China Compass, Frühjahr 2012

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China Compass, Frühjahr 2012
www.pwc.de/china
Aktuelle Nachrichten für
Expertinnen und Experten
Frühjahr 2012
Wohnungsmarkt
Reformen zeigen Wirkung
Börsengang
Gute Chancen für
deutsche Unternehmen
in Hongkong
Sozialsystem
Versicherungspflicht
für Ausländer
Holdingstandorte
Steueranreize in
Singapur und Hongkong
im Vergleich
Mehrwertsteuer
Pilotreform in Shanghai
China Compass
Editorial
Inhalt
Editorial ....................................... 3 China Business Group ................ 65
Reporting und Controlling ...........4
Neuer Standard erleichtert die Bilanzierung von
Kleinunternehmen ..................................................................4
Investition und Finanzierung.......8
Florierende Halbleiterindustrie erfordert
Anpassungen vom Markt ........................................................8
Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt: Reformen
zeigen Wirkung.......................................................................11
Chinas Erwartungen: Rede des Premierministers vor
dem Nationalen Volkskongress............................................. 14
Fusionen und Übernahmen: chinesische
Aktivitäten 2011..................................................................... 17
Börsengang in Hongkong: eine Chance für deutsche
Unternehmen ........................................................................22
Photovoltaik: China bald größter Markt weltweit.................26
Investitionslenkungskatalog 2011: Prinzipien,
Zielausrichtung und Handlungsoptionen .............................29
Steuern und Recht ...................... 33
Aktuelles zur Sozialversicherungspflicht für Ausländer .......33
Registrierung zur Währungskontrolle bei
ausländischen Mitarbeiterbeteiligungsplänen......................34
Grenzüberschreitende Kapitalkonten in Renminbi:
Lockerung der Vorschriften ..................................................36
Erste Erfahrungen mit der Pilotreform zur
Mehrwertsteuer in Shanghai.................................................40
Neuer Gesetzentwurf verschärft Ein- und
Ausreisekontrollen sowie die Aufenthaltsvorschriften.........44
Lieferungen über die Grenze: Regelungsrahmen und
behördliche Praxis in der Automobilindustrie .....................46
Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Taiwan und
Deutschland unterzeichnet ................................................... 51
Zoll- und Steuerinnovationen auf Hengqin: starke
Anreize für Auslandsinvestitionen........................................ 55
Wirtschaftsregion Asien............. 57
Steueranreize an Holdingstandorten: Singapur und
Hongkong im Vergleich......................................................... 57
Veröffentlichungen..................... 63
Einzelhandel und Konsumgüterindustrie in Asien...............63
Ausländische Versicherungen in China 2011 ........................63
Zahlen und Fakten zur Steuer in Hongkong.........................64
Trends des Immobilienmarkts 2012 .....................................64
2 China Compass Frühjahr 2012
Ansprechpartner ................................................................... 65
Im Porträt: Alexander Prautzsch .......................................... 66
Impressum.................................. 67
Editorial
Editorial
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
„nicht der Wind, sondern das Segel bestimmt die Richtung“,
sagt ein chinesisches Sprichwort. Wohin die Wirtschaftspolitik Chinas in den kommenden Jahren „segeln“ wird, ist
eine spannende Frage. Denn China ist dabei, seine Führungsriege auszuwechseln. Premierminister Wen Jiaobao nahm
das zum Anlass, dem Nationalen Volkskongress einen
Rechenschaftsbericht vorzutragen. Damit verknüpfte er vor
allem zwei Ziele: den Weg zu einem nahtlosen Regierungswechsel zu ebnen und der neuen Führungsriege eine Art Todo-Liste mit auf den Weg zu geben. Auf der Agenda stehen,
wie Sie sehen werden, einige Ziele, die Sie als treue Leser des
China Compass bereits kennen. Nichtsdestotrotz verdeutlicht
Wens Rede die grobe Richtung, die Beijing einschlagen will.
Grund genug für uns, Ihnen die wesentlichen Punkte der
Ausführungen vorzustellen, und zwar im Beitrag „Chinas
Erwartungen: Rede des Premierministers vor dem
Nationalen Volkskongress“ ab Seite 14.
Ganz oben auf der Tagesordnung stehen auch in Zukunft
sicherlich die Reformen auf dem Wohnungsmarkt, mit denen
die chinesische Regierung schon begonnen hat. Denn der
Immobilienmarkt erlebte in den letzten Jahren eine rasante
Entwicklung. Die Befürchtung der Überhitzung ist allgegenwärtig. Welche Maßnahmen die chinesische Regierung
bereits ergriffen hat und wie diese sich auf das Marktgeschehen auswirken, erfahren Sie im Beitrag „Entwicklungen
auf dem Wohnungsmarkt: Reformen zeigen Wirkung“ von
Florian Hackelberg und Rosi Ji ab Seite 11.
über eine Onlineregistrierung zum Terminsystem der
Behörden unbedingt wissen müssen, aber auch welche
Mitarbeiter von der Versicherungspflicht befreit sind.
Unter der Rubrik „Wachstumsmärkte Asien“ blickt Ihr
China Compass von Zeit zu Zeit gern auf andere asiatische
Regionen. In dem Beitrag „Steueranreize an Holdingstandorten: Singapur und Hongkong im Vergleich“ analysieren
Alexander Lehnen und Jonas Bley ab Seite 57 unter anderem,
wie Singapur und Hongkong Unternehmen grundsätzlich
besteuern und welche Steuervorteile diese Standorte bieten.
Der Frühling ist eine Zeit des Aufbruchs, der Erneuerung und
des Neubeginns – sowie des Pläneschmiedens. Auf den Punkt
bringt das ein anderes chinesisches Sprichwort, das da heißt:
„Mache deine Pläne fürs Jahr im Frühling und die für den
Tag frühmorgens.“
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen allen eine
aufschlussreiche Lektüre sowie eine kraftvolle und
kreative Frühlingszeit!
Ihr
Jens-Peter Otto
Leiter China Business Group
Dass auch deutsche Unternehmen weiterhin gute Chancen
haben werden, zeigen die Entwicklungen der chinesischen
Börsen in Shanghai, Shenzhen und Hongkong. Sie haben sich
zu wichtigen Schauplätzen des internationalen Kapitalmarkts
entwickelt. Nach dem IPO Watch von PwC war China in den
letzten zwei Jahren der aktivste Markt für Neuzugänge, vor
allem für chinesische Firmen. In dem Beitrag „Börsengang
in Hongkong: eine Chance für deutsche Unternehmen“
(ab Seite 22) zeigt Ihnen unter anderem unser Experte
Dr. Holger Miss auf, was die Börse in Hongkong grundsätzlich ausmacht. Sie erfahren, welche Anforderungen
Unternehmen, die an die Börse möchten, beachten sollten
und warum die Hong Kong Stock Exchange für westliche
Unternehmen weiterhin erste Wahl bleiben wird.
Wer als Ausländer in China lebt und arbeitet, muss sich
diversen landestypischen Herausforderungen stellen.
Pflichtversicherungen sind in fast keinem Land einfach zu
verstehen, auch nicht im Reich der Mitte. Unsere Experten
Pia Dittmann und Ulrich Buschermöhle zeigen Ihnen in
ihrem Beitrag „Aktuelles zur Sozialversicherungspflicht
für Ausländer“ (auf Seite 33), wie lokale Behörden die
Registrierung von Ausländern in China handhaben, was Sie
China Compass Frühjahr 2012 3
Reporting und Controlling
Reporting und Controlling
Neuer Standard erleichtert
die Bilanzierung von
Kleinunternehmen
Das chinesische Finanzministerium erließ
am 18. November 2011 einen neuen Standard
für Kleinunternehmen, der ihre Bilanzierung
erheblich erleichtern wird. Noch ist nicht endgültig entschieden, ob auch Tochterunternehmen
deutscher Konzerne diesen Standard anwenden
dürfen. – Unabhängig davon verschafft Ihnen
der aktuelle Beitrag einen Überblick über die
wesentlichen Bestimmungen.
Mit den im vergangenen November erlassenen Vorschriften
für Kleinunternehmen gelten nun die folgenden
Bilanzierungsstandards:
Tab. 1
Bilanzierungsstandards für Kleinunternehmen
Vorgabe
Anwendungsbereich
Accounting Standards
for Small Enterprises
(ASSE)
Kleinunternehmen, Größenkriterien nach
Circular 300 (die Definition finden Sie in
Tab. 2)
Accounting Standards
for Business Enterprises,
erlassen 2006
(New CAS)
Anwendung vorgeschrieben ab
Accounting Standards
for Business Enterprises,
erlassen vor 2006
(Current China GAAP)
●
2007: für börsennotierte Unternehmen,
Versicherungsunternehmen, andere
Finanzinstitutionen
●
2008: für Banken und Staatsunternehmen sowie Unternehmen in der Stadt
Shenzhen
●
2009: für Unternehmen in Shaanxi und in
der Provinz Yunnan
●
2010: für Unternehmen in Guangzhou
und Xiamen sowie in der Provinz Shaanxi
●
2011: für Unternehmen in den Provinzen
Fujian und Liaoning (ohne Dalian) sowie
in den Städten Qingdao und Shanghai
●
bisher für 2012 benannt: Unternehmen
in Dalian
alle anderen Unternehmen
Die Accounting Standards for Small Enterprises (ASSE)
sind erstmals anzuwenden für das Geschäftsjahr 2013, eine
frühere Anwendung ist erlaubt. Freiwillig können alternativ
statt der ASSE die 2006 erlassenen China Accounting
Standards (CAS) angewandt werden, die allerdings erheblich
komplexer sind als die ASSE und die Anwender vor
erhebliche Herausforderungen stellen können. Eine
Anwendung der Current China GAAP ist ab 2013 nicht
mehr möglich.
4 China Compass Frühjahr 2012
In diesem Beitrag erfahren Sie
● welcher Bilanzierungsstandard für welches
Kleinunternehmen gilt.
● nach welchen Kriterien Circular 300
Kleinunternehmen in Typen aufteilt.
● was sich gegenüber den alten Vorgaben
geändert hat.
Definition Kleinunternehmen
Als Kleinunternehmen gelten Firmen, welche die festgelegten
Größenkriterien nicht überschreiten und zusätzlich die
folgenden drei Eigenschaften aufweisen:
● Sie sind nicht an der Börse notiert.
● Sie sind keine Finanzinstitutionen.
● Sie sind kein in einen Konzernabschluss einbezogenes
Mutter- oder Tochterunternehmen.
Mutterunternehmen mit Sitz in China müssen nach New CAS
einen Konzernabschluss aufstellen, die in diesen Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen müssen einheitlich
nach New CAS bilanzieren. Nach dieser Bestimmung sind
Tochterunternehmen von der Anwendung der ASSE generell
ausgeschlossen, unabhängig davon, ob sie in einen inländischen oder ausländischen Konzernabschluss einbezogen
werden. Das Finanzministerium erwägt nach Erhalt von
diversen Anfragen, diese Bestimmung zu konkretisieren und
für Tochterunternehmen ausländischer Konzerne, welche die
Größenmerkmale für Kleinunternehmen aufweisen und nicht
in einen inländischen Konzernabschluss nach New CAS einbezogen werden, die Anwendung der ASSE zuzulassen. Wird
von einem ausländisch finanzierten Unternehmen ein Teilkonzern nach New CAS erstellt, müssen die in diesen Teilkonzern einbezogenen Tochterunternehmen einheitlich New
CAS anwenden, die ASSE sind in diesem Fall für Tochterunternehmen nicht anwendbar.
Die Kriterien für die Einteilung nach Größen regelt
Circular 300, das insgesamt vier Regierungsorganisationen
gemeinsam im Juni 2011 erlassen haben. Damit ist die
Verwaltungsanweisung Guo Jing Mao Zhong Xiao Qi 143 aus
dem Jahr 2003 zur Definition von Größenklassen nicht mehr
anzuwenden. Die Größe wird nach dem neuen Circular 300
bestimmt durch den Umsatz sowie der Bilanzsumme. Nur
im Ausnahmefall wird auch die Anzahl der Mitarbeiter zur
Definition der Größe herangezogen, wie die nachfolgende
Tabelle zeigt.
Reporting und Controlling
Tab. 2
Größenmerkmale nach Circular 300
Nr.
Industrie
kleine Kleinunternehmen
mittlere Kleinunternehmen
große Kleinunternehmen
1
Landwirtschaft, Forstwirtschaft,
Tierzucht und Fischfang
0,5–5 Mio. RMB Umsatz
5–200 Mio. RMB Umsatz
< 200 Mio. RMB Umsatz
2
verarbeitendes Gewerbe
allgemein
3–20 Mio. RMB Umsatz und
20–300 Mitarbeiter
20–400 Mio. RMB Umsatz und
300–1.000 Mitarbeiter
< 400 Mio. RMB Umsatz oder
≤ 1.000 Mitarbeiter
3
Bau
3–60 Mio. RMB Umsatz und
3–50 Mio. RMB Bilanzsumme
60–800 Mio. RMB Umsatz und
50–800 Mio. RMB Bilanzsumme
< 800 Mio. RMB Umsatz oder
< 800 Mio. RMB Bilanzsumme
4
Großhandel
10–50 Mio. RMB Umsatz und
5–20 Mitarbeiter
50–400 Mio. RMB Umsatz und
20–200 Mitarbeiter
< 400 Mio. RMB Umsatz oder
< 200 Mitarbeiter
5
Einzelhandel
1–5 Mio. RMB Umsatz und
10–50 Mitarbeiter
5–200 Mio. RMB Umsatz und
50–300 Mitarbeiter
< 200 Mio. RMB Umsatz oder
< 300 Mitarbeiter
6
Transport
2–30 Mio. RMB Umsatz und
20–300 Mitarbeiter
30–300 Mio. RMB Umsatz und
300–1.000 Mitarbeiter
< 300 Mio. RMB Umsatz oder
< 1.000 Mitarbeiter
7
Lagerhaltung
1–10 Mio. RMB Umsatz und
20–100 Mitarbeiter
10–300 Mio. RMB Umsatz und
100–200 Mitarbeiter
< 300 Mio. RMB Umsatz oder
< 200 Mitarbeiter
8
Post
1–20 Mio. Umsatz RMB und
20–300 Mitarbeiter
20–300 Mio. RMB Umsatz und
300–1.000 Mitarbeiter
< 300 Mio. RMB Umsatz oder
< 1.000 Mitarbeiter
9
Hotelgewerbe
1–20 Umsatz und
10–100 Mitarbeiter
20–100 Umsatz und
100–300 Mitarbeiter
< 100 Mio. RMB Umsatz oder
< 300 Mitarbeiter
10
Gastronomie
1–20 Mio. RMB Umsatz und
10–100 Mitarbeiter
20–100 Mio. RMB Umsatz und
100–300 Mitarbeiter
< 100 Mio. RMB Umsatz oder
< 300 Mitarbeiter
11
Datenübertragung
1–10 Mio. RMB Umsatz und
10–100 Mitarbeiter
10–1.000 Mio. RMB Umsatz und
100–2.000 Mitarbeiter
< 1.000 Mio. RMB Umsatz oder
< 2.000 Mitarbeiter
12
Software und
Informationstechnologie
0,5–10 Mio. RMB Umsatz und
10–100 Mitarbeiter
10–100 Mio. RMB Umsatz und
100–300 Mitarbeiter
< 100 Umsatz oder
< 300 Mitarbeiter
13
Immobilienentwicklung
1–10 Mio. RMB Umsatz oder
20–50 Mio. RMB Bilanzsumme
10–2.000 Mio. RMB Umsatz und
50–100 Mio. RMB Bilanzsumme
< 2.000 Mio. RMB Umsatz oder
< 100 Mio. RMB Bilanzsumme
14
Immobilienverwaltung
5–10 Mio. RMB Umsatz und
100–300 Mitarbeiter
10–50 Mio. RMB Umsatz und
300–1.000 Mitarbeiter
< 50 Mio. RMB Umsatz oder
< 1.000 Mitarbeiter
15
andere Dienstleistungen und
Leasing
10–100 Mitarbeiter und
1–80 Mio. RMB Bilanzsumme
100–300 Mitarbeiter und
80–1.200 Mio. RMB Bilanzsumme
< 300 Mitarbeiter oder
< 1.200 Mio. RMB Bilanzsumme
16
andere
10–100 Mitarbeiter
100–300 Mitarbeiter
< 300 Mitarbeiter
Auch Unternehmen, die unter diesen Grenzen für Kleinunternehmen liegen (Mikrounternehmen), werden den
neuen Bilanzierungsstandard anwenden müssen. Zumindest
nach den bisherigen Beobachtungen werden viele ausländisch investierte Unternehmen, die neu in China
gegründet wurden, schnell aus der kleinen Größenklasse
herauswachsen. Für diese Unternehmen lohnt es sich eher
nicht, die ASSE anzuwenden, da bei der erstmaligen Anwendung von New CAS einige Bilanzpositionen rückwirkend
umzustellen sein werden. Wird allerdings nicht mit starkem
Wachstum gerechnet, können die ASSE eine attraktive
Alternative sein.
China Compass Frühjahr 2012 5
Reporting und Controlling
Die Erleichterungen im Einzelnen
Grundsätzliches Ziel des neuen Bilanzierungsstandards ist,
die Bilanzierung von Vermögensgegenständen und Schulden
so nah wie möglich an die steuerlichen Vorschriften anzupassen, um die Komplexität der Erstellung des Jahresabschlusses für das Unternehmen so gering wie möglich
zu halten.
Tab. 3
Erleichterungen gegenüber den alten Vorgaben
Bilanzposten
Bilanzierungsmethode
Erleichterungen gegenüber New CAS
Immaterielles und
Sachanlagevermögen
Anschaffungs- oder Herstellungskosten (inkl. zuordenbare Fremdkapitalkosten) werden aktiviert und grundsätzlich linear über die
voraussichtliche Nutzungsdauer abgeschrieben. Wartungs- und
Reparaturaufwendungen werden als Aufwand gebucht. Entwicklungskosten müssen aktiviert werden.
Außerplanmäßige Abschreibungen auf einen
niedrigeren Zeitwert sind nicht vorgesehen.
Größerer Erhaltungsaufwand wird als Rechnungsabgrenzungsposten nur bilanziert, sofern die
betroffenen Anlagegegenstände
●
bereits voll abgeschrieben sind,
●
zumindest 50 Prozent der Anschaffungskosten
ausmachen und
●
die Nutzungsdauer um mindestens zwei Jahre
verlängern.
Vermögensgegenstände aus Finance-LeaseVerträgen sind mit Beträgen anzusetzen, die sich
direkt aus dem Vertrag ergeben.
Forderungen
Bilanzierung zum Nennwert. Abwertungen auf zweifelhafte
Forderungen, sofern bestimmte Umstände vorliegen (insb.
keine Abzinsung auf den niedrigeren Barwert bei
langlaufenden Fälligkeiten
1. Gläubigerverzicht oder
2. Schuldnerkonkurs oder
3. überfällig seit mehr als drei Jahren).
Anteile an
Unternehmen
Bilanzierung zu Anschaffungskosten
keine Anwendung der komplexeren
Equity-Methode
Vorräte
Bilanzierung zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Herstellungskosten werden nach dem Vollkostenprinzip ermittelt, allgemeine
Verwaltungskosten bleiben unberücksichtigt. Abwertung für Überbestände sowie beschädigte Vorräte.
Aktivierung von Fremdkapitalzinsen nur, sofern der
Herstellungsprozess mehr als ein Jahr dauert.
Verbindlichkeiten
Verbindlichkeiten (inkl. Rückstellungen) werden definiert als
Verpflichtungen resultierend aus Ereignissen der Vergangenheit. Im
Standard angesprochen werden verschiedene abzugrenzende Sachverhalte, wie Verpflichtungen aus Arbeitsverhältnissen, Zinsen, Steuern,
ausstehende Rechnungen aus Liefer- und Leistungsverhältnissen.
nicht angegeben
Rückstellungen
Andere als die unter den Verbindlichkeiten erwähnten Abgrenzungen
der Verbindlichkeiten werden nicht angesprochen. Nicht erwähnt
werden zum Beispiel Rückstellungen für Drohverluste, für Umweltschäden, für Rechtstreitigkeiten und anderes mehr. Solche Rückstellungen wären in jedem Fall nicht steuerlich abzugsfähig.
keine Abzinsung
Derivative
Finanzinstrumente
Ansatz zu Anschaffungskosten
keine Zeitwertbewertung, kein Ansatz von
schwebenden Geschäften, das heißt kein
Hedge Accounting
Umsatzabgrenzung
Lieferung von Gütern: Generell soll Umsatz gebucht werden, wenn die
Warenlieferung erfolgt ist.
Ist Ratenzahlung vereinbart, wird Umsatz bei
Fälligkeit der Raten gebucht, vorausgesetzt, die
Lieferung ist erfolgt.
Leistungen: Umsatz für vereinbarte Leistungen ist zeitanteilig zu
buchen.
Die Percentage-of-Completion-Methode bei Lieferungen (Gewinnrealisierung nach Leistungsfortschritt) wird zwar nicht im ASSE
erwähnt, ist allerdings nach den Steuergesetzen vorgeschrieben.
6 China Compass Frühjahr 2012
Reporting und Controlling
Bilanzposten
Bilanzierungsmethode
Erleichterungen gegenüber New CAS
Steuern
Steuern des Geschäftsjahrs werden berücksichtigt.
kein Ansatz von latenten Steuern
Elemente des
Jahresabschlusses
Bilanz, Gewinn-und-Verlust-Rechnung, Cashflow-Rechnung, Anhang
keine Segmentberichterstattung, keine
Eigenkapitalveränderungsrechnung
Folgende Anhangsangaben sind zu machen:
Die Angabepflichten beim Anhang in New CAS sind
sehr umfangreich. Verglichen hiermit müssen keine
Angaben gemacht werden zu:
Anhang
Konzernabschluss
●
Erklärung der Geschäftsleitung, dass der Bilanzierungsstandard
korrekt angewandt wurde
●
Erläuterungen zu den Bilanzposten: Anlagevermögen,
Forderungen, Vorräte, kurzfristige Finanzanlagen, Lohnund Gehalts- sowie Steuerverbindlichkeiten
●
angewandten Bilanzierungsmethoden
●
Geschäfte mit nahestehenden Personen
●
Anlagespiegel
●
Angaben zur Gewinnverwendung
●
Geschäftsführergehältern
●
Angabe zu den Vermögensgegenständen, die der Sicherung
von eingegangenen Haftungsverhältnissen dienen
●
Leasingverhältnissen
●
Angaben zu Plänen der Unternehmensfortführung, sofern
erhebliche Verluste anfallen
●
Überleitung des im Jahresabschluss ausgewiesenen Gewinns
vor Steuern zum zu versteuernden Einkommen
Unternehmen, die in einem Mutter-Tochter-Verhältnis stehen, dürfen
die ASSE nicht anwenden.
nicht angegeben
..............................................................................................................................................
Ihr Ansprechpartner
Jens-Peter Otto
Tel.: +86 21 2323-3350
jens-peter.x.otto@cn.pwc.com
China Compass Frühjahr 2012 7
Investition und Finanzierung
Investition und Finanzierung
Florierende Halbleiterindustrie
erfordert Anpassungen vom Markt
China hat sich, wie Ihr „China Compass“ bereits in
der Ausgabe Sommer 2011 berichtete, in den letzten
Jahren zum größten Halbleitermarkt der Welt
entwickelt – und wird weiter florieren. Doch nach
ungestümem Wachstum in der Vergangenheit wird
der Markt reifer. Was westliche Unternehmen der
Branche über die aktuelle Entwicklung wissen
sollten, das lesen Sie im aktuellen Beitrag.
China: 50 Prozent des Marktanteils an
weltweiter Halbleiternachfrage bis 2015
In den vergangenen Jahren wuchs der weltweite Halbleitermarkt gemessen am Verkaufsvolumen jährlich um durchschnittlich neun Prozent. Dieses Wachstum bremste die
weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 nur kurzfristig.
Danach stieg der Absatz wieder rasch an und erreichte im
Jahr 2011 einen Rekordwert von 299,5 Milliarden US-Dollar.
Ein wesentlicher Treiber des aktuellen Marktwachstums
ist die stark steigende Nachfrage in China. Schon jetzt ist
China nach Verkäufen der größte Halbleitermarkt der Welt.
Weiterverarbeitende Industrien in China erzielen mehr als
40 Prozent der weltweiten Nachfrage. Getrieben wird das
Marktwachstum in China durch den Bedarf der jeweiligen
Anwendermärkte, in denen China im globalen Vergleich
ebenfalls dominiert. Im Wesentlichen handelt es sich dabei
um die Herstellung von PCs und Laptops, Mobiltelefonen
sowie Haushaltsgeräten und Unterhaltungselektronik, die
sowohl für den lokalen als auch für den Weltmarkt bestimmt
sind. Ebenfalls ein hohes Gewicht hat der Automobilsektor.
Der Halbleiteranteil an der gesamten Wertschöpfung wird in
der Automobilherstellung unter anderem durch Hybrid- und
Elektrofahrzeuge weiter steigen. Analysen der Automobilexperten von PwC Autofacts zufolge wird das Wachstum in
der globalen Autoproduktion auf lange Sicht durch die
Staaten Brasilien, Russland, Indien und China getrieben.
Davon wird, das zeichnet sich deutlich ab, mittelfristig auch
der chinesische Halbleitersektor profitieren.
Nach der neuesten Prognose zum weltweiten Halbleitermarkt
wird sich dieser Weltmarktanteil der Halbleiternachfrage aus
China bis 2015 noch weiter auf über 50 Prozent erhöhen.
In diesem Beitrag erfahren Sie
● wie sich die Halbleiterindustrie in China gerade
grundlegend verändert.
● welche Kriterien ein idealer Kooperationspartner in China erfüllt.
● auf welche Herausforderungen sich Unternehmen grundsätzlich einstellen müssen.
Die neuesten Entwicklungen zeigen eine
höhere Marktreife
Den chinesischen Halbleitermarkt dominieren aktuell
große, internationale Unternehmen wie Intel, Samsung und
Toshiba. Die Top Ten der Zulieferer für Halbleiter teilen über
50 Prozent des Gesamtmarkts unter sich auf – allesamt
multinationale Unternehmen.
Durch viele Neu- und Ausgründungen aus staatlichen
Instituten in den vergangenen Jahren gibt es mittlerweile
aber auch eine stattliche Anzahl von chinesischen Halbleiterunternehmen. Bislang waren diese vor allem Zulieferer der
wichtigen Produzenten, beispielsweise in den relativ arbeitsintensiven Verpackungs- und Testprozessen. Inzwischen
besetzen chinesische Firmen aber immer mehr auch relativ
hochwertige Ebenen der Wertschöpfung wie Produktion und
Design. Kurzum: Die chinesische Halbleiterindustrie wird
erwachsen.
Durch die steigende Nachfrage und die Entwicklung der
Halbleiterwertschöpfung in China ergeben sich Chancen
auch für internationale Unternehmen. Das Marktwachstum
können sie nutzen, indem sie ihre Präsenz in China weiter
ausbauen, etwa mittels Akquisitionen, Partnerschaften mit
lokalen Firmen oder Investitionen in schon vorhandene
Unternehmen. Allerdings sind ausländische Firmen gut
beraten, bei Akquisitionen und Partnerschaften nichts zu
überstürzen. Denn eine Transaktion muss zur Strategie aller
beteiligten Unternehmen passen. Diese allgemeine Regel gilt
auch und besonders in China.
Chancen und Herausforderungen für
deutsche Unternehmen
Der chinesische Halbleitersektor befindet sich momentan in
einem Umbruch hin zu höherer Wertschöpfung mithilfe
modernerer Design- und Fertigungstechnologien. In diesem
Wandel können chinesische Unternehmen die Erfahrung
ausländischer Unternehmen gut gebrauchen. Entsprechend
ist das Interesse groß, gemeinsam mit einem erfahrenen
Partner neue Märkte zu erschließen. Davon können auch
8 China Compass Frühjahr 2012
Investition und Finanzierung
Abb. 1
Weltweiter Halbleitermarkt 2003 bis 2011 nach Verkaufsvolumen und Region
298,3
247,7
256,3
227,5
213,0
34,8%
41,0%
166,4
18,5%
19,4%
20,4%
China
38,3%
21,5%
21,3%
42,4%
226,3
28,9%
24,8%
23,4%
40,5%
248,6
299,5
18,0%
18,4%
Amerika
15,6%
14,4%
Japan
13,1%
12,6%
Europa
Sonstige
19,1%
19,5%
20,6%
17,0%
19,4%
18,4%
16,6%
15,4%
16,9%
19,4%
18,5%
17,9%
18,1%
18,5%
18,3%
17,3%
16,1%
2003
2004
2005
2006
16,0%
15,2%
13,2%
13,5%
11,6%
11,9%
12,8%
12,2%
2007
2008
2009
2010
2011
19,3%
Gesamt weltweit (Mrd. USD)
Quelle: PwC, SIA, CCI
deutsche Unternehmen profitieren, die ihre Marktpräsenz im
Reich der Mitte erhöhen wollen. Eine Zusammenarbeit ist
damit in beiderseitigem Interesse.
Zehn Empfehlungen für die Arbeit
deutscher Unternehmen in China
Fazit
Verstehen Sie die Agenda der Regierung und
profitieren Sie von ihr
In Chinas zwölftem Fünfjahresplan sind die politischen und
wirtschaftlichen Ziele der Regierung dargelegt. Wer diese
Ziele direkt oder indirekt mit einem tragfähigen Businessplan adressieren kann, kann von einem vorteilhaften Marktumfeld profitieren und mit Unterstützung der Behörden
rechnen.
Chinas Halbleiterindustrie ist auf dem Vormarsch: als
Abnehmer, aber auch als Produzent und Entwickler. Eine
hohe staatliche Förderung dieser Schlüsseltechnologie
kombiniert mit zahlreichen Unternehmensneugründungen
und Investitionen von ausländischen Halbleiterunternehmen
lassen darauf schließen, dass der Markt langsam erwachsen
wird. Dennoch sollten sich Investoren der Gefahren immer
bewusst bleiben: Unklare rechtliche Rahmenbedingungen,
ein schwieriger Schutz von geistigem Eigentum und eine
schnelle inländische Konkurrenz fordern einen wohlüberlegten Einstieg in den Markt oder den Ausbau der Marktpräsenz. Deswegen ist es besonders wichtig, den richtigen
Partner zu finden. Das chinesische Unternehmen muss zur
strategischen Zielsetzung passen und eine umfassende Due
Diligence ist unerlässlich, um eine langfristige, erfolgreiche
Zusammenarbeit zu gewährleisten.
Kooperieren Sie mit der Regierung und
staatlichen Einrichtungen
Der Einfluss der Regierung und staatlicher Einrichtungen
reicht sehr weit. Gerade bei staatlichen Infrastrukturprojekten
(etwa Eisenbahn, Flugverkehr, Telekommunikation oder
Gesundheit) ist ohne Kooperation kein Markterfolg möglich.
Darüber hinaus sollten Sie auch von zahlreichen staatlichen
Entwicklungs- und Förderungsprogrammen profitieren
können.
China Compass Frühjahr 2012 9
Investition und Finanzierung
Adaptieren Sie lokale Standards
China setzt weiterhin oft eigene alternative technische
Standards. Diese sollen die Eigenheiten des lokalen Markts
berücksichtigen. Erfolgreich gesetzte Standards bieten meist
ein deutliches höheres Marktpotenzial als nicht angepasste
Produkte.
Produzieren und vermarkten Sie reife Produkte
in China
Reifere Produkte und Produktlinien am Ende des Produktlebenszyklus können oftmals kostengünstig in China produziert
werden und treffen auf hohe Nachfrage. Sie können auf diese
Weise die Lebenszeit ausgewählter Produkte verlängern und
schützen gleichzeitig Ihre neuesten Produktentwicklungen
vor möglichen Gefahren durch Produktpiraterie.
Entwickeln Sie Produkte für den
chinesischen Markt
Die Anforderungen chinesischer Kunden können sich
erheblich von denen deutscher unterscheiden. Beispielsweise
ist die Preissensibilität in China besonders hoch, die Kunden
wollen oftmals einfache Produkte, die nur wenig kosten
dürfen. „Importierte“ Produktkonzepte sind daher oftmals zu
aufwendig und zu teuer. Die Entwicklung lokaler Produkte ist
oft entscheidend für den Markterfolg.
Beobachten Sie die lokale Konkurrenz
Die lokale Konkurrenz ist schnell in der Entwicklung und
Adaptierung von Konkurrenzprodukten. Ein kontinuierlicher
Dialog mit Ihren Kunden kann wichtige Hinweise darauf
geben, wie Ihre lokale Konkurrenz agiert.
Beziehen Sie (Vor-)Leistungen lokal
In China entsteht immer mehr eine kompetitive lokale
Zulieferindustrie. Bislang waren dies vor allem Leistungen
im Bereich Verpackung (packaging) und Testen (testing),
mittlerweile werden jedoch auch höhere Wertschöpfungsstufen wie die Herstellung ausschließlich für andere Halbleiterunternehmen (foundry) im höheren Maße angeboten.
Nutzen Sie die lokale Expertise und profitieren Sie von
kostengünstigen Zulieferern.
Investieren Sie in Beziehungen
Persönliche Beziehungen sind in China besonders wichtig,
um langfristig Erfolg zu haben. Dazu zählen nicht nur die
Beziehungen zu Ihren Kunden, sondern auch zu Ihren
Lieferanten, zur Regierung und öffentlichen Einrichtungen
und nicht zuletzt auch zu Ihren Mitarbeitern. Diese sind vielleicht Ihre wichtigste Investition und helfen, die Kosten für das
Halten von erfahrenen Mitarbeitern im Rahmen zu halten.
10 China Compass Frühjahr 2012
Nutzen Sie die Möglichkeiten von steuer- und
gesellschaftsrechtlichen Vergünstigungen
China bietet viele Möglichkeiten für Steuervergünstigungen
oder Vergünstigungen anderer Art, wenn damit wirtschaftspolitische Ziele direkt oder indirekt gefördert werden. In
letzter Zeit werden vor allem Forschung und Entwicklung
sowie Produktion auf höherer Wertschöpfungsebene
gefördert. Es lohnt sich, diesem Bereich gegenüber sehr
aufmerksam zu sein.
Überprüfen Sie Ihr Geschäftsmodell in China
Sie sollten Ihre Marktpräsenz in China kontinuierlich auf den
Prüfstand stellen und gegebenenfalls anpassen. Nichts ist so
sicher wie der Wandel. Aber eines kann mit großer Sicherheit
gesagt werden: Chinas Bedeutung als Absatzmarkt wird
weiter zunehmen. Wenn Ihre Präsenz in China unterhalb
der Wettbewerber liegt, sollten Sie überlegen, wie Sie den
Markt weiter erschließen können. Gründe dafür gibt es viele:
Die schnelle Verstädterung, ein stark wachsender Konsum
und der Trend zu mehr Umweltbewusstsein sind nur einige
davon. Investitionen können auf vielfältige Weise erfolgen.
Dazu gehört auch die ständige Suche nach möglichen
Akquisitionszielen oder die Sache nach geeigneten
Kooperationspartnern.
Lesetipps
● „Markttreiber Halbleiterindustrie: Chancen für
deutsche Unternehmen“, in: China Compass,
Ausgabe Sommer 2011, ab Seite 4
● PwC-Studie Faster, greener, smarter – reaching
beyond the horizon in the world of semiconductors,
www.pwc.de/semiconductors-2012
● PwC-Studie Chinas’s impact on the semiconductor
industry 2011 update, www.pwc.de/chinasemiconductor
...............................................................................................................................................
