Berlin for Beginners Semester
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Berlin for Beginners Semester
19 Monatszeitschrift des Studentenwerks Berlin Semester and Berlin for Beginners Gratismagazin Oktober 2005 3. Jahrgang Editorial Suppenküche für Bedürftige und Fastfood für die Anderen? Inhalt Petra Mai-Hartung, Geschäftsführerin Studentenwerk Berlin Start ins Wintersemester 2015. Endlich konnte das Studentenhilfswerk eine neue Suppenküche für bedürftige Studierende eröffnen. Sie war dringend notwendig geworden, weil längst nicht alle Studierenden die Preise bezahlen können, die der weltweite Boulettenschmied, der seine Burger jetzt auch in der Mensa verkauft, verlangt. Und immer nur Currywurst vom Imbiss an der Ecke, nein Danke. Das neue Studentenwohnheim in Hellersdorf lässt auf sich warten, obwohl die Wohnheime im Märkischen Viertel und in Lichtenberg hoffnungslos ausgelastet sind. Möblierte Zimmer bei den legendären „Schlummermüttern“*, inklusive des Verbots von Damen- bzw. Herrenbesuch, sind knapp und wenig begehrt. Internationale Studierende verzichten immer häufiger auf ein Studium in Berlin, weil die Wohnungssuche wenig Erfolg versprechend ist. Erzählungen vom studentischen Gemeinschaftsleben, von wilden Partys und Prüfungsvorbereitungen in den Studentenwohnheimen kennt man nur noch aus Erzählungen der Eltern. Von dieser Zukunftsvision haben sich Mitte September die Beschäftigtenvertreter und Führungskräfte des Studentenwerks Berlin auf einem Workshop deutlich distanziert. Mit dem Studentenwerksgesetz vom Dezember 2004 wurde der Finanzierungsanteil des Landes Berlin am Studentenwerk von der Zuwendungs- auf die Leistungsfinanzierung umgestellt. Nun sollen im Rahmen eines vom Berliner Senat veranlassten Pilotprojekts unter Leitung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) die Grundlagen eines ziel- und wirkungsorientierten Controllings im Studentenwerk Berlin ermittelt werden. Zielsysteme sollen erarbeitet und überprüft und Kennzahlen entwickelt werden. Weitere Workshops mit Studierenden, dem Senat und den Hochschulen folgten, auf die Ergebnisse darf man gespannt sein. Einhellige Meinung der Teilnehmer des Workshops im Studentenwerk war die Forderung nach einer Weiterentwicklung des Studentenwerks als der zentrale Dienstleister für alle Berliner Hochschulen. Abwechslungsreiches, schmackhaftes, gesundes und preiswertes Essen in den Mensen und Cafeterien, adäquate Wohnheimplätze für alle Bedürfnisse, ein kompetentes und flexibles Betreuungs- und Beratungsangebot für Studierende aller Nationalitäten, Hilfe und Unterstützung für behinderte Studierende – der „Rundum- Service“ des Studentenwerks soll auch künftig die Berliner Hochschullandschaft bestimmen. Vom Land Berlin wird erwartet, dass es sich zu seiner Verantwortung für den Studienort Berlin mit der zuverlässigen Bereitstellung von Finanzmitteln bekennt und verlässliche Aussagen zur künftigen Finanzierung des Studentenwerks macht. Das Studentenwerk wird alle Möglichkeiten nutzen, das Angebot den Bedürfnissen der Studierenden und Hochschulen entsprechend zu entwickeln. Vom gegenwärtigen Leistungsspektrum Ihres Studentenwerks können Sie sich selbst überzeugen: In diesen Tagen beginnt der Lehrbetrieb im Wintersemester 2005. Wir werden Ihnen auch im neuen Semester ein zuverlässiger Partner sein. Nehmen Sie uns beim Wort! Ihre Petra Mai-Hartung Seite 4 - Meldungen und Berichte Aktuelle Informationen aus dem Studentenwerk Seite 5 - Meldungen und Berichte Aktuelle Informationen aus dem Studentenwerk Seite 6 - Berlin for Beginners Berlin fordert was was von Euch. Hier erfahrt Ihr es. Seite 7 - Berlin for Beginners Berlin fordert was was von Euch. Hier erfahrt Ihr es. Seite 8 - 444 Minuten Wir begleiten einen Mensachef, der auch Multitalent ist. Seite 9 - 444 Minuten Wir begleiten einen Mensachef, der auch Multitalent ist. Seite 10 - Studentenhaus am Steinplatz Vom Kameradschaftshaus zum Tuntenball Seite 11 - Der gute Rat Augen auf bei der Berufswahl Seite 12 - Tocotronic im Interview Wir machen auch Musik, wenn die keiner hören will Seite 13 - Kultur-Tipps Alles fürs Ausgefieber im heißen Herbst Seite 14 - Alles über Unisport Jeder Mann an jedem Ort, einmal in der Woche Sport! Impressum Herausgeber: Studentenwerk Berlin und CAMPUSdirekt Direktwerbung GmbH Redaktion: Jürgen Morgenstern (verantwortlicher Redakteur, V.i.S.d.P.) Metronauten, Dorit Beyersdorf, ArGe Öffentlichkeitsarbeit Lektorat: Susanne Zweiniger Gestaltung: genauso.und.anders° graphical wellness Satz und Layout: Stephan König, genauso.und.anders° graphical wellness Fotos: Stephan König, Studentenwerk Berlin Titelbild: Rüdiger Bomberg Druck: pRINTERwahnsinn, Gutenbergstraße 1-3, 95512 Neudrossenfeld Kontakt: werkblatt, Hardenbergstr. 34, 10623 Berlin, Tel.: 030 31 12 415, Mail: redaktion@werkblatt.de Anzeigen: CAMPUSdirekt Direktwerbung GmbH, Markgrafenallee 3c, 95448 Bayreuth, Stefanie König, Tel.: 0921 78 778 59 86 Das werkblatt erscheint in Berlin. Das werkblatt liegt an den Berliner Hochschulen aus. