 1980 | R: Wim Wenders | B: Dennis O’Flaherty, nach dem Roman von Joe Gores | K: Joseph Biroc | M: Ry Cooder | D: Frederic Forrest, Brian Keith, Marilu Henner, Ronee Blakley, Sylvia Sidney, Roy Kinnear, Samuel Fuller | 136 min | OF – Die Produktion von HAMMETT dauerte mehrere Jahre, weil Produzent Francis Ford Coppola die ursprüngliche Arbeitsfassung verwarf und der Film fast vollständig ein zweites Mal abgedreht werden musste. Erhalten hat sich von der ursprünglichen Fassung nur ein vom Schneidetisch abgefilmtes Amateurvideo mit sehr bescheidener Bildqualität, das das Filmmuseum München – so gut es geht – restauriert hat. ▶ Samstag, 30. Mai 2015, 18.30 Uhr | einführung: Rainer Gansera, Stefan Drößler Willow Springs | BRD 1973 | R+B+K: Werner Schroeter | D: Magdalena Montezuma, Christine Kaufmann, Ila von Hasperg, Michael O’Daniels | 78 min | Es sollte ein 60-minütiges Filmessay über Marilyn Monroe werden, doch als Schroeter mit dem Geld des ZDF nach Los Angeles fuhr, entstand ein schräges B picture über drei männermordende Frauen in der Einöde einer kalifornischen Wüstensiedlung. »Nur fünf oder sechs Tage drehten wir, ganz schnell in einem durch, das könnte erklären, warum WILLOW SPRINGS so dicht und knapp wirkt. Ich mochte eben amerikanische Trivialfilme ohne tiefere Bedeutung, ohne Psychologie über das hinaus, was im Bild zu sehen ist.« (Schroeter) »Nicht nur Aldrich und Wilder, nicht nur Schlager-Absurdität und Opern-Grandezza, auch Kafka, Faulkner und Beckett spuken durch diesen unheimlichen Film, den man vom ersten bis zum letzten Bild aufregend ›erleben‹ kann.« (Eckhart Schmidt) ▶ Sonntag, 31. Mai 2015, 18.30 Uhr | einführung: Rai- ner Gansera Weisse Reise | Schweiz 1980 | R+B+K: Werner Schroeter | D: Jim Auwae, Tilly Soffing, Margareth Clementi, Maria Schneider, Ursula Rodel | 52 min | OmU | 1972 veröffentlichte Werner Schroeter in der Filmkritik ein Treatment für einen großen Spielfilm über die Liebe und die Abenteuer zweier Matrosen, der in 35mm an Originalschauplätzen hergestellt werden sollte. Schließlich drehte er ihn in einer Zürcher Villa vor gemalten Kulissen. »Es war ein Punk-Film, mit Humor und Narretei gedreht.« (Schroeter) – Chambre 666 | Frankreich 1982 | R+B: Wim Wenders | M: Jürgen Knieper | Mit Jean-Luc Godard, Paul Morrissey, Mike de Leon, Monte Hellman, Romain Goupil, Susan Seidelman, Noël Simsolo, Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog, Robert Kramer, Anna Carolina, Mahroun Bagdadi, Steven Spielberg, Michelangelo Antonioni, Wim Wenders | 50 min | OmU | Antworten auf die Frage, ob das Kino eine Sprache ist, die uns verlorengeht. ▶ Sonntag, 31. Mai 2015, 21.00 Uhr | einführung: Rai- ner Gansera Fassbinder / Schroeter / Wenders uns über die Querelen innerhalb der Truppe, Rainer nahm das nicht übel. Kurz vor Ende der Dreharbeiten drehte er eine extrem lange Einstellung, in der ich als Fotograf Deiters eine verworrene Geschichte über Goofy, Winz-Willi und ein kleines Mädchen improvisieren sollte. Ich erzählte einen verrückten Traum, mehr weiß ich nicht mehr. Die Szene wurde die Eröffnungssequenz.« (Schroeter) 49 50 DeR KanDiDaT Franz Josef Strauß Franz Josef Strauß im Film Vieles lässt sich nachlesen, in Büchern und Artikeln über Franz Josef Strauß; mit kritischen und lobenden Texten könnte man Monate des Lesens verbringen. In den besten, oft wohl eher zufällig entstandenen Augenblicken der filmischen Dokumente, in den non-verbalen vor allem, finden sich Informationen, die in keiner Lektüre zu entdecken sind. Zum Beispiel in dem Interview, das Günter Gaus 1964 in der TV-Reihe ZUR PERSON mit Strauß geführt hatte; der war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Verteidigungsminister und noch nicht Finanzminister. Strauß erklärt selbstbewusst, dass sich die Fantasie der Bürger an eigenwilligen Personen – natürlich denkt er dabei an sich – eben viel stärker entzünden würde. Während er dies sagt, raucht er eine dicke Zigarre; vielleicht soll sie an Ludwig Erhard erinnern, vielleicht auch zeigen, dass er ein handfester und genussfähiger Kerl ist und eben kein blutleerer Asket. Im Verlauf des Interviews gerät die Pose zum Fiasko. Immer deutlicher wird, dass er zu hastig raucht, dass die Zigarre viel zu heiß wird. Das ist keinem Genuss, sondern einem Image-Zwang geschuldet. Immer häufiger muss der Mann husten, und für die zunehmend deutlichen Zeichen der Transpiration ist wohl kaum nur die Temperatur im Studio verantwortlich. Strauss verträgt diese Zigarre einfach nicht! Aufschlussreich: Für ein zweites, vier Jahre später aufgezeichnetes Gespräch mit Gaus hat Strauß die Konsequenz gezogen; statt der Zigarre hält er von Anfang bis Ende eine Brille in der Hand; er setzt sie niemals auf, lässt sie aber auch nicht los – als bräuchte er etwas, an dem er sich festhalten kann. Vielleicht soll ihn die Brille auch intellektuell wirken lassen. Gaus fragt ihn, warum er so viele Probleme mit Intellektuellen habe. Antwort: Er, Strauß, sei doch selbst ein Intellektueller. Aus heutiger Sicht widerlegen die Dokumente auch den Mythos, Strauß sei ein begnadeter Rhetoriker gewesen. Er ist souverän im Ausweichen, auch im Fintieren, doch seine Waffe war nicht das Florett, sondern der Säbel. Wenngleich er letztlich kein brillanter Redner war, so gab er redend immerhin Inhalte seines Denkens preis. Mit Blick auf heutige Politiker kann man das durchaus als Vorzug betrachten. Strauß hat zum Beispiel nicht gezögert, den chilenischen Diktator Pinochet als »Garant der Freiheit« zu preisen. »Schillernd« mag einstige Bewunderung wieder zu neuem Leben erwecken. Und den Verdacht, der Ärger von damals sei produktiver und damit leichter zu ertragen gewesen als es der Frust über die Politiker von heute je sein kann. hans Günther pflaum Filmprogramm zur Ausstellung »Franz Josef Strauß im Bild«, die vom 24. April bis zum 2. August 2015 im Münchner Stadtmuseum zu sehen ist. Schnipp-Schnapp Schüsse | DDR 1959 | R+B: Walter Heynowski | 10 min | Agitatorischer Kurzfilm über die Wiederbewaffnung der BRD. – Zur Person: FranzJosef Strauß | BRD 1964 | R+B: Günter Gaus | 64 min | Legendäres Fernsehinterview: »Lassen Sie mich meinen Versuch, ein Strauß-Porträt zu zeichnen, mit der Frage beginnen: Wie erklären Sie sich selbst die Hitzigkeit, die Erregung, die die öffentliche Meinung annimmt, sobald Ihr Name fällt?« (Günter Gaus) – Hier Strauß | USA 1965 | R+B+K: Don Alan Pennebaker, Michael Blackwood | 34 min | deutsche OF | Direct-Cinema-Porträt, das ohne Kommentar, Interview oder direkte Ansprache auskommt. »Meine Ankündigung, einen Film über Strauß zu machen, provozierte wildes Gelächter. Es schien eine absurde Idee zu sein. Man nahm ihn entweder nicht ernst oder hielt ihn für einen üblen Charakter, eine Person jedenfalls, die man nicht leiden kann. Das interessiert mich immer.« (Don Alan Pennebaker) ▶ Dienstag, 5. Mai 2015, 21.00 Uhr Der Kandidat | BRD 1980 | R+B: Alexander Kluge, Volker Schlöndorff, Stefan Aust, Alexander von Eschwege | K: Igor Luther, Werner Lüring, Jörg Schmidt-Reitwein, Bodo Kessler, Thomas Mauch | 129 min | »Als Filmcharakter gefiel uns Franz Josef Strauß gut. Als Bundeskanzler fanden wir ihn unpassend. Es war aber nicht die politische Überzeugung (die wir auch durch Ausübung unseres Wahlrechts hätten ausdrücken können), sondern die Chance eines weiteren Kollektivfilms (also die Vereinigung der Willenskräfte), die zur Herstellung des Films DER KANDIDAT führte.« (Alexander Kluge) »Wir waren uns von Anfang an einig, dass wir nicht einen Pro- oder Anti-Strauß-Film drehen wollten. Sondern wir wollten nachfragen, was ist das für ein Land, in dem ein Mann wie Strauß, der sich seine Chancen immer im letzten Moment durch Skandale verdorben hat, heute im Alter von 65 Jahren behaupten kann, er sei der geeignete Mann für das wichtigste politische Amt in dieser Republik.« (Volker Schlöndorff) ▶ Dienstag, 19. Mai 2015, 21.00 Uhr Franz Josef Strauß man diesen Bayern nennen; entsprechend disparat sieht dann auch DER KANDIDAT aus: der Film, mit dem Alexander Kluge, Volker Schlöndorff, Stefan Aust und Alexander von Eschwege den Weg von FJS zum Kanzlerkandidaten verfolgten. Einmal fährt Strauß zu seinem Rivalen, dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht. Die beiden Politiker treffen sich in der Staatskanzlei in Hannover. Vor einem Interview sitzen die zwei auf einem Sofa, jeder wusste, die beiden können sich nicht ausstehen, aber hier lächeln sie sich an wie ein altes Ehepaar und versuchen, die Stille mit Smalltalk zu überwinden – sie dürfen sich nicht anschweigen. Sie reden, aber sie haben sich nichts zu sagen: Die Szene ist peinlich, lächerlich und, insgeheim, irgendwie todtraurig. Eine merkwürdige latente Unsicherheit ist auch hinter den Momenten der Selbstironie zu spüren. Strauß nimmt sich niemals wirklich auf die Schippe; seine Versuche, mit sich ironisch umzugehen, bleiben ein stets erkennbares Bemühen, das Wohlwollen der anderen auf sich zu ziehen. Zu Beginn von D. A. Pennebakers Film HIER STRAUSS (1965) verlässt der Politiker ein Haus und bedankt sich bei seinem Gastgeber für irgendein »Entgegenkommen« – wer die vielen Affären, die Strauß keineswegs alle unbeschadet überstanden hat, noch im Kopf hat, könnte hellhörig werden. Dann geht Strauß eine Straße entlang, unterwegs erkundigt er sich leutselig in Richtung Kamera: »Läuft er?« Und er steigt in ein Auto, die Kamera hat neben ihm Platz genommen. Strauß fragt: »Aber die schlechten Bilder nehmen sie raus?!« Das klingt leutselig, in der vermeintlichen Naivität irgendwie unschuldig. Für DER KANDIDAT sollen sich die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten geweigert haben, auch nur eine Sekunde Archiv-Material zur Verfügung zu stellen. Angst vor »schlechten Bildern«? Ein paar Filmminuten, nachdem Strauß zu dem unsichtbar bleibenden Kameramann ins Auto gestiegen ist, sehen wir ihn bei der CSU-Landesgruppe in Bonn. Die Herren haben Zoff miteinander. Alle sitzen, nur Strauß steht. So kann er auf sie herabschauen. Einige davon macht er zur Schnecke. Sein Machtbewusstsein ist in kaum einem Augenblick dieser Filme zu übersehen. Nur einmal – weiß der Himmel, warum er sich dabei von Pennebaker hat filmen lassen – liegt der angebliche Kraftmensch total erschöpft in einem Sessel, bei sich zu Hause in Rott am Inn; gegenüber der Aktivität seiner Frau, die ihm den Zeitplan der kommenden Woche aufs Auge zu drücken scheint, wirkt er völlig hilflos. Es gibt viele kleine Sequenzen in diesen Filmen, die den alten Zorn – oder auch, je nach Standpunkt – die 51 avi Mograbi auGuST: a momenT befoRe The eRupTion DOK.fest: Retrospektive Avi Mograbi 52 In the Line of Fire Avi Mograbi ist ein enfant terrible im besten Sinne, ein Clown, ein Narr, aus dessen Mund permanent die unangenehme Wahrheit sprudelt. Aber Avi Mograbi ist ein uneitler Dokumentarfilmer und weiß sehr wohl sein Medium ernst zu nehmen und wirkungsvoll zu nutzen. Als persönliche Statements zur Lage der Nation Israel setzen Avi Mograbis politische Dokumentarfilme seit Beginn der 1990er bis heute Maßstäbe. Zentrum seines filmischen Schaffens war und ist der gewaltsame Konflikt Israel-Palästina, der sich immer neue Darstellungsformen sucht. Politische Intervention und künstlerischer Ausdruck sind in den Filmen des jüdisch-israelischen Regisseurs aufs Engste verbunden. Mal sarkastisch, mal versöhnlich, ist der Humor die bestimmende Tonlage seiner Filme. Dabei bringt sich Avi Mograbi vor der Kamera als Filmemacher immer wieder selbst ins Spiel. Die Suche nach einer angemessenen Form des Erzählens überwindet filmische Konventionen und macht den 59-Jährigen zu einem der kontroversesten und innovativsten Filmemacher seiner Generation. Die Werkschau des DOK.fest präsentiert Filme, die das künstlerische Spektrum Mograbis vom semifiktionalen Experiment bis zur Direct Cinema-Reportage spiegeln: HOW I LEARNED TO OVERCOME My FEAR AND LOVE ARIK SHARON (1997), HAPPy BIRTHDAy, MR. MOGRABI (1999), AUGUST: A MOMENT BEFORE THE ERUPTION (2002), Z32 (2008), ONCE I ENTERED A GARDEN (2012). Daniel Sponsel / Anne Thomé »In Avi Mograbi-Filmen gibt es zwei wiederkehrende Grundkonstellationen: (1) Der Filmemacher, ein linker Intellektueller, sitzt in seinem Wohnzimmer, monologisiert, telefoniert, musiziert oder ist einfach nur ratlos. (2) Der Filmemacher bewegt sich mit seiner Kamera durch Israel, reagiert auf Situationen, dier er selbst provoziert hat und wird von Staatsbediensteten aufgefordert, das Gerät abzustellen oder sich endlich korrekt auszuweisen. Mograbis Filme wirken nicht nur auf dieser Ebene inoffiziell, improvisiert, dialogisch und oft auch: heiter. Sie stellen eigentümliche Mischformen her, zwischen politischem Kommentar und Kalauer, Stellungnahme und Abschweifung, journalistischer Recherche und Kunstironie, privatem Sprechen und öffentlicher Intervention, Autobiographie und Fiktion, Wut und Melancholie.« (Simon Rothöler) »Wenn ich mir die Filmemacherjacke anziehe, finde ich es völlig natürlich, das Private mit dem Öffentlichen zu verbinden, und als ich bei der Entstehung des SharonFilms merkte, dass ich selber darin auftreten musste, um die Geschichte, die mir nachging, erzählen zu können, habe ich es einfach getan. Als später einige glaubten, meine Ehe sei durch das Drehen des Films in die Brüche gegangen (denn das schildert der Film), nahm ich es leicht und machte daraus den Ausgangspunkt zu einer politischen Auseinandersetzung.« (Avi Mograbi) ▶ Freitag, 8. Mai 2015, bis Sonntag, 17. Mai 2015 | Zu Gast: avi Mograbi. Das Kino von Hou Hsiao-hsien Hou Hsiao-hsien sowie die Suche nach Heimat und Identität sind universell wie eh und je. Dabei weht durch alle Filme ein nostalgischer Duft, der sich mit persönlichen Regungen vor dem Hintergrund historischer Prozesse mischt. Nachdenkliche Augen verharren im Strom der Zeit, aus flackernden Lichtern entsteht eine poetische Reflektion und, ohne dass man es merkt, hat sich in die alltäglichen Bewegungen ein bewegendes Drama gemischt. Sein vielleicht definitives Werk, wenn es um die Verbindung von persönlichen und historischen Prozessen geht, ist DER MEISTER DES PUPPENSPIELS. Darin lässt Hou den unglaublichen Li Tien-lu, der immer wieder durch die Filme strolcht, furzend oder Feuerwerkskörper werfend, seine wahre Lebensgeschichte als Puppenspieler vor verschiedenen politischen Hintergründen erzählen. Li befindet sich immer am Rand der wechselhaften Geschichte seines Landes und zugleich mitten drin. Taiwan ist durch die Formosastraße vom chinesischen Festland getrennt und wurde in seiner Geschichte von fünf unterschiedlichen Regimes regiert. Die schwierigsten Phasen erlebte das Land während der japanischen Kolonialherrschaft (1895–1945) und 53 hou hsiao-hsien © olivier assayas Hou Hsiao-hsien (Jahrgang 1947) ist einer der bedeutendsten asiatischen Filmemacher. Als Regisseur, Schauspieler, Drehbuchautor und Produzent erforscht er unermüdlich seine eigene Kultur. Wer ihn in HHH – PORTRAIT DE HOU HSIAO-HSIEN von Olivier Assayas erlebt, sieht einen in sich ruhenden und doch neugierigen Geist, der in einer Sekunde gelangweilt wirken kann und in der nächsten mit Inbrunst emotionale Songs beim Karaoke zum Besten gibt. Die Gefühle brodeln unter der scheinbaren Gleichgültigkeit, und ganz ähnlich funktioniert auch sein Kino. Umgeben von einer hochbegabten stock company hat Hou eine völlig individuelle Filmsprache entwickelt. Er ist ein getriebener Perfektionist, der es immer wieder vermag, auf neue und doch unverkennbare Art einen epischen und intimen Film zu drehen. Umso erstaunlicher ist, wie rar die Gelegenheiten sind, sich seinem verwobenen und zugleich vielschichtigen Werk zu nähern. Es ist vor allem deshalb erstaunlich, weil sich die filmische Sprache von Hou bis heute immer weiter verändert und er am Puls der Zeit arbeitet. Seine Fragen an das Erwachsenwerden, die Liebe Hou Hsiao-hsien 54 unmittelbar danach durch die nationalistische Kuomintang Chinas (1949–1992). Als Hakka-Chinese weiß Hou viel über das multikulturelle Taiwan samt all seiner Feindlichkeit und Schönheit aus eigener Erfahrung. In seinen fiktionalen Welten wechseln sich das Chinesische und das Taiwanesische immer wieder ab. Dabei scheut er weder vor überraschenden Sentiments gegenüber Japan, noch vor der Kollision unterschiedlicher Dialekte in seinen Filmen zurück. Hou erzählt von der Identitätssuche eines hybriden Volkes. Historische Filme wie EINE STADT DER TRAURIGEIT, GOOD MEN, GOOD WOMEN oder DER MEISTER DES PUPPENSPIELS zeigen, wie man sich nicht eindeutig ausdrücken kann im Bezug auf die Geschichte. Der Regisseur wird gerne als Chronist seines Landes gesehen, aber in seinen Filmen entdeckt man vielmehr das intime Treiben einer Flucht vor der Geschichte, eine Rückbesinnung auf das Leben selbst, das so viel mehr offenbart als eine Chronologie, nämlich die Geschichten am Rand der Geschichte. Häufig treten die Figuren selbst als Chronisten auf. Sie schreiben Tagebücher oder Briefe und machen Foto- oder Tonaufnahmen. Begonnen hat für Hou alles mit dem sentimentalen Reigen des Mainstreams in Taiwan. Er studierte Kunst an der Nationaluniversität Taiwan, laut eigener Aussage, um Geld zu verdienen und ein einfaches Leben zu haben. Seine ersten Jobs als Assistent und Drehbuchautor absolvierte er im Rahmen des industriellen Filmemachens. Geprägt wurde er dabei vom wenyi pion, dem traditionellen chinesischen Melodram. Frühe Filme wie CHEERFUL WIND zeigen diesen Einfluss deutlich. Es sind gefühlsgeladene Narrative mit bekannten Popstars in den Hauptrollen, die sich irgendwo zwischen progressiven Ansichten zur Gesellschaft, Lyrik und Kitsch entfalten. Sentimentale Spuren finden sich eigentlich in der gesamten Laufbahn von Hou, aber immer mehr gelang es ihm, seine ganz eigene Wahrnehmung der Welt in seine Bildsprache einzuarbeiten. Dramatische Ereignisse wie das Sterben oder das Lieben wurden mehr und mehr in den ruhig fließenden Rhythmus des Lebens eingebettet. Es gibt einige Gründe für diesen Wandel. Zum einen lernte er eine Gruppe anderer Filmemacher kennen, darunter Edward yang. Gemeinsam veränderten sie die nationale (Film-)Kultur. DER SANDWICH-MANN ist ein typisches Beispiel dieses Neuen Taiwanesischen Kinos. Hous Episode sticht heraus aus diesem Omnibus-Projekt, das man durchaus als Manifest einer neuen Filmgeneration sehen kann. Wie im italienischen Neorealismus geht es um einen existenziellen Überlebenskampf im Angesicht prekärer sozialer Umstände. Allerdings sollte Hou schon bald den Filter der Erinnerung auf seine Filme legen. Das lag auch daran, dass er die Drehbuchautorin Chu Tien-wen kennenlernte. Gemeinsam mit ihr begann er eine Serie autobiografischer Kindheits- und Jugenderzählungen wie GROSSE FERIEN, GESCHICHTEN EINER FERNEN KINDHEIT oder LIEBE, WIND, STAUB. Erstaunlich dabei ist, zu welch großartigen Performances Hou seine Laiendarsteller bringt. Der weitestgehende Verzicht auf geschriebene Dialoge trägt maßgeblich dazu bei. Ohne Erklärungen oder Expositionen wird man in eine Welt geworfen, die aus alltäglichen Fragmenten besteht und nicht zuletzt deshalb zugleich real und persönlich wirkt. Obwohl die Filme ein Gefühl von Distanz vermitteln, rühren sie plötzlich zu Tränen und man sitzt zitternd vor der Natur einer wahrgewordenen Menschlichkeit. Es sind unvergessliche Bilder von sitzenden Vätern, schuftenden Müttern, Laternenlichtern oder dem Wind, der die Gräser bewegt. Bei Hou treffen sich Vergangenheit und Vergänglichkeit in einer unvermeidbaren Gegenwart. Dabei sprechen die Filme über die nationale Geschichte aus der Erinnerung einfacher Menschen. Nostalgie und Melancholie übertragen sich in schmerzender Wahrhaftigkeit auf den Zuschauer. Hou ist ein Filmemacher, der das ländliche Leben mit seiner pastoralen Schönheit in den Fokus stellt. Dennoch ist auch die Stadt für ihn von großer Bedeutung. Sei es als Gegensatz zum Land, wie in DIE FERNEN TAGE MEINER KINDHEIT, oder als urbane Entfremdung, die er vor allem in seinem hypnotischen MILLENNIUM MAMBO erforscht. In Letzterem zeigt sich