Ihre Ansprechpartner
Werner Ballhaus
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Constantin Vogel
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Investition und Finanzierung
Entwicklungen auf dem
Wohnungsmarkt: Reformen
zeigen Wirkung
Der chinesische Immobilienmarkt erlebte in den
letzten Jahren eine rasante Entwicklung. Selbst
Preissteigerungen in zweistelliger Höhe waren für
Wohnimmobilien keine Seltenheit. Da mit dem
schnellen Wachstum auch die Angst vor einer
Überhitzung des Markts und einer Blasenbildung
zunahm, sah sich die chinesische Regierung
veranlasst, regulierend einzugreifen. – Was Beijing
unternimmt, darüber informiert Sie der folgende
Beitrag von Florian Hackelberg und Rosi Ji.
Das schnelle Wachstum des Immobilienmarkts in China wird
zum einen durch spekulative Investitionen angeheizt, zum
anderen durch fehlende Investitionsalternativen. Viele
Chinesen wurden durch die turbulenten Entwicklungen und
Finanzskandale abgeschreckt und bleiben der Börse zurzeit
lieber fern. Zinsen für Festgeld dagegen sind so niedrig, dass
sie nicht einmal die Inflationsverluste decken. Deswegen
sieht speziell die chinesische Mittelschicht Zweit- oder Drittwohnungen als attraktive Möglichkeit, ihr Erspartes gewinnbringend anzulegen. Auch gesellschaftliche Gründe spielen
beim Erwerb einer zusätzlichen Wohnung eine Rolle, denn
oft ist sie eine der Voraussetzungen für die Gründung
einer Familie und manchmal sogar für eine Heirat. Dieses
Problemgemenge verdichtet sich noch durch eine vermieterfreundliche Mietgesetzgebung.
Aus diesem Grund steigen sowohl die Nachfrage als auch
die Immobilienpreise massiv. Für viele Chinesen wird eine
Wohnung schlicht unbezahlbar. Außerdem ist der soziale
Wohnungsbau innerhalb der Bauaktivitäten weiterhin stark
unterrepräsentiert. Schon jetzt ist vielerorts das Verhältnis
zwischen Jahreseinkommen und Wohnungspreis deutlich
ungünstiger als in westlichen Ländern.
Um diese Situation zu entschärfen und eine weitere Überhitzung zu verhindern, will die chinesische Regierung den
Immobilienmarkt kontrollieren und stabilisieren. Einem Absturz, wie er im Zuge der Finanzkrise in den USA und Teilen
Europas zu beobachten war, steuerte Beijing im vergangenen
Jahr vehement gegen. Die wesentlichen steuerlichen und
finanzpolitischen Maßnahmen stellen Ihnen die folgenden
Abschnitte vor.
In diesem Beitrag erfahren Sie
● auf welche Entwicklungen die
Regierung reagiert.
● welche konkreten Maßnahmen Beijing
bereits umsetzte.
● wie sich die Maßnahmen auf das
Marktgeschehen auswirken.
Einführung höherer Quoten für
das Mindesteigenkapital
Immobilienspekulanten versuchen oft, die potenzielle
Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals mithilfe eines
höchstmöglichen Fremdkapitalanteils zu steigern. Mit dieser
Hebelwirkung (Leverage-Effekt) wächst aber auch das
Risiko, bei einem starken Wertverfall der Immobilie einen
Verlust zu erleiden, der das Eigenkapital übersteigt. Um
Privatinvestoren vor solch einem Totalverlust ihres Kapitals
zu schützen und Spekulationen einzudämmen, führte
Circular 10 bereits im Frühjahr 2010 neue Regelungen ein.
Mindesteigenkapitalquoten sollen den Kauf von Immobilien
erschweren, besonders von nicht selbst genutzten
Spekulationsobjekten. Die Eigenkapitalquote muss für die
erste Wohnung mindestens 50 Prozent betragen und für
weitere Wohnungen signifikant von der Bank erhöht werden.
Einführung von Immobiliensteuern
Die Regierung hat lange gezögert, bevor sie dann schließlich
eine Immobiliensteuer einführte. 2011 wurde zunächst eine
Grundsteuer auf wohnwirtschaftlich genutzte Immobilien in
Shanghai und Chongqing erhoben, um den Markt weiter abzukühlen.
Derzeit wird vielerorts über die Auswirkungen der Maßnahmen diskutiert. Zumindest die Zahlen des letzten Jahres
deuten auf erste Erfolge hin, die allgemeine Preissteigerung
des Immobilienmarkts jedenfalls scheint unter Kontrolle.
Im vierten Quartal 2011 ist der Anteil neuer Immobilieninvestitionen zwar stabil geblieben, doch die Wachstumsrate neuer Bauprojekte ist deutlich gesunken. Die durchschnittlichen Preise nahmen ebenfalls tendenziell ab, obwohl das Transaktionsvolumen insgesamt gestiegen ist (Abbildung 1). Diese Entwicklung schlägt sich auch im Klimaindex für den Immobilienmarkt (Abbildung 2) nieder, der
unter die 100-Punkte-Marke fiel.
China Compass Frühjahr 2012 11
Investition und Finanzierung
Preise für Immobilieninvestitionen
500
6.000
400
5.000
4.000
300
3.000
200
2.000
100
Preis (RMB/m2)
Fläche (Mio. m2)
Abb. 1
1.000
0
0
Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4
2009
2010
2011
Fläche
Preis pro Wohneinheit
Quelle: National Bureau of Statistics
2,2 Millionen Einwohnern, rund 360 Kilometer westlich von
Shanghai, hat ihre neu erlassenen Richtlinien drei Tage,
nachdem sie eingeführt worden waren, wieder zurückgezogen. Denn die Zentralregierung hatte Druck auf sie
ausgeübt, weil Wuhu Ausnahmeregelungen bei Steuern und
Zuschüssen hatte einführen wollen. Außerdem entzog das
Ministerium für Land und Ressourcen 22 Städten das Recht,
Genehmigungen für Grundstücksbebauungen zu erteilen.
Zusätzlich soll ein sogenanntes städtisches individuelles
Wohnungsinformationssystem (urban individual housing
information system) in 40 Städten integriert werden.
Gleichzeitig unternahmen die städtischen Regierungen
aber auch selbst Anstrengungen, die Entwicklung auf dem
Immobilienmarkt zu stabilisieren, und bestätigten, dass sie
die Restriktionen für den Kauf von Wohnimmobilien im
Jahr 2012 weiter beibehalten wollen.
Ausblick
Abb. 2
Klimaindex für den Immobilienmarkt
106
104
102
100
98
96
94
Mrz Jun Sep Dez Mrz Jun Sep Dez Mrz Jun Sep Dez
09 09 09 09 10 10 10 10 11 11 11 11
Quelle: National Bureau of Statistics
Angesichts dieser Entwicklungen hat die Regierung betont,
sie werde ihre regulatorische Politik weiterverfolgen und zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um den Immobilienmarkt
noch stärker zu steuern und die Preise für Wohnraum auf ein
angemessenes Niveau zu bringen.
Eine dieser neuen Maßnahmen ist der überarbeitete Entwurf
Idle land disposal methods, der im Dezember 2012 von der
Regierung vorgelegt wurde. Diese Regelungen zur Bebauung
von Brachland führte das Ministerium für Land und
Ressourcen ein, um die lokalen Behörden stärker zentral zu
kontrollieren und eine effizientere Ausnutzung von Landflächen zu gewährleisten. Auch die Städte werden angehalten, sich an der Lenkung des Immobilienmarkts zu
beteiligen. Die bezirksfreie Stadt Wuhu etwa mit ihren rund
12 China Compass Frühjahr 2012
Die skizzierten Entwicklungen, besonders die stagnierenden
Preise sowie der fallende Immobilienindex zeigen: Generell
scheinen die regulatorischen Maßnahmen zu greifen. Außerdem wird die chinesische Zentralregierung mit ziemlicher
Sicherheit weiterhin steuernd in die Marktmechanismen
eingreifen. Auch die städtischen Regierungen haben ein
Interesse daran, den Wohnungsmarkt zu entspannen und
ihren Bürgern bezahlbare Unterkünfte zu Verfügung zu
stellen. Andererseits profitieren die lokalen Provinzregierungen aber von einem boomenden Immobilienmarkt.
Denn sie werden an ihren lokalen Einnahmen gemessen,
die besonders dann steigen, wenn der Verkauf von Landnutzungsrechten zunimmt. Möchte die chinesische Zentralregierung den Immobilienmarkt langfristig stabilisieren,
muss sie die unterschiedlichen Interessen sorgfältig ausbalancieren. Nur so kann sie gewährleisten, dass die notwendigen tief greifenden Maßnahmen, die eine allzu starke
Überhitzung auf Dauer verhindern, von allen Seiten auch
umgesetzt werden.
Ein sozialer Interessenkonflikt sollte dabei ebenfalls nicht
außer Acht bleiben: Sinken die Wohnimmobilienpreise,
können sich zwar einerseits mehr Familien eine Wohnung
leisten. Andererseits aber würden andere Familien, die ihr
gesamtes Erspartes bereits in eine Wohnung angelegt haben,
Verlust machen.
Ausländische Investoren scheinen sich jedenfalls durch die
Maßnahmen nicht abschrecken zu lassen. Die von PwC und
dem Urban Land Institute durchgeführte Studie Emerging
Trends in Real Estate 2012 (ETRE) belegt: Chinesische
Großstädte belegen in diesem Ranking immer noch Spitzenplätze als Immobilieninvestitionsziele (Details entnehmen
Sie bitte Abbildung 3).
Investition und Finanzierung
Abb. 3
Aussichten für städtische Investitionsprojekte 2007–2012
Tab. 1
Aussichten für städtische Investitionsprojekte 2007–2012
City
Beijing
Chongqing
Guangzhou
New Delhi
Seoul
Bangalore
2009
2008
2007
Singapore
1
1
5
2
2
4
Shanghai
2
2
1
5
1
2
Sydney
3
6
6
14
15
16
Chongqing
4
–
–
–
–
–
Beijing
5
7
3
12
6
9
6
8
12
16
9
7
Taipei
8
13
11
8
16
5
Taipei
H.C.M. City
9
11
13
13
8
12
Bangalore
10
10
14
4
12
10
Jakarta
11
14
17
20
20
19
Ho Chi
Minh City
Kuala Lumpur
Singapore
Jakarta
Investment Prospects
Generally Good
2010
Guangzhou
Manila
Bangkok
2011
Tokyo
Osaka
Shanghai
Hong Kong
Mumbai
2012
Fair
New Delhi
12
5
10
9
13
14
Bangkok
13
17
19
18
18
8
Hong Kong
14
4
2
3
5
11
Mumbai
15
3
8
7
10
17
Kuala Lumpur
16
15
15
10
11
15
Tokyo
17
12
7
1
3
3
Manila
18
20
20
19
19
18
Seoul
19
16
4
6
7
13
Osaka
20
19
18
15
4
1
Quelle: Emerging Trends in Real Estate 2012; PwC/Urban Land Institute
Quelle: Emerging Trends in Real Estate 2012; PwC/Urban Land Institute
Die Studie herunterladen können Sie unter
www.pwc.de/emerging-trends-2012.
...............................................................................................................................................
Hintergrundinformationen zur Entwicklung des
Wohnungsmarkts in China können Sie auch zwei
früheren Beiträgen Ihres China Compass entnehmen:
● Urbanisierung als Schlüssel zur Zukunft,
China Compass, Winter 2011/2012, ab Seite 17
● Einführung einer Immobiliensteuer in China,
China Compass, Frühjahr 2011, ab Seite 20
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Dirk Hennig
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Dr. Florian Hackelberg
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China Compass Frühjahr 2012 13
Investition und Finanzierung
Chinas Erwartungen: Rede des
Premierministers vor dem
Nationalen Volkskongress
China befindet sich an einem Wendepunkt. Ein
Regierungswechsel steht in diesem Jahr an und
das mitten in einer Abschwächung der nationalen
Konjunktur. Das reduzierte wirtschaftliche
Wachstum strapaziert die geplanten Reformen der
Regierung unter Präsident Hu Jintao und Premierminister Wen Jiabao in den Bereichen Politik,
Wirtschaft und Sozialsystem. Die Nachfolgeregierung wird auch daran zu messen sein, wie
entschlossen sie den Umbau des Staates weiter
vorantreibt. Der enorme Anstieg des chinesischen
Wirtschaftswachstums in den vorangegangenen
Jahren ging einher mit Entwicklungen, die es
nun zu steuern gilt: wachsende Unterschiede im
Wohlstand, massive Herausforderungen im
Kampf für die Erhaltung der Umwelt und soziale
Unzufriedenheit. – Wird die nächste Generation
von Regierungschefs in der Lage sein, das in den
vergangenen Jahren geschaffene Potenzial zu
nutzen und Reformen voranzutreiben, um Chinas
wirtschaftliche Bedeutung in der Welt wie den
sozialen Wohlstand im Land zu mehren? – Die
wichtigsten Themen des Rechenschaftsberichts
vor den rund 3.000 Delegierten stellt Ihnen der
folgende Beitrag vor.
Ministerpräsident Wen Jiabao skizzierte in seinem Bericht
vor dem Nationalen Volkskongress in Beijing einen Rahmen,
nach dem Chinas Zukunft geformt werden soll. Wens Darlegung diente nicht in erster Linie dazu, weitere Reformen
zu beschreiben, sie sollten vor allem einen reibungslosen
Regierungsübergang sichern und zudem auf wirtschaftliche
Veränderungen hinweisen.
Wachstum des Bruttoinlandprodukts
dämpfen
Nach drei Jahrzehnten enormen Wirtschaftswachstums
hat sich China als zweitgrößte Wirtschaftsmacht weltweit
etabliert. Dafür hat das Land einen hohen Preis bezahlt. Zu
nennen sind in diesem Zusammenhang immer größer
werdende Einkommensunterschiede in verschiedenen
Regionen und gesellschaftlichen Gruppen, industrielle Überkapazitäten, massive Schädigungen der Umwelt, eine starke
Abhängigkeit von Rohstoffimporten, ein schrumpfender
privatwirtschaftlicher Sektor, eine Immobilienblase und
andere gesellschaftliche Probleme mehr.
14 China Compass Frühjahr 2012
In diesem Beitrag erfahren Sie
● welche Kernthemen Wen Jiabao in seinem
Bericht vor dem Nationalen Volkskongress
ansprach.
● warum nach seiner Einschätzung
wirtschaftliche und politische Veränderungen
in den nächsten Jahren notwendig sein werden.
● welche Herausforderungen Chinas zukünftige
Regierung meistern muss.
Wen rief dazu auf, die heimische Nachfrage stärker anzukurbeln. Kritisch beschrieb der Regierungschef das bislang
schnelle, meist zweistellige wirtschaftliche Wachstum in
China als „unausgewogen, unkoordiniert und nicht nachhaltig“. Als Ziel für das Jahr 2012 nannte Wen ein Wachstum
des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 7,5 Prozent, wobei
dieser Wert eher als Untergrenze anzusehen ist. Im Vordergrund steht nicht mehr ein Wachstum um jeden Preis,
sondern „qualitatives“ Wachstum unter Einhaltung diverser
Nebenbedingungen. China möchte die starke Abhängigkeit
vom Export und der Investitionsgüterindustrie mindern und
die heimische Nachfrage steigern.
Abb. 1
Beitrag des Dienstleistungssektors zum jährlichen
Bruttoinlandsprodukt (2011)
Indien
USA
Japan
China
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
Quelle: National Statistics Bureau of China; Factiva; Economist
Intelligence Unit
Konsum und Einkommen ankurbeln
Chinas Inlandskonsum ist bereits seit Jahren auffallend
schwach. Regierungschef Wen plädierte deshalb dafür,
Bildung, Wohnungsbau, Sozialleistungen, Gesundheitswesen, Kultur und nicht zuletzt die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern, um die Lebensqualität der Bürger zu
steigern. In seiner Rede betonte er außerdem die „Schaffung
eines Rahmenplans zur Verbesserung der Einkommensverteilung, um die größer werdenden Einkommensunterschiede zu mindern“ und den Anteil der mittleren Einkommensklassen auszuweiten. Daher werden die Mindest-
Investition und Finanzierung
löhne wahrscheinlich auch weiterhin steigen. Finanzielle
Förderung aus dem Haushalt – bei einem prognostizierten
Haushaltsdefizit für 2012 von 1,5 Prozent des BIP – sollen
vor allem der arbeitsintensiven Dienstleistungsindustrie,
den Klein- und Kleinstunternehmen sowie neuen und
innovativen Technologieunternehmen zugutekommen.
Zusätzlich plant die Regierung strukturelle Steuersenkungen
vor allem für Klein- und Einzelunternehmen sowie eine
regionale Ausweitung des Pilotprogramms zur Mehrwertsteuerreform.
Auch den Wohnungsbau für einkommensschwache Gruppen
möchte die Regierung ausbauen: Fünf Millionen Sozialwohnungen sollen im Jahr 2012 fertiggestellt werden und der
Bau von weiteren sieben Millionen Wohnungen wird geplant.
Die Regierung wird weiterhin den Immobilienmarkt
regulieren, um den Rückgang der Immobilienpreise zu
gewährleisten. In einem weiteren Schritt sollen – so Wen in
seiner Rede – die Ausgaben für den Bildungssektor auf vier
Prozent des BIP erhöht werden, was 2,2 Billionen Renminbi
entspräche (etwa 265,9 Milliarden Euro): ein Ziel, das seit
Verabschiedung des Reform- und Entwicklungsplans von
1993 nicht erreicht wurde.
Investitionen fördern
Wie die Regierung in ihrem aktuellen Fünfjahresplan
erklärte, will China bestimmte Sektoren besonders fördern.
Dazu zählen die Informationstechnologie, die Bioingenieurswissenschaften, High-End-Produktionslinien, Alternativenergien sowie der Einsatz neuer Materialien und alternativer Energien in der Fahrzeugindustrie. Diese Sektoren
sollen bis 2015 etwa acht und bis 2020 etwa 15 Prozent zum
BIP beitragen. Dazu sollen bis 2015 Investitionen in Höhe
von insgesamt zehn Billionen Renminbi (etwa 1,2 Billionen
Euro) veranschlagt werden. Während eine Konsolidierung
der Stahl-, Auto-, Schifffahrts- und Zementindustrie von der
chinesischen Regierung weiter unterstützt wird, wird die
Ausweitung der bereits gesättigten Solar- und Windparkindustrie nicht mehr gefördert. Zudem überarbeitete die
Regierung den Investitionslenkungskatalog für ausländische
Unternehmen (Catalogue for the Guidance of Foreign
Investment Industries) im Dezember 2011. Auf diese Weise
sollen ausländische Investoren ermutigt werden, in moderne
Herstellungsverfahrenstechnologie, Neu- und Hightechindustrien, Energieeinsparung und Umweltschutz sowie in
moderne Dienstleistungsindustrien und Inlandprovinzen zu
investieren.
Energie vermehrt einsparen und
Umweltschutz vorantreiben
Der diesjährige Rechenschaftsbericht vor dem Nationalen
Volkskongress schenkte sowohl dem Umweltschutz als auch
der Einsparung von Energie erhebliche Aufmerksamkeit.
Premierminister Wen verwies dabei auf den Aktionsplan zum
Energiesparen und zur Reduzierung des Kohlenstoffausstoßes (Energy Saving and Low Carbon Action Plan), den
im Dezember 2011 zwölf chinesische Ministerien verabschiedeten und der bereits umgesetzt wird. Der Plan soll
dazu beitragen, den Verbrauch der Energie besser zu
kontrollieren. Sein Ziel ist, den allgemeinen Verbrauch
bis zum Ende des zwölften Fünfjahresplans (2016) um
250 Millionen Tonnen Kohle zu reduzieren, was einer
Reduktion der Energieintensität um rund 16 Prozent
entspricht. Um dieses Ziel zu erreichen, unterstützt die
chinesische Regierung verschiedene Maßnahmen: den
Ausbau von Wasser- und Kernenergie, die Erschließung von
Schiefergas, einen sparsamen Energieverbrauch mithilfe
intelligenter Stromnetze (smart grid), der die Umwelt
schont, sowie Investitionen in die Energieeffizienz, in
Systeme zur Kennzeichnung der Energieeffizienz und das
Energiemanagement. All denjenigen, die ihren Energieverbrauch nachweislich verringern, werden Steuersubventionen zugesprochen. Das sind sicher gute Nachrichten,
aber Unternehmen, die in China tätig sind, sollten schon
heute in ihren Planungen berücksichtigen, dass in diesem
Bereich zusätzliche Kosten anfallen und strengere Auflagen
zu beachten sein werden.
Urbanisierung beschleunigen
Die Urbanisierung der Bevölkerung ist ein zentrales Anliegen
der Regierung. Sie soll Wohlstand für die breiten Massen
bringen, auch wenn diese Politik immer wieder kontrovers
diskutiert wird. Die gegenwärtige Einstellung der chinesischen
Regierung zur „planmäßigen“ Überführung von Wanderarbeitern zu Stadtbewohnern – etwa 250 Millionen im Jahr
2011 – bekräftigte Regierungschef Wen in seinem Bericht in
Beijing. Demzufolge sollen etwa bessere Arbeitsbedingungen
festgeschrieben sowie Sozialleistungen, Wohnungswesen und
Schulausbildung verbessert werden. Das derzeit existierende
Hukou-System (Chinas Aufenthaltsgenehmigungssystem, an
das viele Sozialleistungen anknüpfen) steht jedoch nicht zur
Disposition. Dennoch bleibt offen, ob die Bemühungen der
Regierung, kleine und mittelgroße Städte für Wanderarbeiter
zu erschließen, auch erfolgreich sein werden. Denn viele von
ihnen bevorzugen Großstädte, weil sie dort bessere Chancen
haben, eine Beschäftigung zu bekommen, ihre Aussichten auf
eine Karriere höher sind und sie dort auch bessere Schulen
und Krankenhäuser vorfinden.
China Compass Frühjahr 2012 15
Investition und Finanzierung
Abb. 2
eine höhere Beteiligung an politischen Prozessen, den
Zugang zu Informationen und Kontrollmöglichkeiten zu
ermöglichen. Dabei betonte der Premierminister nochmals,
es sei Regierungsbeamten „strengstens untersagt“, in Wirtschaftstätigkeiten involviert zu sein, wie beispielsweise im
öffentlichen Beschaffungswesen, bei Ausschreibungen von
Bauprojekten und bei Versteigerungen von Grundstücken
und Bergbaurechten.
Urbanisierungsrate
90%
80%
70%
60%
50%
Ausblick
40%
30%
2002 2003
USA
2004 2005
2006 2007 2008
Europäische Union
Japan
2009 2010
Welt
China
Quelle: Weltbank
Rückzug der Staatsmonopole weiter
auf der Agenda
Eine Deregulierung der staatlichen Monopole in
entscheidenden Wirtschaftssektoren steht schon seit
Längerem auf der Agenda der chinesischen Regierung. Doch
die Umsetzung des Plans kommt bislang nur schleppend
voran. Premierminister Wen wiederholte in diesem Jahr die
aktuelle Haltung der Regierung zum Thema „Gewährung des
privaten Sektors, in das Eisenbahnnetz, das kommunale Baugewerbe, die Finanzwirtschaft und in die Bereiche Energie,
Bildung und Gesundheitswesen investieren zu können“.
Das Potenzial in diesem Bereich ist groß, denn bereits 2007
waren (nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Xinhua)
kleine und mittelgroße Unternehmen mit 60 Prozent am
chinesischen BIP und mit ebenfalls 60 Prozent am Export
beteiligt. Kleine und mittelgroße Unternehmen haben derzeit mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, etwa mit
mangelndem Zugang zu Finanzierungsquellen. Die
Legalisierung der privaten Kreditvergabepraxis wäre
ein wichtiger Schub für sie.
Chancen für staatliche und
politische Reformen
Die chinesische Regierung macht sich seit geraumer Zeit für
mehrere Ziele stark: den Abbau der Bürokratie, eine größere
Effizienz und die Weiterentwicklung des Regierungsapparats
hin zu einer dienstleistungsorientierten Organisation. Staatseingriffe in die Wirtschaft sollen vermindert werden und
Marktkräfte künftig stärker die Verteilung der Ressourcen
bestimmen. In seinem Rechenschaftsbericht rief Wen zu
einer „schnellstmöglichen Staatsreform“ und dem „Ausbau
der sozialistischen Demokratie“ auf, um der Bevölkerung
16 China Compass Frühjahr 2012
Nach mehr als 30 Jahren außerordentlichen Fortschritts und
nach bemerkenswerten Reformprozessen ist China an einem
Wendepunkt angelangt. Das Land steht nun nicht nur vor
politischen und sozialen, sondern auch vor wirtschaftlichen
und ökologischen Herausforderungen, die innerhalb der
letzten Jahre stark zugenommen haben. Nach Einschätzungen
vieler Beobachter – national und global – befindet sich China
in einer schwierigen Lage, in der Fortschritte mit dem
bestehenden System nur noch begrenzt möglich sind. Der
Reformdruck ist groß, die Reformen aber kommen nicht
recht vom Fleck. Dafür verantwortlich sind verschiedene
Interessengruppen, die diesen Vorhaben entgegentreten
werden. Können diese Interessenkonflikte nicht gelöst
werden, besteht die Gefahr, dass China dauerhaft gefangen
bleibt in der „Falle des mittleren Einkommens“. Wie das
Land seine Probleme genau angehen und ob es sie bewältigen
wird, hängt ganz entscheidend ab vom Mut und vom Weitblick der neuen chinesischen Regierung.
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Investition und Finanzierung
Fusionen und Übernahmen:
chinesische Aktivitäten 2011
Die Anzahl chinesischer Auslandsinvestitionen
erreichte im Jahr 2011 einen neuen Höchststand.
Speziell die Industrie- und Konsumgütersektoren
trugen wesentlich zum Wachstum des Investitionsvolumens bei. 2012 wird sich dieser Trend allen
Indikatoren nach fortsetzen. Die wichtigsten
Informationen über chinesische Aktivitäten im
Ausland wie innerhalb des Landes fasst der Beitrag
von Ingo Wahl und Björn Maack für Sie zusammen.
Der Markt in China
Die Fusionen und Übernahmen (Mergers and Acquisitions,
M&A) chinesischer Investoren innerhalb Chinas und im
Ausland zeigten 2011 im Vergleich mit dem Vorjahr ein
gemischtes Bild: Denn während die Zahl der veröffentlichten
Transaktionen um fünf Prozent stieg, sank das Transaktionsvolumen um rund zwei Prozent auf 207,7 Milliarden USDollar. Strategische Käufer dominierten weiterhin den
M&A-Markt. Finanzinvestoren intensivierten jedoch ihr
Engagement erheblich und erreichten einen Rekordwert von
33 Milliarden US-Dollar trotz eines leichten Rückgangs bei
der Gesamtzahl an Transaktionen.
Investitionen im Ausland
Die Anzahl und das Volumen chinesischer Investitionen in
ausländische Unternehmen erreichten 2011 einen neuen
Höchststand. Verzeichnet wurden insgesamt 207 Transaktionen mit einem Gesamtvolumen von 42,9 Milliarden USDollar. Dies entspricht einer Steigerung um rund zehn (in
der Zahl) beziehungsweise zwölf Prozent (im Volumen)
gegenüber dem Vorjahr. Damit hat sich der seit 2008
bestehende Aufwärtstrend weiter verstetigt.
Nach wie vor waren Rohstoffe und Energie mit zusammen
rund 41 Prozent der insgesamt ausgeführten Transaktionen
und 83 Prozent des Wertes aller 2011 getätigten Geschäfte
(Deals) das Hauptziel chinesischer Auslandsinvestitionen.
Bedeutsam war in diesem Sektor besonders das Angebot
des staatlich kontrollierten Energieunternehmens China
Three Gorges Corporation für eine Beteiligung von rund
21 Prozent an der portugiesischen Energias de Portugal für
2,69 Milliarden Euro.
In diesem Beitrag erfahren Sie
● wie sich der Markt im Jahr 2011 generell
entwickelte.
● welche Branchen und Länder Treiber des
Wachstums bei Auslandsinvestitionen waren.
● warum außerbörsliches Eigenkapital bei
Geschäften in China eine zunehmend
wichtigere Rolle spielt.
Auswirkungen des im März 2011 verabschiedeten zwölften
Fünfjahresplans und seiner Ausrichtung auf strategische
Industrien wie Hightechinvestitionen und Umwelttechnologie (greentech) sowie auf Serviceleistungen und den inländischen Konsum wurden bereits im abgelaufenen Jahr
deutlich. So sank 2011 der Anteil von Deals in den Bereichen
Energie und Rohstoffe an den Gesamttransaktionen aufgrund der deutlichen Steigerung der Investitionen in den
Bereichen Industrie und Konsumgüter.
In den beiden letztgenannten Sektoren hat sich die Zahl der
Transaktionen um rund 65 Prozent erhöht. Erklärtes Ziel der
zunehmenden Akquisitionen in diesen Branchen ist nach wie
vor die strategische Überlegung vieler chinesischer Firmen,
sich Prozesse, Know-how, Patente und Marken zu sichern,
um sie anschließend im chinesischen Markt einzusetzen. So
verkündete zu Beginn des Jahres 2012 der Bau- und Schwermaschinenhersteller Sany Heavy Industry Co. Ltd. die
Übernahme der deutschen Putzmeister Holding GmbH für
357 Millionen Euro. Erklärtes Ziel der Übernahme laut Aussage von Sany-Präsident Xiang Wenbo: das Know-how und
die Patente weiterzuentwickeln sowie das eigene Produktportfolio auszuweiten. Zudem zeigte das Übernahmeangebot
des chinesischen Computerherstellers Lenovo für die
deutsche Marketing- und Dienstleistungsgesellschaft Medion
im Juni 2011 für 629 Millionen Euro: Es besteht nach wie vor
ein Interesse, mittels Akquisition an etablierte Distributionskanäle außerhalb Chinas zu gelangen.
China Compass Frühjahr 2012 17
Investition und Finanzierung
Abb. 1
Zahl der Auslandstransaktionen nach Industrien in den
Jahren 2010 und 2011
56
Rohstoffe
67
39
Industrie
25
32
Endprodukte/Konsum
18
30
Energie/Elektrizität
18
19
Hightech
Finanzdienstleistungen
24
11
Medien/Unterhaltung
Einzelhandel
Sonstige
7
7
Chinesische Auslandsinvestitionen nach Regionen
2010
Russland
1,6%
Südamerika
4,8%
3
Ozeanien
14,4%
5
4
4
6
17
2010
Abb. 2
Afrika
9,0%
3
Gesundheitswesen
durch Investitionen in den australischen Rohstoff- und
Energiesektor auf rund 16 Prozent. Afrikas Anteil an
den Transaktionen sank derweil unter das hohe Vorjahresniveau. Das lag unter anderem an dem steigenden Interesse
chinesischer Rohstoffinvestoren an anderen Regionen, allen
voran Amerika.
2011
Quelle: ThomsonReuters; Analyse PwC
Nordamerika hat den asiatischen Raum als Hauptziel
chinesischer M&A-Aktivitäten im Jahr 2011 ein- beziehungsweise sogar knapp überholt. Asien bleibt dennoch ein
bedeutsames Ziel chinesischer Investoren. Mit zusammen
rund 48 Prozent aller chinesischen Auslandsinvestitionen in
Asien sind Japan und Singapur die beiden wichtigsten
Länder.
Geografisch betrachtet wächst der Anteil der Investitionen
in Europa mit einer Steigerung der Deals von insgesamt
76 Prozent am stärksten. Damit rückt Europa als Ziel für
Auslandsinvestitionen Nordamerika und Asien stetig näher.
Schwerpunkt der Transaktionen in Europa waren die
Branchen Industrie und Konsum. Die europäische Schuldenkrise sowie die weiterhin hohe Zahl an Unternehmen, die
zum Verkauf stehen und teils angeschlagen sind, bieten
weiterhin günstige Kaufoptionen für chinesische Strategieund Finanzinvestoren.
Neben den genannten Investitionen übernahmen im
Industriesektor China National Bluestar das norwegische
Industrieunternehmen Elkem AS für 1,8 Milliarden Euro und
LDK Solar Co. den deutschen Solarmodulhersteller Sunways
AG für 44 Millionen Euro. Im Konsumgütersektor erwarben
die China Haidian Holdings Anteile am Bekleidungshersteller Eterna und Concord Distribution kaufte Anteile an der
Cerrutti Holding. Der Anteil Ozeaniens stieg 2011 besonders
18 China Compass Frühjahr 2012
Europa
13,3%
Nordamerika
27,7%
Asien
29,3%
2011
Russland
0,5%
Afrika
2,4%
Südamerika
4,8%
Ozeanien
16,4%
Europa
21,3%
Nordamerika
27,5%
Asien
27,1%
Durch Rundung der Nachkommastellen kann die Summe 100 geringfügig unter- oder überschreiten.
Quelle: ThomsonReuters; Analyse PwC
M&A-Aktivitäten strategischer
Investoren in China
Strategische inländische Transaktionen sowie ausländische
Investitionen nach China zogen 2011 um rund sieben Prozent
an. Der Gesamtwert der Transaktionen ging um rund
elf Prozent zurück. Inländische Investitionen dominierten
dabei im Jahr 2011 mit insgesamt 3.262 Transaktionen im
Volumen von zusammen 114,9 Milliarden US-Dollar. Eine
Transaktion mit hohem Volumen war, im Zuge einer
internen Restrukturierung, die Akquisition sämtlicher
Vermögensgegenstände der Automobilproduktion der
Investition und Finanzierung
Shanghai Automotive Industry Corp. (Staatliche Industrie
Holding) durch deren Tochter SAIC Motor Corp. Ltd. für umgerechnet rund 4,5 Milliarden US-Dollar in Unternehmensanteilen. Eine andere war der Kauf von 3,5 Prozent Anteilen
an der Ping An Insurance Group durch die Juwelierkette
Chow Tai Fook für umgerechnet rund 2,5 Milliarden USDollar.
Die Zahl ausländischer strategischer Investitionen nach
China sank 2011 um rund elf Prozent, blieb aber im Wert
konstant. Der Rückgang an Transaktionen spiegelte die
ökonomisch schwierige Situation in den Heimatmärkten
vieler Investoren wider. Das Transaktionsvolumen glichen
größere strategische Investitionen nach China aus. Diese
konzentrierten sich vor allem auf den Konsumgütersektor,
um von der steigenden Konsumnachfrage in China zu
profitieren. So akquirierte das Schweizer Unternehmen
Nestlé 60 Prozent von Hsu Fu Chi International für rund
1,7 Milliarden US-Dollar. Neben dem Konsumgütersektor
zeigte sich bei M&A-Aktivitäten chinesischer und ausländischer Investoren ebenfalls der Trend hin zu Wachstumsmärkten. Speziell in den Bereichen Technologie und
Gesundheitswesen stiegen die Investitionen gegenüber dem
Vorjahr im Wert und in der Menge deutlich.
Fusionen und Übernahmen von
Finanzinvestoren innerhalb Chinas
Die Anzahl der durch Finanzinvestoren getätigten Transaktionen reduzierte sich 2011 um rund zwei Prozent bei einer
gleichzeitigen Steigerung des Transaktionsvolumens um
rund 30 Prozent. Im Jahr 2011 wurden 1.413 Transaktionen
im Volumen von 33 Milliarden US-Dollar getätigt.
50 Transaktionen hatten dabei ein Volumen von jeweils
über 100 Millionen US-Dollar. Bei Investitionen über je
zehn Millionen US-Dollar lagen Deals im Konsumgüterbereich mit einem Gesamtwert von 8,8 Milliarden US-Dollar
an der Spitze der Akquiseaktivitäten. Deals im Finanzdienstleistungs- und im Industriesektor belegten die Plätze zwei
und drei. Die besonders bei nicht börsennotierten
Immobilienentwicklungsgesellschaften bestehenden
Finanzierungslücken sorgten 2011 neben zunehmender
Aktivität bei strategischen Investoren auch bei Finanzinvestoren für gestiegenes Interesse. Bei den Deals über zehn
Millionen US-Dollar, die Finanzinvestoren durchführten,
waren 2011 elf wesentliche Transaktionen im Immobilienbereich zu verbuchen.
