Kanada und Deutschland - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

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Kanada und Deutschland - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Kanada und
Deutschland
Migration und Integration
im Vergleich
Fachtagung
Kanada und
Deutschland
Migration und Integration
im Vergleich
herausgegeben von
Petra Bendel und
Axel Kreienbrink
Migration,
Flüchtlinge
und Integration
Schriftenreihe Band 15
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
7
10
Einführung: Migration und Integration in Kanada und
Deutschland im Vergleich
Dr. Petra Bendel und Dr. Axel Kreienbrink
24
Rethinking the Origins of the Canadian
Immigration Points System
Triadafilos Triadafilopoulos PhD
56
Punktesysteme, Einwanderungsplanwirtschaft und
marktwirtschaftliche Alternativen oder:
Was kann Deutschland von Kanada lernen?
Dr. Holger Kolb
78
Multikulturalismus-Politik – „made in Canada“
Prof. Dr. Rainer-Olaf Schultze
101
4
Vorwort
Dr. Albert Schmid
Integrationsförderung in Deutschland
Dr. Michael Griesbeck
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
111
Youth in Plural Cities - A Canada-France
Comparison: Policy Issues and Development
Prof. Yvonne Hébert PhD
136
Integration an deutschen Schulen
Prof. Dr. Eckart Liebau
152
Autorenverzeichnis
5
Vorwort
Dr. Albert Schmid
Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
Dr. Albert Schmid
In Deutschland werden in den letzten Jahren immer wieder
Fragen zur Zuwanderung von besonders hochqualifizierten Arbeitnehmern auf unseren Arbeitsmarkt aufgeworfen. Das am
1. Januar 2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz hat dazu
Regelungen geschaffen. Aber die Debatten um den richtigen
Weg der Anwerbung Hochqualifizierter und von Fachkräften
gehen weiter. Sie drehen sich darum, ob die Bedingungen für
Hochqualifizierte attraktiv genug sind, wie mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Rahmen der EU-Osterweiterung umgegangen werden soll oder wie auf mögliche kurzfristige Engpässe auf
dem Arbeitsmarkt bei der Besetzung von Fachkräftestellen zu
reagieren ist.
Entsprechend hat die Bundesregierung auf ihrer Klausurtagung in Meseberg am 23./24. August 2007 beschlossen,
neue Impulse im Bereich der Qualifizierung zu setzen und den
Fachkräftemangel verstärkt in den Blick zu nehmen. Dazu soll
7
Vorwort
ein systematisches Monitoring zur Ermittlung des Bedarfes an
Fachkräften dienen und ein Konzept zur arbeitsmarktadäquaten
Steuerung der Zuwanderung entwickelt werden. In einem ersten
Schritt wurde so im Rahmen der Umsetzung für Bürger der neuen
EU-Mitgliedstaten der Arbeitsmarktzugang für Ingenieure bestimmter Fachrichtungen sowie für Absolventen von deutschen
Hoch- und Fachhochschulen erleichtert.
Parallel dazu ist die Integration von Zuwanderern eine
der großen Herausforderungen unserer Zeit. Im Jahr 2006 wurde
gemeinsam von Bund, Ländern und Kommunen, Vertretern der
Zivilgesellschaft und der Migranten ein Nationaler Integrationsplan entwickelt, der einen „Fahrplan“ für die Integrationspolitik
der kommenden Jahre darstellt. Das Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge nimmt im Rahmen des bundesweiten Integrationsprogramms vielfältige Konzeptions- und Steuerungsaufgaben
wahr und bündelt eine Vielzahl von Programmen zur sprachlichen, gesellschaftlichen und sozialen Integration.
Wann immer Debatten zu den Themen Migration und Integration geführt werden, lohnt ein Blick auf die Erfahrungen, die
andere Staaten damit gemacht haben. Die Kenntnis dessen, was
andere in diesem Bereich an Konzepten bereits versucht haben,
was gelang und was nicht gelang sowie die Analyse, aus welchen
Gründen das jeweils geschah, bereichert die Diskussion und führt
zu besseren Ergebnissen. Gerade Kanada zählt als „klassisches“
Einwanderungsland zu jenen Staaten, die mit Migration und
Integration über weit mehr als ein Jahrhundert Erfahrungen gesammelt haben. Auch dort wurden bereits vor Jahrzehnten angesichts sich verändernder Rahmenbedingungen neue Wege bei
der Zulassung von Zuwanderern und der Integration beschritten.
Beispielhaft können hier das Punktesystem und die Politik des
Multikulturalismus angeführt werden.
8
Vorwort
Um der Frage nachzugehen, inwiefern die migrations- und
integrationspolitischen Maßnahmen von Deutschland und Kanada vergleichbar sind und ob aus den jeweiligen Erfahrungen
etwas voneinander gelernt werden kann, veranstaltete die Forschungsgruppe des Bundesamtes in Zusammenarbeit mit dem
Zentralinstitut für Regionalforschung der Universität ErlangenNürnberg am 9. November 2006 eine Fachtagung unter dem
Titel „Kanada und Deutschland – Migration und Integration im
Vergleich“. Die Veranstaltung wurde gefördert durch die Kanadische Botschaft in Deutschland. Wissenschaftler und Vertreter
verantwortlicher Behörden kamen von beiden Seiten des Atlantiks zusammen und diskutierten vor einem großen Publikum.
Dabei standen drei Themenfelder von anhaltender Aktualität
im Vordergrund: die in Meseberg angesprochenen Fragen des
Migrations-Managements und der Zulassung von Arbeitskräften,
die nationalen Konzepte von „Integration“ sowie ihre Umsetzung
in Bezug auf die Integrationsarbeit mit Jugendlichen und in der
Schule.
Mit dem vorliegenden Band 15 der Schriftenreihe werden
die Beiträge der Referenten veröffentlicht, um die gewonnenen
Erkenntnisse der Tagung einem weiteren Interessentenkreis vermitteln zu können. Das Bundesamt als Kompetenzzentrum für
Migration und Integration kommt damit seiner Rolle nach, Mittler zu sein und Impulse für einen konstruktiven Dialog zu geben.
Dr. Albert Schmid
Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
9
Dr. Petra Bendel und Dr. Axel Kreienbrink
Einführung: Migration und
Integration in Kanada und
Deutschland im Vergleich
Die Frage von Migration und Integration ist ein anhaltendes Thema in der deutschen Debatte. Benötigt das Land weitere
Zuwanderung? Benötigt der Arbeitsmarkt Zuwanderung? Wenn
ja, welche Voraussetzungen sollen Zuwanderer mitbringen? Wie
kann gegebenenfalls ein passgenauer Zugang gewährleistet werden? Was geschieht mit den Migranten im Land? Wie gestalten
wir Integration und Miteinander? So und in vielfältiger Abwandlung lauten einige der Fragen, die seit Jahren diskutiert werden.
In diesen Diskussionen findet sich häufig ein Bezug zu Kanada,
wo zum Teil ähnliche Fragen eine Rolle gespielt haben und immer
noch spielen. Entsprechend wird immer wieder die Frage gestellt,
ob nicht die Lösungen dieses klassischen Einwanderungslandes
mit entsprechender Erfahrung ein Modell für Deutschland oder
gar die EU als Ganzes darstellen, von dem wir lernen könnten
(Adam 2002; Geißler 2003; Schmidtke 2006; Triadafilopoulos
2006; Bauer 2007; Taron 2007).
Kanada gilt als einer der aufnahmefreundlichsten Staaten
der Welt. Die Zulassungszahlen von 262.200 bzw. 251.600 in den
Jahren 2005 und 2006 sind die höchsten seit den 1980er Jahren.
Wie stark das Land von Migration geprägt ist, zeigen die letzten
Daten zu Einwanderung und Staatsbürgerschaft der Volkszählung von 20061, wonach bei einer Bevölkerung von 31,6 Millionen
fast 6,2 Millionen Menschen im Ausland geboren sind (foreignborn), was 19,8 % entspricht. Der Anteil ist gegenüber dem letzten
Zensus von 2001 (18,4 %) noch gestiegen und damit seit 75 Jahren
der höchste. Diese Zuwanderung kommt – nach dem in früheren
10
1
http://www12.statcan.ca/english/census06/release/immigrationcitizenship.cfm.
Einführung: Migration und Integration in Kanada und Deutschland im Vergleich
Jahrzehnten die Migration aus Europa dominierte – mittlerweile
zum weitaus größten Teil aus dem asiatisch-pazifischen Raum.
Knapp drei Fünftel der foreign-born kommen aus dieser Region.
Europäer machen noch 16,1 % aus, wobei ähnlich wie in den (neuen) europäischen Zuwanderungsländern mittlerweile Osteuropäer, v.a. Rumänen, den größten Anteil stellen.
Bei jenen, die ins Land kommen, handelt es sich ganz
überwiegend um Arbeitsmigranten, Familienangehörige und zu
einem kleineren Anteil um Flüchtlinge. Arbeitsmigranten, und
zwar in der Regel meist hoch qualifizierte, machten dabei in den
letzten Jahren zwischen 55 und 62 % der Gesamteinwanderung
aus. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur Zuwanderung nach
Deutschland, die seit vielen Jahren überwiegend dem Familiennachzug zuzuordnen ist.
Hier setzt einer der Diskussions- und Vergleichspunkte an,
nämlich die Zulassung über ein Punktesystem, das Kanada für
Arbeitsmigranten betreibt. Dabei werden der erreichte Bildungsgrad, vorhandene Sprachkenntnisse in den beiden Amtssprachen
Kanadas, die Berufserfahrung, das Alter, das Stellenangebot und
die voraussichtliche Anpassungsfähigkeit im Land bewertet. Die
Bewertung ist jedoch (seit 2002) weniger am konkreten Bedarf an
der Beschäftigung auf dem kanadischen Arbeitsmarkt orientiert,
sondern am Humankapital ausgerichtet, das die Zuwanderer mitbringen. Dahinter stehen langfristige demographische und volkswirtschaftliche Erwägungen, denn flexibles und übertragbares
Wissen wird immer wichtiger in einer sich rasant verändernden,
auf Wissen basierenden Ökonomie. Dieses „wohlverstandene
Eigeninteresse“ (Schmidtke 2003) ist es, das in der migrationspolitischen Diskussion hierzulande immer wieder aufgegriffen
wird, wenn es darum geht, die Zuwanderung von qualifizierten
Migranten nach Deutschland zu fördern. Dies war der Fall bei der
„Greencard“-Initiative des ehemaligen Bundeskanzlers Schröder,
die noch in Hochzeiten der New Economy vor allem für die Anwerbung von Computer-Fachkräften sorgen sollte (Treibel 2001).
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Dr. Petra Bendel und Dr. Axel Kreienbrink
Bei den wenig später einsetzenden Verhandlungen um ein neues
Zuwanderungsgesetz spielte dann ganz konkret die Einführung
eines Punktesystems eine Rolle, was auf den Vorschlägen der
„Süßmuth-Kommission“ beruhte, die intensiv auf das kanadische Modell Bezug genommen hatte (Unabhängige Kommission
„Zuwanderung“ 2001). Letztlich erwies sich das vorgeschlagene
Punktesystem, über das geeignete und erwünschte Zuwanderer
auch ohne konkretes Arbeitsplatzangebot nach Deutschland
hätten kommen sollen, aber nicht als mehrheitsfähig. Das 2005
in Kraft getretene Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der
Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz)
enthielt stattdessen eine spezifische Regelung zur Zuwanderung
von Hochqualifizierten, die Wissenschaftler, herausgehobene
Lehrpersonen sowie Spezialisten und leitende Angestellte mit
besonderer Berufserfahrung umfasst (Bendel 2004; Schönwälder
2006).
Nichtsdestotrotz kehrt das Thema der erleichterten Zulassung von qualifizierten Migranten immer wieder in die öffentliche Diskussion zurück. Verantwortlich sind dafür äußere
wie innere Anlässe. So hat beispielsweise die Organisation für
Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angemerkt, dass Deutschland mit Blick auf einen absehbaren Fachkräftemangel seine Regelungen für die Zulassung qualifizierter
Arbeitnehmer lockern sollte. In ihrem Bericht International
Migration Outlook 2007 (OECD 2007) hält die Organisation fest,
dass Deutschland neben Japan und Italien das einzige OECDLand sei, in dem die Erwerbsbevölkerung schon bis zum Jahr 2010
schrumpfen wird. Ohne weitere Zuwanderung in den Arbeitsmarkt würde die Erwerbsbevölkerung hierzulande bis zum Jahr
2020 um 6% zurückgehen. Die OECD vertritt immer noch die Auffassung, dass eine gewisse replacement migration (UNPD 2000)
die wesentlichen Auswirkungen des demographischen Wandels
verzögern und abmildern kann. Innenpolitisch wird in Deutsch-
12
Einführung: Migration und Integration in Kanada und Deutschland im Vergleich
land jedoch unter dem Eindruck einer immer noch hohen Arbeitslosigkeit auf die Ausschöpfung von Arbeitskräftepotenzialen, z.B. durch Nachqualifizierung, gesetzt.
Aber auch die Europäische Kommission hat die Diskussion befeuert. Seit längerem beschäftigt sie sich mit Vorschlägen
zu einer Verbesserung der legalen Zuwanderung, so mit einem
Grünbuch zur Verwaltung der Wirtschaftsmigration oder dem
Strategischen Plan zur legalen Einwanderung (Europäische Kommission 2004; 2005; Bendel 2006; Carrera/Formisano 2005). Die
Vorstellungen der Kommission gehen dahin, die Bedingungen
für die Einreise und den Aufenthalt von hochqualifizierten Arbeitnehmern, aber auch von Saisonarbeitern, von innerbetrieblich
versetzten Arbeitnehmern und von bezahlten Auszubildenden
jeweils europäisch zu regeln. Für Hochqualifizierte hat sie im September 2007 einen Richtlinienvorschlag vorgelegt (Europäische
Kommission 2007), der ein einheitliches Verwaltungsverfahren
für den Zuzug in die Europäische Union und Kriterien für die
Zulassung (Lohnuntergrenzen, Zuwanderungsquoten, Bildungsanforderungen) vorsieht. Die Arbeitnehmer sollen dann eine
EU-Arbeitsgenehmigung, eine „Blue Card“ erhalten, die von den
Mitgliedstaaten ausgestellt wird, aber unionsweit gültig ist. Dabei
sollen die Regeln über den Zugang zu den nationalen Arbeitsmärkten umfassend berücksichtigt werden. Der Vorschlag traf in
der deutschen Politik auf weitgehende Ablehnung, da die Zulassung für den Arbeitsmarkt in nationaler Kompetenz liege. Auch
Wirtschaftsverbände sprachen sich gegen den Vorschlag aus,
weil eine europäische Regelung nicht flexibel und passgenau auf
die Bedürfnisse der nationalen Arbeitsmärkte reagieren könne.
Hier wurde jedoch teilweise für eine Öffnung des Arbeitsmarktes
für Fachkräfte und die Einführung eines Punktesystems plädiert
(BDA 2007).
An inneren Anlässen für die Wiederaufnahme der Diskussion um die Arbeitsmigration nach Deutschland sei erwähnt,
dass das Zuwanderungsgesetz 2007 eine Nachbesserung erfuhr,
13
Dr. Petra Bendel und Dr. Axel Kreienbrink
weil die erhoffte Einwanderung qualifizierter Arbeitskräfte weitgehend ausblieb, ja sogar zurück ging. Die Bedingungen für die
Wirtschaftsmigration wurden somit ein wenig gelockert.
Bei den Verweisen auf das kanadische Punktesystem darf
jedoch nicht übersehen werden, dass sich auch dort in der jüngsten Vergangenheit Probleme eingestellt haben, die daher rühren,
dass die auf das soziale Kapital der Zuwanderer ausgerichtete
langfristige Perspektive nicht auf die aktuellen Bedürfnisse des
Arbeitsmarktes eingeht. So benachteiligt das Punktesystem
Facharbeiter und ungelernte Arbeiter, die im Baugewerbe und
anderen Industrien aber gesucht werden, während es Angestellte bevorzugt. Als Folge werden diese gesuchten Arbeitnehmer
über ergänzende Programme wie das Nominierungsverfahren
der Provinzen oder das Zeitarbeitsprogramm angeworben.
Gleichzeitig führt die Fehlallokation zu Arbeitslosigkeit unter neu
zugewanderten qualifizierten Migranten oder einer Beschäftigung, die nicht den Qualifikationen entspricht. Das bringt jedoch
weiterführende Probleme bei der Integration in das politische,
gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben des Aufnahmelandes
mit sich. Die Probleme liegen vor allem bei der Anerkennung von
ausländischen Bildungsabschlüssen, deren Wert einheimische
Arbeitgeber selten beurteilen können. Hier gibt es Kritik, dass der
Staat zu wenig dafür tue, die mitgebrachten Qualifikationen der
Migranten den aktuellen Bedürfnissen anzupassen. Er sei aber
aufgerufen, intensiver auf eine erfolgreiche Integration hinzuwirken (Elrick 2007; Triadafilopoulos 2006).
Verglichen mit der Diskussion um die Zulassung ist die
Integrationspolitik Kanadas viel seltener als Vergleichsmaßstab
in der deutschen Diskussion zu finden. Das kanadische Modell
ist der Multikulturalismus (Fleras/Elliott 2002) – ein Begriff, der
in Deutschland weitgehend ein tendenziell negativ bewertetes
Reizwort geworden ist, unabhängig davon, ob darunter eine Zustandsbeschreibung, ein ideologisches Konzept für gesellschaftliches Zusammenleben oder eine politische Handlungsanleitung
14
Einführung: Migration und Integration in Kanada und Deutschland im Vergleich
verstanden werden (Esser 2001).2 In Kanada hingegen ist er seit
Jahrzehnten Staatsideologie, die auf verschiedenen Grundprinzipien aufbaut: der Bejahung der Diversität, dem Recht auf
kulturelle Differenz, der kulturellen Gleichwertigkeit (wobei die
Grundwerte dem europäischen Kulturkreis zuzuordnen sind),
gemeinsamen Grundwerten (unity in diversity) und der Chancengleichheit (Geißler 2003: 21; Schultze in diesem Band). Dieses Konzept für das Zusammenleben wird von dem überwiegenden Teil
der kanadischen Bevölkerung getragen bzw. durch seine intensive öffentliche Förderung mittlerweile von einer ganzen Generation auch als Teil der kanadischen Identität begriffen. Deutschland
hingegen, das keine klassische Einwanderungsnation ist und eine
andere soziostrukturelle Zusammensetzung seiner Bevölkerung
hat, bemüht sich erst seit einigen Jahren auch politisch um die
Integration der zugewanderten Bevölkerung (z.B. mit dem Integrationsprogramm oder dem Nationalen Integrationsplan).
Kanada lässt seinen Zuwanderern prinzipiell eine starke
Unterstützung bei der sozialen und wirtschaftlichen Eingliederung zukommen. Der Bundesstaat finanziert die Aufnahme, Orientierung, Beratung und vor allem den Spracherwerb, wohingegen Programme zur gesundheitlichen Versorgung, Bildung oder
Erlangung von Wohnraum von den Provinzen getragen werden
(Biles/Winnemore 2007). So kümmert man sich in Kanada beispielsweise intensiv um die sprachliche Entwicklung der Kinder
der Zuwanderer von Beginn der Einschulung bis hin zum High
School-Abschluss. Es wird Nachhilfe angeboten und gleichzeitig
das Erlernen der Muttersprache ermöglicht. Lernevaluationen
zeigen, dass die Kinder mit Migrationshintergrund dabei vielfach
die gleichen Leistungen erbringen wie die Kinder der „Einheimischen“. Möglicherweise lohnt angesichts von Diskussionen
um den Lernerfolg von Kindern mit Migrationshintergrund als
Voraussetzung für das Gelingen von Integration, die durch Untersuchungen wie PISA immer wieder angefacht werden, ein Blick
von Deutschland auf Kanada – wenngleich klar ist, dass eine ein-
2
Zu den vielfältigen Facetten des Begriffs Mintzel (1997).
15
Dr. Petra Bendel und Dr. Axel Kreienbrink
fache Übertragung auf deutsche Verhältnisse nicht ohne weiteres
möglich sein kann (Bauer 2007; Arbeitsgruppe Internationale
Vergleichsstudie 2007).
Diese intensive Einbeziehung der Zugewanderten in das
öffentliche Leben – zusätzlich erleichtert durch die Möglichkeit,
bereits nach wenigen Jahren die kanadische Staatsbürgerschaft
zu erwerben – ist für etliche Beobachter der Grund dafür, dass
Debatten um Einwanderung und Integration in Kanada tendenziell konstruktiver ablaufen als hierzulande. Bei einer Wahlbevölkerung, die zum Großteil selbst einen Migrationshintergrund hat,
seien die Diskussionen eher pragmatisch und nutzenorientiert
mit Blick auf den Arbeitsmarkt (Schmidtke 2006; Triadafilopoulos
2006). Die Verhältnisse dürfen jedoch auch nicht übermäßig idealisiert werden, denn gerade vor dem Hintergrund der genannten Probleme bei der Arbeitsmarktintegration sind sehr wohl
kritische Stimmen laut geworden, die vor zu viel Zuwanderung
warnen. Und auch Fremdenfeindlichkeit bestimmter Gruppen ist
nicht immer auszuschließen; zumindest werden solche Erfahrungen zum Beispiel von Schwarzen oder muslimischen Einwanderern beklagt (Biles/Winnemore 2007: 59).
Können nun die kanadischen Erfahrungen ein Modell für
Deutschland oder Europa sein? Sicherlich lassen sie sich nicht
einfach unmittelbar oder vollständig auf unsere gegenwärtigen
Verhältnisse übertragen. Geißler (2003: 23) weist zu Recht darauf
hin, dass sie in „einem spezifischen historischen, sozialstrukturellen, kulturellen und politischen Kontext entstanden [seien]“. Das
kanadische Modell „aus diesen Zusammenhängen zu lösen und in
völlig andere Kontexte zu verpflanzen, wäre ein utopisches Unterfangen“. Nichtsdestotrotz stellt eine vergleichende Beobachtung
und Diskussion eine Bereicherung dar und kann die Diskussionen
um Migrationsmanagement und Integration voranbringen.
Entsprechend standen die Fragen nach den Hintergründen, nach der Übertragbarkeit und dem gegenseitigen Lernen
im Zentrum der Tagung zu „Migration und Integration in Kana-
16
Einführung: Migration und Integration in Kanada und Deutschland im Vergleich
da und Deutschland“, die am 9. November 2006 im Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stattfand und auf die die
in diesem Band präsentierten Beiträge zurückgehen. Sie wurde
veranstaltet von der Forschungsgruppe des Bundesamtes in Zusammenarbeit mit dem Zentralinstitut für Regionalforschung der
Universität Erlangen-Nürnberg und gefördert von der Botschaft
von Kanada in Deutschland. Die Autoren, Experten aus Deutschland und Kanada, vermessen den Raum, den die Leitfragen umrissen haben, und geben in unterschiedlicher Weise Antworten:
Phil Triadafilopoulos (University of Toronto) führt uns zurück an die Anfänge des Punktesystems. Er zeichnet die sich verändernden Rahmenbedingungen im Kanada der Nachkriegszeit
nach, die schließlich dazu führten, dass 1967 ein Punktesystem
für die Zulassung eingeführt wurde, um Engführungen des Einwanderungsgesetzes von 1962 zu korrigieren. Die Änderung normativer Standards in der Nachkriegszeit machte es zunehmend
untragbar, dass Kanada bei einer diskriminierenden Einwanderungspolitik blieb, so dass es sich genötigt sah, Einwanderung
auch aus nicht-klassischen (weißen) Ländern zuzulassen. Der Autor weist abschließend darauf hin, dass auch in Deutschland jenseits der ökonomischen Argumente grundsätzlichere Fragen bei
der Neufassung des Zuwanderungsgesetzes eine Rolle gespielt
haben, und fragt, ob nicht auch hier weitere Schritte bei der Modernisierung der Einwanderungspolitik zu erwarten seien.
Die Frage, ob das kanadische Punktesystem tatsächlich ein
Modell für Deutschland sein kann, greift Holger Kolb (Universität Osnabrück) auf. Er verweist auf die Probleme, die das Punktesystem für eine effektive und effiziente Zuwanderungspolitik mit
sich bringt, und diskutiert rein marktwirtschaftliche Steuerungsalternativen. Da er jedoch grundsätzliche Veränderungen in
der deutschen Zuwanderungspolitik für unwahrscheinlich hält,
erscheint ihm dennoch die Einführung eines Punktesystems kanadischer Prägung trotz seiner Mängel als ein Fortschritt für eine
steuerungseffiziente und dabei auch noch politisch vermittelbare
Alternative.
17
Dr. Petra Bendel und Dr. Axel Kreienbrink
Der Beitrag von Rainer-Olaf Schultze (Universität Augsburg) richtet den Blick auf den Umgang der Kanadier mit ihren
multikulturellen Integrationsproblemen. Dazu liefert er als Hintergrund einen Überblick über das ethnische Mosaik des Landes
und erläutert die Entstehung der Multikulturalismuspolitik unter
Premierminister Truedeau. Von da aus veranschaulicht er das
nicht spannungsfreie Verhältnis zwischen dem multikulturellen
anglophonen Kanada und der französischen Provinz Québec, die
sich selbst als societé distincte begreift. Auch dort werden Akzeptanz und Integration von Einwanderern gefördert, aber unter der
strikten Beibehaltung des Supremats der französischen Sprache.
Weitere Problematisierungen des Multikulturalismus liegen in
dem von einigen Beobachtern befürchteten Risiko der Zementierung von sozialen und ökonomischen Ungleichheiten zwischen
verschiedenen Gruppen. Bezogen auf Deutschland weist auch
Schultze eine unkritische Übernahme zurück, betont aber die
Unmöglichkeit kultureller Segregation in der globalisierten Welt
allgemein. Aufbauend auf shared understandings sei Toleranz
nach innen und außen geboten.
Die vom Bund geförderten Integrationsmaßnahmen sind
das Thema von Michael Griesbeck (BAMF). Er stellt den Hintergrund und die Praxis der bundesdeutschen Integrationskurse
dar. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der besonderen Rolle der
Vermittlung der Sprache als Schlüssel für gelingende Integration.
Die Kurse stehen jedoch nicht singulär, sondern sind mit einem
umfassenden Angebot weiterer Maßnahmen wie z.B. der Migrationserstberatung verzahnt. Weiterhin wird das Integrationsprogramm vorgestellt, das den Integrationsprozess in Deutschland
dauerhaft begleiten soll. Deutlich wird, dass Integration aber
nicht vom Staat verordnet werden kann, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt, bei der die Migranten auch
selbst in starkem Maß gefordert sind, wobei gegenseitiges Wissen
über Staat, Gesellschaft und Kultur eine wesentliche Rolle spielt.
18
Einführung: Migration und Integration in Kanada und Deutschland im Vergleich
Yvonne Hébert (University of Calgary) erweitert die Perspektive auf die Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Kanada und nimmt vergleichend den Fall Frankreichs
hinzu. Dabei untersucht sie vier verschiedene Bereiche, nämlich
die Selbstsicht und Zugehörigkeitsgefühle der Jugendlichen, ihre
Ansätze zur Partizipation, die Auswirkungen von Integrationspolitiken sowie weiterführende Wege. Sie plädiert dafür, auch
Jugendliche frühzeitig in den Prozess der gesellschaftlichen Teilhabe mit einzuschließen, wofür der Staat spezialisierte Angebote
schaffen könnte.
Die Situation der Integration an deutschen Schulen schließlich ist das Thema von Eckart Liebau (Universität Erlangen-Nürnberg). Trotz diverser pädagogischer Ansätze hat die Praxis der
vergangenen Jahrzehnte offenbar eher segregative Tendenzen
verstärkt, wie er anhand der Ergebnisse des 2006 veröffentlichten Berichts „Bildung in Deutschland“ nachweist. Den daraus
resultierenden Herausforderungen müsse dergestalt begegnet
werden, mittels verschiedener pädagogischer Konzepte jedem
einzelnen Kind das notwendige Wissen und Können beizubringen. Dabei stehe an erster Stelle ohne Zweifel die Sprache, doch
abgesehen von den vielen weiteren notwendigen Bereichen sei
es von hoher Wichtigkeit, die Kinder und Jugendlichen auch zum
Lernen zu motivieren, was für Liebau zu einem wesentlichen Teil
über kulturelle Bildung erreicht werden kann.
Unser Dank gilt den Mitarbeiterinnen des Zentralinstituts
für Regionalforschung der Universität Erlangen Nürnberg, Marianne Haase und Christine Scharf, sowie den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
(BAMF), die mit ihren Korrektur- und Redaktionsarbeiten zum
Gelingen der Drucklegung beigetragen haben.