auch, wie stark sich Hou an die Vergangenheit klammert. Der Film hatte im Jahr 2001 Premiere und in eben diesem Jahr spielt er auch, aber die Erzählstimme im Film spricht aus der Zukunft. Es ist ein Verfremdungseffekt, der nicht bloß einer formalen Inspiration folgt, sondern mit Hous Sicht auf das Leben seiner Protagonistin zusammenhängt. Die Filme vermeiden eine simple emotionale Identifikation. Stattdessen verlangen sie die Arbeit des Zuschauers. Dies hängt auch mit der Tradition des liu bai zusammen, einer Strömung der chinesischen Kunst: Dinge werden offen gelassen, um sie der Imagination des Betrachters zu überlassen. Hou findet ein filmisches Pendant häufig in seinen Ellipsen. Er interessiert sich für das, was vor und nach einer dramatischen Handlung passiert. Besonders beeindruckend ist zum Beispiel der Schnitt auf eine Hügellandschaft mit einem kreisenden schwarzen Vogel nach einem Mord in EINE STADT DER TRAURIGKEIT. Ein schwebender Augenblick, der das Leben fort- ners. Was die beiden aber mit Sicherheit eint, ist eine Vorliebe für wiederkehrende Einstellungen, die den Orten und Menschen ein Gefühl von Heimat geben und eine kleine Veränderung im Bild, wie die Abwesenheit einer Person, zu einem großen, stillen Drama werden lassen. Hou ist ein Kinoromantiker, der sich nicht nur zur Vergangenheit Taiwans, sondern auch zu jener des Kinos hingezogen fühlt. Luchino Visconti und Robert Bresson werden in seinen Filmen zitiert, und noch auffälliger ist seine Vorliebe für die phantom rides des frühen Kinos, also Aufnahmen aus fahrenden Zügen. Diese phantom rides machen Zeit und Raum spürbar, sie setzen die Figuren in eine Umwelt, aus der sie nicht entkommen können. Die Züge verbinden Stadt und Land wie in LIEBE, WIND, STAUB oder Zeit und Menschen wie in CAFÉ LUMIÈRE. So fährt auch der Zug von Hou selbst, der eine ganze Generation asiatischer Filmemacher (von Jia Zhang-ke bis zu Tsai Ming-liang) beeinflusst hat und spätestens seit dem Goldenen löwen in Venedig 1989 für EINE STADT DER TRAURIGKEIT einen Stellenwert im internationalen Kino einnimmt wie nur wenige asiatische Filmemacher vor ihm. Hou kann man eigentlich kaum greifen. Man muss ihn fühlen. patrick holzapfel Die internationale Retrospektive »Hou Hsiao-hsien: Also Like Life« wurde organisiert von Richard I. Suchenski (Center for Moving Image Arts at Bard College) in Zusammenarbeit mit dem Taipei Cultural Center, dem Taiwan Film Institute und dem Kulturministerium der Republik China (Taiwan). Eine dazu erschienene englischsprachige Monografie über Hou Hsiaohsien ist zum Preis von 22 € an der Kinokasse erhältlich. Hou Hsiao-hsien fenGGui laiDe Ren (Die feRnen TaGe meineR KinDheiT) setzt, weil es nach und vor dem Sterben weiterfließt, und der einem dennoch das Gefühl gibt, dass die Natur auf uns blickt – und vielleicht auch der Film. Hou entwickelte eine eindrückliche und hochkomplexe Film-Ästhetik. Besonders seine Vorliebe für lange, statische Totalen ist bemerkenswert. Sie bieten ihm die Möglichkeit, sich selbst und die soziale, historische und geographische Umwelt spürbar zu machen. So besteht ein Bild bei Hou fast immer aus tausend kleinen Handlungen, die von ausgeklügelten Bewegungs-Choreographien bis zu einem sensiblen Szenenbild voller narrativer Hinweise stecken. Dabei beschränkt er sich zumeist auf die Zärtlichkeit einer diskreten Beobachtung. Ein gutes Beispiel findet sich in den knisternden Anfangsminuten von THREE TIMES, in denen Hou von einer Nähe zwischen zwei Menschen erzählt, ohne es auszusprechen. Seine Bildgestaltung vermag innere Gefühle wiederzugeben. Vor allem mit den elegischen Schwenks in DIE BLUMEN VON SHANGHAI wird man so in eine unbeschreibliche Trance des Bedauerns, des Liebens und der Sehnsucht geworfen. Die Manipulation kommt bei Hou mit der Zeit, denn ein einzelner Schnitt verbindet manchmal eine ganze Dekade, und als Zuschauer wird man darauf nicht immer vorbereitet. Aufgrund der zum Teil ähnlich anmutenden Einstellungen von Blicken durch Korridore und Türen wird Hou häufig mit dem Japaner Ozu yasujiro verglichen. CAFÉ LUMIÈRE entstand als Hommage an den großen Meister zu dessen hundertstem Geburtstag. Allerdings gibt es bei Hou deutlich weniger Schnitte als bei Ozu, und insbesondere in seinem jüngeren Werk entfernte sich Hou doch deutlich von den Bildikonen des Japa- 55 Fenger ti ta cai (Cheerful Wind) | Taiwan 1981 | R+B: Hou Hsiao-hsien | K: Chen Kun-hou | M: Tso Hung-yuan | D: Kenny Bee, Feng Fei-fei, Anthony Chan | 90 min | OmeU – Erzide dawanou (Der SandwichMann) | Taiwan 1983 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Wu Nien-jen | K: Chen Kun-hou | M: Wen Lung-chun | D: Chen Po-cheng, yang Li-yin | 33 min | OmeU – CHEERFUL WIND ist ein klassisches Melodram über eine Frau zwischen zwei Männern. Aber nicht nur in den traumartigen Anfangsminuten öffnen sich Pforten zu einer ganz anderen Wahrnehmung der Welt, die in Hous Episode zum Manifest des Neuen Taiwanesischen Kinos, ERZIDE DAWANOU, noch viel deutlicher zum Vorschein tritt. Ein als Clown und menschliche Werbetafel verkleideter Mann kämpft um das Überleben seiner Familie. Hou Hsiao-hsien ▶ Dienstag, 26. Mai 2015, 18.30 Uhr 56 Fenggui laide ren (Die fernen Tage meiner Kindheit) | Taiwan 1983 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Chu Tienwen | K: Chen Kun-hou | M: Li Tsung-sheng, J.S. Bach, Antonio Vivaldi | D: Niu Cheng-tse, Tou Chung-hua, Lin Hsiu-ling, Chang Shih, yang Li-yin, Hou Hsiao-hsien | 98 min | OmeU | Ah-Ching und seine drei Freunde leben in einem Fischerdorf im Westen Taiwans zwischen Scooter, Pool und Schlägereien. Das ländliche Familienleben, die Verpflichtungen, die Monotonie: All das gibt Hou den Rahmen für eine persönliche Erinnerung. Die Jungs zieht es nach Kaohsiung, in die Stadt. Sie wagen den Schritt als Trio, denn einer von ihnen wird zum Militär eingezogen. Abschied, Neuanfang, Begierde und Enttäuschung: Die Jugend wird hier schon als ein Verlust gezeigt, die Lebensgeschichten als Geschichten des Verlassens und Sterbens. ▶ Mittwoch, 27. Mai 2015, 18.30 Uhr Dongdong de jiaqi (Große Ferien) | Taiwan 1984 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Hou Hsiao-hsien, Chu Tien-wen | K: Chen Kun-hou | M: Edward yang, Tu Duu-chih | D: Wang Chi-kuang, Li Shu-chen, Ku Chun, Mei Fang, yen Cheng-kuo | 98 min | OmeU | Hou versetzt sich zurück in die Kindheit, in jene Phase, in der alles größer, unheimlicher, besonderer wirkte, eine Zeit, die oft nur einen Augenblick dauert und doch für immer bleibt. Er stellt diese Welt gegen die unverständliche, grausame Ambivalenz der Erwachsenenwelt. Der Film basiert auf den Kindheitserinnerungen der Drehbuchautorin Chu Tien-wen. Wir verbringen zusammen mit Tung-tung und seiner Schwester einen Sommer bei den Großeltern, der trotz der pastoralen Farbpalette immer von einer latenten Bedrohung heimgesucht wird. ▶ Dienstag, 2. Juni 2015, 18.30 Uhr Tongnian wangshi (Geschichten einer fernen Kindheit) | Taiwan 1985 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Hou Hsiao-hsien, Chu Tien-wen | K: Mark Lee | M: Wu Chuchu | D: yu An-shun, Tien Feng, Mei Fang, Tang Juyun, Hsiao Ai | 136 min | OmeU | Hier perfektioniert Hou seine Inszenierung einer berührenden Distanz. Wie der englische Titel des Films A TIME TO LIVE AND A TIME TO DIE verrät, geben sich das Sterben und das Leben die Hand, in der atemberaubenden, elliptischen und bedächtig fließenden Schönheit einer Kindheit. Der Film erzählt vom Aufwachsen in einer Familie im ländlichen Taiwan von den 1940er bis zu den 1960er Jahren. In einer poetischen Beiläufigkeit ergeben sich flüchtige und doch ewige Erinnerungsbilder zwischen nostalgischem Lächeln und einem tiefen Bedauern über die Vergänglichkeit des Lebens. ▶ Mittwoch, 3. Juni 2015, 18.30 Uhr Lianlian fengchen (Liebe, Wind, Staub) | Taiwan 1986 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Wu Nien-jen, Chu Tienwen | K: Mark Lee | M: Chen Ming-chang | D: Wang Ching-wen, Hsin Shu-fen, Li Tien-lu, Chen Shu-fang, Mei Fang | 110 min | OmeU | Auf engen Gleisen beginnt eine erneute Reise in die Vergangenheit. Zunächst kommt ganz langsam ein Licht aus einem Tunnel auf uns zu. Wie so oft ist es ein Zug, der uns in die Geschichte führt, eine Passage. Die Überraschungen des Lebens sind vom Alltag versteckt. Wir sehen sie in der wunderschönen Unbeweglichkeit der Kamera nicht kommen, sondern nur passieren, und das trifft uns umso härter. Episodenhaft erzählt der Film von Wan und Huen, einem Paar, das in die Stadt zieht und sich zu verlieren droht. Auch für Hou ist der Film ein Übergang zwischen seinen Geschichten über das Heranwachsen und seinen Historienfilmen. ▶ Freitag, 5. Juni 2015, 18.30 Uhr The Electric Princess Picture House | Frankreich 2007 | R+B: Hou Hsiao-hsien | K: Mark Lee | 3 min | OmeU – La Belle Epoque | Taiwan 2011 | R+B: Hou Hsiao-hsien | K: yao Hung-i | D: Shu Qi, Mei Fang | 5 min | OmeU – HHH – Portrait de Hou Hsiao-hsien (Porträt Hou Hsiao-hsien) | Frankreich 1997 | R+B: Olivier Assayas | K: Eric Gautier | Mit Hou Hsiao-hsien, Chen Kuo-fu, Chu Tien-wen, Kao She, Lin Giang, Wu Nien-jen | 92 min | OmeU – Olivier Assayas setzte sich als einer der ersten Filmkritiker mit dem Neuen Taiwanesischen Kino auseinander. In diesem Beitrag für die Reihe cinéastes de notre temps lernen wir einen sentimentalen Pragmatiker mit einem ruhigen Schmunzeln kennen und erfahren vom Protagonisten und vom Niluohe nüer (Tochter des Nils) | Taiwan 1987 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Chu Tien-wen | K: Chen Huai-en | M: Chen Chih-yuan, Chang Hung-i | D: yang Lin, Jack Kao, yang Fan, Li Tien-lu, Wu Nien-jen | 92 min | OmeU | Hous erster Ausflug in die Popkultur ist eine Erprobung seiner distanzierten und fließenden Zurückhaltung in einer Überlappung von Fantasien und Realitäten. Dabei gehen wieder Freundschaften und Familien gewaltsam zu Grunde, wie weggespült von einem Leben, das man nicht berühren kann, aber spürt. Eine urbane Entfremdung legt sich über die stillen Beobachtungen, und ganz nebenbei legt Hou damit den Grundstein für das zukünftige taiwanesische Kino und seine eigene Entwicklung in der Auseinandersetzung mit weiblichen Jugendlichen. ▶ Dienstag, 9. Juni 2015, 18.30 Uhr Beiqing chengshi (Eine Stadt der Traurigkeit) | Taiwan 1989 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Wu Nien-jen, Chu Tien-wen | K: Chen Huai-en | M: Tachikawa Naoki, Chang Hung-i | D: Li Tien-lu, Chen Sung-yung, Jack Kao, Tony Leung, Mei Fang | 158 min | OmeU | Der erste Teil von Hous »historischer Trilogie«. Es geht um die vier Lin-Brüder und ihre unterschiedlichen Schicksale, die mit dem Ende der japanischen Besatzung Taiwans 1945 einsetzen. Anhand von Individuen porträ- ▶ Mittwoch, 10. Juni 2015, 19.00 Uhr Ximeng rensheng (Der Meister des Puppenspiels) | Taiwan 1993 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Wu Nien-jen, Chu Tien-wen | K: Mark Lee | M: Chen Ming-chang, Chang Hung-ta | D: Li Tien-lu, Lim Giong, Chen Kueichung, Tsuo Chu-wei, Hung Liu | 142 min | OmeU | Der Film basiert auf der Lebensgeschichte von Li Tien-lu, einem faszinierenden Marionettenmeister, der immer wieder als Darsteller in Hous Filmen auftritt. Hier erzählt er die Geschichte seiner Karriere als Puppenspieler in Taiwan von 1910 bis zum Ende der japanischen Herrschaft 1945. Dabei erscheint sein Leben zwischen den drei kulturellen Identitäten Taiwans in jener Zeit verwoben mit den historischen Prozessen des Landes. Seine persönlichen Erinnerungen werden zur Gegenwart einer Geschichte. Im Handwerk des Puppenspiels findet Hou auf der Suche nach einer verlorenen Kultur eine taiwanesische Identität. Hou Hsiao-hsien ▶ Samstag, 6. Juni 2015, 18.30 Uhr tiert Hou hier das Chaos eines ganzen Landes unter der grausamen Kuomintang-Herrschaft. Viel mehr als von der offensichtlichen Geschichte wird von einem Verlust der Kommunikation in dieser lange unter den Teppich gekehrten Phase der nationalen Geschichte erzählt. Dabei montiert Hou seine präzisen Tableaus mit großer Sensibilität, die eine unendlich reiche Relation zwischen Film und Geschichte eröffnet. ▶ Samstag, 13. Juni 2015, 18.30 Uhr Haonan haonu (Good Men, Good Women) | Taiwan 1995 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Chu Tien-wen | K: Chen Huai-en | M: Chen Huai-en, Chiang Hsiao-wen | D: 57 ximenG RenShenG (DeR meiSTeR DeS puppenSpielS) Film selbst, wie wichtig die Selbstreflektion für das Kino sein kann. Zuvor sind die Episoden zu sehen, die Hou für die Filme CHACUN SON CINÉMA und 10+10 gedreht hat. Annie Shizuka Inoh, Lim Giong, Jack Kao, Vicky Wei, Hsi Hsiang | 108 min | OmeU | In einer virtuosen Verknüpfung von drei verschiedenen Zeitebenen lässt Hou die Vergangenheit erneut nicht los, weil die Vergangenheit ihn nicht loslässt. In diesem Fall sind es vor allem die 1950er Jahre und der »Weiße Terror«, ein besonders dunkles Kapitel der nationalen Geschichte. Im Zentrum stehen zwei Frauen: Chiang, die zusammen mit ihrem Gatten zum Opfer des Kuomintang-Regimes wird, und Liang, die in den Proben für einen Film über das Leben von Chiang steckt und sich mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinandersetzen muss. Das verdrängte Grauen der Gesellschaft findet bei Hou immer einen Weg zurück in ein persönliches Bewusstsein. Hou Hsiao-hsien ▶ Sonntag, 14. Juni 2015, 18.30 Uhr 58 Qianxi manbo (Millennium Mambo) | Taiwan 2001 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Chu Tien-wen | K: Mark Lee | M: Lim Giong, Hanno yoshihiro | D: Shu Qi, Jack Kao, Tuan Chun-hao, Chen I-hsuan, Takeuchi Jun | 105 min | OmeU | Hypnotische Schwenks über unscharfe Farben und Konturen einer beengenden Welt der Entfremdung. Wir sind so nah, dass wir nichts mehr sehen können. Ein Voice-Over aus der Zukunft leitet diese Geistergeschichte verdrängter Erinnerungen um die Jahrtausendwende ein. Wir begleiten Hous Muse Shu Qi zwischen Männern und Partys, unentschlossen durch das Leben treibend. Elektronische Musik weht durch die Bilder wie der Wind der Zeit. Der Film gliedert sich wundervoll ein in Hous beständige Suche nach einem zeitgenössischen Ausdruck. ▶ Freitag, 19. Juni 2015, 18.30 Uhr Nanguo zaijian, nanguo (Goodbye South, Goodbye) | Taiwan 1996 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Chu Tien-wen | K: Mark Lee, Chen Huai-en | M: Lim Giong | D: Jack Kao, Hsu Kuei-ying, Lim Giong, Annie Shizuka Inoh, Hsi Hsiang | 112 min | OmeU | Ein spontanes Projekt, fast völlig improvisiert und aus einer wiedergefunden Lust an Leichtigkeit entstanden. Es ist der Beginn einer experimentelleren Phase von Hou und Ausdruck seines beständigen Versuchs, sich neu zu erfinden. Es zieht ihn wieder zurück in die Gegenwart, in der er sich mit Möchtegern-Kleinganoven und ihren Bewegungen im melancholischen Nichts beschäftigt. Dabei wagt er es, die tote Zeit und die Albernheit der bemühten Coolness seines Protagonisten Gao mit Sinnlichkeit zu bereichern. Kohi jiko (Café Lumière) | Japan 2003 | R: Hou Hsiaohsien | B: Chu Tien-wen | K: Mark Lee | M: Jiang Wenye | D: Hitoto yo, Asano Tadanobu, Hagiwara Masato, yo Kimiko, Kobayashi Nenji | 103 min | OmeU | Zum 100. Geburtstag des großen Ozu yasujiro zollte Hou für die japanische Filmgesellschaft Shochiku dem Meister seinen Tribut. Wie Ozu liebt Hou Züge, die er hier als zwischenkulturelle Verbindungen mit einer ganz eigenen Ästhetik zwischen Erinnerung, Tradition und Gegenwart inszeniert. Die junge Autorin yoko ist in Tokyo auf der Suche nach der Geschichte des taiwanesischen Komponisten Jiang Wen-ye. Es gibt direkte und indirekte Ozu-Zitate und vor allem das betörende Geräusch nie endender Bewegung. ▶ Dienstag, 16. Juni 2015, 18.30 Uhr Samstag, 20. Juni 2015, 18.30 Uhr Hai shang hua (Die Blumen von Shanghai) | Taiwan 1998 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Chu Tien-wen, nach dem Roman von Han Bang-qing | K: Mark Lee | M: Hanno yoshihiro | D: Tony Leung, Hada Michiko, Carina Lau, Jack Kao, Michelle Reis | 112 min | OmeU | In vier opiumgeschwängerten »Flower Houses« in Shanghai Ende des 19. Jahrhunderts erzählt Hou vom Leben und den Pflichten der Edelprostituierten und deren Kunden. Eine filmische Öllampen-Dekadenz als Rauschzustand, ein weiblicher Schrei nach Freiheit und ein orientalischer Sog, der im fantastischen Realismus der verführerischen Bilder auf die Abgründe menschlicher Zerrissenheit blickt. Dabei verlässt Hou niemals die zerfließenden Räume, sondern schwenkt zwischen den Gesichtern hin und her, die alles über den begonnenen Zerfall der Qing-Dynastie erzählen, ohne dass man diesen jemals sehen müsste. Zuihaode shiguang (Three Times) | Taiwan 2005 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Chu Tien-wen | K: Mark Lee | D: Shu Qi, Chang Chen, Mei Fang, Liao Shu-chen, Ti Mei | 136 min | OmeU | Die ersten Minuten brennen sich uns ein in ihrer Schönheit, wie ein ewiges Bedauern über die verlorene Liebe einer Jugend. Hou erzählt mit jeweils denselben Schauspielern drei Liebesgeschichten auf drei Zeitebenen: 1966, 1911 und 2005. Dabei spielen unterschiedliche Formen von schriftlicher Kommunikation, Bewegung und Transport eine entscheidende Rolle. Es geht um den Verlust der Erinnerung und das Wiederkehren vergangener Empfindungen. »Hous Sinn für Film als ein Medium, das die Zeit einfängt, war nie tiefgründiger. Gibt es irgendeinen anderen Filmemacher, der so fließend den Moment ebenso wie eine ganze Zeitepoche zelebrieren kann, und dies in derselben Einstellung?