Die wachsende Bedeutung von
außerbörslichem Eigenkapital in China
Gesellschaften, die außerbörslich eingesammeltes Eigenkapital (Private Equity) investieren, spielten bei den M&AAktivitäten innerhalb Chinas speziell bei privaten kleinen
und mittelgroßen Unternehmen (KMU) eine zunehmend
wichtigere Rolle. Begünstigt wurde diese Entwicklung unter
anderem durch die derzeitigen Probleme dieser Unternehmen, Bankdarlehen zu erhalten, sowie die hohen Kosten
von Darlehen auf dem grauen Kapitalmarkt von durchschnittlich 24 Prozent. Private-Equity-Gesellschaften sind
für KMU eine attraktive Finanzierungsalternative, da diese
Finanzierungsmethoden anbieten können, die auf die
Bedürfnisse von KMU zugeschnitten sind. Dazu gehört eine
Hybridfinanzierung, die sowohl Eigen- als auch Fremdkapitaleigenschaften kombiniert (z. B. Convertible Loans,
Preferred Shares und Warrants). Zudem bieten sie eine
risikoadjustierte Finanzierung, deren Kosten zwar über
denen der üblichen Bankkredite liegen, die aber für KMU
günstiger sind als Darlehen auf dem grauen Kapitalmarkt.
Darüber hinaus konnten Private-Equity-Gesellschaften im
Jahr 2011 von der Situation auf dem Aktienmarkt profitieren.
Hier begünstigten niedrige Aktienkurse private Investitionen
in börsennotierte Unternehmen.
Lokale und internationale Finanzinvestoren konnten 2011
Mittel in Höhe von rund 44,2 Milliarden US-Dollar in China
einwerben. Rund 60 Prozent der Anlagegelder wurden dabei
in Renminbi beschafft. Chinesische Behörden begünstigten
dies durch vorteilhafte neue Regelungen für ausländische
Beteiligungen an der Kapitalbeschaffung in lokaler Währung
sowie durch die Erweiterung chinesischer Unternehmensformen, für die Private-Equity-Deals zulässig sind. Ausländische Private-Equity-Gesellschaften spielen trotz der
wachsenden einheimischen Konkurrenz in China weiterhin
eine wesentliche Rolle. So wurden 2011 sechs der zehn
größten Deals von ausländischen Firmen realisiert. Die
bevorzugte Exitstrategie von Private-Equity-Fonds ist weiterhin ein Börsengang (Initial Public Offering). 2011 wurden
185 Exits als Börsengänge (rund 16 Prozent weniger als 2010)
und 35 als M&A-Deals (rund 35 Prozent mehr als 2010)
durchgeführt. Der Rückgang der Börsengänge ist vorwiegend
der schwierigen Situation des US-amerikanischen IPOMarkts geschuldet, der im zweiten Halbjahr 2011 stark
zurückging und sich erst im letzten Quartal langsam wieder
erholte.
China Compass Frühjahr 2012 19
Investition und Finanzierung
Tab. 1
Datum
verkündet
Ausgewählte Inbound und Outbound Deals mit Beteiligung von Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum
Name des
Zielunternehmens
Name des Käufers
Land (Ziel/Käufer)
Industrie
(Ziel/Käufer)
11.07.2011 Hsu Fu Chi International
Ltd.
Nestlé SA
China/Schweiz
Konsum/Konsum
01.06.2011 Medion AG
Lenovo Group Ltd.
Deutschland/China
30.01.2012 Putzmeister Holding GmbH Sany Heavy Industry
Co. Ltd.
20.08.2011 ATB Austria
Antriebstechnik AG
Transaktionswerte
(Mio. EUR)
Deal
Status
ca. 1.200,0
Complete
Konsum/Technologie
629,4
Complete
Deutschland/China
Industrie/Industrie
357,4
Pending
Wolong Holding Group
Co. Ltd.
Österreich/China
Industrie/
verschiedene
100,5
Complete
21.12.2010 KHD Humboldt Wedag
International AG
Aviation Industry
Corporation of China
Deutschland/China
verschiedene/
Industrie
75,1
Complete
03.04.2011 SaarGummi International
GmbH
Chongqing Light Industry &
Textile Holding Group
Deutschland/China
Industrie/
verschiedene
45,0
Complete
02.01.2012 Sunways AG
LDK Solar Co. Ltd.
Deutschland/China
Energie/Energie
44,0
Pending
21.06.2011 Shandong Sanjin Glass
Machinery Co. Ltd.
Bucher Industries AG
China/Schweiz
Industrie/Industrie
26,9
Pending
29.03.2011 Qingdao Tuteng Zhiye
Co. Ltd.
Madison Property AG
China/Deutschland
Finanzen/Finanzen
21,7
Complete
01.12.2010 Maxplus Industries
Shanghai Co. Ltd.
Freudenberg
Haushaltsprodukte KG
China/Deutschland
Konsum/Industrie
19,8
Pending
09.11.2011 Sellner GmbH und IPG
Industriepalast GmbH
Ningbo Huaxiang Electronic
Co. Ltd.
Deutschland/China
Industrie/Industrie
18,7
Complete
05.01.2011 Beijing Skywing
Technology Co. Ltd.
Merck KGaA
China/Deutschland
Konsum/Konsum
13,8
Complete
31.12.2011 Shanghai Shende
Machinery Co. Ltd.
DRITTE ALIS VERMÖGENS- China/Österreich
VERWALTUNGS GMBH Ltd.
Industrie/Industrie
11,6
Pending
01.02.2011 Xianyang Andre Juice Co.
Ltd.
Agrana Juice Holding GmbH China/Österreich
Konsum/Konsum
11,5
Pending
29.08.2011 Liuzhou Chemical Industry
Co. Ltd.
Banque Privée Edmond de
Rothschild Co.
China/Schweiz
Rohstoffe/Finanzen
7,8
Complete
18.01.2012 Saunalux GmbH Products
& Co KG
Anhui Saunaking Co. Ltd.
Deutschland/China
Industrie/Konsum
6,4
Pending
16.06.2011 Rohde & Schwarz
Professional Mobile
Radio GmbH
Hytera Communications
Co. Ltd.
Deutschland/China
Kommunikation/
Kommunikation
2,0
Pending
23.11.2011 ATB Austria
Antriebstechnik AG
Wolong Holding Group
Co. Ltd.
Österreich/China
Industrie/
verschiedene
1,3
Pending
08.12.2010 Emag Holding GmbH
Jiangsu Jinsheng Industry
Co. Ltd.
Deutschland/China
Industrie/Industrie
nicht veröffentlicht
Complete
07.07.2011 KSM Castings GmbH
Citic Dicastal Wheel
Manufacturing Co. Ltd.
Deutschland/China
Industrie/Industrie
nicht veröffentlicht
Pending
08.04.2011 Preh GmbH
Ningbo Joyson Automotive
Electronic Holding Co. Ltd.
Deutschland/China
Industrie/Industrie
nicht veröffentlicht
Complete
13.03.2012 Kiekert AG
Hebei Lingyun Industrial
Group Co. Ltd.
Deutschland/China
Industrie/Industrie
nicht veröffentlicht
Pending
Quelle: Bloomberg, Financial Times
20 China Compass Frühjahr 2012
Investition und Finanzierung
Ausblick
Trotz des angespannten globalen Marktumfelds erwarten
Marktbeobachter für das Jahr 2012 weiterhin ein solides
Wachstum von Unternehmenstransaktionen. Die Finanzkrise könnte zwar Transaktionen gefährden, die bereits
kurz vor dem Abschluss stehen, andererseits jedoch auch
Möglichkeiten für kapitalstarke chinesische Investoren
schaffen.
Bei den Auslandsinvestitionen wird die Rohstoffindustrie
auch weiterhin eine entscheidende Rolle spielen. Daneben
gewinnen Transaktionen in der Industrie und in der
Hightechbranche sowie von Unternehmen mit starken
Konsumgütermarken immer mehr an Bedeutung. Diese
M&A-Aktivitäten werden begünstigt durch die zunehmende
Erfahrung chinesischer Investoren, die verbesserte Transparenz des Genehmigungsprozesses chinesischer Behörden
sowie die anhaltende Nachfrage nach strategisch wichtigen
Ressourcen, um das Wachstum chinesischer Unternehmen
zu stützen. Ferner werden auch Akquisitionen von kleinen
bis mittelgroßen Unternehmen durch private chinesische
Unternehmen erwartet, die sich etablieren und zuvor oft
Zulieferer oder Wettbewerber der zum Verkauf stehenden
Unternehmen waren.
aktuelle Krise in einem weiteren Rückgang an Börsengängen
resultieren. Private-Equity-Gesellschaften werden daher
verstärkt direkte Verkäufe anstreben, weswegen die M&AAktivitäten im Jahr 2012 zusätzlich steigen sollten.
...............................................................................................................................................
Ihre Ansprechpartner
Ingo Wahl
Tel.: +86 10 6533-7987
ingo.wahl@cn.pwc.com
Dr. Björn Maack
Tel.: +86 21 2323-3908
bjoern.b.maack@cn.pwc.com
Wie es aussieht, werden die strategischen Investitionen
amerikanischer und europäischer Unternehmen aufgrund
der Probleme im eigenen Markt leicht zurückgehen. Allzu
drastisch wird dieser Rückgang allerdings nicht sein, da die
momentane Situation für einige Investoren auch Gelegenheit
bietet, überschüssige liquide Mittel anzulegen oder den
eigenen Marktanteil auszubauen.
Inländische M&A-Aktivitäten sollten im Jahr 2012 aufgrund
der Entwicklung und Konsolidierung einzelner Industrien
und Großunternehmen weiterhin wachsen. Bei inländischen
Transaktionen werden Finanzinvestoren eine zunehmende
Bedeutung erlangen. Das gilt speziell im Hinblick auf ihre
Rolle als Quelle für Wachstumskapital für private Unternehmen, da KMU aufgrund der deutlich restriktiveren
Kreditvergabe der Banken in ihren Finanzierungsmöglichkeiten begrenzt sind. Ob KMU bereits in diesem Jahr
von der Lockerung der Geldmarktpolitik der chinesischen
Zentralbank im Februar 2012 profitieren, bleibt abzuwarten.
Allerdings wird aufgrund dieser potenziellen Nachfrage bei
Finanzinvestoren derzeit mit einem einstelligen prozentualen
Wachstum bei der Anzahl an Transaktionen über jeweils
zehn Millionen US-Dollar gerechnet. In der Private-EquityBranche geht man von einer Konsolidierung und dem Rückzug von weniger etablierten Firmen aus, was einen Anstieg
im Transaktionsvolumen je Deal nach sich ziehen wird.
Obwohl der Börsengang als Exitstrategie im Jahr 2012
weiterhin die bevorzugte Methode bleiben wird, könnte die
China Compass Frühjahr 2012 21
Investition und Finanzierung
Börsengang in Hongkong: eine
Chance für deutsche Unternehmen
Die chinesischen Börsen Shanghai, Shenzhen und
Hongkong haben sich in den letzten Jahren zu
zentralen Schauplätzen des Geschehens auf dem
internationalen Kapitalmarkt entwickelt. Getragen
vom massiven Wirtschaftswachstum war China
laut IPO Watch von PwC in den Jahren 2010 und
2011 der weltweit aktivste Markt für Neuzugänge
an den Börsen überhaupt. Es sind in erster Linie
einheimische Unternehmen, die hier den Sprung an
den Kapitalmarkt wagen. Doch es mischen sich
zunehmend westliche Unternehmen – und hier
teils sehr prominente Markennamen – unter
die Kandidaten. Alle Beteiligten wollen von der
Attraktivität der chinesischen Börsen profitieren.
Einen Blick auf den Börsenplatz Hongkong wirft
der Beitrag von Jens-Peter Otto und Holger Miss.
Global Player Hongkong
Ausländische Emittenten können in China ausschließlich in
Hongkong an die Börse gehen. Die beiden Börsen auf dem
Festland hingegen sind weder für ausländische Börsengänge
(Initial Public Offering, IPOs) noch für ausländische
Investoren offen. Die Börse Hongkong kann auch für
Unternehmen attraktiv sein, die Anteile an chinesischen
Gesellschaften verkaufen wollen. Besonders institutionellen
Investoren bietet diese Option unter Umständen eine
attraktive Exitstrategie.
Hongkong hat gerade in den Jahren 2010 und 2011 einige
Neuzugänge an der Börse aus Europa und den USA
verzeichnet. Den ersten Börsengang eines deutschen Unternehmens absolvierte die Schramm Coatings AG, ein in Offenbach ansässiger Hersteller von Kunststoff- und Metallbeschichtungen. Bekannter dürften die Namen Prada,
L’Occitane oder Samsonite sein. Diese drei Hersteller von
Konsumgütern und Luxuswaren wagten in den letzten beiden
Jahren den Sprung an die Börse in Hongkong. Die Kennzahlen zu diesen Börsengängen lesen Sie in Tabelle 1.
Tab. 1
In diesem Beitrag erfahren Sie
● was die Börse Hongkong grundsätzlich
kennzeichnet.
● welche Anforderungen Unternehmen erfüllen
müssen, die dort an die Börse wollen.
● warum Hongkong voraussichtlich erste Wahl
bleiben wird, auch wenn westliche Unternehmen an der Börse Shanghai zugelassen
werden.
Alle drei Unternehmen haben eine starke Kundenbasis in
asiatischen Ländern. Das macht einen wesentlichen Aspekt
der Equity Story aus und garantiert dem Börsengang sowie
dem nachfolgenden Aktienhandel eine hohe Aufmerksamkeit
in der Region. Schließlich reicht es nicht aus, nur an den
Kapitalreserven eines fremden Markts interessiert zu sein.
Ein darüber hinausgehendes Interesse am Ort des Listings –
sei es als wichtiger Absatzmarkt oder als Unternehmensstandort – ist für den langfristigen Erfolg eines Aktienlistings
stets förderlich.
Equity Story
Unter dem Begriff Equity Story versteht man die
zusammengefasste Darstellungsweise relevanter Fakten
eines börsennotierten Unternehmens. Insbesondere
werden hierbei die Unternehmensgeschichte, Finanzkennziffern sowie die Strategie des Unternehmens
aufgezeigt.
Die Equity Story richtet sich an private und
institutionelle Investoren, Journalisten, Analysten
und sonstige Stakeholder.
Kennzahlen westlicher Börsengänge in Hongkong
Erstnotierung
Eingenommene Mittel
(Mio. EUR)
Kurs-Gewinn-Verhältnis
bei Erstnotierung
Kurs-Gewinn-Verhältnis
31. Januar 2012
Marktkapitalisierung
1. März 2012 (Mio. EUR)
Prada
17.06.2011
1.670
35,5
26,8
11.214
L’Occitane
30.04.2010
564
28,7
24,3
2.660
Samsonite
10.06.2011
803
40,8
23,5
1.892
Unternehmen
22 China Compass Frühjahr 2012
Abb. 1
Die Börse Hongkong bietet alles, was man von einem international wettbewerbsfähigen Börsenplatz erwarten kann.
Insgesamt 1.506 Unternehmen waren dort Ende Januar 2012
gelistet. 24 davon stammen nach Angaben der World
Federation of Exchanges aus dem Ausland (sprich: weder aus
Hongkong oder China noch Taiwan). In Deutschland betrug
diese Quote zum selben Zeitpunkt 75 von 742 Unternehmen.
Die gesamte Marktkapitalisierung aller in Hongkong
gelisteten Unternehmen lag bei 2,46 Billionen US-Dollar
(zum Vergleich: Deutsche Börse 1,30 Billionen US-Dollar).
Ein wesentlicher Vorteil der Börse Hongkong für Investoren
liegt in der großen Zahl der dortigen Börsengänge. Fallende
Kurse und verunsicherte Anleger brachten während der
letzten Finanzkrise 2008/2009 das IPO-Geschehen weltweit
nahezu komplett zum Erliegen. Auch Hongkong blieb von
einem Einbruch nicht verschont. Seitdem aber geht es wieder
steil nach oben: 2011 erzielte Hongkong laut IPO Watch
von PwC durch Börsengänge Erlöse in Höhe von rund
25 Milliarden Euro. Dieser Wert liegt nur geringfügig unter
dem, der im selben Zeitraum an allen europäischen
(26,5 Milliarden Euro) oder US-amerikanischen
(25,6 Milliarden Euro) Börsen zusammen erzielt wurde!
Zählt man nun noch die Erlöse im Jahr 2011 an den Börsen
Shenzhen (20 Milliarden Euro) und Shanghai (11,7 Milliarden)
hinzu, so wird die aktuelle Dynamik des chinesischen IPOMarkts noch deutlicher. Ein Blick auf das vierte Quartal 2010
zeigt auch: Das Jahr 2011 war kein Einzelfall. Denn Ende
2010 fanden mit den Börsengängen der Agricultural Bank of
China und der AIA Group in Hongkong zwei der weltweit
größten IPOs aller Zeiten überhaupt statt.
Tab. 2
Kapitalmärkte in China zwischen 2006 und 2010
150
600
125
500
100
400
75
300
50
200
25
100
0
Anzahl der IPOs
Gründe für einen Börsengang
in Hongkong
Funds Raised (Mrd. USD)
Investition und Finanzierung
0
2006
2007
2008
Hongkong
Shenzhen
2009
2010
Shanghai
Anzahl der IPOs
Quelle: Greater China IPO Watch, PwC
Anforderungen an einen Börsengang
in Hongkong
Über die Aufnahme der Börsennotierung entscheidet die
Hongkonger Börse (Hong Kong Stock Exchange). Für ein
Listing im Main Board, dem zentralen Handelssegment der
Börse Hongkong, muss ein Unternehmen verschiedene
Kriterien erfüllen. Vorgegeben werden sie durch die Vorschriften zur Börseneinführung (Listing Rules) der Wertpapieraufsichtsbehörde. So muss das Unternehmen
mindestens drei Jahre ohne substanzielle Veränderungen im
Management bestanden haben. Außerdem muss das Unternehmen eine gewisse Mindestgröße aufweisen. Dazu werden
die folgenden drei Tests durchgeführt, die Ihnen Tabelle 3
vorstellt. Zumindest einen davon muss ein Kandidat
bestehen.
Die zehn größten Börsengänge aller Zeiten
BörsenRang zulassung Gesellschaft
Börse
Land
Erlös
(Mio. EUR)
1
2006 Industrial and Commercial Bank of China Ltd. Hong Hong Stock Exchange & Shanghai Stock Exchange China
22.041
2
2010 Agricultural Bank of China Ltd.
Hong Hong Stock Exchange & Shanghai Stock Exchange China
21.074
3
2010 AIA Group Ltd.
Hong Hong Stock Exchange
China
20.465
4
2008 VISA Inc.
New York Stock Exchange
USA
19.650
5
1998 NTT Mobile Communication Network Inc.
Tokyo Stock Exchange
Japan
18.379
6
2010 General Motors Company Ltd.
New York Stock Exchange
USA
18.140
7
1999 Ente Nazionale per l’Energia Elettrica
Milan Stock Exchange
Italien
17.401
8
1996 Deutsche Telekom
Frankfurt Stock Exchange
Deutschland
13.036
9
2010 DAI-ICHI Mutual Life Insurance Ltd.
Tokyo Stock Exchange
Japan
11.159
10
2006 Bank of China Ltd.
Hong Kong Stock Exchange
China
11.152
China Compass Frühjahr 2012 23
Investition und Finanzierung
Tab. 3
Testkriterien für einen Börsengang in Hongkong
Test
Anforderungen
1. Gewinn
●
Gewinn: mindestens 50 Mio. HKD (rund 4,8 Mio.
EUR) in den letzten drei Geschäftsjahren
(genau: 20 Mio. HKD [rund 1,6 Mio. EUR] im
letzten und insgesamt 30 Mio. HKD [rund
3,2 Mio. EUR] in den zwei vorherigen
Geschäftsjahren)
●
Marktkapitalisierung: mindestens 200 Mio. HKD
(rund 19 Mio. EUR) zum Zeitpunkt des
Erstlistings
●
Marktkapitalisierung: mindestens 2 Mrd. HKD
(rund 195 Mio. EUR) zum Zeitpunkt des Listings
●
Umsatz: mindestens 500 Mio. HKD (rund
48 Mio. EUR) im letzten Geschäftsjahr
●
Cashflow aus operativer Tätigkeit: zusammen
mindestens 100 Mio. HKD (rund 9 Mio. EUR)
aus den letzten drei Geschäftsjahren
●
Marktkapitalisierung: mindestens 4 Mrd. HKD
(rund 390 Mio. EUR)
●
Umsatz: mindestens 500 Mio. HKD (rund
48 Mio. EUR) im letzten Geschäftsjahr
2. Marktkapitalisierung/
Umsatz/
Cashflow
3. Marktkapitalisierung/
Umsatz
Aktien im Streubesitz
Der Anteil der frei handelbaren Aktien (Freefloat) muss
mindestens 25 Prozent aller begebenen Aktien betragen und
ihr Wert wenigstens 50 Millionen Hongkong-Dollar (HKD,
etwa 4,8 Millionen Euro). Es steht im Ermessen der Börse,
diese Mindestanforderung auf bis zu 15 Prozent des
Grundkapitals zu mindern. Allerdings nur unter einer
Voraussetzung: Die Börsenkapitalisierung muss mehr als
zehn Milliarden Hongkong-Dollar (also etwa 900 Millionen
Euro) betragen. Außerdem dürfen die drei größten
Investoren nach dem Börsengang zusammen nicht mehr als
50 Prozent der frei handelbaren Aktien halten.
Anforderungen an den Prospekt
Möchte ein Unternehmen den Gang an das Main Board der
Hongkonger Börse antreten, ist ein Börsenprospekt zu
erstellen. Dieser muss zum einen allgemeine Angaben zum
Unternehmen und den Wertpapieren enthalten, die gelistet
werden sollen. Zum anderen muss der Prospekt über Restrukturierungen und Geschäfte mit dem Unternehmen
nahestehenden Personen informieren. Bitte beachten
Sie dabei: Diese beiden Themengebiete sowie sonstige
wesentliche Transaktionen werden auch nach der Börsennotierung zu umfangreichen Melde- und Berichtspflichten
führen.
Der Prospekt muss keine quantitativen Aussagen zur
künftigen Geschäftsentwicklung machen. Verlangt werden
24 China Compass Frühjahr 2012
allerdings qualitative Aussagen zur aktuellen Geschäftsentwicklung und zum Geschäftsplan. Das Management muss
bestätigen, dass das vorhandene Kapital mindestens die
Geschäftstätigkeit der nächsten zwölf Monate abdeckt. Sollte
das Kapital dafür nicht ausreichen, ist darzulegen, wie zusätzliche Mittel beschafft werden sollen, um die Lücke zu
schließen.
Eine Übersicht zum Schuldenstand und einige Detailangaben
zu den Verbindlichkeiten (indebtedness information) dürfen
ebenfalls nicht fehlen. Ferner müssen die Ergebnisse einer
formalen Bewertung von Gebäuden und von Grund und
Boden dargestellt werden. Diese Bewertung darf zum Zeitpunkt der Einreichung des Börsenprospekts nicht älter als
drei Monate sein. Die im Prospekt enthaltenen Jahresabschlüsse sind entweder nach den International Financial
Reporting Standards (IFRS) oder den Hong Kong Financial
Reporting Standards (HKFRS) aufzustellen, wobei die
HKFRS fast vollständig den IFRS entsprechen. Der letzte
geprüfte Jahres- oder Zwischenabschluss vor Börsengang
darf nicht älter sein als sechs Monate. Der Prüfer dieser
Abschlüsse muss in Hongkong registriert sein.
Anforderungen an das Interne
Kontrollsystem
Die Sponsoren müssen nach Durchführung einer Due
Diligence bestätigen, dass das Interne Kontrollsystem (IKS)
das Management des antragstellenden Unternehmens
befähigt, die Einhaltung aller zur Börsennotierung relevanten
Vorschriften – nicht zuletzt auch der Bilanzierungsstandards – sicherzustellen und sich einen Überblick
über die finanzielle Lage und den Geschäftsausblick zu
verschaffen. Ein jährlicher Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers zum IKS, wie dies der US-amerikanische
Sarbanes-Oxley Act (SOA) vorsieht, ist allerdings nicht
erforderlich. Ebenso sind die Anforderungen an ein IKS und
der Umfang der Überprüfung durch den Sponsor nicht so
detailliert wie nach den vom SOA und den durch das Public
Company Accountant Oversight Board vorgegebenen
Standards. Allerdings wird der Abschlussprüfer regelmäßig
in Vorbereitung dieser vom Sponsor abzugebenden
Bestätigung gesondert beauftragt, das IKS zu untersuchen.
Hier ist eine enge Abstimmung zwischen Unternehmen,
Sponsor, der Hongkonger Börse und gegebenenfalls dem
Abschlussprüfer notwendig. Nach erfolgreicher Börsennotierung hat der jährlich vom Management zu erstellende
Corporate-Governance-Bericht eine Aussage zum IKS zu
enthalten. Hierbei wird in der Praxis regelmäßig auch die
Einschätzung des Abschlussprüfers eingeholt.
Investition und Finanzierung
Listing ausländischer Unternehmen
Unternehmen mit Sitz im Ausland und ausländischer Rechtsform werden grundsätzlich zum Börsengang in Hongkong
zugelassen, wenn ihr Herkunftsstaat einen den HK-Regeln
vergleichbaren Aktionärsschutz bietet. Bis Ende 2011 waren
die Rechtssysteme von 22 Staaten seitens der Börse Hongkong entsprechend anerkannt, darunter auch das deutsche.
Ein deutscher Emittent kann also unter Beibehaltung seiner
Rechtsform (etwa als Aktiengesellschaft) in Hongkong an die
Börse gehen. Die dortigen Listing Rules müssen befolgt
werden. Bestimmte Hongkong-spezifische Rechtsakte,
wie zum Beispiel der HK Code on Corporate Governance
Practices, müssen hingegen nicht beachtet werden (Details
dazu finden Sie in dem Beitrag: „Börse Hongkong erleichtert
Zugang zum organisierten Kapitalmarkt für deutsche Unternehmen“ in der Ausgabe Winter 2009/2010 Ihres China
Compass ab Seite 48).
Alternative: Hong Kong Growth
Enterprise Market
Neben dem Main Board gibt es an der Börse Hongkong noch
das Börsensegment Growth Enterprise Market (GEM).
Dieses zielt auf die Notierung junger wachstumsstarker
Unternehmen ab. Zulassungs- und Notierungspflichten sind
hier weniger intensiv ausgeprägt. Sie unterscheiden sich vom
Main Board vor allem in folgenden vier Punkten:
● Die Anforderungen an Größe und Marktkapitalisierung
des zu notierenden Unternehmens sind niedriger.
● Eine Gewinnhistorie muss nicht nachgewiesen werden.
● Gefordert sind nur Angaben zu den letzten zwei Jahren
der Unternehmensgeschichte, statt zu dreien.
● Das Unternehmen muss nicht neue Aktien begeben,
sondern kann existierende Aktien an den Markt bringen.
westliche Wurzeln. Das Listing-Verfahren in Hongkong ist
damit, anders als das in Shanghai, transparent. Erfüllt das
Unternehmen die in den Listing Rules vorgegebenen Voraussetzungen, besteht ein Anspruch auf Börsennotierung. Ob
das beim Shanghai International Board auch so sein wird, ist
mehr als zweifelhaft. Es ist durchaus denkbar, dass in
Shanghai politische Vorgaben an die chinesische Börsenaufsichtsbehörde China Securities Regulatory Commission
zur Bevorzugung von „genehmen“ Unternehmen führen
könnte, sodass ein Antrag in Shanghai einen ungewissen
Ausgang haben könnte, obwohl alle Antragsvoraussetzungen
formell erfüllt scheinen. Auch ist beim Shanghai International Board zu erwarten, dass dieses pro Jahr nur einer
kleinen Zahl sehr großer Unternehmen offen stehen wird.
Für die meisten internationalen Unternehmen hingegen wird
der Gang an die Börse Shanghai auch nach Schaffung des
International Board dauerhaft verwehrt bleiben. Ein Punkt,
der eindeutig für die Beschäftigung mit dem Börsenplatz
Hongkong spricht.
...............................................................................................................................................
Ihre Ansprechpartner
Jens-Peter Otto
Tel.: +86 21 2323-3350
jens-peter.x.otto@cn.pwc.com
Dr. Holger Miss
Tel.: +44 20 7804-2452
holger.h.miss@uk.pwc.com
Shanghai International Board
Ausländischen Unternehmen wird eine Börsennotierung
in China zukünftig wohl auch in Shanghai möglich sein
(vergleichen Sie dazu den bereits erwähnten Artikel in der
Ausgabe Winter 2011 des China Compass ab Seite 23).
Offizielle Stellen haben jedenfalls schon vor Jahren angekündigt, hierfür ein gesondertes Börsensegment zu
schaffen. Die Einführung dieses Shanghai International
Boards ist schon mehrfach verschoben worden. Nach wie vor
ist nicht genau absehbar, wann es geöffnet wird und wie
genau die rechtlichen und praktischen Rahmenbedingungen
eines Listings dort ausgestaltet sein werden. Worin besteht
nun der Vorteil einer Notierung an der Börse in Hongkong
gegenüber einer künftig möglichen Notierung am International Board in Shanghai? Ein Unterschied ist kultureller
Natur. Denn das Rechtssystem in Hongkong hat generell
China Compass Frühjahr 2012 25
Investition und Finanzierung
Photovoltaik: China bald größter
Markt weltweit
China hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt, um seinen
Beitrag für den Kampf gegen den Klimawandel zu
leisten. Der Photovoltaikmarkt wächst im Land
stark. – Im folgenden Artikel liefert Ihnen Björn
Maack eine Übersicht über die derzeitige Marktentwicklung im PV-Markt, die Ziele der Regierung
und ihre Fördermechanismen. Anschließend
analysiert der Beitrag, welche Faktoren den
Markt beeinflussen, und wirft einen Blick auf
die zukünftige Entwicklung.
Installierten chinesische Projektentwickler und Kraftwerksbetreiber 2010 noch eine überschaubare Kapazität in Höhe
von 600 Megawatt (MW), wurde 2011 bereits ein Volumen
von 2.900 Megawatt erreicht (Abb. 1). China gehört seitdem
zu den Top Five der PV-Märkte weltweit. Ähnlich wie in
anderen Ländern waren in der ersten Wachstumsphase die
Großanlagen (Large Scale, größer als ein Megawatt) das bei
weitem größte Marktsegment. Zwei Hauptfaktoren haben zu
dem enormen Wachstum von fast 500 Prozent geführt: zum
einen die neu eingeführten Einspeisetarife (feed-in, FiT),
zum anderen ein Preisverfall von 40 Prozent für Systemkomponenten.
Abb. 1
Jährliche Installationen in China 2010 und 2011
2.900 MW
600 MW
2010
Large Scale
2011
Residential, Commercial and off-grid
Die Anteile der Segmente wurden grob geschätzt.
Quellen: Solarbuzz, PwC-Analyse
Einführung von Einspeisetarifen 2011:
Initialzündung für den Markt
Die chinesische Regierung steckte sich in ihrer Umweltagenda hohe Ziele und korrigierte die Pläne für Photovoltaikinstallationen mehrmals nach oben. Die letzte Anpassung
nahm sie November 2011 vor, als sie ihre Ziele für kumulierte
Installationen nochmals von zehn auf 15 Gigawatt für 2015
und von 20 Gigawatt auf 50 Gigawatt für 2020 erhöhte.
26 China Compass Frühjahr 2012
In diesem Beitrag erfahren Sie
● wie sich der chinesische PV-Markt 2011
entwickelt hat.
● auf welche Weise China die Entwicklung der
Photovoltaik fördert.
● welche Faktoren die weitere Entwicklung des
Markts bestimmen.
Zusätzlich wurden die Pläne weiter spezifiziert. Demnach
sollen drei der bis 2015 insgesamt geplanten 15 Gigawatt auf
Dächern installiert werden.
Es gibt mehrere Subventionsprogramme, die die Erreichung
der Ziele unterstützen sollen. Hierzu zählen das Feed-intariff Programm (FiT), das Golden Sun Programm, das BIPV
(Building integrated photovoltaics) und BAPV (Building
applied photovoltaics) Programm und Konzessionsrunden.
Das FiT ist die wichtigste Maßnahme und wurde im August
2011 eingeführt. Sie gewährt die folgenden Zahlungen:
● 1,15 Renminbi (RMB) pro Kilowattstunde für Projekte,
die vor Juli 2011 registriert wurden und spätestens am
31. Dezember betriebsfähig waren
● 1,0 RMB pro Kilowattstunde für das zweite Halbjahr 2011
und für 2012
Abweichend von diesen nationalen FiTs gibt es provinzspezifische Solar-FiTs in Qinghai, Shandong, Jiangsu und
Zhejiang, deren Tarife zwischen 1,15 und 1,43 RMB pro
Kilowattstunde liegen.
Das Golden-Sun-Programm richtet sich an private,
kommerzielle sowie netzunabhängige Projekte (off-grid).
Seine Vorläufer, Golden Sun und Solar Roofs, wurden im
September 2010 zusammengelegt. Erfolgreiche Bewerber
erhalten direkte Zuschüsse für die Anlagen. Sie betragen
70 Prozent für Off-grid- und 50 Prozent für netzgebundene
Systeme mit einer Kapazität von mehr als 300 Kilowatt. Die
Programme werden durch einen Fonds für die Entwicklung
erneuerbarer Energien des Finanzministeriums finanziert.
Von 2009 bis 2011 wurden Projekte mit einer Gesamtleistung
von insgesamt 1.600 Megawatt genehmigt.
Ende 2011 verkündete das Finanzministerium ein neues
BIPV- und ein neues BAPV-Förderprogramm. Im Jahr 2012
erhalten BIPV-Systeme direkte Investitionszuschüsse in
Höhe von neun RMB pro Watt, während BAPV-Systeme mit
7,5 RMB pro Watt bezuschusst werden. Die endgültigen
Förderregelungen werden nach Aussagen des Finanzministeriums vom Marktpreis der Solarprodukte abhängen.
Investition und Finanzierung
Seit 2009 wurden zwei Konzessionsrunden mit 20 Megawatt
(zwei Projekte) und 280 Megawatt (13 Projekte) durchgeführt. Diese Runden wurden in Form öffentlicher Ausschreibungen ausgerichtet und bezogen sich auf Large-ScaleProjekte. Beobachter erwarten, dass dieses Programm nicht
fortgeführt, sondern durch das FiT-Modell ersetzt wird.
Neben den bislang genannten direkten Zuschüssen gibt es
weitere Unterstützungsmechanismen, darunter Steueranreize oder Gebührenerlasse. Steueranreize für Windund Solarkraftwerke bestehen aus einer 100-prozentigen
Befreiung von der Körperschaftsteuer in den ersten drei
Jahren und einer 50-prozentigen Befreiung vom vierten bis
zum sechsten Jahr (beruhend auf einem Standardsteuersatz
von 25 Prozent). Die Provinz Ningxia erlässt Entwicklern die
Gebühren für die Landübertragung, neue Bebauungsflächen
und Grundstücksmanagement.