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter: www.studentenwerk-berlin.de. * Schlum|mer|mut|ter, die (ugs. scherzh. veraltend): Vermieterin eines Zimmers, einer Schlafstelle; Zimmerwirtin: …(www.duden.de) Editorial 3 Meldungen und Berichte Nachwuchs gesichert Am 15. September 2005 besuchten Mädchen und Jungs aus der Kita „Villa March“ die TU-Mensa Hardenbergstraße. „Wir wollten doch mal sehen, wo unser Essen herkommt“, so Volker Schatte, Erzieher in der Kita. Gemeinsam mit seinem Kollegen Thomas Dittmann besuchten die Kinder anschließend den InfoPoint und waren angesichts der vielen Bildschirme und Telefone von diesem Arbeitsplatz begeistert. Guter Nachwuchs muss eben rechtzeitig gesucht werden. [stw] Nichtraucherschutz wird groß geschrieben In den Mensen und Teilen der Cafeterien sowie in allen anderen Öffentlichkeitsbereichen des Studentenwerks Berlin war das Rauchen bisher schon nicht gestattet. Seit Oktober 2005 sind Geschäftsführung und Personalrat des Studentenwerks einen Schritt weiter gegangen. Zum Schutz vor den Beeinträchtigungen und Gesundheitsgefahren durch das Rauchen ist es seit Oktober auch in Diensträumen, die sich Raucher und Nichtraucher teilen, in Versammlungs-, Lehr- und Unterrichtsräumen, in Aufzügen, Fluren, Toiletten und Dienstfahrzeugen verboten zu rauchen. [stw] Durchgehend warme Küche für Bachelor und Master? Eine 24-Stunden-Versorgung für die Studierenden in Deutschland wird es vorläufig nicht geben. Die Studentenwerke reagieren aber mit längeren Öffnungszeiten ihrer Mensen und Cafeterien und einer weiteren Differenzierung ihrer Speisenangebote �oÉ~Çó\=dç=píìÇó>= auf veränderte zeitliche und qualitative Anforderungen, die die Studierenden wegen â~íïÉííÄÉïÉêÄ=ÇÉë=aÉìíëÅÜÉå=píìÇÉåíÉåïÉêâë= der neuen Studienabschlüsse Bachelor und Master stellen. Das ist das wichtigste Ergebnis einer zweitägigen Konferenz des Deutschen Studentenwerks, des Dachverbands der 61 Studentenwerke in Deutschland. In Frankfurt (Oder) trafen sich an zwei Tagen über 120 Führungskräfte aus den Studentenwerken, um über die konkreten Folgen der so genannten „Studienstrukturreform“ für die Verpflegungsbetriebe an den Hochschulen zu diskutieren. In einem Punkt war man sich rasch einig: Bachelor- und Master-Studierende werden wegen ihrer verdichteten Lehrpläne weit mehr Zeit an der Hochschulen verbringen müssen als bisherige Studierende, und = sie werden ganz neue Ansprüche an die = Verpflegung auf dem Campus stellen. [DSW] NK=mêÉáë=EOKMMM=broF= ^äÉñ~åÇÉê=pÅÜãáÇíI=ce=mçíëÇ~ãI=Ñ�ê=�pÉÜíÉëí= Plakatwettbewerb „Ready? Go Study!“ Unter dem Motto „Ready? Go Study!“ wurden beim inzwischen 19. Plakatwettbewerb des Deutschen Studentenwerks (DSW) Motive eingereicht, die Abiturientinnen und Abiturienten Lust auf ein Studium machen. Insgesamt gingen beim DSW 216 Entwürfe von 133 DesignStudierenden aus 20 Hochschulen ein; eine unabhängige Jury wählte die besten aus (www.studentenwerke.de/pdf/ preistraeger.pdf). Mit dem Wettbewerb wird bewusst beim Übergang von der Schule in die OK=mêÉáë=EàÉ=NKRMM=broF= jìêáÉä=_áÉÇêòóÅâáI=ce=mçíëÇ~ãI=Ñ�ê=�råïáëëÉåÜÉáí=ëÅÜ~ÇÉí= gìäá~å=oìÉÇ~I=ce=mçíëÇ~ãI=Ñ�ê=�lééçêíìåáíó= Hochschule angesetzt und für das Hochschulstudium geworben. Es soll auf die „skandalöse Schieflage“ bei der sozialen Zusammensetzung der Studierenden verwiesen werden; vier Fünftel der Kinder aus einkommensstarken Haushalten studieren, aber nur ein Zehntel aus einkommensschwachen Familien schafft den Sprung an die Hochschule. [DSW] Umbau abgeschlossen: Cafeteria Ernst-Reuter-Platz Der vierwöchige Umbau ist abgeschlossen und die Cafeteria im TU-Architektur-Gebäude am Ernst-Reuter-Platz strahlt im neuen Glanz. Wegen der Umstellung von Einweg- auf umweltfreundliches Mehrweggeschirr wurde eine neue Spülküche eingebaut. Außerdem wurde der Ausgabebereich neu gestaltet, die modernen Granittresen und das neue Inventar im Gästebereich passen jetzt gut zum Gesamtbild des Architekturgebäudes. [stw] Europäische Woche des Geschmacks in den Mensen Die Mensen des Studentenwerks Berlin nehmen zum zweiten Mal an der bundesweiten Initiative „Europäische Woche des Geschmacks“ teil. In dieser Aktionswoche vom 17. - 23. Oktober 2005 sollen die Gäste mit allen Sinnen die fünf Grundgeschmacksrichtungen erfahren. Es bietet sich Gelegenheit, die täglich wechselnden „Geschmacksteller“ (an jedem Wochentag dominiert eine andere Geschmacksrichtung wie süß, sauer, salzig, bitter oder aromatisch/scharf) zu einem günstigen Preis zu genießen und gleichzeitig seinen Geschmacksinn zu schulen. Die Aktion der Initiative Eurotoques zielt auf die konkrete Geschmacks-Schulung der Bevölkerung in Kantinen, Mensen, Kliniken, Casinos, Kasernen, Restaurants und bei anderen Großverpflegern ab. Nach all den Lebensmittelskandalen der letzten Jahre achten nämlich immer mehr Verbraucher nicht nur beim privaten Einkauf auf die Herkunft und Frische ihrer Ware. Dass auch Essen aus Großküchen weder fade noch ungesund, sondern frisch und geschmackvoll ist, lässt sich nun während der Europäischen Woche des Geschmacks wieder beweisen. [stw] Das werkblatt verlost 3x je 2 Freikarten für die Philharmonie Berlin Schicken Sie eine E-Mail an gewinnspiel @werkblatt.de und teilen Sie uns mit, was Ihnen am werkblatt gefällt und was anders werden sollte. Unter den Einsendungen