« (Jim Hoberman) ▶ Mittwoch, 17. Juni 2015, 18.30 Uhr ▶ Sonntag, 21. Juni 2015, 18.30 Uhr Underdox Halbzeit: John Smith Associations | GB 1975 | R: John Smith | 7 min | OF | Eine linguistische Abhandlung über Assoziationen gibt Anlass zu einem Bilderrätsel. – Worst Case Scenario | GB 2003 | R: John Smith | K: Patrick Duval, John Smith | 8 min | Scheinbar belanglose Straßenszenen entwickeln ein Eigenleben. – Throwing Stones | GB 2004 | R: John Smith | 11 min | OF | Hotel Diaries #3: Gedanken über den »War on Terror« beim Blick aus einem Schweizer Hotelzimmer. – Pyramids / Skunk | GB 2007 | R: John Smith | 17 min | OF | Hotel Diaries #5/6: Auf dem Filmfestival in Rotterdam erhält John Smith die Anerkennung als »one of the most famous experimental film makers in the world«. – Flag Mountain | GB 2010 | R: John Smith | 8 min | Der Blick über Nikosia, die geteilte zyprische Hauptstadt, offenbart eine riesige Flagge der türkischen Republik. – White Hole | Om | GB 1986 | R: John Smith | 4 min | OF | Humorige Variation über den transzendenten Urklang. – Gargantuan | GB 1992 | R: John Smith | 1 min | OF | »Gargantua« ist der Riese aus dem satirischen Romanzyklus von François Rabelais. Als solcher erscheint zunächst ein Lurch, der bei zurückfahrendem Zoom immer kleiner wird. – The Girl Chewing Gum | GB 1976 | R: John Smith | 12 min | OF | Das Leben auf einer Straßenkreuzung in East London. Unter dem Voice-overKommentar von John Smith verkehrt sich die dokumentierte Realität zur Fiktion. – The Black Tower | GB 1987 | R: John Smith | 24 min | OF | Ein Mann glaubt sich im Stadtteil East London von einem schwarzen Turm verfolgt. – Blight | GB 1996 | R: John Smith | M: Jocelyn Pook | 14 min | OF | Der Abriss eines Straßenzuges in East London für einen Autobahnzubringer und Kommentare aus den vorangegangenen Protesten. – unusual Red cardigan | GB 2011 | R: John Smith | 13 min | OF | »John Smith Girl Chewing Gum – Rare edition«: Die Entdeckung einer so angepriesenen VHSKassette auf eBay löst bei John Smith obsessive Spekulationen über die Identität des Verkäufers aus. GB 2014 | R: John Smith | 7 min | OF | Erinnerungen an erste Besuche in Polen und Ostdeutschland sowie an Maggie Thatcher und Tony Blairs New-Labour-Programm. – Dad’s Stick | GB 2012 | R+B: John Smith | K: Patrick Duval | 5 min | Drei rätselhafte Gegenstände des Malers Tony Smith, Vater von John, als Erinnerungs-Palimpsest. ▶ Donnerstag, 11. Juni 2015, 19.00 Uhr | Zu Gast: John ▶ Freitag, 12. Juni 2015, 18.30 Uhr | Zu Gast: John Smith Smith John Smith Der britische Künstler John Smith (geboren 1952 in East London), einer der bedeutendsten Vertreter der zeitgenössischen Filmavantgarde, gilt als exzentrischer und humorvoller Filmemacher. Seine experimentellen Filme sind voller Bild- und Sprachwitz, dabei rätselhaft, scharfsinnig und ironisch verspielt. Der 1976 entstandene Geniestreich THE GIRL CHEWING GUM erlangte Kultstatus und steht am Anfang eines vielseitigen Filmschaffens, das gleichermaßen im Kontext von Kino und Museum gezeigt wird. Seine Arbeiten sind oftmals filmische Vexierbilder, in denen sich das Verhältnis von Filmbild und Regie, Fakt und Fiktion verkehrt. Sein Werk ist durchzogen von einer persönlichen Handschrift. Als einer der wenigen Experimentalfilmer mischt sich John Smith auch ein und verleiht seinen Filmminiaturen eine politische Dimension, wie in seiner langjährigen Hotelzimmerserie, in der er ausgehend von persönlichen Erlebnissen das tagespolitische Weltgeschehen kommentiert, mit britischer Zurückhaltung, schwarzem Humor und einer guten Portion Selbstironie. Die beiden Programme, die Underdox zu seiner Halbzeit zeigt, wurden von John Smith zusammengestellt und werden von ihm im Rahmen einer Lecture persönlich präsentiert. Dunja Bialas 59 60 edmund meisel mit seiner Geräuschmaschine edmund Meisel Filmmusik von Edmund Meisel Zu Lebzeiten reichten die Einschätzungen des Filmkomponisten Edmund Meisel von Genie bis Wahnsinn. Kaum ein anderer seines Fachs genoss ein derartiges Spektrum an Einschätzung und Aufmerksamkeit, obwohl die Zahl der Werke, die bis heute die Rezeption bestimmen, an drei Fingern abzuzählen ist: PANZERKREUZER POTEMKIN, ZEHN TAGE, DIE DIE WELT ERSCHÜTTERTEN und BERLIN. DIE SINFONIE DER GROSSSTADT. Seit den 1970er Jahren gab es zahlreiche Versuche, Meisels Werk wiederzubeleben. Doch jede Aufführung seiner Musik war seither eine Neuinterpretation, eine Umarbeitung und Rekonstruktion auf neue Filmfassungen. Keine Musik Meisels ist in ihrer ursprünglichen Instrumentierung vollständig überliefert. Und nicht zuletzt verhindern rechtliche Zwickmühlen die Auswertung schlummernder Stimmenmaterialien, die Besseres ermöglichten. So ist Meisels Werk ein Torso, und eine heutige Bewertung des Filmmusikers Meisel kommt einer Spekulation gleich. Der am 14. August 1894 in Wien geborene Meisel zieht schon früh mit seiner Familie nach Berlin, wo er zur Schule geht und an der Musikschule John Petersen Violine, Klavier und Komposition studiert. Noch vor dem Krieg wird er Violinist im Blüthner-Orchester und im Philharmonischen Orchester Berlin, ab 1918 dirigiert er auch Proben und kleinere Konzerte. Es sind Gelegenheitsarbeiten wie die Leitung von Kur-Kapellen. Trotz Ambition bleibt Meisel im klassischen Fach ein Name unter vielen. Nachdem er sich dies um 1924 wohl selbst eingestanden hat, versucht er sein Glück zunehmend als Gebrauchsmusiker am Theater. Mit dem politischen Theateravantgardisten Erwin Piscator pflegt er eine enge Freundschaft, die zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit führt. In Piscators Inszenierungen hat die Musik einen hohen Stellenwert, sie soll »selbständig und ganz bewusst die politische Linie fortsetzen: Musik als dramaturgisches Mittel.« Schon in den ersten Arbeiten für Piscator, »Revue Roter Rummel« (1924) und »Trotz alledem« (1925), kann Meisel alle Register seines Könnens ziehen: »Ein ironisierendes Operettenduett als Alltagsstreit eines kommunistischen Ehepaars gehörte ebenso zu seinem Repertoire wie ›ein unbeschreibliches Höllenkonzert‹ (Piscator) im Jazz-Rhythmus oder die karikaturistische Zersetzung vaterländi- edmund Meisel einer Originalmusik zu versehen. Er soll nicht mit einem der üblichen Potpourris aus Versatzstücken klassischromantischer Musik illustriert werden. Da sich Eisenstein Anfang 1926 in Berlin befindet, kommt es zu einem Treffen, bei dem der Regisseur Meisel spezielle Anweisungen gibt. Neben bekannten Revolutionsliedern fordert er für das Finale des Films »kategorisch den Verzicht auf die gewohnte Melodik und eine genaue Ausrichtung auf das nackte Klopfen der Kolben, und mit dieser Forderung zwang ich, genau genommen, auch die Musik, an dieser entscheidenden Stelle in eine ›neue Qualität‹, in Geräusch überzuspringen.« Da der Film aber von der Filmprüfstelle immer neuen Zensurauflagen unterliegt, kann Meisel erst zweieinhalb Wochen vor der Premiere (am 29. April 1926) mit der Arbeit beginnen. Innerhalb von zwölf Tagen und Nächten schreibt er fieberhaft die zuweilen filigran am Bild komponierte Musik für ein knapp 20-köpfiges Kammerensemble (darunter drei Schlagmusiker). 61 beRlin. Die Sinfonie DeR GRoSSTaDT scher Klänge. Das Anstimmen proletarischer Kampflieder war in diesem Rahmen schon eine Selbstverständlichkeit.« (Werner Sudendorf) Bis auf zwei titelgebende Chansons zu »Rasputin« und »Hoppla, wir leben!« (1927) gelten Meisels Theatermusiken als gänzlich verschollen. Im Programmheft zu »Hoppla, wir leben!« findet sich aber ein Text von ihm, in dem er programmatisch fordert: »Neuzeitliche Musik für die Masse! Fort mit der überlebten, bürgerlichen, spitzfindig konstruierten, nur für das Individuum geschriebenen Musik! Den Massen eine Lautbarmachung der Geschehnisse der jüngsten Zeit!« Erhalten haben sich Fotos der Geräuschmaschine, die Meisel in dieser Zeit baut und in seinen Musiken einsetzt. Mit seinem Namen ist der Begriff »Geräuschmusik« verbunden. Unter dieser Bezeichnung nimmt Meisel sogar Schallplatten auf, die als »hochinteressante Neuheit in der Aufnahmepraxis« angepriesen werden: »Für Kino und Theater unentbehrlich. Sie ersetzen eine ganze LärmKomparserie.« Sie bieten programmatische Titel wie »Eisenbahnfahrt bis zur Notbremsung« oder »Straßengeräusche« oder »Schlachtenlärm«, die offenbar mit Musikinstrumenten, Meisels Geräuschmaschine und Schauspielerstimmen im Studio produziert wurden. Während sich diese Schallplatten erhalten haben, sind Meisels Arbeiten für den Rundfunk, die ebenfalls Mitte der 1920er einsetzen, alle verloren. In Piscator-Inszenierungen werden auch kleine Filmszenen projiziert, zu denen Meisel seine exakt auskomponierten Musiken dirigiert. Darauf zurückzuführen ist wohl seine Vermittlung an die neu gegründete Filmproduktionsfirma prometheus film-verleih und vertriebs Gmbh durch Maria Andreova, die Ehefrau Maksim Gorkijs. Es gilt, den sowjetischen Revolutionsfilm PANZERKREUZER POTEMKIN, den der junge Regisseur Sergej Eisenstein als Auftragsarbeit zum 20. Jahrestag der Revolution von 1905 gedreht hat, mit edmund Meisel 62 Die Aufführungen von PANZERKREUZER POTEMKIN werden in Deutschland zu einem unerwarteten, überwältigenden Erfolg. Die Kritiken überschlagen sich. Außenminister Gustav Stresemann schreibt im Mai 1926: »Wenn Sie selbst, Herr Ministerpräsident, auf Grund einer Vorführung des Films sich den Bedenken des Reichskabinetts nicht angeschlossen haben, so vielleicht aus dem Grunde, weil bei dieser Darstellung der Film ohne Musik aufgeführt wurde.« Man ist sich einig, dass erstmals in der Filmgeschichte die Musik in einem derartigen Maße zur Wirkung eines Filmes beiträgt, dass man ihn nicht übersehen und sie nicht überhören kann. Meisel erweitert die Musik sogleich für großes Orchester. Allein 1926 wird sie in 125 deutschen Städten über 200 Mal aufgeführt, teilweise unter Meisels Leitung. Selbst bis nach Holland, Norwegen, Argentinien, in die USA und die Schweiz gelangt das Gesamtkunstwerk. Meisel dirigiert in Paris und London. Im Herbst des Jahres 1926 folgt Meisels zweite Kinomusik, ÜBERFLÜSSIGE MENSCHEN von Alexander Rasumny, die erste deutsch-russische Koproduktion der prometheus. Das Orchester im Erstaufführungskino wird von Willy Schmidt-Gentner dirigiert, der allerdings große Schwierigkeiten hat, die von Meisel intendierten Synchronpunkte bei der Aufführung zu treffen. Da dem Film, einer impressionistischen Verquickung verschiedener Kurzgeschichten von Anton Čechov, kein großer Erfolg beschieden ist, wird auch Meisels Musik kaum aufgeführt und ist heute verschollen. Man weiß nur aus zeitgenössischen Kritiken, dass Meisel melodischer arbeitete, die Charaktere mit eigenen Motiven ausstattete, auf populäre Volksmusikstücke zurückgriff und Disharmonien verwandte, um die Klatschsucht der Dorfbewohner zu untermalen. Die nächste Aufgabe ist erfolgreicher: Die ufa verpflichtet Meisel für die Musik zu DER HEILIGE BERG von Arnold Fanck. Dessen »Natur-Spielfilme«, die dem Publikum unbekannte Schönheiten durch »fotografisch-beeindruckende, oft aus waghalsigen Aktionen gewonnen Zeugnissen der Bergwelt erschlossen« (Lothar Prox), gelten als avantgardistische Experimente, die durch moderne Musik unterstrichen werden sollen. So schreibt Paul Hindemith schon 1921 für Fancks IM KAMPF MIT DEM BERGE seine einzige Musik für einen abendfüllenden Film. Meisel entwickelt aus Leitmotiven für die verschiedenen Protagonisten und Handlungsorte »eine musikalische Kombinatorik, die sich eng der dramatischen Entwicklung und Stimmungskurve anpasste, sie emotional verstärkte, psychologisch ausdeutete und beziehungsreich kommentierte.« (Lothar Prox) Bei der Premiere wird das Kino-Orchester im Ufa-Palast durch zahlreiche Percussion-Instrumente ergänzt. Erhalten hat sich ein Klavierauszug, der in den ersten beiden Akten auch Hinweise auf die ursprüngliche Instrumentierung enthält. 1927 folgt Meisels bis dahin größtes Projekt: BERLIN. DIE SINFONIE DER GROSSTADT von Walther Ruttmann. Meisel trifft auf einen Regisseur, der selber Musiker ist und alle seine Filme nach musikalischen Prinzipien gestaltet. Meisel wird schon bei der Herstellung des Films hinzugezogen und verkündet enthusiastisch: »In idealer Weise gehen hier zum ersten Male von vornherein Film und Musik Hand in Hand, entsteht ein Werk in gemeinsamer Arbeit von Regisseur und Komponist.« Meisel fängt mit einem Orchester von mehr als 70 Musikern den Großstadtlärm ein, erschafft ein wirkungsvolles, teils atonales Mosaik aus Rhythmus und Klang, welches sich in seiner Kontrapunktik gut und gern zwischen Werken von Webern, Berg und Hindemith einreihen kann. Laut Meisel hat Ruttmann »ganze Bildkomplexe im Interesse des Zusammenklingens mit musikalischen Steigerungen aufgenommen und dem Aufbau der Musik mehrmals die Reihenfolge von Bildabschnitten untergeordnet.« Der mit vergleichweise geringem Budget hergestellte Film wird ein Welterfolg und ist heute noch ein einzigartiges Musterbeispiel für die es finden sich kaukasisch klingende Volkstänze und zahllose in Quint-Quart-Parallelen geführte Motive. Kongenial versteht es die Musik, den pochenden Puls der Revolution von der ersten bis zur letzten Minute in treibender Wirkung durchzuhalten. Im Sommer 1928 realisiert Meisel zusammen mit Ruttmann einen 43-minütigen Demonstrations-Tonfilm für die Internationale Rundfunktagung in Berlin. Es ist eine Art »akustische Deutschlandschau«, die Bilder aus neun deutschen Städten zeigt, sofern sie »akustisch interessant sind«. Auf die in den Annoncen herausgestellte Musik von Meisel gehen die Kritiken nicht ein, sondern berichten fast ausnahmslos nur von den beeindruckenden »Naturtönen«. Der Film ist leider nicht erhalten, ebenso wie Meisels zweite Arbeit für den Tonfilm, die in London erstellte englische Tonfassung des deutschen Stummfilms DER ROTE KREIS (1929), der auf einem Roman von Edgar Wallace basiert. Eine Werbeanzeige führt Meisel als verantwortlich für »Original Musical Composition, Synchronization & Sound Effects« auf und wirbt mit den Worten »Dialogue! Synchronized! Sound Effects!« Meisel ist für die ganze Tonspur verantwortlich bis auf die Dialogaufnahmen, bei denen Sinclair Hill Regie führt. Der Tonfilm zwingt mit seinen ungleich höheren Produktionskosten kleine Produktionsfirmen zum Aufgeben. Die prometheus begeht einen anderen Weg: Sie versucht, ihren erfolgreichsten Stummfilm, PANZERKREUZER POTEMKIN, als Tonfilm neu herauszubringen. Für die »Vertonung« werden die Zwischentitel entfernt edmund Meisel enge Verzahnung von Bild und Ton im Stummfilm, das von vielen Musikvideos nachgeahmt wird. Mit Eisenstein sucht Meisel engen Kontakt, um für dessen mit großem Aufwand gedrehte Auftragsproduktion zum 10. Jahrestag der Revolution von OKTJABR’ die Premierenmusik zu schreiben. Als er ihn im November 1927 in Moskau besucht, ist Eisenstein noch mit dem Schnitt seines Films beschäftigt, der nicht rechtzeitig zum Jubiläum fertig geworden ist. Meisel sieht eine Arbeitsfassung des Films, nach der er seine Musik vorbereitet. Als er im März 1928 auf ein Telegramm von Eisenstein hin wieder nach Moskau reist, um die Musik für die Uraufführung von OKTJABR’ einzurichten, muss er feststellen, dass sich der fertiggestellte Film von der ersten Fassung stark unterscheidet. Meisel muss seine Partitur umarbeiten und Abstriche in Bezug auf Orchesterstärke, Probenanzahl und Honorar hinnehmen. Letztendlich erhält er dann trotzdem eine Absage von der Produktionsfirma Sovkino, weil »Reklame und Proben zu teuer wären« (Meisel). Die deutsche Fassung wird von Piel Jutzi überarbeitet und unter dem Titel ZEHN TAGE, DIE DIE WELT ERSCHÜTTERTEN erst drei Tage vor der Premiere am 2. April 1928 freigegeben. Meisel muss seine Partitur in kürzester Zeit der deutschen Fassung anpassen. Die Premiere, bei der er das 70-Mann-Orchester des Tauentzienpalasts selber dirigiert, erregt den Zorn einiger Kritiker: »Musik von gewisser kühner Modernität hat für ihren Urheber neben anderen Vorteilen den, dass nur wer die Noten verfolgt, sagen kann, ob richtig oder falsch gespielt wird. Das kompakte Gedröhn des fast ständig in solidarischem Tutti arbeitenden Orchesters geht über filmisches Detail meist hinweg. Tausend Takte, die das Trommelfell erschütterten. Erinnerung an empfindliches körperliches Missbehagen. Das aber, hol’s der Teufel, ist weder Zweck der Filmmusik noch der Musik überhaupt.« (Franz Wallner) Klaus Pringsheim bringt es in seinem polemischen Verriss auf die Formel »Musik oder Meisel?« Die positiven Bewertungen durch andere, die Meisels effektvolle und intensive Musik loben, gehen dabei unter. Aus heutiger Sicht ist Meisels Komposition für ZEHN TAGE, DIE DIE WELT ERSCHÜTTERTEN eine der interessantesten Partituren der Filmgeschichte überhaupt. Hinter dem überwiegend marschartigen Charakter verbirgt sich ein filigraner Aufbau und eine bestechende, teils leitmotivisch aufgebaute Struktur. Ironische Verzerrungen (bei Kerenskij), musikalische Parodien (Operettenanklänge oder die verballhornte »Marseillaise«) und süßliche Passagen (zu Rodins »Le Printemps«) wechseln sich mit gröbstem bruitistischem Ein-Ton-Marschgestampfe ab, 63 edmund Meisel 64 edmund meisel und die lewis-Ruth-band und stattdessen die Dialoge und Sprechchöre unter der Regie von Alois Johannes Lippl von Schauspielern der Piscator-Bühne zusammen mit der von Meisel live dirigierten Musik im Studio auf Schallplatten aufgenommen. Diese Schallplatten können im Kino synchron zur Filmprojektion abgespielt werden, allerdings in Tonfilmgeschwindigkeit. Da diese schneller ist als die ursprüngliche Projektionsgeschwindigkeit für Stummfilme, dauert der bereits um die Zwischentitel gekürzte Film nur noch 49 Minuten. Edmund Meisel beschreibt die Vorgehensweise bei den Tonaufnahmen: »Die Hauptaufgabe, über die Tonregisseur und Komponist sich einig waren, bestand darin, Sprache wie Ton zu stilisieren. An Stelle der Titel, die naturgemäß fortfielen, ist eine telegrammwortartige Erläuterung getreten. Wort und Musik werden stimmungsgemäß verwandt: mitunter zusammen, dann auch getrennt.« Die restaurierte Tonversion ist ein einzigartiges Dokument, weil es die einzige originale Aufnahme der von Meisel komponierten, orchestrierten und dirigierten Musik ist, die zudem im Zusammenspiel mit den Sprechaufnahmen einen Eindruck der Tongestaltung im Piscator-Stil gibt. Kurz vor seinem Tod arbeitet Meisel in fünf Tagen eine Orchester-Musik für den von der prometheus verliehenen russischen Stummfilm GOLUBOJ EKSPRESS (DER BLAUE EXPRESS) von Ilja Trauberg für die 13-köpfige Lewis-Ruth-Band aus, die er am 20. Oktober 1930 im Mozartsaal selbst dirigiert. Es ist eine anachronistische Veranstaltung: Mit der Jahreswende 1929/30 haben alle Berliner Kinos auf Tonfilm umgestellt, und Stummfilme werden, wenn überhaupt, in vertonten Fassungen ohne Orchester aufgeführt. Ironisch ist deshalb die Schlagzeile in der licht-bild-bühne am nächsten Tag zu verstehen: »Sensationelle Erfindung: Stummfilm mit Orchester!« Die quäkenden Lautsprecher in den Tonfilmtheatern und zahlreiche Pannen bei Tonfilmaufführungen lassen tatsächlich viele Kritiker und Teile des Publikums den guten alten Zeiten nachtrauern. Meisels Musik wird sehr positiv bewertet, die Kritiker heben seine Abkehr von der rhythmischen Geräuschmusik zu mehr »lyrischen« und »emotionalen« Momenten hervor. Damit der Film auch in Tonfilmtheatern ohne Orchester programmiert werden kann, spielt Meisel seine Musik mit der Lewis-Ruth-Band in 14 Stunden auf Schallplatte ein. Unmittelbar danach wird bei ihm im Krankenhaus eine verschleppte Blinddarmentzündung diagnostiziert. Nach einer Notoperation verstirbt er am 14. November 1930. Abel Gance verwendet die Tonaufnahmen von Meisel für die Erstellung einer französischen, stark bearbeiteten Tonfassung von DER BLAUE EXPRESS, die 1931 unter dem Titel LE TRAIN MONGOL anläuft. Hier kann man Meisels letzte Musik hören, das »einzige signifikante Zeugnis von Meisels Stilwandel im Jahr 1930.« (Fiona Ford) Stefan Drößler / Richard Siedhoff In der Edition Filmmuseum ist eine Doppel-DVD erschienen mit verschiedenen Versionen der Filme, die Edmund Meisel für Sergej Eisenstein vertont hat, und mit ausführlichem weiterführenden Material zu Edmund Meisel und seiner Musik. Die DVD ist für 29,95 Euro an der Kinokasse und im Museumsladen erhältlich. Bronenosec Potemkin (Panzerkreuzer Potemkin) | SU 1925 / D 1926 | R+B: Sergej Eisenstein | Deutsche Bearbeitung: Piel Jutzi | K: Eduard Tissé | M: Edmund Meisel, orchestriert von Helmut Imig | D: Aleksandr Antonov, Grigorij Aleksandrov, Vladimir Barskij, Michail Gomorov, Beatrice Vitoldi | 70 min | dtF | Um der deutschen Zensur zu entgehen, wurde das Geschehen in der deutschen Fassung als eine auf historischen Dokumenten beruhende Tatsachengeschichte eingeführt, wurden einige Szenen umgestellt, die Fünf-Akte-Struktur des Originals in sechs Akte aufgelöst und der Film um etwa fünf Minuten gekürzt. Die rhythmische Begleitmusik von Meisel entstand laut Eisenstein in »schöpferischer Gemeinschaft« und »freundschaftlicher Zusammenarbeit« und war für die große Wirkung des Films essentiell: »Erstmalig wurden Rhythmus und Bildtempo des Films durch das Akustische ergänzt und miteinander zur Einheit verschmolzen.« (Film-Kurier) ▶ Dienstag, 26. Mai 2015, 21.00 Uhr Der heilige Berg | D 1926 | R+B: Arnold Fanck | K: Hans Schneeberger, Helmar Lerski, Sepp Allgeier | M: Edmund Meisel | D: Leni Riefenstahl, Luis Trenker, Ernst Petersen, Frida Richard | 106 min | Ein Drama in den Bergen zwischen zwei Freunden, die beide in die Tänzerin Diotima verliebt sind. »Ich hatte sogleich das ▶ Dienstag, 2. Juni 2015, 21.00 Uhr | am Flügel: Richard Siedhoff Berlin. Die Sinfonie der Großstadt | D 1927 | R: Walther Ruttmann | B: Walther Ruttmann, Karl Freund | K: Reimar Kuntze, Robert Baberske, László Schäffer | M: Edmund Meisel, orchestriert von Bernd Thewes | 65 min | »Ich habe mich bemüht, mit möglichst großer Objektivität den Rhythmus und die Melodie jedes Vorganges dieses schon an sich musikalisch aufgebauten Filmes niederzuschreiben. Aus der wellenförmigen, periodischen Urform entsteht in maschinellem Rhythmus das Leitmotiv BERLIN, das sich als Versinnbildlichung des Panoramas zum Bläserchoral weitet – VierteltonAkkorde der schlafenden Stadt – Arbeitsmarsch – Maschinenrhythmus – Schulkindermarsch – Bürorhythmus – Verkehrsrhythmus – Kontrapunkt des Potsdamer Platzes – Mittagschoral der Großstadt – Verkehrsfuge – kontrapunktisches Stimmgewirr – Sportrhythmus – Signalmusik der Lichtreklamen – Tanzrhythmus – Steigerung aller Großstadtgeräusche in kontrapunktischer Durchführung der Hauptthemen zur Schlussfermate BERLIN.