Mithilfe der erwähnten Fördermaßnahmen haben die LargeScale-Projekte eine Rentabilität (internal rate of return, IRR)
von sechs bis zehn Prozent erreicht. Nach Beobachtungen
von Marktteilnehmern ermöglichte das Golden-SunProgramm einigen Projekten in den sonnigen nordwestlichen
Regionen einen IRR von bis zu 35 Prozent. Diese Margen
führten zu sehr hohen Installationsraten: Anlagen mit einer
Gesamtleistung von 1.700 Megawatt wurden allein im vierten
Quartal 2011 installiert, da die Kunden rechtzeitig vor der
für Anfang des Jahres 2012 geplanten Senkung des FiT um
13 Prozent ihre Anlagen anschließen wollten.
Subventionspolitik: ein kritischer Faktor
der Marktentwicklung
Die zukünftige Entwicklung des Markts hängt ab von der
Wettbewerbsfähigkeit der Preise, der Bezahlbarkeit durch
private und kommerzielle Kunden sowie der Subventionspolitik.
Stichwort preisliche Wettbewerbsfähigkeit: Die Elektrizitätspreise in China gehören zu den niedrigsten der Welt. Selbst
wenn man davon ausgeht, dass die mittleren Kosten der
Stromerzeugung (levelised cost of electricity, LCOE) von
2011 um weitere 30 Prozent auf 0,65 RMB pro Kilowattstunde 2014 sinken, würden sie immer noch circa 0,30 RMB
pro Kilowattstunde höher sein als die vergleichbaren Kosten
von Kohle- und Gaskraftwerken. Solange der chinesische
Staat keine Steuer auf CO2-Emissionen erhebt, ist China im
Unterschied zu vielen europäischen Ländern von Netzparität
(grid parity) noch weit entfernt.
Bei der Bezahlbarkeit merken einige Beobachter an:
Chinesische Privatkunden sind möglicherweise nicht in
der Lage, sich ein Photovoltaiksystem zu leisten, weil ihr
verfügbares Einkommen dafür nicht genügt. Einerseits
deuten offizielle Statistiken darauf, dass das jährlich in
Städten verfügbare Einkommen von etwa 2.600 Euro in
Vergleich zum Preis eines Photovoltaiksystems mit einer
Leistung von fünf Kilowattstunden in Höhe von rund
8.700 Euro tatsächlich niedrig ist. Die Relation zwischen
dem Preis einer Photovoltaikanlage und verfügbarem Einkommen beträgt in China mit 3,3 das Fünfeinhalbfache des
vergleichbaren Werts in Deutschland von circa 0,6. Das
Verhältnis zwischen Hauspreis und Hauseigentum aber zeigt:
Die chinesischen Bürger verfügen möglicherweise über mehr
Kaufkraft, als die offiziellen Statistiken belegen. Dagegen
ließe sich einwenden, dass Chinesen dem Besitz eines
Apartments eine wichtige soziale Funktion beimessen, da
eine eigene Wohnung eine Voraussetzung für eine Heirat
sein kann und dieser Umstand die reale Kaufkraft überbewertet. Allerdings deuten Statistiken über absolute Ausgaben für etwa Autos und Luxusgüter darauf hin, dass die
Bezahlbarkeit eines PV-Systems keine wirkliche Barriere ist.
Da die preisliche Wettbewerbsfähigkeit in der nahen Zukunft
wahrscheinlich nicht erreicht wird und die Bezahlbarkeit also
keine tatsächliche Barriere ist, ist die Subventionspolitik der
wichtigste Treiber der Entwicklung des chinesischen Photovoltaikmarkts. Der folgende Abschnitt listet verschiedene
Pro- und Kontraargumente im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der gegenwärtigen Förderpolitik und des damit
verbundenen Marktvolumens auf.
Pro
● Die Ziele wurden immer wieder nach oben korrigiert:
zuletzt im November 2011 von zehn auf 15 Gigawatt bis
2015 und von 20 auf 50 Gigawatt bis 2020.
● Marktteilnehmer erwarten, dass das Golden-SunProgramm für die nächsten drei bis vier Jahre neben
dem FiT-Modell bestehen bleibt.
● Trotz der hohen Installationsraten 2011 verkündete das
Finanzministerium neue BIPV- und BAPV-Zuschussprogramme.
Kontra
● Hohe IRR haben zu einer Projektpipeline von bis zu
20 Gigawatt geführt. Marktteilnehmer erwarten deshalb
staatliche Maßnahmen zur effektiveren Kontrolle des
Wachstums.
● Projekte werden generell durch den Zuschlag für
erneuerbare Energien in Höhe von 0,004 RMB pro
Kilowattstunde finanziert. Experten geben zu bedenken,
dieser Zuschlag könnte zu niedrig sein, um die erwarteten
Ausgaben zu decken.
● Das Golden-Sun-Programm wird durch einen Fonds für
die Entwicklung erneuerbarer Energien finanziert. Wie
groß dieses Subventionsprogramm in Zukunft sein wird,
ist unklar.
China Compass Frühjahr 2012 27
Investition und Finanzierung
Insgesamt hat China bisher wenig Zeit gehabt, um
Erfahrungen mit Solarsubventionen zu sammeln. In der
Vergangenheit waren die Zuschüsse zu niedrig, um einen
großen Markt entstehen zu lassen, während die Höhe der Zuschüsse aktuell zu einer Blase geführt hat. Erfahrungen aus
anderen Ländern zeigen: Jedes Land reagiert anders auf
Photovoltaikblasen. Während Spanien den Markt durch
ein Installationslimit praktisch zum Erliegen brachte,
verzeichnete Deutschland trotz der Senkungen der
Fördertarife in den letzten drei Jahren neue Rekordwerte
bei den Installationen. Wahrscheinlich wird die chinesische
Regierung Photovoltaik weiterhin in ausreichendem Maße
unterstützen, um ihre Umweltziele zu erreichen und zunehmenden Bedenken in der Bevölkerung über Umweltverschmutzung aktiv entgegenzutreten.
Sie haben gesehen: Der chinesische Photovoltaikmarkt wird
auch in Zukunft einer der fünf größten Märkte der Welt sein.
Dem wahrscheinlichsten Szenario für 2015 entsprechend
werden die staatlichen Ziele für 2015 erreicht werden.
Das würde eine durchschnittliche Marktgröße von rund
2.825 Megawatt pro Jahr bedeuten (Abbildung 2). Basierend
auf einer positiven Subventions- und Einkommensentwicklung wird das Segment Residential and Commercial
seinen Anteil am Photovoltaikmarkt voraussichtlich bis 2015
auf 25 Prozent erhöhen. Um diese Möglichkeit für sich zu
nutzen, sollten in- und ausländische Unternehmen geeignete
Ansätze entwickeln, um erfolgreich in die verschiedenen
Marktsegmente (Residential, Commercial and off-grid und
Large Scale) einzutreten.
Abb. 2
Ihr Ansprechpartner
Dr. Björn Maack
Tel.: +86 21 2323-3908
bjoern.b.maack@cn.pwc.com
Ziele zur kumulierten Installation von Photovoltaik 2011
bis 2015 und durchschnittliche jährliche Installationen
2012 bis 2015
16.000
Installationen (MW)
14.000
3.000
12.000
3.000
2.825
2.500
625
2.000
10.000
1.500
8.000
6.000
12.000
4.000 500
2.000 3.200
0
2011
Large Scale
1.000
2.200
500
0
Average market
size 2012–2015
Residential, Commercial and off-grid
2015
Quellen: China Greentech Initiative, PwC-Analyse
28 China Compass Frühjahr 2012
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Investition und Finanzierung
Investitionslenkungskatalog 2011:
Prinzipien, Zielausrichtung und
Handlungsoptionen
In unserer „China Compass“-Ausgabe Sommer 2011
(Seite 11 ff.) haben wir bereits ausführlich über den
Referentenentwurf des Investitionslenkungskatalogs berichtet, der zu der Zeit noch offen für
fachlichen Stellungnahmen war. Die chinesische
Planungs- und Entwicklungskommission und das
chinesische Handelsministerium haben nunmehr
am 24. Dezember 2011 mit dem gemeinsamen
Erlass 12 die neue Version des Investitionslenkungskatalogs für ausländische Unternehmen
veröffentlicht. Die aktuelle Ausgabe ist seit
30. Januar 2012 in Kraft und ersetzt den bisherigen
Katalog zur Lenkung der Investitionen in der
Version von 2007. Die Neuauflage des Katalogs ist
von außerordentlicher Bedeutung für bestehende
und geplante Investitionsentscheidungen in China.
Denn Aktivitäten in bestimmten Branchen und
Industrien werden von der chinesischen Regierung
streng kontrolliert und zum Teil nur unter Auflagen
genehmigt. Der Katalog ist Maßstab für die
genehmigungsrechtliche Zulässigkeit eines
geplanten Investitionsvorhabens und setzt den
Rahmen, in dem die Realisierung eines solchen Vorhabens möglich ist. Was sich geändert hat, fassen
Dirk Bongers und Chao Han für Sie zusammen.
Hintergrund und Aufbau
Der aktuelle Katalog zur Lenkung der Investitionen ist die
fünfte revidierte Version während der vergangenen 16 Jahre:
Der erste Katalog zur Steuerung ausländischer Investitionen
in China stammt aus dem Jahr 1995. Damals wie heute
verfolgt die chinesische Regierung mit diesem Instrument
das Ziel, ausländische Investitionen zu beaufsichtigen und zu
lenken. Angesichts der rasanten Entwicklung der chinesischen
Wirtschaft seit der Erstauflage 1995 wurde der Katalog
immer wieder an die aktuellen Entwicklungsziele angepasst,
so etwa 2004 und zuletzt in der vierten Auflage 2007.
Wie schon in der Vergangenheit listet auch der aktuelle
Entwurf des Investitionslenkungskatalogs drei Arten von
Investitionen auf:
● geförderte Investitionen
● eingeschränkt erlaubte Investitionen
● verbotene Investitionen
In diesem Beitrag erfahren Sie
● wie der Investitionslenkungskatalog aufgebaut
ist und welchen Leitprinzipien er folgt.
● welche Grundausrichtung der Katalog hat und
welche Ziele er anstrebt.
● welche Chancen und welcher Handlungsbedarf
sich durch den neuen Katalog ergeben.
Die Durchführung geförderter Investitionen wird in vielerlei
Hinsicht unterstützt, etwa durch eine besonders kurze
Genehmigungsdauer. Beschränkt zulässige Investitionsvorhaben sind regelmäßig nur in der Form eines Joint
Ventures möglich, also als Gemeinschaftsunternehmen
zusammen mit einem chinesischen Partner. Auch die Anteilsverhältnisse gibt der Katalog vor: So lassen sich zahlreiche
Vorhaben nur gemeinsam unter Mehrheitsbeteiligung eines
chinesischen Gesellschafters verwirklichen. Im Investitionslenkungskatalog nicht aufgeführte Branchen und Industrien
unterliegen keiner Investitionsbeschränkung, sie gelten
daher grundsätzlich als erlaubt (Erlaubnis mit Beschränkungsoder Verbotsvorbehalt). Daher können sich durch die
aktuelle Änderung des alten Katalogs – etwa die Aufhebung
mancher derzeitigen Beschränkungen – Chancen für
deutsche Investoren ergeben, wenn der Zugang zu einer
bestimmten Branche nach der Aufhebung erstmals für ausländische Investoren gewährt wird. Wie Sie noch im Detail
lesen werden, können umgekehrt aber auch neue, geförderte
Aktivitäten ein Risiko für bereits getätigte Investitionen
bedeuten. Auf jeden Fall ist der Investitionslenkungskatalog
ein verlässlicher Maßstab für die Bewertung der chinesischen
Industriepolitik in den kommenden Jahren und kann daher
dem ausländischen Investor auch dabei helfen, seine
Investitionen zu planen.
Prinzipien und Zielrichtung
Ungeachtet der Details sind drei große Leitprinzipien im
revidierten Katalog zu erkennen:
● Umsetzung des zwölften Fünfjahresplans
● vorsichtige Fortsetzung der Öffnungspolitik
● Verfolgung wirtschaftlicher und industriepolitischer
Interessen Chinas
Umsetzung des zwölften Fünfjahresplans
Ziel dieses Lenkungsinstruments bleibt nach wie vor,
die gesamtpolitischen Ausrichtungen der chinesischen
Regierung umzusetzen. Der aktuelle Entwurf basiert auf
den Leitlinien des Staatsrats über die Meinungen zu den
Maßnahmen einer verbesserten Nutzung ausländischer
Investitionen (Opinions on Further Improving the Work of
Utilizing Foreign Investments) vom 6. April 2010. Außerdem
China Compass Frühjahr 2012 29
Investition und Finanzierung
steht die aktuelle Fassung in engem Einklang mit den übergeordneten Zielen des zwölften Fünfjahresplans und trägt
durch die gezielte Lenkung der Auslandsinvestitionen dazu
bei, ihn umzusetzen. Das soll Ihnen folgendes Beispiel
verdeutlichen:
standards in den letzten Jahren angehoben. Parallel dazu
verschärft auch der aktuelle Investitionslenkungskatalog die
Umweltkriterien für förderfähige Investitionen. Investitionen
in die chemische Verarbeitung von Kohle (etwa Kohleverflüssigung) werden beispielsweise nicht mehr gefördert.
Eine der zuvor genannten Meinungen des Staatsrats enthält
die vorrangige Förderung von Hochtechnologieinvestitionen
aus dem Ausland. Analog dazu findet sich im Kapitel 3 Abschnitt 9 Absatz 1 des aktuellen Fünfjahresplans die
Forderung, dass China sich im Automobilsektor die Kerntechnologie der Schlüsselkomponenten aneignet und selbstständig weiterentwickelt. Basierend auf den Leitprinzipien
dieser beiden Dokumente gehört zum Beispiel die
Entwicklung von Schlüsselkomponenten eines Elektroautos
nach Abschnitt 19 Nummer 4 des Investitionslenkungskatalogs zu den geförderten Investitionen. Gleichzeitig wird
aber die Höchstbeteiligungsquote des ausländischen Partners
bei Investitionen in Elektroautos auf höchstens 50 Prozent
beschränkt. Am Beispiel der konkreten Umsetzung sehen Sie:
Der aktuelle Entwurf des Investitionslenkungskatalogs ist,
wie etwa die steuerliche Förderung von Hochtechnologieunternehmen, nur ein weiteres Mittel, um übergeordnete
Leitprinzipien umzusetzen, mit denen der Gesetzgeber die
grundlegende Ausrichtung des Landes bestimmt.
Der jüngst verabschiedete Investitionslenkungskatalog 2011
und seine Schwerpunkte machen deutlich: In China sind nur
solche ausländischen Investitionen erwünscht, die mit dem
gesamtpolitischen Interesse des Landes im Einklang stehen.
Wie Sie im Folgenden lesen werden, will China in erster Linie
die Struktur der Industrie mithilfe ausländischer Technologie
verbessern.
Vorsichtige Fortsetzung der Öffnungspolitik
Seit Chinas Beitritt zur Welthandelsorganisation im Jahre
2001 öffnet China kontinuierlich, aber vorsichtig weitere
Wirtschaftszweige für ausländische Investoren. Auch wenn
der aktuelle Investitionslenkungskatalog nach den Stimmen
einiger Interessenverbände aus der EU und den USA noch
nicht weit genug geht, ist zu erkennen, dass die bisherigen
Beschränkungen für Investitionen ausländischer Unternehmen sukzessiv abgebaut werden. Gegenüber der Vorversion aus dem Jahre 2007 wurden zusätzlich drei weitere
geförderte Industriekategorien aufgenommen und gleichzeitig sieben eingeschränkt erlaubte Industriekategorien und
eine verbotene Industriekategorie aus dem Investitionslenkungskatalog gestrichen. Die Streichung eines Vorhabenbereichs aus der Kategorie der eingeschränkt erlaubten
beziehungsweise verbotenen Vorhaben führt grundsätzlich
zu einer Erlaubnisfreiheit des jeweiligen Vorhabens. Darüber
hinaus wurden in elf Fällen bisherige Höchstbeteiligungsquoten für ausländische Investoren aufgegeben. Andererseits
ist aber auch zu beachten: Manche neu eingeführte Förderkategorien sehen Beteiligungshöchstgrenzen vor.
Anpassung an chinesische Interessen und die
aktuelle Rechtslage
Ein weiteres Leitprinzip des Katalogs ist die Verknüpfung
und Abstimmung der Investitionssteuerung mit den
Gesetzen und Verordnungen, die seit 2007 in Kraft getreten
sind. Beispielsweise hat China die geltenden Umwelt-
30 China Compass Frühjahr 2012
Brennpunkt und Umsetzung
Der aktuelle Investitionslenkungskatalog steht generell im
Zeichen einer veränderten Markt- und Wettbewerbssituation
Chinas: Angesichts steigender Produktionskosten (allen voran
das Lohnniveau in den Küstenregionen) und der beschränkten
Ressourcen ist die Dringlichkeit eines Strukturwandels der
chinesischen Wirtschaft größer denn je. International
konkurrieren zudem immer mehr Unternehmen um knappe
Rohstoffe, Kapital und gut ausgebildete Fachkräfte.
Verglichen mit den bisherigen Investitionslenkungskatalogen
konzentriert sich die Neuauflage 2011 einmal mehr darauf
● das produzierende Gewerbe strukturell aufzuwerten,
● strategische Wirtschaftszweige zu fördern und
● einen modernen Dienstleistungssektor aufzubauen und
zu stärken.
Diese drei Ziele der Regierung führen Ihnen die folgenden
Abschnitte im Detail vor Augen.
Strukturelle Aufwertung des produzierenden
Gewerbes
Der beabsichtigte Strukturwandel verfolgt zwei Ziele:
● Abkehr von energie- und arbeitsintensiver Industrie mit
geringer Qualifikation
● Transformation zu einem produzierenden Gewerbe mit
fortschrittlicher Technologie und hoher Wissensintensität
Quer durch alle Wirtschaftszweige fördert Beijing nun
Investitionen mit hohem Technologiestandard, während
konventionelle Produktionsbetriebe keine Förderungen mehr
beanspruchen können. (Den Hintergrund des in diesem
Zusammenhang oft zu hörenden Begriffs Liang Gao Yi Zi
finden Sie in der Infobox.) So wurde etwa die Produktion
ganzer Automobile von der Liste der förderwürdigen
Investitionen gestrichen, weil sie keinen nennenswerten
Know-how-Transfer bewirkt und in diesem Sektor zudem
längst zahlreiche ausländische Autohersteller tätig sind.
Nicht mehr zu den geförderten Investitionen gehört analog
Investition und Finanzierung
auch die Herstellung von polykristallinem Silizium, ein
Grundstoff für die Halbleiterindustrie und für Sonnenkollektoren. Denn die Produktion vom polykristallinen
Silizium setzt große Mengen von Giftstoffen frei.
Liang Gao Yi Zi
Die chinesische Abkürzung Liang Gao Yi Zi steht für
Gao Hao Neng (energieintensiv), Gao Wu Ran (stark
verschmutzend) und Zi Yuan Xing (rohstoffintensiv).
Wörtlich übersetzt bedeuten die vier Zeichen: „zweimal
hoch und einmal Ressource“. Mit dieser Abkürzung
werden Betriebe bezeichnet, die hoch energieintensiv
und hochgradig verschmutzend produzieren („zweimal
hoch“) und zudem viele Ressourcen verbrauchen
(„einmal Ressource“).
Der Begriff tauchte zum ersten Mal im elften Fünfjahresplan Chinas 2005 auf, und zwar als ein Negativbeispiel der industriellen Entwicklung. Seitdem verfolgt
China das Ziel, die Zahl der Betriebe gezielt einzudämmen, welche die Umwelt stark verschmutzen sowie
energie- und ressourcenintensiv produzieren. Erreicht
werden soll das unter anderem mittels Streichung
derartiger Auslandsinvestitionen aus der förderfähigen
Liste. Diesen Kurs setzt auch der aktuelle Investitionslenkungskatalog konsequent fort: So wurden die
chemische Aufbereitung von Kohle sowie die Herstellung vom polykristallinen Silizium von den förderfähigen Investitionsvorhaben gestrichen, vor allem weil
ihre Herstellung energieintensiv ist und die Umwelt
hochgradig verschmutzt.
Förderung strategischer Wirtschaftszweige
Eine zweite erkennbare Stoßrichtung des neuen Investitionslenkungskatalogs ist die Förderung von „neuen“ strategischen
Wirtschaftszweigen. Damit möchte China seine Abhängigkeit
von traditionellen und konventionellen Methoden der
industriellen Produktion verringern. Speziell geht es um
Industriebereiche, die das produzierende Gewerbe in
den nächsten Jahrzehnten dominieren werden. Folgende
Kategorien strategischer Wirtschaftszweige sollen nach dem
Katalog gefördert werden:
● die Herstellung von Schlüsselkomponenten für den Automobilbau mit Alternativantrieb: zum Beispiel Hybrid- und
Elektroantrieb
● innovative Biotechnologieprodukte wie neue Impfstoffe,
Biomedizin und moderne medizinische Ausstattung,
Medizintechnik
● moderne Informationstechnologien: darunter Netzsystemausstattungen auf Basis der IPv6-Generation (der „Datenübertragung der nächsten Generation“)
● umweltschonende und energiesparende Technologien in
allen Produktionsbereichen: etwa Anlagen zur Wiederverwertung von Abfall, zur Überwachung von
Verschmutzungen und zur Aufbereitung von Meerwasser
● anspruchsvolle Materialien: Hochleistungsfasern, Hochleistungsstahl, supraleitende Materialien sowie
Materialien unter Nutzung der Nanotechnologie
● Anlagen zur Herstellung erneuerbarer Energien:
Solarenergie-, Windkraft- und Biomasseanlagen
Förderung eines modernen Dienstleistungssektors
Ein drittes Ziel des neuen Investitionslenkungskatalogs sind
der Aufbau und die Erweiterung von Dienstleistungen, die
der chinesischen Gesellschaft von dauerhaftem Nutzen sind.
Dafür wurden insgesamt neun weitere Dienstleistungsarten
in die Liste der geförderten Investitionen aufgenommen.
Dazu gehören:
● Dienstleistungen zur beruflichen Aus- und Fortbildung
● Venture-Capital-Unternehmen, die Unternehmen in der
Gründungsphase fördern
● Dienstleistungen rund um geistiges Eigentum
● der Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge
● die technische Reinigung von Meerwasser, das durch Öl
verschmutzt ist
Außerdem strich der Investitionslenkungskatalog den Betrieb
von medizinischen Einrichtungen und Dienstleistungen im
Finance Leasing von der Liste der eingeschränkt erlaubten
Aktivitäten. Damit sind diese Investitionsprojekte nicht mehr
mit dem Status restricted belegt und grundsätzlich offen für
ausländische Investoren.
Lenkung der ausländischen Investitionen
nach Regionen
Die bisherigen Ausführungen zum Katalog zeigen: Die
chinesische Regierung hat vor allem einen kontinuierlichen
Strukturwandel in den besser entwickelten Küstenregionen
Chinas im Sinn. Im Gegensatz zu den Jahren, als die Reform
der chinesischen Wirtschaft langsam begann, geht es längst
nicht mehr um die Schaffung von Arbeitsplätzen. Im
Vordergrund steht stattdessen eine rapide Steigerung von
Produktivität und Wertschöpfung durch eine technologische
Modernisierung oder den Zugang zu überlegener
Technologie.
Da die wirtschaftliche Entwicklung in einem riesigen Land
wie China nicht überall parallel verlaufen kann, lenkt die
chinesische Führung ausländische Investitionen auch
räumlich differenziert. Wie Sie schon in der Ausgabe Winter
2011/2012 Ihrer Fachnachrichten China Compass ab Seite 29
lesen konnten, bereitet die chinesische Regierung derzeit
zusätzlich einen „Investitionsförderkatalog für ausländische
Investitionen in den mittleren und westlichen Regionen
China Compass Frühjahr 2012 31
Investition und Finanzierung
Chinas“ vor. Auf der Pressekonferenz zum allgemeinen
Investitionslenkungskatalog hat ein Verantwortlicher
angekündigt: Gewisse arbeitsintensive Wirtschaftszweige
werden in den Förderkatalog für westliche Regionen
aufgenommen, wenn sie mit der Auflage 2011 aus dem
allgemeinen Investitionslenkungskatalog gestrichen wurden.
Allerdings wird dieser spezielle Förderkatalog für die
mittleren und westlichen Landesteile erst im Laufe des
Jahres 2012 erwartet. Ihr China Compass wird Sie
informieren, sobald das Papier veröffentlicht worden ist.
Fazit und Praxishinweis
Wie sind die Änderungen durch die Neufassung für geplante
Investitionsvorhaben in China nun zu beurteilen? – Was
auch immer ein Unternehmen plant, es ist gut beraten, die
Vorgaben des Investitionslenkungskatalogs aufmerksam zu
studieren. Bei einer Direktinvestition in China ist die Version
2011 – neben weiteren regulatorischen Voraussetzungen –
seit dem 30. Januar 2012 zu beachten. Der Katalog erfüllt
primär die Funktion, ausländische Neuinvestitionen zu
lenken, aber er ist auch ein Frühindikator für künftige
Entwicklungstendenzen: In diesem Sinne genutzt, ist der
Katalog auch eine wertvolle Leitlinie für die strategische
Ausrichtung bereits bestehender Aktivitäten ausländischer
Investoren. Auf lange Sicht werden – das zeichnet sich ab –
ausländische Investitionen in nicht geförderte und eingeschränkt erlaubte Sektoren (etwa stark verschmutzende
und ressourcenintensive Industrien) nur noch schwer
möglich sein. Richtig gelesen eröffnet der Investitionslenkungskatalog dagegen die Möglichkeit, künftige
Entwicklungen zu antizipieren und bereits bestehende
Aktivitäten strategisch anzupassen.
Die offizielle Version des Investitionslenkungskatalogs
2011 (auf Chinesisch) finden Sie auf der Webseite der
chinesischen Planungs- und Entwicklungskommission
unter www.ndrc.gov.cn/zcfb/zcfbl/2011ling/
W020111229379511927834.pdf
Die Übergangsregelung zum bisherigen Investitionslenkungskatalog 2007 sieht vor: Ausländische Investitionen,
die vor dem 30. Januar 2012 genehmigt wurden, bleiben von
der Rechtsänderung unberührt. Jede Änderung dieser bereits
genehmigten Investitionen, die nach dem 30. Januar 2012
vorgenommen wird, muss aber die Vorgaben des neuen
Investitionslenkungskatalogs 2011 einhalten. So kündigte der
Verantwortliche der Planungs- und Entwicklungskommission
(National Development and Reform Commission) auf einer
Pressekonferenz an: Bisherige Investitionsprojekte gelten bei
Veränderungen der Gesellschaftsverhältnisse – wie etwa
32 China Compass Frühjahr 2012
Kapitalerhöhung, Anteilsveräußerung und Börsengänge
(Initial Public Offerings) – nach dem 30. Januar 2012 auch
als neues Investitionsvorhaben und müssen daher die
Vorgaben des neuen Investitionslenkungskatalogs erfüllen.
Die Tragweite dieser Übergangsvorschrift können Sie am
Beispiel der neuen Förderkategorie „Schlüsselkomponenten
für Automobile mit alternativen Antriebsenergien“ ermessen:
Diese Aktivität wird zusätzlich seit dem 30. Januar 2012
gefördert. In der Formulierung ist gleichzeitig die Beteiligungsquote ausländischer Investoren eines solchen Investitionsprojekts auf maximal 50 Prozent beschränkt. Hat beispielsweise die 100-prozentige chinesische Tochter (wholly foreign
owned enterprise) einer deutschen Muttergesellschaft
bislang Hochleistungsbatterien produziert, die auch als
alternative Antriebsquelle eingesetzt werden können, war der
ausländische Investor im Gegensatz zur Herstellung ganzer
Automobile bislang nicht verpflichtet, ein Joint Venture mit
einem chinesischen Partner einzugehen. Allerdings wird bei
jeder gesellschaftsrechtlichen Veränderung dieser Tochtergesellschaft nach dem 30. Januar 2012 nicht nur der neue
Förderstatus angewandt, sondern auch die zusätzliche
Beteiligungsgrenze. Im Rahmen etwa einer Kapitalerhöhung
bei der Tochtergesellschaft müssten also, bei strikter Anwendung der Übergangsregelung, die neuen Anteilseigner
de facto von chinesischer Seite stammen, weil die bisherige
Beteiligungsquote (100 Prozent ausländisch) gegen die
aktuelle Höchstbeteiligungsquote aus dem Investitionslenkungskatalog verstößt.
Bedenken Sie also bitte: Ausländische Investoren müssen
den Katalog nicht nur beachten, wenn sie die Genehmigung
eines Vorhabens beantragen wollen. Sie müssen vielmehr
bei jeder Restrukturierungsmaßnahme prüfen, ob die
Veränderung der Gesellschaftsverhältnisse durch die
Anwendung des aktuellen Investitionslenkungskatalogs
ungeahnte Risiken hervorruft. Da bislang noch keine
Erfahrungswerte vorliegen, wie die chinesischen Behörden
mit den neuen Richtlinien umgehen, wird es schließlich
spannend sein, zu beobachten, wie und in welchem Umfang
die Übergangsregelung in der Praxis umgesetzt wird. Über
die weitere Entwicklung wird Sie Ihr China Compass jedenfalls auf dem Laufenden halten.
...............................................................................................................................................
Ihre Ansprechpartner
Dirk Bongers
Tel.: +49 211 981-7888
dirk.bongers@de.pwc.com
Chao Han
Tel.: +49 211 981-1442
chao.han@de.pwc.com
Steuern und Recht
Steuern und Recht
Aktuelles zur Sozialversicherungspflicht für Ausländer
Das System der Pflichtversicherungen ist in keinem
Land einfach zu verstehen. In China kommen
diverse landestypische Herausforderungen hinzu.
In der letzten Ausgabe (Winter 2011/2012) berichtete
Pia Dittmann über die neue Verwaltungsanweisung
zur Sozialversicherungspflicht für Ausländer (ab
Seite 35). Daran anknüpfend informieren Sie Pia
Dittmann und Ulrich Buschermöhle, unser Experte
vom PwC Social Security Compentence Centre, über
aktuelle Entwicklungen.
Lokale Durchführung und Registrierung
Auch ohne die Veröffentlichung von Richtlinien oder einer
öffentlichen Bekanntgabe auf lokaler Ebene haben in den
letzten Monaten die meisten Sozialversicherungsbehörden
die Anträge zur Registrierung von Ausländern auf Nachfrage
akzeptiert. In Shanghai ist hingegen nach wie vor keine
Registrierung möglich, wohl allerdings im Umland. Es ist
allerdings seit März eine Richtlinie zur Registrierung im
Umlauf, sodass wahrscheinlich ab April die entsprechenden
Anträge akzeptiert werden. Es empfiehlt sich im Einzelfall,
bei der zuständigen Behörde nachzufragen, ob sie einen
Antrag auf Registrierung akzeptiert.
In Dalian, im Nordosten Chinas, scheint eine Registrierung
ebenfalls möglich zu sein. Viele Unternehmen zögern aber
nach wie vor, sie anzugehen, da Dalian anscheinend tatsächlich keine Einkommensgrenze für Ausländer anwenden
will, sodass die Sozialversicherungsbeiträge auf das gesamte
Einkommen abzuführen sind.
Bitte beachten Sie: Vor der Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge sind zwei Registrierungen vorzunehmen, und zwar für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer. Arbeitgeber ist dabei das Unternehmen, bei dem der
ausländische Mitarbeiter tätig ist. Beschäftigt der Arbeitgeber
in China bereits chinesische Mitarbeiter, für die er Sozialversicherungsbeiträge leistet, muss er sich nicht noch mal
registrieren.
In diesem Beitrag erfahren Sie
● wie lokale Behörden die Registrierung von
Ausländern handhaben.
● was Sie über die Onlineregistrierung zum
Terminsystem der Behörden in Beijing wissen
sollten.
● welche Mitarbeiter von der
Versicherungspflicht befreit sind.
Bei der Registrierung muss der Arbeitnehmer aus einer Liste
(in chinesischer Sprache) zwei lokale Krankenhäuser auswählen, bei denen er sich gegebenenfalls unter Nutzung der
chinesischen Krankenversicherung behandeln lassen will.
Andere „öffentliche“ Krankenhäuser als die ausgewählten
lassen sich mit der chinesischen Krankenversicherung nicht
nutzen. Private internationale Krankenhäuser sind in der Liste
in der Regel nicht geführt, dürfen aber ebenso wie andere
chinesische Krankenhäuser bei Privatzahlung genutzt werden.
Teilweise Freistellung von der
Sozialversicherung
Für deutsche Arbeitnehmer, für die aufgrund des Sozialversicherungsabkommens zwischen China und Deutschland
eine Bescheinigung über die anzuwendenden Vorschriften
der deutschen Sozialversicherung (Vordruck VRC/D101) vorgelegt werden kann, müssen in China keine Arbeitnehmerund Arbeitgeberbeiträge für die chinesische Renten- und
Arbeitslosenversicherung geleistet werden.
Mit anderen Worten: Es besteht keine Verpflichtung zur
Leistung der beiden Beiträge in China. Daher sollten Sie eine
Forderung der chinesischen Sozialversicherungsbehörden,
zuerst den gesamten Betrag inklusive der Beiträge zur
Renten- und Arbeitslosenversicherung zu leisten und dann
eine Erstattung dieser beiden Beiträge beantragen zu
müssen, auf jeden Fall abweisen. Berufen Sie sich dabei
auf die Vorschriften des Abkommens – unter anderem mit
dem Verweis auf die Ausführungen in der zweisprachigen
Bescheinigung.
...............................................................................................................................................
Die Gerüchte über eine Karenzzeit für eine Registrierung
für ausländische Unternehmen bis zum 31. Dezember 2012
können nicht bestätigt werden. Vielmehr ist die Registrierung
so schnell wie möglich durchzuführen, um die Festsetzung
von eventuellen Strafzahlungen zu vermeiden.
Ihre Ansprechpartnerin und Ihr Ansprechpartner
Pia Dittmann
Tel.: +86 10 6533-3572
pia.p.dittmann@cn.pwc.com
In Beijing haben mehrere Sozialversicherungsbehörden ein
Onlineterminsystem eingeführt, über das ein Termin für die
Abgabe der Registrierungsanträge beantragt werden muss.
Ulrich Buschermöhle
Tel.: +49 711 25034-3220
ulrich.buschermoehle@de.pwc.com
China Compass Frühjahr 2012 33
Steuern und Recht
Registrierung zur Währungskontrolle bei ausländischen
Mitarbeiterbeteiligungsplänen
Seit 20. Februar 2012 scheint eine interne, nicht
veröffentlichte Verwaltungsanweisung in China
in Kraft getreten zu sein, die wahrscheinlich eine
Registrierung der meisten ausländischen Aktienpläne bei der Behörde für Devisenkontrolle
erforderlich macht. – Welche Konsequenzen sich
daraus ergeben, lesen Sie im aktuellen Beitrag.
In der vergangenen Ausgabe Ihres China Compass konnten
Sie sich darüber informieren, was sich bei der Versteuerung
aktienbasierter Vergütungen geändert hat („Änderungen
bei der Versteuerung aktienbasierter Vergütungen“,
China Compass, Winter 2011/2012, ab Seite 32). Mit einer
neuen internen Anweisung hat die chinesische Behörde
für Devisenkontrolle, die State Administration of Foreign
Exchange (SAFE), neben der steuerlichen Registrierung
bei den Finanzbehörden möglicherweise eine weitere
Registrierung für ausländische Aktienpläne (Equity-Pläne)
bei SAFE erforderlich gemacht.
Registrierung bei SAFE
Schon 2007 erließ SAFE eine interne Verwaltungsanweisung
(Hui Zong Fa [2007] 78), die detailliert regelt, welche
Prozesse einzuhalten sind, damit chinesische Arbeitnehmer
an ausländischen Equity-Plänen ihres Arbeitgebers teilnehmen können. So ist es unter anderem seit 2007
erforderlich, ausländische Equity-Pläne bei den lokalen
SAFE-Behörden zu registrieren.