verlosen wir 3x je 2 Freikarten für das Konzert am 18. November 2005, 20.00 Uhr im Großen Saal. Gespielt werden: Béla Bartók: „Der wunderbare Mandarin“ Pantomime in einem Akt nach Melchior Lengyel, Johann Sebastian Bach: „Vor deinen Thron tret‘ ich hiermit“ – Choralbearbeitung für Orgel BWV 668 für Orchester von JeanFrancois Taillard, György Ligeti: Konzert für Violoncello und Orchester, Franz Liszt: Mephisto-Walzer Nr. 1 („Der Tanz in der Dorfschänke“) Zweite Episode nach Nikolaus Lenaus „Faust“, Franz Liszt: Ungarische Rhapsodie Nr. 4 dazu wie die� Nüsse ������� ��� ���der ���Pandanuspalme ���� und Früchte wie Buschtomaten und ������������� �������� wilde Pflaumen. Viele Nahrungsmittel sind allerdings erst nach fachkundiger ������� �������������� Zubereitung für den menschlichen Magen bekömmlich. [Hagen Box] ������������������ �������������������� Wieder gesucht: die Mensa des Jahres Australian Food in der Mensa�������� Gratulation Je zwei Freikarten für das Konzerthaus am Gendarmenmarkt am 5. November 2005 erhalten Michael Laqua, Verena Schepers und Simone Weidner. Vielen Dank für die Beteiligung an der Umfrage. Das werkblatt gratuliert. [stw] Das Studentenwerk Berlin will das australische Flair in die Berliner Mensen holen. Vom 24 . Oktober bis zum 4. November gibt es in der 49. Mensaaktion „Highlights From Down Under“. Der Speiseplan ist vielfältig und exotisch. So werden neben Outback Kokosmilchsuppe und Eggs in Tomatoes auch gebratenes Haifischsteak und gegrilltes Straußensteak angeboten. Gespannt können die Gäste auf Red Snapper Brisbane in MelonenGurken-Sauce sein – wir sind es auch. Mango-Maracuja-Gelee, Ananaspudding mit marinierter Mango und Baisertorte Pavlova dürfte etwas für die „Süßschnäbel“ sein. Auch in diesem Jahr sucht das Hochschul- magazin UNICUM wieder nach der „Mensa ������� ���� �� ��� ���� des Jahres“. Um die Aktion möglichst ������� ������� ����� aufmerksamkeitsstark zu begleiten, hatte sich das UNICUM-Redaktionsteam wieder ���������������� ����� etwas Besonderes ausgedacht. Diesmal ging sie am 20. September mit Thomas ������������� ����� Hermanns, dem Moderator des Quatsch�������� ��������� Comedy-Clubs (bekannt aus ProSieben und dem Friedrichstadtpalast), ������� ������������ in die Mensa Nord des Studentenwerks Berlin und überzeugte sich selbst vom „Studentenfutter“. Natürlich �������� Es lohnt sich, einmal einen Blick in die australische Gastronomie zu werfen. Vielleicht führt Sie ja auch eine Ihrer nächsten Reisen nach Down Under ... „Australian Cuisine“ Immigranten aus allen Teilen der Welt haben das kulinarische Angebot bereichert. Besonders in den Städten findet man unzählige erstklassige Restaurants, Cafés und Bistros. Zwar sind Pies, Fritten und Hamburger keineswegs von der Speisekarte verschwunden, in Vorort-Pubs, Roadhouses im Outback und in entlegenen Gegenden ist Fastfood oft die einzige Wahl. Zum Frühstück reicht das Angebot vom English Breakfast mit Rühreiern, Schinken, Hashbrowns und Toast über Müsli bis zu exzellenten Croissants, Cappuccini und Espressi – alles dank der Einflüsse der Italiener und Franzosen. In der „Australian Cuisine“ koexistieren verschiedene Geschmacksrichtungen. Take-Aways sind günstig und vielseitig, oftmals wird ins Haus oder Hotel geliefert. Unverzichtbar ist das Barbecue (kurz: BBQ). Fleisch vom Rind, Schwein und Lamm ist gut und günstig. Känguru- und Emufleisch sind so gut wie fettfrei und sehr lecker – beide erinnern an Wild. Krokodilfleisch wird dagegen geschmacklich oft mit Hühner- oder Schweinefleisch verglichen. Seafood Bemerkenswert ist die Vielfalt an Fischsorten und Meeresfrüchten: Cray fish (Hummer), Blue Swimmer Crabs (Blaue Schwimmerkrabben), Krabben, King Prawns, Balmain Bugs (eine für Sydney typische Krebsart), Yabbies, Mudcrabs (Mangrovenkrabben), Sydney Rock Oysters und Tasmanian Oysters und Scallops (eine Art von Kamm-Muschel). Unter den vielen Speisefischsorten wird besonders der Barramundi geschätzt, ebenso wie Lachs aus Tasmanien. In Fish & Chips-Läden verbirgt sich unter der Panierung oft Haifischfilet. Busch-Essen Typisch australisch ist der „Bush Tucker“, das traditionelle Nahrungsmittel der australischen Ureinwohner. „Busch-Essen“ ist alles, was wild gedeiht und gejagt oder gesammelt werden kann: Goannas, Schlangen und Opossums gehören ebenso nahm sich der charmante Thomas Hermanns auch Zeit für ein Schwätzchen und ein Erinnerungsfoto mit Renate Quilitz, einer Kassiererin in der Cafeteria der Mensa Nord. Bereits zum fünften Mal stehen die Gäste der Mensen erneut vor der Entscheidung: Wurde die Qualität gehalten? Wer kocht ähnlich gut? Wo ist die Bedienung am nettesten? Am Jahresende werden wir es wissen! Noch bis zum 15. Dezember können Sie Ihre Lieblingsmensa mit der entsprechenden Punktezahl in den verschiedenen Kategorien wie Geschmack, Service, Ausstattung etc. belohnen. Die TFH-Mensa behauptete sich im bundesweiten Ranking bereits zweimal: 2002 und 2004 konnte das Team um Detlev Gutberlet im Wettbewerb Spitzenplätze belegen. „Gesund und stets frisch müssen die Speisen sein“, so Küchenchef Detlev Gutberlet. Das werkblatt besuchte ihn einen Arbeitstag lang; lesen Sie