Erlangen/Nürnberg, im Februar 2008
19
Dr. Petra Bendel und Dr. Axel Kreienbrink
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23
Triadafilos Triadafilopoulos PhD
Rethinking the Origins of
the Canadian Immigration
Points System*
On May 1, 1947, in a speech before parliament, Prime Minister Mackenzie King outlined his government’s position on Canada’s immigration policy. King noted that:
The policy of the government is to foster the growth of the
population of Canada by the encouragement of immigration. The government will seek by legislation, regulation
and vigorous administration, to ensure the careful selection and permanent settlement of such numbers of immigrants as can advantageously be absorbed in our national
economy […] With regard to the selection of immigrants,
much has been said about discrimination. I wish to make
quite clear that Canada is perfectly within her rights in
selecting the persons whom we regard as desirable future
citizens. It is not a “fundamental human right” of any alien
to enter Canada. It is a privilege. It is a matter of domestic
policy[…] There will, I am sure, be general agreement with
the view that the people of Canada do not wish, as a result
of mass immigration, to make a fundamental alteration in
the character of our population. Large-scale immigration
from the Orient would change the fundamental composition of the Canadian population. Any considerable Oriental
immigration would, moreover, be certain to give rise to social and economic problems of a character that might lead
to serious difficulties in the field of international relations.1
24
*
The author thanks Jennifer Elrick, Axel Kreienbrink and Petra Bendel for helpful
comments on earlier drafts of the article. The author acknowledges the generous
support of the Social Sciences and Humanities Research Council of Canada.
1
Canada, House of Commons, Debates, May 1, 1947, 2644-2546.
Rethinking the Origins of the Canadian Immigration Points System
King’s statement affirmed Canada’s longstanding policy
of regulating immigration for purposes of nation-building. This
entailed distinguishing among “preferred,” “non-preferred,”
and “excluded classes” of people. Whereas preferred immigrants
from the British Isles and northern Europe were highly sought
after and aggressively recruited, non-preferred immigrants from
southern and eastern Europe were granted entry during periods
of economic growth but regulated more closely during bad times.
Non-white immigrants from outside of Europe were completely
excluded through the Chinese Immigration Act, the “continuous
journey” clause, and a host of other racially discriminatory regulations and administrative practices (Kelley/Trebilcock 2000; Elrick
2007; Triadafilopoulos 2004).
This approach to immigration policy was ended with the
introduction of the “points system” on October 1, 1967. Through
the points system, Canada would select immigrants according
to a set of universal criteria, including educational credentials,
language competency in English and/or French, and labor market potential. Applicants’ ethnic and racial backgrounds were no
longer to be considered in determining their eligibility for admission into Canada. The result of this change in immigration policy
was precisely what King had endeavored to avoid: the diversification of immigration and consequent transformation of Canada’s
demographic structure. Whereas immigrants from “non-traditional” source regions including Asia, the Caribbean, Latin America, and Africa comprised only a small fraction of Canada’s total
immigration intake from 1946-1966, by 1977 they made up over
50 per cent of annual flows (Kalbach 1987; Indra 1980). Changes in
immigration policy shattered the foundations of “white Canada”
and created the conditions for Canada’s development into one of
the most culturally diverse countries in the world (Statistics Canada 2002: 2005).
Despite its importance, this fundamental shift in Canadian immigration policy has received surprisingly little scholarly
25
Triadafilos Triadafilopoulos PhD
attention. The explanations that have been advanced typically
see the shift to a universal admissions policy in functional terms,
with scholars assuming that the turn to a “skills-based” immigrant
admissions system was driven by Canada’s changing economic
needs. Alan Green (19876: 34f.) nicely captures this view, noting
that “the major changes in immigration control […] were economic in nature […] [C]hanges in the state of the economy were
decisive, while political influences were marginal”. Peter Li (2003:
23) views the move to a non-discriminatory policy in the 1960s as a
result of Canada’s growing need for skilled immigrants that traditional western European source countries could no longer supply
in sufficient quantities. Although Freda Hawkins (1988; 1991) acknowledges the (secondary) importance of non-economic factors
in the liberalization of Canadian immigration policy in the 1960s,
she devotes little attention to exploring them in either of her two
important works on Canadian immigration policy-making. Similarly, Ninette Kelley and Michael Trebilcock (2000) recognize the
importance that changing ideas had on Canadian immigration
policy but do not develop this insight sufficiently in their discussion of the origins of the points system.
This article breaks from the dominant economic/functional
explanations noted above, arguing that the introduction of the
points system capped a twenty year period of policy change driven by changes in the normative acceptability of racial discrimination among liberal-democratic states. World-historical events
and processes, including the Holocaust, decolonisation, and the
emergence of a global human rights culture, created a markedly
different normative context in the postwar period that checked
Canada’s ability to maintain discriminatory immigration policies
in line with King’s 1947 statement. The postwar shift in normative
context discredited principles used to legitimize existing exclusions, creating a lack of fit between Canada’s commitment to
domestic liberal democratic principles and international human
rights, on the one hand, and its established immigration policies,
26
Rethinking the Origins of the Canadian Immigration Points System
on the other. Domestic critics such as labour unions, churches,
and ethnic associations, as well as external actors highlighted this
lack of fit, compelling policymakers to adjust extant policies to
conceal incongruities produced by changes in normative context.
However, these symbolic reforms failed to mollify critics and further undermined the coherence of the exclusionary paradigm,
hastening its unravelling and opening space for the formulation
of new approaches in line with prevailing normative standards.
The introduction of the points system marked the culmination of
this process.
This article traces the development of Canadian immigration policy from 1947 to 1967 in light of the argument sketched
above. I conclude by briefly discussing how the interpretation of
the Canadian case presented here might illuminate aspects of
recent immigration policy-making in Germany. As my analysis
of the Canadian case makes clear, immigration policy-making
entails more than simply responding to economic needs; it also
plays an important role in meeting liberal-democratic states’
normative expectations, allaying policymakers’ concerns, and
satisfying politicians’ interests. Seen in this light, Germany’s turn
to a system of “managed immigration” through the passage of the
2004 Zuwanderungsgesetz and its amendments in 2007 reflects
more than the economic and demographic imperatives typically
noted by political commentators. As was the case in Canada, reforms in immigration policy were also driven by efforts to shape a
particular image of Germany for both domestic and international
consumption, while attending to policymakers’ concerns regarding the social and political consequences of such a move. Such
an approach helps make sense of some of the odder features of
Germany’s new migration policy, including its extremely narrow
scope, and altogether conservative approach.
27
Triadafilos Triadafilopoulos PhD
Dismantling White Canada, 1947-1967
Early Responses to Changing Norms: 1947-1952
King’s statement of May 1, 1947 made clear that Canada was
intent on structuring its immigrant admissions policies as it had
in the past: “Asiatic” and other non-white immigration would be
avoided so as to preserve Canada’s white-European “character.”
Yet, state officials understood that changed normative conditions made such an approach difficult to carry out in the postwar period. A candid working paper bluntly laid out the dilemma
confronting Canadian policymakers: “The problem of Asiatic
immigration into Canada is twofold: an international problem of
avoiding the charge of racial discrimination and a domestic sociological and political problem of assimilation.” Canada’s membership in the UN carried with it an “unqualified obligation to
eliminate racial discrimination in its legislation.” This effectively
meant supporting the UN’s goal of “promoting and encouraging
human rights and […] fundamental freedoms for all without distinction as to race, sex, language or religion.” Further, Canada’s
statements in the General Assembly regarding the competency
of the UN to intervene in the domestic affairs of member states
indicated that Canada favored a “wide interpretation” of the provisions of the Charter. Claims to sovereign jurisdiction in domestic
matters would therefore be open to challenge. Given the risks to
Canadian international prestige, the brief recommended that
something be done in advance to avoid or at least minimize the
likelihood of such an outcome. The answer lay in “revising our immigration legislation so as to avoid the charge of racial discrimination and yet so effectively limiting Asiatic immigration as to
prevent aggravation of the Asiatic minority problem.”2
This strategy of adjusting established policies to co-opt
and counter charges of hypocrisy would define Canadian immigration policymaking in the early postwar period. For instance,
pressure from the Committee for the Repeal of the Chinese Immigration Act moved the government to strike the Act in 1947.
2
28
“Asiatic Immigration into Canada.” Canadian National Archives, RG 76, VOL. 854,
File 554-5 pt.1.
Rethinking the Origins of the Canadian Immigration Points System
The repeal of discriminatory naturalization regulations soon
followed, lifting bars to citizenship for Chinese and other groups
that had long faced discrimination in this area (Lee 1976; McEvoy
1982). Despite these reforms, the goal of limiting the entry and
incorporation of immigrants to whites remained a primary aim
of policy. Chinese immigration fell under the terms of Order-in
Council P.C. 1930-2115, which restricted the range of admissible
“Asiatics” to the wives and children less than eighteen years of
age of Canadian citizens; other immigrant groups could sponsor
a much broader range of relatives after they secured legal residency.
Similarly, efforts to staunch charges of discrimination
against nationals from Canada’s Commonwealth partners in
south Asia led to the establishment of a symbolic quota system
allowing for limited migration from India, Pakistan, and Ceylon.3
According to the terms of the quotas, 150 Indians, 100 Pakistanis,
and 50 Ceylonese were to be granted access to Canada on a yearly
basis.
The regulation of other “restricted classes” came under the
terms of Orders-in-Council P.C. 2115 and 28564 and the new 1952
Immigration Act. The 1952 Act’s provisions regarding immigrant
admissions bore a striking resemblance those of the past. The
Governor-in-Council was empowered to prohibit or limit the admission of persons by reason of their
1. Nationality, citizenship, occupation, class, or geographical area of origin
2. Peculiar customs, habits, modes of life, or methods of
holding property
3. Unsuitability vis-à-vis climatic, social, industrial, educational, labor, health, or other conditions or requirements existing temporarily or otherwise, in Canada or
in the area or country from or through which such persons came to Canada
3
Canada, House of Commons, Special Committee on Estimates, Minutes of Proceedings and Evidence, No. 11, March 14, 1955, 301.
4
“Memorandum to Cabinet: Admission of Restricted Classes of Immigrants, June
10, 1952.” National Archives of Canada, RG 26 VOL. 125, File 3-33-7, Vol. 2.
29
Triadafilos Triadafilopoulos PhD
4. Probable inability to become readily assimilated or
to assume the duties and responsibilities of Canadian
citizenship, within a reasonable time after admission
(Hawkins 1991: 102).
The intent of the list was clear: immigration was to be
closely regulated to ensure that Canada’s “national character” remained essentially “white-European.” While appeals to the judgments of immigration officers could be made, the final arbiter of
such disputes was the Minister, since the 1952 Immigration Act
explicitly forbade the interference of courts. This extraordinary
discretionary power facilitated the state’s policing of boundaries,
both with regard to non-preferred ethnic groups and individuals
deemed to be threatening as a consequence of their perceived
ideological orientations (Whittaker 1987).
Changing Conditions and Increasing Pressures: 1952-1962
The lack of fit between immigration policy and Canada’s
postwar efforts to craft a progressive image on the world stage
was immediately registered by Canada’s diplomatic corps. Canada’s championing of progressive positions in the United Nations
and British Commonwealth made maintenance of discriminatory migration policies increasingly difficult. Canada’s Caribbean
partners in the British Commonwealth (Jamaica, Barbados, Trinidad, and the other island states of the “British West Indies”) were
among the most vocal critics of Canadian immigration policy.5
Their demands were channeled through Canadian diplomatic
representatives in the Caribbean who forwarded complaints to
their superiors at the Department of External Affairs in Ottawa.
In turn, External Affairs regularly queried the Department of Citizenship and Immigration as to what might be done to counter
complaints of discrimination and increase the scope of immigration from the West Indies.
5
30
Immigration from the British West Indies, June 30, 1957, National Archives of
Canada, RG 76 VOL. 830, File 552-1-644, pt. 2.
Rethinking the Origins of the Canadian Immigration Points System
While officials in the Department of Citizenship and Immigration continued to insist that “immigration must not have
the effect of altering the fundamental character of the population”6, invocations of official policy became increasingly difficult
to maintain in light of developments in Canadian foreign policy.
Changes in international politics were pushing Canada to take
increasingly liberal positions in the UN and the British Commonwealth. Decolonization in Africa and Asia had transformed power
relations in both organizations and placed racial discrimination
at the top of their agendas. By 1961, African, Asian, and Latin
American members constituted two-thirds of the UN General Assembly and anti-racist resolutions were becoming sharper and
more frequent (Freeman 1997: 19). As Canada’s ability to play an
independent role in world affairs depended on the preservation
and functioning of both organizations, it could not afford to sit
back when crises arose over the international community’s handling of matters pertaining to racial justice.
Among the most important challenges confronting the
Commonwealth during this period was the debate over South
Africa’s membership. Non-white member states argued that there
was no place in the organization for racist regimes and demanded
that their partners come out strongly against apartheid. During
the 1960 Commonwealth Conference, non-white members made
it clear that the future of the organization would depend on how
the apartheid issue was resolved. In an effort to avoid a split that
could imperil the Commonwealth’s future, Canada’s Prime Minister John Diefenbaker came out strongly against the principle of
racial discrimination during the Commonwealth’s 1961 Conference in London.7
6
Confidential Letter from Director of Immigration, C.E.S. Smith, to Under-Secretary of State for External Affairs, G. McInnes, January 17, 1957. National Archives of
Canada, RG 76 VOL. 830, File 552-1-644, pt. 2.
7
See “Meeting of Prime Ministers of the Commonwealth: Report by Prime Minister
John G. Diefenbaker on the Commonwealth Prime Ministers’ Conference, House
of Commons, May 16, 1960,” in Blanchette (1977: 302-306). See also Freeman
(1997: 25)
31
Triadafilos Triadafilopoulos PhD
Diefenbaker’s crusading anti-racism was a source of concern among diplomatic personnel charged with administering
Canadian immigration policy. Canadian consular officials understood that their country’s public stand against race discrimination could be turned against it if and when immigration matters
were raised. Canada was inviting trouble by taking a leading role
against racism internationally while maintaining discriminatory
controls against non-whites in its immigration policies.8 Their
opinion was born out, as foreign critics of Canadian immigration
policy made a point of highlighting Canada’s continuing reluctance to implement the principles it espoused abroad in its own
legislation.
Domestic critics, such as the Canadian Council of Churches,
the Canadian Jewish Congress, the Negro Citizenship Association, and the Canadian Congress of Labor, also challenged the
government’s continuing use of racial categories. The arguments
advanced by these groups highlighted the discrepancy between
the government’s progressive rhetoric and the reality of ongoing discrimination against “Asiatics”, “Negroes”, and individuals
of “mixed-race”. Advocacy groups challenged the government’s
commitment to anti-discrimination, civil rights, and liberal
democratic principles by exposing its maintenance of discriminatory immigration policies and administrative practices. Virtually
all of these appeals included arguments pertaining to Canada’s
obligation to live up to its commitment to international human
rights and the elimination of discrimination based on race, color
or creed.
The Canadian government’s reaction to charges of discrimination during this period was to adjust regulations to preempt or at least limit the force of criticisms while endeavoring to
meet the objectives set out in King’s 1947 statement. In an effort
to respond to critics, the Diefenbaker government introduced
a number of changes, including doubling India’s annual quota
8
32
Telegraph from Canadian Trade Commissioner in Port-of Spain to Department of
External Affairs, Ottawa, March 20, 1961. National Archives of Canada, RG76 VOL.
830, File 552-1-644, pt. 3.
Rethinking the Origins of the Canadian Immigration Points System
from 150 to 300 persons, raising the annual quota of female domestic workers from the British West Indies, and reconsidering
previously rejected applications for sponsorship to increase the
number of entries from China and other non-preferred countries
(Corbett 1963: 173).
Critics of Canadian immigration policy were not impressed
by the Department’s efforts. Far from providing solutions to the
government’s problems, the stretching of the system to accommodate advocacy groups’ demands was compounding problems.
For example, the government’s effort to assuage the concerns
of Canada’s East Indian community by doubling India’s annual
immigration quota prompted Pakistan to demand that its quota
also be doubled.9 While Canadian officials were well aware that
acceding to Pakistan’s demand would run the risk of encouraging
requests for similar programs from other Commonwealth countries they believed they had little choice but to comply, given that
rejecting Pakistan’s demand would likely lead to further accusations of discrimination and perhaps even a public airing of Canadian policies in the Commonwealth.10 Similarly, while efforts
aimed at increasing the number of Chinese immigrants through
Ministerial discretion and Orders-in-Council failed to satisfy domestic advocacy groups, potential alternatives that remained
wedded to traditional principles – such as quotas – were also open
to charges of discrimination and therefore of little practical use.11
In short, Canadian immigration officials found that their
ability to meet the challenges raised by lack of fit by tinkering at
the margins of the prevailing policy regime was running into increasingly difficult political obstacles. Cosmetic solutions aimed
at assuaging international and domestic opinion while preserving the essential features of the prevailing system could not paper
9
Memorandum to Cabinet: Immigration Agreements with Pakistan and Ceylon,
October 23, 1958. National Archives of Canada, RG 76, VOL. 948, File SF-C-1-1, pt. 2.
10 Ibid.
11 Memorandum to Cabinet: Immigration Policies and Procedures (Immigration
from China and Japan), August 8, 1958. National Archives of Canada, RG 76, VOL.
948, File SF-C-1-1, pt. 2.
33
Triadafilos Triadafilopoulos PhD
over the fact that policies no longer fit a changed normative context.
Excursus: The 1962 Immigration Regulations
The first attempt to move toward a universal admissions
policy was undertaken by the Diefenbaker Conservatives in 1962.
As noted above, scholars have assumed that the turn to a “skillsbased” immigrant admissions system at this time was driven by
Canada’s changing economic needs. This position needs to be
reconsidered. While there certainly was growing consensus within the Department of Citizenship and Immigration on the need
to revamp the immigration program and focus recruitment on
skilled workers, professionals, and entrepreneurs12, there is little
evidence to suggest that officials believed that this should entail
active recruitment from “non-traditional” sources.13 Rather, the
two issues developed along parallel but quite distinct lines. The
subsequent linking of the two objectives in 1962 was driven by political rather than economic reasons. That is, the shift to universal
skills-based selection criteria in 1962 was primarily aimed at mollifying domestic and international critics of racial discrimination,
rather than opening up new sources of skilled migrants. While
the goal of attracting skilled immigrants to Canada reflected a
contemporaneous view emerging from within the bureaucracy14,
it did not drive the decision. Changes in normative contexts and
related political developments did.
This is clear when one considers the way that officials characterized the 1962 reforms. According to the Director of Immigra12 See Memorandum from Director of Immigration to Deputy Minister of Department of Citizenship and Immigration: Immigration Policy and Programming as
Related to economic and employment factors in Canada, December 9, 1960.
National Archives of Canada, RG 26, VOL. 75, File 1-1-1, pt. 2.
13 In fact, efforts were stepped up to generate increased immigration from traditional European sources though advertising and other means. See materials in
National Archives of Canada, RG 26, VOL. 75, File 1-1-8, pt. 3; RG 76, VOL. 909, File
572-15, pt. 2; and RG 76, VOL. 778, File 537-7, Pt. 14.
34
14 Hawkins (1988: 139) notes that the 1961 Report of the Special Committee of the
Senate on Manpower and Employment “reinforced the ideas of those who were
preparing the new immigration regulations in the summer of 1961, in which the
emphasis in admission was on skill”.
Rethinking the Origins of the Canadian Immigration Points System
tion, W. R. Baskerville, the purpose of the change was to “abolish
racial discrimination from [Canada’s] policy,” while making it
clear that “we shall still give preference in our selection of immigrants to those countries which have traditionally supplied our
immigrants.”15 Similarly, in a memorandum to Cabinet outlining
the Department’s proposed measures, the Minister of Citizenship and Immigration, Ellen Fairclough, noted that the “principal
criticisms of Canada’s […] immigration legislation” was that “it is
based on racial or colour discrimination.” As such, the foremost
objective of the revised regulations was “the elimination of any
valid grounds for arguing that they contain any restrictions or
controls based on racial, ethnic or colour discrimination.”16 This
would be accomplished through the amendment of Regulation
20, which according to the Minister’s constituted “the heart of
Canada’s immigration policy” and main target of criticism.17
The proposed changes to Regulation 20 were unique in that
they eliminated “all reference to questions of nationality, geography or regions of the world.”18 In place of such criteria
[t]he new Regulation 20 (a) lays primary stress on selectivity based skills and qualifications as the main conditions
for admissibility, without regard for any other factor. If an
applicant can qualify on these grounds and has sufficient
means to establish himself in Canada until he finds employment, or alternatively has a firm employment opportunity
or plan for self-establishment in Canada, he comes within
the admissible classes.19
15 Memorandum from the Director of Immigration to the Deputy Minister, November 10, 1961. National Archives of Canada, RG 26, VOL. 100, File 3-15-1, pt. 8.
16 Memorandum to Cabinet Re: Immigration Regulations, October 16, 1961. National
Archives of Canada, RG 26, VOL. 100, File 3-15-1, pt. 8.
17 Ibid.
18 Ibid.
19 Ibid.
35
Triadafilos Triadafilopoulos PhD
The chief effect of the new regulations would be the elimination of “all grounds for charges of discrimination” and placement of “emphasis henceforth on the skills, ability and training of
the prospective immigrant himself, and on his ability to establish
himself successfully in Canada.”20
The amended immigration regulations were tabled in
the House of Commons on January 19, 1962. In her address to the
House, Fairclough noted that the intended beneficiaries of the
reforms were the previously inadmissible classes and their advocates, in Canada and abroad. Far from being the product of economic forces, the new immigration regulations served a distinctly
political end by granting the government a more effective means
of countering accusations of racism and discrimination.21
The government’s decision to limit the sponsorship
rights of non-Europeans and the official but unpublicized policy
of maintaining a preference for immigrants from Canada’s traditional sources also speak to the political nature of the 1962
reforms. Whereas Canadian citizens hailing from European and
Western Hemisphere countries were able to sponsor a full range
of family members and relatives, including children over the age
of twenty-one, married children, siblings and their corresponding
families, and unmarried orphaned nieces and nephews under the
age of twenty-one, citizens from non-European and non-Western
Hemisphere countries were limited to sponsoring members of
their immediate family and a narrower range of relatives. The
decision to restrict the sponsorship rights of citizens from Asia,
Africa, and most of the Middle East was meant to limit the impact
of the policy changes on immigration flows. Officials feared that
the granting of full sponsorship rights to migrants from Africa
and especially Asia would prompt a flood of visible minorities
whose presence could catalyze a negative backlash among white
Canadians (Hawkins 1988: 131).
20 Ibid.
36
21 See National Archives of Canada, RG 26, VOL. 100, File 3-15-1, “Canadian Immigration act and Regulations – Amendments To.”
Rethinking the Origins of the Canadian Immigration Points System
Similar anxieties stood behind the decision to interpret
the 1962 reforms passively, leaving the door open to spontaneous
applications from extremely well qualified migrants from nontraditional sources but only actively recruiting immigrants from
the United States, western Europe, and the British Isles.22 The
failure to establish immigration offices in the Caribbean and the
persistence of limited administrative capacity in Asia and other
parts of the “Third World” was indicative of this strategy. Hence,
the question remained as to whether such a “political” approach
would be enough to convince domestic and international critics of Canadian immigration policy. In a memorandum written
before the tabling of the revised Immigration Regulations, the
Director of Immigration correctly noted that while the changes
succeeded in establishing a broad legal standard, they did not
“define the means by which it is going to be interpreted in administrative practice.”23 In essence, the government had reformed the
immigration policy “superstructure” while leaving its administrative “base” in place, exposing it to scrutiny:
[A]s long as the critics could see a concrete geographical
basis for our selective policy, they never suspected that our
major tool of control was the number and size of immigration offices in various parts of the world. This was so little
apparent that it escaped, not only outside observers, but
a good many departmental officials, even Ministers. Now,
with the ‘blind’ gone, it would be reasonable to expect that
22 “We prefer our immigrants from our traditional sources. Otherwise we must recognize that there is an almost limitless supply of immigrants in Hong Kong and
the West Indies, etc., who can be attracted to Canada without the expenditure of
much money or effort. However, while we are bound by the provisions of the new
Immigration Regulations to service applications anywhere in the world there is
nothing to prevent us from concentrating our promotion of immigration from
our traditional sources.” Aide Memoire, Increasing Immigration to Canada, n.d.
National Archives of Canada, RG 76, VOL. 816, File 551-10-1963, pt. 2. Also see Draft
Immigration Program – 1963-1964, National Archives of Canada, RG 76, VOL. 816,
File 551-10-1963, pt. 1.
23 “Memorandum to: The Deputy Minister. Subject: Revision of Immigration Regulations,” October 27, 1961. National Archives of Canada, RG 26, VOL. 1000, File
3-15-1, pt. 8.
37
Triadafilos Triadafilopoulos PhD
more searching questions will be asked, as soon as the Department starts reporting on its achievements under the
new deal. Will the new policy result in changes in the composition of the flow? Whether it does or not, critics, on both
sides, are going to ask for explanations.24
The 1962 reforms generated a generally positive, if guarded
response. On the one hand, the media, advocacy groups, and
foreign governments welcomed the government’s decision to
formally repeal racial and ethnic criteria in its admissions policies. Conversely, the overall impact of the changes was subject to
speculation. The headline on the front page of the Toronto Globe
and Mail the day after the regulations were tabled nicely captured
this ambiguous response: “Canada Unlocks Its Doors to All Who
Possess Skills: Bias Ends – On Paper at Least.”
Such scepticism was warranted. The new regulations purposefully maintained immigration officers’ ability to monitor and
limit the admission of non-white migrants. In a Memorandum
to the Minister written in response to criticism by an opposition
Member of Parliament, Deputy Minister George Davidson noted
that:
There may still be some tendency towards discrimination in
the administrative application of the Regulations…through
the fact that we recognize, for example, the greater difficulties that are faced by a West Indian who tries to find employment in Canada, as compared to a Western European.
This may justify and even require a somewhat more exacting interpretation of adequacy in terms of skills and settlement arrangements in the case of the West Indian, since we
know for a fact that the cards will be stacked against him to
some extent in Canada, and that therefore he needs more
skills or more resources if he is to have an even chance with
the others. This kind of discrimination, in my opinion, can
be justified and defended.25
24 Ibid
38
25 Memorandum to the Minister from the Deputy Minister, January 21, 1963. National Archives of Canada, RG 76, VOL. 778, File 537-7, pt. 14.
Rethinking the Origins of the Canadian Immigration Points System
The decision to employ a double standard in weighing nonwhite applicants’ credentials reflected officials’ fears that “uncontrolled” immigration from non-traditional sources would lead
to social problems and an anti-immigration backlash. The fear
of instigating such a backlash was heightened by events in Great
Britain, where rioting in opposition to immigration from the
West Indies and other New Commonwealth countries was generating media attention.26 Canadian immigration officials were
not interested in courting a similar fate and continued to believe
that notwithstanding the 1962 Immigration Regulations, Canada
maintained “the right […] to decide its own social and racial composition and refuse to accept immigrants whose presence would
cause severe disruptions or drastic change.”27
These built-in limits to Canada’s 1962 reforms did not go
unchallenged, either at home or abroad. By November 1963, the
Globe and Mail was drawing attention to the lack of any substantive change in the number of non-whites being admitted into
Canada and asking whether the new regulations were “being
applied equally to coloured and white immigrants.”28 Domestic
advocacy groups whose constituents were subject to sponsorship limits criticized the perpetuation of double standards and
demanded that equality be granted to all groups.29 Foreign gov-
26 “If we agree to relax our selection criteria, I am afraid areas of Montreal and
Toronto would become inhabited by these people, mainly gaining entrance
through the sponsored route, eventually producing a situation similar to that
existing in London, England.” Reviewing of Applicants for Immigration to Canada
in Jamaica from January 10, 1963 to March 15, 1963. National Archives of Canada,
RG 76, VOL. 824, Box 200, File 552-1-577, Immigration from Jamaica: Policy and
Instructions.
27 Confidential Information for the Prime Minister: Canada and Commonwealth
Immigration. National Archives of Canada, RG 26, VOL. 145, File 3-33-6, Canada –
West Indies Conference [1965].
28 “Questions”, The Globe and Mail, November 5, 1963.
29 Brief from the Chinese Benevolent Association to Minister of Citizenship and
Immigration Guy Favreau, December 1963, National Archives of Canada, RG 76,
VOL. 819, File 552-1-526, pt. 4.
39
Triadafilos Triadafilopoulos PhD
ernments also made a point of reminding Canadian officials that
a lack of administrative capacity outside of Canada’s traditional
sources of immigration suggested that the much-heralded move
to a universal immigration policy was as yet incomplete.30 Governments in the West Indies questioned whether the rules were
being applied fairly regardless of applicants’ skin colour31, and
the Under-Secretary of State for External Affairs noted that the
response to the new regulations among countries in South and
Central America, Africa, and non-communist China was “disappointingly low.”32 Canadian diplomatic personnel in the West
Indies and Pakistan complained of not having enough resources
to process long overdue applications or answer requests for in-
30 “Japan Wants Canada’s Door Opened,” Toronto Telegram, December 4, 1964.