Mit der Registrierung möchte China die Einhaltung der
Devisenvorschriften gewährleisten und damit seine Währung
schützen. Nur wenn die SAFE-Registrierung der EquityPläne vorliegt, können Arbeitnehmer in China auf diesem
Weg Aktien ausländischer börsennotierter Gesellschaften
rechtmäßig erwerben und halten.
Im Februar 2012 erließ SAFE nun eine neue interne Richtlinie (Huifa [2012] 7), welche die bisherige Regelungen aus
dem Jahr 2007 ergänzt und die alte Verwaltungsanweisung
ersetzt. Durch die Ergänzungen der neuen Verwaltungsanweisung erweitert sich der Kreis der ausländischen börsennotierten Unternehmen, die eine SAFE-Registrierung durchführen müssen, erheblich.
34 China Compass Frühjahr 2012
In diesem Beitrag erfahren Sie
● was China mit der neuen Registrierungspflicht
bezweckt.
● welche Anforderungen bei einer Registrierung
zu beachten sind.
● wie Betroffene auf die Änderung reagieren
sollten.
Voraussetzungen für eine
SAFE-Registrierung
Die wichtigste Änderung betrifft den Kreis der Personen, die
sich bei der SAFE registrieren müssen, um an Equity-Plänen
teilnehmen zu können. Bisher waren als Teilnehmer nur
chinesische Staatsangehörige mit einem Personalausweis
der Volksrepublik China betroffen. Nun ist eine SAFERegistrierung auch für chinesische Einwohner von
Hongkong, Macau und Taiwan oder für Ausländer
erforderlich. Außerdem sind jetzt nicht nur Arbeitnehmer
erfasst, sondern auch selbstständige Vertragspartner und
Leiter (Director) des chinesischen Unternehmens.
Noch nicht geklärt ist bislang, ob nur lokal angestellte
Ausländer in dem Teilnehmerkreis zu erfassen sind oder
auch ausländische Arbeitnehmer, die nach China entsandt
wurden. Müssten sich auch diese Arbeitnehmer bei der SAFE
registrieren, wären davon wesentlich mehr ausländische
Unternehmen und ausländische Arbeitnehmer betroffen
als bisher.
Notwendig für die SAFE-Registrierung ist auch, dass das
ausländische börsennotierte Unternehmen eine lokale
Gesellschaft in China unterhält. Bisher war eine
Registrierung nur erforderlich, wenn die lokale Gesellschaft
eine Tochtergesellschaft des ausländischen Unternehmens
war. Nun ist sie auch vorgeschrieben, wenn es sich lediglich
um eine Niederlassung handelt, um eine Repräsentanz
(Representative Office) oder ein Partnerschaftsunternehmen.
Ebenfalls erweitert wurde der Umfang der Arten von EquityPlänen, die durch eine SAFE-Registrierung erfasst werden
müssen. Waren bisher grundsätzlich nur aktienbasierte Pläne
zu registrieren – wie Pläne mit Aktienoptionen, Aktien mit
Veräußerungsbeschränkung (Restricted Share) und unternehmenserfolgsabhängigen Aktien (Performance Share) –
sind jetzt alle Arten von Equity-Plänen erfasst, also auch
Phantomaktien (Phantom Shares) und andere Cash-basierte
Equity-Pläne.
Steuern und Recht
Konsequenzen der SAFE-Registrierung
Sind die Mitarbeiterbeteiligungspläne bei SAFE registriert,
zieht das eine ganze Reihe von Konsequenzen nach sich.
Unter anderem die folgenden:
● Ist eine SAFE-Registrierung eines Equity-Plans erfolgt,
muss die lokale Gesellschaft nach der neuen Anweisung
innerhalb von zehn Arbeitstagen nach Quartalende an
SAFE über Veränderungen des Equity-Plans berichten.
Themen dieses Berichts sind unter anderem Änderungen
der wichtigsten Bedingungen oder Änderungen aufgrund
von Fusionen oder Übernahmen. Außerdem ist die
Gesellschaft verpflichtet, innerhalb von drei Tagen nach
Quartalsende einen vierteljährlichen Bericht über Fremdwährungstransaktionen einzureichen.
● Falls erforderlich, muss bei SAFE die Umrechnung der
ausländischen Währung der Equity-Pläne in Renminbi
beantragt werden. Ebenfalls zu beantragen ist die jährliche
Quote für Devisen für das jeweils kommende Jahr.
● Wird der Equity-Plan geschlossen, muss die lokale
Gesellschaft innerhalb von 20 Tagen einen Antrag auf
Beendigung der SAFE-Registrierung stellen.
Daher empfiehlt es sich für alle ausländischen börsennotierten Unternehmen, die in China Arbeitnehmer
beschäftigen, zwei Dinge zu prüfen:
● Nehmen Mitarbeiter an Equity-Plänen teil und muss
deshalb eine SAFE-Registrierung durchgeführt werden?
● Sind die neuen Verpflichtungen bei allen bereits
bestehenden Registrierungen erfüllt?
Eines sollten sich alle Unternehmen klar vor Augen halten:
Unterbleibt eine Registrierung oder verstößt ein Unternehmen gegen Verpflichtungen, die sich aus der
Registrierung ergeben, riskiert es hohe Geldstrafen von
bis zu 500.000 Renminbi (etwa 60.000 Euro).
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Ihre Ansprechpartnerin
Pia Dittmann
Tel.: +86 10 6533-3572
pia.p.dittmann@cn.pwc.com
Fazit und Handlungsempfehlung
Mit der neuen Verwaltungsanweisung verfolgt der Gesetzgeber unter anderem das Ziel, die Erfordernisse zu
standardisieren und den Prozess der Registrierung
bei der SAFE für alle ausländischen Equity-Pläne zu
vereinheitlichen. Allerdings hat die Erweiterung des Teilnehmerkreises und die Ausdehnung auf alle Arten von
Equity-Plänen zur Folge, dass wesentlich mehr solcher
Pläne als bisher bei SAFE registriert werden müssen.
Da noch nicht geklärt ist, ob entsandte ausländische Arbeitnehmer ebenfalls in den betroffenen Teilnehmerkreis fallen,
lassen sich die Konsequenzen in diesem Bereich noch nicht
absehen. Aber insbesondere wenn die Arbeitnehmer die
Equity-Pläne vor Beginn ihrer Tätigkeit in China gewährt
bekamen, sie aber während ihrer Tätigkeit in China ausüben,
sind die Auswirkungen der neuen Anweisung erheblich.
Obwohl es sich um eine interne Verwaltungsanweisung
handelt, die nicht veröffentlicht wird, ist sie wahrscheinlich
seit dem 20. Februar 2012 in Kraft und wird seitdem von
den SAFE-Behörden intern angewandt.
Die Neuregelung betrifft allem Anschein nicht nur neue
Equity-Pläne oder solche Pläne, die bisher nicht registriert
waren, sondern auch solche, die bereits nach der bisherigen
Regelung aus dem Jahr 2007 registriert sind.
China Compass Frühjahr 2012 35
Steuern und Recht
Grenzüberschreitende Kapitalkonten in Renminbi: Lockerung
der Vorschriften
Im August 2011 hielt Chinas Vizepräsident eine
bemerkenswerte Rede zur Zukunft der heimischen
Währung, dem Renminbi (RMB). Inzwischen haben
die State Administration of Foreign Exchange
und das Ministry of Commerce entsprechende
Implementierungsvorschriften erlassen. Gegenstand und Hintergrund dieser Aktivitäten ist die
erklärte Absicht der Regierung, die Kontrolle und
Einschränkung grenzüberschreitender Kapitalkonten in Renminbi zu lockern. Lea Gebhardt fasst
für Sie die wichtigsten Maßnahmen und die neuen
Vorschriften zusammen und lässt Sie an ihren
Beobachtungen darüber teilnehmen, welchen Vorteil deutsche Unternehmen in China, aber auch im
Ausland, insbesondere in Hongkong, aus dieser
neuen Entwicklung ziehen können.
Am 17. August 2011 gab Chinas Vizepräsident Li Keqiang in
einer Rede beim Forum zum zwölften Fünfjahresplan sowie
Zusammenarbeit bei Handel und Finanzen zwischen dem
Festland und Hongkong 36 Maßnahmen zur RMBFlexibilisierung bekannt, die sechs Bereiche umfassen. Alle
sechs zielen darauf ab, die wirtschaftliche und finanzielle
Kooperation zwischen China und Hongkong zu vertiefen.
Die Rede des Vizepräsidenten
Alle 36 Maßnahmen, die Vizepräsident Li Keqiang
verkündete, zielen darauf ab, Hongkong als internationales
Finanzzentrum sowie seine Entwicklung zum größten Offshorezentrum für Geschäfte in RMB zu stärken. Folgende
Aktivitäten sind in Zukunft möglich:
● In Hongkong investierte Banken dürfen in China in das
Investmentfonds-Geschäft einsteigen.
● Hongkonger Versicherungsgesellschaften bekommen
Zugang zum chinesischen Markt.
● Hongkonger Banken dürfen Filialen in der Provinz
Guangdong eröffnen.
● Ausländische Direktinvestitionen in RMB im Land
werden unterstützt.
● Weitere in China ansässige Finanzinstitutionen und
Unternehmen dürfen Bonds in RMB in Hongkong
ausgeben. 1
1
Hierzu zählen derzeit chinesische Finanzinstitutionen wie z. B. die
China Development Bank oder Geschäftsbanken wie z. B. die Bank
of China. Auf Unternehmensseite sind es derzeit nur die State
Owned Enterprises, welche auf Genehmigungsbasis, RMB Bonds in
Hongkong ausgeben dürfen. Das chinesische Staatsunternehmen
36 China Compass Frühjahr 2012
In diesem Beitrag erfahren Sie
● was in Zukunft alles erlaubt sein wird.
● welche Vorteile sich daraus für deutsche
Unternehmen ergeben.
● welche Bereiche der Neuregelung noch geklärt
werden können.
● Qualifizierte institutionelle Anleger dürfen im
chinesischen Wertpapiermarkt investieren – mit
einem Anfangsvolumen von 20 Milliarden RMB.
Neue Renminbi-Vorschriften für
Kapitalkonten
Vizepräsident Li Keqiang hob in seiner Rede hervor, die
Internationalisierung des RMB genieße höchste Priorität
seitens der chinesischen Regierung. Um den Prozess voranzutreiben, haben sowohl die State Administration of Foreign
Exchange (SAFE) als auch das Handelsministerium (Ministry
of Commerce, MOFCOM) Erlasse und Implementierungsvorschriften für die Nutzung des RMB bei grenzüberschreitenden Kapitalkonten-Transaktionen veröffentlicht.
Vorschriften für grenzüberschreitende
Kapitalkonten-Transaktionen in
Renminbi
Die SAFE hatte im Mai 2011 vergangenen Jahres Huizhongfa
[2011] 38 (Erlass Nr. 38) an ihre untergeordneten Büros
auf lokaler Ebene herausgegeben. Er enthält detaillierte
Implementierungsvorschriften für die folgenden Kapitalkonten-Transaktionen in RMB:
● RMB-Auslandsinvestitionen durch chinesische
Unternehmen
● RMB-Inlandsinvestitionen durch ausländische Unternehmen in China im Rahmen der Gründung von ausländisch investierten Unternehmen oder der Akquisition
bestehender chinesischer Gesellschaften
● Herabsetzung des Grundkapitals, Anteilsübertragungen,
Liquidationen, vorzeitiger Ausgleich von ausländischen
Direktinvestitionen in RMB
● Gewährung von Krediten in RMB durch chinesische
Unternehmen an ausländische Tochtergesellschaften
● Aufnahme von Krediten in RMB durch chinesische
Unternehmen aus dem Ausland
Baosteel hat dazu die erste Genehmigung im Oktober 2011 erhalten.
Ob und wann ausländisch investierte Banken und Unternehmen in
China dazu befugt sein werden, bleibt abzuwarten.
Steuern und Recht
● Veräußerungsgewinn- und Dividendenzahlungen aus
A-Aktien und Dividendenzahlungen aus H-AktienInvestitionen in RMB an ausländische Anteilseigner
Aufgrund rechtlicher Beschränkungen teilt sich der
chinesische Aktienmarkt in verschiedene Segmente. Einen
Überblick zu den verschiedenen Aktienarten erhalten sie in
der nachfolgenden Tabelle:
Tab. 1
A-, B- und H-Aktien
Aktienart
Beschreibung
A-Aktien
Aktien der Shanghai oder der Shenzhen Stock Exchange,
die in RMB gehandelt werden. Ursprünglich konnten diese
Aktien nur von chinesischen Staatsbürgern gehandelt
werden. Seit 2002 sind sie auch für sogenannte Qualified
Foreign Institutional Investors erhältlich.
B-Aktien
Aktien der Shanghai oder der Shenzhen Stock Exchange,
die in ausländischer Währung gehandelt werden. Die
Handelswährung ist der US-Dollar. Der Handel mit B-Aktien
steht nur ausländischen Investoren offen.
H-Aktien
Aktien von festlandchinesischen Unternehmen, die an der
Hong Kong Stock Exchange gehandelt werden. Der Handel
mit diesen Werten steht allen Anlegern offen.
Diese Maßnahmen sind ein Meilenstein in der Internationalisierung des RMB, da grenzüberschreitende
Transaktionen von Kapitalkonten seit diesem Zeitpunkt in
RMB durchgeführt werden können. Die Vorschriften sind
dadurch nun nicht mehr nur auf Hongkong begrenzt,
sondern werden weltweit angewandt. Ohne Zweifel wird
Hongkong jedoch weiterhin eine Vorreiterrolle im Prozess
der Implementierung einnehmen, unterstützt von der
chinesischen Regierung, Hongkongs Position als Offshorezentrum für RMB-Geschäfte zu konsolidieren.
Die Nutzung des Renminbi für ausländische Direktinvestitionen in China
Zwischenzeitlich hat auch das MOFCOM eine Bekanntmachung herausgegeben, die Grundsätze und Maßnahmen
für die Nutzung des RMB für ausländische Direktinvestitionen in China enthält. Dieser Vorgang belegt:
Die chinesische Regierung ist entschlossen, die neuen
RMB-Vorschriften auch umzusetzen.
ländische Investoren können RMB über ihre chinesischen
Tochtergesellschaften erwerben, etwa über RMB-Gewinne,
Anteilsübertragungen, Kapitalherabsetzungen, Liquidationen
oder den vorzeitigen Ausgleich von Investitionen.
Beschränkungen
Der RMB darf – weder direkt noch indirekt – verwendet
werden für Investitionen in börsenfähige Wertpapiere
und Finanzderivate, ebenso wenig für beliehene Kreditfinanzierungen oder Kreditrückzahlungen innerhalb und
außerhalb Chinas.
Genehmigungsverfahren
Untergeordnete Büros von MOFCOM auf Kommunal- und
Provinzebene sind befugt, die Anträge zu bearbeiten. Einige
wenige ausgewiesene ausländisch investierte Projekte
verlangen eine Genehmigung durch die MOFCOM auf
Staatsebene.
Immobilienprojekte
Seit der Einführung der neuen Regelungen ist es ausländischen Investoren möglich, RMB für Investitionen in
chinesische Immobilienprojekte zu nutzen. Bestehende
lokale Vorschriften, die ausländische Investitionen in diesem
Sektor regeln oder beschränken, sind auch weiterhin zu
beachten.
Stärkung der Rolle Hongkongs im
Rahmen des zwölften Fünfjahresplans
In seiner Rede vom vergangenen Sommer hat Vizepräsident
Li Keqiang wiederholt betont, Hongkong könne – besonders
in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Rechtsberatung,
Accounting, Technologie, Baudienstleistungen sowie im
Medizinbereich – mit der wachsenden Offenheit Chinas
rechnen und werde weiterhin unterstützt. Durch seinen
Wettbewerbsvorteil, speziell im Finanzsektor, kann Hongkong seinen Status als globales Finanzzentrum und als Offshorezentrum für RMB-Geschäfte im Rahmen der neuen
Vorschriften weiter ausbauen.
Auswirkungen der Vorschriften auf
deutsche Investoren
Über die wichtigsten Grundsätze und Maßnahmen informiert
Sie die folgende Liste:
Alle, die Geschäfte in oder mit China betreiben, haben die
neuen Vorschriften begrüßt, auch die deutschen Unternehmen. Die unmittelbaren Vorteile für deutsche Investoren
lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Bezugsquelle des RMB für ausländische
Direktinvestitionen
Der RMB kann legal im Ausland erworben werden, vor allem
durch grenzüberschreitende Handelstransaktionen, RMBBonds oder die Ausgabe von Aktien im Ausland. Aus-
Absicherung des Währungsrisikos
Der RMB wurde in den vergangenen Jahren stetig aufgewertet und Grundkapital, das von ausländischen Unternehmen in ausländischen Währungen, etwa in Euro, ein-
China Compass Frühjahr 2012 37
Steuern und Recht
gezahlt worden ist, hat bei der Umwandlung in RMB häufig
bereits einen Wechselkursverlust erlitten. Das Bedürfnis
deutscher Investoren, das Währungsrisiko abzusichern, ist
nachvollziehbar und soll in Zukunft durch die neuen RMBVorschriften möglich werden.
Auch sind ausländische Investitionen in RMB für die
chinesische Regierung von Vorteil. Denn der Zufluss von
Devisen schwächt sich langsam ab, der enorme Anstieg der
Reserven ausländischer Währungen in China wird dadurch
gedrosselt. China hat speziell unter der konstanten Abwertung des US-Dollar in den vergangenen Monaten gelitten,
weil es über riesige Dollar-Reserven verfügt.
Reduzierung des Währungsrisikos
Die neuen Vorschriften bieten mehr Anreize für deutsche
Investoren, die laufenden Kontotransaktionen (darunter den
Handel von Waren oder Dienstleistungen) mit chinesischen
Gesellschaften in RMB abzuwickeln, weil sich RMB-Gewinne,
die aus China bezogen werden, wieder für Reinvestitionen in
China nutzen lassen. Auch andere Kapitalkonten-Transaktionen können damit bedient werden. Dies bringt auch für
deutsche Unternehmen eine Kosteneffizienz mit sich, da die
Geldströme nicht zweimal einem Währungsumtausch unterliegen. So müssen RMB, die deutsche Unternehmen von
ihrem chinesischen Verkäufer erhalten, nicht erst in Euro
gewechselt werden und danach wieder in RMB für Kapitaleinzahlungen oder Kreditgewährungen an die chinesische
Tochtergesellschaft.
Akquisition von Renminbi auf dem
Hongkonger Kapitalmarkt
Aufgrund der derzeitigen Geldpolitik, die durch die
chinesische Regierung streng kontrolliert wird, ist es sowohl
für ausländische als auch für chinesische Unternehmen
zunehmend schwierig, Kredite von lokalen Banken in China
zu erlangen oder RMB-Fonds am lokalen Kapitalmarkt zu
platzieren. Anders als bei der Kreditaufnahme in China
(der gegenwärtige Darlehenszins für ein Jahr beträgt
6,56 Prozent) können diese Kapitalkosten durch die Aufnahme von RMB (etwa durch die Ausgabe von Unternehmensanleihen) in Hongkong zu einem niedrigen Zinssatz
reduziert werden, da das Zinsniveau am Kapitalmarkt Hongkong derzeit erheblich niedriger ist. Auch deutsche Unternehmen sollten die Beschaffung (das Fundraising) von RMB
in Hongkong erwägen und RMB zur Finanzierung ihrer
China-Investitionen nutzen. Einige Großkonzerne wie
Unilever, McDonald᾽s, VW, China Light and Power haben
bereits Unternehmensanleihen (Corporate Bonds) in RMB in
Hongkong aufgelegt, um RMB zu finanzieren. Sicher werden
ihnen weitere ausländische Investoren folgen, darunter
sicherlich auch weitere deutsche Unternehmen.
38 China Compass Frühjahr 2012
Erwartete Verbesserungen durch die
neuen Vorschriften für deutsche
Unternehmen
Bei aller berechtigten Freude gibt es immer noch Bereiche,
die weiterer Klärung durch die verantwortlichen Behörden
für die Umsetzung der neuen RMB-Vorschriften bedürfen.
Dazu gehören vor allem die folgenden zwei:
Die Koordination zwischen den einzelnen Behörden
Neben SAFE und MOFCOM hat auch die Chinesische
Zentralbank (PBOC) einen eigenen Circular Yinfa [2011] 145
im Juni 2011 erlassen. Er erlaubt ausländische Direktinvestitionen in RMB sowie Kapitalkonten-Transaktionen
durch ausländische Investoren in RMB im Rahmen eines
Pilotprogramms und schreibt gewisse Voraussetzungen
zum Genehmigungsverfahren vor. Als gemeinsame Zuständigkeitsbehörden in diesem Bereich erwarten Beobachter
eine Koordination von SAFE, PBOC und MOFCOM für eine
erfolgreiche und nahtlose Umsetzung der neuen Vorschriften. In der Vergangenheit waren RMB-Kapitalkonten
nicht möglich.
Umwandlung des eingezahlten Kapitals in RMB
Derzeit prüfen die lokalen Banken die Umwandlung von
eingezahltem Kapital eines ausländisch investierten Unternehmens von ausländischer Währung, etwa von Euro, in
RMB, mit Argusaugen. Da der RMB laut Circular 38 zur
Einzahlung des Kapitals für ausländisch investierte Unternehmen genutzt werden kann, wäre es für für deutsche
Unternehmen von Vorteil, wenn die umständlichen Umtauschverfahren für ausländische Investitionen in RMB in
der Zukunft vereinfacht werden könnten.
Devisenkontrollen gelten nach wie vor
Wichtig ist in diesem Zusammenhang trotz aller Euphorie zu
erwähnen: Die Nutzung von RMB für grenzüberschreitende
Handels- und Kapitalkonten-Transaktionen unterliegt auch
weiterhin der Devisenkontrolle in China. SAFE wird weiterhin die Behörde sein, die zusammen mit der PBOC die
Kontrolle über den Zu- und Abfluss von RMB bei grenzüberschreitenden Transaktionen behält. Wie in den
Implementierungsvorschriften von Circular 38 ausgeführt,
werden die meisten Formalitäten, die für ausländisch
investierte Unternehmen und für Kapitalkonten-Transaktionen in ausländischen Währungen gelten, auch für solche
Transaktionen in RMB Gültigkeit behalten.
Steuern und Recht
Zusammenfassung
Die neuen Vorschriften von SAFE und MOFCOM bringen
definitiv Vorteile – und zwar sowohl für ausländische (und
damit auch für deutsche) als auch für chinesische Unternehmen: zum Beispiel die Absicherung von Währungsrisiken, niedrigere Finanzierungskosten und ausgedehntere
Investitionsmöglichkeiten. Zusammen mit den Maßnahmen,
die Li Keqiang nannte, unterstreichen sie die Bereitschaft der
chinesischen Regierung, Hongkong zu einem internationalen
Finanz- und Offshorezentrum für RMB-Geschäfte auszubauen. Aller Voraussicht nach werden die chinesischen und
die Hongkonger Regierungsbehörden weitere detaillierte
Vorschriften und Mechanismen entwickeln, um die 36 Maßnahmen umzusetzen. – Ihr China Compass wird die
Entwicklungen weiter verfolgen und alle Erkenntnisse
und Beobachtungen mit Ihnen teilen.
...............................................................................................................................................
Ihre Ansprechpartnerin
Lea Gebhardt
Tel.: +86 10 6533-3203
lea.gebhardt@cn.pwc.com
China Compass Frühjahr 2012 39
Steuern und Recht
Erste Erfahrungen mit der
Pilotreform zur Mehrwertsteuer
in Shanghai
In der letzten Ausgabe Ihres „China Compass“
konnten Sie es schon lesen: China hat – vorerst auf
Shanghai begrenzt – ab dem 1. Januar 2012 eine
Mehrwertsteuer auf bestimmte Dienstleistungen
eingeführt, die vormals der Geschäftsteuer unterlagen. Inzwischen sind weitere Steuerrundschreiben
mit Anwendungsvorschriften und Detailregelungen
erschienen. Auch liegen schon erste Erfahrungen
darüber vor, wie die Finanzbehörden mit der Pilotreform umgehen. Der folgende Beitrag informiert
Sie deshalb über die jüngsten Entwicklungen sowie
praxisrelevante Besonderheiten bei der Umsetzung,
die vor dem Hintergrund einer angedachten geografischen Ausweitung der Pilotreform auch für
Unternehmen außerhalb Shanghais von Interesse
sind.
Besondere Behandlung grenzüberschreitender Dienstleistungen
Laut Rundschreiben Caishui [2011] 111 vom
16. November 2011 unterliegen Transportleistungen sowie
„ausgewählte moderne Dienstleistungen“ grundsätzlich der
Mehrwertsteuer, wenn der Dienstleister oder der Leistungsempfänger in China sitzt. Davon ausgenommen sind vor
allem Konstellationen, bei denen die Dienstleistung von
einem ausländischen Unternehmer erbracht und vollständig
im Ausland konsumiert oder genutzt wird.
Grundlegende Informationen zur Pilotphase finden Sie
in der Ausgabe Winter 2011/2012 Ihres China Compass
im Beitrag „Umsatzsteuersteuersystem: Shanghai
startet Pilotphase im Januar 2012“, ab Seite 39.
Das später veröffentlichte Rundschreiben Caishui [2011] 131
sieht nun darüber hinaus für bestimmte Fälle des „Dienstleistungsexports“ eine explizite Befreiung von der Mehrwertsteuer oder einen Steuersatz von null Prozent vor. Der
Unterschied zwischen einer Steuerbefreiung und einer NullProzent-Besteuerung ist entscheidend: Nur bei der NullProzent-Besteuerung ist für den mehrwertsteuerpflichtigen
Unternehmer der Vorsteuerabzug auch für damit in
Zusammenhang stehende Vorleistungen möglich. Eine
Übersicht über die betroffenen Sachverhalte geben Ihnen
die Tabellen 1 und 2.
40 China Compass Frühjahr 2012
In diesem Beitrag erfahren Sie
● worauf Unternehmen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen achten sollten.
● welche Unternehmen mit einer Null-ProzentBesteuerung und welche mit einer Steuerbefreiung rechnen können.
● was bei der Veräußerung von gebrauchtem
Anlagevermögen zu beachten ist.
Tab. 1
Null-Prozent-Besteuerung für Unternehmer der
Pilotregion Shanghai
Leistungen
Voraussetzungen
Internationaler
Transport
●
Die Personenbeförderung oder der Frachttransport verlaufen von China ins Ausland, vom Ausland nach China oder vollständig im Ausland.
●
Betriebslizenzen liegen vor.
Forschung und
Entwicklung
●
Der Leistungsempfänger ist eine Person
im Ausland.
Design
●
Der Leistungsempfänger ist eine Person
im Ausland.
●
Die Leistung wird nicht für unbewegliches
Vermögen in China erbracht.
Zwecks Durchführung der Null-Prozent-Besteuerung sieht
Caishui [2011] 131 die „Befreiungs-, Anrechnungs- und
Erstattungsmethode“ auf monatlicher Basis vor. Details
hierzu, auch bezüglich der notwendigen Dokumentation,
wird ein Rundschreiben ausführen, das demnächst
erscheinen soll. Kleinunternehmen dürfen diese Methode
nicht anwenden; für sie gilt schlicht eine Steuerbefreiung.
Der für die Anwendung der Null-Prozent-Besteuerung oder
Steuerbefreiung relevante Begriff „Leistungsempfänger im
Ausland“ wurde bisher nicht näher definiert. Demnach bleibt
es unklar, ob auf den rechtlichen Leistungsempfänger kraft
Vertrags oder den wirtschaftlichen Leistungsempfänger
abzustellen ist. Fallen der rechtliche und wirtschaftliche
Leistungsempfänger auseinander (denkbar etwa im Fall von
Dienstleistungen innerhalb eines Konzerns), könnte es daher
zu Diskussionen mit dem Finanzamt kommen.
Bemerkenswerterweise wurde das genannte Rundschreiben
zwar schon am 29. Dezember 2011 veröffentlicht, zunächst
jedoch durch die Shanghaier Finanzverwaltung nicht an die
lokalen Finanzämter zur Befolgung weitergereicht, da intern
Bedenken über die Auswirkungen auf das Steueraufkommen
bestanden. Während dieser Übergangsphase haben
betroffene Unternehmen daher aus Risikoüberlegungen
heraus ihren Kunden häufig auch dann Mehrwertsteuer
Steuern und Recht
berechnet, wenn grenzüberschreitende Dienstleistungen an
sich die Voraussetzungen der Begünstigung erfüllten.
Tab. 2
Mehrwertsteuerbefreiung für Unternehmer der
Pilotregion Shanghai
Leistungen
Voraussetzungen
Prospektierung und Exploration
●
Die Dienstleistung wird außerhalb
Chinas erbracht.
Leasing von beweglichen
Gegenständen
●
Der Leasinggegenstand wird
außerhalb Chinas genutzt.
Technologieübertragung und
technische Beratung
●
Der Leistungsempfänger ist eine
Person im Ausland.
Konferenzen und Messen
Lagerhaltung
Softwarebezogene Leistungen,
Design und Kontrolle von Schaltkreisen, informationssystembezogene Leistungen und
geschäftsprozessbezogene
Leistungen
Logistische Unterstützung
(ausgenommen Lagerhaltung)
Vertragliches Energiemanagement
Werbung
Internationaler Transport
Rundschreiben Caishui [2011] 133 regelt für Unternehmer,
die aufgrund der Pilotreform mehrwertsteuerpflichtig sind,
Folgendes: Für sie unterliegt der Verkauf von gebrauchtem
Anlagevermögen dann dem vollen Mehrwertsteuersatz
(aktuell 17 Prozent), wenn das Anlagevermögen ab dem
1. Januar 2012, also seit Gültigkeit der Pilotreform, angeschafft
oder hergestellt worden ist. Das erscheint konsequent, da für
diese Unternehmer seitdem grundsätzlich auch der Vorsteuerabzug für Anlagevermögen zulässig ist. Vor diesem
Zeitpunkt angeschaffte oder hergestellte Gegenstände des
Anlagevermögens unterliegen bei Verkauf hingegen einem
vierprozentigen Steuersatz mit pauschaler Ermäßigung um
50 Prozent, also effektiv einem Steuersatz von zwei Prozent.
Kleinunternehmerregelung
Übertragungen von Marken, Urheberrechten sowie auf geistiges
Eigentum bezogene Leistungen
Zertifizierung, Begutachtung
und Beratung
Veräußerung von gebrauchtem
Anlagevermögen
●
Der Leistungsempfänger ist eine
Person im Ausland.
●
Die Leistung wird nicht für Güter
oder unbewegliches Vermögen in
China erbracht.
●
Der Leistungsempfänger ist eine
Person im Ausland.
●
Der Vertragsgegenstand liegt
außerhalb Chinas.
●
Der Leistungsempfänger ist eine
Person im Ausland.
●
Die Werbung wird außerhalb
Chinas geschaltet.
●
Der Transport verläuft von China
ins Ausland, vom Ausland nach
China oder vollständig im
Ausland.
●
Betriebslizenzen liegen nicht vor.
Inzwischen hat die Shanghaier Finanzverwaltung ihre
Haltung jedoch revidiert und das Rundschreiben für die
Anwendung durch die lokalen Finanzämter freigegeben.
Weitere Anwendungsregelungen werden in der Folge
erwartet. In einigen Distrikten Shanghais ist die Anwendung
der Befreiungsmethode aber heute schon möglich.
Für Pilotunternehmer mit einem Umsatz von mehr als fünf
Millionen Renminbi (RMB) innerhalb eines Zeitraums von
zwölf Monaten sieht das chinesische Zentralamt für Steuern
in seiner Mitteilung [2011] 65 grundsätzlich die Pflicht vor,
den Status eines „allgemeinen Mehrwertsteuerpflichtigen“
(general VAT payer) zu beantragen. Bei der Ermittlung des
Umsatzes fließen steuerbefreite und -reduzierte Umsätze
mit ein. Mögliche Abzugsbeträge nach der Nettomethode
mindern den Umsatz nicht. Besteht der Status bereits, ist
eine erneute Beantragung nicht erforderlich. Pilotunternehmer mit einem jährlichen Umsatz bis zu fünf Millionen
RMB müssen den Status nicht beantragen, können es aber.
Unternehmer ohne diesen Status gelten grundsätzlich als
Kleinunternehmer und sind deshalb nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Erste Erfahrungen mit der
Implementierung der Pilotreform
in Shanghai
Die Einführung der Pilotreform zur Mehrwertsteuer in
Shanghai hat bei den betroffenen Unternehmen für
erheblichen Anpassungsbedarf gesorgt. Gerade die sehr
kurze Vorlaufzeit – der Beschluss für die Pilotreform fiel erst
am 26. Oktober 2011 und eine erste Grobregelung zur Reform
wurde erst am 16. November 2011 nachgereicht – sowie die
lediglich „häppchenweise“ erfolgende Veröffentlichung von
wichtigen Detailregelungen haben es den Unternehmen nicht
leicht gemacht, sich auf die veränderte Lage einzustellen.
Auch nachdem die Reform nun schon einige Monate greift,
stehen viele Anwendungsvorschriften noch immer aus.
China Compass Frühjahr 2012 41
Steuern und Recht
Dessen ungeachtet mussten die Pilotunternehmen zum
15. Februar die erste Anmeldung zur Mehrwertsteuer einreichen. In Vorbereitung dessen – und um einen geordneten
Ablauf zu gewährleisten – haben die lokalen Finanzämter
alle Steuerpflichtigen schon vorab aktiv auf die Teilnahme an
der Pilotreform hingewiesen, zumindest soweit den Finanzämtern die Beurteilung der Leistungen der Steuerpflichtigen
möglich war. Natürlich kann ein Unternehmen im Umkehrschluss nicht davon ausgehen, mangels Benachrichtigung
nicht unter die Pilotreform zu fallen, obwohl die Voraussetzungen eigentlich erfüllt wären. Ganz im Gegenteil ist
jedes Unternehmen unter dem Aspekt des Steuerrisikos
gut beraten, die Implikationen der Reform für sich selbst
zu analysieren – und zwar in enger Abstimmung mit dem
Finanzamt und idealerweise mit professioneller
Unterstützung.
In manchen Fällen sorgen Unklarheiten bei der Abgrenzung
von mehrwertsteuerpflichtigen „modernen Dienstleistungen“
und geschäftsteuerpflichtigen sonstigen Dienstleistungen für
Diskussionen mit dem Finanzamt. Unter steuerplanerischen
Gesichtspunkten kann die Teilnahme an der Pilotreform
durchaus attraktiv sein (Vorteile: Vorsteuerabzugsberechtigung sowie möglicherweise Anrechenbarkeit der
ausgewiesenen Mehrwertsteuer für die Kunden). Steht die
eigene Dienstleistung jedoch nicht explizit im Katalog
„moderner Dienstleistungen“, stellt sich insoweit die Frage,
ob sie wenigstens unter einen der dort genannten Oberbegriffe gefasst werden kann, was typischerweise für
Diskussionen mit dem Finanzamt sorgt. Beispiele sind hier
Vermittlungsleistungen für „moderne Dienstleistungen“
oder die Lizenzierung von Markenrechten.
Ausländischen Anwaltskanzleien wurde hingegen vielfach die
Teilnahme an der Pilotreform freigestellt. Diese sind aufgrund historischer Regulierungen in China zwar häufig nur
durch ein Repräsentanzbüro vertreten. Jedoch führen sie in
der Regel Bücher und versteuern Umsatz sowie Gewinn in
China. Damit wäre die Pilotreform für Repräsentanzen
ausländischer Kanzleien in Shanghai nach derzeitig vorherrschender Sicht der Finanzverwaltung eigentlich anzuwenden. Die meisten Kanzleien haben sich jedoch – von
ihrem Finanzamt vor die Wahl gestellt – nach dem Kenntnisstand der Autoren für die vorläufige Beibehaltung der
Geschäftsteuer entschieden. Hintergrund dürfte bei vielen
die unklare steuerrechtliche Lage aufgrund ausstehender
Vorschriften gewesen sein sowie der – aufgrund der
Unterschiedlichkeit von Geschäft- und Mehrwertsteuer –
erhebliche Anpassungsbedarf bei den internen Prozessen
und IT-Systemen.