den ausführlichen Bericht dazu in diesem Heft. [stw] Berlin for Beginners Herzlich willkommen, ihr Erstsemester und Zugezogenen! Was auch immer euch an die Spree getrieben haben mag, jetzt führt (erstmal) kein Weg zurück. Mit der teils recht rustikalen Berliner Höflichkeit habt ihr bestimmt schon Erfahrungen gemacht und auch das Unwort „Bürokratie“ ist spätestens mit dem Besuch beim Immatrikulationsbüro kein abstrakter Begriff mehr. Natürlich fühlt ihr euch alle nach einer knappen Woche schon voll als Berliner Metropolenbewohner und bereits nach 48 Stunden gehen euch die Tourimassen rund um Ku’damm und Alexanderplatz auf den Keks. Selbstverständlich wisst ihr schon (fast) alles über unsere hübsche Stadt und „szenemäßig“ kann euch dank unzähliger Wochenendkurzbesuche eh niemand etwas vormachen, denn Party und Nachtleben sind eure zweiten Vornamen. Trotzdem könnte sich das Weiterlesen lohnen, denn damit vermeidet ihr unter Umständen die entscheidenden Fehler, die euch dann doch sofort als Schwaben, Bayern oder Fischkopp aus Mecklenburg-Vorpommern outen. Leben: Hier trennen sich die Ansichten und gerade Neuberlinern ist es extrem wichtig, im „richtigen“ Bezirk zu leben. Als populäres Bermudadreieck gelten Kreuzberg, der Prenzlauer Berg und Friedrichshain, als Erweiterung kommen noch Mitte und neuerdings Teile des guten alten Weddings hinzu. Für Nichtkenner der Materie hier eine Kurzvariante aller Stadtteile mit dem Prädikat „da darf man wohnen“: In Kreuzberg trifft sich eine bunte Mischung aus (Alt-)Punks, Ex-Hausbesetzern und ganz normalen Durchschnittsmenschen, geprägt ist der Stadtteil zudem von vielen türkischen Bewohnern, die mit unzähligen kleinen Geschäften, Gastronomie und Märkten für Vielfalt im Kiez 4 Berlin for Beginners sorgen. Wer richtig in sein will, lebt natürlich nur im Bereich des ehemaligen Postleitbezirks SO 36 und zeigt dies auch gern durchs Tragen entsprechender T-Shirts. In jüngster Zeit finden es auch Firmen wie MTV oder Universal Music hipp, im Kiez bzw. im benachbarten Friedrichshain präsent zu sein, der Schnöselfaktor steigt also leider. Der Prenzlauer Berg wird immer wieder mit Mythen versehen: Künstlerviertel, Szenebezirk und Intellektuellenkiez. Natürlich stimmt alles irgendwie, allerdings führt der Ruf zu einer zunehmenden „Münchnisierung“, für schöne Altbauten werden inzwischen teils abstruse Mieten verlangt. Zentral und noch recht preiswert sind Wohnungen in der Umgebung des Mauerparks; wer’s geschafft hat, zieht natürlich in Richtung Kollwitzplatz oder an die Zionskirche. Kinderhasser sollten den Bezirk meiden, dank Krise am Arbeitsmarkt und Zusammenbruchs der New Economy haben sich, so scheint’s, alle Mitt- bis Endzwanziger gleichzeitig für Nachwuchs entschieden, so dass manches Eckcafé inzwischen mit flächendeckendem Parkraum für die stylischen Kinderkarren und einer großen Auswahl von Fenchelteesorten für Schwangere aufwartet, wo vor noch nicht all zu langer Zeit harte Alkoholiker und Kippen en vogue waren. Der Friedrichshain lockt mit viel Grün, einer mehr als ordentlichen Kneipen- und Clubstruktur und viel jungalternativem Publikum. Leider gilt auch hier das Klagelied von Miethaien und einem recht heftigen „Schwabenfaktor“, Eingeborene scheinen in der Minderzahl. Absolut Spitze ist der Bezirk beim Hundehalten, so ist auf den Gehwegen Slalomlaufen angesagt, schließlich muss Fifi ja irgendwo Drei Theater, die man innerhalb der ersten Monate besucht haben sollte: sein Geschäft verrichten. Dafür sind die Menschen hier allesamt sehr entspannt und legen Wert auf einen legeren Tagesablauf, bloß nicht zu früh aufstehen, fast jedes Café bietet Frühstück bis in den Nachmittag hinein. Woher die komischen T-Shirts mit dem Slogan: „Keiner ist gemeiner als der Friedrichshainer“ stammen, bleibt dem Autor schleierhaft. Als Zusatzzahlen in der Kiezlotterie bleiben Mitte und der Wedding. Mitte ist der Lieblingsort sämtlicher Touris mit Clubs, Restaurants und Sehenswürdigkeiten, wie den Hackeschen Höfen, außerdem haben hier unzählige Büros und Werbeagenturen ihren Sitz. Entsprechend ist das Preis- und Schnöselniveau, mein Tipp: Zum Weggehen gerne, als Wohnort never ever! Anders schaut die Sache im proletarisch geprägten Wedding aus. Teile des einst nie in Frage kommenden Stadtteils, bevorzugt an der Grenze zum Prenzlauer Berg, gelten inzwischen als Rückzugsgebiet für alle, denen „real life“ wichtiger ist als Szenegedönse. Das Klima ist etwas rauer, die Autos bevorzugt tiefer und breiter, dafür kennt einen der türkische Gemüsehändler um die Ecke nach drei Tagen mit Namen und die Stadtteilgang hilft bei nächtlichem Ärger, wenn man ein „korrekter Typ“ ist. Drei Dinge, die man in Berlin nie tun sollte: Eins vorweg, egal, wie kurz du in der Stadt lebst, bald schon wirst du viel Besuch bekommen. Alle Ex-Freund(e)innen, Verwandte oder fernere Bekannte werden bei den Stichworten „Berlin“ und „Studium“ davon ausgehen, dass du a) immer ein Zimmer für sie frei hast und b) natürlich permanent den Stadtführer spielst. Deshalb hier gleich ein paar besserwisserische Tipps, welche Tourifallen du deinem Besuch ersparen solltest. Der Fernsehturm und sein Westpendant, der