The article noted that “Kazuo Wachi, the Japanese Embassy’s immigration expert, thinks 5000 Japanese people would be interested in coming to Canada.
He indicated politely that the slowness of the talks [regarding the opening of
an immigration office in Tokyo] were the result of an unwritten Canadian bar on
Japanese immigrants. ‘We have proved to be good citizens’, he said. ‘The door
should be thrown wide open’…. Japan’s new Ambassador to Canada, Hisanaga
Shimadzu says he would like to see more Japanese in Canada. ‘While your government has set no impediment, and says any number could come, I would like to
see some positive action by the Canadian Government’.” Also see related materials in National Archives of Canada, RG 76, VOL. 1109, File 552-1-578, “Immigration
from Japan Policy.”
31 Letter from Roy W. Blake, Canadian Government Trade Commissioner in Jamaica,
to D. A. Reid, Chief of Operations, Immigration Branch, Department of Citizenship and Immigration, February 18, 1962, Subject: Revised Canadian Immigration
Laws. National Archives of Canada, RG 76, VOL.830, File 552-1-644, pt. 4. Blake
noted that the response to the new regulations was overwhelming, but that
close to 90 percent of the applicants were likely to be rejected because they did
not meet the government’s skills requirement. The lack of any clear standard
for determining decisions heightened suspicions of racial discrimination. Blake
requested some further clarification of what was meant by “skills” and “training.”
Also see letter from G. C. McInnes, Office of the High Commissioner for Canada
in Kingston Jamaica, to Under-Secretary of State for the Department of External
Affairs, August 2, 1963. On November 5, 1963, the Globe and Mail asked whether
Canada was seeking “immigrants as actively in places such as the West Indies as
in Western Europe.”
40
32 Circular Document from Under-Secretary of State for External Affairs to the
Heads of Posts Abroad: Effect of New Canadian Immigration Regulations, August
2, 1962. RG 25, VOL. 5005, File 232-40, pt. 16.
Rethinking the Origins of the Canadian Immigration Points System
formation from local residents.33 Canadian immigration officials
were keenly aware that the 1962 amendments had not solved
their problems and duly registered continuing criticism. Contrary
to expectations, the issue of race refused to disappear.
Yet, resolving the two outstanding issues pertaining to
racial equality – sponsorship rights and global administrative
capacity – would require the surmounting of major obstacles.
With regard to sponsorship, policymakers were alarmed by the
phenomenon of “chain migration”, a process which left them very
little leeway in selecting immigrants. They believed that uncontrolled chain migration was leading to a surfeit of undereducated
and unskilled immigrants, especially from southern Europe. The
Diefenbaker government’s preferred solution to this quandary
would have been to limit sponsorship rights across the board by
instituting stricter controls on sponsorship for all Canadian citizens and permanent residents regardless of background. This was
in fact attempted in 1959, through Order-in Council P.C. 1959-310.
However, the storm of protest that erupted in the wake of the
government’s decision forced the Conservatives to back down
to avoid alienating an increasingly important segment of urban
voters.34
33 Memo to Under Secretary of State for External Affairs from Office of High
Commissioner for Canada, Port-of-Spain, October 1, 1962, National Archives of
Canada, RG 25, VOL. 5005, File 232-40, pts.15, 16; Telegram from the Immigration Attaché in Dehli, India to External Affairs regarding Canadian Immigration
Procedures, March 19, 1963, National Archives of Canada, RG 25, VOL. 5006, Box
232-40, File: Immigration to Canada (Regulations, Policy, Procedures). Similar
complaints came in from throughout the “Third World.” See letter from Canadian Consul General in the Philippines, T. G. Major to Director of Immigration, Department of Citizenship and Immigration, W. R. Baskerville, September 21, 1962.
National Archives of Canada, RG 25, VOL. 5005, File 232-40, pts.15, 16. Also consult
materials in RG 19 ACC. 87-88/011, VOL. 29, File 5945-00, pt. 2.
34 Former Minister of Citizenship and Immigration, Jack Pickersgill, accused the
Tories of implementing the policy because they “realized that more people of
Italian origin than people from the United Kingdom came in last year…. They
were afraid of many of their political supporters, and they felt they had to do
something about it. Then they did this stupid, silly and inhumane thing.” Canada,
House of Commons Debates. Official Report, Second Session – Twenty-Fourth
Parliament, VOL. III, 1959, 2711. The Diefenbaker Conservative’s sensitivity to such
claims and interest in improving the standing among “new ethnics” – including
southern Europeans and Chinese, among others – has not drawn the attention it
deserves among historians of Canadian immigration policy. For a notable, if brief,
exception see Palmer (1990: 195f.).
41
Triadafilos Triadafilopoulos PhD
The issue of global administrative capacity involved questions of resource allocation: so long as non-whites were perceived
as threats to social and political stability, the shifting of resources
to pay for expansion would be resisted and the preference for
opaque decision-making procedures that allowed for the maintenance of double standards would endure. What was needed
was a politically acceptable non-discriminatory solution to the
sponsorship dilemma and the resolve to reform the administrative component of Canadian immigration policy. The Diefenbaker
government was unable to surmount these challenges, allowing
the issue of racial discrimination in Canadian immigration policy
to linger.
Toward the Points System: 1964-1967
Prime Minister Lester B. Pearson inherited the problems
associated with the 1962 reforms and, like his predecessor, was
forced to defend Canada against continuing accusations of racism. Given the Liberal Party’s promises to liberalize immigration
policy both prior to and during the 1963 election campaign35 and
Pearson’s lofty ambitions for Canada in the area of foreign policy,
accusations of racism became increasingly difficult to ignore.36
Presidents Kennedy and Johnson’s much publicized efforts to
reform the United States’ immigration policies (Tichenor 2002:
207-218; Zolberg 2006: 293-336) also increased pressure on Pearson to follow suit.
Given the growing political costs of inaction, Canadian officials resolved to take more decisive measures and plans were
made to revise the immigration regulations with an eye to eliminating remaining racial discrimination. During a press conference in Jamaica on November 30, 1965, Pearson formally acknowledged the reality of a double standard in admissions procedures
and sponsorship rights and pledged to make good on Canada’s
35 Comments on Liberal Party Resolution, September 20, 1962. National Archives of
Canada, RG 76, VOL. 778, File 537-7, pt. 14.
42
36 In an effort to follow through on his predecessor’s positions on South Africa,
Pearson had signed the Declaration of Racial Equality at the Commonwealth
Prime Ministers conference in 1964.
Rethinking the Origins of the Canadian Immigration Points System
promise to remove racial discrimination “in fact as well as in
theory.”37 He intimated that his government was considering new
means of regulating admissions and would reveal the details of its
consideration shortly.
Despite Pearson’s more resolute position on issues of race
and discrimination, immigration policymakers continued to be
troubled by the prospects of greater levels of sponsored migration
from “non-traditional sources.” Pearson’s pledge to repeal the
discriminatory provisions of the 1962 Immigration Regulations
meant that some other means had to be found to maintain control
over sponsored flows, lest Canada face the prospect of admitting
“massive waves of newcomers unprepared for Canadian life.”38
While the flow of “unskilled” and “poorly educated” Greeks, Italians, and Portuguese was troubling to immigration policymakers39, they believed that similar flows of sponsored immigrants
from the West Indies, Asia and other “non-traditional sources”
would create a “double disability” as a result of the immigrants’
“racial variance from the Canadian majority and lack of occupational qualification.”40 Immigration officials were thus convinced
37 Prime Minister Lester B. Pearson’s Press Conference, Jamaica, November 30,
1965. National Archives of Canada, RG 76, VOL. 824, File 552-1-577. A year later,
Pearson called for the extension of the Assisted Passenger and Loans Scheme to
the West Indies. Memorandum to the Cabinet Committee on the Canada-West
Indies Conference from the Prime Minister, May 30, 1966. National Archives of
Canada, RG 76, VOL. 948, File SF-C-1.1, pt. 1
38 “Immigration to Canada form the Commonwealth Caribbean (Background Paper
Prepared by Canada),” National Archives of Canada, RG 26, VOL. 125, File 3-33-6.
39 Memorandum to the Cabinet Committee on Immigration, October 15, 1964.
National Archives of Canada, RG 76, VOL. 948, File SF-C-1-1, pt. 3.
40 Memorandum from Assistant Deputy Minister, E. P. Beasley to Deputy Minister
Tom Kent regarding Conference of Commonwealth Caribbean Countries in
Canada, May 26, 1966. National Archives of Canada, RG 26, VOL. 125, File 3-33-6.
Also see Memorandum to the Cabinet Committee on Immigration, October 15,
1964. National Archives of Canada, RG 76, VOL. 948, File SF-C-1-1, pt. 3: “In short,
if sponsored immigration is to be more than a humanitarian program a become
a real asset to our expanding economy in terms both of consumption and production, it must be placed on a more selective basis, especially considering that
without a change of this sort there is serious danger of a substantial and largely
uncontrollable sponsored movement in the future from many of the underdeveloped countries which are beginning to make a small but significant contribution
to our total immigration.”
43
Triadafilos Triadafilopoulos PhD
that the sponsorship “time bomb” had to be confronted immediately, lest matters spin out of control.41
The White Paper on Immigration Policy, tabled on
October 14, 1966, voiced these concerns and offered a series of
proposals as to how they might be addressed. While the White
Paper made clear that there could no longer be any room for
discrimination on the grounds of race, ethnicity, or religion and
committed Canada to establishing a universal admissions policy,
it also warned of the economic and social consequences of uncontrolled sponsored immigration. Unskilled and poorly educated
immigrants would necessarily become burdens. Finding themselves unable to keep up with innovations linked to technological change, they would slip into the ranks of the unemployed,
compounding labour market deficiencies and adding to the costs
of Canada’s social welfare system. Moreover, the tendency of immigrants to concentrate in large cities – principally Montreal and
Toronto – threatened the emergence of “ghetto-like slums” that
would offset the advantages of increased cosmopolitanism (Canada, Department of Manpower and Immigration 1966: 15). For the
authors of the White Paper, sponsored migration was not simply
an economic problem – it was also a potential threat to social stability.
The White Paper’s policy recommendations flowed from
its analysis. First, Canada would accentuate its effort to recruit
well-educated and highly skilled immigrants capable of quickly
settling in the country and contributing to its economic development. Second, remaining discrimination in the realm of sponsorship rights would be ended. Rather than discriminating according to national background, the White Paper proposed making
more limited sponsorship rights for landed immigrants equal
across the board (Canada, Department of Manpower and Im-
44
41 Memorandum to the Cabinet on Immigration Policy, October 15, 1964. National
Archives of Canada, RG 76, VOL. 777, File 536-52, pt. 1
Rethinking the Origins of the Canadian Immigration Points System
migration 1966: 41f.).42 This would entail splitting the sponsored
stream into immediate dependents, to be admitted as a matter
of course, and a second category of more distant relatives subject
to some qualifications, namely, the possession of primary education and some work related skill in demand in Canada.43 While
all landed immigrants would enjoy the right to sponsor the same
array of dependents and “eligible relatives”, after a six-year adjustment period only Canadian citizens would enjoy the right to
sponsor the full range of relatives stipulated under the proposed
system. Policymakers hoped that tying sponsorship rights to the
acquisition of citizenship would introduce a “delaying effect”, as
naturalization required five years residence. This, in turn, would
dampen the sponsored movement’s “potential for explosive
growth.”44 It was hoped that the proposals would offset potential
criticism from “ethnic groups” wary of the government’s efforts to
curtail – or perhaps even eliminate – the sponsorship program.
The Department of Manpower and Immigration underestimated the degree of displeasure the White Paper would provoke
among “ethnic groups.” Opinions expressed by such groups to the
Special Joint Committee of the Senate and House of Commons on
Immigration – appointed by the government to examine and re-
42 Although they did not voice the point publicly, officials also believed that the
requirement that more non-dependant sponsored relatives possess “minimal
education requirements” would limit sponsored flows from non-traditional
sources such as China. Memorandum to Cabinet, Admissible Classes and Security Screening of Immigrants, June 22, 1966. National Archives of Canada, RG 76,
VOL.823, File 552-1-567, pt. 2..
43 The division of the sponsored stream represented a novel response to the political challenge of limiting sponsorship rights. In earlier iterations, the authors’ of
the White Paper had suggested ending discrimination in sponsorship rights, but
also narrowing the range of relatives to immediate dependents and “eliminating
broader sponsorship.” This was because they feared that the “extension of [sponsorship] privileges would not only aggravate economic difficulties but would also
open up massive new problems in respect to Asiatic immigration.” See Memorandum to Cabinet, Immigration White Paper – Sponsored Immigration to Canada,
November 24, 1965. National Archives of Canada, RG 76, VOL. 948, File SF-C-1-1, pt.
3.
44 Canada, House of Commons, Debates, “Tabling of White Paper on Government
Policy,” October 14, 1966, 8652.
45
Triadafilos Triadafilopoulos PhD
port on the White Paper – were often quite negative. While there
was support for the elimination of remaining discrimination
in the Immigration Regulations, many questioned how criteria
relating to education and skills would be applied in the absence
of clearly defined standards. Without transparency, pronouncements regarding the government’s intention to seek out the best
and brightest immigrants, regardless of their race, ethnicity, and
religion would continue to ring hollow.45
The White Paper’s recipe for increasing control over the
sponsored movement was also criticized by groups that stood to
lose under the proposed rules.46 Senior civil servants charged
with defending the White Paper were subjected to fierce questioning by several Committee members who correctly saw the
citizenship requirement as a mechanism for slowing the flow of
sponsored immigrants.47 Many commentators were confused by
what they felt was a mixed message: on the one hand, the White
Paper called for a more active and non-discriminatory immigration program; on the other, it cast immigration in threatening
terms.
While the White Paper fell short of fulfilling its role as an
“exercise in persuasion for a particular policy” (Hawkins 1988:
159), it did compel further reflection and innovation on the part of
45 “[A] statement in a White Paper, no matter how laudable, are no substitute for
law and there is nowhere in the White Paper any suggestion that this policy of no
discrimination, which is the mood of our times, should be incorporated into the
substance of law rather than remain merely a statement. The White Paper will be
lost but a blue paper, being an immigration act, will take this place and that either will say something about it or will not say anything about it. If it says nothing
about it, then it is left in a vague situation where some pious declarations were
made.” Statement of Saul Hayes, Vice-President, Canadian Jewish Congress,
February 22, 1967; Canada, Special Joint Committee of the Senate and House of
Commons on Immigration, Minutes of the Proceedings and Evidence, No. 9, 407.
46 Canada, Special Joint Committee of the Senate and House of Commons on Immigration, Minutes of the Proceedings and Evidence, 535-7; 565-6. For a useful
summary of several of the briefs submitted by groups appearing before the
Committee see Kelley and Trebilcock (2000: 354-358).
46
47 Canada, Special Joint Committee of the Senate and House of Commons on Immigration, Minutes of the Proceedings and Evidence, No. 4, December 13, 1966,
126-127.
Rethinking the Origins of the Canadian Immigration Points System
the senior civil servants. While policymakers remained convinced
that its analysis and recommendations were basically sound, they
understood that more would be needed to gain the support of the
Special Joint Committee, the media, and interest groups.
To this end, the Minister of the newly established Department of Manpower and Immigration48, Jean Marchand, appointed an internal taskforce to devise admissions rules that (a) divided
the sponsored stream into dependent and non-dependent relatives as per the White Paper; (b) employed a standard set of selection criteria; and (c) were based on the principle of universality
(Hawkins 1988: 162). The group was led by Deputy Minister Tom
Kent, a highly regarded civil servant and friend and confidante of
Prime Minister Pearson. Kent had replaced the principal architect
of the White Paper, C. M. Isbister, just before its release. While
Kent agreed that sponsored flows needed to be brought under
control49, he felt that criticisms of the White Paper – which he
was subjected to during the hearings of the Special Joint Committee – were deserved: the document was vague and lacked a clear
statement of principles (Kent 1988: 409f.).50 What was needed,
in Kent’s view, was some means of identifying, defining, and
attaching relative weight to “the various factors affecting a person’s ability to settle successfully in Canada”(Kent 1988: 410). This
48 In 1966, the Department of Citizenship and Immigration was merged with the
Department of Labour under the terms of the Government Organization Act. As a
consequence of this move, immigration policy came under the jurisdiction of the
newly formed Department of Manpower and Immigration, while the Citizenship
Branch was moved to the Secretary of State. See Hawkins (1988: 139f.) and Canada, House of Commons, Debates, May 9, 1966, 4872
49 In his memoirs Kent (1988: 409) notes that, “[The sponsorship] system had the
potential for explosive growth in the unskilled labour force. One immigrant who
quickly established himself could soon sponsor his brothers and sisters. They in
turn could sponsor the brothers and sisters of their wives or husbands. And so on.
Immigration officials did not like this… [N]o one who observed the process closely
could fail to see that it produced only a very crude relation between the avowed
main purpose – immigration according to the country’s absorptive capacity –
and the actual extent and composition of the flow.”
50 In an interview with the author, Kent also noted that the version of the White Paper which he inherited after taking up the position of Deputy Minister amounted
to little more than a defense of the status quo. While efforts were made to improve the text, some of the earlier draft’s defensive tone remained in penultimate
version. Interview with Tom Kent, Kingston, Ontario, August 3, 2006.
47
Triadafilos Triadafilopoulos PhD
would grant immigration officers a consistent means of assessing
the potential of immigrants and remove any lingering suspicions
concerning the criteria used to judge a person’s suitability for
admission into Canada. Both Kent and Marchand insisted that
whatever solution was arrived at, it had to be universal in terms of
its application and completely free of racial bias.
After spending several months on the project, the taskforce produced a proposal that satisfied these core requirements.
According to the scheme, prospective immigrants would be
assigned a score of one to ten “assessment points” in nine categories. The first five categories: age; education; training; occupational skill in demand; and personal qualities, related to “the
immigrant’s prospects of successful establishment in Canada.”
The other four categories: knowledge of English or French; presence of relatives in Canada; arranged employment; and employment opportunities in area of destination, were intended to determine “the speed and ease with which he is likely to get settled
initially.”51 Individuals scoring 50 assessment points or higher
would be admitted as “independent immigrants” and would
enjoy the right to sponsor dependents as well as “nominated
relatives.” Nominated relatives were also subject to the proposed
assessment system but would be evaluated on a narrower set of
criteria. The fact that a relative was sponsoring them was deemed
an automatic advantage that would facilitate their settlement in
Canada. Sponsored dependents did not have to qualify under the
assessment scheme.
Tests of the new system were “highly encouraging.”52
Although the broadening of sponsorship rights would lead to
51 Remarks to the Parliamentary Committee on Immigration by the Honourable
Jean Marchand, Minister of Manpower and Immigration, April 18, 1967. National
Archives of Canada, RG 76, VOL. 965, File 5000-14-2, part 13.
48
52 Memorandum to Cabinet Re: A New Immigration Selection System: Amendments to the Immigration Regulations, Part 1, July 31, 1967. National Archives of
Canada, RG 76, VOL. 948, File SF-C-1-1, pt. 3.
Rethinking the Origins of the Canadian Immigration Points System
increases in sponsored flows, officials believed the points system
could be used to control this movement by regulating the number
of nominated relatives granted entry according to labour market
conditions.53 While this was not a perfect solution, it did offer
some means of controlling sponsored flows in a non-discriminatory and politically acceptable fashion.54 More generally, officials
believed that they had crafted a system which satisfied both political and policy requirements. In the words of the Minister, “[b]oth
the efficiency and the humanity of the selection process will be
increased and be seen to be increased (emphasis added).”55
Marchand’s prediction proved accurate. In contrast to
the White Paper, reaction to the “points system” was positive. The
Special Joint Committee approved of the new regulations in April
1967; the Cabinet followed suit shortly thereafter and they were
quickly implemented and came into effect in October 1967. The
press and public were also receptive. The Globe and Mail noted
that the new policy removed “discrimination against would-be
immigrants […] and […] aimed at making procedures more
flexible.”56 The Toronto Star reported that Minister of Manpower
and Immigration Jean Marchand had come closest to the elusive
goal of eliminating “outright racial discrimination” and opening
Canada to increased levels of immigration.57 The points system
also offered Canadian politicians a way of demonstrating the purity of Canada’s intentions to the rest of the world. Immigration
had been placed on a progressive footing, in line with the image
53 Memorandum from the Assistant Deputy Minister (Immigration) to the Deputy
Minister on the Parliamentary Committee on Immigration, February 19, 1968, 6.
National Archives of Canada, RG 76 VOL. 966, File 5000-14-2, part 14.
54 Remarks for Parliamentary Committee on Immigration, Minister of Manpower
and Immigration, April 11, 1967. National Archives of Canada, RG 76 VOL. 823, File
552-1-567, pt. 2.
55 Memorandum to Cabinet, Re: A New Immigration Selection System: Amendments to the Immigration Regulations, Part I, National Archives of Canada, RG 76,
VOL. 948, File SF-C-1-1, pt. 3.
56 Michael Gillan, “Point Count Will Assess Immigrants,” The Globe and Mail, September 14, 1967.
57 “Immigration: An end to hit-and-miss,” The Toronto Star, September 14, 1967.
49
Triadafilos Triadafilopoulos PhD
Canadian officials wished to project both domestically and internationally.58
Marchand, Kent and their colleagues succeeded in crafting
a relatively transparent, non-discriminatory immigration policy
that opened Canada up to large-scale immigration from Asia,
Africa, the Middle East and other “non-traditional” sources for the
first time in the country’s history. Other reforms implemented
during this time, including the expansion of the Assisted Passenger Loans Scheme, the opening of immigration processing facilities outside of Europe, and the establishment of an independent
Immigration Appeals Board, secured the institutional prerequisites for an immigration regime open to all qualified applicants
regardless of their “race.”
Conclusion
The notion that the points system was a functional response
to changing economic conditions must be reconsidered. As I have
endeavoured to point out, its origins are more complicated, and
to my mind interesting, than the literature on Canadian immigration policy would suggest. Changes in normative standards in the
postwar period made it extremely difficult to maintain Canada’s
traditional identity as a white, European nation and this, in turn,
compelled policymakers to reconsider the role of immigration
in nation-building. By the early-1960s, they had concluded that
discriminatory policies could no longer be maintained and that
Canada must open itself to immigrants from “non-traditional
sources.” The points system provided a means of making good
on this promise while also responding to concerns regarding the
consequences of immigration reform. Chief among these concerns was the perceived impact of sponsored immigration from
“non-traditional” source regions. Policymakers wanted desperately to implement control over these flows; the points system’s
50
58 Department of Manpower and Immigration Information Service Project Instruction, no. 10/67 (Draft), July 1967. National Archives of Canada, RG 76, VOL. 965, File
5000-14-2, pt 13.
Rethinking the Origins of the Canadian Immigration Points System
true innovation lay in its ability to satisfy normatively driven calls
for universality in the admission of independent immigrants,
while granting officials a modicum of control over sponsored
flows, thus assuaging their fears of rapid social change and attendant political consequences.
This interpretation of the Canadian case may be usefully
applied to better understand recent immigration policy-making
in Germany. To begin with, it helps us see that the push for a migration law was not driven solely by economic concerns, as has oft
been repeated by both German and foreign commentators. Rather the push for a managed immigration policy also has its roots
in normatively driven politics of the 1990s, during which a range
of political actors and civil society groups, including the SPD, the
Green Party, churches, and trade unions, argued that such a move
was needed to turn Germany away from its unsavoury past, toward a more tolerant, progressive and European future (Herbert
2001: 316; Marshall 2000: 146).59 As in Canada, immigration policy
had a distinctively normative dimension that is typically neglected by approaches which privilege narrowly economic factors.
And, as in Canada, this normative impetus was accompanied (and arguably attenuated) by a concomitant need to meet
concerns regarding the impact of immigration on Germany. The
emphasis German politicians and policymakers have placed on
attracting highly skilled immigrants might be seen as a means
of allaying their own fears of repeating the mistakes of the guest
worker era, while also convincing a similarly wary German public of the acceptability of renewed immigration. These concerns
are also reflected in the content of the 2004 law, beginning with
its unwieldy title (“Act to Control and Restrict Immigration and
to Regulate the Residence and Integration of EU Citizens and
Foreigners”) and extending especially to Section 19, which sets
the conditions for granting legal residency to highly skilled im-
59 Arguably, the task of adapting migration policy to meet postwar normative
expectations began during the guest worker era. See Triadafilopoulos/Schönwälder (2006).
51
Triadafilos Triadafilopoulos PhD
migrants from outside of the European Union (EU).60 These conditions are both extremely stringent and vague – determining who
is to count as “highly skilled” is ultimately left to the discretion of
officials at the Land level.
As was the case with Canada’s 1962 Immigration Regulations, the 2004 Act’s primary aim is to maintain tight control over
admissions to ensure that only “assimilable” immigrants succeed
in gaining legal residency. The complement to this conservative
approach to highly skilled immigration is a further tightening of
family reunification rights, through the imposition of minimum
age and language requirements on spouses from non-EU countries, and mandatory integration courses for those who do manage to gain entry into Germany, including children between the
ages of 16-18.61 Here too, concerns over assimilability have driven
the policy-making process.
Just as Canada’s adoption of the points system grew out of
the shortcomings of the 1962 Immigration Regulations, it is quite
possible that Germany too will have to revisit its immigration
policy to address needs that the current Act neglects, not least of
which are continuing calls for increased immigration voiced by
German employers. Renewed calls for a reconsideration of a “Canadian-style” points system – even after the passage of amendments to the Immigration Act in 2007 – suggest that the “modernization” of Germany’s immigration policy regime remains very
much a work in process.
60 Residence Act, English translation, see http://www.zuwanderung.de/english/
downloads/aufenthgengl.pdf, p. 24.
52
61 The age and language requirements for spouses were introduced through
amendments to the Act passed in 2007.
Rethinking the Origins of the Canadian Immigration Points System
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55
Dr. Holger Kolb
Punktesysteme, Einwanderungsplanwirtschaft und
marktwirtschaftliche
Alternativen oder:
Was kann Deutschland
von Kanada lernen?
Die Notwendigkeit von Einwanderungssteuerung wird
heute kaum mehr in Frage gestellt. Die Radikaloptionen generell
offener Grenzen sowie einer kategorischen Nulleinwanderung
sind aus jeweils unterschiedlichen Gründen vor allem für weltwirtschaftlich integrierte Wohlfahrtsstaaten nicht praktikabel.
In Deutschland wird im Rahmen der Suche nach einem geeigneten Steuerungsmodell immer wieder vor allem auf Kanada
als Vorbild verwiesen und die Adaption des dort praktizierten
Punktesystems zur Einwanderungssteuerung empfohlen. Gerade in den letzten Jahren ist allerdings auch auf Fehlsteuerungen
in Kanada hingewiesen worden. Die vielfach an Punktesysteme
herangetragenen Erwartungen erweisen sich damit als nur sehr
eingeschränkt erfüllbar. Weniger als der Steuerungsoptimismus
der Migrationsforschung erstaunt allerdings die Erfolglosigkeit
von Punktesystemen, da dabei lediglich generell planwirtschaftlichen Steuerungsverfahren immanente Probleme offensichtlich
werden. Eine Empfehlung der Übertragung des kanadischen
Steuerungsmodells auf Deutschland erscheint angesichts er-
56
Punktesysteme, Einwanderungsplanwirtschaft und marktwirtschaftliche Alternativen
nüchternder Ergebnisse und vor dem Hintergrund marktwirtschaftlicher Steuerungsalternativen wenig ratsam. Allerdings
erweisen sich die in Kanada gewonnenen Erfahrungen mit dem
Punktesystem für Deutschland trotzdem dann als wertvoll, wenn
man davon ausgeht, dass gerade der politisch sensible Bereich der
Einwanderung nicht zuletzt aufgrund einer allgemeinen Skepsis
gegenüber marktwirtschaftlichen Steuerungsverfahren nur sehr
eingeschränkt marktwirtschaftlich reformierbar ist.
1. Einwanderungssteuerung und Selbstselektion
„Makroökonomisch [kann es] nie zu viel, sondern nur zu
wenig Migration geben“ (Straubhaar 2002: 55). Wirtschaftswissenschaftler haben wiederholt auf die grundsätzlich positiven
Effekte von Mobilität hingewiesen (siehe z.B. Simon 1994; Straubhaar 1994; Straubhaar 2002) und den „Luxusgutcharakter“ der
Immobilität (Straubhaar 2002: 54) betont. Trotz einer weit verbreiteten Einwanderungsskepsis1 wirken mit dem Schlagwort
der Globalisierung verbundene internationale ökonomische
Entwicklungstendenzen diesem Schließungswunsch entgegen.