Pilotunternehmen der Transportbranche sehen sich
häufig als „Verlierer“ der Reform: Für sie gilt seit dem
1. Januar 2012 ein Mehrwertsteuersatz von elf Prozent im
42 China Compass Frühjahr 2012
Gegensatz zum alten Geschäftsteuersatz von drei Prozent,
gleichzeitig aber können sie aus verschiedenen Gründen
keinen nennenswerten Vorsteuerabzug geltend machen. Die
Gegenstände des Anlagevermögens sind in der Regel bereits
vor dem 1. Januar 2012 erworben worden und kommen
daher nicht mehr in den Genuss des Vorsteuerabzugs.
Auch muss sich in der Transport- und den angrenzenden
Branchen bei der Ausstellung von offiziellen Mehrwertsteuerrechnungen zunächst noch die notwendige Routine
einstellen. So wird teilweise von Schwierigkeiten beim Erhalt
von offiziellen Rechnungen bei der Fahrzeugbetankung
berichtet.
Im Bereich der Logistikunterstützung bereitet besonders eine
dort übliche Praxis Probleme: Der Logistiker sammelt vielfach verschiedene Leistungsentgelte von seinem Kunden ein
und reicht diese dann an Subunternehmer weiter. In diesem
Fall ist der Logistiker nun in der Pflicht, die verschiedenen
Leistungsentgelte trennscharf zu erfassen und der Natur der
Leistung nach umsatzsteuerlich korrekt zu behandeln, wobei
die verschiedenen Steuerarten und Steuersätze Beachtung
finden müssen, was aus Sicht des Logistikers die Komplexität
der Abwicklung erheblich steigert.
Messegesellschaften in China profitieren – wie vorstehend
berichtet – von einer Steuerbefreiung bei im Ausland
erbrachten Leistungen. Allerdings geht eine solche Steuerbefreiung grundsätzlich mit einem Verlust des Vorsteuerabzugs einher. Darüber hinaus sind die tatsächliche
Gewährung der Steuerbefreiung und deren administrative
Anforderungen derzeit noch unsicher, was zu Planungsunsicherheiten bei der der Preiskalkulation führen kann.
Wird die Dienstleistung im Ausland dagegen von einer
ausländischen Messegesellschaft an einen chinesischen
Kunden erbracht, unterliegt diese grundsätzlich nicht der
chinesischen Umsatzsteuer.
Neben den Dienstleistern sind jedoch zunehmend auch
Unternehmen aus der Produktion von der Pilotreform
betroffen. Das gilt nicht nur für den Bereich eingekaufter
Dienstleistungen, bei dem Produktionsunternehmen von
den erhaltenen offiziellen Mehrwertsteuerrechnungen
Shanghaier Dienstleister aufgrund des damit verbundenen
Vorsteuerabzugs profitieren können. Auch sind häufige
Gestaltungen wie die zentrale Erbringung interner Dienstleistungen (z. B. IT, Personal, Rechtsberatung, Buchhaltung
oder steuerliche Unterstützung) zwischen verbundenen
Unternehmen sowie die Lizenzierung immaterieller
Vermögensgegenstände von der Umstellung betroffen. Mit
Fragen konfrontiert sehen sich in Shanghai ansässige Unternehmen auch, wenn die korrekte steuerliche Behandlung für
aus dem Ausland erhaltene Dienstleistungsrechnungen
ermittelt werden muss.
Steuern und Recht
Hinweise für die Praxis
Der Alltag ist für die betroffenen Unternehmen auch Monate
nach dem Start der Reform noch längst nicht eingekehrt.
Neben den noch neuen und ungewohnten internen Prozessen
bestehen auch extern noch erhebliche Unsicherheiten, was
die Anwendung der einzelnen Regelungen der Pilotreform
betrifft. Bei Redaktionsschluss des vorliegenden China
Compass gab es beispielsweise noch Unklarheiten zur
Behandlung von grenzüberschreitenden Dienstleistungen:
Zum einen werden die bereits veröffentlichten Regeln von
den lokalen Behörden nur teilweise angewandt, zum anderen
herrscht Unsicherheit über die administrativen Prozesse und
Dokumentationserfordernisse. Insoweit ist auch in den
kommenden Monaten noch mit einer Fülle von weiteren
Anwendungsvorschriften und Spezifizierungen zu rechnen.
frühzeitig auf die Anforderungen und Implikationen der
Pilotreform vorzubereiten.
...............................................................................................................................................
Ihre Ansprechpartner
Alexander Prautzsch
Tel.: +86 21 2323-3375
alexander.prautzsch@cn.pwc.com
Ulrich Reuter
Tel.: +86 21 2323-2723
ulrich.reuter@cn.pwc.com
Auf der anderen Seite ergeben sich aus der Reform jedoch
auch erhebliche Potenziale für betroffene Unternehmen, ihre
entsprechenden Steuerkosten zu senken und Prozesse zu
optimieren. Insbesondere die vorhandenen Befreiungstatbestände und die Null-Prozent-Besteuerung bieten
erhebliches Einsparungspotenzial, ebenso die steueroptimale
Gestaltung von Transaktionen. Erfahrungsgemäß werden
diese Potenziale von vielen Unternehmen derzeit nur unzureichend ausgeschöpft. Daher empfiehlt es sich, die Reform
zum Anlass für einen grundlegenden umsatzsteuerlichen
Review des derzeitigen Geschäfts zu nutzen.
Darüber hinaus bietet die Shanghaier Stadtregierung Unternehmen, welche negativ von der Reform betroffen sind, für
eine Übergangszeit auf Antrag direkte finanzielle Unterstützung zum Ausgleich der zusätzlichen Steuerkosten an.
Eine solche Unterstützung war bereits bei Bekanntmachung
der Reformpläne angekündigt worden und soll die allgemeine Akzeptanz der Reform sichern. Auch wenn für die
Beantragung und Auszahlung der Zuschüsse (wie so häufig)
Details noch unklar sind – Ihre PwC China Business Group
unterstützt Sie hierbei gern.
Und zum Schluss noch einmal der wichtige Hinweis: Die
Pilotreform in Shanghai ist sowohl geografisch als auch
inhaltlich lediglich der erste Schritt auf dem Weg zu einem
einheitlichen Mehrwertsteuersystem in China. Nachdem
Shanghai erste Erfahrungen mit dem neuen System
gesammelt hat, wird allgemein mit einem schnellen
Ausweiten der Reform auf andere Städte und Regionen
gerechnet. Wie berichtet wird, will neben Shenzhen und der
Provinz Jiangsu vor allem auch Beijing relativ schnell die
neuen Regelungen übernehmen, um im Standortwettbewerb
mit Shanghai nicht ins Hintertreffen zu geraten. Sicher
werden auch andere Regionen schnell folgen. Ein Grund
mehr also auch für Unternehmen außerhalb Shanghais, sich
China Compass Frühjahr 2012 43
Steuern und Recht
Neuer Gesetzentwurf verschärft
Ein- und Ausreisekontrollen sowie
die Aufenthaltsvorschriften
Die chinesische Regierung legte unlängst einen
Gesetzentwurf vor, der die Bestimmungen des
Einreise- und Ausreiserechts ebenso verschärft wie
die Vorgaben zum Aufenthaltsrecht für Ausländer.
Was genau Beijing plant und welche Konsequenzen
sich abzeichnen, erläutert ihnen Pia Dittmann.
In den letzten Jahren stieg die Zahl von Ein- und Ausreisen
in China stetig. Im Jahr 2010 waren es 382 Millionen,
darunter 52 Millionen Ausländer, die das Ministerium für
öffentliche Sicherheit registrierte. Im Zeitraum von Januar
bis September 2011 wurden bereits 260 Millionen Ein- und
Ausreisen verzeichnet. Diesem hohen Reiseaufkommen
werden die bisher bestehenden Gesetze aus dem Jahr 1985
nach Ansicht des Ministeriums nicht mehr gerecht. Außerdem gehe mit dem hohen Aufkommen ein Anstieg von
illegalen Einreisen, Aufenthalten und Beschäftigungen von
Ausländern einher.
Daher veröffentlichte die Regierung Ende Dezember
vergangenen Jahres einen Gesetzentwurf, der die Befugnisse
des Ministeriums für öffentliche Sicherheit und des Außenministeriums im Bereich der Einreise- und Ausreisekontrolle
erweitert sowie die Aufenthaltsvorschriften für Ausländer
verschärft.
„Biologische Identifikation“ bei
der Grenzkontrolle
Nach dem Wortlaut des Gesetzes wird bei den Grenzkontrollen die Installierung eines Systems zur Erfassung und
Speicherung „biologischer Identifikationsdaten“ zugelassen.
Im Allgemeinen ist darunter wohl zumindest die Erfassung
von Fingerabdrücken bei der Ein- und Ausreise zu verstehen.
Welche anderen Daten zukünftig gesammelt werden könnten,
ist noch nicht absehbar. Eine Erweiterung der Grenzkontrollen
soll nach Aussage der Ministerien die Identifikation von
Reisenden erleichtern sowie die Effektivität der Kontrollen
erhöhen.
Damit wird auch die Vollziehung einer weiteren Regelung im
Gesetzentwurf unterstützt, nach der ausländischen Arbeitgebern die Ausreise verweigert werden kann, wenn Gehälter
an Arbeitnehmer nicht gezahlt wurden. Damit reagiert
Beijing auf einige entsprechende Fälle in den letzten beiden
Jahren, besonders in den südlichen Küstenprovinzen
Guangdong und Shandong.
44 China Compass Frühjahr 2012
In diesem Beitrag erfahren Sie
● welchen Hintergrund der Gesetzentwurf hat.
● was unter einer „biologischen Identifikation“
bei Grenzkontrollen zu verstehen ist.
● warum Sie dem Thema Ausreiseverbote
besondere Aufmerksamkeit schenken sollten.
Zwar wurden auch bisher schon Ausreiseverbote aus diesem
Grund verhängt, aber das Gesetz aus dem Jahr 1985 nannte
den Grund dafür nicht ausdrücklich. – Bitte beachten Sie
dazu die Infobox.
Ausreiseverbote
Ausreiseverbote können in China auch bei einfachen
anhängigen Wirtschaftsstreitigkeiten verhängt werden,
falls die Gefahr besteht, dass sich eine Verfahrenspartei
ihrer Leistungspflicht entziehen will. Davon betroffen
sind nicht nur der Arbeitgeber, sondern auch dessen
ausländische Arbeitnehmer in China, selbst wenn diese
mit der Rechtsstreitigkeit gar nichts zu tun haben. Maßgeblich ist nur, dass der Arbeitnehmer „verantwortlich“
ist, wobei dieser Begriff weit zu fassen ist und sich nicht
nur auf Führungspersonal beschränkt. Erwirkt die
gegnerische Partei ein Ausreiseverbot (in der Regel mit
der Einreichung der Klageschrift), werden in der Praxis
die Namen und die Position der betroffenen Personen
in die Datenbank der Grenzkontrollbehörden eingepflegt. Damit erfährt der Betroffene oft erst bei einer
geplanten Ausreise am Flughafen vom Ausreiseverbot.
Weitere Details zu dem Thema liefert Ihnen der Beitrag
„Ausreiseverbote für ausländische Unternehmer: Wie
können sich Unternehmen schützen?“ in der Ausgabe
Winter 2011/2012 Ihres China Compass, ab Seite 15
(Gastbeitrag von Dr. Florian Keßler).
Aufenthaltsgenehmigung je nach Visum
Im Bereich der Aufenthaltsvorschriften gilt momentan die
Regelung: Ausländer, die sich mehr als ein Jahr in China aufhalten, benötigen eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung,
während bei einem kürzeren Aufenthalt eine vorläufige
Aufenthaltsgenehmigung ausreicht. Den vorgeschlagenen
neuen Regelungen zufolge müssten Ausländer innerhalb von
30 Tagen nach der Einreise eine Aufenthaltsgenehmigung
beantragen, wenn dies „ihr Visum erfordert“. Damit gemeint
sind wahrscheinlich Visa für mehr als 180 Tage, die in der
Regel nur für ausländische Arbeitnehmer und Studenten
Steuern und Recht
erteilt werden. Die Dauer der erteilten Aufenthaltsgenehmigung soll dabei zwischen 180 Tagen und fünf Jahren
variieren. Außerdem soll es für Ausländer die Möglichkeit
geben, eine „dauerhafte“ Aufenthaltsgenehmigung zu
beantragen, falls sie unter anderem einen gewichtigen
Beitrag zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Chinas
leisten.
Zusätzlich soll bei der Beantragung der Aufenthaltsgenehmigung ein Fingerabdruck genommen werden. Das soll
eindeutig die Verknüpfung zu der zukünftigen „biologischen
Identifikation“ bei den Grenzkontrollen herstellen.
Ein wichtiger Bestandteil des Gesetzentwurfs ist ein Katalog
mit Strafen für Verstöße. So kann China gegen Ausländer,
die illegal in Land arbeiten (also ohne eine gültige Arbeitserlaubnis), eine Geldstrafe verhängen, die zwischen
5.000 Renminbi (RMB, circa 600 Euro) und 20.000 RMB
(etwa 2.400 Euro) betragen wird. Weitaus abschreckender
für Westeuropäer dürfte allerdings eine drohende Freiheitsstrafe sein, die von fünf bis 15 Tagen im Fall schwerwiegender Verstöße reichen kann. Außerdem können Ausländer – wenn ihr Fall „kompliziert“ ist – bis zu 60 Tage in
Untersuchungshaft genommen werden, wenn sie
● im Verdacht stehen, illegal eingereist zu sein.
● sich illegal aufhalten.
● Ausländer beschäftigen, die ihrerseits wiederum im
Verdacht stehen, die nationale Sicherheit oder Ordnung
zu bedrohen.
Ausblick
Ungeachtet einiger Datenschutzbedenken beim Blick auf die
Erfassung und Speicherung von Fingerabdrücken ist davon
auszugehen, dass der Gesetzentwurf nahezu unverändert in
Kraft tritt. Denn in weiten Teilen konkretisiert der Entwurf
nur die bisherigen Regelungen aus dem Jahr 1985 und passt
sie an die aktuelle Situation an, sodass keine größeren
Änderungen zu erwarten sind. Besonders angesichts der
möglichen Untersuchungshaft in China bei Verstößen sind
alle Betroffenen aber auf jeden Fall gut beraten, bei allen
Belangen rund um Visa, Arbeitserlaubnis und Aufenthaltsrecht in China größtmögliche Sorgfalt walten zu lassen. Mit
Blick auf die möglichen Ausreiseverbote empfiehlt es sich
vor allem für deutsche Unternehmer und Führungskräfte,
vor Geschäftsreisen zu prüfen, ob ein Gerichtsverfahren in
China anhängig ist oder droht. Ihre Fachnachrichten China
Compass werden die weitere Entwicklung des Gesetzentwurfs beobachten und Sie zeitnah informieren.
...............................................................................................................................................
Ihre Ansprechpartnerinnen
Pia Dittmann
Tel.: +86 10 6533-3572
pia.p.dittmann@cn.pwc.com
Nanette Ott
Tel.: +49 69 9585-6434
nanette.ott@de.pwc.com
Ulla Koch
Tel.: +49 711 25034-3108
ulla.koch@de.pwc.com
China Compass Frühjahr 2012 45
Steuern und Recht
Lieferungen über die Grenze:
Regelungsrahmen und behördliche
Praxis in der Automobilindustrie
China hat sich in den vergangenen Jahren zu
einem Schlüsselmarkt für die Automobilindustrie
entwickelt. Mit circa 14,5 Millionen Fahrzeugen
produzierte das Land 2010 in etwa so viele Wagen
wie Japan und Deutschland zusammen. Die
Belieferung von Autoteilen und -komponenten
innerhalb des komplexen Geflechts der Zulieferungen erfolgt teilweise lokal, teilweise aber
auch über die Grenze. Wird die Grenze überschritten, ist eine Vielzahl von Vorgaben zu
beachten. – Damit Sie wissen, worauf es ankommt,
bietet Ihnen der folgende Beitrag einen Überblick
über den gegenwärtigen Regelungsrahmen bei
grenzüberschreitenden Lieferungen in China und
zeigt auf, welche Themen Unternehmen in der
Praxis besonders beachten sollten.
Regulatorisches Umfeld in China
Wie andere Länder kennt China eine Vielzahl von tarifären
und außertarifären Vorschriften zur Kontrolle von Warenbewegungen über seine Grenzen. Verschiedene Behörden wie
die chinesische Zollbehörde, das Ministerium für Wirtschaft
(Ministry of Commerce) sowie das Büro für Inspektion und
Quarantäne (China Inspection and Quarantine) sind für die
Durchsetzung der Vorschriften zuständig. Werden die Vorschriften nicht eingehalten, kann es bei grenzüberschreitenden
Warenbewegungen zu Verzögerungen, zusätzlichen Zöllen
oder anderen Sanktionen wie etwa Strafzahlungen oder die
Herabstufung des verantwortlichen Unternehmens im
zollinternen Unternehmensrating kommen. Um dies zu
vermeiden, sollten Unternehmen mit grenzüberschreitenden
Warenbewegungen daher die zugrunde liegenden Prozesse
sorgfältig planen und überwachen.
Tarifäre Vorschriften für die Einfuhr von
Automobilteilen und -komponenten
Klassifizierung von Teilen und Komponenten
Die Tarifklassifizierung ist Voraussetzung für die Abwicklung
der Einfuhr aller Waren und erfolgt durch Zolltarifnummern
nach dem harmonisierten System (Harmonized System, HS).
Chinesische Zollbehörden überprüfen die durch Importeure
und Exporteure vorgenommene Klassifizierung entweder
bei Deklaration oder nachgelagert im Rahmen von Zollprüfungen. Die aktuell verwendeten Zolltarifnummern
(HS Codes) gehen auf das Jahr 2007 zurück. Für das Jahr
2012 wird eine überarbeitete Version erwartet.
46 China Compass Frühjahr 2012
In diesem Beitrag erfahren Sie
● welche tarifären und außertarifären
Bestimmungen zu beachten sind.
● was in der Praxis bei der Zollwertermittlung
zu beachten ist.
● welche Vorzüge ein hohes Unternehmensrating
bei der Zollbehörde haben kann.
Die Zolltarifnummer ist durch den Importeur beziehungsweise Exporteur eigenständig und korrekt zu ermitteln und
gegenüber den Zollbehörden zu deklarieren. Im Falle einer
Überprüfung wird die Klassifizierung zunächst durch die
lokal zuständige Zollbehörde im Einfuhr- oder Ausfuhrhafen
geprüft. Sollte auf Basis dieser Prüfung keine Übereinstimmung zwischen der Zollbehörde und dem Importeur
oder Exporteur bestehen respektive erzielt werden können,
kann die Klassifizierungsabteilung der regionalen Zollbehörde (typischerweise die Behörde auf Provinzebene) eingeschaltet werden. Falls auch das keine Einigung bringt,
kann der Fall einer Spezialabteilung für Klassifizierungsfragen (Center of Excellence) vorgelegt werden.
Importeure und Exporteure können aber schon im Vorfeld
der Zollanmeldung eine Vorabauskunft zur Klassifizierung
beantragen. Seit 2008 ist jedoch vermehrt zu beobachten,
dass Zollbehörden solche Vorabklassifizierungen mangels
eigener Kapazitäten an dritte Anbieter wie etwa zugelassene
Zollmakler abgeben. Im Gegensatz zur Zollbehörde stellt der
zugelassene Zollmakler jedoch lediglich ein Klassifizierungsgutachten aus und erteilt keine offizielle Vorabauskunft.
Ermittlung des Werts der Teile und Komponenten
Die korrekte Bewertung von Teilen und Komponenten kann
ein komplexes Thema sein. Für die Einfuhr der meisten
Warengruppen ermittelt sich der Zoll auf der Basis des
Warenwerts. Chinesische Zollbehörden betrachten vorgelegte
Bewertungen dementsprechend kritisch. Grundsätzlich
werden sechs verschiedene Methoden der Bewertung unterschieden, in 95 Prozent der Fälle wird jedoch die vorrangig
anzuwendende Transaktionspreismethode angewandt, bei
der sich der Zollwert der Ware aus dem Transaktionspreis
ergibt.
Der Transaktionspreis ist der Gesamtbetrag, den der Käufer
tatsächlich an den Verkäufer bezahlt hat – plus oder minus
gewisser Korrekturposten. Für Einfuhren soll der Zollwert
Transportkosten und damit verbundene Kosten sowie
Versicherungskosten enthalten, die vor Entladung der Waren
im Ankunftshafen in China anfallen.
Steuern und Recht
In der Praxis ist dabei erfahrungsgemäß speziell auf die
folgenden kritischen Punkte zu achten:
● Dokumentation der Ermittlung des Transaktionspreises
beim Handel zwischen verbundenen Unternehmen im Fall
der Beanstandung
● Auswahl aussagekräftiger Nachweise gegenüber den
Zollbehörden, möglichst ohne Preisgabe vertraulicher
Informationen
● Notwendigkeit der Berücksichtigung von Korrekturposten
auf den Transaktionspreis zur Ermittlung des Zollwerts,
zum Beispiel für Lizenzentgelte oder andere berücksichtigungspflichtige Kosten
● Verwendung von Transaktionspreisen, die geringer sind,
als in der von den Zollbehörden verwendeten Bewertungsdatenbank ausgewiesen und daher möglicherweise
beanstandet werden
● signifikante Anpassung von Transaktionspreisen über den
Zeitablauf, die möglicherweise zu Rückfragen der Zollbehörden führen
● Umgang mit Inkonsistenzen bei der Preiseinschätzung
durch verschiedene Zollbehörden aufgrund deren unterschiedlicher Bewertungssysteme und Datenbanken
In der Praxis erfordern die genannten Punkte jeweils eine
fallspezifische Würdigung. Auf Basis dieser Würdigung sind
dann idealerweise vor Durchführung der Warenbewegung
Entscheidungen über umsichtige Preisanpassungen sowie
eine aussagekräftige Dokumentation zu treffen.
Einfuhr von Teilen und Komponenten unter
Zollverschluss zur weiteren Verarbeitung mit
anschließender Wiederausfuhr
Die Verarbeitung von Teilen und Komponenten unter Zollverschluss – ein Verfahren, das in China das Processing
Trade genannt wird – bietet Unternehmen eine attraktive
Möglichkeit, Teile und Komponenten ohne Zollgebühren und
Einfuhrumsatzsteuer in China einzuführen, diese vor Ort zu
verarbeiten und die fertigen Produkte wieder auszuführen.
Dabei werden Importteile und -komponenten in einem Zollhandbuch erfasst und bei Export der fertigen Produkte
entsprechend dem Verbrauch wieder ausgetragen. Dieses
System ist mangels Integration in das ERP-System bei vielen
chinesischen Unternehmen zwar in der praktischen Handhabung etwas umständlich. Die Einspareffekte bei Zoll und
Umsatzsteuer können jedoch erheblich sein.
Bitte beachten Sie: Ein Unternehmen kann in China gleichzeitig sowohl Teile und Komponenten unter als auch ohne
Zollverschluss verarbeiten. In einem solchen Fall ist jedoch
die klare Trennung zwischen Teilen unter Zollverschluss und
solchen ohne essenziell, um spätere Nachforderungen von
Zoll und Einfuhrumsatzsteuer zu vermeiden. Diese Trennung
kann in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten bereiten und
sollte daher unbedingt durch einen strukturierten und angemessen überwachten Prozess abgebildet werden.
Wenn es die Zollbehörden erlauben, müssen Unternehmen
im konkreten Einzelfall die Verbrauchsfiktion – also die
Festlegung, welche und wie viele Importteile bei der
Fertigung eines Exportprodukts verbraucht werden – nicht
schon beim Import der Teile zur Anmeldung vorlegen,
sondern erst beim Export der fertigen Produkte. Das
erleichtert es einem chinesischen Unternehmen, mögliche
Unterschiede zwischen Plan- und Istdaten mit Blick auf
die spätere Abstimmung des Zollhandbuchs zu begrenzen
und damit Bestandsdifferenzen und Nachzahlungen zu
vermeiden. Davon abgesehen kann die Zollbehörde die
Möglichkeit einräumen, Nachzahlungen beim Zoll oder der
Einfuhrumsatzsteuer auf lokale Verkäufe von Produkten aus
ursprünglich unter Zollverschluss eingeführten Teilen nachträglich, etwa auf monatlicher Basis, zu erklären und zu
begleichen.
Ein neues Modell für die Verarbeitung unter Zollverschluss
befindet sich gerade in der Erprobungsphase: Bei diesem
Modell ist es möglich, Einfuhren unter Zollverschluss in
Niederlassungen in verschiedenen Landesteilen über ein in
der Hauptniederlassung zentral geführtes elektronisches
Zollhandbuch (e-handbook) abzuwickeln. Zu beachten ist,
dass alle Niederlassungen jedoch Teil einer juristischen
Person, also typischerweise der gleichen Gesellschaft, sein
müssen. Eine Nutzung über verschiedene Gesellschaften
hinweg ist nicht vorgesehen.
Einfuhr von technisch fortschrittlichen und
umweltfreundlichen Teilen und Komponenten
Unter dem Konzept der temporären Zolltarife oder Interim
Import Duty Rates besteht für Unternehmen die Möglichkeit,
eine Reduzierung von Zolltarifen für bestimmte Waren zu
erreichen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Das Konzept zielt darauf ab, durch reduzierte Zollsätze die
Einfuhr bestimmter Waren zu fördern. Dazu zählen:
● fortschrittliche technische Ausrüstung sowie Schlüsselteile
und -komponenten
● ressourcenschonende und umweltfreundliche Produkte
Die temporären Zolltarife können grundsätzlich nur angewandt werden, soweit die Einfuhr der spezifischen
Produkte ausweislich einer detaillierten Liste gefördert wird.
In diesem Fall können sowohl chinesische als auch ausländische Unternehmen grundsätzlich die Anwendung eines
temporären Zolltarifs für solche Produkte beantragen, deren
aktuellen Zolltarif sie als „unnötig hoch“ einstufen. Die
Entscheidung und Aufsicht über die temporären Zolltarife
obliegt der Zolltarifkommission des Staatsrats (Customs
Tariff Commission of State Council).
China Compass Frühjahr 2012 47
Steuern und Recht
Über neue Anträge wird fallweise entschieden. Erfahrungsgemäß können neue temporäre Zolltarife mit einem bis drei
Prozent teilweise sehr niedrig liegen. Typischerweise bleiben
diese Tarife zwölf Monate oder länger anwendbar. Im Jahr
2011 gab es für über 600 Zolltarifnummern temporäre Zolltarife und für 2012 wird ein weiterer Anstieg erwartet. Auf
der Liste finden sich Waren aus verschiedenen Bereichen,
inklusive Werkzeuge zur Verarbeitung von Fahrzeugkarosserien sowie Motoren und Autoradios.
Das Verfahren wird typischerweise von Verbänden oder
großen Unternehmensgruppen genutzt. Der temporäre
Zolltarif ist im Fall des Erfolgs allgemein verbindlich und
kommt damit allen Importeuren zugute.
Einfuhr von Teilen und Komponenten unter dem
Schutz von Freihandelsabkommen
China ist in ein Netz von Freihandelsabkommen mit einer
Reihe von wichtigen Handelspartnern eingebunden. Bei der
Einfuhr von Teilen und Komponenten mit der Herkunft Südostasien kann ein auf bis zu null Prozent reduzierter Zolltarif
angewandt werden. Schlüssel zu dieser Vorzugsbehandlung
ist jedoch der Ursprungsnachweis (Certificate of Origin), der
vom Lieferanten bereitgestellt werden muss und nicht mit
anderen Dokumenten, wie etwa Rechnung, Packliste und
Frachtschein, in Widerspruch stehen darf.
Außertarifäre Vorschriften für die
Einfuhr von Automobilteilen und
-komponenten in China
Neben der reinen Zollthematik gibt es in China bei der Einfuhr von Waren eine Fülle weiterer Auflagen zu beachten, vor
allem Einfuhrlizenzierungen, Wareninspektionen, Warentests sowie das chinesische Warenzertifizierungssystem
China Compulsory Certification (CCC). Zuständig sind vor
allem das Ministerium für Wirtschaft sowie die Hauptverwaltung für Qualitätsüberwachung, Inspektion und
Quarantäne (General Administration for Quality Supervision, Inspection and Quarantine, AQSIQ). Im Fall von
Zulieferteilen für die Automobilindustrie können je nach
Produkt darüber hinaus Lizenzen zur Einfuhr von Produkten
mit zivilem und militärischem Anwendungsbereich (dual use
products) erforderlich werden. Auch hier bestimmen sich
zusätzliche Anforderungen häufig über die für die Produktgruppe anzuwendende Zolltarifnummer.
Die Einfuhr der Teile und Komponenten kann nicht
abgeschlossen werden, ohne dass die notwendigen
Lizenzierungen, Inspektionen, Tests und Zertifizierungen
vollständig vorliegen. Das Verständnis dieser Anforderungen
kann bisweilen schwieriger sein, als den anzuwendenden
Zolltarif zu bestimmen. Mit speziellem Blick auf China ist
48 China Compass Frühjahr 2012
insoweit neben einem umfassenden Verständnis der Vorschriften besonders auch eine enge Abstimmung mit den
zuständigen Behörden schon im Vorfeld der Transaktion zu
empfehlen, um spätere Überraschungen zu vermeiden.
Maßnahmen zur möglichen Verkürzung des
Einfuhrverfahrens
Es gibt in China über 40 regionale Zollbehörden und circa
250 Einfuhrhäfen. Lokale Zollbehörden operieren häufig
dezentralisiert und haben weitreichende Entscheidungskompetenzen. In den verschiedenen Lokalitäten gibt es
ferner große Unterschiede beim Grad der Prozessstandardisierung sowie unterschiedliche Praktiken bei der
Inspektion, den Arbeitszeiten und den Beanstandungsquoten. Wie bereits erwähnt, haben das Ministerium für
Wirtschaft wie auch das Büro für Inspektion und Quarantäne
und andere Behörden weitere Arbeitsschritte abzuschließen,
bevor die Waren freigegeben werden können. Alles in allem
kann die Kombination der genannten Prozesse daher zu
erheblichen Verzögerungen beim Abschluss des Einfuhrverfahrens und damit letztlich zu Sonderkosten führen.
Einfluss des Unternehmensratings
Die chinesischen Zollbehörden arbeiten bereits seit 1999
mit einem System, das ihnen die Klassifizierung der Unternehmen ermöglicht. Im Jahr 2008 hat die chinesische Zollhauptverwaltung (General Administration for Customs,
GAC) weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Effizienz der
Unternehmensklassifizierung sowie der besseren Steuerung
des Einfuhrverfahrens ergriffen. Die Verwaltungsanweisungen
zur Unternehmensklassifizierung (Administrative Measures
on Enterprise Classification, GAC Order [2008] 170)
enthalten in diesem Zusammenhang weitere Details zu der
Klassifizierung in die Ratingkategorien AA, A, B, C und D.
Die Verwaltungsanweisung wurde inzwischen mit Wirkung
vom 1. Januar 2011 überarbeitet.
Das Ziel von Importeuren sollte grundsätzlich sein, ein
Rating von AA oder A zu führen. Mit diesem Rating sollte
es einem Importeur beispielsweise möglich sein
● nach Prüfung der elektronischen Dokumente unmittelbar
mit der Zollanmeldung ohne weitere physische Prüfung
fortzufahren;
● mögliche Beanstandungen mit speziell dafür bereitgestellten Zollmitarbeitern zu besprechen;
● bei Anmeldung, Prüfung und Freigabe mit Priorität
bedient zu werden;
● auch an Sonn- und Feiertagen Einfuhren anmelden
zu können.
Steuern und Recht
Auswahl und Kontrolle der Zollmakler
Zollmakler arbeiten in China regional oder sogar lokal
begrenzt. Insoweit handelt es sich um einen sehr
fragmentierten Markt mit mehr als 600.000 Anbietern, von
denen circa 500.000 bei Zollbehörden registriert sind.
Wie in einem kleinteiligen Markt nicht anders zu erwarten,
können bei Zollmaklern fachliche Qualifikation sowie interne
Kontrollmechanismen und Prozessstandardisierungen von
sehr unterschiedlicher Qualität sein. In manchen Fällen mag
der Schwerpunkt eher auf der Schnelligkeit des Prozesses als
auf der Beachtung aller Vorschriften liegen, gelegentlich auf
Basis besonderer „informeller“ Absprachen.
Dennoch unterliegen auch Zollmakler einem Ratingsystem
durch die Zollbehörden. Basierend auf Leistung und
Vertrauenswürdigkeit werden diese ebenfalls in die
Kategorien AA, A, B, C und D eingeteilt. Zollmakler der
Kategorien AA und A genießen wiederum bestimmte Vorteile
und Erleichterungen bei den Einfuhrverfahren, Kautionsverpflichtungen sowie den Zollprüfungen. Daher kann die
Einschaltung eines Zollmaklers mit einem Rating der
Kategorie AA oder A die Abwicklung auch ohne Einbußen bei
der Qualität durchaus beschleunigen.
Maßnahmen zur Erleichterung des
Einfuhrverfahrens
Mit einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen werden teilweise
auf lokaler Ebene Erleichterungen des Einfuhrverfahrens
angestrebt. Beispiele sind:
● Vorgezogene Zollanmeldung und Freigabe der Waren:
Abhängig vom Einfuhrhafen und je nach Genehmigung
durch die Zollbehörden kann es möglich sein, die Zollanmeldung bereits vor Ankunft der Waren durchzuführen.
Wenn Teile/Komponenten unter Zollverschluss gelagert
werden, kann es ferner möglich sein, diese in den freien
Verkehr einzuführen und fällige Zölle erst zum Ende des
Folgemonats zu entrichten.
● Lokale Anmeldung und Freigabe: Neue Freigabemodelle
werden gerade getestet, die eine Trennung des Orts der
Anmeldung und Zollzahlung sowie der physischen Einfuhr
der Waren vorsehen.
● Papierlose Anmeldung: Shanghai hat im Dezember 2007
die papierlose Abwicklung der Zollanmeldung eingeführt.
Importeure können auf Antrag die papierlose Abwicklung
nutzen, indem sie die Belege entweder später nachreichen
oder selbst aufbewahren. Das Zollsystem führt die Prüfung
der Eingaben automatisiert durch und stellt eine Eingangsbestätigung an den Importeur aus.
Maßnahmen zur möglichen Reduzierung
von Kosten bei der Ausfuhr von Teilen
und Komponenten
Erstattung der Umsatzsteuer im Exportfall
Wohl aufgrund des besonderen Augenmerks der
chinesischen Regierung auf den Automobilsektor werden
Exporte im Automobilsektor regelmäßig mit relativ hohen
Rückerstattungen der gezahlten Umsatzsteuer im Bereich
von 13 bis 17 Prozent versehen. Technisch gesehen hängt der
Rückerstattungssatz von der Zolltarifnummer des Produkts
ab. Produkte, die nicht in die Kategorie 87 (Automobil)
klassifiziert werden können, sind insoweit mit einem
möglicherweise geringeren Erstattungssatz belegt. Bolzen
und Muttern, die zum Beispiel stattdessen in die Kategorie 73
fallen, können lediglich einen Erstattungssatz von acht
Prozent erhalten. Die wohlüberlegte und richtige
Klassifizierung von Produkten kann daher zu erheblichen
Kostenreduzierungen führen.