Funkturm, können zu horrenden Preisen als Aussichtsplattform genutzt werden, dabei gibt es in Berlin zahlreiche öffentlich zugängliche, hohe Bauten, die gratis einen Panoramablick über die Stadt bieten. Es soll Menschen geben, die Disneyland lieben, mit denen solltest du auf jeden Fall zum Checkpoint Charly gehen. Alle, die sich ernsthafter mit der Geschichte des geteilten Berlins beschäftigen wollen, werden das Mauermuseum an der Bernauer Straße bevorzugen. Unvermeidlich ist leider oft der obligatorische Besuch der gelackten Hackeschen Höfe, Shoppingtour inklusive. Wenn man es schafft, die Gäste auch durch das Haus Schwarzenberg und die Karl-Marx-Allee zu lotsen, hat man zumindest ein realistisches Bild der Stadt vermittelt. Man muss kein Schauspielliebhaber sein, um dem Kulturangebot der Stadt zu erliegen. Progressiv und mit einem kritischen Blick auf den Zeitgeist begleitet das Ensemble der Volksbühne Politik und gesellschaftliche Veränderungen. Auch wenn manchmal die Geschmacksnerven auf eine harte Probe gestellt werden, lohnt sich eine Inszenierung von Christoph Schlingensief immer. Wer Brecht liebt, kommt natürlich am Berliner Ensemble nicht vorbei. Hier inszenierte der große Literat und auch heute noch weht sein Geist durch das Haus am Schiffbauerdamm. Als Klassiker empfiehlt sich zudem das Deutsche Theater, zwar sind die Inszenierungen hier von deutlich konservativerem Charakter, dafür bleiben die Stücke werkgetreu am Original. Sowohl die Besetzung als auch Regie und Bühnenbild gehören wirklich zur Theateroberklasse. Egal, was gegeben wird, einen echten Reinfall erlebt man hier nie. Drei Clubs, die man sich geben sollte: Im Roten Salon der Volksbühne finden sich regelmäßig DJ’s der Spitzenklasse ein und sorgen dafür, dass besonders am Wochenende Schlangestehen angesagt ist. Die samtig rote Wandverkleidung in Kombination mit schweren Kronleuchtern gibt den Abenden in der Volksbühne eine besondere Note. Das Publikum ist bunt gemischt, es dominiert zumeist die Alterslage zwischen Ende zwanzig und Mitte dreißig. Leider sind die Getränkepreise nicht ohne. Das Knaack ist eine Institution, denn die Disko in den ehemaligen Räumen eines Schlachthauses existiert schon über 40 Jahre. Drei Floors und eine Lounge sorgen für Abwechslung von Alternative über Schlager und Diskoklassiker bis hin zu aktueller Chartmusik. Wer selbst aktiv werden möchte, kann Karaoke singen. Auch als Veranstaltungsort für Konzerte hat das Knaak einen guten Ruf. Das Publikum ist jung, zumeist zwischen 18 und 24, die Getränkepreise sind zivil. Musik der härteren Gangart ist im SO 36 zu Hause, hier finden zuhauf Punkkonzerte statt und viele bekannte Bands gaben und geben hier legendäre Gigs. Am Wochenende finden wechselnde Partys statt, meist ist der Laden gut bis sehr gut besucht. Das Publikum ist angenehm, unkompliziert und bevorzugt bunte Haare ebenso wie Metall an möglichen und vielleicht auch unmöglichen Körperstellen. Ein Blick ins SO 36 lohnt sich immer. So, am Ende dieser Zeilen seid ihr schon fast Einheimische, zumindest Freunden von außerhalb könnt ihr jetzt berichten, was nervt, wo man wohnt und welche Clubs „so gehen“. Aber Vorsicht beim Prahlen und rumflirten vor anderen Ersties, könnte ja passieren, dass das Gegenüber auch das werkblatt gelesen hat... [Dirk M. Oberländer] Berlin for Beginners 7 444 Minuten* mit Detlev Gutberlet Der Sommer ist leider vorbei und der Herbst macht sich breit. Es ist noch dunkel, als ich mich auf den Weg in die Mensa an der Technischen Fachhochschule im Wedding mache. Ich bin mit Detlev Gutberlet verabredet, der die Mensa seit 14 Jahren leitet. Jeden Morgen um 5.45 Uhr beginnt seine Schicht in der Mensa des Studentenwerks. Obwohl es mir schwer fällt, so früh aufzustehen, will ich pünktlich sein! „Ich habe schon acht Kilometer auf dem Fahrrad hinter mir“, sagt Detlev Gutberlet lachend, als er mich begrüßt. Schlank, drahtig, sportlich trainiert kommt er daher. Und entspricht damit überhaupt nicht dem Klischee eines Kochs. Diesen Stil beweist er auch in seiner Mensa. Zügig schreitet Detlev Gutberlet durch die Räume und schließt die wichtigsten Türen auf. Zwischendurch wird eine große Kanne Tee gekocht. „Die brauche ich dringend, um den Tag zu überstehen“, gesteht er. Es ist wohl sein Hauptnahrungsmittel für den Tag. Das Telefon klingelt. Eine Krankmeldung. Gutberlet muss die Arbeitseinteilung seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Tag ändern, alle Positionen müssen besetzt sein, um die vorgesehenen Gerichte produzieren zu können. Der Arbeitstag beginnt, allmählich füllen sich die Küchenräume. In der Mensa sind 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig, drei Auszubildende werden auf den Beruf als Koch bzw. Köchin vorbereitet. Alles ist geregelt, die alltägliche Routine beginnt. Jeden Tag um 6.15 Uhr hat Gutberlet Einsatzbesprechung mit den Köchinnen und Köchen. Der Tagesablauf wird noch einmal kurz besprochen, es wird festgelegt, wer heute welche Komponenten und Beilagen für das Mittagessen kochen wird. Kurze sachliche Anweisungen, nach 15 Minuten strömen die Kolleginnen und Kollegen an ihre Arbeitsplätze. Heute stehen frische