James Hollifield (1992) hat in diesem Zusammenhang den Begriff
des „liberalen Paradoxes” geprägt, in dem Staaten sich befänden.
Die Kosten der Selbstabschottung eines Landes steigen durch die
weiter voranschreitende Etablierung der Weltwirtschaft. Offene
Gesellschaften sind um ein Vielfaches besser in der Lage, ökonomischen Strukturwandel zu gestalten und können ihr Wachstumspotenzial durch hochqualifizierte komplementäre Zuwanderer
erhöhen. Damit verliert die Option der kategorischen Nulleinwanderung durch die voranschreitende Globalisierung und eines
weiteren „spread of market relations“ (Hollifield 1992: 216) an
Attraktivität und wird dementsprechend in kaum einem Land
ernsthaft erwogen oder gar umgesetzt.
1
Restriktive Einstellungen der Wahlbevölkerung hinsichtlich Einwanderung sind
eine demoskopische Konstante in vielen Ländern. Vgl. für die USA Simon/Lynch
(1999: 455-467) und für Deutschland Winkler (2003: 33-38).
57
Dr. Holger Kolb
Aus dieser Perspektive muss es also umso mehr verwundern, wenn meist unter dem Schlagwort der „Einwanderung
in die Sozialsysteme“2 Zuwanderung als volkswirtschaftliches
Zuschussgeschäft und damit als gesellschaftliche Bedrohung
wahrgenommen wird. Es steht zwar außer Zweifel, dass Migration
gerade für generöse und universalistisch agierende Wohlfahrtsstaaten zu einem Problem werden kann; allerdings sind die dabei
oftmals als „Migrationsprobleme“ beschriebenen Fehlsteuerungen „nicht spezifische Probleme der Migration, sondern generelle
Probleme des Sozialstaats“ (Straubhaar 2002: 60). Systematisch
liegt das in einer negativen Ausrichtung des Selbstselektionsmechanismus bei Migrationsprozessen durch umfangreiche Sozialleistungen begründet. In der Migrationsliteratur ist dieses Phänomen in dem so genannten Roy-Modell theoretisch präzisiert
worden (Borjas 1987: 531-553). Generöse Wohlfahrtsstaaten mit
einem hohen Dekommodifizierungsniveau, die Sozialansprüche
weitgehend entkoppelt von früheren Einzahlungen gewähren
und eine hohe Absicherung von ungünstigen Arbeitsmarktentwicklungen vorsehen, wirken damit vor allem für die Migranten
attraktiv, die aufgrund ihrer Humankapitalausstattung vergleichsweise stark für Schwankungen der Arbeitsnachfrage anfällig sind. Daraus resultiert eine negative Selbstselektion in dem
Sinne, dass Migranten mit einer niedrigen Humankapitalausstattung und einer hohen Wahrscheinlichkeit des Transferbezugs
eine Migrationspräferenz in Länder mit hohen Sozialstandards
aufweisen (Bauer 2002)3 und damit die Leistungsfähigkeit des von
Nationalstaaten bereitgestellten Güterbündels für die Altmitglieder4 gefährden. Damit ist der Zusammenhang skizziert, warum
Wohlfahrtsstaaten Einwanderung begrenzen oder mit anderen
Worten nach außen eine „Ungleichheitsschwelle“ aufrechterhal-
58
2
So beispielsweise die damalige Oppositionsführerin Angela Merkel im Deutschen
Bundestag am 01.03.2002 (222. Sitzung).
3
Für die wenigen empirischen Überprüfungen des Modells vgl. Borjas (1999:
607-637) und Brücker et al. (2001).
4
Die Gruppe der Altmitglieder besteht dabei aus den nicht-emigrierten Geburtsmitgliedern sowie den bereits eingewanderten Erwerbsmitgliedern.
Punktesysteme, Einwanderungsplanwirtschaft und marktwirtschaftliche Alternativen
ten (Stichweh 1998: 49-61) müssen. Die Tatsache, dass moderne
Nationalstaaten vor allem Wohlfahrtsstaaten sind, begründet
demnach die Steuerungsnotwendigkeit von Zuwanderung.
2. Modi der Einwanderungssteuerung:
Kanada als „leuchtendes Beispiel“?
Die Notwendigkeit der Einwanderungssteuerung ist
mittlerweile allgemein anerkannt, die Radikaloptionen einer
kategorischen Nulleinwanderung sowie einer Politik der offenen Grenzen erscheinen angesichts der geschilderten negativen
Selbstselektionsgefahr einerseits und der Einbindung in weltwirtschaftliche Austauschprozesse andererseits nicht mehr praktikabel. Auch Deutschland als „unerklärtes“ (Thränhardt 1988) oder
„zögerliches“ (Martin 1994) Einwanderungsland hat trotz der
lange Zeit aufrechterhaltenen Illusion, kein Einwanderungsland
zu sein, seit vielen Jahren Einwanderung gezielt und gesteuert
zugelassen. Die wichtigsten Steuerungsinstrumente in diesem
Zusammenhang waren zum einen Arbeitsverbote für bestimmte
Zuwanderergruppen (z.B. Asylbewerber), das EU-Recht sowie die
einen Ausnahmekatalog zum allgemeinen Anwerbestopp darstellende Anwerbestoppausnahmeverordnung (ASAV). Vor allem
durch die Regelungen der ASAV sollte Hochqualifizierten aus
dem Nicht-EU-Ausland die Einreise und ein befristeter Aufenthalt
in Deutschland ermöglicht werden. Bei einer genauen Betrachtung des damit verbundenen bürokratischen Aufwands5 wurde
allerdings schnell ersichtlich, dass die in der ASAV vorhandenen
Regelungen zur Hochqualifiziertenanwerbung branchenübergreifend in relativ geringem Maße angewendet wurden (Moll/
Reichel 2001: 309-310; Meyer 2000: 118, 120) und die ASAV generell als bürokratisches, unübersichtliches und in hohem Maße
5
Eine Ausnahme diesbezüglich waren die seit 1998 ebenfalls in der ASAV geregelten unternehmensinternen Personaltransfers, die multinational operierenden
Unternehmen eine vergleichsweise schnelle und unbürokratische Personalallokation ermöglichten. Siehe dazu ausführlich Kolb (2004).
59
Dr. Holger Kolb
planwirtschaftliches Verfahren wahrgenommen wurde, das
den Anforderungen einer effizienten Anwerbepolitik in keiner
Weise gerecht wurde (Zimmermann et al. 2002: 230-231).6 Nicht
zuletzt in Auseinandersetzung mit den unzureichenden und
ineffizienten Steuerungsverfahren der ASAV ist in Deutschland
von mehreren Seiten ein sich am kanadischen Beispiel orientierendes Punktesystem als Alternative vorgeschlagen worden.7 Vor
allem der mittlerweile wieder aufgelöste Sachverständigenrat für
Zuwanderung und Integration8 bewarb euphorisch die Einführung eines Punktesystems zur Steuerung von Arbeitsmigration,
schreibt diesem „Transparenz, Flexibilität, Offenheit und Nachhaltigkeit“ (Sachverständigenrat für Zuwanderung und Integration 2004: 168) zu und sieht dessen Vorteile „in seiner Einfachheit
und zugleich hohen Funktionalität, im verhältnismäßig geringen
bürokratischen Aufwand und nicht zuletzt in der Flexibilität, mit
der dieses Verfahren auf aktuelle Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt reagieren kann“ (2004: 171).
Das 1967 eingeführte und 2001 letztmalig umfassend reformierte kanadische Punktesystem ermöglicht die Einwanderung
qualifizierter Ausländer auch ohne Nachweis eines vorliegenden
Arbeitsplatzes. Ganz im Trend einer Umstellung auf humankapitalbasierte Anwerbeverfahren (Bommes/Kolb 2005: 81) wirbt Kanada Zuwanderer auf einer generellen Basis von Qualifikationen
60
6
Die ASAV ist in das neue Zuwanderungsgesetz weitgehend übernommen worden; allerdings wurden für einige Gruppen wie etwa Wissenschaftler, Selbständige sowie Spezialisten, die ihre besonderen Kenntnisse durch ein Gehalt von
mindestens dem Doppelten der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen
Krankenversicherung nachweisen können, Verfahrensvereinfachungen durchgesetzt.
7
Der Vorschlag eines Punktesystems wird prominent in den Berichten der
Süssmuth-Kommission (Unabhängige Kommission Zuwanderung 2001) und des
Sachverständigenrats für Zuwanderung und Integration (2004) vertreten.
8
Über die politischen Motive der schnellen Abwicklung des Sachverständigenrats
kann nur spekuliert werden, allerdings war es sicher ein nicht unerheblicher
Geburtsfehler, dass der Rat eben nicht aus ausschließlich als Sachverständige
anerkannten und in der Migrations- und Integrationsforschung ausgewiesenen
Wissenschaftlern bestand, sondern korporatistischen Traditionen folgend neben
zwei Wissenschaftlern auch Vertreter der Arbeitgeberverbände, der Gewerkschaften sowie der Kommunen als Mitglieder berufen wurden.
Punktesysteme, Einwanderungsplanwirtschaft und marktwirtschaftliche Alternativen
und Erfahrungen in ausgesuchten Berufsfeldern an. Die Auswahl
erfolgt über ein Punktesystem, über das sich Bewerber anhand
ihrer Qualifikation und Berufserfahrung, Sprachkompetenz,
des Lebensalters oder der Integrationsfähigkeit für eine Zuwanderung qualifizieren können. Dabei muss eine bestimmte Mindestpunktzahl erreicht werden. Zugelassen wird die bestimmte
vorab zu bestimmende Anzahl der Bewerber mit den höchsten
Punktezahlen ohne Rücksicht auf das Herkunftsland. Ein Rechtsanspruch auf Einwanderung besteht nicht, auch wenn die erforderliche Punktzahl erreicht wird.
3. Ernüchterung und Ratlosigkeit: Warum ist
das kanadische Modell schlechter als sein Ruf?
Gerade in Deutschland lobten vor allem liberale Politiker
und Wissenschaftler das kanadische Punktesystem als zukunftsweisendes und innovativstes Modell der Zuwanderungssteuerung.9 In Kanada selbst ist allerdings Ernüchterung eingekehrt.
Das kanadische Punktesystem scheint deutlich schlechter zu
funktionieren als sein guter Ruf in Europa suggeriert. Schmidtke
(i.E.) spricht von einer auf den ersten Blick „paradoxen Situation“,
dass „Kanada […] seine Einwanderer sorgfältig mit Blick auf Bildungstitel und Arbeitserfahrungen aus[wählt], doch […] es dann
kaum [gelingt], diesen Neuankömmlingen berufliche Positionen
zu eröffnen, die ihrer Qualifikation entsprächen.“ Bislang konnte
noch keine Einigkeit über die Gründe des zunächst erklärungsbedürftig erscheinenden Misserfolgs erzielt werden. Ähnlich wie
Triadafilopoulos (2006: 88), der vor allem eine nicht erfolgende
Anerkennung von im Heimatland erworbenen Bildungsabschlüssen als Grund für eine langsame Arbeitsmarktintegration
anführt, betont auch Reitz (2001: 366) eine mangelnde Flexibilität
kanadischer Arbeitgeber. So würde fast ausschließlich in Kanada
erworbenes spezifisches Humankapital für den Zugang zum Arbeitsmarkt als relevant anerkannt und würden damit Zuwande-
9
Siehe z.B. Straubhaar (2006) und Zimmermann (2006) oder den Entwurf eines
Gesetzes zur Regelung der Zuwanderung der FDP-Bundestagsfraktion (BT-Drs.
14/3679).
61
Dr. Holger Kolb
rer bei der Arbeitsmarktsuche entscheidend benachteiligt. Guo/
Andersson (2005) hingegen führen Vorbehalte gegenüber einer
als fremd perzipierten Kultur von Zuwanderern aus nicht-europäischen Ländern als Hauptursache für die sich verschlechternde
Arbeitsmarktintegration an. Trotz verschiedener Erklärungsansätze für das wenig erfolgreiche Funktionieren des kanadischen
Systems ist allen vorgetragenen Erklärungsansätzen gemeinsam,
dass sie die grundsätzliche Eignung des kanadischen Selektionsinstrumentes nicht in Frage stellen. Auch in Deutschland erfreut
sich das kanadische Punktesystem noch einer ausgezeichneten
Reputation.
Bei einer systematischen Betrachtung des Punktesystems
erscheint die Infragestellung der grundsätzlichen Eignung
desselben allerdings als durchaus berechtigt. Die auch im kanadischen System notwendige Festlegung einer Höchstquote
sowie die Definition von weitgehend willkürlich festzulegenden
Punktekriterien erfordern die Einschaltung einer zentralen,
sachfremden politischen Einflussnahmen ausgesetzten und dementsprechend manipulierbaren Behörde. Ein Punktesystem weist
damit die typischen Probleme einer planwirtschaftlichen Lösung
auf. Vor allem die als time-lag-Problematik10 bekannten Effekte
des Auseinanderfallens der Verabschiedung einer Maßnahme
und ihrer Wirkung weisen darauf hin, dass auf Arbeitsmarktänderungen nur zeitverzögert und nach einem bürokratischen
Anpassungsprozess reagiert werden kann und das eigentliche
Ziel der Bedarfsdeckung auf dem Arbeitsmarkt mit großer Wahrscheinlichkeit verfehlt wird. Darüber hinaus existieren keinerlei
zielrelevante Informationen seitens potenzieller Arbeitgeber und
der Migranten (Zimmermann et al. 2002: 174-176). Sowohl die
62
10 Mit dem Begriff des time-lag wird allgemein der Zeitraum zwischen der Verabschiedung einer Maßnahme und dem Einsetzen ihrer Wirkung bezeichnet. Für
den Bereich der Einwanderungspolitik ist daher mit einiger Wahrscheinlichkeit
anzunehmen, dass die zu einem Zeitpunkt t=0 festgesetzte Quote zum Zeitpunkt t=1, an dem die Quote in Kraft tritt, entweder den sich dezentral auf den
Märkten ständig neu bildenden Bedarf an Arbeitskräften unterschreitet oder
übertrifft. Damit wird die Effektivität eines Punktesystems zum Glücksspiel.
Punktesysteme, Einwanderungsplanwirtschaft und marktwirtschaftliche Alternativen
staatlichen Investitionen in eine Selektionsinfrastruktur als auch
die seitens des Migranten geleisteten Investitionen in das jeweilige individuelle Migrationsprojekt können sich dabei als Totalverlust erweisen. Die Ursache für die relativ geringe Effektivität des
Punktesystems ist daher das System selbst, da es die generell bei
planwirtschaftlichen Verfahren auftretenden Fehlsteuerungen
und Effektivitätsmängel lediglich reproduziert.
4. Marktwirtschaftliche Steuerungsalternativen
zu Punktesystemen
Wenn selbst das als einwanderungspolitisches Wundermittel gepriesene kanadische Punktesystem sich für eine effektive
und effiziente Zuwanderungspolitik als nur sehr eingeschränkt
geeignet erweist, liegt es nahe, über grundlegende Alternativen
zu planwirtschaftlichen Einwanderungsregimen nachzudenken.
Wenig überraschend produzieren planwirtschaftliche Steuerungsverfahren auch im Bereich der Einwanderungspolitik ineffiziente Ergebnisse. Es dürfte daher lohnend erscheinen, über
einen einwanderungspolitischen Paradigmenwechsel und damit
eine konsequente Umstellung der derzeit praktizierten Einwanderungsplanwirtschaft auf marktwirtschaftliche Verfahren nachzudenken.11 Entsprechende Vorschläge werden bereits seit einiger Zeit diskutiert (siehe Chiswick 1982). Es ist darauf hingewiesen
worden, dass Einwanderungsregulierung zur Vermeidung einer
negativen Selbstselektion der Migranten notwendig ist. Gerade
ein wertvolles, den Selbstselektionsmechanismus für das Zielland
negativ beeinflussendes Paket an wohlfahrtsstaatlichen Leistungen und Kollektivgütern vermag als Magnet für Migranten zu
wirken, die ausschließlich zum Sozialleistungsbezug einreisen.
Auch eine marktwirtschaftliche Einwanderungssteuerung steht
11 Dabei ist die gängige Terminologie durchaus unscharf, denn auch in einer Marktwirtschaft wird natürlich geplant. Allerdings unterscheiden sich die Planungsebenen grundsätzlich. Während in einer Marktwirtschaft die Planungsprozesse
dezentral ablaufen, ist in einer Planwirtschaft dafür eine zentrale Behörde zuständig. Engel (2001: 1-24) beschreibt den marktwirtschaftlichen Planungsmodus
zutreffend als: „Jeder plant für sich.“ Der von Walter Eucken geprägte Begriff der
Zentralverwaltungswirtschaft ist damit sicher präziser.
63
Dr. Holger Kolb
demnach vor der Herausforderung, die geschilderte negative Magnetwirkung von Wohlfahrtsstaaten aufzuheben. Systematisch
ist dies über zwei Wege möglich: Zum einen könnte das wohlfahrtsstaatliche Bündel an Leistungen und Gütern Migranten für
eine gewisse Zeit verweigert werden. Alternativ könnte das Leistungsbündel verkauft bzw. versteigert werden. Jeder Zuwanderer
müsste demnach einen dem Leistungsbündel entsprechenden
Eintrittspreis entrichten bzw. die Höhe seiner Zahlungsbereitschaft für das Einwanderungsrecht offenbaren.
Erstere Möglichkeit ist jüngst von einigen niederländischen Wissenschaftlern vorgeschlagen worden. In Doomerniks
Vorschlag von „Open Borders, Close Monitoring“ (Doomernik
2006) werden offene Grenzen damit durch den zumindest temporären Ausschluss von Migranten von wohlfahrtsstaatlichen
Leistungen erkauft. Der wohlfahrtsstaatlich für das Zielland negativ umgestellte Selbstselektionsmechanismus ist damit wieder
korrigiert. Ganz ähnlich argumentiert Emmer (2002), der seine
Forderung nach „mehr Markt“ in der Einwanderungssteuerung
ebenfalls über die temporäre Aussetzung der Gewährung wohlfahrtsstaatlicher Leistungen an Migranten erreichen möchte. In
diesem Fall würden gerade die „Millionen Zuwanderer aus anderen Kontinenten […], von denen ein Großteil schlecht ausgebildet
ist und deshalb ohne Hilfe wenig Chancen hätte, in Europa eine
Existenz aufzubauen“ schnell realisieren, dass es „keinen Sinn
macht, in Europa zu bleiben, dass sie zu Hause mehr Chancen
haben“ (Emmer 2002: 66; ähnlich auch Teulings 1995). Nur diejenigen, die sich selbst ihren Lebensunterhalt verdienen können
und damit über Steuern und Beiträge einen positiven Beitrag zur
Finanzierung und Aufrechterhaltung des staatlichen Gemeinwesens leisten könnten, könnten sich damit für die Einwanderung
64
Punktesysteme, Einwanderungsplanwirtschaft und marktwirtschaftliche Alternativen
qualifizieren.12 Alternativ in der Konzeption, aber identisch in
der Wirkung ist der Vorschlag von Becker (1992), der als marktwirtschaftlich nahe liegenden Mechanismus der Zuwanderungssteuerung den staatlichen Verkauf von Einwanderungsrechten
an interessierte Zuwanderer vorgeschlagen hat.13 Als staatliche
Vorgabe ist dabei lediglich der Preis für das Zutrittsrecht notwendig. Jeder zahlungsbereite Zutrittswillige, der neben der Zahlung
einige wenige grundlegende, leicht überprüfbare persönliche
Voraussetzungen wie Vorstrafenfreiheit14 sowie die Abwesenheit
ansteckender schwerer Krankheiten erfüllt, erhält damit Zutritt
und einen sicheren permanenten Aufenthaltsstatus mit anschließender Einbürgerungsoption. In dieser Variante hat der Zuwanderer anders als bei Doomernik und Emmer uneingeschränkten
und sofortigen Zugriff auf das Bündel wohlfahrtsstaatlicher Leistungen, da er diesen mit der Entrichtung des Eintrittspreises erworben hat. In der Wirkung sind beide Konzeptionen identisch.15
12 Emmer ist sich bewusst, dass gerade die von ihm erwähnten „naiven Gutmenschen, die in allen Migranten arme Asylsuchende sehen, die sie am liebsten an ihr
Herz drücken möchten“ seinen Vorschlag als unfair empfinden dürften, da dessen Realisierung in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft hinsichtlich wohlfahrtsstaatlicher Leistungen und Nutzungsansprüchen von Kollektivgütern münden würde.
Dem ist grundsätzlich nicht zu widersprechen, allerdings muss dabei – wie von
Stichweh (2005: 152) angesprochen – berücksichtigt werden, dass ein weitaus
höheres Maß an internationaler Ungleichheit aus der Geburt als primärem Zuteilungsmechanismus von Staatsmitgliedschaft hervorgeht und mit der Einteilung
der Weltbevölkerung in Nationalstaaten verbunden ist. Eine großzügige Alimentierung von Personen, die in ihren Heimatländern vergleichsweise bessergestellt
und daher in der Lage sind, nach Europa zu migrieren, ist also selbst aus einer
Gerechtigkeitsperspektive nur schwer zu begründen.
13 Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch, dass die Unabhängige Kommission Zuwanderung (2001: 106-107) die Anwendung der Preissteuerung explizit
empfahl, diese Option im anschließenden Gutachten des Sachverständigenrats
allerdings nicht mehr thematisiert wurde.
14 Darunter fällt auch eine mögliche Regelanfrage an den Verfassungsschutz zur
prophylaktischen Überprüfung der Verfassungstreue eines Bewerbers.
15 Jenseits aller hier nicht weiter thematisierbaren juristischen Aspekte einer
Karenzzeit für Sozialleistungen für Zuwanderer ist die zentrale Schwäche des
Vorschlags von Doomernik und Emmer technischer Natur. Ihr Vorschlag ist gegenüber der Verkaufs- und Versteigerungslösung weniger praktikabel, da einige
Bestandteile des Kollektivgüter- und wohlfahrtsstaatlichen Leistungsbündels
Zuwanderern nur unter unverhältnismäßig hohen Kosten vorenthalten werden
können und diese damit kaum exkludierbar sind. Dies betrifft klassische Kollektivgüter wie auch ein Mindestmaß an sozialer Sicherung wie elementare Gesundheitsleistungen und Nahrungsmittelversorgung.
65
Dr. Holger Kolb
Auch durch die Erhebung eines Eintrittspreises wird der für das
Zielland durch umfangreiche Eingriffe in die Primärverteilung
des Marktes negativ ausgerichtete migratorische Selbstselektionsmechanismus wieder korrigiert. Als hinsichtlich des Effizienzkriteriums optimal erweist sich die Versteigerungsvariante (Zimmermann et al. 2002: 178-180), die einer vorab fest definierten
Zahl von Migranten, die dem Einwanderungsrecht den höchsten
Wert beimisst, die Einwanderung und Niederlassung gewährt.
Während im Vorschlag der Erhebung eines Eintrittspreises die
Höhe des Preises einseitig von staatlicher Seite festgelegt werden
muss, ist im Auktionsverfahren die Einwanderungshöchstmenge
festzulegen.16
Gegenüber den vorgeschlagenen und politisch prominent diskutierten Punktesystemen heben sich die geschilderten
marktwirtschaftlichen Varianten sowohl durch eine verbesserte
Effizienz als auch durch eine erhöhte Effektivität ab. Effektivitätssteigernd wäre ein Verkauf, eine Versteigerung oder eine
temporäre Aussetzung der Gewährung wohlfahrtsstaatlicher
Leistungen als Einwanderungssteuerung gegenüber praktizierten und diskutierten planwirtschaftlichen Systemen, da ein
marktwirtschaftliches Steuerungssystem sich des unendlichen
Wissens der Marktteilnehmer bedient und damit automatisch die
Einwanderungswilligen den Eintrittspreis bezahlen und sich nie-
66
16 Während die Versteigerung als effizienteste Lösung gelten kann, liegen die Stärken des Verkaufs in der leichteren Bestimmbarkeit des Preises gegenüber der
Höchstmenge im Versteigerungssystem. Es ist mit einiger Berechtigung zu erwarten, dass der Wert des über Zuwanderung nutzbaren Leistungsbündels und
damit des Eintrittspreises sich objektiver und von weniger politischen und sachfremden Erwägungen belastet bestimmen lässt als eine Zuwanderungshöchstquote. Kritiker der Eintrittspreislösung ziehen sich oft auf technische Aspekte
zurück und argumentieren, dass der Eintrittspreis nur schwer zu errechnen sei
(de Lange et al. 2003). Siehe für einschlägige Versuche aber Roodenburg/Euwals/
ter Rele (2003) und auch Sinn et al. (2001), kritisch dazu von Loeffelholz (2004) et
al. Zudem kann vermutet werden, dass bei der Verkaufslösung die legalen Einwanderungsmöglichkeiten zugeschriebene Wirkung in der Bekämpfung illegaler
Migration deutlicher zu Tage tritt als bei einem Versteigerungsverfahren. Potenzielle illegale Migranten, denen eine eher niedrige Preiselastizität der Nachfrage
nach Einwanderungsrechten unterstellt werden kann, dürften bei einem Verfahren, das ihnen unter der Voraussetzung der Entrichtung eines feststehenden
Eintrittspreises ein Einreiserecht garantiert, eher auf die Alternative der illegalen
Einreise verzichten als bei dem Versteigerungsansatz, bei dem auch nach Abgabe des Gebots Unsicherheit über die Zutrittserlaubnis besteht.
Punktesysteme, Einwanderungsplanwirtschaft und marktwirtschaftliche Alternativen
derlassen bzw. die potentiellen Migranten, die das Land benötigt,
auf wohlfahrtsstaatliche Sicherung verzichten. Versteht man Migration als individuelle Investitionsentscheidung17 und erkennt
man die Nutzen maximierenden Motive der Migranten an, so
wird deutlich, dass es über die „unsichtbare Hand“ des Marktmechanismus automatisch zu einem effizienten matching zwischen
Zuwanderer und Zuwanderungsland in der Form kommt, dass
nur Individuen sich zur Einwanderung entscheiden, die sich von
ihrer geographischen Mobilität eine positive und die Kosten der
Migrationsinvestition18 amortisierende Rendite erhoffen. Dies
ist vor allem bei mit im Zielland besonders knappen Qualifikationen ausgestatteten Personen zu erwarten. Damit ist ein über
den Verkauf bzw. die Versteigerung von Zuwanderungsrechten
oder ein über eine Aussetzung wohlfahrtsstaatlicher Ansprüche
operierendes Steuerungssystem ebenso wie ein Punktesystem
selektiv, allerdings setzt es im Gegensatz zu den planwirtschaftlichen Alternativen lediglich den Rahmen für eine positive Selbstselektion potenzieller Zuwanderer. Darüber hinaus ist unschwer
zu erkennen, dass sowohl das Verkaufs-/Versteigerungs- als auch
das über die Aussetzung von wohlfahrtsstaatlichen Ansprüchen
operierende Steuerungsverfahren gegenüber Punktesystemen
als weitaus effizienter angesehen werden kann, da als notwendige staatliche Infrastruktur lediglich eine kleine Behörde zur
Überprüfung des Zahlungseingangs, der Straffreiheit sowie eines
Gesundheitszeugnisses notwendig ist und auf die sowohl im
kanadischen System wie auch im Alternativvorschlag des Sachverständigenrates notwendigen aufwändigen Prüfverfahren verzichtet werden kann.
17 Vgl. in diesem Zusammenhang den grundlegenden Beitrag von Sjastaad (1962:
83), der Migration “as an investment increasing the productivity of human resources, an investment which has cost and which also renders returns” betrachtet.
18 Diese bestehen im Wesentlichen aus den Reisekosten, der Eintrittsgebühr sowie
aus Abschreibungskosten auf im Herkunftsland erworbenes, im Zielland allerdings nicht nutzbares Humankapital.