Freihandelsabkommen
Freihandelsabkommen erlauben es, Zollkosten für Einfuhren
nach und Ausfuhren aus China in andere Länder zu
reduzieren, wenn die notwendigen Voraussetzungen erfüllt
sind und dies nachgewiesen werden kann. Getriebe und
Ventile aus China unterliegen in südostasiatischen Ländern
zum Beispiel einem Standardzollsatz von 30 Prozent. Unter
dem Freihandelsabkommen zwischen China und den
ASEAN-Staaten kann dieser Satz auf bis zu null Prozent
reduziert werden. Entscheidend ist jedoch: Die Regeln für die
Ermittlung des Herstellungslands müssen beachtet werden
und ein entsprechender Ursprungsnachweis (Certificate of
Origin) kann vorgelegt werden.
Lokale administrative Erleichterungen
Auch für den Exportfall sehen bestimmte Zollbehörden
Erleichterungen bei der Administration vor wie etwa die
papierlose Abwicklung der Anmeldung.
China Compass Frühjahr 2012 49
Steuern und Recht
Implikation für betroffene Unternehmen
Grenzüberschreitende Warenbewegungen sind oft
administrativ komplex, zeitlich unberechenbar und kostenintensiv. Durch eine geschickte Ausnutzung der zur
Verfügung stehenden Instrumente können Unternehmen
hingegen Effizienzvorteile erzielen und Risiken begrenzen.
Ganz oben auf der Agenda der betroffenen Unternehmen
stehen sollten aus diesem Grund: eine sorgfältige Planung
der Warenströme unter tarifären wie außertarifären
Aspekten sowie die Implementierung und Überwachung der
notwendigen administrativen Prozesse.
...............................................................................................................................................
Ihre Ansprechpartner
Alexander Prautzsch
Tel.: +86 21 2323-3375
alexander.prautzsch@cn.pwc.com
Damon Paling
Tel.: +86 21 2323-2877
damon.paling@cn.pwc.com
50 China Compass Frühjahr 2012
Steuern und Recht
Doppelbesteuerungsabkommen
zwischen Taiwan und Deutschland
unterzeichnet
Auf den ersten Blick verblüfft die Nachricht:
Am 19. Dezember 2011 wurde in Berlin und am
28. Dezember 2011 dann in Taipeh das „Abkommen
zwischen dem Deutschen Institut in Taipeh und der
Taipeh Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
und zur Verhinderung der Steuerverkürzung hinsichtlich der Steuern vom Einkommen und vom
Vermögen“ unterzeichnet. – Hinter der sperrigen
Formulierung verbirgt sich, was prägnanter auch
mit dem Begriff „Doppelbesteuerungsabkommen“
bezeichnet wird. Warum die Nachricht verblüfft
und welche Regelungen das Abkommen enthält,
lesen Sie im folgenden Beitrag.
Der Unterzeichnung des neuen Abkommens zwischen
Deutschland und Taiwan gingen langjährige Verhandlungen
voraus, die schon 2002 aufgenommen wurden. Die
Verhandlungen gestalteten sich vor allem deshalb schwierig,
weil die Bundesrepublik Deutschland hierbei auch die von
der Volksrepublik China verfolgte und von der Bundesrepublik akzeptierte Ein-China-Politik zu berücksichtigen
hatte. Derzufolge sind die Volksrepublik China und die
Republik China auf Taiwan keine zwei unabhängigen
chinesischen Staaten, sondern nur Teile „eines Chinas“.
Das Abkommen ist noch nicht in Kraft. Nach Angaben des
Bundesfinanzministeriums werden das erforderliche
besondere Gesetzgebungsverfahren und der Notifikationsaustausch jedoch voraussichtlich noch in diesem Jahr
abgeschlossen sein. Den Bestimmungen des Abkommens
entsprechend soll dieses dann mit der zuletzt erfolgenden
Notifizierung in Kraft treten und seine Regelungen für
Steuern gelten voraussichtlich ab dem 1. Januar 2013.
Ungewöhnliche Vertragsparteien
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) hat Deutschland mit
vielen Staaten geschlossen (den aktuellen Stand geltender
Abkommen finden Sie auf der Homepage des Bundesfinanzministeriums). Der Abschluss eines DBA ist insofern nichts
Außergewöhnliches, sondern eine weltweit gängige Praxis
mit dem Ziel, die bei grenzüberschreitenden Sachverhalten
grundsätzlich bestehende Gefahr einer Doppelbesteuerung
zu vermeiden und eine gerechte Verteilung des Steuersubstrats zwischen den beteiligten Staaten zu sichern.
In diesem Beitrag erfahren Sie
● für welche Steuern das Abkommen gilt und
welche Steuersätze Anwendung finden.
● wie taiwanesische Einkünfte nach dem neuen
Abkommen besteuert werden.
● welche inhaltlichen Besonderheiten, etwa in
Hinblick auf Betriebsstätten, das Abkommen
enthält.
Das Besondere an dem nun mit Taiwan geschlossenen
DBA ist jedoch dessen politischer und juristischer Rahmen.
Denn als die Bundesrepublik im Jahr 1972 diplomatische
Beziehungen zur Volksrepublik aufnahm, akzeptierte
Deutschland auch deren Ein-China-Politik. Somit ist Taiwan
auch nach offizieller deutscher Lesart kein souveräner Staat.
Deshalb handelt es sich bei dem im Dezember 2011 unterzeichneten Abkommen – im Unterschied zu anderen DBA –
auch nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen zwei
Staaten. Vertragsparteien sind vielmehr das Deutsche
Institut Taipeh und die Vertretung Taipehs in der Bundesrepublik Deutschland („Taipeh Vertretung“). Das Deutsche
Institut Taipeh ist die deutsche Auslandsvertretung in
Taiwan, die Taipeh Vertretung in Berlin vertritt umgekehrt
die Interessen Taiwans. Da zwischen Deutschland und
Taiwan keine offiziellen diplomatischen Beziehungen
bestehen, werden diese Aufgaben nicht wie sonst durch
Botschaften wahrgenommen.
Dennoch handelt es sich bei dem Abkommen keinesfalls um
ein Pilotprojekt. Schon heute haben auch andere Staaten der
Europäischen Union, namentlich Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande, Schweden und
Ungarn, vergleichbare Abkommen mit Taiwan geschlossen.
Taiwan unterhält derzeit DBA mit insgesamt 20 Staaten, das
Abkommen mit Deutschland noch nicht eingerechnet. Wie so
oft ist die deutsche Finanzverwaltung also auch hier international ein Nachzügler.
Was das neue Abkommen regelt
Obwohl also die erwähnte formale Besonderheit besteht, fällt
das deutsch-taiwanesische DBA in seinem materiellen Inhalt
keinesfalls aus dem üblichen Rahmen. Das DBA orientiert
sich hierbei nämlich weitgehend am Musterabkommen der
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (OECD).
Hinsichtlich der örtlichen Anwendbarkeit wird terminologisch allerdings dem völkerrechtlichen Status Taiwans
Rechnung getragen. Anstelle der in DBA sonst üblichen
Bezeichnung „Vertragsstaat“ wird im Abkommen durch-
China Compass Frühjahr 2012 51
Steuern und Recht
gängig die Bezeichnung „Gebiet“ verwendet, wenn auf
Deutschland oder Taiwan Bezug genommen wird.
Regelungsgegenstand des DBA sind die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die in Taiwan oder Deutschland erhoben werden. Auf Deutschland bezogen, handelt es
sich hierbei um die Einkommen-, die Körperschaft-, die
Gewerbe- sowie die Vermögensteuer, die hierauf jeweils
entfallenden Zuschläge eingeschlossen. Auf Taiwan bezogen
sind das die von gewinnorientierten Unternehmen erhobene
Einkommensteuer, die von natürlichen Personen erhobene
konsolidierte Einkommensteuer und die einkommensteuerliche Basissteuer, ebenfalls einschließlich der hierauf
erhobenen Zuschläge.
Das nationale Steuerrecht Taiwans
In Taiwan ansässige Unternehmen unterliegen mit ihrem
Welteinkommen der taiwanesischen Besteuerung. Der
Körperschaftsteuersatz beträgt derzeit 17 Prozent.
Unternehmen, die nicht in Taiwan ansässig sind, unterliegen
hingegen nur mit ihrem aus taiwanesischen Quellen
stammenden Einkommen der taiwanesischen Besteuerung,
wobei ein nicht ansässiges Unternehmen, das in Taiwan eine
feste Geschäftseinrichtung oder Handelsvertretung unterhält, einem ansässigen Unternehmen ähnlich auf Grundlage
desselben Körperschaftsteuersatzes besteuert wird.
Ein nicht ansässiges Unternehmen, das über keine feste
Geschäftseinrichtung oder Handelsvertretung in Taiwan
verfügt, unterliegt nicht der Körperschaftsteuer. Allerdings
hat es seine aus taiwanesischen Quellen stammenden Einkünfte wie Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren zu
versteuern. Diese Besteuerung findet im Wege der Quellenbesteuerung statt. Mit anderen Worten: Ein in Taiwan ansässiges Unternehmen, das Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren an ein im Ausland ansässiges Unternehmen auszahlt, ist verpflichtet, die Steuer im Rahmen der Auszahlung
einzubehalten und an den taiwanesischen Fiskus abzuführen.
Die Höhe der auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren
entfallenden Steuer bemisst sich für in Taiwan ansässige
Unternehmen sowie für solche Unternehmen, die in einem
Staat ansässig sind, mit dem kein DBA besteht, einzig nach
nationalem taiwanesischen Steuerrecht. Im Anwendungsbereich von DBA erfahren diese Steuersätze in der Regel
jedoch eine Einschränkung, so auch durch das neue deutschtaiwanesische Abkommen.
52 China Compass Frühjahr 2012
Die Behandlung taiwanesischer
Einkünfte nach dem neuen Abkommen
Dividendenzahlungen, die dem deutsch-taiwanesischen DBA
unterliegen, werden nach Artikel 10 des Abkommens grundsätzlich mit maximal zehn Prozent besteuert. Gleiches gilt für
Zinszahlungen (Artikel 11) sowie die Zahlung von Lizenzgebühren (Artikel 12).
Für die Höhe der Quellenbesteuerung von Dividenden
könnte zukünftig Artikel 10 Absatz 3 des DBA Bedeutung
gewinnen, der Dividendenzahlungen an außerhalb Taiwans
ansässige Gesellschaften betrifft, die unmittelbar über
mindestens 25 Prozent des Kapitals der Gesellschaft
verfügen, welche die Dividende zahlt. Sollte Taiwan
irgendwann aufgrund eines zukünftig mit einem anderen
Mitgliedstaat der OECD unterzeichneten Abkommens auf
Dividendenzahlungen solcher Gesellschaften einen
niedrigeren Steuersatz als zehn Prozent anwenden, kann das
Bundesfinanzministerium oder die Behörde, an das es seine
Befugnisse delegiert hat, verlangen, dass dieser niedrigere
Steuersatz auch für in Deutschland ansässige Gesellschaften
gilt, die eine solche 25-prozentige Beteiligung halten.
Umgekehrt erstreckt sich diese Regelung dann auch auf
Dividendenzahlungen an in Taiwan ansässige Gesellschaften.
Den ausdrücklichen Bestimmungen des DBA zufolge gilt der
niedrigere Steuersatz allerdings nicht für in Deutschland
beziehungsweise Taiwan ansässige Personengesellschaften
als Zahlungsempfängerinnen.
Auch bei der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen
orientiert sich das deutsch-taiwanesische DBA am aktuellen
OECD-Musterabkommen. Grundsätzlich erfolgt die
Besteuerung demnach in dem Gebiet, in dem der Veräußerer
ansässig ist. Die Ausnahmen von dieser Grundregel decken
sich weitgehend mit den im OECD-Musterabkommen vorgesehenen Tatbeständen. Eine Regelung zur Vermeidung
von Steuerflucht ist in Artikel 13 Absatz 6 des deutschtaiwanesischen Abkommens zu sehen, der im Musterabkommen ebenfalls keine Entsprechung findet. Hiernach
kann bei einer natürlichen Person, die in einem Gebiet
mindestens während fünf Jahren ansässig war und die im
anderen Gebiet ansässig geworden ist, das erstgenannte
Gebiet den Vermögenszuwachs bei der Person bis zu ihrem
Wohnsitzwechsel bei Anteilen an Gesellschaften, die im erstgenannten Gebiet ansässig sind, nach seinen inländischen
Rechtsvorschriften besteuern.
Die Vermeidung einer Doppelbesteuerung lässt sich auf
unterschiedliche Weise erreichen. Aufgrund der in Artikel 22
getroffenen Regelung des deutsch-taiwanesischen DBA
erfolgt die Berücksichtigung der durch Taiwan besteuerten
Dividenden, Zinsen und Lizenzen bei der deutschen Einkommensbesteuerung grundsätzlich im Wege des
Steuern und Recht
Anrechnungsverfahrens. Das bedeutet: Die taiwanesische
Steuer wird im Rahmen der Gesamtsteuerschuld in Deutschland auf die anfallende inländische Steuer angerechnet, die
auf taiwanesische Einkünfte entfällt.
Für Einkünfte aus Dividenden, die an eine Gesellschaft mit
Sitz in Deutschland (jedoch keine Personengesellschaft) von
einer auf Taiwan ansässigen Gesellschaft gezahlt werden,
deren Kapital zu mindestens 25 Prozent unmittelbar der in
Deutschland ansässigen Gesellschaft gehört, und die bei der
Ermittlung der Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft
nicht abgezogen worden sind, gilt jedoch eine abweichende
Regelung: Die auf diese Dividenden entfallende
taiwanesische Quellensteuer wird nicht auf die deutsche
Steuer angerechnet. Die Dividende an sich ist vielmehr
technisch steuerfrei. Nach den Regelungen des deutschen
Körperschaftsteuergesetzes werden bei der Ermittlung
des Einkommens der deutschen Gesellschaft allerdings
fünf Prozent der gezahlten Dividenden als fiktive nicht
abzugsfähige Betriebsausgaben hinzugerechnet.
Betriebsstätten
Wie Artikel 5 des OECD-Musterabkommens, so enthält auch
Artikel 5 des deutsch-taiwanesischen DBA eine Definition
der Betriebsstätte, wobei sich die Definitionen in weiten
Teilen decken. Nach dem deutsch-taiwanesischen Abkommen sind jedoch auch Bauausführungen oder Montagen,
deren Dauer sechs Monate überschreiten, sowie Dienstleistungen, die über einen Zeitraum oder Zeiträume von insgesamt mehr als sechs Monaten innerhalb eines Zeitraums
von zwölf Monaten ausgeführt werden (Dienstleistungsbetriebsstätte), als Betriebsstätten im Sinne des DBA anzusehen. Insoweit weicht das deutsch-taiwanesische DBA
vom OECD-Musterabkommen ab, das für die Begründung
einer Betriebsstätte durch Bauausführungen oder Montagen
eine Dauer von mehr als zwölf Monaten voraussetzt. In
Hinblick auf die Sechsmonatsfrist besteht aber Übereinstimmung mit der deutschen Regelung, wie sie in § 12 der
Abgabenordnung getroffen ist.
Besonders interessant ist die im deutsch-taiwanesischen
DBA enthaltene Regelung zur Dienstleistungsbetriebsstätte.
Denn während diese Form der Betriebsstätte im OECDMusterabkommen selbst überhaupt nicht vorgesehen ist und
in der deutschen Abkommenspraxis bisher eine große
Ausnahme darstellt, wurde in den Musterkommentar zu
Artikel 5 des OECD-Musterabkommens von 2008 in Teilziffer 42.25 ein optionaler Vertragstext aufgenommen. Hiernach wird das Vorliegen einer Betriebsstätte fingiert, wenn
die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
● Ein Unternehmen führt mittels einer natürlichen Person,
die innerhalb eines beliebigen Zwölfmonatszeitraums
mehr als 183 Tage im Vertragsstaat anwesend ist, Dienst-
leistungen vor Ort durch und der vor Ort durchgeführten
Tätigkeit sind mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes des
Unternehmens während dieses Zeitraums zuzurechnen,
oder
● ein Unternehmen erbringt mittels einer oder mehrerer
natürlicher Personen im anderen Staat Dienstleistungen
an mehr als 183 Tagen innerhalb eines beliebigen
Zwölfmonatszeitraums für das gleiche Projekt oder
für verbundene Projekte.
Die Aufnahme dieses optionalen Vertragstextes geschah vor
allem auf Wunsch der Schwellenländer. Die deutsche Finanzverwaltung sieht eine Übernahme der Dienstleistungsbetriebsstätte auch in deutsche DBA hingegen kritisch.
Bislang gab es entsprechende Regelungen auch nur in den
deutschen DBA mit der Volksrepublik China und den
Philippinen. Die Befürchtung, dass aufgrund der Regelung
des OECD-Musterabkommens 2008 der Druck auf die
Bundesrepublik Deutschland wächst, die Dienstleistungsrichtlinie auch in neuen (zukünftigen) DBA zu schließen, ist
jedoch nicht unbegründet. Speziell Beratungs-, Ingenieurund Architektenleistungen, die bisher in Deutschland
besteuert wurden, unterfallen so der Besteuerung in den
Schwellenländern, wie etwa in Taiwan.
Informationsaustausch
In Artikel 25 des deutsch-taiwanesischen DBA wurde der
Informationsaustausch zwischen den Behörden Taiwans und
Deutschlands über steuerlich erhebliche Tatsachen geregelt.
Die Vorschrift ist weitgehend inhaltsgleich mit Artikel 26 des
OECD-Musterabkommens.
Das neue Abkommen im Vergleich
Die Steuersätze von zehn Prozent auf Dividenden, Zinsen
und Lizenzgebühren, die das deutsch-taiwanesische DBA
festlegt, entsprechen den von Taiwan in der Regel auch mit
anderen Staaten vereinbarten Sätzen, so etwa auch denen des
französisch-taiwanesischen DBA. Darüber hinaus decken
sich die Steuersätze für Zinsen und Lizenzgebühren des
deutsch-taiwanesischen DBA auch mit denen, die nach
taiwanesischem Recht für Zahlungen an in Taiwan ansässige
Gesellschaften festgeschrieben sind. Nur bei Dividendenzahlungen sind dem deutsch-taiwanesischen DBA unterliegende Zahlungsempfänger schlechtergestellt als in Taiwan
ansässige Unternehmen, weil Letztere die Möglichkeit haben,
sich die vor Auszahlung der Dividenden durch das
taiwanesisch investierte Unternehmen entrichtete
Körperschaftsteuer anrechnen zu lassen.
Für Unternehmen, die in Gebieten ansässig sind, mit denen
kein DBA geschlossen wurde, sieht das taiwanesische
Steuerrecht hingegen grundsätzlich eine höhere QuellenChina Compass Frühjahr 2012 53
Steuern und Recht
besteuerung von jeweils 20 Prozent für Dividenden, Zinsen
und Lizenzgebühren vor (Details finden Sie in der Tabelle).
Diese Steuersätze galten bislang auch für Ausschüttungen
oder Zahlungen an deutsche Unternehmen, weshalb durch
das DBA nun eine deutliche Besserstellung deutscher
Investoren in Taiwan erfolgt ist.
Die Quellenbesteuerung nach dem neuen deutschtaiwanesischen DBA entspricht nunmehr der Quellenbesteuerung, wie sie sich im DBA zwischen der Volksrepublik
China und der Bundesrepublik Deutschland findet. Das
heißt: Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren werden
jeweils mit zehn Prozent besteuert. Wenn es um künftige
Investitionsentscheidungen geht, könnte das ein
interessanter Faktor sein.
Tab. 1
Quellenbesteuerung von Dividenden, Zinsen und
Lizenzgebühren in Taiwan
Empfänger
Dividenden
in Taiwan ansässige
Gesellschaften und
natürliche Personen
–
1
Lizenzgebühren
10%
10%
Fazit
Tritt das neue Abkommen in Kraft, wird es zu einer
deutlichen Besserstellung der deutschen Empfänger von
taiwanesischen Dividenden-, Zins- und Lizenzgebührenzahlungen kommen. Nachdem Deutschland nicht nur
Taiwans wichtigster Handelspartner in Europa ist, sondern
mit circa 250 Unternehmen auch der drittgrößte ausländische Investor in Taiwan, ist seine Tragweite nicht zu
unterschätzen. Mit Blick auf bereits bestehende Abkommen
anderer EU-Staaten mit Taiwan handelt es sich jedenfalls um
eine seit Langem überfällige Entwicklung.
...............................................................................................................................................
in einem Land ansässig, mit dem kein
DBA besteht
in Deutschland
ansässig
1
Zinsen
DBA zwischen China und Großbritannien für Dividendenzahlungen an Unternehmen mit einer Kapitalbeteiligung
von mindestens 25 Prozent an dem ausschüttenden Unternehmen einen noch geringeren Quellensteuersatz von
fünf Prozent vorsieht, ist davon auszugehen, dass es auch
im Verhältnis Deutschland und der Volksrepublik zu einer
entsprechenden Absenkung des Quellensteuersatzes
kommen wird.
2
20% 15%/20%
4
10%/15%
5
10%/15%
3
0%/20%
10%
Dividenden, die ein auf Taiwan ansässiger Anteilseigner von einem
taiwanesisch investierten Unternehmen erhält, sind nach nationalem
taiwanesischen Steuerrecht nicht der Einkommensteuer unterworfen.
2
Für nicht gebietsansässige Unternehmen gilt eine Quellensteuer in
Höhe von 15 Prozent für Zinseinkommen aus kurzfristigen Wechseln,
verbrieften Wertpapieren, Unternehmensanleihen, Staatsanleihen
oder Schuldverschreibungen sowie für Zinsen aus Rückkäufen unter
Einbeziehung dieser Anleihen oder Zertifikate. Der Steuersatz in allen
anderen Fällen beträgt 20 Prozent, wenn keine Ermäßigung aufgrund
eines DBA vorliegt.
3
Lizenzzahlungen an ausländische Unternehmen, die vorab von der
Regierung genehmigt werden, sind von der Quellensteuer ausgenommen.
4
Eine Quellensteuer in Höhe von 15 Prozent gilt, wenn die ausschüttende Gesellschaft eine deutsche Immobilieninvestmentgesellschaft ist, deren Gewinne vollständig oder teilweise von der
Steuer befreit sind oder welche die Ausschüttung bei der Ermittlung
ihrer Gewinne abziehen kann.
5
Eine Quellensteuer in Höhe von 15 Prozent gilt, wenn die ausschüttende Gesellschaft ein deutscher Real Estate Investment Trust
oder Real Estate Asset Trust ist, deren Gewinne vollständig oder teilweise von der Steuer befreit sind oder welche die Ausschüttungen bei
der Ermittlung ihrer Gewinne abziehen kann.
Bitte bedenken Sie: Momentan wird ein neues DBA zwischen
der Volksrepublik und der Bundesrepublik verhandelt, das
voraussichtlich noch in diesem Jahr unterzeichnet wird.
Nachdem ein gerade erst im Juni 2011 unterzeichnetes
54 China Compass Frühjahr 2012
Ihr Ansprechpartner und Ihre Ansprechpartnerin
Dirk Bongers
Tel.: +49 211 981-7888
dirk.bongers@de.pwc.com
Nora Bümlein
Tel.: +49 211 981-1344
nora.buemlein@de.pwc.com
Steuern und Recht
Zoll- und Steuerinnovationen
auf Hengqin: starke Anreize für
Auslandsinvestitionen
Wie Beamte der Provinz Guangdong verlauten
ließen, hat der Staatsrat der Volksrepublik China
im Juli 2011 eine Reihe von innovativen zollrechtlichen Privilegien für die Insel Hengqin
beschlossen. – Welche Sonderrechte der südchinesischen Insel zugebilligt werden und welche
Vorteile sich daraus für Investoren ergeben, fasst
der aktuelle Beitrag für Sie zusammen.
Mit der Verleihung der Sonderrechte an Hengqin, die innerhalb der an Macao angrenzenden Sonderwirtschaftszone
Zhuhai liegt, behält die chinesische Regierung ihre schon
lange verfolgte wirtschaftspolitische Strategie bei: Sie schafft
örtlich begrenzte experimentelle Regelungen, die im Erfolgsfall ausgeweitet werden sollen. Auf Chinesisch heißt das:
Mozhe shitou guohe. Im Deutschen bedeutet das so viel wie:
Den Fluss nach Steinen tastend überqueren. Mit solchen
Sonderzonen schafft die Regierung ein zoll- und steuerrechtlich besonders günstiges Umfeld für die Ansiedlung von
Produktionsstandorten. Ein genaues Datum für das In- und
Außerkrafttreten der neuen Regelungen wurde bislang noch
nicht genannt, nach dem Entwicklungsplan für die Insel
Hengqin ist aber mit einem Zeitfenster zu rechnen, das
jedenfalls bis Ende 2020 reichen sollte.
Die Ankündigung für Hengqin ist bislang erst in Teilen
öffentlich zugänglich. Veröffentlicht wurden sie auf der Seite
der Nationalen Kommission für Entwicklung und Reform
(http://dqs.ndrc.gov.cn/gzdt/t20110810_427923.htm). Nach
allem, was bisher bekannt ist, handelt es sich um Vorzugsbehandlungen, die bislang in keiner der anderen Sonderwirtschaftszonen in Anspruch genommen werden können.
Sie sollen unter anderem die Ansiedlung von Unternehmen
aus den Branchen Tourismus, Handel, Finanzdienstleistungen, Kultur, chinesische Medizin und Gesundheitsversorgung sowie Forschung und Hightech begünstigen.
Welche Regelungen die zollrechtlichen Privilegien nach den
bisher zur Verfügung stehenden Informationen umfassen
und welche Vorteile sich daraus ergeben, fasst die folgende
Aufstellung für Sie zusammen.
1. Waren, die in Bezug zu Herstellungsprozessen stehen, also
vor allem Produktionsausrüstung, können zollfrei von
Übersee nach Hengqin eingeführt werden. Insofern gleicht
deren Behandlung der bei Einfuhr in eine Freizone.
In diesem Beitrag erfahren Sie
● welche Vorteile sich aus den Sonderrechten für
Hengqin für Investoren ergeben.
● welche steuerlichen Privilegien Hengqin
zusätzlich genießt.
● warum sich bei Investitionen auf der Insel eine
zollrechtliche Optimierung empfiehlt.
Daraus ergeben sich folgende Vorteile:
● Bei Ansiedlung einer Produktionsstätte in Hengqin
werden auf diese Weise zunächst die Investitionskosten
erheblich gesenkt: Bewährte Maschinerie und andere
Ausrüstung kann unverzollt nach Hengqin verbracht
werden.
● Laufende Einfuhren von Hilfsmitteln bei der Produktion
sind ebenfalls zollfrei und gewährleisten auf diese Weise
eine dauerhaft noch kostengünstigere Herstellung als in
sonstigen Gebieten auf dem chinesischen Festland.
● Sollte von vornherein Absatz auf dem festlandchinesischen Markt geplant sein, sind Zoll und Einfuhrumsatzsteuer jedenfalls erst nach Abschluss der
Produktion bei Verbringung auf das chinesische Festland
zu finanzieren. Das führt für den Zeitraum der Herstellung
und der sich gegebenenfalls anschließenden
Zwischenlagerung zu einem Vorteil beim Cashflow.
2. In Hengqin hergestellte Waren unterliegen bei der
Lieferung auf das chinesische Festland auf Antrag des
Importeurs dem Zollsatz für die zur Herstellung eingeführten Rohstoffe und Vormaterialien oder dem des
Fertigprodukts.
Daraus ergeben sich folgende Vorteile:
● Ein Grundprinzip der Progression der Zollsätze, nach
dem mit steigender Fertigungsstufe auch höhere Zollsätze
auf Einfuhrwaren angesetzt werden, wird auf diese Weise
für in Hengqin angesiedelte Unternehmen des
produzierenden Gewerbes außer Kraft gesetzt.
● Mit der Möglichkeit, für den Zollsatz auf eingeführte Vormaterialien zu optieren, wird vor allem die Ansiedlung
umfassender Herstellungsprozesse begünstigt, die auf
der Einfuhr grundlegender Rohstoffe basieren und die
Fertigung von Endprodukten für den Verbraucher umfassen. Der Unterschied in der Höhe der Zollsätze ist in
diesen Fällen der größtmögliche.
● Die Ansiedlung in einer normalen Freizone brächte im
Vergleich hierzu bei der Einfuhr nach Festlandchina die
Verzollung nach dem Zollsatz für das Endprodukt mit
sich.
China Compass Frühjahr 2012 55
Steuern und Recht
3. Für eine Ansiedlung von Unternehmen auf Hengqin
sprechen außerdem die folgenden steuerlichen Privilegien:
– Ein Catalogue of Encouraged Industries in the Area
sollte bis Ende des letzten Jahres herausgegeben
werden, bis Redaktionsschluss stand dessen
Veröffentlichung jedoch noch aus. Er wird Unternehmen umfassen, denen ein begünstigter Körperschaftsteuersatz von 15 Prozent im Vergleich zum
Regelsatz von 25 gewährt werden soll. Dieser Katalog
sollte nicht verwechselt werden mit dem für Gesamtchina geltenden Investmentkatalog, der ebenfalls die
Kategorie „Encouraged“ enthält.
– Der Güterhandel zwischen Unternehmen auf der Insel
Hengqin ist sowohl von der Umsatzsteuer als auch von
Verbrauchsteuern befreit.
– Erwerb und Transport von Waren, die in einem Bezug
zu Herstellungsprozessen stehen, vom chinesischen
Festland nach Hengqin werden wie Ausfuhren
behandelt und berechtigen somit zur Ausfuhrerstattung
der Umsatzsteuer.
Die genannten zollrechtlichen Privilegien zeigen: Bei der
Planung von Auslandsinvestitionen empfiehlt sich eine
zollrechtliche Optimierung. In diesem Bereich lassen sich
ungeahnte Einsparpotenziale erschließen – gerade mit Blick
auf die beschriebene Möglichkeit, den Zollsatz auf Vorprodukte bei der Einfuhr eines Fertigprodukts im Rahmen
der Produktion für den chinesischen Festlandsmarkt zu
wählen. Die auf diese Weise eingesparten Kosten könnten
zum entscheidenden Vorteil gegenüber konkurrierenden
Marktteilnehmern werden.
In enger Zusammenarbeit mit ihren chinesischen Kollegen
aus dem Bereich der Zollberatung beobachten die Autoren
die Entwicklungen in Bezug auf die Insel Hengqin wie aller
anderen zollrechtlichen Anreize für die Ansiedlung in der
Volksrepublik China weiterhin sehr aufmerksam. Ihr China
Compass wird Sie über die aktuelle Entwicklung auf dem
Laufenden halten.
...............................................................................................................................................
Ihre Ansprechpartner
Jochen Schmidt
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Michael Neumann
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56 China Compass Frühjahr 2012
Wirtschaftsregion Asien
Wirtschaftsregion Asien
Steueranreize an Holdingstandorten: Singapur und
Hongkong im Vergleich
Während sich die Wirtschaft in den USA nur
schleppend erholt und die europäischen
Regierungen von einer Krisensitzung zur Rettung
des Euro zur nächsten eilen, wächst die Wirtschaft
in Südostasien weiter rasant. Vielleicht gerade
deshalb zieht es mehr und mehr deutsche Mittelständler in diese Region. Doch der Schritt sollte gut
vorbereitet sein. Eine der wichtigsten Fragen ist die
nach der richtigen Lage. Welcher Standort bietet
die besten Bedingungen? Welche Märkte sollen
erschlossen werden? Und – nicht zuletzt – was
kostet die Investition? Der aktuelle Beitrag stellt
die beiden Holdingstandorte in der Region vor,
die am häufigsten genutzt werden: Singapur und
Hongkong. Er konzentriert sich dabei auf Steuererleichterungen für potenzielle Investoren.
Einige Aspekte bei der Auswahl eines geeigneten Holdingstandorts für ein Unternehmen liegen auf der Hand: Welche
rechtlichen Rahmenbedingungen bietet das Land und wie
steht es mit der Rechtssicherheit? Welche gesellschaftsrechtlichen Anforderungen sind mit der geplanten Rechtsform und Struktur verbunden und welche Berichtspflichten
(Reporting) ergeben sich daraus?
Daneben gibt es aber, jenseits der rechtlichen und
steuerlichen Rahmenbedingungen, noch eine Reihe weiterer
Aspekte. Dazu gehört beispielsweise die Infrastruktur: Sind
Flug- und Seehäfen oder Bahnhöfe in der Nähe? Gibt es
sprachliche Barrieren und was sagen die Aufenthaltsbestimmungen und Arbeitsgenehmigungen für vor Ort tätige
Ausländer (expatriates)? Wie hoch ist der allgemeine
Lebensstandard für die Angestellten im Zielland? Haben die
Kinder der Mitarbeiter Zugang zu internationalen Schulen?
Holdingstrukturen spielen vor allem in der weltweiten Steuerplanung international agierender Konzerne eine immer
bedeutendere Rolle und häufig ist das zugrunde liegende
Motiv die Vermeidung oder Reduzierung von direkten (Einkommen- oder Körperschaftsteuer) und indirekten Steuern
(beispielsweise der Stempelsteuer). Doch gerade hier ist Vorsicht geboten. Die Behörden in Südostasien überprüfen in
den letzten Jahren immer häufiger Investitionsstrukturen
gezielt auf Schein- und Zweckgesellschaften. Fehlt es an der
notwendigen Substanz in der Struktur, so entsteht schnell
der Eindruck: Die Gesellschaft ist einzig aus dem Grund
errichtet worden, um die Vorteile eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) zu erlangen (treaty shopping)
beziehungsweise um gezielt Steuern zu vermeiden.
In diesem Beitrag erfahren Sie
● wie Singapur und Hongkong Unternehmen
grundsätzlich besteuern.
● wann es sich lohnt, über eine unselbstständige
Niederlassung oder eine eigenständige Tochtergesellschaft nachzudenken.
● welche Steuererleichterungen Singapur und
Hongkong bieten.
Über eines sollten sich deshalb alle Unternehmen im Klaren
sein, die über eine Holdingstruktur in Südostasien nachdenken: Die Substanzanforderungen der jeweiligen Finanzbehörden sind ein Faktor, der in Südostasien immer
wichtiger wird bei der Etablierung einer Holdinggesellschaft.
Unabhängig von Schein und Sein sind natürlich auch die
internationalen Rechtsbeziehungen und das Netzwerk von
DBA des Ziellands sehr wichtig. In der Europäischen Union
unterscheiden sich die einzelnen Länder nicht allzu sehr. Alle
verfügen über ein umfangreiches Netzwerk an gegenseitigen
Verträgen und Abkommen und sind deshalb alle mehr oder
weniger gut geeignet als Standort für eine Holding. Nicht so
in Südostasien. Von besonderem Interesse ist daher die
Frage, welche vertraglichen Beziehungen zwischen dem
Land, in dem die Holding errichtet, und dem Land, in dem
sie ihr Geschäft operativ ausführen wollen, bestehen.
In den vergangenen Jahren entwickelten sich Singapur und
Hongkong unter den bereits genannten Aspekten als die
attraktivsten Standorte für Holdinggesellschaften in Südostasien. Im Folgenden vergleichen die Autoren die beiden Standorte mit Blick auf ihre steuerlichen Rahmenbedingungen und
speziell auf Förderprogramme und Steuererleichterungen
(tax incentives) für Investments.