Gnocchi, paniertes Seelachsfilet und Schweinekotelettrippchen frisch aus dem Ofen auf dem Speiseplan. Für die „Süßschnäbel“ gibt es Apfelmilchreis mit Zucker und Zimt. Ein breites Angebot! Während in der Küche emsiges Treiben beginnt, nutzt Gutberlet die Zeit, um den Speiseplan für die nächsten Wochen zu schreiben. Änderungen, die sich aus den aktuellen 8 444 Minuten Lieferungen ergeben, werden gleich eingearbeitet. Die benötigten Zutaten, keinesfalls in haushaltsüblichen Mengen, werden auch gleich bei den Lieferanten bestellt. Detlev Gutberlet kennt sein Geschäft, alles geht zügig und flott voran, für ihn Routine. Ebenso ist es Routine, von Zeit zu Zeit den Fortgang der Arbeiten in der Küche zu kontrollieren. Alles läuft, Gutberlet ist zufrieden. zur Reinigung in die Spülmaschine; vieles geht automatisch, einiges wird immer noch manuell erledigt. Essensrückstände werden von einer Küchenarbeiterin in eine „Futtertonne“ entsorgt, die Bestecke werden von einem Magneten vom Tablett „gesaugt“ und die Teller müssen in die Spülmaschine einsortiert werden. Die Geschirrrückgabe bereitet Gutberlet oft Kopfzerbrechen, mit Recht, wie sich später zeigen wird. Ein Küchenarbeiter kommt zu Herrn Gutberlet. Der Kollege ist aufgeregt, das Salatschneidegerät funktioniert nicht. Ohne diese Maschine ist es nicht möglich, die Mengen Salat zu produzieren, die für die täglich rund 2 500 Mensagäste notwendig sind: 35 Kilogramm Weißkohl, 30 Kilogramm Karotten, zehn Kilogramm Rettich, zehn Kilogramm Staudensellerie, 30 Bund Radieschen und 60 Kilogramm grüne Gurken werden verarbeitet, sie werden in Scheiben oder Stücke geschnitten oder geraspelt. Das dauert von Hand Stunden und ist deshalb arbeitstechnisch nicht machbar. Mit vereinter Kraft gelingt es schließlich, das Gerät wieder flott zu bekommen. Gutberlet ist erleichtert. „Wenn eine so wichtige Maschine ausfällt, hat man schlechte Karten“, sagt er gut gelaunt. Gegen 9 Uhr prüft Gutberlet die Spülmaschine. Sie ist so programmiert, dass sie mit der Mensaöffnung voll einsatzbereit ist. Allein zum Erwärmen benötigt sie eine Stunde. Die Geschirrrückgabe bereitet Gutberlet oft Kopfzerbrechen, mit Recht, wie sich später zeigen wird. Die Tabletts mit dem benutzten Geschirr und den Bestecken müssen zügig Leider nehmen nicht alle Gäste die Bestecke und die benutzten Papierservietten vom Teller, oft ist manuelle Nacharbeit erforderlich. „Die Schilder sind doch nun schon riesig“, beklagt sich Gutberlet. Um 11 Uhr stürmen die ersten Gäste die Mensa, hauptsächlich Studierende und Beschäftigte der Technischen Fachhochschule Berlin. Die Mehrzahl von ihnen ist mit dem Angebot sehr zufrieden, denn die Zahl der Gäste ist stabil; trotz Konkurrenz im angrenzenden Wohngebiet. Ich habe mich für die Gnocchi aus der Pfanne entschieden. Es schmeckt mir gut, eine leckere Zusammenstellung mit Lauchstreifen, goldgelben Zwiebeln, frischen Tomatenwürfeln, geriebenem Käse und Ruccola. Das Pfannengericht ist ein Aktionsangebot in dieser Mensa, die knapp drei Euro sind völlig gerechtfertigt. Zum Dessert gibt es leckere Pflaumen mit Zimtsauce. Vor dem Besuch hatte ich recherchiert und erfahren, dass das Team um Detlev Gutberlet beim jährlichen Mensa-Ranking der Zeitschrift UNICUM von den Gästen der Mensa bereits zweimal in die Top-Ten der deutschen Mensen gewählt wurde. Anerkennung für erbrachte Leistungen? „Verpflichtung pur“, meint Gutberlet. Gegen 12.15 Uhr gibt es den gefürchteten Crash in der Spülmaschine: Das Transportband für die Tabletts bleibt stehen, weil mal wieder ein Tablett schräg auf das Band gestellt wurde und es sich im Tunnel zur Spülmaschine verhakt hat. Glück im Unglück. Diese Situation kommt ab und an vor, eine Lösung ist sofort parat. Tablettwagen werden bereitgestellt, auf denen die Gäste die Tabletts abstellen können. Diese Ausweichmöglichkeit ist auch dringend notwendig, denn innerhalb von Minuten türmen sich die Tabletts mit benutztem Geschirr zu einem großen Berg... Endlich läuft das Band wieder, jetzt kann Gutberlet erst einmal aufatmen. Eine weitere Schreckensmeldung kommt aus der Küche: Die Dampferzeugung ist zusammengebrochen. „Ohne Dampf geht gar nichts“, klärt mich Detlev Gutberlet auf. Die Hälfte der Kochgeräte wird mit Dampf betrieben. Besonders Kartoffeln und Gemüse werden „just in time“ gekocht, schließlich sollen den Gästen immer frische Speisen angeboten werden. Besonders die Qualität von Gemüse und Kartoffeln leidet unter langen Warmhaltezeiten. Der Dampf kommt von der TFH, ein kurzer Anruf und „Gott-sei-Dank“, so Herr Gutberlet, nach fünf Minuten läuft alles wieder nach Plan. Gegen 14.00 Uhr sitze ich bei Detlev Gutberlet im Büro, die Teekanne ist fast leer, Gutberlets Arbeitstag ist auch beinahe geschafft. Ein kurzes Resümee: „Die Gäste waren zufrieden, keine Beschwerden! Was will ich mehr? Mal sehen, was mich morgen erwartet“. Den nächsten Tag werde ich wieder aus der Gastperspektive erleben. *444 Minuten sind das tägliche Arbeitssoll im Studentenwerk Berlin. [Ch. Gablenz] 444 Minuten 9 Das Studentenhaus am Steinplatz und das Studentenwerk Am Studentenhaus am Steinplatz, der „Alten TU-Mensa“, sind die Jahre nicht spurlos vorüber gegangen: Konzerte, Hochzeiten, Partys und Konferenzen in dichter Folge forderten ihren Tribut von der alten Bausubstanz. Eine Grunderneuerung war dringend erforderlich. Nun sind die letzten Baugerüste gefallen, Anlass für das werkblatt, einen Blick in die Geschichte des Gebäudes und auf die Vielfalt seiner Nutzung zu werfen. Studentische Wirtschaftshilfe Begonnen hat alles Anfang der 1920er Jahre: Als studentische Selbsthilfeorganisation wurde die„Studentische Wirtschaftshilfe Charlottenburg e.V.