« (Edmund Meisel) ▶ Dienstag, 9. Juni 2015, 21.00 Uhr Oktjabr’ (Zehn Tage, die die Welt erschütterten) | SU 1928 | R+B: Sergej Eisenstein, Grigorij Aleksandrov | K: Eduard Tissé | M: Edmund Meisel, orchestriert von Bernd Thewes | D: Nikolaj Popov, Vasilij Nikandrov, Boris Livanov, Nikolaj Podvojskij | 116 min | OmU | »Die Musik zu ZEHN TAGE, DIE DIE WELT ERSCHÜTTERTEN war den meisten zu lärmend, zu gewaltsam. Sie war voller Disharmonien. Aber diese Musik entsprach ganz dem Film, dem sie galt. Meisel war ja ein Musikant, der gewissermaßen mit den Augen komponierte, der einzige geborene Filmmusiker.« (Leo Hirsch) »Die Musik hat den Zweck, den Zuhörer scharf auf den Film zu konzentrieren. Sie muss ihn erschüttern und aufpeitschen, ihre Klangstärke kann nicht groß genug sein. Sie muss das Publikum führen und ist zu verurteilen, wenn sie dieser Aufgabe nicht nachkommt und durch gefälliges Nebenhermusizieren die Aufnahmefähigkeit des Publikums sterilisiert!« (Sergei Eisenstein) ▶ Dienstag, 16. Juni 2015, 21.00 Uhr Bronenosec Potemkin (Panzerkreuzer Potemkin) | SU 1925 / D 1930 | R+B: Sergej Eisenstein | Deutsche Bearbeitung: Piel Jutzi, Alois Johann Lippl | K: Eduard Tissé | M: Edmund Meisel | D: Aleksandr Antonov, Grigorij Aleksandrov, Vladimir Barskij, Michail Gomorov, Beatrice Vitoldi | 49 min | dtF | Tonfassung mit Originalmusik, Geräuschen, Stimmen und Chören. »Man erlebt den Film, als ob man ihn jetzt zum ersten Mal sehen würde.« (Die rote Fahne) – Goluboj ekspress (Le train mongole | Der blaue Express) | SU 1929 / F 1932 | R: Ilja Trauberg | B: Leonid Jerichonov, Ilja Trauberg | Französische Bearbeitung: Abel Gance | K: Boris Chrennikov | M: Edmund Meisel | D: Sergej Minin, Igor Černjak, Ivan Arbenin, Jakov Gudkin, Ivan Savelëv, San Bo yan | 57 min | OmU | Die kurz vor seinem Tod von Meisel selber aufgenommene Musik mit Geräuscheffekten für DER BLAUE EXPRESS wurde von Abel Gance für die Herstellung einer französischen Tonfassung benutzt. ▶ Dienstag, 23. Juni 2015, 21.00 Uhr edmund Meisel musikalische Bild der tragischen Handlung im Rahmen des unheimlichen, majestätischen Naturhymnus der Berge, der das ganze Werk beherrscht. In genauer Übereinstimmung mit der Filmhandlung entstand dann die Komposition: Das weiblich süße, tänzerische Thema der Diotima, das männlich harte, problematische Thema des Bergsteigers und das jugendlich weiche, schwärmerische Thema Vigos griffen ineinander. Bis ins kleinste dieselbe Handlung und derselbe Rahmen im Film wie in der Musik, dort in Bildern – hier in Tönen. So baute ich den neuen Stil in meiner Musik: Das Film-Musikdrama.« (Edmund Meisel) 65 Paul Thomas anderson paul Thomas anderson bei den Dreharbeiten zu inheRenT vice Die Filme von Paul Thomas Anderson 66 Die mythische Dimension In seinen Filmen, darin sind sie sehr amerikanisch, scheint alles möglich. Oder genauer: Sie schließen auch das Unmögliche nicht aus. Unter den Regisseuren seiner Generation ist er der große, wenngleich skeptische Romantiker. Er ist ein Hasardeur, der hohe Risiken nicht scheut. Das hat er mit den Berufsspielern in seinem Langfilmdebüt HARD EIGHT (1996) gemeinsam. Aber ebenso wie sie rechnet Paul Thomas Anderson stets auch mit der Wahrscheinlichkeit. In MAGNOLIA (1999) legt er sich Rechenschaft ab über den eigenen erzählerischen Wagemut. Da versucht der Pfleger eines sterbenden Fernsehproduzenten dessen verlorenen Sohn ausfindig zu machen. Der Vater will ihn ein letztes Mal sehen und sich mit ihm versöhnen; er hofft verzweifelt auf dessen Vergebung. »Ich weiß, das klingt wie eine Filmszene«, sagt der Pfleger am Telefon, als er die richtige Fährte gefunden hat. »Wenn das in einem Film passierte, würden wir es für unglaubwürdig halten«, räumt er ein, »aber ich glaube, es gibt solche Szenen in Filmen, weil sie wahr sind.« Der Film ist ein Plädoyer für die Wahrhaftigkeit selbst der haarsträubendsten Fügungen. Gleich zu Beginn argumentiert er mit einer Revue bizarrer Todesfälle, die sich indes tatsächlich ereignet haben. So stimmt er den Zuschauer darauf ein, fortan mit allem zu rechnen. Raffiniert verknüpft Anderson verschiedene Schicksale, lässt Lebenswege sich dramatisch überschneiden. Schon in seinem vorangegangenen Film BOOGIE NIGHTS (1997) hat er mit einer solch kühnen Verknüpfung von Geschichten experimentiert: Da entscheidet sich das Schicksal einer ganzen Reihe von Figuren innerhalb weniger Filmminuten an einer einzigen Straße. Anderson ist, wie sein Freund und Mentor Robert Altman, ein Meister des erzählerischen Zusammenhalts. Das gilt auch für sein Werk: Obwohl die Filme ihren Blick in höchst unterschiedliche Milieus versenken, knüpfen sie doch regelmäßig aneinander an. Jeder liefert Antworten auf Fragen, die seine Vorgänger aufgeworfen haben. Mitunter sind diese Verbindungen offensichtlich: Der Name des hoffnungsvollen Pornodarstellers Dirk Diggler aus BOOGIE NIGHTS taucht schon im Titel seines ersten Kurzfilms von 1988 auf. Zuweilen sind die Anknüpfungen aber auch verschwiegen. Thomas Pynchon, der die Vorlage zu Andersons jüngstem Film INHERENT VICE (2014) schrieb, beeinflusste bereits die Zeichnung des Seemanns in THE MASTER (2012). Bibelzitate ziehen sich als heimliches Leitmotiv durch sein Werk: Der Froschregen am Ende von MAGNOLIA geht ebenso auf den Exodus zurück wie der Titel seines folgenden Films, THERE WILL BE BLOOD (2007). heit besiegelt, die seine Charaktere an neuralgischen Punkten der Erzählung entwickeln. Männer unter Einfluss Sein Blick ist nicht nur durch die Filmgeschichte geschärft. Zwar greift er in seiner Figurenzeichnung gern auf amerikanische Archetypen wie den Prospektor (THERE WILL BE BLOOD), den Cop (MAGNOLIA), den Privatdetektiv (INHERENT VICE) und den schüchternen Sonderling der screwball comedy zurück, der sich durch die Liebe verwandelt (PUNCH-DRUNK LOVE). Aber Anderson erkundet die Gültigkeit von Erzählkonventionen, etwa des Melodrams, stets aus der Perspektive ihrer gesellschaftlichen und historischen Zusammenhänge. Er unterzieht die großen amerikanischen Mythen einer aktuellen Prüfung. Seine Filme hinterfragen den Pionier- und Unternehmungsgeist seiner Landsleute. Ihren Geschäftssinn, man denke nur an die kuriosen Tauschgeschäfte in HARD EIGHT oder PUNCHDRUNK LOVE, lotet er bisweilen mit vergnügter Ironie aus. Das Senkblei stößt aber auch in die Tiefen der Korruption von Idealen (oder der Landschaft, wie in THERE WILL BE BLOOD) vor. Das kardinale Thema seines Kinos, auch darin ist es sehr amerikanisch, ist das Versprechen von Erfolg und Glück. Seine Dramaturgie folgt dem Rhythmus von Verlockung und Entzauberung. Es summiert sich zu einem vielgestaltigen Bildungsroman. Dessen Originalität liegt nicht zuletzt darin, dass Anderson Liebesgeschichten zwischen Männern erzählt. Sie spielen von Anfang an durchaus mit der Möglichkeit eines erotischen Interesses – in BOOGIE NIGHTS und MAGNOLIA etwa bleibt homosexuelles Begehren unerwidert. Wie Männer ein Auge aufeinander werfen, verliert jedoch nie an Vieldeutigkeit. Seine frühen Protagonisten schlittern orientierungslos durchs Leben. Sie sind Verführbare, die eine Vaterfigur finden müssen. Sie brauchen eine Instanz, die ihren Ehrgeiz weckt und ihnen zeigt, welchen Platz sie in der Welt einnehmen wollen. Diese Rolle und Verantwortung weist Anderson charismatischen, wortgewandten Mentoren zu. Am Anfang dieser Figurengalerie steht der alternde Spieler aus HARD EIGHT, der nicht von ungefähr den Kosenamen »Captain« trägt; sie kulminiert in der Titelfigur von THE MASTER, die dem Scientology-Gründer L. Ron Hubbard nachempfunden ist. Sie verheißen Läuterung und Erfolg. Ihnen ist selten zu trauen. Dennoch verweigert Anderson auch diesen Charakteren nicht sein Interesse und seine Zuneigung: Er schließt die Möglichkeit nicht aus, dass diese Scharlatane an das glauben, was sie predigen. Gerhard midding Paul Thomas anderson Ein gelehriger Meister Dieses Streben nach Kontinuität prägt auch seine Arbeitsweise. Mit Ausnahme von THE MASTER hat Robert Elswit jeden seiner Filme fotografiert und kraft seines realistischen Stils die Geschehnisse auf der Leinwand so zusätzlich beglaubigt. Seit einigen Jahren verpflichtet er regelmäßig Jonny Greenwood als Komponisten. Vor der Kamera hat er eine regelrechte stock company versammelt, der John C. Reilly und Philip Baker Hall angehören; bis zu seinem Tod spielte Philip Seymour Hoffman in jedem Film mit. Julianne Moore, William H. Macy, Luis Guzman, Alfred Molina und nun Joaquin Phoenix spielten aufeinanderfolgende Rollen bei ihm. Diese Etablierung eines zuverlässigen Darstellerensembles hat ruhmreiche Vorbilder in der Filmgeschichte – man denke nur an John Ford oder Orson Welles. Tatsächlich ist der 1970 geborene Paul Thomas Anderson ein ausgesprochen cinéphiler Regisseur, der bei jedem neuen Projekt das Filmerbe im Blick behält. In THERE WILL BE BLOOD haben Klassiker wie GREED, CITIZEN KANE, THE TREASURE OF THE SIERRA MADRE, ELMER GANTRy und nicht zuletzt GIANT (der Film wurde zum großen Teil auf derselben Farm in Marfa, Texas gedreht wie George Stevens’ Epos) ihre Spuren hinterlassen. Aber auch unbekanntere Filme wie BOOM TOWN und TULSA zog Anderson zu Rate, um sich ein Bild zu machen von den Anfängen der Ölförderung in den USA. Am stärksten hat ihn freilich das New Hollywood geprägt. Robert Altman stand Pate für das Mosaik urbaner und familiärer Zusammenhänge in MAGNOLIA. Andersons Faible für lange, sich beharrlich an die Fersen von Figuren heftende Kamerafahrten ist zweifellos von Martin Scorsese beeinflusst. Auch die Aufmerksamkeit der Montage für atmosphärisch bezeichnende Details verrät diese Schule. (Es versteht sich fast von selbst, dass Anderson im Vorstand von Scorseses film foundation sitzt, die sich der Bewahrung des Filmerbes widmet.) Bei der Vereinnahmung von Stileinflüssen lässt es der Regisseur indes nicht bewenden. Seine Filme entwickeln ihren eigenen inszenatorischen Elan. Die ausdauernden travellings und Plansequenzen, in denen er seine Charaktere ins Auge fasst, sind noch eine Spur kühner als ihre Vorbilder (in BOOGIE NIGHTS folgt die Kamera einer Figur sogar einmal in einen Pool und tummelt sich im Wasser). Zu Andersons Markenzeichen gehören überraschende Schnitte, die unterschiedliche Schauplätze nahtlos miteinander verbinden, sowie eine Dynamisierung der Montage, deren rasche Schnittfolge die Entschlossen- 67 Hard Eight (Last Exit Reno) | USA 1996 | R+B: Paul Thomas Anderson | K: Robert Elswit | M: Michael Penn, John Brion | D: Philip Baker Hall, John C. Reilly, Gwyneth Paltrow, Samuel L. Jackson, F. William Parker | 102 min | OF | Der Einzelgänger John versucht, für die Beerdigung seiner Mutter Geld in einem Spielcasino aufzutreiben, und begegnet dem erfahrenen Profispieler Sydney, der ihn in das professionelle Casinoleben einführt. Über die Jahre etabliert sich eine Art VaterSohn-Beziehung. Doch Johns Liebe zu einer Casinoangestellten und eine dubiose Geiselnahme stellen ihr bisheriges Leben auf eine Probe. »In seinem Regiedebüt gelingt es Paul Thomas Anderson, die Vereinsamung eines Mannes und seine stille Melancholie aufzuzeigen und dahinter einen starken Willen durchschimmern zu lassen – den Willen, eine persönliche Lebensschuld abzutragen. Eine episch erzählte Geschichte mit Thrillerelementen.« (Anselm Jungeblodt) 68 Boogie Nights | USA 1997 | R+B: Paul Thomas Anderson | K: Robert Elswit | M: Michael Penn | D: Mark Wahlberg, Julianne Moore, Burt Reynolds, Don Cheadle, John C. Reilly | 155 min | OmU | Der Aufstieg und Fall eines jungen Pornodarstellers zwischen Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre. Drogensucht und Größenwahn zerstören ihn, das Aufkommen von Videorekordern und die Angst vor AIDS verändern die Branche. »So wie Robert Altman seit Ende der 1960er Jahre seine Figuren stets als Ensemble, als Kollektiv begriff und als solche auch darstellte, in Gruppenbildern und mit Hilfe seines berühmten Mehrspurtonverfahrens, so versetzt sich Anderson mit ähnlichen filmischen Mitteln zurück in diese Zeit, Split Screen und Ringblenden inklusive. Aber die Beiläufigkeit hat Methode und Raffinesse; zugleich verweigert sich der Film sämtlichen melodramatischen oder auch komödiantischen Effekten, hat dennoch Gefühl und Witz.« (Oliver Rahayel) ▶ Sonntag, 7. Juni 2015, 21.00 Uhr Magnolia | USA 1999 | R+B: Paul Thomas Anderson | K: Robert Elswit | M: John Brion, Fiona Apple, Aimee Mann | D: Jason Robards, Julianne Moore, Tom Cruise, Philip Seymour Hoffman, Philip Baker Hall | 193 min | OmU | Ein Tag und eine Nacht im Leben von neun Personen im San Fernando Valley, deren Schicksale miteinander verknüpft sind. Ein episodisch strukturierter Film mit einer Fülle von Geschichten und Charakteren, in deren Mittelpunkt die Frage nach der Schuld der Väter steht. »Paul Thomas Anderson kann schon alles. Nur Maß halten kann er nicht. Die Maßlosigkeit hat allerdings auch einen großen Vorteil. Anderson kann sich nicht satt sehen an seinen Schauspielern. Sie dürfen sich austoben wie ihr Regisseur, der ihnen dafür Platz schafft, Ruhezonen, in denen viel zu sehen und zu genießen ist, noch mitten im Crescendo der Parallelmontagen. Fast wird darin die Maßlosigkeit an sich selbst kuriert.« (Merten Worthmann) ▶ Freitag, 12. Juni 2015, 21.00 Uhr ▶ Samstag, 6. Juni 2015, 21.00 Uhr The Dirk Diggler Story | USA 1988 | R+B+K: Paul Thomas Anderson | D: Michael Stein, Robert Ridgely, Eddie Delcore, Rusty Schwimmer | 32 min | OF – Cigarettes & Coffee | USA 1993 | R+B: Paul Thomas Anderson | K: Vincent Baldino | D: Kirk Baltz, Philip Baker Hall, Scott Coffey, Kim Gillingham, Miguel Ferrer | 24 min | OF – Videokopien von zwei frühen Kurzfilmen von Paul Thomas Anderson, die Vorstudien für spätere Spielfilme darstellen: Die fiktive Dokumentation THE DIRK DIGGLER STORy über die an John Holmes angelehnte Biografie eines Pornodarstellers in den 1970er punch-DRunK love Paul Thomas anderson ▶ Freitag, 5. Juni 2015, 21.00 Uhr Jahren wurde umgearbeitet in BOOGIE NIGHTS, wobei Anderson das Ende des Films veränderte. CIGARETTES & COFFEE, die Geschichte von fünf Leuten, deren Leben durch einen 20-Dollar-Schein miteinander verbunden werden, lief 1993 beim Sundance film festival, wo Anderson ein Jahr später zu einem Workshop eingeladen wurde, um aus dem Kurzfilm den abendfüllenden Film HARD EIGHT zu entwickeln. ▶ Samstag, 13. Juni 2015, 21.00 Uhr A Prairie Home Companion (Robert Altmans Last Radio Show) | USA 2006 | R: Robert Altman | B: Garrison Keillor | K: Edward Lachman | D: Meryl Streep, Lily Tomlin, Woody Harrelson, Tommy Lee Jones, Garrison Keillor, Kevin Kline | 103 min | OmU | Paul Thomas Anderson wurde von der Produktionsfirma als (ungenannter) Co-Regisseur verpflichtet, um Robert Altman bei seinem letzten Film zu unterstützen, einer liebevollen Hommage an die legendäre, reale Live-Radio-Show »A Prairie Home Companion« von Garrison Keillor. Im Film strömen die Fans wie immer am Samstagabend in das Fitzgerald Theater in Minnesota, ohne zu wissen, dass es die letzte sein wird. Die Show wurde an ein texanisches Unternehmen verkauft, das sie in Zeiten des Fernsehens einstellen will. Während der letzten Sendung findet die Crew noch einmal zusammen, zeigt auf der Bühne komische und musikalische Nummern, tauscht hinter den Kulissen Erinnerungen aus und blickt wehmütig, aber nicht resigniert in die Zukunft. ▶ Sonntag, 14. Juni 2015, 21.00 Uhr There Will Be Blood | USA 2007 | | R+B: Paul Thomas Anderson, nach dem Roman »Oil!« von Upton Sinclair | K: Robert Elswit | M: Jonny Greenwood | D: Daniel DayLewis, Paul Franklin Dano, Kevin J. O’Connor, Ciarán Hinds, Dillo Freasier | 158 min | OmU | Ein amerikanischer Öl-Magnat legt in den 1920er Jahren den Grundstein zu seinem materiellen Glück, dem er alles andere opfert. Die monumentale Romanverfilmung über den amerikanischen Gründungsmythos legt die Wechsel- haftigkeit zwischen Zivilisation und Barbarei offen. »Andersons Film handelt von der Psychologie des Fortschritts, mit der der frisch eroberte amerikanische Westen kolonisiert und verwandelt wurde, von Menschen, die keinen Stein auf dem anderen lassen, deren Schöpfungswerk eine große Zerstörungskraft enthält, deren Wille zur Macht von (Selbst-)Hass gespeist ist. Er handelt von einem Menschentypus, den Nietzsche »Übermensch« genannt hatte.« (Rüdiger Suchsland) ▶ Freitag, 19. Juni 2015, 21.00 Uhr The Master | USA 2012 | | R+B: Paul Thomas Anderson | K: Mihai Malaimare jr. | M: Jonny Greenwood | D: Philip Seymour Hoffman, Joaquin Phoenix, Amy Adams, Laura Dern, Barlow Jacobs | 144 min | OmU | Freddie, ein psychisch gestörter Ex-Soldat aus dem Zweiten Weltkrieg, begegnet im Amerika der 1950er Jahre Lancaster Dodd, der den Menschen die Welt erklärt und sich als Träger von besonderem spirituellem Wissen sieht. Freddie wird sein unterwürfigen Diener und kritikloser Gefolgsmann. »Wir erfahren in diesem Film über die Protagonisten nicht mehr als sie von sich preisgeben, das ist widersprüchlich, manchmal gelogen, vor allem lückenhaft. Und gerade weil ihre Figuren nicht zu Ende erklärt sind, können die beiden Hauptdarsteller eine solche Intensität auf der Leinwand entwickeln. Phoenix und Hoffman spielen zwei Männer, die sich selber nicht verstehen, die bohren und suchen, in sich und im anderen.« (Georg Seeßlen) ▶ Samstag, 20. Juni 2015, 21.00 Uhr Inherent Vice (Natürliche Mängel) | USA 2014 | R+B: Paul Thomas Anderson, nach dem Roman von Thomas Pynchon | K: Robert Elswit | M: Jonny Greenwood | D: Joaquin Phoenix, Josh Brolin, Owen Wilson, Katherine Waterston, Reese Witherspoon | 148 min | OmU | Der ständig zugedröhnte Privatdetektiv Larry »Doc« Sportello will zusammen mit seiner Ex-Freundin Shasta verhindern, dass ein reicher Unternehmer entführt und in eine psychiatrische Anstalt gesteckt wird. »In INHERENT VICE brodelt der Geist und der Atem der 1970er Jahre und eine unheimliche Voraussicht der heutigen Realitäten, vom Misstrauen gegenüber der Polizei bis hin zum aufkeimenden Überwachungsstaat. Paul Thomas Anderson hat in seinen Filmen Los Angeles schon aus jeder Perspektive und in jeder Ära gezeigt. INHERENT VICE entwickelt sich so organisch, so elegant und mit humanistischen Akzenten, dass selbst in den haarsträubendsten Momenten die Zuschauer bei der Stange bleiben.« (Ann Hornaday) ▶ Sonntag, 21. Juni 2015, 21.00 Uhr Paul Thomas anderson Punch-Drunk Love | USA 2002 | R+B: Paul Thomas Anderson | K: Robert Elswit | M: John Brion | D: Adam Sandler, Emily Watson, Philip Seymour Hoffman, Luis Guzmán, Lisa Spector | 95 min | OmU | Der Geschäftsmann Barry Egan sieht sich in die Rolle des neurotischen Außenseiters hineingedrängt. Eines Tages lernt er Lena kennen. »Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist bei Anderson kein Versprechen, sondern eine Drohung. Dass alles möglich ist, kann eben entweder bedeuten, dass ein Auto auf einer leeren Straße verunglückt, oder dass aus heiterem Himmel ein Harmonium auftaucht. Dass entweder eine zauberhafte Frau kommt und Barry bittet, auf ihr Auto aufzupassen, oder dass ein unbedachtes Wort beim Rendezvous mit derselben Frau dazu führt, dass sich der Held auf die Toilette entschuldigt und dort in einem Anfall die Einrichtung zertrümmert. Das Glück und der Schrecken liegen bei Anderson immer so nahe beieinander, dass man sie oft nicht voneinander unterscheiden kann.« (Michael Althen) 69 Zuschauerkino Zuschauerkino ? 