Besteuerung unternehmerischer
Tätigkeit
In Bezug auf die Besteuerung unternehmerischer Tätigkeit
sind die Bedingungen in beiden Standorten grundsätzlich
sehr ähnlich. Während in Hongkong der Körperschaftsteuersatz aktuell 16,5 Prozent beträgt, liegt er in Singapur zurzeit
bei 17. Einen ersten Unterschied gibt es jedoch in der
Zusammensetzung der Bemessungsgrundlage. Sie bildet
sich zwar zunächst in beiden Ländern aus den jeweils dort
erwirtschafteten Einkünften. Singapur schließt dabei auch
solche Einkünfte mit ein, die im Ausland erwirtschaftet, aber
in Singapur bezogen werden. In Hongkong dagegen werden
nur solche Einkünfte in die Bemessungsgrundlage einbezogen, die auch aus Hongkong selbst stammen.
China Compass Frühjahr 2012 57
Wirtschaftsregion Asien
Dividendeneinkünfte unterliegen beim Empfänger in Hongkong nicht der Besteuerung. Grundsätzlich gilt dies auch für
Singapur. Dort werden Dividenden – im Regelfall und sofern
sie nicht aus Steueroasen (tax heavens) stammen – ebenfalls
nicht beim Empfänger besteuert.
Hongkong, in Singapur dagegen drei Prozent des
Veräußerungspreises. Bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen wird sowohl in Hongkong als auch in Singapur ein
Steuersatz von 0,2 Prozent auf das Entgelt oder den
Substanzwert der Anteile erhoben.
Hongkong erhebt derzeit keine Quellensteuer auf Zinsen und
ähnliche Einkünfte, unabhängig davon, ob diese an ansässige
oder an nicht ansässige Empfänger gezahlt werden. Anders
bei Lizenzzahlungen: Bei diesen unterliegen im Regelfall
30 Prozent der Einkünfte einer Quellenbesteuerung mit dem
derzeit geltenden Steuersatz von 16,5 Prozent. Die effektive
Quellensteuerbelastung liegt somit bei 4,95 Prozent.
Allerdings gibt es spezielle Vorschriften für die Vermeidung
von Missbrauch, nach denen der Anteil der Einkünfte, der für
die Quellensteuer herangezogen wird, bis zu 100 Prozent
betragen kann. Singapur demgegenüber erhebt zurzeit eine
Quellensteuer auf Lizenzzahlungen in Höhe von zehn und auf
Zinsen in Höhe von 15 Prozent. Der Quellensteuereinbehalt
kann sich nach dem jeweiligen DBA weiter reduzieren –
für Unternehmen aus Deutschland auf je acht Prozent.
Dividendenzahlungen unterliegen keiner Quellensteuer.
Gibt es in Hongkong keine mit der Umsatzsteuer vergleichbare Steuer, erhebt Singapur seit 1994 eine sogenannte
Goods and Services Tax (GST). Dabei beträgt der Steuersatz im Regelfall sieben und ermäßigt null Prozent (die
Ermäßigung gilt beispielsweise für den Export sowie für
„internationale Dienstleistungen“).
Für eine international agierende Holdinggesellschaft ist
das Netzwerk an DBA des Holdingstandorts von großer
Bedeutung. Dabei spricht zunächst einiges für Singapur, da
der kleine Stadtstaat über ein breit gefächertes Netzwerk aus
derzeit 48 rechtskräftigen Abkommen verfügt. Diese Vereinbarungen richten sich grundsätzlich nach dem Musterabkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Während Singapur also bereits seit etlicher Zeit hervorragend mit der internationalen Geschäftswelt vernetzt ist, hat
Hongkong an dieser Stelle noch Nachholbedarf. Aber die
ehemalige britische Kronkolonie holt rasch auf: Wurden bis
2010 nur fünf Abkommen abgeschlossen, sind inzwischen
bereits 16 weitere vereinbart. Außerdem sollen viele der
von Hongkong verhandelten DBA unter anderem eine
Beschränkung der Quellenbesteuerung von Dividenden
auf fünf oder gar null Prozent gewährleisten. Und das
Besteuerungsrecht für Kapitalerträge soll Hongkong zugesprochen werden – de facto werden also solche Erträge
nicht oder nur gering besteuert. All dies macht auch
Hongkong als Holdingstandort für weltweit operierende
Unternehmen attraktiv.
Im Gegensatz zu Deutschland erheben Hongkong und
Singapur eine sogenannte Stempelsteuer, die auf die Ausgabe
einer Reihe von amtlichen Dokumenten zu entrichten ist. In
beiden Ländern hängt der Steuersatz dabei erheblich vom
Vorgang ab, der jeweils zu beurkunden ist. So beträgt
beispielsweise die Steuer auf Immobilienveräußerungen
zwischen 100 Hongkong-Dollar (HKD) und 4,25 Prozent in
58 China Compass Frühjahr 2012
Tab. 1
Besteuerung und Bemessungssätze in Hongkong
und Singapur
Singapur
Hongkong
17%
16,5%
Bemessungsgrundlage
aus Singapur
stammende und hier
erhaltene Einkünfte
aus Hongkong
stammende Einkünfte
Dividenden
Steuerfreiheit für ausländische Dividenden
(in der Regel)
Steuerfreiheit für ausländische Dividenden
Veräußerungsgewinne
Steuerfreiheit für
ausländische
Veräußerungsgewinne
Steuerfreiheit für
ausländische
Veräußerungsgewinne
Körperschaftsteuersatz
Quellensteuer auf
●
gezahlte
Dividenden
keine Quellensteuer
keine Quellensteuer
●
gezahlte
Zinsen
15% (8% laut DBA
Deutschland)
keine Quellensteuer
●
Lizenzzahlungen
10% (8% laut DBA
Deutschland)
in der Regel 30% mit
dem aktuell geltenden
Steuersatz von 16,5%,
Effektivbelastung: 4,95%
DBA-Netzwerk
umfangreiches Netzwerk
(48 DBA)
stark wachsendes
Netzwerk (21 DBA)
Stempelsteuer
ja
ja
Umsatzsteuer
(GST)
7%/0%
nein
Wichtig bei der Gründung einer neuen Gesellschaft ist
natürlich auch die Frage nach der Rechtsform. Die mit
Abstand am meisten genutzte, sowohl in Singapur als auch in
Hongkong, ist die Private Limited Company (Pte. Ltd.). Sie
ist mit der deutschen GmbH vergleichbar und bietet damit
viele Vorteile einer deutschen Kapitalgesellschaft – unter
anderem beschränkt sie die Haftung der Anteileigner.
Darüber hinaus gibt es allerdings auch noch weitere Kennzeichen, die speziell für die Rechtsform einer Pte. Ltd. als
Holdinggesellschaft sprechen. Zum einen gehen die lokalen
Behörden bei einer Pte. Ltd. – obwohl diese relativ schnell
Wirtschaftsregion Asien
und einfach zu gründen ist – von einem längerfristigen
Engagement der Investoren aus und tendieren deshalb dazu,
Tax Incentives freizügiger zu vergeben. Darüber hinaus sollte
bei einer weltweiten Steuerstrategie bedacht werden, dass
eine Pte. Ltd. im Regelfall abkommensberechtigt ist und
somit die Vorteile der von Singapur und Hongkong
vereinbarten DBA in Anspruch nehmen kann.
Für Unternehmen, die den Schritt nach Südostasien wagen
wollen, wäre es allerdings auch denkbar, zunächst über eine
Zweigniederlassung tätig zu werden. Das kann eine Reihe
von Vorteilen bringen – besonders bei der Erschließung eines
neuen Markts oder wenn das Investment noch auf unsicheren Beinen steht. Niederlassungen genießen nämlich
keine rechtlich eigenständige Identität. Daher werden
Verträge einer Niederlassung immer auch der Muttergesellschaft zugerechnet. Beispielsweise beim Abschluss von
Lieferverträgen oder der Kreditvergabe kann das für neue
Investitionen oder Märkte ein entscheidender Vorteil sein.
Auch gelten für Niederlassungen weniger strenge Auflagen
bei der Registrierung und sie können gegebenenfalls rascher
gegründet werden als eine Kapitalgesellschaft.
das DBA Deutschland-Singapur anwendbar und das
Besteuerungsrecht für die Einkünfte der Niederlassung
würde ausschließlich in Singapur liegen. Vor diesem
Hintergrund wird auch ein wesentlicher Unterschied bei der
Steuerbelastung zwischen einer Niederlassung und einer
Tochtergesellschaft als Investitionsvehikel deutlich: Da es
kein DBA zwischen Deutschland und Hongkong gibt, muss
bei der Besteuerung der Gewinne auf die nationalen
Regelungen zurückgegriffen werden. Während bei einer
Tochtergesellschaft lediglich fünf Prozent der Gewinnausschüttungen in Deutschland als nicht abziehbare
Betriebsausgaben behandelt werden, die Dividenden also zu
95 Prozent freigestellt sind, besteht für die Einkünfte einer
Hongkong-Niederlassung eine „doppelte“ Steuerpflicht.
Allerdings können die in Hongkong für die Niederlassung
entrichteten Steuern in diesem Fall in Deutschland angerechnet werden.
Tabelle 2 gibt Ihnen einen Überblick über die steuerliche
Belastung von Niederlassung und Tochtergesellschaft in
Singapur und Hongkong.
Tab. 2
Steuerlich gibt es dabei allerdings einige Besonderheiten zu
bedenken: Zunächst einmal werden Niederlassungen sowohl
in Singapur als auch in Hongkong steuerlich einer regulär
registrierten (Tochter-)Gesellschaft (subsidiary) gleichgestellt, im Prinzip gelten also die gleichen Steuersätze. Eine
gesonderte Quellensteuer (branch remittance tax), wie es sie
zum Beispiel in Korea und Indonesien gibt, wird in beiden
Ländern nicht erhoben. Daraus folgt allerdings auch: Es gibt
auf den ersten Blick keine steuerlichen Vorteile, die für die
Wahl einer Niederlassung als Investitionsvehikel sprechen.
Vielmehr kann eine solche Wahl – je nach dem jeweiligen
Geschäftsmodell – steuerlich sogar nachteilig sein. Denn wie
bereits erwähnt, besitzen Niederlassungen in der Regel keine
eigene rechtliche Identität und sind nicht ansässig im Sinne
des Steuerrechts (tax resident). Daraus folgt: Sie sind regelmäßig auch nicht berechtigt, Tax Incentives zu beantragen
und an staatlichen Förderprogrammen teilzunehmen. Das
kann, speziell in Singapur, wie Sie später sehen werden,
einen erheblichen Verlust von steuerlichen Anreizen
bedeuten. Mit dem Status als non-resident einher geht auch:
Eine Niederlassung ist im Regelfall nicht abkommensberechtigt. Mit anderen Worten: Ein Unternehmen, das von
Deutschland via Niederlassung in Singapur beispielsweise
nach Indien investieren möchte, hat nicht die Möglichkeit,
sich auf das durchaus attraktive DBA zwischen Singapur und
Indien zu berufen.
Die fehlende Abkommensberechtigung einer Niederlassung
bedeutet allerdings nicht, dass ein vorhandenes DBA nicht
auf die originären Einkünfte der Niederlassung angewandt
werden kann. So wäre bei einer Singapur-Niederlassung
Überblick über die steuerliche Belastung von Niederlassung und Tochtergesellschaft in Singapur und
Hongkong
Singapur
Niederlassung
Hongkong
Tochtergesellschaft
Niederlassung
Tochtergesellschaft
17%
16,5%
16,5%
Laufende Geschäftstätigkeit
Steuersatz
17%
Repatriierung/Besteuerung von Gewinnen in Deutschland
Quellensteuer
–
0%
–
0%
Besteuerung
in Deutschland
100% Freistellung
nach DBA
100% Freistellung
nach DBA
Anrechnung
der in
Hongkong
entrichteten
Steuer auf
die
deutsche
Steuer
Freistellung
von 95% der
Dividenden
in Deutschland (§ 8 b
Abs. 5
Körperschaftsteuergesetz)
Steuervergünstigungen im Vergleich
Wie Sie gelesen haben, können nicht zuletzt die verfügbaren
Tax Incentives den Ausschlag für oder gegen die Wahl
eines Holdingstandorts geben. Als Anhaltspunkt für ihre
Entscheidung beschreibt der Beitrag im Folgenden eine
Auswahl interessanter Steuervergünstigungen näher.
Singapur verfügt über eine Vielzahl von Tax Incentives, mit
denen die Regierung sehr unterschiedliche Ziele verfolgt. Da
diese sich ihrer Art, ihrer Zielgruppe und ihrem FörderChina Compass Frühjahr 2012 59
Wirtschaftsregion Asien
umfang nach stark unterscheiden, konzentriert sich die
Übersicht auf die wichtigsten Vergünstigungen aus den
folgenden vier Kategorien:
● Incentives, die Singapurs Status als Drehkreuz für
Investitionen in der Region Südostasien fördern sollen
● Incentives, die den Handel ankurbeln sollen
● Incentives, die Singapurs Marktstellung als weltweites
Finanz- und Offshore-Zentrum ausbauen sollen
● Incentives, mit denen Singapur versucht, geistiges
Eigentum ins Land zu holen und Anreize für Forschung
und Entwicklung in Singapur zu bieten
Incentives, die Singapurs Status als Drehkreuz
für Investitionen in der Region Südostasien
fördern sollen
Zu diesen Förderprogrammen gehören das Regional Headquarter Incentive (RHQ), das International Headquarter
Incentive (IHQ), das Pioneer Incentive und das Development
and Expansion Incentive.
Um sich für das RHQ zu qualifizieren, müssen Unternehmen
strenge Voraussetzungen erfüllen. So müssen sie unter
anderem bestimmte Anforderungen an das eingezahlte
Kapital erfüllen und innerhalb der ersten drei Jahre
mindestens Ausgaben in Höhe von zwei Millionen SingapurDollar (SGD) in Singapur nachweisen. Darüber hinaus muss
das Personal für den Zeitraum der Förderung zu mindestens
75 Prozent aus fachlich qualifizierten Mitarbeitern bestehen
(bis Ende des dritten Jahres müssen mindestens zehn solcher
Mitarbeiter beschäftigt sein). Letztlich – und das macht das
eigentliche Wesen eines regionalen Headquarters aus – muss
die Gesellschaft bereits im ersten Jahr mindestens drei für
ein Headquarter typische Dienstleistungen gegenüber
Konzerngesellschaften in drei verschiedenen Ländern
(Singapur nicht mit einbezogen) erbringen. Diese können
beispielsweise aus allgemeiner Management- und Strategieberatung bestehen, aber auch aus der Verwaltung von
geistigem Eigentum, dem technischen Support oder der
Finanzierung. Erfüllt ein Unternehmen die genannten
Voraussetzungen und qualifiziert sich somit für das RHQ,
kann es eine Reduzierung der Körperschaftsteuer auf
15 Prozent beantragen. Eine weitere Reduzierung auf zehn,
fünf oder gar null Prozent ist unter dem IHQ möglich. Hierfür gelten grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie
auch für das RHQ. Wenn Unternehmen diese erste Hürde
klar nehmen, können sie gemeinsam mit dem Singapore
Economic Development Board über einen noch niedrigeren
Steuersatz unter dem Schirm des IHQ verhandeln.
Unter dem Pioneer Incentive, das es sowohl für Produktionsunternehmen als auch für Dienstleister geben kann, werden
die Einkünfte der in Singapur ansässigen Gesellschaft insoweit von der Besteuerung ausgenommen, als dass sie aus
einer für das Incentive qualifizierenden Pioniertätigkeit
60 China Compass Frühjahr 2012
stammen. Diese kann in der Herstellung und dem Vertrieb
von Produkten bestehen, aber auch in der Beratung oder
Entwicklung. Die Steuerbefreiung kann für fünf und bis zu
15 Jahren gewährt werden.
Als Alternative zum Pioneer Incentive gibt es unter anderem
noch das Development and Expansion Incentive (DEI).
Zwar werden hier die qualifizierenden Einkünfte, anders als
beim Pioneer Incentive, nicht gänzlich von der Steuer ausgenommen, aber der Steuersatz kann für einen Zeitraum von
nicht mehr als 20 Jahren auf bis zu fünf Prozent reduziert
werden. Dafür müssen die Einkünfte auch nicht aus einer
vollkommenen Pioniertätigkeit stammen, sondern es reicht,
wenn die Tätigkeit Singapur einen Mehrwert schafft.
Incentives, die den Handel ankurbeln sollen
Eines der bedeutendsten dieser Programme ist das Global
Trader Programme. Es entstand 2001 aus dem Zusammenschluss zweier älterer Programme, dem Approved Oil Trader
und dem Approved International Trader Programme, und
fördert seitdem allgemein Unternehmen, die Singapur als
Drehscheibe nutzen. Es gilt ein ermäßigter Steuersatz von
zehn Prozent. Ein Konzern, der sich für dieses Programm
qualifizieren will, muss unter anderem einen Jahresumsatz
von mindestens 100 Millionen US-Dollar erzielt haben und
seine Betriebsausgaben in Singapur direkt müssen drei
Millionen SGD überschreiten. Nicht zuletzt dadurch soll nach
dem Willen der Behörden die lokale Wirtschaft – sei es in
Form von Zulieferern, Logistikdienstleistern oder Finanzinstituten – durch das Förderprogramm indirekt ebenfalls
profitieren.
Incentives, die Singapurs Marktstellung als
weltweites Finanz- und Offshore-Zentrum
ausbauen sollen
In den letzten Jahren hat der kleine Stadtstaat seine
Bedeutung als weltweites Finanzzentrum kontinuierlich ausgebaut und wird – wie jüngste Studien belegen – spätestens
2015 die Schweiz als größtes Offshore-Finanzzentrum ablösen. Einige staatliche Incentiveprogramme für diesen
Bereich unterstützen die Entwicklung. Das interessanteste
dabei ist wohl der Finance and Treasury Award. Unternehmen, die sich dafür qualifizieren, erhalten einen
ermäßigten Steuersatz von zehn Prozent beispielsweise auf
Erträge aus der Vermittlung und Verwaltung von Krediten,
aus der Finanzberatung oder aus der Erstellung von
Investmentanalysen. Darüber hinaus sind Zinszahlungen, die
mit den qualifizierenden Tätigkeiten in Verbindung stehen,
von der Quellensteuer befreit. Als Voraussetzung, um sich für
den Finance and Treasury Award zu qualifizieren, muss ein
Unternehmen mindestens 750.000 SGD im Jahr als
Betriebsausgaben aufweisen, mindestens drei für die
Tätigkeit ausgebildete Angestellte haben und qualifizierende
Wirtschaftsregion Asien
Dienstleistungen gegenüber mindestens drei Konzerngesellschaften erbringen.
Incentives, mit denen Singapur versucht, geistiges
Eigentum ins Land zu holen und Anreize für
Forschung- und Entwicklung in Singapur zu bieten
Um das gesteckte Ziel zu erreichen, gibt es neben anderen
Vergünstigungen und Förderprogrammen das Approved
Royalties Incentive und die Möglichkeit der erhöhten Abschreibung von Forschungsaufwendungen (research and
development expenses) unter dem Productivity and
Innovation Credit (PIC).
Unter dem Approved Royalties Incentive können
Produktionsunternehmen die Quellensteuer auf Lizenzzahlungen auf fünf oder gar null Prozent reduzieren. Voraussetzung hierfür ist: Sie erhalten dadurch Zugang zu fortschrittlichen Technologien und zu neuem Know-how.
Das „System der Forschungsaufwendungen“ (research and
development expenses scheme) als Teil des PIC geht in
seinen Konsequenzen sogar noch ein Stück weiter und
ist vielleicht sogar noch interessanter. Danach können
die Kosten, die mit qualifizierender Forschungs- und
Entwicklungsarbeit, die in Singapur durchgeführt wird,
verbunden sind, für die Jahre bis 2015 – bis zu einer
bestimmten Höchstgrenze – mit bis zu 400 Prozent der
tatsächlichen Kosten steuerlich angesetzt werden. Für die
Jahre 2011 bis 2015 lassen sich so beispielsweise tatsächliche
Kosten in Höhe von zusammen drei Millionen mit zwölf
Millionen SGD steuerlich ansetzen.
Während Singapur also eine Vielzahl verschiedenster und für
die unterschiedlichsten Unternehmen sehr attraktiver Tax
Incentives bietet, hat Hongkong auf dem Gebiet noch einigen
Nachholbedarf. Obwohl Experten aus Wirtschaft und
Wissenschaft von der Politik bereits seit geraumer Zeit
fordern, sich verstärkt auf steuerliche Anreize für neue
Investitionen zu konzentrieren, denkt die Politik nur sehr
langsam um. Das ist umso bedenklicher, als das Hauptargument der Gegner von Tax Incentives – nach dem
Hongkong mit seinem niedrigen Körperschaftssteuersatz von
nur 16,5 Prozent bereits sehr attraktiv für Investoren ist –
mehr und mehr an Geltung verliert, da die umliegenden
Staaten die Steuersätze dauernd senken: zum Beispiel
Singapur von 18 auf 17 oder Taiwan von 25 auf 17 Prozent.
Dennoch scheint die Wirtschaft die Haltung der Politik noch
zu bestätigen. Einer aktuellen Studie der European Chamber
of Commerce in China und der Strategieberatung Roland
Berger lässt sich entnehmen, dass von den zehn Faktoren, die
für Investoren bei der Auswahl eines geeigneten Holdingstandorts in Südostasien eine Rolle spielen, der Faktor
„steuerliche Rahmenbedingungen“ in Hongkong am besten
bewertet wird.
Steuervorteile für Hongkonger Unternehmen, die in
China produzieren lassen
Die Attraktivität Hongkongs besteht naturgemäß auch in
seiner engen Verbindung zum Rest Chinas. Dies drückt
sich nicht nur in der geografischen Lage und der damit
verbundenen exzellenten Anbindung an den chinesischen
Markt aus, sondern auch auf finanzpolitischer Ebene
bestehen besondere Anreize für Firmen.
Dies gilt insbesondere auch für solche Gesellschaften, die
ihre Produkte unter einem contract processing arrangement
(CPA) in China produzieren lassen. Dabei verbleibt das
Eigentum an den Materialien, Rohstoffen usw. bei einer in
Hongkong ansässigen Gesellschaft und ein in China ansässiges Produktionsunternehmen betätigt sich lediglich als
Dienstleister für die Herstellung und Verarbeitung der
Produkte. Normalerweise sollte man also davon ausgehen,
dass die Erlöse aus der Veräußerung des Endprodukts der
Gesellschaft in Hongkong zugerechnet werden und somit
auch dort zu versteuern sind. Die Steuerbehörden aber gehen
anders vor: Sie erlauben eine Aufteilung der Veräußerungserlöse, sodass 50 Prozent der Erlöse der Steuer in Hongkong
unterliegen und die übrige Hälfte in China zu versteuern
ist. Da China aber gerade diese Hälfte derzeit von der
Besteuerung ausnimmt, werden faktisch nur 50 Prozent
der Erlöse überhaupt besteuert.
Darüber hinaus gibt es auch in Hongkong ein paar ausgewählte Fördermaßnahmen, die eine Investition im Einzelfall attraktiv machen. Vor allem im Bereich Forschung und
Entwicklung sowie beim Ankauf von Patenten und anderem
geistigen Eigentum ist es durch Gesetzesänderungen nun
möglich, mehr Kosten als bisher anzusetzen.
Nach Abschnitt 16 B der Inland Revenue Ordinance (IRO)
kann ein Steuerpflichtiger die Kosten für Forschungs- und
Entwicklungsarbeit steuerlich geltend machen, wenn er die
Ergebnisse in seinem normalen Geschäftsbetrieb verwenden
kann. Interessant dabei ist: Das gilt sowohl für Kosten für die
eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung als auch für
Auftragsforschung externer Dienstleister.
Darüber hinaus ist es möglich, die Anschaffungskosten für
bestimmte Patente, Schutzrechte und geistiges Eigentum
von der Steuer abzusetzen. Dafür müssen die folgenden vier
Voraussetzungen erfüllt sein:
● Der Steuerpflichtige muss tatsächlich Eigentum erwerben.
● Das erworbene Schutzrecht, Patent oder Ähnliches muss
für die Nutzung im Zusammenhang mit in Hongkong
steuerpflichtigen Einkünften stehen und tatsächlich auch
in dem Jahr, in dem die Kosten geltend gemacht werden
sollen, genutzt worden sein.
● Es muss sich in der Regel um registriertes geistiges
Eigentum handeln.
China Compass Frühjahr 2012 61
Wirtschaftsregion Asien
● Der Steuerpflichtige muss auch am Ende des Zeitraums,
für den er die Kosten geltend macht, noch Eigentümer
sein.
Gleiches gilt unter gewissen Umständen für bestimmte
Investitionen in Infrastruktur, wie etwa Hardware, Software,
Maschinen oder Fuhrpark.
Fazit
Ohne Zweifel sind Hongkong und Singapur zwei hervorragende Ausgangspunkte für einen Einstieg in den südostasiatischen Markt. Beide Länder bieten beste Voraussetzungen, was die Infrastruktur und die allgemeine
wirtschaftliche Entwicklung angeht, und locken gleichzeitig
mit einem überaus attraktiven Steuerregime. Unterschiede
aber werden deutlich, wenn man ins Detail geht und dabei
fragt: Welche Märkte sollen von dort aus erschlossen und
welche DBA sind dafür geeignet? Natürlich kommt dann
zwangsläufig auch die Frage auf, ob und unter welchen
Voraussetzungen sich das Unternehmen für eines der zahlreichen Tax Incentives qualifiziert.
Grundsätzlich ist Hongkong in Bezug auf die reine
Besteuerung der Unternehmenstätigkeit gegenüber Singapur
im Vorteil: Der Steuersatz ist niedriger, es gibt keine
Umsatzsteuer und die Bemessungsgrundlage setzt sich nur
aus in Hongkong erwirtschafteten Einkünften zusammen.
Auf der anderen Seite bietet Singapur ebenfalls ein wettbewerbsfähiges Steuerregime und darüber hinaus die Vorteile einer Reihe von Tax Incentives und einer größere
Auswahl an DBA.
Letztlich entscheidet der angestrebte business case über
die Wahl des geeigneten Standorts. Eine Empfehlung für
Singapur oder Hongkong bleibt deshalb einer sorgfältigen
Prüfung des Einzelfalls vorbehalten.
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Ihre Ansprechpartner
Alexander Lehnen
Tel.: +49 40 6378-2136
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Jonas Bley
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62 China Compass Frühjahr 2012
Veröffentlichungen
Veröffentlichungen
Einzelhandel und Konsumgüterindustrie in Asien
Ausländische Versicherungen
in China 2011
Die stagnierende US-Wirtschaft und die anhaltenden
Turbulenzen in der Eurozone verdüstern die Aussichten
für die Weltwirtschaft. Finanzielle und wirtschaftliche
Unsicherheiten haben das Niveau von 2008 erreicht. Zwar
wachsen die aufstrebenden Märkte in Asien weiter, ihr
Wachstum aber wird, vor allem in den exportabhängigen
Volkswirtschaften, merklich an Tempo einbüßen. Grundlegende Trends der asiatischen Märkte, wie etwa steigende
Einkommen, sorgen allerdings auf mittlerer Sicht dafür, dass
Asien auch weiterhin ein wichtiger Wachstumsmotor sein
wird, vor allem für die globale Handels- und Konsumgüterindustrie. – Zu diesen Ergebnissen kommt der 2012 Outlook
for the retail and consumer products sector in Asia, den PwC
China in Zusammenarbeit mit der Economist Intelligence
Unit erstellt hat. Er beleuchtet die Aussichten für die sechs
Teilsektoren im Bereich Einzelhandel und Konsumgüter in
Asien: Lebensmittel- und allgemeinen Einzelhandel, Mode
und Bekleidung, Onlinehandel, schnell drehende Produkte
(etwa Nahrungsmittel, Körperpflegeprodukte, Reinigungsmittel), Luxusmarken sowie Gebrauchsgüter und Elektronik.
Der Ausblick konzentriert sich vor allem auf China, Hongkong, Indien, Japan und Taiwan und untersucht das
Geschehen im Jahr 2011. Daneben analysiert er Chancen
und Herausforderungen bis 2025.
2011 war ein sehr herausforderndes Jahr für ausländische
Versicherungsgesellschaften in China. Denn neben dem
anhaltend schwierigen regulatorischen Umfeld bekommen
ausländische Anbieter zunehmend Konkurrenz durch inländische Versicherer und Banken. Darüber hinaus machen
es die steigenden Lebenshaltungskosten in China immer
schwerer, talentierte Mitarbeiter zu finden und zu halten.
Diese und weitere Erkenntnisse hat die Studie Foreign
insurance companies in China erbracht, eine Umfrage
unter ausländischen Versicherungsgesellschaften in China,
die PwC Hongkong durchgeführt hat. Als die größten
Herausforderungen haben die 18 Lebensversicherungsgesellschaften, die sich 2011 beteiligten, die zunehmende
Konkurrenz durch inländische Versicherer und den Kampf
um die Fachkräfte (war for talents) identifiziert. Das zentrale
Thema der zehn Schaden- und Unfallversicherungsgesellschaften hingegen ist immer noch das strenge
regulatorische Umfeld. Der Marktanteil der ausländischen
Versicherer ist annähernd gleich geblieben: Lebensversicherer haben sich aktuell etwa fünf, die Schaden- und
Unfallversicherer etwa ein Prozent des Markts gesichert.
Diese Zahlen, prognostiziert die Studie, werden sich auch
in den nächsten drei Jahren nicht wesentlich verändern.
Einen kleinen Hoffnungsschimmer für die Sach- und Unfallversicherer löste eine Ankündigung offizieller chinesischer
Stellen im Mai 2011 aus, nach der es ausländischen
Versicherern erlaubt sein wird, die obligatorische Haftpflichtversicherung anzubieten.
2012 Outlook for the retail and consumer products
sector in Asia
Hrsg. von PwC China
Dezember 2011, 48 Seiten, in Englisch und Chinesisch
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Carrie Yu
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carrie.yu@hk.pwc.com
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rc_ap_products_outlook_2012.html
Foreign insurance companies in China
Hrsg. von PwC Hongkong
Dezember 2011, 134 Seiten, in Englisch
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Peter Whalley
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peter.whalley@hk.pwc.com
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foreign_insurance_cn_dec2011.html
China Compass Frühjahr 2012 63
Veröffentlichungen
Zahlen und Fakten zur
Steuer in Hongkong
Trends des Immobilienmarkts 2012
Die Informationsbroschüre 2012/2013 Hong Kong Budget
Tax Facts and Figures enthält alle aktuellen Gesetze und
Praktiken des Steuersystems ab dem 1. Februar 2012 sowie
Legislativvorschläge und Maßnahmen, die im Hongkonger
Haushalt 2012/2013 verkündet worden sind. Im Einzelnen
behandelt werden die Bereiche: Einkommensteuer (income
tax), Lohnsteuer (salaries tax), Gewinnsteuer (profits tax)
und Grundsteuer (property tax). Informiert werden Sie
über Abgabefristen, Kosten und Gebühren. – Bitte beachten
Sie: Diese Legislativvorschläge werden erst nach ihrer
Verabschiedung zu Gesetzen und können deshalb durch den
Gesetzgeber (Legislative Council) noch geändert werden.
Zusammen mit dem Urban Land Institute analysiert PwC
Hongkong kontinuierlich unter anderem die Entwicklungen
des Immobilienmarkts in der Region Asien-Pazifik (in
anderen Analysereihen auch die in Europa, den USA und
in Kanada). Im Brennpunkt stehen jeweils die aktuellen
Immobilieninvestments und Trends, der Immobilienfinanzund -kapitalmarkt, Tendenzen des Immobiliensektors in den
Metropolregionen sowie viele andere Fragen rund um das
Thema Immobilien.
2012/2013 Hong Kong Budget Tax Facts and Figures
Hrsg. von PwC Hongkong
Februar 2012, 30 Seiten, in Englisch
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Alexander Prautzsch
Tel.: +86 21 2323-3375
alexander.prautzsch@cn.pwc.com
Dirk Bongers
Tel.: +49 211 981-7888
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www.pwchk.com/home/eng/
budget2012_tax_facts_figures.html
64 China Compass Frühjahr 2012
Emerging Trends in Real Estate Series®: Asia Pacific
Hrsg. von PwC Hongkong
Dezember 2011, 88 Seiten, in Englisch
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China Compass Frühjahr 2012 65
China Business Group
Im Porträt: Alexander Prautzsch
Tax Director, German Business Group,
PwC Shanghai
Ein guter (Arbeits-)Tag beginnt ...
... mit einer entspannten Fahrt mit der U-Bahn in Shanghai –
bei mäßigem Passagieraufkommen, noch bevor sie sich im
Berufsverkehr bis zum Anschlag füllt.
Mein Traumberuf als Kind war …
... Erfinder. Aber ich ließ mich noch rechtzeitig von der
Attraktivität eines steuerberatenden Berufs überzeugen.
Erfolge feiere ich …
... gerne in Gesellschaft derer, die mich auf dem Weg dorthin
unterstützt haben.
Es bringt mich auf die Palme, wenn …
... Situationen mit unzulässigen Verallgemeinerungen
bewertet werden, ohne die Besonderheiten des Einzelfalls
zu sehen. Das können auch ganz alltägliche Situationen
sein, wie sie jeden von uns betreffen.
Meine Traumstadt/mein Lieblingsort ist …
... sicherlich noch nicht gefunden, aber in der Zwischenzeit
fühlen meine Familie und ich uns sehr wohl hier in Shanghai.
Shanghai ist eine Stadt mit sehr positivem Lebensgefühl.
Veränderungen sind oft zum Besseren, das sorgt für eine
optimistische Grundstimmung. Gleichzeitig lernt man
sehr interessante Leute mit den unterschiedlichsten
Hintergründen und Lebenszielen kennen. Auch die hohe
Konzentration an verschiedenen Nationalitäten auf kleinem
Raum macht den Reiz dieser Stadt aus.
Mich fasziniert an der China Business Group …
... die dort gebotene Chance, mit Mandanten vor Ort intensiv
und operativ zu den landesspezifischen Fragen zusammenzuarbeiten. Die China Business Group bildet zusammen mit
den German Business Groups ein starkes Netzwerk von
deutschen Berufsträgern, das wiederum fachlich und
organisatorisch nahtlos in die Gastländer integriert ist.
Den „China Compass“ sollte man lesen, weil …
... er nicht nur regelmäßige Updates aus den verschiedenen
Bereichen des chinesischen Geschäftslebens liefert, sondern
mit seinen Analysen auch Denkanstöße und neue Ideen. Der
China Compass ist – nicht nur unter den deutschsprachigen
Newslettern – in seiner Breite und Aktualität wohl einzigartig.
Alexander Prautzsch arbeitet seit dem
1. November 2011 für die German Business Group
bei PwC Shanghai im Bereich Tax. Als Steuerberater
66 China Compass Frühjahr 2012
betreut er vor Ort Mandanten aus dem deutschen
Sprachraum (vorwiegend multinationale Unternehmen mit starker Präsenz in China). Für sie ist er
erster Ansprechpartner in allen Steuerfragen, die
rein chinesische sowie grenzüberschreitende Sachverhalte betreffen. Gründungs- und Strukturierungsberatung, Mitarbeiterentsendungen, Gewinnrepatriierung, Optimierung der Wertschöpfungskette
oder Betriebsstättenbesteuerung: Das sind nur
einige der typischen Themen seiner Arbeit. Auch
wenn er der Steuerabteilung angehört, arbeitet
er eng mit Kollegen aus Assurance und Advisory
zusammen und steht so für eine ganzheitliche
Dienstleistung aus einer Hand.
Seine Laufbahn begann Alexander Prautzsch
im Oktober 2002 in der internationalen Steuerabteilung einer der großen Prüfungsgesellschaften.
2005 wechselte er nach Shanghai, wo er eine
Schlüsselrolle für deutschsprachige Mandanten
in der Bearbeitung China-spezifischer Themen
übernahm. Durch seine Familie hat er einen
starken privaten China-Bezug und spricht fließend
Chinesisch.
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China Compass Frühjahr 2012 67
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