“, die Vorgängerorganisation des Studentenwerks Charlottenburg e.V., gegründet, die die Studierenden der Technischen Hochschule Charlottenburg, der heutigen Technischen Universität Berlin, betreute. Dunkle Vergangenheit Bereits Anfang der 1930er Jahre begannen die Planungen für ein Studentenhaus in Charlottenburg. Dem eigens dafür gegründeten Verein „Studentenhaus Charlottenburg e.V.“ wurde vom Preußischen Staat ein Grundstück zur Verfügung gestellt. Die Errichtung des Hauses selbst wurde von der „Studentenhaus GmbH“ allein aus Beiträgen der Studenten, Gewinnen der Wirtschaftsbetriebe und Erträgen aus der Anlage dieser Gelder finanziert. Die Eröffnung des Studentenhauses fand Ende 1936 statt. Hier wurde nicht nur eine für damalige Verhältnisse moderne Mensa, die „Taberna Academica“, betrieben, sondern es gab auch eine Wäscherei, eine Friseurstube, eine Erwerbsvermittlung und ein Wohnheim. Das heutige Wohnheim- und Verwaltungsgebäude wurde als „Kameradschaftshaus“ des Nationalsozialistischen Studentenbunds (NSSB) ganz im Sinne der faschistischen Ideologie genutzt. Fotos mit den SA-Studentenschaften, die vor dem Studentenhaus zum Appell antreten, zeugen aus dieser Zeit. Die deutschen Studentenwerke wurden im „Reichsstudentenwerk“ gleichgeschaltet. 10 Studentenhaus am Steinplatz Stadtverordnete im Studentenhaus am Steinplatz Das Studentenhaus am Steinplatz ist eng mit der Teilung Berlins verbunden. In der „Taberna Academica“ tagte am 6. September 1948 erstmals die Berliner Stadtverordnetenversammlung, nachdem sie am bisherigen Tagungsort, dem Neuen Stadthaus im sowjetischen Sektor Berlins, massiv gestört und in ihrer Arbeit gehindert wurde. Der gewählte Berliner Oberbürgermeister und spätere Regierende Bürgermeister Ernst Reuter hatte mit seiner Familie im Studentenhaus am Steinplatz eine kleine Wohnung gefunden. Bekannt wurde er durch seine berühmte Rede, die er am 9. September 1948 vor der Ruine des Reichstags hielt. Auf der bis dahin größten Freiheitskundgebung auf dem Platz der Republik appellierte er an „die Völker der Welt“, Berlin nicht den Kommunisten preiszugeben. Der Neubeginn Die im Studentenhaus vorhandenen Veranstaltungsräume, die heutige „Alte TU-Mensa“, die Mensen an der Technischen Fachhochschule und der Fachhochschule für Wirtschaft sowie verschiedene Cafeterien auf dem TU-Gelände wurden nach dem Krieg vom „Studentenwerk Charlottenburg e.V.“ bewirtschaftet. Dessen Aufgaben wuchsen mit den Jahren. Stipendien – damals noch nach dem „Honnefer Modell“ – wurden bewilligt und die Wohnheime Hardenbergstraße sowie Eichkamp und Siegmunds Hof wurden verwaltet. Eine Zimmervermittlung und Wohnungsverwaltung, eine eigene Studenten-Krankenversicherung, eine Kindertagesstätte an der Technischen Universität, eine Theaterkasse, eine psychologische Beratungsstelle und eine Rechtsberatung gehörten ebenfalls zu dieser Einrichtung. Unter einem Dach Schließlich wurde 1973 an traditioneller Stelle das Studentenwerk Berlin errichtet. Es entstand aus dem Studentenwerk Charlottenburg e.V. und dem Studentenwerk der Freien Universität e.V., das 1948 mit ähnlicher Aufgabenstellung gegründet worden war. Im Studentenhaus am Steinplatz, dem angeschlossenen Verwaltungs- und Wohnheimgebäude sowie in der in den 1960er Jahren neu errichteten TU-Mensa wurden die Service- und Dienstleistungseinrichtungen für die Berliner Studierenden weitgehend gebündelt. In Mensen und Cafeterien, den Studentenwohnheimen, im BAföG-Amt, in der Psychologischpsychotherapeutischen Beratungsstelle, in der sozialen Beratung und der Beratung für behinderte Studierende, in den Kindertagesstätten sowie in der Arbeitsvermittlung Heinzelmännchen sind über ganz Berlin verteilt derzeit knapp 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Dienste der Studierenden beschäftigt. Im Studentenhaus am Steinplatz selbst sind heute neben dem Großen Saal, in dem auch künftig Veranstaltungen verschiedener Art stattfinden, Teile der Verwaltung des Studentenwerks, die Studentische Darlehenskasse e.V. und eine Außenstelle der Arbeitsvermittlung Heinzelmännchen untergebracht. Eine „Berliner Gedenktafel“ erinnert seit Oktober 2005 an Ernst Reuter, den großen Berliner Bürgermeister, der nach dem Krieg einige Zeit im Studentenhaus am Steinplatz wohnte. [Irene Harder/stw – jm] Der gute Rat Neue Serie des werkblatts: Tipps und Hilfen für (fast) alle Lebenslagen Heute: Qual der Wahl? Die Studienwahl ist noch lange keine Berufsentscheidung. So manch ein Lehramtsstudent bekommt im Laufe seines Studiums Zweifel, ob er wirklich Lehrer werden will. Anderen Studierenden ist vollkommen unklar, was sie nach ihrem Studium beruflich machen wollen. Wie wichtig