70 Beim Zuschauerkino des Münchner Filmzentrums e.V. (MFZ) können Laien, Enthusiasten und Profis zweimal im Jahr ihre Filme auf der Leinwand des Filmmuseums einem interessierten Publikum präsentieren und sich mit anderen Filmemachern vernetzen. Vor jedem Film erzählen Beteiligte von Hintergründen, Entstehungsgeschichte oder Besonderheiten ihres Werks. Im Anschluss an die Vorführung bietet das MFZ eine Begegnungsmöglichkeit, damit alle Anwesenden miteinander ins Gespräch kommen und sich austauschen können (für Erfrischungen ist gesorgt). Filme einreichen können alle, die einen Kurzfilm gedreht haben, unabhängig von Inhalt oder Format des Films, ob Spielfilm oder Dokumentation, Real-, Kunstoder Animationsfilm. Das MFZ wählt unter den eingereichten Filmen aus und stellt ein etwa anderthalbstündiges Programm zusammen. Die Filme müssen bis zum Donnerstag, den 4. Juni 2015 im Filmmuseum eingereicht werden. Möglich sind die Formate 35mm, 16mm, DigiBeta, BetaSP, DVD-Video, Blu-ray und DCP. Dateien wie mov, mp4 etc. müssen auf USB-Stick oder Festplatte vorliegen (keine Speicherkarten oder Downloadlinks). Zugelassen werden nur Filme bis zu 12 Minuten Länge. Alle Einreichenden, deren Filme im Programm gezeigt werden, können an der Kasse bis zu fünf Freikarten für den Zuschauerkino-Filmabend erhalten. Darüber hinaus bestehen keine weiteren Verpflichtungen des Filmmuseums. Es wird vorausgesetzt, dass die Filmemacher über die Rechte an den von ihnen eingereichten Filmen verfügen und diese am Abend vor der Projektion kurz vorstellen. Kontakt: Post (Filmmuseum München, St.-JakobsPlatz 1, 80331 München), Telefon (089-233 27718), E-Mail (zuschauerkino@yahoo.de). Gruppenbild vom letzten Zuschauerkino im Filmmuseum am 11. Dezember 2014. ▶ Donnerstag, 18. Juni 2015, 19.00 Uhr | Die Filme- macher sind anwesend Vanda, Ventura und die anderen Pedro Costa ist am Ort geblieben: Fontainhas. Zwei Jahrzehnte schon. Selbst wenn es diesen Ort nicht mehr gibt, die lebenswelt, die er dort angetroffen hat, existiert weiter – weil es ja die Menschen gibt. Die leben verstreuter und bestimmt noch desperater als vorher, aber sie sind da. Man muss sie nur, wie Costa, wahrnehmen, sich ihnen zuwenden – ihnen so begegnen, dass sie sich in dem, was sie sind und wie sie sind, ausdrücken können. Vielleicht wird das Filmemachen für sie (für einige von ihnen) sogar eine Art Rückhalt – wie auch sie für Costa und seine Filme ein Rückhalt (eine Gelegenheit, sich kinematografisch neu zu erfinden) geworden sind: OSSOS (HAUT UND KNOCHEN, 1997), NO QUARTO DA VANDA (IN VANDAS ZIMMER, 2000), JUVENTUDE EM MARCHA (JUGEND VORAN!, 2006), CAVALO DINHEIRO (HORSE MONEy, 2014). Die Kurzfilme: TARRAFAL (2007), O NOSSO HOMEM (UNSER MANN, 2010). »Wenn es eine Stunde auf Lissabon regnet, regnet es fünf Stunden auf Fontainhas«, geht das Sprichwort. Zuerst haben sich dort Portugiesen aus dem Norden des Landes angesiedelt, die in Lissabon gescheitert und noch weiter in die Armut abgesunken waren – das Haus, in dem Vanda gelebt hat, ist von ihrem Vater mit Freunden gebaut worden. Afrikanische und arabische Arbeitseinwanderer stießen hinzu, veränderten den Charakter des Viertels: Fontainhas wurde, wie es an den Rändern von Paris der Fall war, ein Bidonville, ohne Elektrizität und Kanalisation. Anfang der 1970er Jahre gab es die erste Immigrationswelle aus Angola, den Kapverden und Guinea-Bissao – Ventura, die Figur, die in Costas späteren Fontainhas-Filmen im Mittelpunkt steht, kam 1972, um auf dem Bau zu arbeiten. Die portugiesische »Nelken-Revolution« vom 25. April 1974 brachte gehörige Verwirrung in das Leben der schwarzen Arbeitsimmigranten – ging diese Revolution doch an ihnen, die in Portugal lebten, völlig vorbei, hatte jedoch gerade auch mit den Ländern (den Kolonien) zu tun, aus denen sie herkamen. Costa sagt, Ventura sei schon bei NO QUARTO DA VANDA im Hintergrund wie ein »Wächter« anwesend gewesen: »Ein sehr höflicher, sehr geheimnisvoller Mensch. Manchmal schaute er aus der Ferne zu, Pedro Costa pedro costa und vitalina varela bei den Dreharbeiten zu cavalo DinheiRo Pedro Costas Fontainhas-Tetralogie 71 Pedro Costa 72 immer mit einem Lächeln. Und das half sehr: diese schweigsame Figur, die mit einem verborgenen Teil der Arbeit des Filmemachers verbunden schien. Du hast Schwierigkeiten, das zu kommunizieren, was du machen willst, und ein Typ, in der Ferne, lächelt. Du hast das Gefühl, der weiß …« In der Folge geht es dann sehr wohl darum, sich diesem Wissen anzunähern – in diese fremde Lebenswelt einzutauchen und im Film etwas davon festzuhalten. Faszinierend deshalb, weil es geschieden ist von dem, was Europa ausmacht – und von Europa (wenn es nicht als »Afrikanismus« dem westlichen Publikum schmackhaft gemacht wird) auch ausgeschieden wird. Costa hält darauf, dass das nicht Verstehbare stehenbleibt: schließlich gibt es kreolische Sätze und Haltungen, die sich gerade nicht ins Verständnis des Portugiesischen und Westlichen fügen. Ein erster Zugang stellte sich für Costa über die Dreharbeiten zu CASA DE LAVA (1994) auf den Kapverden her – und zwar ganz praktisch, indem er gebeten wurde, den Angehörigen, die in Lissabon arbeiteten und eben in Fontainhas lebten, dies und jenes zu übermitteln. Von daher das Motiv des Briefes, der Verbindungen in der Gegenwart herstellen kann, aber auch Erinnerungen beschwört und an Vergangenheitsschätze rührt (wie in CASA DE LAVA selber, dann in JUVENTUDE EM MARCHA: Costa greift hier auf einen Brief von Robert Desnos an youki vom 15. Juni 1944 aus dem Außenlager des KZs Flossenbürg in Flöha / Sachsen zurück). Das Geschriebene kann, wenn Distanz da ist, sich ablösen, sich aufladen mit unausgelebten Gefühlen, verborgenen Gedanken – und geisterhaft werden, ein gespenstisches Eigenleben führen (wie etwa in NIGHT OF THE DEMON (1957) von Jacques Tourneur): Die amtliche, mit Brief und Siegel verfügte Ausweisung wird zum kontagiösen Papier, sobald es persönlich behändigt worden ist. Das Leben der Exilanten hängt an solch nüchternen Dokumenten – Geburt und Tod bezeugend, die eigene Identität, die Arbeitsmöglichkeit –, eine starke Emotion heftet sich daran. (Vitalina, ihre Geburtsurkunde lesend in CAVALO DINHEIRO, rinnen Tränen die Wange hinunter.) Wichtig war für Costa die Entscheidung, sich vom aufwändigen Film auf 35mm mit großem Team (wie noch bei OSSOS) zu verabschieden und sich, ganz auf sich gestellt, dem Langzeitprojekt mit kleiner, digitaler Kamera zuzuwenden, zeitweise mit einem oder zwei Assistenten für Licht und Ton. Das hatte den Vorteil, dass man mit den Protagonisten täglich umgehen und menschliche Verbindungen aufbauen konnte, sich einen richtiggehenden Arbeitstag einrichtete – als Vor- bereitung für das, was sich als Projekt herauskristallisierte und dann gedreht wurde. (Costa sagt, die Darsteller hätten von ihrem Berufsalltag her sehr wohl die Gewohnheit zu einem Acht-oder-mehr-Stunden-Tag mitgebracht.) Wichtig war eine aleatorische Vorgehensweise: nicht schon im Vorhinein Bescheid wissen, tastend vorgehen – zwischen Ventura und ihm, sagt Costa, habe es manchmal »schwarze Löcher« gegeben, gegenseitiges Nichtverstehen, aber gerade das habe die Sache letztlich vorangebracht. Was die Realisierung des Films betrifft: nicht mit großer Technik den Raum besetzen (wie vorher), sondern sich dem Raum zuwenden, ihn sich aneignen. Mit der kleinen Kamera (auf dem Stativ) so sorgfältig arbeiten, dass der übliche Eindruck von Video aufgehoben wird und nur noch kinematografische Arbeit mit Bildern und Tönen da ist – und mit Licht! Einen Resonanzraum herstellen für die Präsenz von Körpern und Stimmen. Das ist natürlich Costas Seite der Arbeit – die andere Seite, die der Texte, ist von den Protagonisten gekommen und mit ihnen erarbeitet worden. Ihn habe immer erst die Person interessiert, sagt Costa, und dann die Darstellung. Auch bei ihm (wie bei Huillet & Straub) gibt es einen Prozess, in dem Texte memoriert, gesprochen und richtiggehend inkorporiert werden müssen und vielleicht erst Monate später wieder aus dem Körpergedächtnis hervorgeholt werden. Selbst überrascht, hat Costa festgestellt, wie gut sich diese Arbeit mit den von ihm gewählten, ja eigentlich deklassierten Menschen (»den besten Darstellern der Welt«) anließ und weiterführen ließ. Costas Obstination und seine ästhetischen Präferenzen (er hat seine stark ausgeprägten cineastischen Vorlieben) haben im Lauf der Zeit dazu geführt, dass hier eine, wie ich finde, einzigartige Raum-Zeit-Konstellation entstanden ist, in die gerade auch das scheinbar Nichtige oder Unbeachtete eingehen kann. (»Man dreht auch, um Dinge zu verlieren, nicht nur, um sie zu gewinnen.«) Die Filmgegenwart nimmt, über die Sprache und die Inszenierung, unterschiedliche Zeitschichten in sich auf: die Vergangenheit steht wie ungeschieden im Präsens, das Reale geht einher mit dem Halluzinierten, das Begreifbare mit dem Unbegreiflichen, die Lebenden reichen den Toten die Hand. Jeder Film ist auf solche Weise eine Konstruktion, die unterschiedliche Elemente zusammenschließt, sie amalgamiert und unvermittelt – als transponierter Ausdruck jener FontainhasLebenswelt – reichen Ausdruck gewinnt. Johannes beringer Ein Programm in Zusammenarbeit mit dem Filmfest München. ▶ Dienstag, 23. Juni 2015, 18.30 Uhr | Zu Gast: Pedro Costa No Quarto da Vanda (In Vandas Zimmer) | Portugal 2000 | R+B+K: Pedro Costa | M: György Kurtág | D: Vanda Duarte, Zita Duarte, Lena Duarte, António Semedo Moreno, Paulo Nunes | 178 min | OmeU | »Costa drehte mit einer Digitalkamera, die es ihm ermöglichte, Vanda allein zu begegnen. In Abwesenheit eines Filmteams entstand zwischen den beiden eine gleichgültigvertraute Atmosphäre, die daran zweifeln lässt, ob sich Vanda der Gegenwart der Kamera überhaupt bewusst war. Ob sie dealt, ihre Freunde empfängt oder Erdbeeren putzt, es vergehen nie zehn Minuten, ohne dass sich Vanda einen Schuss setzt, ein minutiöses Ritual, das ihren Alltag prägt.« (Frédéric Mermoud) – Tarrafal | Portugal 2007 | R+B+K: Pedro Costa | D: Ventura, Alfredo Mendes, José Alberto Silva, Lucinda Tavares | 16 min | OmeU | Tarrafal ist ein Gebiet auf der kapverdischen Insel Santiago, wo Portugal 1936 eine Strafkolonie für politische Gefangene errichtete – das »Lager des langsamen Todes«. ▶ Mittwoch, 24. Juni 2015, 19.00 Uhr | Zu Gast: Pedro Costa Juventude Em Marcha (Jugend voran!) | Portugal 2006 | R+B: Pedro Costa | K: Pedro Costa, Leonardo Simões | M: Os Tubarões, György Kurtág | D: Ventura, Vanda Duarte, Beatriz Duarte, Gustavo Sumpta, Cila Cardoso | 154 min | OmeU | »Costa begleitet Ventura bei seinen Wegen durch einen Slum und ein Neubauquartier am Rande von Lissabon. Der Slum wird abgerissen, die Bewohner werden umgesiedelt, was der Film jedoch nicht zeigt, sondern über die Erzählungen der Figuren einfängt. Mit großer Geduld hört Costa die- sen Geschichten zu. Wenn etwa die einst heroinabhängige Vanda davon erzählt, wie sie ihre Tochter zur Welt brachte, dann weiß man genau, warum kein Schnitt das Mäandern ihrer Sätze unterbricht: Die Dauer der Einstellung ist das Einzige, was Vandas Schmerzen gerecht werden kann.« (Cristina Nord) – O nosso homem (Unser Mann) | Portugal 2011 | R+B+K: Pedro Costa | M: N’toni Denti D’ouro | D: José Alberto Silva, Lucinda Tavares, Alfredo Mendes, Ventura | 24 min | OmeU | José soll aus Fontainhas auf die Kapverden deportiert werden – ein Land, das er nie gesehen hat. ▶ Donnerstag, 25. Juni 2015, 19.00 Uhr | Zu Gast: Pedro Costa Cavalo Dinheiro (Horse Money) | Portugal 2014 | R+B: Pedro Costa | K: Leonardo Simões, Pedro Costa | M: Os Tubarões | D: Ventura, Vitalina Varela, Tito Furtado, Benvindo Tavares, António Santos, Isabel Cardoso | 104 min | OmeU | »Ventura wird mittlerweile in einer verlassenen Klinik behandelt. Der Schauplatz ist freilich nicht ganz von dieser Welt, für den unter Gedächtnislücken leidenden Ventura ist er ein phantastischer Raum, in dem die Geschichte stillsteht. Der einst aus Fontainhas von Soldaten Vertriebene wird von traumatischen Erinnerungen heimgesucht. Der Film ist von radikaler Langsamkeit. Kompositorisch sind die Szenen beeindruckend, sie gleichen nachtdunklen Gemälden, Lichtkegel schälen die Gesichter heraus, während sich die Umgebung in Weitwinkel krümmt. Noch radikaler und verdichteter als in Costas bisherigem Werk wird das Dasein des Vertriebenen zu einer dunklen Parabel der politischen Gegenwart nicht nur Portugals.« (Dominik Kamalzadeh) ▶ Die Termine entnehmen Sie bitte dem Filmfest-Pro- gramm | Zu Gast: Pedro Costa Pedro Costa Ossos (Haut und Knochen) | Portugal 1997 | R+B: Pedro Costa | K: Emmanuel Machuel | M: Wire, Os Sabura | D: Vanda Duarte, Nuno Vaz, Maria Lipkina, Isabel Ruth, Iñes de Medeiros | 94 min | OmeU | »Tina, ein stilles Mädchen, ist abgestumpft durch die Armut und Enge ihrer Existenz und kämpft mit psychischen Problemen. Auch ihre neue Rolle als Mutter überfordert sie: Sie dreht den Gashahn auf. Für das Baby ist diese Kurzschlussreaktion nur die erste von vielen Gefahren, denen es ausgesetzt ist. Der Film erzählt nicht nur von materieller Not und Armut, sondern auch von der Armut der Gefühle, von der Unfähigkeit zu kommunizieren, zu lieben und Liebe anzunehmen. Dabei kommentiert, wertet oder moralisiert er nicht: In schonungslosen und zugleich poetischen Bildern beobachtet er seine Figuren, die ihrer Einsamkeit nicht entkommen und die weder ihre innere noch die äußere Enge ihrer Herkunft überwinden können.« (Birgit Kohler) 73 Orson Welles orson Welles und oja Kodar bei den Dreharbeiten zu oRSon WelleS’ lonDon Zum 100. Geburtstag von Orson Welles 74 Die verborgenen Seiten im Werk von Orson Welles Als ich im Jahr von Orson Welles’ 100. Geburtstag (am 6. Mai) und seinem 30. Todestag (am 10. Oktober) zusagte, seine Biografie für meinen französischen Verleger Éditions Bernard de Fallois zu schreiben, wurde meine Welles-Bewunderung nur noch von meiner Unbekümmertheit übertroffen. Eine starke Erinnerung an seine Radiosendung »Krieg der Welten« und die folgende Panik (die völlig anders ablief, als es heute erzählt wird), einige verloren geglaubte, wiedergefundene Filme (wie das Material von TOO MUCH JOHNSON, das die Retrospektive eröffnet), selbstverständlich die Ehrfurcht vor CITIZEN KANE, den ich zu meiner Überraschung nur ungefähr im Gedächtnis hatte, und einige vage Erinnerungen an THE LADy FROM SHANGHAI. Natürlich bin ich in all seine Filme eingetaucht, die ich mir hintereinander weg im Original anschaute. Da war Welles – genial, aber ein wenig eingetrocknet, wie eine gepresste Pflanze in einem Herbarium. Er hatte zwar seine Form behalten, aber die Farben waren verblasst, der Duft hatte sich verflüchtigt und es fehlte ihm eine Dimension. Das war der Moment, wo ich entweder Selbstmord begehen, mein Scheitern eingestehen oder einfach unbekümmert weitermachen konnte, und ich wählte Letzteres, getreu der berühmten Replik des Seemanns in THE LADy FROM SHANGHAI: »When I start out to make a fool of myself, there’s very little can stop me.« Ich reiste nach Kroatien, um dort Orson Welles’ letzte Lebensgefährtin und Mitarbeiterin zu treffen: Oja Kodar. Schon begann die getrocknete Blume des Herbariums einen zarten Duft abzugeben, der meine Nase erreichte. Der Mensch Orson Welles nahm langsam konkrete Konturen an: Ich war am Meer, das er betrachtet hatte, sah an den Wänden der Villa seine Zeichnungen und sprach mit der Frau, die er geliebt hatte. Sie war es, die mich auf Stefan Drößler hinwies, dessen Name und Arbeit im Filmmuseum mir nur durch den Katalog zur Welles-Retrospektive des Filmfestivals von Locarno bekannt war. Es war also das Filmmuseum München, das nicht nur die Oja Kodar hinterlassenen unvollendeten Filme des großen Welles besaß, sondern sie auch restauriert, konserviert und laufend zu ergänzen ver- KANE, THE MAGNIFICENT AMBERSONS und FALSTAFF, die anderen großen Shakespeare-Adaptionen wie OTHELLO und MACBETH, die brillanten Fernsehfilme. Da sind die Filme, die als unvollendet gelten, bei denen wir seine Arbeitsweise und seine Träume aber noch besser verstehen. Gezeigt wird auch THE THIRD MAN, der Film, bei dem Welles nicht Regie geführt hat, der ihm aber immer zugeschrieben wird, so sehr prägt sich seine Interpretation des Harry Lime ein (obwohl er nur eine halbe Stunde im Film zu sehen ist). All dies sind wahre Schätze. Nur wenige Schritte vom Kino des Filmmuseums entfernt befindet sich in einem Innenhof das hölzerne Treppenhaus, das als Kulisse für den Anfang von MR. ARKADIN diente. Welles ist im Filmmuseum zu Hause, welche Chance, ihn hier zu besuchen! Das zentrale Thema in Welles’ Werk ist die Suche nach Identität, unser aller Problem, zeit unseres Lebens. Vor Welles’ Kamera wird das spannend, stark und schön! Was können wir von diesem Mann lernen, der so überaus frei war? Macht, Erfolg, Leiden und Leidenschaften sind die Feinde dieser Suche. Indem wir ein soziales Selbst werden, verlieren wir uns. Wie die Protagonisten in MACBETH und CITIZEN KANE, oder auch in TOUCH OF EVIL, MR. ARKADIN und selbst in THE TRIAL. Das Soziale führt das Individuum zur Entfremdung. Aber hat das Leben ohne soziale Beziehungen einen Sinn? Orson, der ohne das Filmen nicht leben konnte, auch als niemand mehr seine Filme finanzieren wollte, erteilt uns eine Lektion: Wir dürfen niemals aufgeben. Wir müssen uns mit all unseren Widersprüchen annehmen, denn das macht das Menschsein aus. Die eigenen Widersprüche zu akzeptieren bedeutet, den eigenen Reichtum zu akzeptieren. Ich möchte noch auf einen Punkt zu sprechen kommen, der meiner Meinung nach nur selten behandelt wird. Welles’ uneindeutige Positionierung im Diskurs feminin/maskulin. Was nichts mit seiner sexuellen Orientierung zu tun hat, sondern mit seinem Werk. Das Werk eines Puritaners, der bis 1968 gewartet hat, bevor er in THE IMMORTAL STORy seine erste Bettszene drehte – was er nur ein einziges Mal in seinem unvollendeten THE OTHER SIDE OF THE WIND wiederholt hat. Auch der Schauspieler Welles küsst seine Partnerinnen übrigens fast nie. Und wenn es in einem eigenen Film dann doch einmal geschieht (mit seiner damaligen Ehefrau Rita Hayworth), dann wird der Kuss vor dem Hintergrund eines Aquariums voll riesiger Fische gefilmt. Gut aussehend, ja, unwiderstehlich, wie er war, musste Welles, wie er in seinen Interviews oft erzählte, in seiner Jugend mit den Lustanwandlungen von Männern Orson Welles sucht. Ich reiste für ein paar Tage nach München, um diese Schätze zu sichten. Monate später kann ich es immer noch nicht fassen: Die getrocknete Blume fand ihre Farben, ihre Blüte richtete sich auf und lebt wieder. Sie ist nicht mehr eindimensional, sondern das Leben, dank Welles’ Tonaufnahmen, die wie Sinfonien sind, seinen gedanklichen Höhenflügen, seinen ständigen Überarbeitungen seiner Werke, seiner Fabulierkunst. Der Leiter des Filmmuseums hatte die Freundlichkeit, mir die Filme auch außerhalb der Dienstzeiten am Wochenende vorzuführen. Ich sah Schätze, die nirgendwo sonst zu finden sind. Mir wurde schnell bewusst, dass Welles’ Werk da ist, wo es hingehört: in den Händen von ernsthaften, aufmerksamen und sorgfältigen Enthusiasten. Er, der sich nicht wohlfühlte, wenn er nicht 18 Stunden am Tag arbeitete, befindet sich auf vertrautem Terrain. Mein Vertrauen in die Figur Orson Welles und in mein Buchprojekt blühte wieder auf, ich fühlte mich »like a plant that has been watered«, um Marlene Dietrichs Worte über ihre Treffen mit Welles zu zitieren. Ich hatte großes Glück, Sie haben großes Glück. Dieses Programm bietet »alles, was Sie schon immer über Welles wissen wollten«: ein intelligenter, chronologischer, gründlicher und spielerischer Spaziergang durch das Werk des »ersten Genies, das der Tonfilm hervorgebracht hat«. Da sind die Meisterwerke wie CITIZEN 75 Orson Welles Rita hayworth und orson Welles fertig werden. Was ihn nicht daran hinderte, enormen Erfolg bei Frauen zu haben. Er tat, was er konnte, um sein Image als jugendlicher Liebhaber zu zerstören, einschließlich einer exzessiven Gewichtszunahme. Zeigte sich hier schon seine selbstzerstörerische Seite, oder war es nur die Weigerung, auf die Kategorie des gut aussehenden jungen Mannes festgelegt zu werden? 