67
Dr. Holger Kolb
5. Von Kanada lernen?
Perspektiven der Einwanderungssteuerung
in Deutschland
Es bedarf keiner großen hellseherischen Fähigkeit, die
Umsetzungschancen einer konsequent marktwirtschaftlichen
Lösung im Politikfeld der Einwanderungspolitik als äußerst gering einzuschätzen. Marktwirtschaftliche Lösungen haben politikfeldübergreifend eine denkbar schlechte Reputation. Bruno
Frey (1990: 139-161) hat vier mögliche Gründe für das geschilderte
Imageproblem herausgearbeitet: unvollständige und unzureichende Informationen, eine mangelnde fairness des Preismechanismus, unerwünschte Verteilungseffekte und zerstörerische
Wirkungen auf die Moral. Vor allem eine mangelnde fairness
der Anwendung des Preismechanismus für das Feld der Einwanderung dürfte als Argument gegen ein marktwirtschaftliches
Verfahren zur Anwendung kommen, da es als ungerecht wahrgenommen werden dürfte, von Zutrittswilligen einen Eintrittspreis
zu verlangen, Zutrittsrechte zu versteigern oder ihnen Sozialleistungen zu verweigern, wenn diese nach ihrer Einwanderung
voll steuer- und abgabenpflichtig sind und damit ihren Beitrag
zur Aufrechterhaltung und zum Ausbau des staatlichen Kollektivgüterbündels leisten. In dieser Argumentation wird allerdings
übersehen, dass der Eintrittspreis auch für bereits abbezahlte
Kollektivgüter sowie für das „gemeinsame Inventar von öffentlichen (Klub)Gütern [sic!], Traditionen, Normen und Gesetzen, die
in der Vergangenheit teils in hartem politischen Ringen etabliert,
teils aber auch im allmählichen gesellschaftlichen Prozess herausgebildet wurden“, erhoben wird (Straubhaar 2003: 81). Die
Erhebung eines Eintrittspreises wäre also schon allein deshalb
gerechtfertigt, da dem Preis für das Zutrittsrecht eine konkrete
Leistung gegenübersteht.
Für den Bereich der Einbürgerungspolitik erscheint selbst
die Einschätzung von Schelling (1997: 146), dass es im Bereich der
Umweltpolitik zwanzig Jahre gedauert hat, bis ausgearbeitete
wirtschaftswissenschaftliche Ansätze Eingang in die Umwelt-
68
Punktesysteme, Einwanderungsplanwirtschaft und marktwirtschaftliche Alternativen
politik gefunden haben19, als unrealistisch. Für die Einwanderungspolitik als einem immer noch leicht emotionalisierbaren
Politikfeld (siehe exemplarisch Thränhardt 1993: 336-357) dürften
auch realisierbare Effizienzgewinne eine konsequente marktwirtschaftliche Umstellung kaum wahrscheinlicher machen.
Eher ist davon auszugehen, dass eine staatliche Planungshoheit
und damit der bekannte planwirtschaftliche Ansatz der Einwanderungssteuerung bestehen bleiben. Dies mag zwar bedauerlich
sein, lässt sich aber vermutlich auf absehbare Zeit nicht ändern.
Zugleich wird damit das kanadische Punktesystem wieder zu einer interessanten Option für Deutschland, wenn man nicht nach
dem theoretisch optimalen, sondern nach dem optimalen und
gleichzeitig politisch zumindest mittelfristig umsetzbaren System
der Einwanderungssteuerung fragt. Joseph Stiglitz’ (1998: 5) fast
verzweifelt vorgetragene Frage: “Why is it so difficult to implement even Pareto improvements?” illustriert, dass Effizienz und
politische Umsetzbarkeit oftmals in einem konfligierenden Verhältnis stehen. Deutschland kann von Kanada daher im Bereich
einer politisch umsetzbaren Einwanderungspolitik lernen. Denn
wenn man davon ausgeht, dass eine konsequente Umstellung auf
ein marktwirtschaftliches Steuerungsverfahren in naher Zukunft
in Deutschland kaum realisierbar ist, muss es darum gehen, das
bestehende System einer Einwanderungsplanwirtschaft – denn
nur planwirtschaftliche Lösungen erscheinen politisch derzeit
umsetzbar – zu optimieren.
19 Nicht zuletzt aufgrund von Ineffizienzen der sich hauptsächlich des Lenkungsinstruments des Ordnungsrechts bedienenden Umweltpolitik wurde im Oktober
2003 auf europäischer Ebene eine Emissionshandelsrichtlinie (2003/87/EG)
verabschiedet, die die EU-Mitgliedstaaten verpflichtete, nationale Allokationspläne zur Umsetzung des Emissionshandels zu erstellen. Emittenten wird dabei
eine begrenzte Menge von Emissionsrechten zugewiesen und es bleibt diesen
überlassen, ob sie sich für eine über eine Anlagenmodernisierung erreichbare
Emissionsreduktion oder einen Zukauf von Emissionsrechten entscheiden. Damit
werden im Gegensatz zum Ordnungsrecht, das eine akteursübergreifende Emissionsreduktion jenseits von Effizienzüberlegungen postuliert, unter Nutzung
des Marktmechanismus. Einsparungen auf die kostengünstigste Art verwirklicht
(Hansjürgens 1998).
69
Dr. Holger Kolb
Der kanadische Weg der Einwanderungssteuerung kann
damit für Deutschland ein lehrreiches Beispiel sein, da dieser im
Vergleich mit anderen planwirtschaftlichen Verfahren und Vorschlägen gut abschneidet. Das gilt zum einen für das in Deutschland lange Zeit praktizierte und hoch diskretionäre Verfahren der
Anwerbung über die Ausnahmetatbestände der Anwerbestoppausnahmeverordnung, auf dessen Schwächen bereits hingewiesen wurde, und zum anderen für das vom Sachverständigenrat
für Zuwanderung und Integration vorgeschlagene indikatorengestützte Steuerungssystem, das durch den Einbau von zwei
Prüfschritten vergleichsweise bürokratisch konzipiert wurde und
darüber hinaus das Ziel einer effektiven Zuwanderungssteuerung
aus technisch-administrativen Gründen kaum erreichen kann. In
dem vom Sachverständigenrat vorgeschlagenen System soll Zuwanderungsbedarf in einzelnen Segmenten des Arbeitsmarktes
über die jeweilige Arbeitslosen- und Vakanzquote identifiziert
werden. Referenzgröße für die Zahl zuzulassender ausländischer
Arbeitskräfte in den einzelnen Teilarbeitsmärkten ist wiederum
die Vakanzquote, die durch die Zulassung ausländischer Arbeitnehmer in den entsprechenden Teilarbeitsmärkten auf ein
durchschnittliches Niveau abgesenkt werden soll. Schäfer (2004:
14), der im Auftrag des Sachverständigenrates das Indikatorensystem für Deutschland getestet hat, weist in aller Deutlichkeit
darauf hin, dass das von der Vakanzquote vermittelte Zerrbild
von Arbeitsmarktengpässen „eine gewichtige Schwäche der vorgeschlagenen Indikatorik“ darstellt. Konkret liegt die Schwäche
der Vakanzquote darin, dass sie lediglich die Zahl der gemeldeten offenen Stellen umfasst. Daten des Instituts für Arbeitsforschung und Berufsforschung (IAB) weisen darauf hin, dass die
Meldequote aller offenen Stellen lediglich bei einem Drittel liegt.
Unter der realistischen Annahme, dass gerade im Hochqualifiziertensegment zu den Arbeitsagenturen alternative Wege der
Personalrekrutierung eingesetzt werden, sind eine systematische
Überschätzung des Arbeitskräftebedarfs im Niedrigqualifikati-
70
Punktesysteme, Einwanderungsplanwirtschaft und marktwirtschaftliche Alternativen
onsbereich sowie eine systematische Unterschätzung des Bedarfs
im Hochqualifiziertensegment zu erwarten. Eine effektive Zuwanderungspolitik wird damit in hohem Maße erschwert.
Unter den verfügbaren planwirtschaftlichen Alternativen
erscheint das kanadische System damit durchaus interessant.
Zumindest gegenüber den in Deutschland praktizierten bzw.
vorgeschlagenen Alternativen der Einzelfallprüfung über die
ASAV und des indikatorengestützten Anwerbesystems erweist
sich das Punktesystem als vergleichsweise unbürokratische,
transparente und zielführende Methode. In diesem besteht die
Möglichkeit, durch eine bestimmte Schwerpunktsetzung in der
Punktevergabe bestimmte Zuwandererprofile verstärkt anzusprechen. Dabei ist zwar – wie das kanadische Beispiel lehrt – von
einer nur eingeschränkten Effektivität und einem nicht unerheblichen Maß an Fehlsteuerungen in der Form auszugehen, dass die
Zuwandererprofile sich von den im Land nachgefragten Qualifikationsanforderungen unterscheiden. Dies ist allerdings der generelle Preis einer oftmals ideologisch motivierten Marktskepsis.
Im kanadischen Modell scheint dieser wenigstens geringer als in
anderen planwirtschaftlichen Steuerungsverfahren. Dies gilt in
besonderem Maße für die bislang in Deutschland praktizierte Einwanderungssteuerung. Während bereits die ASAV als notorisch
erfolglos und zur Anwerbung von knappen Arbeitskräften ungeeignet galt, erweisen sich auch die moderaten Liberalisierungen
im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes (ZuwG) als wenig effektiv.
Das Zuwanderungsgesetz behielt zwar den seit 1973 geltenden
allgemeinen Anwerbestopp aufrecht, ermöglichte aber einigen
Gruppen unter bestimmten Voraussetzungen die Einreise. Neben
der erleichterten Einreise ausländischer Wissenschaftler ermöglicht das Zuwanderungsgesetz auch Spezialisten und leitenden
Angestellten mit besonderer Berufserfahrung, die ein Gehalt in
Höhe von mindestens dem Doppelten der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten, eine Einreise- und Aufenthaltsmöglichkeit. Die äußerst geringe Zahl von
71
Dr. Holger Kolb
wenigen hundert Hochqualifizierten, die von dieser Möglichkeit
im ersten Jahr Gebrauch machten,20 weist allerdings darauf hin,
dass die erweiterten Möglichkeiten des Zuwanderungsgesetzes
gegenüber der Einwanderungssteuerung über die ASAV eine
Verbesserung darstellen, aber dennoch weit von einer effektiven
und den Erfordernissen des inländischen Arbeitsmarktes Rechnung tragenden Steuerungsregelung entfernt sind. Gegenüber
dem gegenwärtigen Status quo der Zuwanderungssteuerung in
Deutschland stellt das kanadische System trotz der bekannten
und skizzierten Mängel einen Qualitätssprung hinsichtlich der
Effizienz dar. Nicht so sehr die überragenden Ergebnisse seiner
Steuerungsqualität, sondern das Paket aus Steuerungseffektivität
und politischer Kommunizierbarkeit vermag dabei zu überzeugen.
72
20 Eine Mehrheit der Hochqualifizierten, denen nach § 19 des neuen Aufenthaltsgesetzes eine Niederlassungserlaubnis gewährt wurde, ist zudem nicht neu nach
Deutschland eingereist, sondern befand sich bereits im Land und ist lediglich von
einem anderen Aufenthaltstitel auf die neue Niederlassungserlaubnis umgestiegen.
Punktesysteme, Einwanderungsplanwirtschaft und marktwirtschaftliche Alternativen
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77
Prof. Dr. Rainer-Olaf Schultze
MultikulturalismusPolitik – „made in Canada“ *
1. Einleitung
Wir leben in einer zunehmend globalisierten, von Mobilität und Migrationen bestimmten multikulturellen Welt – in einer
Welt jenseits des Nationalstaates, in der regionale, politische und
ökonomische Zusammenschlüsse die gewohnten Strukturen
der Staatlichkeit verändern. Wir sind beispielsweise seit geraumer Zeit nicht mehr nur deutsche Staatsbürger, sondern ebenso
Bürger der Europäischen Union. Unser Alltag wird zunehmend
von europäischen Richtlinien und Gerichtsentscheidungen, von
Produktion und Handel, Arbeitsmarkt- und Standortfragen im
Binnenmarkt der Europäischen Union bestimmt. Die nordamerikanische Freihandelszone NAFTA, die Kanada, Mexiko und die
USA umfasst, bildet dazu zumindest auf wirtschaftlichem Gebiet
das nordamerikanische Pendant.
Wir leben zugleich in einer Welt, in der es nicht allein um
politische Integration, um wirtschaftliche Prosperität und um
soziale Gerechtigkeit, sondern auch und nicht zuletzt um kulturelle Integration, um die „Anerkennung des Anderen“ (Habermas
2005a) und damit um die Gestaltung des Verhältnisses zwischen
Mehrheits- und Minderheitskulturen, um die Akzeptanz alternativer Lebensstile und religiöser Überzeugungen geht, und zwar
vor Ort, in der Kommune wie auf einzelstaatlicher oder suprastaatlicher Ebene.
Zum Verständnis dieser und ähnlicher Integrationsfragen
vermögen die Erfahrungen des von Beginn an multikulturellen
und multinationalen Kanada ganz sicher einen wichtigen Beitrag
*
78
Bei dem Beitrag handelt es sich um die erweiterte Fassung des am 09.11.2006
präsentierten Vortrags. Nina Gerstenkorn und Miriam Hahn sei für ihre Hilfe bei
Vorbereitung und Ausarbeitung der Präsentation herzlich gedankt.
Multikulturalismus-Politik - „made in Canada“
zu leisten. Um Missverständnisse zu vermeiden, sind vorab indes
noch zwei Vorbemerkungen geboten.
Selbstverständlich kennt auch die kanadische Gesellschaft
Gewalt und militante Auseinandersetzungen. Auch Kanada hat
seine Erfahrungen mit dem nationalen Terrorismus, auch wenn
sie weit zurückliegen. Zum Beispiel im Jahre 1970 die Entführung
und Ermordung eines britischen Diplomaten und eines Ministers
der Quebecker Provinzregierung durch die marxistische und separatistische FLQ, der Front de Libération du Québec, was den damaligen Premierminister Pierre Elliott Trudeau zur Verhängung
des Ausnahmezustandes veranlasste.
Ebenso kennt die kanadische Gesellschaft militante Konfrontationen zwischen Gruppen der autochthonen First Nations
und der „Staatsmacht“ der Mehrheitsgesellschaft, etwa wenn die
Mehrheitsgesellschaft allzu offenkundig und rechtswidrig in die
traditionelle Lebensweise der Inuit und Indianer eingreift oder
deren Rechte mit Füßen tritt. Erinnert sei nur an die so genannte
„Oka-Krise“ des Jahres 1990, als nahe Montreal die weiße Mehrheitsgesellschaft auf einem heiligen Ort der Mohawk-Indianer
einen Golfplatz errichten wollte.
Dennoch – und insbesondere verglichen mit den Gewaltverhältnissen im Lande des US-amerikanischen Nachbarn – ist Kanada eine weit friedlichere, sogar im Grunde eine bis heute noch
immer friedliche Gesellschaft. Dies gilt für Grad und Ausmaß
der individuellen Gewaltkriminalität. Es gilt aber auch für die
ethno-kulturellen Konflikte. Dies ist zum einen die Konsequenz
eines – im Vergleich zur US-Gesellschaft – weit weniger individualistisch-liberalen und marktradikalen, sondern eines eher liberalkonservativen und auch etatistisch geprägten Wertesystems.
Motto und Grundverständnis der beiden Verfassungen drücken
dies aus. Die US-amerikanische Unabhängigkeitserklärung bekennt sich nicht von ungefähr als oberstem Ziel zu „Life, Liberty,
and the Pursuit of Happiness” eines jeden Bürgers. Das Motto der
kanadischen Verfassung hingegen lautet bezeichnenderweise:
„Peace – Order and Good Government”.
79
Prof. Dr. Rainer-Olaf Schultze
Die weit friedlichere Existenz folgt zum zweiten aus einem
von Beginn an anderen Verständnis gesellschaftlicher und insbesondere ethno-kultureller Integration – was wiederum selbstverständlich nicht heißt, dass die Prozesse konfliktfrei waren bzw.
sind – aber sie gestalteten sich in der Vergangenheit eben doch im
großen Ganzen friedlich.
Damit bin ich dann auch schon beim Thema des Beitrages,
nämlich bei den Fragen: – Erstens: Wie gehen die Kanadier mit ihren multikulturellen Integrationsproblemen um? Und zweitens:
Was kann man aus den kanadischen Erfahrungen möglicherweise für die eigenen deutschen Integrationsprobleme lernen?
2. Kanadas ethnisches Mosaik im Wandel der Zeit
– Ein kursorischer Überblick
In Immigrationsgesellschaften und insbesondere in den
klassischen Einwanderungsgesellschaften der Moderne, zu denen neben den USA, Australien und den lateinamerikanischen
Ländern die kanadische Gesellschaft exemplarisch zählt, stellt
sich das Spannungsverhältnis zwischen individueller Integration
und der Wahrung und dem Fortbestand kollektiver Identitäten
auf besondere Weise dar. Ein kursorischer Überblick über die
Entwicklung des ethnischen kanadischen Mosaiks ist deshalb
angebracht.
„„ In Kanada, dem flächenmäßig nach Russland zweitgrößten Land der Erde, leben gegenwärtig knapp 33
Millionen Menschen, und zwar überwiegend in wenigen metropolitanen beziehungsweise großstädtischen
Regionen wie in den Regionen um Halifax, Montreal,
Ottawa, Toronto, Winnipeg, Edmonton/Calgary und
Vancouver.
„„ Das Land ist von Beginn an Immigrationsgesellschaft,
besiedelt während verschiedener und unterschiedlich
langer Einwanderungswellen. Im 20. Jahrhundert waren bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges deutlich
80
Multikulturalismus-Politik - „made in Canada“
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über 20 Prozent der Bevölkerung nicht im Lande geboren. Seit den 1950er Jahren sind es kontinuierlich zwischen 14 und 16 Prozent.
Im letzten Jahrzehnt lag die Zahl der Einwanderer jährlich bei zwischen 250.000 und 300.000, also bei knapp
einem Prozent der Bevölkerung. Dies entspricht einer
prozentual höheren Einwanderung nach Kanada als
beispielsweise in die USA und nach Australien.
Durch den Einwanderungscharakter hat sich die soziale
und kulturelle Struktur des Landes mehrfach grundlegend verändert, da push- und pull-Faktoren von Einund Auswanderung selbstverständlich unterschiedlichen Kontextbedingungen unterliegen. Wichtig
hervorzuheben ist in unserem Zusammenhang:
Die Ureinwohner hatten den amerikanischen Kontinent
mit einer großen Zahl von Kulturen viele Jahrtausende
lang allein bewohnt. Heute sind sie durch die neuzeitliche Einwanderung auf kleine, sehr multikulturelle
Gruppen und Minderheiten reduziert.
Die Founding Nations (Anglo- und Frankokanadier)
kamen seit dem 17. Jahrhundert ins Land – zunächst die
Franzosen, dann im Osten, am Atlantik, auch die Briten;
seit dem 18. Jahrhundert siedelten verstärkt britische
Kolonisten (Engländer, vor allem aber auch Schotten
und Iren), wobei in den Jahren unmittelbar nach dem
US-amerikanischen Unabhängigkeitskrieg einige Tausend als so genannte United Empire Loyalists auch aus
dem Süden, den damaligen USA, einwanderten.
Die britische Kolonialmacht versuchte zweimal – nach
1763 und ab 1840 – eine Politik der Assimilierung vis-àvis den Quebeckern durchzusetzen. Sie gab beide Versuche aber vergleichsweise schnell auf und erkannte die
rechtliche, die kulturell-religiöse, die kulturell-sprachliche und die religiös-schulische Eigenständigkeit der
81
Prof. Dr. Rainer-Olaf Schultze
„„
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82
frankophonen Quebecker an. Im Zuge der Staatsgründung garantierte der kanadische Föderalismus durch
den British North America Act, die kanadische Verfassung, seit 1867 die Existenz Quebecs und seiner Bevölkerung als kulturell, aber auch politisch (lange Zeit nicht
jedoch ökonomisch) frankophon dominierter Provinz.
Anglo- und Frankokanadier bildeten seither die beiden
zahlenmäßig, kulturell und politisch dominanten Gruppen Kanadas. Vor einem Jahrhundert stellten sie 90
Prozent der Bevölkerung, seitdem geht ihr Anteil kontinuierlich zurück.
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts waren die frankokanadischen Quebecker noch in der Mehrheit. Sie verloren
ihren Mehrheitsstatus um ca. 1850 aufgrund fehlender
Einwanderung aus Frankreich. Den Quebeckern blieb
allein la revanche des berceaux, die „Rache der Wiegen“.
Der Bevölkerungsanteil der Provinz an der kanadischen
Gesamtbevölkerung liegt heute bei knapp unter 25 Prozent.
Die (nicht-britischen oder nicht-französischen) europäischen Minderheiten kamen in zwei Wellen ins Land:
seit Ende des 19. Jahrhunderts zur Besiedlung des agrarischen Westens und nach dem Zweiten Weltkrieg –
unter den Bedingungen des industriewirtschaftlichen
Nachkriegsbooms der 1950er Jahre. Sie stellen heute ca.
ein Drittel der Kanadier.
Die so genannten visible minorities kamen verstärkt erst
nach dem grundlegend veränderten Einwanderungsrecht ab 1967 ins Land – ein Einwanderungsgesetz, das
„farben- und ethnien-blind“ ist und das auf Kriterien wie
Berufs- und Bildungsqualifikation, auf Alter, Sprache,
Familienzusammenführung und Asylgewährung ausgerichtet ist (vgl. Triadafilopoulos in diesem Band).
Multikulturalismus-Politik - „made in Canada“
Tabelle 1: Das ethnische Mosaik Kanadas
Darstellung verändert übernommen von Geißler (2003: 20).
a
gemäß Tabelle “Ethno-Cultural Portrait of Canada”: Topic- based Tabulations:
97F0010XCB2001044.
b
gemäß Tabelle “Ethno-Cultural Portrait of Canada”: Selected Ethnic Origins, for
Canada, 20% Sample Data.
Angaben ohne Klammern bei Europäischen Minderheiten / Founding Nations / First
Nations beruhen auf Selbsteinschätzung von insgesamt 18,3 Mio. Personen, die sich
nur einer ethnischen Gruppe zuordnen.
Angaben in Klammern beruhen auf Selbsteinschätzung von insgesamt 11,3 Mio. Personen mit Mehrfachnennungen bei der Zuordnung zu ethnischen Gruppen.
Quelle: www.statcan.ca, Datenbasis: Zensus 2001.
Tabelle 1 kombiniert Basisinformationen zur historischen,
demographischen und lebensweltlichen Dimension und informiert grob über den Beginn der Einwanderung der einzelnen
Ethnien und damit auch über die Dauer ihrer Existenz in der
kanadischen Gesellschaft; sie informiert auf der Basis der Selbstbezeichnung im Zensus von 2001 über die ethnischen Zuordnungen nach Hauptgruppen. Die Tabelle lässt damit Schlüsse über
83
Prof. Dr. Rainer-Olaf Schultze
die ethnisch-kulturelle Homogenität der kanadischen Familien,
aber auch über den hohen und weiter steigenden Anteil von so
genannten intermarriage-Familien zu. Allerdings wird man abwarten müssen, ob dies zukünftig in gleichem Maße wie für die
kulturell-heterogenen Familien europäischen Hintergrunds auch
für die Angehörigen der in großer Zahl erst seit den 1970er Jahren
eingewanderten visible-minority-Familien gelten wird.
Graphik 1: Die Herkunftsregionen der kanadischen Bevölkerung
Quelle: Canadian Heritage, Datenbasis: Zensus 2001.
Wie drastisch sich die Herkunft der Einwanderer, unterstützt durch die Reform der Gesetzgebung von 1967, in den letzten vierzig Jahren verändert hat, macht Graphik 1 ansatzweise
sichtbar. Waren vor 1961 über 90 Prozent der Einwanderer aus Europa ins Land gekommen, waren es in der Dekade zwischen 1971
und 1980 nur mehr 40 Prozent, in den beiden folgenden Dekaden
gerade mal noch knapp über bzw. unter 20 Prozent. Hingegen
immigrierten zwischen 1981 und 1990 rund 50 Prozent, zwischen
1991 und 2000 gar zwei Drittel aller Einwanderer allein aus Asien
nach Kanada. Mehr als zehn Prozent kamen in den letzten drei
Dekaden aus dem karibischen Raum und aus Lateinamerika.
84
Multikulturalismus-Politik - „made in Canada“
Graphik 2: Anteil der visible minorities an der Bevölkerung ausgewählter Großstadtregionen, 2001
Quelle: Canadian Heritage, Datenbasis: Zensus 2001.
Diese allgemeinen Zahlen sagen allerdings nichts über die
regionalen Verteilungen oder über die lokale Konzentration der
Zuwanderung im Allgemeinen, wie vor allem der visible minorities im Besonderen, aus. Denn die Einwanderer zieht es fast durchweg in die wenigen großstädtisch-metropolitanen Regionen
und insbesondere nach Metropolitan Toronto und Vancouver.
In beiden Städten gehören mittlerweile mehr als ein Drittel der
Bevölkerung den visible minorities an (vgl. Graphik 2). In Toronto
ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung weder in der Stadt noch im
Lande geboren.
Aus einer von den anglo- und frankophonen founding
groups gebildeten bi-nationalen Gesellschaft, die seit dem letzten
Drittel des 19. Jahrhunderts bis in die 1960er Jahre zum europäisch bestimmten kulturellen Mosaik ergänzt wurde, hat sich heute eine von bunter Vielfalt definierte multikulturelle Gesellschaft
85
Prof. Dr. Rainer-Olaf Schultze
entwickelt. In ihr spielen neben den Einwanderern aus Asien
zunehmend auch die Angehörigen der first nations eine bedeutsamere Rolle, die dabei ähnlich den frankophonen Quebeckern
ihre Forderungen nach Anerkennung ihrer tradierten Rechte und
nach Selbstregierung geltend machen.
3. Zur Philosophie und Politik des
Multikulturalismus
Die Politik des Multikulturalismus – 1971 von der liberalen
Bundesregierung unter Premierminister Pierre Elliot Trudeau
proklamiert, 1982 bzw. 1985 verfassungsrechtlich durch die
Grundrechtscharta abgesichert und 1988 von der konservativen
Bundesregierung unter Brian Mulroney weiterentwickelt – ist
die spezifisch kanadische Antwort auf eine doppelte Herausforderung: Sie ist zum einen die Integrationsantwort auf die multikulturelle Einwanderung, die – wie soeben gezeigt – seit dem
Zweiten Weltkrieg bestimmt ist durch Einwanderung zunächst
vor allem aus Europa, seit den 1970er Jahren vermehrt durch
Einwanderung der so genannten visible minorities. Zum zweiten
ist die Multikulturalismus-Politik der Ära Trudeau aber auch die
mindestens indirekte Antwort auf die Konsequenzen der Modernisierung der zuvor noch weithin traditionellen frankophonen
Quebecker Gesellschaft seit der so genannten „Stillen Revolution“
nach 1960 – mit ihren Forderungen nach politischer, ökonomischer und kultureller Gleichberechtigung der Quebecker und
ihrem anders gearteten Verständnis von Nation und kultureller
Integration (s.u.).
Die Antwort der liberalen Bundesregierungen unter Pearson und Trudeau zielte – wie die Einsetzung der Royal Commission on Bilingualism and Biculturalism zeigt – zunächst in eine
grundsätzlich andere Richtung: Ihre Philosophie war liberal und
individualistisch, nicht jedoch kommunitär, wie an anderer Stelle
– gemeinsam mit Dagmar Eberle und Wilfried von Bredow – ausgeführt:
86
Multikulturalismus-Politik - „made in Canada“
“As Will Kymlicka has noted, through the combination of
multiculturalism and bilingualism, the use of language is
dissociated from ‘the historical privileging of the interests
or lifestyles of the people descended from the historically
dominant groups’ (Kymlicka 1998: 57). This indicates the
broader theoretical approach underlying the articulation of that policy by the Trudeau government. Trudeau,
Canada’s version of a philosopher king, sought to bridge
the gap between anglophone and francophone Canadians
with a truly liberal, pan-Canadian vision centred on the
individual as a free and equal rights-bearing citizen. […]
Instead of according specific rights to French Canadians as
a collectivity, Trudeau’s concept of a bilingual country from
coast to coast defined language as an attribute of the individual. Francophones would be freed from their national
Québec ‘ghetto’, and both English- and French-speaking
Canadians would be able to ‘consider the whole of Canada
their country and field of endeavour’ (quoted in Weinrib
1999: 260). With language separated from ethnic and/ or
religious heritage, it would be the individual choice of each
citizen whether to identify with and to preserve select aspects of his or her heritage. […] The Charter of Rights and
Freedoms that came into force in 1982 was meant to codify
the values of individual liberty and self-fulfilment and to
serve as a unifying principle for the country. What Trudeau
aimed for was nothing less than a new mode of national
integration – neither assimilationist nor ideological, but
procedural. Canada would become a ‘procedural republic’,
held together by the commitment to a democratic regime
with its corresponding rights and practices” (von Bredow et
al. 2004: 173).