76 Trotz seines Erfolgs beispielsweise als Edmond Rochester, der geheimnisvolle, virile Mann par excellence in JANE EyRE, hasste Welles paradoxerweise nichts so sehr, wie jugendliche Helden zu spielen. Hätte er sich damit zufrieden gegeben, wäre ihm eine geradlinige, erfolgreiche Karriere sicher gewesen, frei von Dramen und Kämpfen. Aber Welles wollte kein jugendlicher Held sein. Er unternahm alles, um sein Äußeres auszulöschen, und beschränkte sich schon lange, bevor er vierzig war, auf Rollen voll Autorität und Macht: Könige, Väter, beides kombiniert wie in KING LEAR, Diktatoren wie MR. ARKADIN und MACBETH, Verbrecher wie in THE STRANGER. Immer Männer, deren Hauptanliegen nicht Liebe und auch nicht Sex ist. OTHELLO ist eine Geschichte von Stolz und unmöglicher Reinheit, aber keine Liebesgeschichte. Mit seinen Frauen drehte Welles immer nur im Moment der Trennung (Dolores del Rio in JOURNEy INTO FEAR, Rita Hayworth in THE LADy FROM SHANGHAI) oder des Kennenlernens (Paola Mori in MR. ARKADIN). Immer nur einen Film mit jeder, mehr nicht. Oja Kodar ist etwas anderes, vielleicht weil er endlich emotional gereift war, vielleicht weil sie seine letzte Liebe war. Er filmte sie ständig in seinen späteren Werken. Doch, als wären sie mit einem Fluch belegt, sind alle Filme mit ihr – bis auf F FOR FAKE – unvollendet geblieben. Was die vier wichtigen Frauen in seinem Leben angeht: Seine erste Ehefrau, Virginia Nicolson, wollte Schauspielerin werden, was er ihr verbot, als sie Mutter wurde. Seine zweite Ehefrau, Rita Hayworth, war Schauspielerin, doch er zerstörte ihr Image, indem er ihr in einem wunderlichen Opfer, bei dem er, Orson, der Mann, Dalilas Rolle innehat, die Haare abschnitt. Aus seiner dritten Frau, Paola Mori, einer Anfängerin, machte er eine Schauspielerin, doch sie zog es vor, Hausfrau und Mutter zu bleiben – was vielleicht die beste Wahl war. Oja wollte Schauspielerin werden, aber sie war vielfältig, so wie er selbst. Also machte er alles mit ihr, im Leben wie bei der Arbeit. Zählt man die Starlets, mit denen er in seinen frühen Jahren Affären hatte, so können wir sagen, er war ein Verführer, der mit der Anzahl seiner Eroberungen protzte. Das bringt uns zu der wichtigsten Frau seines Lebens, seiner Mutter Beatrice, einer Pianistin und Meisterschützin, einer Frauenrechtlerin und Politikerin, die starb, als Orson neun Jahre alt war. Sie war die Frau, wegen der er hinter seiner Macho-Maske die Frauen stets vergöttert hat. Von rascher Auffassungsgabe, aber emotional langsam, brauchte Orson Welles das vorgerückte Alter, um eine Frau mit der gleichen Hingabe zu lieben, die er seiner Mutter entgegengebracht hatte. Es ist übrigens amüsant festzustellen, dass dieser Mann nur Töchter hatte. Drei, wie König Lear. »Ich kann mit meinen Töchtern nicht reden, ich bin sehr ungeschickt und weiß nicht, wie ich es anstellen soll.« König Lears großer Fehler und seine Tragödie besteht darin, dass er die Frauen und ihre Wünsche nicht versteht. Truffaut scheint es einmal auf den Punkt gebracht zu haben mit einer Bemerkung, die meines Wissens nie veröffentlicht wurde: »Welles liebt King Kong, weil er sich ihm als Schauspieler näher fühlt als zum Beispiel Bogart. Welles muss von der Schönen und dem Biest geträumt haben. Aber die Schöne, das war er selbst, und das hat er nie akzeptieren können …« Was wie Uneindeutigkeit aussieht, ist im Grunde eine große Fülle. Auch wenn es seinen weiblichen Figuren oft an Tiefe fehlt, so steht Welles in seinem Werk ganz zu seiner weiblichen Seite, vor allem hinsichtlich der Amerika The Hearts of Age | USA 1934 | R: Orson Welles, William Vance | B: Orson Welles | K: William Vance | D: Orson Welles, Virginia Nicolson, William Vance | 5 min | OF – Too Much Johnson | USA 1938 | R+B: Orson Welles, nach dem Stück von William Gillette | K: Paul Dunbar, Harry Dunham | D: Joseph Cotten, Virginia Nicolson, Edgar Barrier, Arlene Francis, Ruth Ford | 40 min | OF – The Mercury Wonder Show | USA 1944 | R: Edward Sutherland | B: Orson Welles | K: David Abel | D: Orson Welles, Marlene Dietrich | 9 min | OF – The Fountain of Youth (Der Jungbrunnen) | USA 1956 | R+B: Orson Welles, nach der Geschichte »youth from Vienna« von John Collier | K: Sidney Hickox | M: Julian Davidson | D: Orson Welles, Dan Tobin, Joi Lansing, Rick Jason, Marjorie Bennett | 25 min | OF – The Golden Honeymoon | USA 1970 | R+B+D: Orson Welles, nach einer Geschichte von Ring Lardner | K: Gary Graver | 17 min | OF – Frühe Arbeiten fürs Theater und ein Meisterwerk fürs Fernsehen. ▶ Dienstag, 7. Juli 2015, 20.00 Uhr ▶▶ Freitag, 10. Juli 2015, 21.00 Uhr Citizen Kane Trailer | USA 1941 | R+B: Orson Welles | K: Harry J. Wild | M: Bernard Herrmann | D: Joseph Cotten, Ruth Warrick, Ray Collins, Dorothy Comingore, George Coulouris | 4 min | OF | Nicht der übliche Zusammenschnitt mit Szenen aus dem Film, sondern nachgedrehtes Material mit den Schauspielern, die nicht in ihren Filmkostümen auftreten. – Citizen Kane | USA 1941 | R: Orson Welles | B: Orson Welles, Herman J. Mankiewicz | K: Gregg Toland | M: Bernard Herrmann | D: Orson Welles, Harry Shannon, Agnes Moorehead, Joseph Cotten, George Coulouris | 119 min | OmU – Ein Reporter versucht, der Bedeutung des Wortes »Rosebud« auf die Spur zu kommen, das der Medienmogul Charles Foster Kane im Augenblick seines Todes aussprach. »There are more conscious shots – for the sake of shots – in CITIZEN KANE than in anything I’ve done since, which just came from the exuberance of discovering the medium.« (Orson Welles) ▶ Mittwoch, 8. Juli 2015, 20.00 Uhr ▶▶ Samstag, 11. Juli 2015, 21.00 Uhr The Magnificent Ambersons (Der Glanz des Hauses Amberson) | USA 1942 | R: Orson Welles | B: Orson Welles, Jack Moss, Joseph Cotten, nach dem Roman von Booth Tarkington | K: Stanley Cortez, Russell Metty, Harry J. Wild | M: Bernard Herrmann, Roy Webb | D: Joseph Cotten, Dolores Costello, Tim Holt, Anne Baxter, Agnes Moorehead | 111 min (rekonstruierte Fassung) / 88 min (Kinofassung) | OF | Die Geschichte des Niedergangs einer Familie wurde gegen den Willen von Welles vom Studio umgeschnitten. »The basic intention was to portray a golden world – almost one of memory – and then show what it turns into. Having set up this dream town of the ›good old days‹, the whole point was to show the automobile wrecking it – not only the family but the town. All this is out. What’s left is only the first six reels.« (Orson Welles) Auf Video wurde versucht, mit Hilfe von Fotos, Cutouts, der Originalmusik und neu aufgenommenen Dialogen die Urfassung zu rekonstruieren. ▶ Donnerstag, 9. Juli 2015, 20.00 Uhr (rekonstruierte Videofassung) | einführung: Stefan Drößler ▶▶ Sonn- tag, 12. Juli 2015, 21.00 Uhr (Kinofassung) It’s All True: Based On an Unfinished Film By Orson Welles | USA 1993 | R+B: Bill Krohn, Myron Meisel, Richard Wilson | K: George Fanto, Gary Graver | M: Jorge Arriagada | D: Manuel ›Jacaré‹ Olimpio Meira, Jeronimo André De Souza, Raimundo ›Tata‹ Correia Lima, Orson Welles Empfindsamkeit, die alle seine Filme durchzieht, unabhängig davon, dass seine Rede immer männlich ist. Man ist versucht, ihm als Kompliment die Worte Victor Hugos zu widmen: »Ich bin beiderlei Geschlechts, weil ich dasjenige des Geistes habe.« Er selbst hat gesagt, dass, wenn Picasso ein Kind der Sonne ist, dann sei er ein Kind des Mondes. Verpassen Sie nicht die Gelegenheit, die beiden Seiten von Welles kennenzulernen, in all seiner Generosität und Komplexität! Spüren Sie ihn hinter dem Zelluloidvorhang leben, mit all seinen Widersprüchen und Paradoxien, die uns so viel über unsere eigenen verraten. Gute Projektion! anca visdei 77 Manuel ›Preto‹ Pereira Da Silva, José Sobrinho, Francisca Moreira Da Silva | 88 min | OF | Im Rahmen der »Politik der guten Nachbarschaft« fuhr Orson Welles 1942 nach Brasilien, um einen Episodenfilm über das Land zu drehen. Vor Ort änderte er das Konzept seines Filmes, verlor die Unterstützung der brasilianischen Regierung und den Rückhalt von RKo, wo inzwischen neue Leute das Sagen hatten. Der Film blieb unvollendet, das Material galt als vernichtet. Als es in den 1980er Jahren kurz vor Orson Welles’ Tod gefunden wurde, entstand diese Dokumentation, die die Geschichte des Projekts IT’S ALL TRUE nachzeichnet und das erhaltene, aber ungeschnittene Material der legendären Episode FOUR MEN ON A RAFT zusammensetzt und erstmals veröffentlicht. ▶ Freitag, 10. Juli 2015, 18.30 Uhr Orson Welles The War of the Worlds | GB 1955 | R+B+D: Orson Welles | K: Edward Lloyd | 15 min | OF | Wöchentlich wurden die Hörspiele des mercury Theater im Radio ausgestrahlt und waren sehr populär. Die als Live-Reportage adaptierte Geschichte »War of the Worlds« von H. G. Wells sorgte 1938 für einen nationalen Skandal. In der fünften Folge seiner Fernsehserie ORSON WELLES SKETCH BOOK erzählt Welles ausgiebig von den Turbulenzen, die er damals ausgelöst hat. – The Orson Welles Show | USA 1978 | R+B: Orson Welles | K: Gary Graver | D: Orson Welles, Burt Reynolds, Jim Henson, Frank Oz, Lynn Redgrave, Angie Dickinson | 75 min | OF | Der Der Wunsch, eine regelmäßige Fernseh-Show zu leiten, führte zu diesem Demoband. Welles engagierte Freunde, die er in ein mit Zuschauern gefülltes Studio bat, inszenierte Interviews und Publikumsgespräche, die er dann in der Montage völlig losgelöst vom realen Verlauf zusammensetzte. 78 ▶ Samstag, 11. Juli 2015, 18.30 Uhr Orson Welles’ Moby Dick | 1971 | R+B+D: Orson Welles, nach seinem Theaterstück »Moby Dick Rehearsed«, das auf dem Roman von Herman Melville basiert | K: Gary Graver | 22 min | OmU – Scenes from The Other Side of the Wind | 1975 | R: Orson Welles | B: Orson Welles, Oja Kodar | K: Gary Graver | D: John Huston, Bob Random, Oja Kodar, Peter Bogdanovich, Norman Foster, Lilli Palmer, Edmond O’Brien | 42 min | OF – Orson Welles’ Magic Show | 1985 | R+B: Orson Welles | K: Gary Graver, Tim Suhrstedt | D: Orson Welles, Abb Dickson, Angie Dickinson, Gary Graver, Roger Hill | 27 min | OF – The Spirit of Charles Lindbergh | 1984 | R+B+D: Orson Welles, nach dem Tagebuch von Charles Lindbergh | K: Gary Graver | 3 min | OF – Drei unvollendete Projekte, die sich mit amerikanischen Themen beschäftigen: die Verfilmung des Romans »Moby Dick«, ein Spielfilmprojekt über einen HollywoodRegisseur und ein Essayfilm über die Geschichte der großen Vaudeville-Zauberer. Zum Schluss ein filmischer Brief an einen kranken Freund. ▶ Sonntag, 12. Juli 2015, 18.30 Uhr | einführung: Stefan Drößler Shakespeare Macbeth | USA 1948 | R: Orson Welles, nach dem Stück von William Shakespeare | K: John L. Russell | M: Jacques Ibert | D: Orson Welles, Jeanette Nolan, Dan O’Herlihy, Roddy McDowell, Edgar Barrier, Erskine Sanford, Peggy Webber, Christopher Welles | 107 min | OmU – Eine in stark stilisierten Kulissen gefilmte Adaption des Shakespeare-Dramas, dessen düsterer Ex- pressionismus dem Geschehen eine eigenwillige Künstlichkeit gibt. Orson Welles dominiert in der Titelrolle, in einer kleinen Nebenrolle ist seine 10jährige Tochter Christopher als Macduffs Sohn zu sehen. »It was done as a ›B‹ picture quickie. I thought I’d have a great success with it and then I’d be allowed to do all kinds of difficult things as long as they were cheap. But it was a big critical failure. The biggest critical failure I ever had.« (Orson Welles) ▶ Dienstag, 14. Juli 2015, 20.00 Uhr 17. Juli 2015, 21.00 Uhr ▶▶ Freitag, Othello | GB 1952 | R+B: Orson Welles, nach dem Stück von William Shakespeare | K: George Fanto, Anchise Brizzi, Aldo Graziati, Alberto Fusi, Oberdan Troiani | M: Angelo Francesco Lavagnino, Alberto Barberis | D: Orson Welles, Micheál MacLiammóir, Suzanne Cloutier, Robert Coote, Hilton Edwards, Joan Fontaine | 91 min | OmU – OTHELLO ist der erste Film, den Welles außerhalb des amerikanischen Studio-Systems drehte. Er wurde über zwei Jahre lang an verschiedenen Schauplätzen in Italien und Marokko gedreht. »The picture was made in pieces. Three different times I had to close it and go away and earn money and come back, which meant you’d see me looking off-camera left, and when you’d cut over my shoulder, it would be another continent – a year later. And so the picture had many more cuts than I would have liked; it wasn’t written that way, but had them because I never had a full cast together.« (Orson Welles) ▶ Mittwoch, 15. Juli 2015, 20.00 Uhr ▶▶ Samstag, 18. Juli 2015, 21.00 Uhr Chimes at Midnight (Falstaff) | Spanien 1965 | R+B: Orson Welles, nach Motiven aus Dramen von William Shakespeare und dem Buch »The Chronicles of England« von Raphael Holinshed | K: Edmond Richard | M: Angelo Francesco Lavagnino | D: Orson Welles, Keith Baxter, John Gielgud, Jeanne Moreau, Margaret Rutherford, Marina Vlady, Beatrice Welles | 113 min | OF – Aus verschiedenen Stücken Shakespeares zusammengesetzt entwickelt Welles die Geschichte um die Figur des Hedonisten Falstaff, der von seinem besten Freund Hal verraten wird, als dieser zum König gekrönt wird. Berühmt geworden ist die Darstellung der Schlacht von Shrewsbury in einer furiosen Schnittfolge von Detailaufnahmen. »It’s my favorite picture. If I wanted to get into heaven on the basis of one movie, that’s the one I would offer up. It is the most successful for what I tried to do. I succeeded more completely in my view with that than with anything else.« (Orson Welles) 1983 | R+B+D: Orson Welles | K: Gary Graver | 6 min | OF | Vor laufender Videokamera erklärt Orson Welles sein Projekt einer neuen KING-LEAR-Verfilmung. ▶ Freitag, 17. Juli 2015, 18.30 Uhr Return to Glennascaul (Rückkehr nach Glennascaul) | GB 1951 | R+B: Hilton Edwards | K: Georg Fleischmann | M: Hans Gunther Stumpf | D: Michael Laurence, Shelah Richards, Helena Hughes, John Dunne, Orson Welles | 23 min | OF | Eine Geistergeschichte, in der Orson Welles nur in der Rahmenhandlung auftritt: als Regisseur, der von den Dreharbeiten zu OTHELLO nach Hause fährt. – Filming Othello (Erinnerungen an Othello) | BRD 1978 | R+B: Orson Welles | K: Gary Graver | M: Angelo Francesco Lavagnino, Alberto Berberis | D: Orson Welles, Micheál MacLiammóir, Hilton Edwards | 84 min | OmU | Der letzte vollendete abendfüllende Film von Orson Welles wurde mit minimalstem Budget gedreht. »It was a film on order like a painting on order: they wanted me to do an OTHELLO and I’ve done a new OTHELLO. Personally I would never have chosen OTHELLO but it inspired me a lot because there are a lot of anecdotes around the filming of OTHELLO.« (Orson Welles) ▶ Samstag, 18. Juli 2015, 18.30 Uhr Orson Welles on Stage in Dublin | GB 1960 | R+B+D: Orson Welles | 18 min | OF – Orson Welles’ Shylock | 1938–1975 | R+B: Orson Welles, nach »The Merchant of Venice« von William Shakespeare | K: Giorgio Tonti, Ivica Rajkovic, Tomislav Pinter, Gary Graver | M: Francesco Lavagnino | D: Orson Welles, ▶ Donnerstag, 16. Juli 2015, 20.00 Uhr ▶▶ Sonntag, King Lear | USA 1953 | R: Andrew McCullough | B: Peter Brook, nach dem Stück von William Shakespeare | M: Virgil Thomson | D: Orson Welles, Natasha Parry, Micheál MacLiammóir, Alistair Cooke, Peter Brook | 89 min, OF | »For my first TV appearance I was well protected with a beard and sustained by some pretty wonderful blank verse.« (Orson Welles) Die Unmittelbarkeit des neuen Mediums faszinierte Welles, da das Stück nach zwei Wochen Proben dann in einer Live-Inszenierung von mehreren Kameras aufgezeichnet wurde. Da die Aufführung nicht von Werbespots unterbrochen werden sollte, wurde eine Rahmenmoderation von Alistair Cooke angefügt, in der die Sponsoren ins Bild gerückt wurden. Laut Frank Brady sahen 15 Millionen Fernsehzuschauer KING LEAR. – King Lear Tape | Orson Welles 19. Juli 2015, 21.00 Uhr 79 Charles Gray, Irina Maleva, Dorian Bond, Bill Cronshaw | 30 min | OF – Falstaff | USA 1967 | R: Greg Garrison | D: Orson Welles | 5 min – Lucy Meets Orson Welles | USA 1956 | R: James V. Kern | K: Robert de Grasse | M: Wilbur Hatch | D: Lucille Ball, Desi Arnaz, Orson Welles, Vivian Vance, William Frawley | 30 min | OF – Im Gaiety Theatre in Dublin spricht Welles über seinen Film OTHELLO. Von frühester Jugend an beschäftigt er sich mit »The Merchant of Venice«. In THE DEAN MARTIN SHOW tritt er als Falstaff auf, als Gaststar in der Serie I LOVE LUCy macht er sich über sein Shakespeare-Image lustig. ▶ Sonntag, 19. Juli 2015, 18.30 Uhr Thriller Orson Welles Orson Welles’ Vienna | 1969 | R+B: Orson Welles | K: Giorgio Tonti | D: Orson Welles, Senta Berger, Mickey Rooney, Peter Bogdanovich, Arte Johnson | 8 min | OmU | Orson Welles kehrt nach Wien zurück und wandelt auf den Spuren von THE THIRD MAN. – The Third Man (Der dritte Mann) | GB 1949 | R: Carol Reed | B: Graham Greene, Carol Reed, Orson Welles, nach dem Roman von Graham Greene | K: Robert Krasker | M: Anton Karas | D: Joseph Cotten, Alida Valli, Orson Welles, Trevor Howard, Bernard Lee, Paul Hörbiger, Ernst Deutsch | 104 min | OmU | Ein an Originalschauplätzen im Nachkriegs-Wien gedrehter Thriller um einen amerikanischen Schriftsteller, der den Schwarzmarktge- 80 M: Heinz Roemheld, Doris Fisher | D: Rita Hayworth, Orson Welles, Everett Sloane, Glenn Anders, Erskine Sanford, Gus Schilling | 87 min | OmU | Ein Seemann verliebt sich in eine verführerische blonde Frau, die ihm zum Verhängnis wird. Produzent Harry Cohn gab Orson Welles keine Kontrolle über den final cut. »Instead of allowing me to get a composer who would work with me, Cohn snuck in some fast fellow who put terrible music wherever he felt like it. I didn’t mind the theme song, but the incidental music was clumsily handled throughout. For example, the mirror scene at the end should have been absolutely silent except for the crashing glass and ricocheting bullets.« (Orson Welles) ▶ Mittwoch, 22. Juli 2015, 20.00 Uhr ▶▶ Samstag, 25. Juli 2015, 21.00 Uhr Police | GB 1955 | R+B+D: Orson Welles | K: Edward Lloyd | 15 min | OF | Eine Folge der Fernsehserie ORSON WELLES SKETCH BOOK. – Touch of Evil (Im Zeichen des Bösen) | USA 1957 | R: Orson Welles | B: Orson Welles, Paul Monash, Franklin Coen, nach dem Roman »Badge of Evil« von Whit Masterson | K: Russell Metty | M: Henry Mancini | D: Charlton Heston, Janet Leigh, Orson Welles, Akim Tamiroff, Ray Collins, Marlene Dietrich | 108 min (Rekonstruktion von 1975) | OmU | Ein junger mexikanischer Rauschgiftfahnder und ein korrupter Polizeichef In einer Kleinstadt an der mexikanischen Grenze. »Most of my friends and most critics who comment on TOUCH OF EVIL believe Quinlan had an essential goodness, while I think he’s a scoundrel. The fact that he’s human, that one can understand him in his humanity, all this is fine. But I for one have a profound belief in the primacy of law. And I think that a corrupt policeman is society’s worst creation.« (Orson Welles) ▶ Donnerstag, 23. Juli 2015, 20.00 Uhr ▶▶ Sonntag, 26. Juli 2015, 21.00 Uhr schäften eines Freundes nachspürt, der angeblich verstorben ist. Welles nahm für sich in Anspruch, die Figur des Harry Lime geschaffen zu haben: »I wrote everything to do with this character, I created him all round, it was more than just a part for me.« (Orson Welles) ▶ Dienstag, 21. Juli 2015, 20.00 Uhr ▶▶ Freitag, 24. Juli 2015, 21.00 Uhr The Lady from Shanghai (Die Lady von Shanghai) | USA 1948 | R+B: Orson Welles | B: Orson Welles, William Castle, Charles Lederer, Fletcher Markle, nach dem Roman »If I Die Before I Wake« von Sherwood King | K: Charles Lawton Jr., Rudolph Maté, Joseph Walker | Journey into Fear (Von Agenten gejagt) | USA 1943 | R: Norman Foster | B: Joseph Cotten, Orson Welles, nach dem Roman von Eric Ambler | K: Karl Struss | M: Roy Webb | D: Orson Welles, Joseph Cotten, Dolores Del Rio, Everett Sloane, Ruth Warrick, Agnes Moorehead | 81 min (rekonstruierte Videofassung) | OF | Ein Agenten-Thriller um einen amerikanischen Ingenieur, der in Istanbul von Nazi-Agenten gejagt wird. »I did the sets and I supervised the planning of the way it was going to be done. It was really quite a good script we did – it should have been a very decent picture. Good cast and everything. It was the opposite of an action picture, since it was based on the kind of thing that ▶ Freitag, 24. Juli 2015, 18.30 Uhr | einführung: Stefan Drößler The Stranger (Die Spur des Fremden) | USA 1946 | R: Orson Welles | B: Anthony Veiller, Orson Welles, John Huston, nach einer Geschichte von Victor Trivas | K: Russell Metty | M: Bronislaw Kaper | D: Orson Welles, Edward G. Robinson, Loretta young, Philip Merivale, Richard Long, Byron Keith | 95 min | OF | Ein Agententhriller um einen in einer amerikanischen Kleinstadt untergetauchten Nazi. »John Huston did the script, without being in the credits; I did it to show I could be just as good a director of other people’s stories as anyone else, and in addition I did it in ten days less than the scheduled shooting time. But I didn’t do it with a completely cynical attitude, I didn’t deliberately make a mess of it; quite the contrary, I tried to do it as well as I could. The few little things that I really like are the small observations on the town, the chemist, details of that type.« (Orson Welles) ▶ Samstag, 25. Juli 2015, 18.30 Uhr The Deep – Workprint | 1969 | R+B: Orson Welles, nach dem Roman »Dead Calm« von Charles Williams | K: Willy Kurant, Ivica Rajkovic | M: François Rabath | D: Michael Bryant, Oja Kodar, Laurence Harvey, Jeanne Moreau, Orson Welles | 115 min | OF | An der dalmatinischen Küste drehte Welles einen Thriller, der ausschließlich auf zwei Segelbooten spielt und von nur fünf Personen getragen wird. Der Film wurde weitgehend abgedreht, und es wurde auch ein grober Rohschnitt erstellt, doch das Projekt kam über die Vorbereitungen für die Nachsynchronisierung und die Tonmischung nicht hinaus. »We just ran out of money. The picture actually had a beginning and an end, but it’s too poor. It shows its poverty, and it looks like a TV movie, I think, but it’s terribly well acted. By Jeanne Moreau and by everybody. And I think I’m very funny in it, I think it’s the funniest part I’ve ever played.« (Orson Welles) ▶ Sonntag, 26. Juli 2015, 18.30 Uhr | einführung: Stefan Drößler Europa Orson Welles in Deutschland | Vortrag von Stefan Drößler mit Filmbeispielen | 90 min | 1950 tourte Orson Welles zusammen mit Eartha Kitt durch Deutschland. In Frankfurt, Hamburg, München, Düsseldorf und Berlin spielte er Szenen aus »Faust«, »The Importance of Being Earnest« und »Henry VI« und führte Zaubertricks vor. Einige Wochen später veröffentlichte eine französische Zeitung seine Eindrücke von den Deutschen, die betrunken noch immer das »Horst-Wessel-Lied« singen würden, und verursachte diplomatische Verstimmungen. In MR. ARKADIN schmückte Welles sein Bild vom Nachkriegsdeutschland aus. Dem Land blieb er aber bis zu seinem Tod verbunden, nicht zuletzt weil immer wieder deutsches Geld in seine Filme floss. Der Vortrag präsentiert seltene Dokumente, Fotos, Filmausschnitte und Interviews mit Orson Welles. ▶ Dienstag, 28. Juli 2015, 20.00 Uhr The Trial (Der Prozess) | GB 1962 | R+B: Orson Welles, nach dem Roman von Franz Kafka | K: Edmond Richard | M: Jean Ledrut, Tomaso Albinoni, Martial Solal, Daniel Humair | D: Anthony Perkins, Jeanne Moreau, Orson Welles, Elsa Martinelli, Romy Schneider, Madeleine Robinson, Akim Tamiroff | 118 min | OmU | Die Adaption von Kafkas Roman über Josef K., der eines Tages vor Gericht gestellt wird, ohne zu wissen warum. Welles drehte seinen Film in Jugoslawien, Italien und Frankreich und setzte Kafkas Welt aus realen Schauplätzen zusammen. »I felt no need to be true to Kafka in every essence. I’d thought it was necessary to capture what I felt to be the Kafka atmosphere, which is a combination of modern horror creeping up on the AustroHungarian Empire. I saw it as a European story, full of old European bric-a-brac, with IBM machines lurking in the background.« (Orson Welles) ▶ Mittwoch, 29. Juli 2015, 20.00 Uhr ▶▶ Samstag, 1. august 2015, 21.00 Uhr Orson Welles’ The Golden Honeymoon | USA 1970 | R+B+D: Orson Welles, nach einer Kurzgeschichte von Ring Lardner | 17 min | OF | Die im Oktober 1970 von Orson Welles in seinem Haus in Hollywood aufgenommene Rezitation einer Kurzgeschichte für die Kaufhauskette Sears hat das Filmmuseum mit Teilen aus seinem Hörspiel von 1946 ergänzt. – F for Fake (F wie Fälschung) | F 1973 | Orson Welles | K: Christian Odasso, Gary Graver | M: Michel Legrand | D: Orson Welles, Oja Kodar, Elmyr de Hory, Clifford Irving, Edith Irving, François Reichenbach, Joseph Cotten | 85 min | OF | Ein brillanter Essayfilm über Kunst, Fälscher, Hochstapler und Scharlatane. »When I finished F FOR FAKE, I thought I had discovered a new kind of movie and it was the kind of movie I wanted to spend the rest of my life doing. And it was the failure of F FOR FAKE that was Orson Welles Ambler does so well, which is antiaction, antiheroics, and all that. And they just took out everything that made it interesting except the action – trying desperately to turn it into an action-B.« (Orson Welles) 81 one of the big shocks in my life. It’s a form, in other words, the essay, the personal essay, as opposed to a documentary, quite different.« (Orson Welles) ▶ Donnerstag, 30. Juli 2015, 20.00 Uhr ▶▶ Sonntag, 2. august 2015, 21.00 Uhr St. Germain des Prés | GB 1955 | R+B: Orson Welles | 25 min | OF – Viva Italia | USA 1956 | R+B: Orson Welles | D: Orson Welles, Paola Mori, Gina Lollobrigida, Vittorio De Sica, Rossano Brazzi, Anna Gruber | 25 min | OmU – Orson Welles’ London | 1971 | R+B: Orson Welles | K: Giorgio Tonti, Ivica Rajkovic, Tomislav Pinter, Gary Graver | D: Orson Welles, Charles Gray, Jonathan Lynn, Tim Brooke-Taylor, Oja Kodar | 29 min | OF – Scenes from Don Quichotte | 1971 | R+B: Orson Welles, nach dem Roman von Miguel de Cervantes | K: Jack Draper, Ricardo Navarete, Giorgio Tonti | D: Orson Welles, Akim Tamiroff | 25 min | OF – Paris, Italien, London und Spanien waren Orte und Länder, denen sich Welles sehr verbunden fühlte. In Fernsehfilmen möchte er sie dem amerikanischen Publikum näher bringen, doch die Filme werden nicht ausgestrahlt. DON QUICHOTTE war ein Lieblingsprojekt, an dem Welles 30 Jahre lang arbeite, das er aber nie vollendete. Orson Welles ▶ Freitag, 31. Juli 2015, 18.30 Uhr 82 Tempo di Flamenco (Flamenco Lessons) | Italien 1962 | R+B: Orson Welles | K: José Manuel de la Chica, Ricardo Navarete, Orson Welles | D: Orson Welles, Paola Mori, Beatrice Welles | 26 min | ohne Dialog | Teil der Fernsehserie NELLA TERRA DI DON CHISCIOTTE, die als eine Art Tagebuch auf einer Reise von Welles mit Frau und Tochter durch Spanien entstand. – Mr. Arkadin (Herr Satan persönlich) | GB 1955 | R+B: Orson Welles | K: Jean Bourgoin | M: Paul Misraki | D: Orson Welles, Paola Mori, Robert Arden, Patricia Medina, Akim Tamiroff, Michael Redgrave | 105 min (rekonstruierte Fassung) | OmU | CITIZEN KANE Nachkriegs-Europa: Ein Reporter recherchiert den Lebensweg eines mächtigen Moguls. »Arkadin is a person who has made his way largely in a corrupt world; he doesn’t try to be more than that world, he’s trapped in it and is the best he could be within that frame of reference. He is the best possible ›expression‹ of that universe.« (Orson Welles) ▶ Freitag, 31. Juli 2015, 21.00 Uhr F for Fake Trailer | 1976 | R+B: Orson Welles | K: Gary Graver, Michael Stringer, Christian Odasso | M: Michel Legrand | D: Gary Graver, Oja Kodar, Orson Welles, Elmyr de Hory, Clifford Irving | 9 min | OF | Als F FOR FAKE drei Jahre nach seiner Premiere einen amerikanischen Verleiher fand, stellte Welles einen Trailer her, der neu gedrehtes Material verarbeitete und das Konzept von F FOR FAKE auf die Spitze treibt: Dem Zuschauer werden Versprechungen gemacht und Szenen vorgeführt, die im Film selber gar nicht vorkommen. – Filming The Trial | 1981 | R+B: Orson Welles | K: Gary Graver | D: Orson Welles, Joseph McBride, Myron Meisel, Todd McCarthy, Richard Wilson | 86 min | OF | Als Ausgangsmaterial für einen weiteren Essayfilm ließ sich Orson Welles am 14.11.1981 nach einer Vorführung von THE TRIAL zu einer Publikumsdiskussion in die university of Southern california einladen. Gary Graver filmte die Veranstaltung mit einer 16mmKamera. ▶ Samstag, 1. august 2015, 18.30 Uhr The Immortal Story (Stunde der Wahrheit) | F 1968 | R+B: Orson Welles, nach der Novelle von Isak Dinesen | K: Willy Kurant | M: Erik Satie | D: Orson Welles, Jeanne Moreau, Roger Coggio, Norman Eshley, Fernando Rey | 58 min | engl. OF | Ein alter reicher Kaufmann versucht mithilfe seines Buchhalters, eine Geschichte, die unter Seeleuten erzählt wird, wahr werden zu lassen. – Orson Welles’ The Dreamers | USA 1982 | R: Orson Welles | B: Orson Welles, Oja Kodar, nach den Novellen »The Dreamers« und »Echoes« von Isak Dinesen | K: Gary Graver | D: Oja Kodar, Orson Welles | 25 min | OF | Probeszenen für einen aufwändigen Kostümfilm, die Welles im Wohnzimmer und im Vorgarten seines Hauses in Hollywood drehte. »When they brought the news to Ernest Hemingway that he’s been given the Nobel prize for Literature, he said: ›It should have gone to Isak Dinesen.‹ She was a Dane who wrote under that name, and I’ve been in love with her since I opened her first book.« (Orson Welles) ▶ Sonntag, 2. august 2015, 18.30 Uhr f münchen Donnerstag, 5. März 2015 19.00 Open Scene Freitag, 6. März 2015 Strop (Die Decke) / Pytel blech (Ein Sack Flöhe) ČSSR 1962 | Věra Chytilová | 42 + 43 min | OmU Seite 6 21.00 Deutsche Filme 2014 Der blinde Fleck Deutschland 2013 | Daniel M. Harrich | 92 min | OmeU Seite 12 18.30 Věra Chytilová Samstag, 7. März 2015 18.30 Věra Chytilová O něčem jiném (Von etwas anderem) ČSSR 1963 | Věra Chytilová | 90 min | OmU 21.00 Deutsche Filme 2014 Phoenix Deutschland 2014 | Christian Petzold | 98 min | OmeU Seite 6 Seite 12 Sonntag, 8. März 2015 18.30 Věra Chytilová Perličky na dně (Perlen auf dem Meeresgrund) ČSSR 1965 | Věra Chytilová, Jaromil Jireš, Jiří Menzel, Jan Němec, Evald Schorm | 105$min | OmU 21.00 Deutsche Filme 2014 Fräulein Else Deutschland 2013 | Anna Martinetz | 67 min | OmeU | Zu Gast: Anna Martinetz Seite 7 Seite 12 Dienstag, 10. März 2015 18.30 Deutsche Filme 2014 Der blinde Fleck Deutschland 2013 | Daniel M. Harrich | 92 min | OmeU 21.00 Naher Osten Bab’ Aziz (Der Tanz des Windes) Tunesien 2005 | Nacer Khemir | 98 min | OmU | Einführung: Verena Hein Seite 12 Seite 25 Mittwoch, 11. März 2015 18.30 Deutsche Filme 2014 Phoenix Deutschland 2014 | Christian Petzold | 98 min | OmeU 21.00 DEFA: Die besten Jahre Schaut auf diese Stadt DDR 1962 | Karl Gass | 85 min | Einführung: Ralf Schenk Seite 12 Seite 20 Donnerstag, 12. März 2015 18.30 Věra Chytilová Sedmikrásky (Tausendschönchen) ČSSR 1966 | Věra Chytilová | 73 min | OmU Cesta – portrét Věry Chytilové (Die Reise: Porträt Vera Chytilova) Tschechien 2004 | Jasmina Bralić-Blažević | 53 min | OmeU 21.00 Deutsche Filme 2014 Städtebewohner Deutschland 2014 | Thomas Heise | 90 min | OmeU Seite 7 Seite 13 Samstag, 14. März 2015 18.30 Věra Chytilová Ovoce stromů rajských jíme (Früchte des Paradieses) ČSSR 1970 | Věra Chytilová | 99 min | OmU 21.00 Deutsche Filme 2014 Die geliebten Schwestern Deutschland 2014 | Dominik Graf | 171 min (Director’s Cut) kalenderübersicht 19.00 Open Scene Freitag, 13. März 2015 83 Seite 7 Seite 13 Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450 f münchen Sonntag, 15. März 2015 18.30 Věra Chytilová Hra o jablko (Spiel um den Apfel / Ein bisschen schwanger) ČSSR 1977 | Věra Chytilová | 100 min | OmU 21.00 Deutsche Filme 2014 Rico, Oskar und die Tieferschatten Deutschland 2014 | Neele Leana Vollmar | 96 min Seite 8 Seite 13 Dienstag, 17. März 2015 18.30 Deutsche Filme 2014 Die geliebten Schwestern Deutschland 2014 | Dominik Graf | 139 min 21.00 Naher Osten Persepolis Frankreich 2007 | Vincent Paronnaud, Marjane Satrapi | 96 min | OmU Einführung: Parastou Forouhar Seite 13 Seite 25 Mittwoch, 18. März 2015 18.30 Deutsche Filme 2014 Rico, Oskar und die Tieferschatten Deutschland 2014 | Neele Leana Vollmar | 96 min 21.00 DEFA: Die besten Jahre … und deine Liebe auch DDR 1962 | Frank Vogel | 92 min Einführung: Stefan Drößler Seite 13 Seite 20 Donnerstag, 19. März 2015 19.00 Open Scene Louise Bourgeois: The Spider, the Mistress and the Tangerine USA 2008 | Marion Cajori, Amei Wallach | 99 min | OF Einführung: Julienne Lorz (Haus der Kunst) Freitag, 20. März 2015 18.30 Věra Chytilová Panelstory aneb Jak se rodí sídliště (Geschichte der Wände) ČSSR 1980 | Věra Chytilová | 96 min | OmU 21.00 Deutsche Filme 2014 Im Labyrinth des Schweigens Deutschland 2014 | Giulio Ricciarelli | 123 min | OmeU Seite 8 Seite 14 Samstag, 21. März 2015 18.30 Věra Chytilová Faunovo velmi pozdní odpoledne (Fauns allzuspäter Nachmittag) ČSSR 1983 | Věra Chytilová | 99 min | OmU Kalenderübersicht 21.00 Deutsche Filme 2014 Anderson Deutschland 2014 | Annekatrin Hendel | 95 min | OmeU 84 Seite 8 Seite 14 Sonntag, 22. März 2015 17.30 Film und Psychoanalyse Blade Runner USA 1982 | Ridley Scott | 117 min | OmU Einführung: Matthias Baumgart, Mathias Lohmer, Corinna Wernz 21.00 Deutsche Filme 2014 Love Steaks Deutschland 2013 | Jakob Lass | 90 min | OmeU Seite 27 Seite 14 Dienstag, 24. März 2015 18.30 Deutsche Filme 2014 Im Labyrinth des Schweigens Deutschland 2014 | Giulio Ricciarelli | 123 min | OmeU 21.00 Naher Osten Je veux voir (Lass es mich sehen) Libanon 2008 | Joana Hadjithomas, Khalil Joreige | 75 min | OmeU Seite 14 Seite 25 Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450 f münchen Mittwoch, 25. März 2015 18.30 Deutsche Filme 2014 Love Steaks Deutschland 2013 | Jakob Lass | 90 min | OmeU 21.00 DEFA: Die besten Jahre Sonntagsfahrer DDR 1963 | Gerhard Klein | 87 min Seite 14 Seite 20 Donnerstag, 26. März 2015 19.00 Open Scene Office Killer USA 1997 | Cindy Sherman | 82 min | OF | Zu Gast: Cindy Sherman Freitag, 27. März 2015 18.30 Věra Chytilová Praha – neklidné srdce Evropy (Prag, das unruhige Herz Europas) ČSSR 1984 | Věra Chytilová | 59 min | OmU Mí Pražané mi rozumějí (Meine Prager verstehen mich) Tschechien 1991 | Věra Chytilová | 59 min | OmeU 21.00 Deutsche Filme 2014 Kreuzweg Deutschland 2014 | Dietrich Brüggemann | 110 min | OmeU Seite 8 Seite 15 Samstag, 28. März 2015 18.30 Věra Chytilová Vlčí bouda (Die Wolfsbaude) ČSSR 1987 | Věra Chytilová | 92 min | OmU 21.00 Deutsche Filme 2014 Westen Deutschland 2013 | Christian Schwochow | 102 min | OmeU Seite 9 Seite 15 Sonntag, 29. März 2015 18.30 Věra Chytilová Vzlety a pády (Aufstieg und Fall) Tschechien 2000 | Věra Chytilová | 108 min | OmeU 21.00 Deutsche Filme 2014 Jack Deutschland 2014 | Edward Berger | 102 min | OmeU Seite 9 Seite 15 Dienstag, 31. März 2015 18.30 Deutsche Filme 2014 Kreuzweg Deutschland 2014 | Dietrich Brüggemann | 110 min | OmeU 21.00 Naher Osten Microphone (Mikrofon) Ägypten 2010 | Ahmad Abdalla | 122 min | OmeU Seite 15 Seite 26 18.30 Deutsche Filme 2014 Westen Deutschland 2013 | Christian Schwochow | 102 min | OmeU Seite 15 Deutschland – Endstation Ost DDR 1964 | Frans Buyens | 84 min Seite 21 18.30 Jacques Tati Jour de fête (Tatis Schützenfest) Frankreich 1949 | Jacques Tati | 86 min | OmU Seite 30 21.00 Věra Chytilová Šašek a královna (Der Narr und die Königin) ČSSR 1988 | Věra Chytilová | 111 min | OmU 21.00 DEFA: Die besten Jahre Donnerstag, 2. April 2015 19.00 Open Scene Freitag, 3. April 2015 kalenderübersicht Mittwoch, 1. April 2015 85 Seite 9 Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450 f münchen Samstag, 4. April 2015 18.30 Jacques Tati Les vacances de M. Hulot (Die Ferien des Monsieur Hulot) Frankreich 1953 | Jacques Tati | 95 min | OmU 21.00 Věra Chytilová Kopytem sem, kopytem tam (Einmal hin, einmal her) ČSSR 1989 | Věra Chytilová | 129 min | OmU Seite 30 Seite 9 Sonntag, 5. April 2015 18.30 Jacques Tati Mon Oncle (Mein Onkel) Frankreich 1958 | Jacques Tati | 116 min | OmU 21.00 Věra Chytilová Dědictví aneb Kurvahošigutntág (Das Erbe oder: Fuckoffjungsgutntag) Seite 9 Tschechien 1993 | Věra Chytilová | 120 min | OmeU Seite 31 Montag, 6. April 2015 18.30 Jacques Tati Tati sur les pas de M. Hulot (Jacques Tati trifft Monsieur Hulot) Frankreich 1989 | Sophie Tatischeff | 102 min | dtF Seite 31 21.00 Věra Chytilová Pasti, pasti, pastičky (Große Fallen, kleine Fallen) Tschechien 1998 | Věra Chytilová | 124 min | OmeU Seite 10 18.30 Jacques Tati Jour de fête (Tatis Schützenfest) Frankreich 1961 | Jacques Tati | 79 min | OmU Seite 30 21.00 Naher Osten Soullam ila Dimashk (Leiter nach Damaskus) Syrien 2013 | Mohamed Malas | 95 min | OmeU Seite 26 18.30 Jacques Tati Play Time (Tatis herrliche Zeiten) Frankreich 1967 | Jacques Tati | 124 min | ohne Dialog Seite 31 21.00 DEFA: Die besten Jahre Der geteilte Himmel DDR 1964 | Konrad Wolf | 110 min Seite 21 18.30 Jacques Tati Trafic (Tati im Stoßverkehr) Frankreich 1971 | Jacques Tati | 98 min | OmU Seite 32 21.00 Věra Chytilová Vyhnání z ráje (Vertreibung aus dem Paradies) Tschechien 2001 | Věra Chytilová | 124 min | OmeU Seite 10 18.30 Jacques Tati Parade Schweden 1974 | Jacques Tati | 89 min | OmU Seite 32 21.00 Věra Chytilová Pátrání po Ester (Ester) Tschechien 2005 | Věra Chytilová | 128 min | OmeU Seite 10 18.30 Jacques Tati Les vacances de M. Hulot (Die Ferien des Monsieur Hulot) Frankreich 1978 | Jacques Tati | 89 min | OmU Seite 31 21.00 Věra Chytilová Hezké chvilky bez záruky (Schöne Momente) Tschechien 2006 | Věra Chytilová | 108 min | OmeU Seite 10 Dienstag, 7. April 2015 Mittwoch, 8. April 2015 Donnerstag, 9. April 2015 19.00 Open Scene Kalenderübersicht Freitag, 10. April 2015 86 Samstag, 11. April 2015 Sonntag, 12. April 2015 Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450 f münchen Dienstag, 14. April 2015 18.30 Audiodeskription Zuckerbaby Seite 34 BRD 1984 | Percy Adlon | 86 min | mit Audiodeskription | Zu Gast: Martina Wiemers (Deutsche Hörfilm), Juliana Bauhofer (Projekt Inklusion im Kulturreferat) 21.00 Naher Osten Man Negahdar Jamali, western misazam (Ich heiße Negahdar Jamali und drehe Western) Iran 2012 | Kamran Heidari | 65 min | OmeU | Einführung: Silvia Bauer Seite 26 18.30 Audiodeskription The Battle of the Century (Alles in Schlagsahne) USA 1927 | Clyde Bruckman | 16 min | mit Audiodeskription Spuk um Mitternacht USA 1931 | James Parrott | 40 min | mit Audiodeskription Seite 34 21.00 DEFA: Die besten Jahre Denk bloß nicht ich heule DDR 1965/1990 | Frank Vogel | 91 min | Einführung: Ralf Schenk Seite 21 18.30 Jacques Tati Jour de fête (Tatis Schützenfest) Frankreich 1995 | Jacques Tati | 77 min | OmU Seite 30 21.00 Jacques Tati On demande une brute (Grobian gesucht) / Gai dimanche Seite 32 (Fröhlicher Sonntag) / Soigne ton gauche (Achte auf deine Linke) / L’école des facteurs (Die Schule der Briefträger) Frankreich 1934–1946 | Charles Barrois, Jacques Berr, René Clément, Jacques Tati | 76 min | OmU Mittwoch, 15. April 2015 Donnerstag, 16. April 2015 19.00 Open Scene Freitag, 17. April 2015 Samstag, 18. April 2015 18.30 Jacques Tati L’illusionniste (Der Illusionist) Frankreich 2010 | Sylvain Chomet | 80 min | OmU 21.00 Jacques Tati Cours du soir (Abendschule) / Forza Bastia 1978 ou l’île en fête Seite 32 (Vorwärts Bastia!) Frankreich 1967–1978 | Nicolas Ribowski, Jacques Tati, Sophie Tatischeff | 57 min | OmU Anneliese Rothenberger gibt sich die Ehre / VIP-Schaukel BRD 1975–1977 | Ekkehard Böhmer, Edgar von Heeringen | 29 min Sonntag, 19. April 2015 17.30 Film und Psychoanalyse Her USA 2013 | Spike Jonze | 126 min | OmU Einführung: Eva Friedrich, Katharina Leube-Sonnleitner Seite 28 21.00 Jacques Tati L’illusionniste (Der Illusionist) Frankreich 2010 | Sylvain Chomet | 80 min | OmU Seite 32 18.30 Audiodeskription Mein München Deutschland 2000 | Percy Adlon | 89 min | mit Audiodeskription Seite 34 21.00 Naher Osten The Iranian Film (Der iranische Film) Marokko 2014 | Yassine El Idrissi | 67 min | OmeU | Einführung: Silvia Bauer Seite 26 Dienstag, 21. April 2015 Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450 kalenderübersicht Seite 32 87 f münchen Mittwoch, 22. April 2015 18.30 Audiodeskription Vom Reiche der sechs Punkte Deutschland 1927 | Hugo Rütters | 95 min | mit Audiodeskription Seite 34 21.00 DEFA: Die besten Jahre Das Kaninchen bin ich DDR 1965/1990 | Kurt Maetzig | 118 min Seite 22 Donnerstag, 23. April 2015 19.00 Architekturfilmtage 99 Dom-Ino Seite 38 Italien 2014 | Joseph Grima | 130 min | OmeU | Zu Gast: Joseph Grima, Martina Muzi Freitag, 24. April 2015 18.30 Architekturfilmtage Two Baroque Churches / Wotruba / Seite 38 Die Böhms – Architektur einer Familie 1955–2014 | Charles & Ray Eames, Thomas Draschan, Maurizius Staerkle-Drux | 104 min 21.00 Architekturfilmtage