Gegen diese Zielsetzung setzten die Vertreter der europäischen Einwanderer-communities nicht nur die in Band 4 der
Commission on Bilingualism and Biculturalism nachgeschobene
87
Prof. Dr. Rainer-Olaf Schultze
Analyse des Beitrages der „Drittkanadier“ für die Gesamtgesellschaft durch, sondern im politischen Prozess auch die „Politik des
Multikulturalismus in einem zweisprachigen Rahmen“ (Royal
Commission on Bilingualism and Biculturalism 1969). Später
dann und im Kontext der Beratungen der Grundrechtscharta der
1980er Jahre führte dies zur Institutionalisierung von kollektiven,
kommunitären Grundrechten. Die ethnischen Gruppen setzten
dies zusammen mit der Frauenbewegung und den anderen neuen sozialen Bewegungen der Zeit durch. Im Ergebnis kam es also
nicht nur zur Einführung der offiziellen Zweisprachigkeit von
Küste zu Küste auf der Ebene der Bundespolitik und nicht nur zur
Garantie individueller Grundrechte, wie wir sie kennen, sondern
auch zur Einführung von kollektiven Gruppenrechten für Frauen,
Behinderte, für sprachliche und ethnische Minderheiten – mittlerweile auch für die Ureinwohner. Die Politik basiert dabei zusammenfassend auf den folgenden Grundsätzen:
„„ Prinzipielle Akzeptanz ethno-kultureller Verschiedenheit (diversity)
„„ Recht auf kulturelle Differenz
„„ Prinzip kultureller Gleichwertigkeit und gegenseitiger
Toleranz
„„ Einheit-in-Verschiedenheit (unity-within-diversity)
„„ Recht auf gleiche Chancen
„„ Prinzip des „aktiven Staates“ als Manager der Politik des
Multikulturalismus.
Der hier festgeschriebene Grundsatz einer aktiven Förderpolitik des Multikulturalismus als Staatsaufgabe ist in Zeiten des
neoliberalen Rückzugs des Staates umso bemerkenswerter, als er
sich nicht mehr als „aktiver“, sondern bestenfalls als „aktivierender Staat“ versteht und demnach handelt. In der Erläuterung des
Gesetzes von 1971 gingen Premierminister Pierre Elliot Trudeau
und die liberale Bundesregierung insbesondere von vier Feldern
staatlicher Unterstützung aus:
88
Multikulturalismus-Politik - „made in Canada“
1. ”[…] the government will seek to assist all Canadian cultural groups that have demonstrated a desire and effort
to continue to develop a capacity to grow and contribute to Canada […]”
2. “[…] the government will assist members of all cultural
groups to overcome cultural barriers to full participation in Canadian society […]”
3. “[…] the government will promote creative encounters
and interchange among all Canadian cultural groups in
the interest of national unity […]”
4. “[…] the government will continue to assist immigrants
to acquire at least one of Canada’s official languages in
order to become full participants in Canadian society“.1
Konkret stand während der ersten Phase der Multikulturalismus-Politik des Bundes die Förderung des kulturellen Erbes
der ethnischen Gruppen im Mittelpunkt. Pointiert formuliert:
Gefördert wurden Sprache, Konfession und Folklore. Seit den späten 1980er Jahren und als Reflex auf die Einwanderung der visible
minorities sind die Anti-Diskriminierungsaspekte ins Zentrum der
Multikulturalismus-Politik gerückt. Ihr Hauptziel besteht heute
darin, mittels eines aktiven Staates die Integrationsbedingungen
insgesamt gerechter zu gestalten – durch symbolische Handlungen, durch affirmative-action-Programme in privaten wie öffentlichen Institutionen. Ich nenne in diesem Zusammenhang nur den
so genannten Turban-Polizisten und verweise auf die Vergabe von
herausgehobenen öffentlichen Ämtern, die schon seit den 1980er
Jahren nicht mehr nur wie in der Vergangenheit abwechselnd
von Anglo- und Frankokanadiern besetzt werden. Sie werden
mittlerweile unter sehr viel differenzierteren, ethnisch-kulturellen Gesichtspunkten vergeben. Die Auswahl ist inzwischen – wie
das herausgehobene Beispiel der kanadischen Generalgouverneure zeigt – durchaus kommunitär bestimmt.
1
Canada, House of Commons, Debates, October 8, 1971, S. 8545.
89
Prof. Dr. Rainer-Olaf Schultze
Tabelle 2: Kanadische Generalgouverneure seit 1979
Formal erfolgt die Einsetzung des amtierenden Staatsoberhauptes durch die britische Monarchin Elizabeth II., die faktisch
aber an den Vorschlag des kanadischen Premierministers gebunden ist. Die Wahl fällt zwar abwechselnd auf Anglo- und Frankokanadier, zugleich stellt jedoch die ethnisch-kulturelle Vielfalt
ein wichtiges Auswahlkriterium dar, das es möglichst zu berücksichtigen gilt. Zudem waren drei der sechs Amtsinhaber seit 1979
Frauen. Die Besetzung dieses Amtes, wie auch vieler anderer öffentlicher Ämter, entspricht damit zum einen dem pluralistischkommunitären Grundverständnis. Zum anderen reflektiert sie
weiterhin den besonderen Anspruch der beiden founding nations
von Anglo- und Frankokanadiern.
4. Multikulturalismus – Binationalität: ein
Spannungsverhältnis. Versuch einer kritischen
Einordnung
Die Multikulturalismus-Politik des Bundes ist in Quebec,
und zwar nicht nur bei den frankokanadischen Nationalisten
und Independisten, von Beginn an auf Skepsis und Ablehnung
gestoßen. Dies hängt ganz offensichtlich mit den verschiedenen
Integrationsverständnissen im anglo- und frankophonen Kanada
zusammen. Sie können auf den Begriff gebracht werden mit der
Gegenüberstellung von (kanadischem) Multikulturalismus versus
(Quebecker) société distincte – beziehungsweise dem abstrakte-
90
Multikulturalismus-Politik - „made in Canada“
ren Begriff der deep diversity. Zwar handelt es sich bei beiden um
grundsätzliche Alternativen zum melting-pot-Modell des US-amerikanischen Nachbarn oder gar zu Assimilierungsstrategien, doch
unterscheiden sich das anglokanadische und frankoquebecker
Integrationsverständnis in Anspruch und Ziel wesentlich:
Der Multikulturalismus zielt auf die Bewahrung der ethnokulturellen Identität der ethnischen Gruppen – also auf die Bewahrung von Sprache, Konfession, Traditionen, Vereinen etc. Der
Multikulturalismus stellt darüber hinaus aber keine Ansprüche
auf politische Autonomie und/oder auf nationale Selbstbestimmung.
Die Quebecker sehen dies grundsätzlich anders: Sie sehen
sich selbst als société distincte, als eine vom anglophonen Kanada
wesentlich unterschiedene Gesellschaft – mit einer eigenen Geschichte und nationalen Traditionen, mit einer eigenen Kultur
und Sprache etc. Oder sie gehen mit der analytischen Begrifflichkeit des anglophonen Quebecker politischen Philosophen Charles
Taylor (einem, wenn nicht gegenwärtig dem Hauptvertreter des
politikphilosophischen Kommunitarismus) von der deep diversity
der beiden founding nations und/oder charter groups der kanadischen Gesamtgesellschaft aus. Die Konzepte der société distincte
bzw. der deep diversity zielen folglich über die Bewahrung ethnokultureller Gruppenidentitäten hinaus: Es geht um politische
Autonomie, ja um nationale Selbstbestimmung.
Das Konzept der deep diversity behauptet und rechtfertigt
insofern unterschiedliche Geltungsansprüche ethnisch-kultureller Gruppierungen – je nachdem wie tiefgreifend durch Geschichte, Kultur, Sprache, Tradition etc. die shared understandings (Taylor
2000), der gemeinsame Wertehorizont und die gesellschaftlichen
Strukturen sind, in die man als Individuum hineingeboren worden ist. Was für die frankophonen Quebecker als Anspruch formuliert wird, gilt – in Parenthese formuliert – selbstverständlich
auch für die autochthonen first nations. Das Taylorsche Konzept
der deep diversity unterstellt folglich, dass es neben einem poli-
91
Prof. Dr. Rainer-Olaf Schultze
tischen Verfassungspatriotismus weiterer identitätsstiftender
Elemente bedarf sowie eines kulturellen Rahmens, der die Gesellschaft zusammenhält, der die Einheit in der Vielfalt garantiert
und folglich die besonderen Ansprüche, etwa die Sprachen- und
Schulpolitik Quebecs rechtfertigt.
Bekanntlich ist die Provinz Quebec offiziell einsprachig
französisch. Dies gilt nicht nur für den politischen und öffentlichrechtlichen Raum, sondern auch für Handel und Wirtschaft. Die
allophonen Eltern der Provinz müssen ihre Kinder in französischsprachige Schulen schicken. Damit haben Immigranten, die aus
der nicht französisch-sprachigen Welt nach Quebec einwandern,
keine Wahlfreiheit, was die erste Schulsprache ihrer Kinder betrifft. Die Situation unterscheidet sich außerhalb Quebecs grundsätzlich nicht. Denn dort ist das Englische ähnlich privilegiert,
sieht man beispielsweise von den so genannten französischen
immersion schools und ähnlichen Sprachprogrammen ab, wie sie
durch die Zweisprachigkeits-Politik des Bundes finanziell gefördert und ermöglicht werden.
Grundsätzlich jedoch – und jenseits derartiger Besonderheiten wie der immersion schools – gilt, dass die Mehrheit der Quebecker den Multikulturalismus mit der Binationalität, also dem
besonderen Status der beiden charter groups oder Gründungsnationen, als unvereinbar ansieht. Als Antwort auf die Multikulturalismus-Politik des Bundes hat Québec – was nicht verwundert
– eine alternative Integrationspolitik zu verfolgen versucht: die
Politik des interculturalisme. Hierbei wird die Akzeptanz und Integration von Einwanderern nach Quebec gefördert, allerdings
unter dem Supremat der französischen Sprache.
Welche weiteren identitätsstiftenden Elemente neben
der Sprache die shared understandings in konkreten Situationen
ausmachen, sei hier nicht weiter erörtert. Am Beispiel der historischen Erfahrung Quebecs sei jedoch auf zweierlei hingewiesen:
Religiöse Überzeugungssysteme können ganz sicher ein solches
weiteres Element der shared understandings ausmachen. Zweitens
sind die konkreten identitätsstiftenden Elemente ganz bestimmt
92
Multikulturalismus-Politik - „made in Canada“
kontextabhängig. Sie können und werden sich unterscheiden
und im historischen Prozess zudem wandeln. So hat im frankophonen Quebec seit der Säkularisierung des alltäglichen Lebens,
während der „Stillen Revolution“ nach 1960, die Sprache das
religiös-katholische Überzeugungssystem als primären Identitätsfaktor abgelöst.
Ob man für die shared understandings, ihre identitätsstiftende Bedeutung wie ihre gesellschaftliche Integrationsfunktion,
im Deutschen den sicherlich ideologisch belasteten Begriff der
„Leitkultur“ verwendet, sei hier dahin gestellt.
Die Kritik an der Politik des Multikulturalismus macht sich
jedoch keineswegs nur an dem geschilderten Spannungsverhältnis zwischen „Leitkultur“ und kulturellem Pluralismus fest. Die
insbesondere auch im anglophonen Kanada formulierte Kritik
gründet sich vielmehr auf eine Reihe von Punkten und verweist
u.a. auf:
a) Die Gefahr von Ghettobildung und der Entstehung
eines „Vertikalen Mosaiks“
Sie wird von Autoren verschiedenster Provenienz beschworen, wie etwa auch von Neil Bissoondaath, selbst Angehöriger
einer visible minority. Solche Kritiker verweisen auf die Gefahr,
sich nicht in der gesamten Gesellschaft sozial und auch kulturell
bewähren zu können; sie beklagen die Tendenzen einer Reduktion auf die eigene Ethnie, die der Politik des Multikulturalismus
immanent sei. Sie thematisieren die offenkundige Gefahr der
Herstellung und Aufrechterhaltung der sozialen und ökonomischen Ungleichstrukturen zwischen wie innerhalb den Subkulturen. Solche Kritiken knüpfen insofern an die klassische Studie
des kanadischen Soziologen John Porter an, der bereits 1965, in
bewusster Abwandlung der kanadischen Selbstdefinition vom
Canadian mosaic, Kanada als ethnisch-kulturelles vertical mosaic
mit ethnischer Stratifizierung und Hierarchisierung gesehen
hat (Porter 1977). Tatsächlich ist der Multikulturalismus in dieser
Hinsicht durchaus janusköpfig: Er mag den ethnisch-kulturellen
93
Prof. Dr. Rainer-Olaf Schultze
Gruppenstatus bewahren helfen; aber er steht auch in der Gefahr,
soziale Ungleichheiten zu zementieren.
b) Das widersprüchlich-prekäre Verhältnis von
individuellen zu kollektiven Grundrechten
Ein mindestens so wichtiger, zweiter Ansatzpunkt der
Kritik am Multikulturalismus thematisiert das durchaus prekäre
Verhältnis zwischen individuellen und kollektiven Grundrechten.
Die Kanadier leben spätestens seit den 1980er Jahren in und mit
diesem Spannungsverhältnis. Sie sind – formuliert man es plakativ – ein Vorreiter post-moderner patchwork-Gesellschaften und
Lebensstile. Unproblematisch sind dabei alle diejenigen kollektiven Rechte und Ansprüche, die aus individuellen Grundrechten
herleitbar sind. Beispielsweise kann man das Tragen des Turbans
oder auch des Kopftuches indirekt aus dem individuellen Grundrecht auf Religionsfreiheit ableiten, sofern die Religionsfreiheit
individuell für alle gilt und die gleichen Rechte anderer nicht
eingeschränkt werden. Dies gilt auch für Schutz und Unterstützung einer Reihe anderer Elemente kultureller Gruppenidentität,
denn – dem liberalen Verständnis folgend – sind Gruppenrechte
solange legitim, solange sie sich als „derivative Rechte“, aus den
kulturellen Rechten jedes einzelnen Gruppenmitgliedes abgeleitet, verstehen lassen.
In diesem Zusammenhang bedarf es allerdings notwendigerweise einer weiteren Überlegung im Blick auf Anspruch
und Gewährung kollektiver Grundrechte. Sie basiert auf den
typologischen Unterscheidungen des Kanadiers Will Kymlicka,
dem zusammen mit Charles Taylor gegenwärtig wohl besten
politikphilosophischen Kenner dieser Grundsatzfragen menschlichen Zusammenlebens unter den Bedingungen postnationaler
Konstellation. Kymlicka unterscheidet zwischen zwei Typen von
Gruppenrechten, nämlich zwischen solchen, die innen- und solchen, die außengeleitet sind. Folgt man dieser Unterscheidung,
dürften auch solche Gruppenrechte zu rechtfertigen sein, mit
denen sich Gruppen und deren Institutionen nach außen gegen
94
Multikulturalismus-Politik - „made in Canada“
Pressionen von Seiten ihrer gesellschaftlichen Umwelt schützen.
Nach innen gerichtet und bezogen auf die eigenen Gruppenmitglieder sind die Dinge indes hoch problematisch, droht doch der
Verlust individueller Grundrechte. Die Frauen in traditionalen
Gesellschaften und in multikulturellen Subgruppen, die Frauen
der autochthonen Bevölkerungen in Kanada, die muslimischen
jungen Frauen hierzulande kennen diesen Zusammenhang aus
leidvoller Erfahrung zur Genüge. Nach innen gerichtet wohnt solchen kollektiven Rechten – wie Jürgen Habermas (2005b: 312) dies
jüngst formuliert hat – durchaus „ein Potential gruppeninterner
Unterdrückung inne“. Dies wird umso problematischer, je mehr
die Ansprüche nicht oder nicht mehr diskursiv begründet werden, denn in der modernen rechtstaatlichen Demokratie kann die
Existenz und Reproduktion der Kulturen wie ihrer Gemeinschaften immer nur ermöglicht, nicht aber der „Artenschutz“ (Habermas in Taylor 1993b: passim) garantiert werden.
5. Resümee
Bleibt abschließend noch die Frage, ob und, wenn ja, was
man aus den kanadischen Integrationserfahrungen – so labil,
aber doch erfolgreich sie in der Vergangenheit waren – lernen
kann? Zu warnen ist zunächst vor einer unkritischen Übertragung von Erfahrungen in andere gesellschaftliche und kulturelle
Kontexte. Und dennoch wird man vier Schlussfolgerungen von
allgemeinerer Bedeutung ziehen können:
Erstens: Multikulturalismus und kulturelle Segregation
schließen sich in einer sich globalisierenden Welt aus. In der „reflexiven, zweiten Moderne“ – um die Terminologie des britischen
Soziologen Anthony Giddens und seines deutschen Kollegen Ulrich Beck aufzugreifen (Giddens 1999; Beck 2002; 2004; Beck et al.
2003) – sind individuelle wie kommunitäre Identität nicht mehr
selbstverständlich; wie gesagt „Artenschutz“ kann es nicht geben.
Individuum und Gemeinschaft müssen ihre Identität selbst aktiv
herstellen, aufrechterhalten, vor allem aber im Kontakt mit den
anderen Gemeinschaften und gesamtgesellschaftlich beständig
95
Prof. Dr. Rainer-Olaf Schultze
darstellen und rechtfertigen. Oder wie Anthony Giddens (1994: 83)
es formuliert hat: „In the context of a globalizing, cosmopolitan
order, traditions are constantly brought into contact with one another and forced to declare themselves”. Dies kann nur im Rahmen
deliberativer Demokratie gelingen und setzt die „Anerkennung
des Anderen“ (Habermas 2005a), Toleranz und Minderheitenschutz voraus.
Zweitens: Toleranz ist nicht nur im Außenverhältnis der
kulturellen communities gefordert, sondern es geht um Toleranz,
Minderheitenschutz und individuelle Grundrechtsgeltung gerade
auch im Innern der Gemeinschaften.
Drittens: Das Spannungsverhältnis zwischen den multikulturellen Geltungsansprüchen der Gruppen und den gesamtgesellschaftlichen shared unterstandings (Taylor 2000) – ob man sie
nun Leitkultur nennt oder nicht – ist nicht einseitig aufhebbar. Es
bedarf vielmehr beider Aspekte: gemeinsamer kultureller Überzeugungen in den jeweiligen multikulturellen communities wie
auch der übergreifenden politischen und sozio-kulturellen Gemeinsamkeiten, die die postmoderne Gesamtgesellschaft zusammenhalten.
Viertens: Eine Möglichkeit, um dieses Dilemma dauerhaft erfolgreich bearbeiten zu können, dürfte – in Anlehnung
an Michael Walzer und seine politikphilosophische Theorie der
„Sphären der Gerechtigkeit“ (Walzer 1992) – in einer sphärenspezifischen Differenzierung liegen – mit, wie in Kanada, gemeinschaftsübergreifenden Sphären in Bildung, Ökonomie und
Politik. Der Integrationserfolg des pluralistischen, kanadischen
Gesellschaftsmodells beruht jedenfalls bislang genau darauf – auf
einem Multikulturalismus in einer binationalen, anglo- und frankophonen, nordamerikanischen Welt.
96
Multikulturalismus-Politik - „made in Canada“
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100
Dr. Michael Griesbeck
Integrationsförderung
in Deutschland
1. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
als Amt für Integration
Integration als Querschnittaufgabe erfordert Koordinierung und Überwindung von Fragmentierung. Notwendig ist eine
ganzheitliche Betrachtung von Integration. Durch die Errichtung
der Abteilung „Integration“ beim Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge 2002 und die Zuweisung von Aufgaben, die bislang
bei verschiedenen Ministerien und Behörden lagen, wurde auf
Bundesseite die bestehende Fragmentierung, das Nebeneinander
von Integrationsmaßnahmen teilweise aufgehoben und dem
Bündelungsgedanken Rechnung getragen.
Durch das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz sind weitere Verbesserungen eingetreten. Es gibt
seither Integrationskurse mit festen Standards und Zielen und
der Möglichkeit der Verpflichtung. Ausländersozialberatung und
Aussiedlersozialberatung wurden zu einer einheitlichen Migrationserstberatung weiterentwickelt. Das Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge erstellt ein bundesweites Integrationsprogramm,
in dem die bestehenden Angebote festgestellt und Empfehlungen
zur Weiterentwicklung vorgelegt werden.
2. Die Integrationskurse als Grundangebot des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
Der wichtigste Integrationsfaktor ist die Sprache. Sprache
ist der Schlüssel zur Integration. Sprache ermöglicht Kommunikation und auch berufliches Vorankommen. Der Bund stellt
gegenwärtig (Ende 2006) mit 600 Stunden Sprachunterricht und
30 Stunden Vermittlung von Recht, Kultur und Geschichte (Orien-
101
Dr. Michael Griesbeck
tierungskurs) ein Grundangebot bereit, das vor allem für Neuzuwanderer vorgesehen ist, aber auch bereits länger hier lebenden
Ausländern zur Verfügung steht. Die Vermittlung von Recht, Kultur und Geschichte soll helfen, sich im neuen gesellschaftlichen
Umfeld schneller zurechtzufinden und Partizipation zu ermöglichen, um so die Möglichkeiten des Vorankommens zu steigern.
Zudem soll sie zu einer Identifikation mit dem demokratischen
Rechtsstaat beitragen. Neuzuwanderer müssen in dieser Gesellschaft ankommen, nicht nur hier leben. Sowohl Neuzuwanderer
als auch schon länger in Deutschland lebende Ausländer können
z.B. bei besonderem Integrationsbedarf von der Ausländerbehörde auch zu den Kursen verpflichtet werden. Die Möglichkeit der
Verpflichtung verdeutlicht, dass Integration ein wechselseitiger
Prozess ist, bei dem auch die Migranten gefordert werden.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat zusammen mit Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis eine Konzeption
mit Standards, Inhalten und Zielen entwickelt. Das Konzept sieht
Module und Standards vor, eine Zertifizierung von Schulen und
Dozenten zur Qualitätssicherung, und vor allem Ziele: die Stufe A
2 des Europäischen Referenzrahmens nach 300 Stunden und die
Stufe B1, das Minimum für berufliche Integration, nach 600 Stunden.
Auch ein kostenfreier Test ist Bestandteil des Angebots,
dessen Bestehen nicht nur zu positiven gesetzlichen Folgen bei
der Aufenthaltsgewährung und Einbürgerung führt, sondern
der auch Nachweis über vorhandene Sprachkenntnisse für einen
potenziellen Arbeitgeber sein kann und damit auch die berufliche Integration erleichtert. Das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge hat über 2.000 Kursträger mit bundesweit ca. 6.000
Kursstätten zugelassen. Für die Zulassung von Ausländern, die
schon länger hier leben und sich für einen Kurs melden, ist das
Bundesamt originär zuständig.
Bereits im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes wurde deutlich: Die zum 1. Januar 2005 eingeführ-
102
Integrationsförderung in Deuschland
ten Maßnahmen zur Integration von Migrantinnen und Migranten greifen und zeigen beachtliche Erfolge.
Über 225.000 Personen haben die angebotene Chance
bereits wahrgenommen und besuchten 2005 und 2006 (BAMF
2006; 2007) einen von über 15.000 Integrationskursen im Bundesgebiet, die vom Bundesamt und seinen Regionalkoordinatoren
in den Migrationsaußenstellen auf den Weg gebracht wurden.
Insgesamt haben 2005 und 2006 mehr als 340.000 Personen die
Möglichkeit erhalten, an einem Integrationskurs teilzunehmen.
Darunter sind über 150.000 Migranten, die bereits länger in
Deutschland leben und vom Bundesamt eine Zulassung zum Integrationskurs erhalten haben; weitere ca. 35.000 Personen wurden von den Ausländerbehörden zur Teilnahme verpflichtet. Von
den neu Zugewanderten haben über 110.000 eine Berechtigung
zur Teilnahme erhalten, darunter 54.000 Personen, die von den
Ausländerbehörden zur Teilnahme verpflichtet wurden. Hinzu
kommen rund 37.000 Spätaussiedler.
Zwei Tendenzen sind besonders hervorzuheben:
Erstens: Gerade Ausländerinnen und Ausländer, die schon
viele Jahre in Deutschland leben, zeigen großes Interesse an
den Kursen. Von den rund 150.000 schon länger in Deutschland
lebenden Ausländern, die 2005 und 2006 eine Zulassung zum
Integrationskurs erhalten haben, besuchen ca. 75 Prozent einen
Integrationskurs.
Zweitens: Integrationskurse erreichen insbesondere
die wichtige Zielgruppe der Frauen. Der Anteil der weiblichen
Integrationskursteilnehmer beträgt rund 60 Prozent. Frauen,
insbesondere Mütter, sind eine wichtige Zielgruppe der Integrationsbemühungen. Denn Mütter können ganz erheblich zum
Integrationsprozess ihrer Kinder beitragen. Wenn sie sich selbst
auf Deutsch verständigen können und die Vorteile ihrer Sprachkenntnisse erleben, sind sie auch eher bereit, ihren Nachwuchs
zum Erlernen der deutschen Sprache zu motivieren und ihn bei
der schulischen Qualifikation und der Berufsausbildung zu unter-
103
Dr. Michael Griesbeck
stützen und zu begleiten. Viele Frauen können jedoch aus religiösen oder kulturellen Gründen nicht am allgemeinen Integrationskurs teilnehmen. Dieser Erkenntnis wurde Rechnung getragen,
indem spezielle Kurse für sie eingerichtet wurden, die auch inhaltlich mehr auf die spezifischen Belange der Frauen eingehen.
Spezielle Kurse gibt es auch für die Zielgruppe der jugendlichen Zuwanderer, die in den Kursen insbesondere auf ihren späteren beruflichen Lebensweg vorbereitet werden sollen, sowie für
die Zielgruppe der Analphabeten.
3. Die Bedeutung der Verzahnung von
Angeboten
Sprache ist wichtig – aber Sprache ist nicht alles und der
Besuch eines Integrationskurses bedeutet noch keine Integration.
Dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist wichtig, dass
Angebote der verschiedenen Integrationsbereiche – etwa der
Bildung oder des Berufs – miteinander verzahnt werden: Es gibt
viele gute Maßnahmen, die jedoch bislang isoliert nebeneinander
standen.
Wir wollen, dass es zum Integrationskurs eine „Integrationskursumgebung“ gibt, indem die Kurse mit weiteren Angeboten, Projekten, Maßnahmen verzahnt werden. Hier denken wir
insbesondere an Angebote, die in die berufliche Integration hineinführen, an Angebote, die Migranten ermöglichen, die erworbene Sprachkompetenz auch anzuwenden, z.B. in Sportvereinen,
in denen die Begegnung zwischen Deutschen und Ausländern
gefördert wird. Parallel zum erfolgreichen Start der Integrationskurse hat das Bundesamt daher die Initiative ergriffen und in
Kooperation mit Akteuren der Integrationsförderung vor allem in
den Bereichen Bildung, Berufsförderung und Sprachverfestigung
ergänzende Maßnahmen angeregt. Diese mit dem Integrationskurs verzahnten Angebote sollen Zuwanderer im Sinne einer individuellen und bedarfsgerechten Förderung bei der Fortsetzung
ihres Eingliederungsprozesses unterstützen. Modellprojekte, die
den Integrationskurs als Einstiegsangebot, beispielsweise mit
104
Integrationsförderung in Deuschland
Maßnahmen zur Erlangung eines Hauptschulabschlusses oder
einer speziellen beruflichen Qualifizierung, verknüpfen, haben
bereits begonnen oder stehen kurz vor dem Start. Vor allem hinsichtlich der Zielgruppen Jugendliche und Frauen arbeitet das
Bundesamt an Konzepten, die eine systematische Ergänzung des
Integrationskurses ermöglichen. Gerade hier geht es darum, Angebote von unterschiedlichsten Trägern wie der Bundesanstalt
für Arbeit, der ARGEn (Arbeitsgemeinschaften), Länder, Kommunen und auch EU-finanzierte Maßnahmen zu verbinden, um Synergieeffekte zu erreichen.
Eine entscheidende Bedeutung kommt in diesem System
auch der Migrationserstberatung zu, die in ihrer unterstützenden und begleitenden Funktion als Vermittler der verschiedenen
Integrationsangebote fungiert. Sie soll den Integrationsprozess
bei Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderern gezielt initiieren,
steuern und begleiten. Die individuelle und bedarfsgerechte Ausrichtung des Beratungsangebotes steht dabei im Vordergrund:
So soll eine an den jeweiligen Ressourcen der bzw. des Einzelnen
ausgerichtete Beratung einen substanziellen Beitrag dazu leisten,
die Zuwanderinnen und Zuwanderer zu selbstständigem Handeln in allen Bereichen des täglichen Lebens zu befähigen.
Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die bundesgeförderte
Migrationsberatung bereits 2005 in Abstimmung zwischen dem
Bundesministerium des Innern und dem Bundesministerium für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend inhaltlich und strukturell
neu ausgerichtet. Auf der Grundlage einer von Bundesinnenministerium und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
entwickelten Neukonzeption wurde eine Migrationserstberatung
für alle erwachsenen Neuzuwanderer eingerichtet. Daneben
bleiben die Jugendmigrationsdienste als spezielles Beratungsangebot für alle jugendlichen und jungen erwachsenen Migrantinnen und Migranten in Zuständigkeit des Bundesministeriums für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend bestehen. Durch die enge
Kooperation beider Ressorts wird ein optimaler Einsatz der zur
Verfügung stehenden Ressourcen sichergestellt.
105
Dr. Michael Griesbeck
4. Das bundesweite Integrationsprogramm
Das in § 45 Aufenthaltsgesetz festgeschriebene bundesweite Integrationsprogramm verfolgt den Zweck, die bestehenden Integrationsangebote von Bund, Ländern, Kommunen
und privaten Trägern festzustellen und Empfehlungen zu ihrer
Weiterentwicklung vorzulegen. Das Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge ist vom Bundesministerium des Innern mit der
Konzeption des Integrationsprogramms beauftragt worden und
initiiert und moderiert diesen Prozess. Das bundesweite Integrationsprogramm hat zum Ziel, die Integrationsarbeit in Deutschland dauerhaft zu begleiten und Themen in einem langfristigen,
praxis- und umsetzungsorientierten Qualitätsentwicklungsprozess kontinuierlich und praxisnah zu bearbeiten. Dies stellt sicher,
dass künftig alle zentralen staatlichen und nicht-staatlichen
Akteure der Integrationsförderung in deren Weiterentwicklung
eingebunden sind.
Im Rahmen seiner Konzeptkompetenz wird sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit den Handlungsfeldern
Sprachförderung, Bildung, berufliche Integration und gesellschaftliche Integration befassen. In allen Handlungsfeldern sollen in Kooperation mit den zentralen Akteuren der Integrationsförderung Optimierungsbedarfe identifiziert, praxisorientierte
Ziele definiert und Umsetzungsstrategien entwickelt werden.
Darüber hinaus wird eine Reihe von Querschnittsthemen wie
interkulturelle Öffnung, Evaluation, Qualitäts- und Nachhaltigkeitssicherung, Vernetzung, Statistik sowie Förderung des bürgerschaftlichen Engagements von und mit Migranten und Migrantinnen berücksichtigt. Das Integrationsprogramm ist also kein
statisches Konzept, sondern ein dynamischer, offener Prozess, der
die Integrationsarbeit in Deutschland durch die Kooperation aller
Akteure nachhaltig gestalten und langfristig fördern will.
Ziel der gemeinsamen Vorgehensweise der Beteiligten
soll sein, ein Handlungsprogramm zu entwickeln, das den umfassenden Rahmen für eine problem- und zielgruppenadäquate,
bedarfsorientierte und nachhaltige Integrationsförderung bie-
106
Integrationsförderung in Deuschland
tet. Begonnen haben die Arbeiten zum bundesweiten Integrationsprogramm mit dem Handlungsfeld Sprachförderung. Eine
Vielzahl staatlicher und nicht-staatlicher Akteure arbeitet in
unterschiedlichen Arbeitsgruppen an Empfehlungen und Umsetzungsstrategien für Themen wie frühkindliche Sprachförderung,
Sprachförderung in der Schule sowie am Übergang in die Berufsausbildung oder auch an der Evaluation von Sprachförderung.
Ein zweiter Schwerpunkt wird 2007 mit dem Bereich der beruflichen Integration aufgegriffen.
5. Interkulturelle Kompetenz
Integration kann mit den Mitteln der Politik und des Rechts
immer nur begleitet werden; die eigentliche Integrationsleistung
ist von der Gesellschaft selbst zu erbringen. Deutsche und Zuwanderer müssen deshalb offener als bisher aufeinander zugehen
und versuchen, mehr voneinander zu erfahren.
Um den Dialog konstruktiv zu gestalten, ist interkulturelle
Kompetenz auf beiden Seiten notwendig. Für eine erfolgreiche
Integration ist auch zu beachten, dass Zuwanderer ihre eigene
kulturelle und religiöse Identität haben und pflegen wollen – und
in den Grenzen unseres Rechts und unserer Verfassung auch
pflegen können. Das setzt voraus, dass die Aufnahmegesellschaft
um die religiösen und kulturellen Eigenheiten weiß, ebenso wie
Zuwanderinnen und Zuwanderer unsere Gesetze und Regeln des
Zusammenlebens verstehen sollen. Dazu bedarf es interkultureller Kompetenz auf beiden Seiten, die z.B. durch Fortbildung oder
die Einbeziehung von Modulen zur interkulturellen Kompetenz
in die Ausbildung gefördert werden muss. Die Vermittlung interkultureller Kompetenzen sollte dabei auf allen Ebenen ansetzen,
insbesondere dort, wo Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen häufig
in Kontakt mit Migranten und Migrantinnen kommen, aber auch
auf der Führungsebene. Eine verstärkte interkulturelle Öffnung
der Verwaltung ist ebenfalls notwendig und für beide Seiten
nützlich. Ein intensiverer Dialog mit Migrantenorganisationen
ermöglicht es, die Arbeit der Verwaltung zielgruppengerechter
107
Dr. Michael Griesbeck
zu gestalten und integrationspolitische Umsetzungsspielräume
zu eröffnen, die der Verwaltung allein verschlossen bleiben würden. Als Dialogpartner von Politik und Verwaltung können sie
aber auch aufzeigen, wo in Politik und Verwaltung Missverständnisse herrschen und wo Handlungsbedarf besteht.
Sinnvoll ist auch das Einbeziehen von Migrantenvertretern
als externe Experten und Expertinnen zu integrationsspezifischen Themen – z.B. bei der Entwicklung neuer Konzepte zusammen mit den Betroffenen. Gemeinsam mit Migrantenselbstorganisationen kann z.B. auch verstärkt versucht werden, bei der
Ausbildungsplatzsuche zu helfen.
6. Der ressourcenorientierte Ansatz
Vielfach lag bislang bei der Integration der Fokus auf zu
behebenden Defiziten der Zuwanderinnen und Zuwanderer. Dieser Defizitansatz muss durch einen ressourcenorientierten Ansatz
ersetzt, zumindest aber um einen solchen ergänzt bzw. erweitert
werden.
Zuwanderinnen und Zuwanderer kommen mit Talenten
und Fähigkeiten zu uns – die offensichtlichste ist die Kenntnis
einer anderen Sprache und Kultur. Wenn sie Deutsch lernen, ist
die dann vorhandene Zweisprachigkeit für viele Arbeitgeber eine
wertvolle Ressource. Notwendig ist, dass die Zuwanderinnen und
Zuwanderer die Chance dazu bekommen, ihre Fähigkeiten unter
Beweis stellen zu können. Der persönliche Kontakt zwischen Zuwanderinnen und Zuwanderern sowie potenziellen Arbeitgebern
ist daher zu fördern. Vielfach wird ein potenzieller Arbeitgeber,
wenn er sich selbst von den Fähigkeiten überzeugen konnte, über
nicht perfekte Deutschkenntnisse hinwegsehen.
Oftmals haben die Zuwanderinnen und Zuwanderer eine
fundierte Berufsausbildung. Gut 70 Prozent der jüdischen Zuwanderinnen und Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
sind Akademikerinnen und Akademiker. Mehr als 200.000 nach
Deutschland zugewanderte akademisch gebildete Spätaussiedler sind hierfür ebenso als Beispiel zu benennen wie rund 10.000
108
Integrationsförderung in Deuschland
Unternehmer innerhalb derselben Zuwanderungsgruppe. Auch
von den Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern könnten viele
schneller in ihrem angestammten Beruf arbeiten, wenn ihre im
Herkunftsland erworbenen Diplome anerkannt würden.
Soweit für die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen Nachqualifikationen erforderlich sind, fehlt es oft an
entsprechenden Angeboten und Fördermöglichkeiten mit der
Konsequenz, dass betroffene Migrantinnen und Migranten häufig – wenn überhaupt – unter ihrem eigentlichen Qualifikationsniveau beschäftigt sind.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat zu dieser
Problematik zu einem Runden Tisch unter dem Titel „Potenziale erkennen, fördern und nutzen – Integration zugewanderter
Akademiker und Akademikerinnen“ eingeladen, an dem u.a. Vertreter von Migrantenselbstorganisationen, Bundesministerien,
Ländern, der Kultusministerkonferenz, der Otto-Benecke-Stiftung
und der Bundesagentur für Arbeit teilgenommen haben. Die Initiativen werden in Arbeitsgruppen vertieft werden.
7. Ergebnis
Integration kann nicht am „grünen Tisch“ von staatlichen
Stellen veranlasst werden. Integration ist vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der der Staat nur den Rahmen setzen kann. Eine wichtige Rolle spielen die Migranten selbst.
Ein bloßes Nebeneinander der Kulturen ist keine Integration. Wir brauchen ein Miteinander. Wir brauchen den Dialog zwischen der Aufnahmegesellschaft und den Zuwanderern. Dieser
setzt aber Wissen voraus. Wissen über andere Kulturen und Religionen. Wissen über Staat und Gesellschaft in Deutschland. Die
Vermittlung interkultureller Kompetenz wird eine der großen
Aufgaben für eine erfolgreiche Integration sein.
109
Dr. Michael Griesbeck
Literatur
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2006): Integrationskurse – Jahresbilanz 2005, Nürnberg, Online: http://
www.bamf.de/
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2007): Integrationskurse – Jahresbilanz 2006, Nürnberg, Online: http://
www.bamf.de/
110
Prof. Yvonne Hébert PhD
Youth in Plural Cities A Canada-France
Comparison: Policy Issues
and Development
Abstract: Comparing youth of ethnocultural minority
contexts in Canada and France, this paper addresses four issues:
youth’s view of themselves and their sense of community; youth’s
approaches to engagement; the impact of policy types and programmes; and new directions. The comparative analysis suggests
that the policies of each country impact differentially on youth
identifications and opportunities. Thus, the severity of poverty,
spatial segregation, economic disempowerment and political
disenfranchisement of youth varies in relation to policy contexts.
Discussion of issues involved in the development of an integrative
approach to multiculturalism and citizenship policy conclude the
chapter.
1. Introduction
Youth matter as citizens for their present and future contributions to their countries of residence and origin. It is for their
sake, as well as that of the globalised village, that a focus on youth
of ethnocultural background in minority contexts may contribute to the refinement of multicultural and citizenship policy and
practice. While broad surveys indicate that many teens are doing
well (Bibby 2001), there are nonetheless many indications that all
is not well for young people, especially for those of ethno-cultural
origins (van Wyck/Donaldson 2006). For example, in October
111
Prof. Yvonne Hébert PhD
2005, youth in the suburban margins of Paris strongly protested
their exclusion from mainstream French society, a protest that
spread to about 300 urban communities over an extended period.
In Canada, the recent arrest of 17 alleged terrorists in Toronto adds
to a perceived rise in gang-related crime and violence among
ethno-cultural youth in metropolitan areas. Symptomatic of deep
problems, these incidents raise serious questions about what citizenship, integration and social justice mean for youth of minority background for the comparison of two countries, France and
Canada.
What is meant by ‘youth’ and ‘child’ has changed over
time and in different historical contexts, contingent upon a wide
variety of factors and circumstances, cultural traditions and rituals, and historical variations (Hébert/Hartley 2006; Blackman
2005; Gauthier 2001). Within Western intellectual traditions,
two conceptions of young people dominate: an angelic one and
a demonizing one (Rooke/Schnell 1983). A third pervasive historical conception perceives children and youth as workers, consumers, and commodities. A fourth conception of youth as citizens
emerged with the UN Convention on the Rights of the Child
(1989), which acknowledges young people as meaning-makers
and acknowledge their citizenship (Howe/Covell 2001; Verhellen
2000). Containing civil, political, social, economic, and cultural
rights, the Convention demands a comprehensive and interactive
interpretation.
The lives of young people today are diverse and multifaceted, with a great richness of detail hidden behind imagined
conceptions (Hébert/Hartley 2006; Jover/Reyero 2000). Today,
unacknowledged conceptions of youth result in conflicting state
policies, positions and practices. When considering youth policy
challenges and opportunities, it is wise to retain the multiplicity and extension of conceptions of children and youth, for these
are central to the current debates (Schwartz et al. 2005; Bynner
2005; Gauthier 2001; Hollands 2001; Arnett 2000; Postman 1982).
112
Youth in Plural Cities - A Canada-France Comparison: Policy Issues and Development
By virtue of their professional responsibilities, policy makers and
practitioners in many fields are called upon to see beyond broad
social views of children and youth so as to support their strengths,
legitimacy, diversity and vitality.
2. Issues and Background to the Comparison:
Canada and France
In both countries, the increasing presence and claims of
pluralist populations are at the heart of public debates focussing
on the meanings of citizenship, integration, and pluralism. Four
issues inform the two-country comparison of the impact of policy
on young people and society:
„„ Youth’s view of themselves and their construction of a
sense of community and belonging to a particular ethno-cultural, regional or national group, or lack thereof;
„„ Young people’s creation of their own opportunities and
approaches to engagement;
„„ The types and effects of current cultural and citizenship
policies of integration; and
„„ New directions for integrative youth policy development.
Each issue is addressed in turn in one of the sections below,
drawing from governmental sources and research to inform a
synthetic review, without however seeking to be either exhaustive
or comprehensive.
Official multiculturalism is synonymous with Canada, a
federated state constituted of many peoples and groups. This
policy is anchored legislatively and constitutionally, alongside
official bilingualism, in 1971 and 1969 respectively (van Wyck/
Donaldson 2006). Canadian diversity includes Aboriginal peoples,
two official language communities – French and English, and a
long history of immigration. Immigrants of many backgrounds
have become integral to the social, economic and political fabric
and have shaped Canadian identity and consciousness. Immigration now accounts for more than half of Canada’s total population
113
Prof. Yvonne Hébert PhD
growth and for 70 % of the net growth of the labour market (Wayland 2006). Approximately one out of every five Canadians would
be visible minority in 2017, with new immigrants mostly from East
and South Asia, the Middle East and Africa (Bélanger/Malenfant
2005). Yet Canadian multiculturalism is critiqued as being a myth,
with recent visible immigrants experiencing more difficulties in
gaining recognition of their credentials and hence, employment,
than previous generations (RBC 2005). The paradox of multiculturalism lies in its ability to incorporate diversity but also to
neutralise dominance and legitimacy while anesthetising racism
and resistance (Bannerji 2000; Sefa Dei/Calliste 2000; Henry et al.
2006).
France is a republican nation-state, without a multiculturalism policy. The notion of citizenship, expressed as ‘nationalité’, is based on a universal understanding of ‘nation’ as state.
A second notion, ‘laïcité’ or secularism, reinforces nationality,
within its strongly integrative Republican model, promoted by
the educational system (Lagrée 2000). Yet discrimination is a longstanding issue for minorities from the former French colonies or
areas that were formerly under French influence, notably those
from the Maghreb and sub-Saharan Africa. France has been criticized for not recognizing itself as an immigrant-receiving country
and for rendering immigrants invisible and peripheral (Brinbaum
2004). Entry into the workforce as well as access to housing and
to educational opportunities, have all proven to be very difficult
for recent immigrants. The term, ‘multiculturalism’, fails to enter
the public debate on the changing nature of French society, and
is received with much reticence, such that it can hardly be spoken
without using stereotypes and clichés that simplify understanding (Lagrée 2000).
3. Youth Identifications, Sense of Community
and Belongings
Youth’s identifications, sense of community and collective
belongings are represented in creative, nuanced images in each
114
Youth in Plural Cities - A Canada-France Comparison: Policy Issues and Development
country. The Canadian research focuses on transcultural processes of identification, school completion which affects life chances,
on racial and spatial attachments, on the formation of social networks of immigrant youth, as well as young people’s changing
understandings of friendship. The French research recognizes
systemic racism, strains to hear young people’s voices, and struggles to find a way to cope legitimately with social cohesion in a
country that does not recognize its inherent plurality. Yet youth
in both countries experience negative outcomes from the lack of
access to the labour market (Anisef/Kilbride 2003), the marginalisation of youth and youth gangs, and insidious systemic racism.
Issues of equality of opportunity, equality of treatment and equality of outcome underscore complex diverse layered inclusions
and exclusions of youth in both societies.
Youth in Canada create themselves with layered practices
and understandings of their diverse identifications. Their emerging sense of community and negotiation of belongings provide
rich, nuanced portrayals, although somewhat mixed when placed
in juxtaposition with barriers to integration. Several themes
weave through this research: the impact of immigrant status,
gender, race, and discourse on completion rates at the secondary
level; struggles with racialized identifications, their changing
nature and everyday life; social relationships; the discourses of
adolescence; youth’s understandings of spatial attachments and
the meaning of friendship in the context of migrancy.
About half of the refugee youth in Alberta expect to complete high school and continue into post-secondary education,
while a third experience some difficulty and the rest, expect not to
finish (Wilkinson, 2002). In light of Alberta’s low 75 % high school
completion rate, these refugee youth are faring reasonably well.
Yet growing up Black is a challenge for youth in a Prairie City
where African Canadians are a slim percentage of the population
(Kelly 1998). They struggle with race, drawing strength and resilience from a range of sources of identity including community
115
Prof. Yvonne Hébert PhD
and popular culture. Relating to peers, maintaining friendships
and connections with people from the Black churches, is particularly important to cope with daily racial slurs. The youth hang out,
dance, settle disputes, use patois to distinguish themselves, and
return the gaze of others. They are deliberative in their difference,
as they come to understand themselves and others in an imperfect world.
In Toronto, youth situate themselves amidst symbols of
difference, globalisation, diaspora, and race at the intersection
of spatial practices and routes, ambivalence, and subjectivity
(Yon 2000). These youth create their identifications by exchanging relationships, modifying their discourses, cultural forms and
expressions. Relationships of belonging shift and are shaped by
racist practices that marginalize, alienate and brutalize. They engage complexities and incompleteness of everyday social life in a
globalised and globalising world (Yon 2000). Be it in a Toronto or
a Prairie City (Kelly 1998), female black youth learn to cope with
gossip and with double standards in inter-racial relationships.
Teenage girls in Toronto invest, deploy and experience the discourses of adolescence – storm, becoming, at-risk, social problem,
and pleasurable consumption – in relation to each other (Raby
2002).
A framework for new modes of being takes up notions of
transculturation (Hoerder et al. 2006; Hébert/Murji 2006; Hébert
et al. 2003); glocal spaces (Sicakkan 2005); locality (Appadurai
1996); and cultural flows (Hannerz 1987). Calgary youth’s relationships, attachments and belongings, social networks and cultural
flows occur in glocal spaces of possibility (Hébert 2006a, b). Such
youth draw themselves simultaneously in the present and in the
past, in different locales, near/distant, in two or more countries,
sometimes with an imaginary past/future return to the country
of origin or of passage. Their social networks ebb and flow over
time, with the number of friends increasing in the new country
and decreasing in countries of origin and passage. Transforming
116
Youth in Plural Cities - A Canada-France Comparison: Policy Issues and Development
their understanding of friendship, they represent their relationships, in horizontal networks of consensus and mutuality, and in
hierarchical networks of alternating dominance. The horizontal is
very frequent in the first two years of settlement, the hierarchical
ones dominate during a middle stage of integration (3-9 years in
country), with the horizontal one revealing a sense of equilibrium
after a decade or more in Canada (Hébert et al. 2003). Thus, youth
are deliberative in exploring possibilities of identifications and
belongings. Discourses are powerful in constructing potential for
agency and/or resistance among teenagers. Having multiple transcultural frames of reference is not unusual in Canadian contexts
given that youth integration is a vital long-term process of some
ten-to-fifteen years or more.
The integration of youth of immigrant origins in France
is a burning social policy issue as part of the citizenship debates
that rage in all pluralist democratic countries. Youth in France
have been rioting in the streets since 2002, with the social unrest
reaching critical proportions and receiving international attention three years later (Brouard/Tiberj 2005). Yet, the French government vaguely refers to the fiery riots as ‘la crise des banlieues’.
In the same suburbs, tensions were mounting in fall 2006, a year
after the tragic death of a young man by electrocution while fleeing the police. Generally, youth’s prospects are little improved in
spite of announced government measures.
The portrayal of youth at the time of ‘la crise des banlieues’
may be drawn on the basis of personal observations, journalistic
accounts, conversations with youth, and research. Parisian suburban youth compare the freeway ring around Paris to the Berlin
wall, and explain that residents within the perimeter, ‘les Parisiens’ dare not venture into the territory beyond, perceived to be
dangerous, and vice versa, the suburbanites have no geography of
the inside.1 Their geographic knowledge ends at the entry gates,
that is, where the subway lines cross ‘les portes’, which constitute
concrete symbols of spatial exclusion for these youth.
1
Personal observations and conversations with young people, Dirk Hoerder (U Bremen; Arizona State University), urbanist and historian, visiting scholar, teaching
at Paris VIII, e-mail dated 30/04/2006.
117
Prof. Yvonne Hébert PhD
The Parisian suburbs are enclaves mostly for social reasons (Vieillard-Baron 2001). A train and its gate can be a place
of rupture, keeping people out of the centre of the city, socially,
symbolically and in reality; yet these can also be places of passage
and access to mainstream society. ‘Les quartiers’ are enclaves,
given their isolation from the centre, their poor integration into
the mainstream, especially in terms of public transportation, and
other disadvantages. This places suburban youth in a process of
fragmentation, exacerbated by globalization, yet in networks,
linked instantly by the new communication technologies. Nonetheless, the inter-group differences are small, once the stories of
violence are not placed centre-stage (Brouard/Tiberj 2005). The
Maghrebins and their French counterparts are remarkably similar, in terms of social distance, shared values, and the negligible
influence of religion on attitudes. The two groups are somewhat
dissimilar, with the French of immigrant origins politically more
to the left, more attached to religion, more anti-Semitic, more attached to democracy, more sexually intolerant, less authoritarian,
but with a higher sense of insecurity. Social class however does
seem to have an effect on these youth: a French worker of African
or Turkish background is more likely to see him/herself as more
‘French’ than a French carpenter who is more likely to see himself
as a ‘worker’.
All is not well in Canada either, as some youth also experience difficulties integrating into society, with considerable media
attention to ‘street gangs’. An important distinction exists however between ‘social gangs’ of like-minded friends and acquaintances; and less frequent ‘criminal gangs’ who have very high levels of criminal offending and illicit drug consumption. Criminal
gang membership, in Toronto and Montréal, is more enduring
among severely disadvantaged youth who have become totally
disengaged from mainstream society and the legitimate opportunity structure (Perreault/Bibeau 2003; Wortley/Tanner 2006;
O’Grady/Gaetz 2004; Kelly/Caputo 2001). The majority of serious
118
Youth in Plural Cities - A Canada-France Comparison: Policy Issues and Development
gang members in Toronto are Canadian-born whites (Wortley/
Tanner 2006). These youth are sick at heart from a lack of friends,
social exclusion, isolation and the absence of interpersonal social
networks and of collective social referents, the retreat of religious
beliefs, and the weakening of common values (Perreault/Bibeau
2003). School failure and peer rejection are the first indicators
of future difficulties, followed by drug use and police arrests in
mid-adolescence, bringing youth to view the world as basically
unfair and to define themselves in opposition and marginality.
Current criminal gang membership is strongly related to low levels of parental education, high levels of parental unemployment,
residence in public housing projects and subjective assessments
of lower class position. Girls living on the street are particularly at
risk (O’Grady/Gaetz 2004). Living in a public housing project is a
very strong predictor of gang activity, with the particular combination of poverty with specific geographical local, making housing projects ideal breeding grounds for youth gangs. Youth gangs
are a domestic phenomenon, with roots in the Canadian experience, marked by social class and social alienation. Produced by an
intolerant society, these are the children of poverty, racism and
violence (Perreault/Bibeau 2003; Schissel 1997).
Systemic exclusion in France is rampant, in light of hideous
housing in urban perimeters, a harsh educational system, oppressive policing, and an economic system that leaves these youth
massively unemployed in a myopic society with a huge race-andpoverty gap due to economic policies that are unfavourable to
these social classes (Sabeg/Méhaignerie 2005; Brouard/Tiberj
2005; Charlot 1999; Djouder 2006; Smith 2004). The educational
system has two tracks, a preferential track for elite students that
leads to the very best classes and schools; and a vocational track
for the remainder of the school population, including most youth
of immigrant background, including the second and third generations born in France.
119
Prof. Yvonne Hébert PhD
Life and learning in ‘les lycées professionnels’ (vocational
high schools) in suburban Paris is challenging. For the heterogeneous youth populations in such schools, nicknamed, “la voie des
garages”, the specific meanings of secondary schooling are less
than clear (Charlot 1999). School knowledge is not valued, but
then neither is professional knowledge. The objective is to obtain
the equivalent to a high school diploma that will make work life
possible in a good job and then to live a normal life where family
happiness is the focus. The world of these youth is centered on
relationships, affections, and learning, linked to personal development. Centered more on others than themselves, the identities
of these youth are defined within a rapport to the world, to others
and to oneself, in a combat between the forces and principles of
‘life’ and ‘my life’. The rapport of these youth to the world is that
of personal involvement and relational proximity, and not an objective order. For girls, a positive affirmation of self occurs within
the family and at school; for boys, affirmation is located in ‘la
cité’, the huge apartment complexes in perimeter areas of Paris.
For boys, the vocational high schools require more self-control;
and for girls, more personal valuing. Nonetheless, these youth
are constantly at risk of exclusion in either of three ways: a rupture of the social and or of the collective; and the loss of a positive
self-image (Charlot et al. 1992; Hannoun 1987). At the heart of the
French debate, youth identifications and inter-group relations are
interwoven with issues of race, religion, political stances, value
systems, integration, equity, identity and community belonging.
Contextualized by the results of recent election and current social
events, these polemic debates undermine the French republican
model of integration.
The malaise in urban schools in France is observable in major cities in Canada, albeit to a lesser degree. These signs include
high drop-out rates, poor attendance, boredom, lack of motivation, lack of achievement, inequity in achievement, high remediation rates, lack of job performance, serious and pervasive school
120
Youth in Plural Cities - A Canada-France Comparison: Policy Issues and Development
violence, and high student anxiety. An important growing underclass, linked to poverty and scarcity of full-time permanent employment for youth, exists in both countries. Accessing only lowpaying jobs limits the potential of young people to be productive
contributors to adult society and to be efficacious active citizens.
In the global economy, youth are workers and consumers, spending their limited income on fashion and leisure items as part of
the prevailing consumer culture (Côté/Allahar 2006; Klein 2000).
What is most important is the recognition of the economic
disempowerment and political disenfranchisement of all youth.
There are immediate social policy implications for restructuring society to assure normative economic, social, and political
benefits for all youth, and for enhancing the quality of schooling,
the settlement and integration experiences, as well as pluralist
understandings and practices of citizenship that enhance mutual
recognition, empathy for one another’s views, and benevolence
towards others.
4. Youth’s Approaches to Engagement
Young people’s citizenship is often considered to be problematic. Youth are often perceived as apathetic to political participation, uninvolved in voting, uninterested in volunteering
and government, lacking political knowledge, and ignorant of
their rights (Boisvert et al. 2002; Hudon/Fournier 2003; Quéniart/
Jacques 2004). Yet there is ample evidence to the contrary.
Sensitive to increasing pluralism and to their own diversity,
most young people believe and accept Canada’s policy of multiculturalism (Lee/Hébert 2006; Lévesque 2003; Charland 2003).
Ethno-cultural youth decry the loss of values, family communication and social framework in their country of adoption, which
brings about solitude, anomie and violence. At the same time,
youth value freedom, equality and pluralism, defining themselves
with these social policies, which permit them to explore and
play with cultural identifications. For the most part, they accept
121
Prof. Yvonne Hébert PhD
social rules for living together, develop respect, moderation and
tolerance as part of citizenship, and accept that differences and
tensions that follow are inevitable. Many recognize that society
is composed of a plethora of antagonistic groups, some of which
are marginalised. More specifically, many realize that citizens are
not powerless, that they can interact to improve problem areas
such as racism and sexism; that they can initiate within institutions and in civil society, such that justice and equity prevail. Most
recognize that the social contract that is Canadian democracy is
founded on freedom, respect of others, equality, justice, social and
cultural rights, access to employment and revenues for all.
Thus, citizenship is a contingent, life-long project, which
can be either inclusionary or exclusionary for young people who
engage constructively in their communities. In terms of social policy, giving greater prominence to the constructive social participation model of citizenship requires shifting from interventions
that promote student vote and formalized community service, in
favour of recognizing and supporting what young people believe
and do as citizens.
5. Types of Integration Policies and their Effects
The two countries exemplify different approaches to cultural rights, integration and citizenship policy. Canada’s multiculturalism policy and law value cultural retention and diversity.