La Sapienza Italien 2014 | Eugène Green | 107 min | OmeU | Zu Gast: Eugène Green Seite 38 Samstag, 25. April 2015 18.30 Architekturfilmtage Johann Bernhard Fischer von Erlach – Der Baumeister Salzburgs / Seite 38 Office Baroque / My Summer 77 with Gordon Matta-Clark 1977–2013 | Renate Lachinger, Eric Convents, Roger Steylaerts, Cherica Convents | 104 min | Einführung: Andreas Kreul 21.00 Architekturfilmtage Himmelstigen (Stairway to Heaven) / Balthasar Neumann und die Würzburger Residenz / Der Barockschmied Oegg / Raum im kreisenden Licht / Building 1936–2003 | Nils Vest, Dieter Wieland, Carl Lamb, Anouk De Clercq | 118 min Einführung: Andreas Kreul Seite 38 Kalenderübersicht Sonntag, 26. April 2015 88 18.30 Architekturfilmtage Vielfalt erforschen / Béton brut / Get Luder / Beton / Wotruba Wien / Seite 38 Blockhaus / Maillarts Brücken 2001–2014 | Katrin Leuthe & Rainer Knepperges, Timothy Smith, Jonathan Carr, Gustav W. Trampitsch, Aglaia Konrad, Heinz Emigholz | 112 min | Einführung: Matthieu Wellner 21.00 Architekturfilmtage Beyond Metabolism Deutschland 2014 | Stefanie Gaus & Volker Sattel | 42 min | OmU Tower House Österreich 2013 | Karl-Heinz Klopf | 62 min | OmU Seite 38 Deutschland, bleiche Mutter BRD 1980 | Helma Sanders-Brahms | 151 min Seite 39 18.30 Kriegsende Journey To Justice USA 2006 | Steve Palackdharry | 106 min | OmU Seite 39 21.00 DEFA: Die besten Jahre Berlin um die Ecke DDR 1965/1990 | Gerhard Klein | 85 min Seite 22 Dienstag, 28. April 2015 19.00 Kriegsende Mittwoch, 29. April 2015 Donnerstag, 30. April 2015 19.00 Open Scene Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450 f münchen Freitag, 1. Mai 2015 18.30 Jahrgang 1945 Fassbinder, Schroeter, Wenders: Die Anfänge Seite 45 Vortrag von Rainer Gansera mit Filmbeispielen | 30 min Das kleine Chaos / Alabama: 2000 Light Years / Aggression BRD 1967–1969 | Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders, Werner Schroeter | 55 min 21.00 Jahrgang 1945 Katzelmacher BRD 1969 | Rainer Werner Fassbinder | 88 min | Einführung: Rainer Gansera Seite 46 Samstag, 2. Mai 2015 18.30 Jahrgang 1945 Der Stadtstreicher / Der Bräutigam, die Komödiantin und der Zuhälter Seite 46 / Same Player Shoots Again / 3 amerikanische LP’s / Himmel hoch BRD 1966–1969 | Rainer Werner Fassbinder, Jean-Marie Straub, Wim Wenders, Werner Schroeter | 68 min | Einführung: Rainer Gansera 21.00 Jahrgang 1945 Eika Katappa BRD 1969 | Werner Schroeter | 144 min | Einführung: Rainer Gansera Seite 46 18.30 Jahrgang 1945 Werner Schroeters Anfänge im Underground Vortrag von Stefan Drößler mit Filmbeispielen | 30 min Magdalena / Home Movie / Maria Callas singt 1957 Rezitativ und Arie der Elvira aus Ernani 1844 von Giuseppe Verdi / Argila BRD 1968–1969 | Werner Schroeter | 50 min Seite 46 21.00 Jahrgang 1945 Die Angst des Tormanns beim Elfmeter BRD 1972 | Wim Wenders | 100 min | Einführung: Rainer Gansera Seite 47 18.30 Kriegsende Die Widerständigen. Zeugen der Weißen Rose Deutschland 2008 | Katrin Seybold | 92 min Seite 40 21.00 Franz Josef Strauß Schnipp-Schnapp Schüsse / Zur Person: Franz-Josef Strauß / Hier Strauß 1959–1965 | Walter Heynowski, Günter Gaus, Don Alan Pennebaker | 108 min Seite 51 Sonntag, 3. Mai 2015 Dienstag, 5. Mai 2015 18.30 Kriegsende Nein! Zeugen des Widerstandes in München 1933–1945 / Ludwig Koch. Der mutige Weg eines politischen Menschen Deutschland 1998–2000 | Katrin Seybold | 83 min Seite 40 21.00 DEFA: Die besten Jahre Spur der Steine DDR 1966 | Frank Beyer | 139 min Seite 22 Donnerstag, 7. Mai 2015 19.00 Open Scene Das falsche Wort. Wiedergutmachung an Zigeunern (Sinte) in Deutschland? BRD 1987 | Katrin Seybold | 83 min | Einführung: Monika Bobzien Freitag, 8. Mai 2015 bis Sonntag, 17. Mai 2015 DOK.fest München: Retrospektive Avi Mograbi Seite 52 18.30 Kriegsende Night Will Fall (Hitchcocks Lehrfilm für die Deutschen) GB 2014 | André Singer | 76 min | OF Seite 40 21.00 Franz Josef Strauß Der Kandidat Seite 51 BRD 1980 | Stefan Aust, Volker Schlöndorff, Alexander Kluge, A. von Eschwege | 129 min Avi Mograbi Dienstag, 19. Mai 2015 Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450 kalenderübersicht Mittwoch, 6. Mai 2015 89 f münchen Mittwoch, 20. Mai 2015 18.30 Kriegsende München 1945 / Fronleichnam 3. Juni 1945 München Seite 40 Deutschland 1945 | Willi Cronauer | 85 min | Kommentierung: Elisabeth Angermair 21.00 DEFA: Die besten Jahre Karla DDR 1966/1990 | Herrmann Zschoche | 123 min Seite 22 18.30 Jahrgang 1945 Die Ehe der Maria Braun BRD 1978 | Rainer Werner Fassbinder | 120 min | Einführung: Rainer Gansera Seite 47 21.00 Jahrgang 1945 Polizeifilm BRD 1969 | Wim Wenders | 11 min Der Bomberpilot BRD 1970 | Werner Schroeter | 65 min | Einführung: Stefan Drößler Seite 47 18.30 Jahrgang 1945 Falsche Bewegung BRD 1975 | Wim Wenders | 103 min | Einführung: Rainer Gansera Seite 47 21.00 Jahrgang 1945 Episode aus Deutschland im Herbst / Die dritte Generation Seite 48 BRD 1978–1979 | Rainer Werner Fassbinder | 136 min | Einführung: Rainer Gansera Donnerstag, 21. Mai 2015 19.00 Open Scene Freitag, 22. Mai 2015 Samstag, 23. Mai 2015 Sonntag, 24. Mai 2015 19.00 Jahrgang 1945 Im Lauf der Zeit BRD 1976 | Wim Wenders | 175 min | Einführung: Rainer Gansera Seite 48 Palermo oder Wolfsburg BRD 1980 | Werner Schroeter | 179 min | Einführung: Stefan Drößler Seite 48 Montag, 25. Mai 2015 19.00 Jahrgang 1945 Kalenderübersicht Dienstag, 26. Mai 2015 90 18.30 Hou Hsiao-hsien Fenger ti ta cai (Cheerful Wind) / Erzide dawanou (Der Sandwich-Mann) Seite 55 Taiwan 1981–1983 | Hou Hsiao-hsien | 123 min | OmeU 21.00 Edmund Meisel Bronenosec Potemkin (Panzerkreuzer Potemkin) Seite 64 SU 1925 | Sergej Eisenstein | 70 min | Deutsche Premierenfassung von Piel Jutzi Mittwoch, 27. Mai 2015 18.30 Hou Hsiao-hsien Fenggui laide ren (Die fernen Tage meiner Kindheit) Taiwan 1983 | Hou Hsiao-hsien | 98 min | OmeU Seite 56 21.00 DEFA: Die besten Jahre Jahrgang 45 DDR 1966/1990 | Jürgen Böttcher | 94 min Seite 23 18.30 Jahrgang 1945 Warnung vor einer heiligen Nutte BRD 1971 | Rainer Werner Fassbinder| 103 min | Einführung: Rainer Gansera Seite 48 21.00 Jahrgang 1945 Querelle – Ein Pakt mit dem Teufel Seite 49 BRD 1982 | Rainer Werner Fassbinder | 107 min | engl. OF | Einführung: Rainer Gansera Donnerstag, 28. Mai 2015 19.00 Open Scene Freitag, 29. Mai 2015 Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450 f münchen Samstag, 30. Mai 2015 Reverse Angle: NYC March ’82 / Hammett / Arbeitskopie Hammett USA 1980–1982 | Wim Wenders | 250 min | OF Einführung: Rainer Gansera, Stefan Drößler Seite 49 18.30 Jahrgang 1945 Willow Springs USA 1973 | Werner Schroeter | 78 min | OF Einführung: Rainer Gansera Seite 49 21.00 Jahrgang 1945 Weisse Reise Schweiz 1980 | Werner Schroeter | 55 min | frz. OmU Chambre 666 Frankreich 1982 | Wim Wenders | 50 min | engl. OF Einführung: Rainer Gansera Seite 49 18.30 Hou Hsiao-hsien Dongdong de jiaqi (Große Ferien) Taiwan 1984 | Hou Hsiao-hsien | 98 min | OmeU Seite 56 21.00 Edmund Meisel Der heilige Berg Deutschland 1926 | Arnold Fanck | 106 min | \ Richard Siedhoff Seite 64 18.30 Hou Hsiao-hsien Tongnian wangshi (Geschichten einer fernen Kindheit) Taiwan 1985 | Hou Hsiao-hsien | 136 min | OmeU Seite 56 21.00 DEFA: Die besten Jahre Das siebente Jahr DDR 1969 | Frank Vogel | 83 min Seite 23 18.30 Hou Hsiao-hsien Lianlian fengchen (Liebe, Wind, Staub) Taiwan 1986 | Hou Hsiao-hsien | 110 min | OmeU Seite 56 21.00 Paul Thomas Anderson Hard Eight (Last Exit Reno) USA 1996 | Paul Thomas Anderson | 102 min | OF Seite 68 18.30 Hou Hsiao-hsien The Electric Princess Picture House / La Belle Époque 2007–2011 | Hou Hsiao-hsien | 8 min HHH – Portrait de Hou Hsiao-hsien (Porträt Hou Hsiao-Hsien) Frankreich 1997 | Olivier Assayas | 92 min | OmeU Seite 56 21.00 Paul Thomas Anderson Boogie Nights USA 1997 | Paul Thomas Anderson | 155 min | OmU Seite 68 17.30 Film und Psychoanalyse Abre los Ojos (Öffne die Augen) Spanien 1997 | Alejandro Amenábar | 114 min | OmeU Einführung: Salek Kutschinski, Andreas Hamburger Seite 28 21.00 Paul Thomas Anderson The Dirk Diggler Story / Cigarettes & Coffee USA 1988–1993 | Paul Thomas Anderson | 56 min | OF Seite 68 18.30 Jahrgang 1945 Sonntag, 31. Mai 2015 Dienstag, 2. Juni 2015 Mittwoch, 3. Juni 2015 Donnerstag, 4. Juni 2015 19.00 Open Scene Freitag, 5. Juni 2015 Sonntag, 7. Juni 2015 Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450 kalenderübersicht Samstag, 6. Juni 2015 91 f münchen Dienstag, 9. Juni 2015 18.30 Hou Hsiao-hsien Niluohe nüer (Tochter des Nils) Taiwan 1987 | Hou Hsiao-hsien | 92 min | OmeU Seite 57 21.00 Edmund Meisel Berlin. Die Sinfonie der Großstadt Deutschland 1927 | Walther Ruttmann | 65 min Seite 65 Beiqing chengshi (Eine Stadt der Traurigkeit) Taiwan 1989 | Hou Hsiao-hsien | 158 min | OmeU Seite 57 Mittwoch, 10. Juni 2015 19.00 Hou Hsiao-hsien Donnerstag, 11. Juni 2015 19.00 John Smith Om / Gargantuan / The Girl Chewing Gum / The Black Tower / Blight / unusual Red cardigan GB 1976–2011 | John Smith | 68 min | OF Zu Gast: John Smith Seite 59 Freitag, 12. Juni 2015 18.30 John Smith Associations / Worst Case Scenario / Throwing Stones / Pyramids / Skunk / Flag Mountain / White Hole / Dad’s Stick GB 1975–2012 | John Smith | 73 min | OF Zu Gast: John Smith Seite 59 21.00 Paul Thomas Anderson Magnolia USA 1999 | Paul Thomas Anderson | 193 min | OmU Seite 68 18.30 Hou Hsiao-hsien Ximeng rensheng (Der Meister des Puppenspiels) Taiwan 1993 | Hou Hsiao-hsien | 142 min | OmeU Seite 57 21.00 Paul Thomas Anderson Punch-Drunk Love USA 2002 | Paul Thomas Anderson | 95 min | OmU Seite 69 18.30 Hou Hsiao-hsien Haonan haonu (Good Men, Good Women) Taiwan 1995 | Hou Hsiao-hsien | 108 min | OmeU Seite 57 21.00 Paul Thomas Anderson A Prairie Home Companion (Robert Altmans Last Radio Show) USA 2006 | Robert Altman | 103 min | OmU Seite 69 18.30 Hou Hsiao-hsien Nanguo zaijian, nanguo (Goodbye South, Goodbye) Taiwan 1996 | Hou Hsiao-hsien | 112 min | OmeU Seite 58 21.00 Edmund Meisel Oktjabr’ (Zehn Tage, die die Welt erschütterten) SU 1928 | Sergej Eisenstein | 116 min | OmU Seite 65 18.30 Hou Hsiao-hsien Hai shang hua (Die Blumen von Shanghai) Taiwan 1998 | Hou Hsiao-hsien | 112 min | OmeU Seite 58 21.00 DEFA: Die besten Jahre Weite Straßen – stille Liebe DDR 1969 | Herrmann Zschoche | 76 min Seite 23 Zuschauerkino Seite 70 Samstag, 13. Juni 2015 Sonntag, 14. Juni 2015 Kalenderübersicht Dienstag, 16. Juni 2015 92 Mittwoch, 17. Juni 2015 Donnerstag, 18. Juni 2015 19.00 Open Scene Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450 f münchen Freitag, 19. Juni 2015 18.30 Hou Hsiao-hsien Qianxi manbo (Millennium Mambo) Taiwan 2001 | Hou Hsiao-hsien | 105 min | OmeU Seite 58 21.00 Paul Thomas Anderson There Will Be Blood USA 2007 | Paul Thomas Anderson | 158 min | OmU Seite 69 18.30 Hou Hsiao-hsien Kohi jiko (Café Lumière) Japan 2003 | Hou Hsiao-hsien | 103 min | OmeU Seite 58 21.00 Paul Thomas Anderson The Master USA 2012 | Paul Thomas Anderson | 144 min | OmU Seite 69 18.30 Hou Hsiao-hsien Zuihaode shiguang (Three Times) Taiwan 2005 | Hou Hsiao-hsien | 136 min | OmeU Seite 58 21.00 Paul Thomas Anderson Inherent Vice (Natürliche Mängel) USA 2014 | Paul Thomas Anderson | 148 min | OmU Seite 69 18.30 Pedro Costa Ossos (Haut und Knochen) Portugal 1997 | Pedro Costa | 94 min | OmeU Zu Gast: Pedro Costa Seite 73 21.00 Edmund Meisel Bronenosec Potemkin (Panzerkreuzer Potemkin) Seite 65 SU 1925 | Sergej Eisenstein | 49 min | deutsche Tonfassung (1930) von Alois J. Lippl Goluboj ekspress (Le train mongol | Der blaue Express) SU 1929 | Ilja Trauberg | 57 min | französische Tonfassung (1932) von Abel Gance OmU Samstag, 20. Juni 2015 Sonntag, 21. Juni 2015 Dienstag, 23. Juni 2015 Mittwoch, 24. Juni 2015 19.00 Pedro Costa No Quarto da Vanda (In Vandas Zimmer) / Tarrafal Portugal 2000–2007 | Pedro Costa | 196 min | OmeU | Zu Gast: Pedro Costa Seite 73 Donnerstag, 25. Juni 2015 19.00 Pedro Costa Juventude Em Marcha (Jugend voran!) / O nosso homem (Unser Mann) Seite 73 Portugal 2006–2011 | Pedro Costa | 178 min | OmeU | Zu Gast: Pedro Costa Freitag, 26. Juni 2015 bis Samstag, 4. Juli 2015 17.30 Film und Psychoanalyse Soljaris (Solaris) Seite 28 SU 1972 | Andrej Tarkovskij | 167 min | OmU Einführung: Andreas Hamburger, Salek Kutschinski, Vivian Pramataroff-Hamburger Dienstag, 7. Juli 2015 20.00 Orson Welles The Hearts of Age / Too Much Johnson / The Mercury Wonder Show / The Fountain of Youth (Der Jungbrunnen) / The Golden Honeymoon USA 1934–1971 | Orson Welles | 90 min | OF Seite 77 Citizen Kane Trailer / Citizen Kane USA 1941 | Orson Welles | 123 min | OmU Seite 77 93 Mittwoch, 8. Juli 2015 20.00 Orson Welles kalenderübersicht Filmfest München Sonntag, 5. Juli 2015 Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450 f münchen Donnerstag, 9. Juli 2015 The Magnificent Ambersons (Der Glanz des Hauses Amberson) USA 1942 | Orson Welles | 111 min (rekonstruierte Videofassung) | OF Einführung: Stefan Drößler Seite 77 18.30 Orson Welles It’s All True: Based on an Unfinished Film by Orson Welles USA 1942 | Bill Krohn, Myron Meisel, Richard Wilson | 88 min | OF Seite 77 21.00 Orson Welles The Hearts of Age / Too Much Johnson / The Mercury Wonder Show / The Fountain of Youth (Der Jungbrunnen) / The Golden Honeymoon USA 1934–1970 | Orson Welles | 90 min | OF Seite 77 18.30 Orson Welles The War of the Worlds (Krieg der Welten) / The Orson Welles Show 1955–1978 | Orson Welles | 90 min | OF Seite 78 21.00 Orson Welles Citizen Kane Trailer / Citizen Kane USA 1941 | Orson Welles | 123 min | OmU Seite 77 18.30 Orson Welles Orson Welles’ Moby Dick / Scenes from The Other Side of the Wind / Orson Welles’ Magic Show / The Spirit of Charles Lindbergh 1971–1984 | Orson Welles | 90 min | OF Einführung: Stefan Drößler Seite 78 21.00 Orson Welles The Magnificent Ambersons (Der Glanz des Hauses Amberson) USA 1942 | Orson Welles | 88 min | OF Seite 77 Macbeth USA 1948 | Orson Welles | 107 min | OmU Seite 78 Othello GB 1952 | Orson Welles | 91 min | OmU Seite 78 Chimes at Midnight (Falstaff) Spanien 1965 | Orson Welles | 113 min | OF Seite 79 18.30 Orson Welles King Lear / King Lear Tape 1953–1983 | Andrew McCollough, Orson Welles | 95 min | OF Seite 79 21.00 Orson Welles Macbeth USA 1948 | Orson Welles | 107 min | OmU Seite 78 20.00 Orson Welles Freitag, 10. Juli 2015 Samstag, 11. Juli 2015 Sonntag, 12. Juli 2015 Dienstag, 14. Juli 2015 20.00 Orson Welles Mittwoch, 15. Juli 2015 20.00 Orson Welles Donnerstag, 16. Juli 2015 Kalenderübersicht 20.00 Orson Welles 94 Freitag, 17. Juli 2015 Samstag, 18. Juli 2015 18.30 Orson Welles Return to Glennascaul (Rückkehr nach Glennascaul) / Filming Othello Seite 79 (Erinnerungen an Othello) 1951–1978 | Hilton Edwards, Orson Welles | 107 min | OF 21.00 Orson Welles Othello GB 1952 | Orson Welles | 91 min | OmU Seite 78 Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450 f münchen Sonntag, 19. Juli 2015 18.30 Orson Welles Orson Welles on Stage in Dublin / Shylock / Falstaff / Lucy Meets Orson Welles 1938–1975 | Orson Welles, Greg Garrison, James V. Kern | 83 min | OF Seite 79 21.00 Orson Welles Chimes at Midnight (Falstaff) Spanien 1965 | Orson Welles | 113 min | OF Seite 79 Orson Welles’ Vienna 1969 | Orson Welles | 8 min | OmU The Third Man (Der dritte Mann) GB 1949 | Carol Reed | 104 min | OmU Seite 80 The Lady from Shanghai (Die Lady von Shanghai) USA 1948 | Orson Welles | 87 min | OmU Seite 80 Police (Polizei) / Touch of Evil (Im Zeichen des Bösen) 1955–1958 | Orson Welles | 123 min | OF + OmU Seite 80 18.30 Orson Welles Journey into Fear (Von Agenten gejagt) USA 1943 | Norman Foster | 81 min (rekonstruierte Videofassung) | OF Einführung: Stefan Drößler Seite 80 21.00 Orson Welles Orson Welles’ Vienna 1969 | Orson Welles | 8 min | OmU The Third Man (Der dritte Mann) GB 1949 | Carol Reed | 104 min | OmU Seite 80 18.30 Orson Welles The Stranger (Die Spur des Fremden) USA 1946 | Orson Welles | 95 min | OF Seite 81 21.00 Orson Welles The Lady from Shanghai (Die Lady von Shanghai) USA 1948 | Orson Welles | 87 min | OmU Seite 80 18.30 Orson Welles The Deep 1969 | Orson Welles | 115 min (Arbeitsfassung) | OF Einführung und Kommentierung: Stefan Drößler Seite 81 21.00 Orson Welles Police (Polizei) / Touch of Evil (Im Zeichen des Bösen) 1955–1958 | Orson Welles | 123 min | OF + OmU Seite 80 Orson Welles in Deutschland Vortrag von Stefan Drößler mit Filmbeispielen | 90 min Seite 81 The Trial (Der Prozess) GB 1962 | Orson Welles | 118 min | OmU Seite 81 Dienstag, 21. Juli 2015 20.00 Orson Welles Mittwoch, 22. Juli 2015 20.00 Orson Welles Donnerstag, 23. Juli 2015 20.00 Orson Welles Freitag, 24. Juli 2015 Samstag, 25. Juli 2015 Dienstag, 28. Juli 2015 20.00 Orson Welles 95 Mittwoch, 29. Juli 2015 20.00 Orson Welles kalenderübersicht Sonntag, 26. Juli 2015 Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450 f münchen Donnerstag, 30. Juli 2015 Orson Welles’ The Golden Honeymoon / F for Fake (F wie Fälschung) 1970–1973 | Orson Welles | 102 min | OF Seite 81 18.30 Orson Welles St. Germain des Prés / Viva Italia / Orson Welles’ London / Scenes from Don Quichotte GB 1955–1971 | Orson Welles | 104 min | OF Seite 82 21.00 Orson Welles Tempo di Flamenco (Flamenco Lessons) Italien 1962 | Orson Welles | 26 min | ohne Dialog Mr. Arkadin (Herr Satan persönlich) GB 1955 | Orson Welles | 105 min (rekonstruierte Fassung) | OmU Seite 82 18.30 Orson Welles F for Fake Trailer / Filming The Trial 1976–1981 | Orson Welles | 93 min | OF Seite 82 21.00 Orson Welles The Trial (Der Prozess) GB 1962 | Orson Welles | 118 min | OmU Seite 81 18.30 Orson Welles The Immortal Story (Stunde der Wahrheit) Frankreich 1967 | Orson Welles | 58 min | engl. OF Orson Welles’ The Dreamers USA 1982 | Orson Welles | 25 min | OF Seite 82 21.00 Orson Welles Orson Welles’ The Golden Honeymoon / F for Fake (F wie Fälschung) 1970–1973 | Orson Welles | 102 min | OF Seite 81 20.00 Orson Welles Freitag, 31. Juli 2015 Samstag, 1. August 2015 Sonntag, 2. August 2015 Kalenderübersicht orson Welles bei den Dreharbeiten zu The immoRTal SToRy Sommerpause: Das Filmmuseum ist geschlossen vom 3. August bis zum 2. September 2015 96 Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450 FürUnterstützungundKooperationbeiderRealisierungunseresProgrammsdankenwir: Věra Chytilová · Tschechisches Zentrum München (Anett Browarzik, Ondřej Černý) · Národní filmový archiv, Prag (Michal Bregant, Daniel Vadocký, Tomas Zurek) · Česká televize, Prag (Leoš Morávek, Robert Valica) · Le Bon Film, Basel (Beat Schneider) · Europe's Finest, Köln (Antje Buchholz) Kreul, Bremen · Waltraud Loges, London · Nils Vest, Kopenhagen · Matthieu Wellner, München Kriegsende1945 · Cinephil, Tel Aviv (Tal Barnea) · Deutsche Kinemathek, Berlin (Anke Hahn) · Stadtarchiv München (Elisabeth Angermair) DEFA:DiebestenJahre · DEFA-Stiftung, Berlin (Ralf Schenk, Juliane Haase) · Deutsche Kinemathek, Berlin (Anke Hahn, Christos Acrivulis) Fassbinder / Schroeter / Wenders · Arsenal – Institut für Film und Medienkunst e.V., Berlin (Gesa Knolle) · Deutsche Kinemathek, Berlin (Anke Hahn) · Münchner Volkshochschule (Klaus Blanc) · Neue Road Movies, Berlin (Wim Wenders, Bernadette Kamp) · Wim Wenders Stiftung, Düsseldorf (Bernd Eichhorn) CommonGrounds · Museum Villa Stuck, München (Verena Hein, Roland Wenninger) · Trigon-Film, Ennetbaden (Andreas Furler) · Silvia Bauer, München · Irit Neidhardt, Berlin Franz Josef Strauß · Deutsches Rundfunkarchiv, Babelsberg (Ute Eick) · Filmmuseum der Landeshauptstadt Düsseldorf (Andreas Thein) · Münchner Stadtmuseum (Henning Rader, Rudolf Scheutle) Film und Psychoanalyse · Akademie für Psychoanalyse und Psychotherapie, München · (Matthias Baumgart, Eva Friedrich, Andreas Hamburger, Vivian Pramataroff-Hamburger, Salek Kutschinski, Mathias Lohmer, Katharina LeubeSonnleitner, Corinna Wernz) · Filmoteca Española, Madrid (Catherine Gautier, Mercedes de la Fuente) HouHsiao-hsien · Center for Moving Image Arts at Bard College, Annandale-on-Hudson (Richard I. 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