Originating in the early 1970’s, this policy seeks to reduce societal
tensions and to accommodate peacefully the various collectivities
in Canadian society: the French-English divide, the Aboriginal
peoples now recognized politically as nations, and many ethnic
groups. This cultural policy and law permits a multiplicity of cultural identifications, two official linguistic identifications, and
supports a political identity as Canadian.
France does not have a policy of cultural diversity, given its
strong republican stance of universalism. The only basis in law is
122
Youth in Plural Cities - A Canada-France Comparison: Policy Issues and Development
that the constitutional guarantee of the equality of human rights
applies to cultural diversity, in other words, as part of a right to
work. All are expected to benefit from a shared body of human
rights as enshrined in the French constitution. To deal with the
youth crisis, 2006 was declared to be the Year of Equality of Opportunities, with employment, education and social policies,
originating in the Prime Minister’s office and delegated to a minister of ethno-cultural background. At the time of writing, promised funding and programs had not materialised. Instead, what
captured public interest was a private sector initiative: an innovative Charter of Diversity in Business initiated by two researchers,
picked up and led by business and professional associations, with
well over 700 enterprises.
A significant inverse relationship exists between the social
climate created by state policy and current concerns with the increasing presence and claims of pluralist populations at the heart
of public debates focussing on the meaning of citizenship, social
cohesion, and national/political identity. With harsh assimilation
as de facto policy position, it is France that has endured the most
widespread revolt and that treats its young to the most extreme
forms of poverty, spatial segregation, systemic exclusion, political
disenfranchisement, and economic disempowerment. Given the
weight of Canada’s social policies including multiculturalism in
a bilingual context as the law of the land, youth experiences are
more muted.
There is however reason to worry. These policies and laws
camouflage on-going tensions between groups, tensions borne
by young people who are nonetheless subjected to economic,
social and political disadvantage. Policy development must then
be cognizant of the strong linkages between poverty, spatial
segregation, systemic exclusions, economic disempowerment,
and political disenfranchisement of all youth. New social policies
must focus on spatial segregation, poverty, and exclusions from
the labour market. Without improving the relative social position
123
Prof. Yvonne Hébert PhD
of disadvantaged populations and taking gender into consideration, social policies, programs and other gang suppression efforts
are likely doomed. “The greater the suffering of new immigrants,
the greater the risk that their Canadian-born children will turn to
gangs as a means to attain power, money and respect” (Wortley/
Tanner 2006: 34). Overcoming insidious forms of racism would
require embracing difference and making changes in the existing
social, economic, and political order, to develop a policy of difference and integrative citizenship as well as practices that ameliorate the low status of immigrants, recognise their contributions
and credentials, and create space for multiple voices and perspectives.
Thus, in both countries, youth are seriously affected by
economic disempowerment and political disenfranchisement. It
is with finely-tuned formulations of policy and human rights that
governments have the power to modify and lessen the economic,
cultural, social and political impacts on the young.
6. New Policy Directions
A new lexicon and paradigm are needed for policy development. The categories and constructs that we think with limit
views and visions of our societies, and flaw research and policy.
The meanings of social categories, difference and integration,
give cause for critical reflection and are preliminary to building
policy capacities and recommendations (Li 2003).
As social categories, the terms ‘race’ and ‘ethnicity’ are
problematic. As used in popular discourses, ‘race’ refers to a category of people to be feared, disparaged, segregated, and disadvantaged (Pain 2001). First used to distinguish minor differences
between European populations, the ill-defined term, ‘ethnicity’ is
poorly suited for plural societies (Brunsma/Tockquemore 2001). As
a cover term for culture, race, and religion, its usage blurs understanding, obfuscates and neutralises dominance. Discrimination
is deeply embedded in hidden conceptions of self and ‘other’, in
124
Youth in Plural Cities - A Canada-France Comparison: Policy Issues and Development
the ways in which a dominant group constructs what counts as
knowledge and difference.
The meaning of ‘difference’ has changed also over time.
The conversation today is about identity as a strategic, performative competence that acknowledges a desire to affirm identities
and to transcend them. Imagining the cultural other is the first
step in building a civic identity (Hébert 2001; Abowitz 2002; Hoerder et al. 2006). Such strategic identifications evoke and involve
rights and responsibilities for deliberation and participation.
Imagining the other as a citizen and the process of integration is a
two-way street. Successful integration would, henceforth, refer to
the “process of granting citizenship rights and social entitlements
to newcomers and allowing them to exercise these rights, including the right and legitimacy to challenge the status quo, the right
of contestation, the legitimacy of dissent, and the entitlement to
be different” (Li 2003: 333). Thus, integration includes newcomer
youth in a democratic process of participation, deliberation, and
negotiation, to shape the future with other citizens.
As commonly used, the term, ‘integration’ is understood as
assimilation, especially in France. Officially, in Canada, ‘integration’ refers to the desirable way by which newcomers should become members of the receiving society. Nonetheless, prevailing
discourses endorse a conformity model in assessing immigrants
and a monolithic cultural framework that preaches tolerance in
the abstract, but remains intolerant toward cultural specificities
deemed to be outside the mainstream (Li 2003).
With planetary flows of ideas, images, culture, people,
finance and commodities, the idea of multiculturalism is increasingly relevant to a postmodern globalised age (Samad 1997). Yet
its detachment from a duly constituted body of policies and laws
means that it floats as a global solution to the national problems
and practices of a country, whatever the case may be. Without
being inscribed in constitutional law guaranteeing rights and
responsibilities, without clear implementation procedures, with-
125
Prof. Yvonne Hébert PhD
out a clear understanding of integration, multicultural policy is
doomed to failure in everyday life.
Adopting a model of socially constructive and integrative
citizenship, policy could, for instance, recognize the altruism that
underlies youth participation in everyday life as part of a general
reciprocity of mutual relations, helping people, being a good
neighbour, supporting the vulnerable, participating in political
action and awareness-raising (Smith et al. 2005). Taking up this
salient vision of youth citizenship, policy could also support political action and awareness-raising initiatives created by or with
youth leadership. To sustain youth’s engagement in fundamental
identity work as part of citizenship, policy could recognize and
support initiatives that explore and celebrate multiple belongings and political identification, that support youth in negotiating places, times and relationships in a variety of landscapes from
postmodern and critical perspectives.
Policy matters. It imagines a vision for society, defines its
cultural, structural and social plurality, and predicts consequences in different societies or part-societies. Social policy heavily
influences the integration of migrant groups into a society (Samad 1997; Lyon 1997). Tracing differentiated paths through broad
educational routes to different destinations in the workplace and
in the postsecondary system exemplifies the scope and complexity of the issue. Effective youth policy needs to be inclusive. This
means loosening the traditional boundaries that stand in the way
of opportunity while enabling emerging adults to take advantage
of them (Bynner 2005). To genuinely integrate newcomer youth,
policy development would take up a long term perspective.
What is needed then is a new articulation of policy and
law in countries that wish to embody a societal vision, one that
favours youth-specific and youth-friendly policies, places and
programmes. New policies would clarify the meanings of multicultural and integrative principles and make possible creative
solutions that embrace youth and that open possibilities for better
126
Youth in Plural Cities - A Canada-France Comparison: Policy Issues and Development
understanding among peoples and that recognize a ‘deep diversity’, i.e., a diversity of diversities across all domains of life. A policy
of difference and integrative citizenship is one that lives every day
and recognizes every person. Such a policy favours the development of ways to live together peacefully. All citizens would have a
duty to the future which, for youth, would mean the development
of a life project for the future (un devoir d’avenir), albeit one that
is revisited from time to time. In support of this responsibility, government policies could favour programmes for youth that:
„„ Develop friendship networks based on relationships
between youth learners, friends, family, teachers, adult
workers, etc.;
„„ Reward young people for what they already do, helping
others, as valuable citizenship contributions;
„„ Create authentic workplace experiences wherein youth
enrolled in studies, learn to take on the responsibilities
of work, without neglecting their studies or dropping
out of school; and
„„ Create new cultural forms and flows, within countryspecific and global frames of reference.
Government could also join with communities, cities and
other partners, including philanthropic interests, to:
„„ Sustain community-based programs which positively
extend and enhance youth’s learning and their social
networks and that support parents;
„„ Establish public spaces and resources for cultural expression, recreation and sports;
„„ Establish world-class centres for global citizenship
which cater to youth;
„„ Create and sustain public glocal spaces, where difference is commonplace and is taken for granted;
„„ Create institutions and workplaces that eliminate systemic exclusion;
127
Prof. Yvonne Hébert PhD
„„ D
evelop housing and urban areas that eliminate spatial
segregation; and
„„ Adopt an economic model that eliminates poverty, economic disempowerment and political disenfranchisement.
Such policy developments accept youth as they are, with all
their creativity and explorations; support youth as they struggle
with global forces; and create society as a closer and tighter weave
of relationships, without exclusions that oppress and/or discriminate.
128
Youth in Plural Cities - A Canada-France Comparison: Policy Issues and Development
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135
Prof. Dr. Eckart Liebau
Integration an
deutschen Schulen
1. Segregation oder Integration?
Mit der bewusst und gezielt geförderten Arbeitsimmigration entstand in Deutschland seit Mitte der 1950er Jahre allmählich
ein Integrationsproblem, das zunächst nicht als solches wahrgenommen wurde: In den 1950er und 1960er Jahren gab es keinerlei
einschlägige Debatten im Blick auf die (zunächst auch noch wenigen) ausländischen Arbeitsmigranten.
Das änderte sich erst in den 1970er Jahren, in denen deutlich wurde, dass die angeworbenen Arbeitskräfte häufig länger
als für „Gastarbeiter“ vorgesehen im Land blieben und auch
Familien mit Kindern hatten, die qualifiziert werden mussten.
Man ging in dieser Phase der „Ausländerpädagogik“ davon aus,
dass die Migranten mit ihren Familien nach einigen Jahren der
Arbeitstätigkeit in der Bundesrepublik in ihre jeweiligen Heimatländer zurückkehren würden. Die Ausländerkinder sollten
dementsprechend vor allem für die Rückkehr qualifiziert werden;
die Qualifizierung in der Herkunftssprache und -kultur galt somit
als zentrale Aufgabe. Im Blick auf die deutsche Kultur galt eine
für das Überleben im Alltag hinreichende Mindestqualifizierung
als angemessen. Die Pädagogik für die deutschen Kinder konnte
nach diesem Konzept unverändert bleiben; sie hatte wie eh und je
die Aufgabe der (monokulturellen) Integration der Kinder in die
deutsche Kultur.
136
Integration an deutschen Schulen
Indessen erwies sich dieses Konzept schon in den 1970er
Jahren als illusionär; sehr viele Arbeitsmigranten wollten aus
unterschiedlichen Gründen mit ihren Familien auf Dauer in der
Bundesrepublik bleiben. Die mit dem Anwerbestopp (1973) für Arbeitskräfte aus Ländern außerhalb der Europäischen Union (d.h.
damals insbesondere: Menschen aus der Türkei) verbundenen,
entsprechenden Zuzugsregelungen machten dies dann auch
möglich. Pädagogisch folgte daraus das neue, in den Grundzügen
in den späten 1970er Jahren entwickelte Konzept der „multikulturellen“ Bildung, das im Blick auf die Ausländerkinder unter der
doppelten Perspektive von Differenz und Integration stand; es
sollte nun darum gehen, den Ausländerkindern eine angemessene Qualifizierung in ihrer Herkunftskultur (auch mit der Option
der Rückkehr in das Herkunftsland) und zugleich eine angemessene Qualifizierung für die Integration in die deutsche Gesellschaft und Kultur zu ermöglichen. Auch dieses Konzept war noch
auf die Ausländerkinder konzentriert, im Blick auf die Integrationsperspektive assimilativ und dementsprechend weitestgehend
folgenlos für die Pädagogik für die deutschen Kinder.
Eine neue Stufe konzeptioneller Entwicklung wurde erst
Mitte der 1980er Jahre mit den Ansätzen der „Interkulturellen
Pädagogik“ erreicht. Die wichtigste Differenz zu den vorangegangenen Konzepten lag in der Erweiterung der Perspektive auf alle
Kinder: Interkulturelle Pädagogik ging und geht davon aus, dass
die Migration nicht nur für die Migrantenkinder, sondern auch
für die deutschen Kinder eine prinzipiell neue Situation herbeigeführt hat, die dementsprechend eine neue Bildungsperspektive
für alle Kinder erforderte. Interkulturelle Pädagogik ging und
geht von der Vielfalt aus und will sie positiv würdigen (Prengel
1995; Auernheimer 2003; Gogolin et al. 2003).
137
Prof. Dr. Eckart Liebau
Während die konzeptionelle Entwicklung damit zu einem
gewissen integrativen Konsens geführt werden konnte, führte
die tatsächliche empirische Entwicklung eher zu einer Stärkung
segregativer Tendenzen. Zwar bemühten sich manche Schulen
durchaus um angemessene interkulturelle Angebote, aber im
normalen Schulalltag erwies sich ein Migrationshintergrund für
große Gruppen als sehr nachteilig.
Um die aktuelle Bedeutung des Themas sichtbar zu machen, empfiehlt sich ein Blick auf die empirische Situation.1
2. Die empirische Situation
Einen sehr guten Überblick über die empirische Situation
bietet der 2006 erschienene Bericht des Konsortiums Bildungsberichterstattung „Bildung in Deutschland“, der eine ausführliche
Darstellung zum Thema Bildung und Migration enthält. Die besondere Bedeutung des Berichts folgt daraus, dass hier statistisch
erstmals nicht die Frage nach der Staatsangehörigkeit und damit
die Trennung zwischen deutschen und ausländischen Staatsbürgern, sondern die pädagogisch viel wichtigere Frage nach
dem Migrationshintergrund und damit die Trennung zwischen
Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zugrunde gelegt
wurde.2 Die folgenden Graphiken stammen aus diesem Bericht.
138
1
Einen allgemeinen Überblick über die Migrationssituation in Deutschland bietet
der Migrationsbericht 2005 (Bundesministerium des Innern 2005).
2
Dabei werden freilich die ersten Migrantengruppen (Vertriebene und Flüchtlinge) ebenso wenig berücksichtigt wie die neueren innerdeutschen Wanderungsbewegungen, z.B. von Ost nach West und von Nord nach Süd. Angesichts der
nach wie vor sehr großen regionalen und kulturellen Differenzen müsste ein vollständiges Bild auch diese Wanderungsbewegungen aufnehmen: die Differenz
zwischen ostfriesischer und oberbayerischer Kultur dürfte schließlich in vielen
Hinsichten erheblich größer sein als die zwischen ostfriesischer und niederländischer Kultur einerseits, zwischen oberbayerischer und tiroler Kultur andererseits
Integration an deutschen Schulen
Die erste Graphik zeigt die demographische Struktur
nach Migrationshintergrund und Herkunftsregionen. Hier wird
bereits der Umfang und die große Heterogenität der Migration
sichtbar: ein knappes Fünftel der Bevölkerung (18,6 %) hat Migrationshintergrund, der sich äußerst vielschichtig darstellt.
Graphik 1: Bevölkerung 2005 nach Migrationshintergrund und
Herkunftsregion
(Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 141)
139
Prof. Dr. Eckart Liebau
Für die Frage nach der Bildung besonders bedeutsam ist
die junge Generation, also die Bevölkerung im Alter von unter
25 Jahren. Hier zeigt sich bereits eine entscheidende Tendenz: Je
jünger die Bevölkerung, desto größer der Anteil mit Migrationshintergrund: 27,2% der Bevölkerung unter 25 Jahren hat einen
Migrationshintergrund (Graphik 2).
Graphik 2: Bevölkerung im Alter von unter 25 Jahren nach
Migrationshintergrund und Migrationstypen (in %)
(Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 142)
140
Integration an deutschen Schulen
Das pädagogisch vielleicht wichtigste Ergebnis auf dieser
demographischen Ebene zeigt die folgende Graphik 3. Je jünger
die Kohorten, desto höher wird der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund:
Graphik 3: Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund 2005 nach
Altersgruppen und Herkunftsregionen (in %)
(Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 143)
141
Prof. Dr. Eckart Liebau
Je jünger die Gruppen, desto höher der Anteil der in
Deutschland Geborenen; gleichzeitig setzt sich aber die Zuwanderung auch älterer Kinder und Jugendlicher fort (Graphik 4).
Pädagogisch folgt daraus die Notwendigkeit, auch für diese Gruppen ein entsprechendes Angebot entwickeln und anbieten zu
müssen.
Graphik 4: Bevölkerung im Alter unter 25 Jahren mit Migrationshintergrund
2005 nach Zuwanderungszeitpunkt und Altersgruppen (in %)
(Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 143)
142
Integration an deutschen Schulen
Das Bild gewinnt an Kontur und Schärfe, sobald soziologisch differenzierende Kategorien eingeführt werden. So zeigt
sich schon am Bildungsstatus, dass die Bevölkerung mit Migrationshintergrund im Durchschnitt über einen deutlich schwächeren Bildungshintergrund verfügt als die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Die Arbeitsmigration nach Deutschland in
Industrie und Dienstleistung war im Kern eine Unterschichtenmigration, d.h. eine Migration gering qualifizierter Bevölkerungsgruppen. Das zeigt sich auch an der folgenden Graphik 5:
Graphik 5: Bevölkerung im Alter von 25 Jahren bis unter 35 Jahren 2005
nach Migrationshintergrund, ausgewählten Bildungsabschlüssen und
Geschlecht (in %)
(Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 147)
143
Prof. Dr. Eckart Liebau
Sehr viel präziser wird das Bild, wenn man den Schulbesuch und die Bildungsgänge fokussiert. Sie zeigen einen weit
überdurchschnittlichen Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den Hauptschulen. Die Daten des Programme for
International Student Assessment (PISA) der OECD (Organisation
for Economic Cooperation and Development) erlauben eine solche Differenzierung. An Graphik 6 wird zugleich sichtbar, dass es
insbesondere die Türkischstämmigen, die Jugendlichen mit Aussiedlungshintergrund und die Jugendlichen aus den sonstigen
ehemaligen Anwerbestaaten sind, die überdurchschnittlich in
den Hauptschulen und damit dem unteren Bildungsgang vertreten sind.
Graphik 6: Migrantenanteil 2000 in den Schularten der Jahrgangsstufe 9 nach
Herkunftsregionen (in %)
(Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 152)
144
Integration an deutschen Schulen
An den Schulen der Sekundarstufe I gibt es insgesamt einen
sehr starken Zusammenhang zwischen dem mittleren sozialen
Status der Herkunftsfamilien und dem Migrantenanteil an der
Schule. Je geringer der soziale Status, desto höher der Migrantenanteil und desto deutlicher die Konzentration in der Hauptschule
(Graphik 7):
Graphik 7: Mittlerer sozialer Status der Herkunftsfamilien und Migrantenanteil an Schulen der Sekundarstufe I 2004 nach Schulart
(Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 162)
Quelle: DESI 2004, eigene Berechnungen
145
Prof. Dr. Eckart Liebau
Kinder mit Migrationshintergrund finden sich dementsprechend besonders häufig in Schulen mit hohen Migrantenanteilen. „Etwa jeder vierte Jugendliche mit Migrationshintergrund,
aber nur jeder zwanzigste Jugendliche ohne Migrationshintergrund besucht eine Schule, in der Migranten die Mehrheit stellen.“ (Bildungsbericht 2006: 162)
Graphik 8: Migrantenanteil in der besuchten Schule für Schüler der
9. Jahrgangsstufe mit und ohne Migrationshintergrund (in %)
(Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 163)
146
Integration an deutschen Schulen
Vor diesem Hintergrund ist es nicht mehr überraschend,
dass die Testleistungen der Migrantenkinder bei PISA unterdurchschnittlich ausfallen (Graphik 9).
Graphik 9: Testleistungen Mathematik und Lesen bei 15-Jährigen (PISA 2003)
nach Migrationsstatus in ausgewählten Staaten (in Kompetenzpunkten)
(Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 174)
Hoch problematisch ist dabei vor allem, dass die Testleistungen der zweiten Generation noch schwächer sind als die der
ersten. Während in Kanada und Schweden die zweite Generation bereits erheblich bessere Testleistungen erbringt, gehen in
Deutschland die Leistungen weiter zurück. Die Hintergründe sind
wiederum vielschichtig; ökonomische, politische, kulturelle, soziale, religiöse, aber auch schulische Aspekte spielen dabei zusammen und behindern bessere Leistungen und Integrationserfolge.
147
Prof. Dr. Eckart Liebau
3. Pädagogische Perspektiven
Nach diesen Befunden ist deutlich, vor welchen Herausforderungen das Bildungswesen in Deutschland insgesamt und die
Schule insbesondere stehen:
„„ Integration stellt eine außerordentlich komplexe Aufgabe immer höherer Bedeutung dar.
„„ Die Heterogenität wächst; Kinder mit unterschiedlichem Migrationshintergrund stellen einen immer größeren Teil der jungen Generation und damit auch der
Schülerschaft.
„„ Die Situation der Migrantenkinder ist sehr unterschiedlich. Probleme entstehen insbesondere dann, wenn
kulturelle Fremdheit, schwache sprachliche Kompetenz
(geringe oder vollständig fehlende Deutschkenntnisse)
und schwacher sozialer Status zusammentreffen. Es
gelingt der Schule bei diesen Gruppen bisher nicht hinreichend, auch nur die grundlegenden Kompetenzen
(Lesen, Schreiben, Rechnen) auf angemessene Weise zu
vermitteln und zu sichern.
„„ Damit gelingt es der Schule zugleich nicht, die Kompetenzdefizite dieser Gruppen soweit auszugleichen, dass
eine chancengleiche Partizipation möglich würde; die
Hürden für den Schulerfolg, für den Übergang auf weiterführende Bildungsgänge und für das Erreichen höherer Bildungsabschlüsse sind bei diesen Problemgruppen
deutlich höher als bei den anderen Schülern mit oder
ohne Migrationshintergrund („doppelte Selektivität“).
Was folgt aus dieser differenzierten, sehr heterogenen und
komplexen Situation? Es ist hier natürlich nicht möglich, die Fülle
der Einzelkonzepte vorzustellen; deutlich ist jedoch,
„„ dass Kompetenzvermittlung und Integration nicht erst
in der Schule beginnen dürfen, sondern so früh wie
möglich in der frühkindlichen und vorschulischen Pädagogik ansetzen müssen,
148
Integration an deutschen Schulen
„„ d
ass auf Dauer nur sozialräumlich ansetzende, vernetzte Konzepte aussichtsreich sind, die systematisch die
familialen und sozialen Kontexte in der pädagogischen
Arbeit berücksichtigen und aktiv einbeziehen,
„„ dass dementsprechend schulische, sozial- und kulturpädagogische Angebote von vornherein aufeinander zu
beziehen sind,
„„ dass spätestens vom Kindergartenalter an Ganztagseinrichtungen erforderlich sind, in denen nicht Selektion,
sondern Förderung und Zusammenleben im Mittelpunkt stehen,
„„ dass für die größeren Sprachgruppen systematisch und
institutionell bilinguale Angebote entwickelt und angeboten werden müssen, für die kleineren Sprachgruppen
aber entsprechend individualisierte Angebote,
„„ dass auch das Angebot für die Kinder ohne Migrationshintergrund systematisch im Blick auf die Normalisierung von Migration und Integration weiterentwickelt
werden muss.
Pädagogisch geht es darum, jedem einzelnen Kind das
wichtigste Wissen und Können der relevanten Erwachsenenwelt
nahe zu bringen. Je nach Migrationssituation kann der Bedarf
ziemlich unterschiedlich aussehen. Einigermaßen klar sind aber
die folgenden Bereiche: angefangen bei den Sprachen (Erstsprache und Zweitsprache) sowie den Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Rechnen, Computer) und bei der Mathematik, den Künsten,
dem Sport und der Geschichte. Damit ist die Reihe der Bereiche
jedoch noch lange nicht zu Ende. Zugleich geht es um die Förderung der künstlerischen, wissenschaftlichen, sozialen Erfindungskraft und des Erfindungsinteresses, um Kreativität und Bereitschaft zur Innovation. Dabei gilt es, nicht nur die Sach- und Fach-,
sondern auch die Ich- und die Sozialkompetenz jedes einzelnen
Kindes und Jugendlichen nachhaltig zu fördern. Natürlich stellen
sich hier nicht nur zahlreiche sehr schwierige methodische Pro-
149
Prof. Dr. Eckart Liebau
bleme, sondern insbesondere auch sehr komplexe Kanonprobleme, nicht nur beim Religionsunterricht, sondern auch z.B. bei Geschichte, Sozialkunde, Erdkunde, Sport, den Künsten etc. Der Sinn
des Unternehmens liegt darin, dass das Kind allmählich lernt, an
der Welt der Erwachsenen aktiv und passiv teilzuhaben, in Arbeit
und Beruf, Kunst und Kultur, Politik und Gesellschaft, Wissen und
Glauben, schließlich auch im Alltag und in der Freizeit.
Das pädagogische Problem besteht dabei vor allem darin,
dass das Lehren und Lernen nur mit dem Kind oder dem Jugendlichen zusammen möglich ist, da das Kind in jedem Fall selber
lernen muss – Erziehung und Bildung ist eben kein technischer
Vorgang. Das Kind muss es selber wollen und selber tun – genau
deswegen braucht es die Hilfe des Lehrers. Daher kommt alles
darauf an, das Interesse des Kindes zu wecken und zu erhalten.
Die besten Beispiele inter- und transkultureller Erziehung
und Bildung finden sich daher nicht zufällig im Bereich der ästhetischen Bildung: Die berühmten, schon in den 1980er Jahren
entwickelten KIDS-Projekte in Berlin, Augsburg, Nürnberg, Simon Rattles „Rhythm is it“ oder auch das Jacobs-Sommercamp in
Bremen. Die Zukunft der interkulturellen Pädagogik liegt in der
Kultur.
Die Komplexität der Aufgabe ist also gewaltig. Es gibt zahllose, auch sehr kreative Versuche und Ansätze zu Lösungen. Ob
sie langfristig gelingen und zum Erfolg führen werden, lässt sich
heute noch nicht endgültig beurteilen. Dass sie notwendig sind,
steht außer Frage.
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Integration an deutschen Schulen
Literatur
Auernheimer, Georg (2003): Einführung in die Interkulturelle
Pädagogik, Darmstadt.
Bundesministerium des Innern (Hg.) (2005): Migrationsbericht
des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im Auftrag
der Bundesregierung, Berlin.
Gogolin, Ingrid/Neumann, Ursula/Roth, Hans-Joachim (2003):
Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Gutachten für die Bund-Länder-Kommission
für Bildungsplanung und Forschungsförderung, Bonn:
(BLK, Materialien zur Bildungsplanung und Forschungsförderung Nr. 107).
Konsortium Bildungsberichterstattung (Hg.) (2006): Bildung
in Deutschland. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer
Analyse zu Bildung und Migration, Bielefeld.
Prengel, Annedore (1995): Pädagogik der Vielfalt, (2. Aufl.), Opladen.
151
Autorenverzeichnis
Autorenverzeichnis
Dr. Petra Bendel
Geschäftsführerin des Zentralinstituts für Regionalforschung
an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Dr. Michael Griesbeck
Vizepräsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge,
Nürnberg
Prof. Yvonne Hébert PhD
Professorin an der Faculty of Education der University of Calgary,
Kanada
Dr. Holger Kolb
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl
„Soziologie/Methodologie interkultureller und
interdisziplinärer Migrationsforschung“
der Universität Osnabrück
Dr. Axel Kreienbrink
Leiter des Referats „Migrations- und Integrationsforschung:
Schwerpunkt Weltweite Migration, Islam, Demographie“
beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge,
Nürnberg
Prof. Dr. Eckart Liebau
Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogik II und Vorstand
am Institut für Pädagogik der Philosophischen Fakultät I
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
152
Autorenverzeichnis
Prof. Dr. Rainer-Olaf Schultze
Professor für Politikwissenschaft und
Geschäftsführender Direktor des Instituts für Kanada-Studien,
Universität Augsburg
Triadafilos Triadafilopoulos PhD
Assistant Professor am Department of Social Sciences
der University of Toronto Scarborough, Kanada
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Impressum
Herausgeber:
Dr. Petra Bendel und Dr. Axel Kreienbrink
im Auftrag des
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Frankenstraße 210, 90461 Nürnberg
und des
Zentralinstituts für Regionalforschung
der Universität Erlangen-Nürnberg
Bismarckstraße 1, 91054 Erlangen
Stand:
April 2008
Selbstverlag
1. Auflage
Druck:
Bonifatius GmbH
Druck-Buch-Verlag
Paderborn
Gestaltung:
Gertraude Wichtrey
Hinweis der Redaktion:
Die in diesem Band abgedruckten Beiträge geben
ausschließlich die Meinungen der jeweiligen Autoren wieder, die nicht notwendigerweise der des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge entspricht.
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.bamf.de
ISBN:
978-3-9812115-0-4