die Berufsfindung ist, zeigen die Erfahrungen von Beratern des Berliner Studentenwerks. Lehrerberuf als Dozentin in der Erwachsenenbildung nachgedacht. Im Lauf der Beratung stellte sich aber heraus, dass die Angst vor der damit verbundenen finanziellen Unsicherheit größer war als die andere Angst. Daraufhin nahm die Studentin an einer Prüfungsangst-gruppe der Beratungsstelle teil. Schließlich schaffte sie die Prüfung und begann ihr Referendariat. Ahnung, ist es Zeit, sich durch Internetrecherche, Zeitungslektüre oder persönliche Gespräche umfassend zu informieren. Dabei sollte er aber nicht auf jeden Ratgeber hören. „Bereits kleine Kinder stoßen mit ihren Berufswünschen auf Ablehnung“, so Uta Glaubitz. Und diese Ablehnung hemme später auch viele Erwachsene bei ihrer beruflichen Orientierung. „Psychische Probleme bei Studierenden tauchen häufig in so genannten Schwellensituationen auf, also etwa bei Studienbeginn, am Studienende oder beim bevorstehenden Berufseinstieg“, berichtet die Psychologin Sigi Oesterreich von der PsychologischPsychotherapeutischen Beratungsstelle des Berliner Studentenwerks. Manchmal stehe hinter Studienproblemen, wie etwa dem ständigen Aufschieben von Hausarbeiten, eine berufliche Orientierungslosigkeit. „Wenn sie zum Problem wird, haben Studierende oft nur ein diffuses Gefühl, dass etwas schief läuft. So gibt es Beispiele von Studierenden, die schon jahrelang alle Scheine für den Studienabschluss haben, aber sich dennoch nicht zur Prüfung anmelden“, betont Sigi Oesterreich. Dabei spielen auch Faktoren wie eine bevorstehende Arbeitslosigkeit oder der Verlust des schützenden Rahmens der Uni eine wichtige Rolle. Auch die Berufsfindungsberaterin und Buchautorin Uta Glaubitz unterstreicht die Bedeutung einer rechtzeitigen beruflichen Orientierung. „Viele Studierende denken immer erst an die nächste Hausarbeit, den nächsten Schein. Der Gedanke, wofür sie das Studium nutzen wollen, steht dagegen gerade bei Geisteswissenschaften viel seltener im Blickpunkt.“ Aber genau diese Gedanken sind von großer Bedeutung. Denn je eher sich Studierende mit der Berufsfindung auseinandersetzen, desto eher können sie das Studium gezielt für die spätere Berufstätigkeit nutzen. „Wenn jemand später gerne in der Musiktherapie arbeiten möchte, kann er die Gelegenheit nutzen und zum Beispiel seine Abschlussarbeit über dieses Thema schreiben. Das ist in diesem Falle vielleicht sinnvoller, als sich auf die frühen Stücke von Johann Sebastian Bach zu spezialisieren.“ Tipps von Uta Glaubitz rund um die Berufswahl - Die eigenen Interessen und Motivationen in den Blick nehmen. Was macht mir wirklich Spaß? Wobei vergesse ich die Zeit? Wofür stehe ich freiwillig morgens früh auf? - Sich Informationen beschaffen. Lesen Sie Zeitung, schauen Sie Fernsehen, recherchieren Sie im Internet, reden Sie mit Leuten, die in den anvisierten Bereichen erfolgreich tätig sind. - Nicht auf alle Ratschläge hören. Zum Beispiel Ratschläge von Leuten, die selbst frustriert sind, von Eltern und Verwandten, die ihre eigenen Wünsche verwirklicht sehen wollen oder von Ja-Aber-Freunden. Das sind die Freunde, die immer ganz genau erklären können, warum dies oder jenes nicht funktionieren wird. „Es ist deshalb sinnvoll, sich frühzeitig Klarheit über die beruflichen Möglichkeiten zu verschaffen“, so die Diplom-Psychologin. Bei Problemen sollten Studierende sich nicht scheuen, die Beratungsstelle aufzusuchen. Wie aufschlussreich so eine Beratung sein kann, schildert Sigi Oesterreich am Beispiel einer Studentin, die auf Lehramt studierte. Sie entwickelte im Studium eine Autoritätsund Prüfungsangst, so dass ein erfolgreicher Berufseintritt immer schwieriger erschien. Während der Beratung bei der PsychologischPsychotherapeutischen Beratungsstelle wurde dann auch über eine Alternative zum Allerdings verschieben viele Studierende immer wieder die Auseinandersetzung mit dem eigenen Berufswunsch. „Wer darauf wartet, dass der richtige Tag irgendwann in der Zukunft kommt, liegt falsch“, betont Uta Glaubitz. „Der richtige Zeitpunkt für die eigene Berufsfindung ist immer jetzt.“ Uta Glaubitz empfiehlt, sich unabhängig von der Studienrichtung zu fragen: Was mache ich gern? Was ist mir wichtig? Was motiviert mich wirklich? Studenten sollten Ideen sammeln und sich umschauen, welche Leute interessante Jobs haben. Uta Glaubitz: „Aus solchen Anhaltspunkten lassen sich Berufsbilder ableiten.“ Hat der Studierende dann eine erste Literaturtipp: Uta Glaubitz: Der Job, der zu mir passt, Das eigene Berufsziel entdecken und erreichen, Campus Verlag, 4. vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage 2003, Frankfurt/New York, 15,90 Euro. Psychologisch-Psychotherapeutischen Beratungsstellen des Studentenwerks Berlin Hardenbergstraße 34, 10623 Berlin, Tel.: 31 12-490 und Franz-Mehring-Platz 2, 10234 Berlin, Tel.: 29 302-271 Sprechzeiten: Mo – Do 09.00 – 16.30 Uhr Fr 09.00 – 15.00 Uhr. E-Mail: beratung@studentenwerk-berlin.de [Anja Schreiber] Der gute Rat 11 Dirk von Lowtzow steht dem werkblatt Rede und Antwort. Fast drei Jahre hörte man wenig von der Hamburger Band Tocotronic, weil sich Sänger und Gitarrist Dirk von Lowtzow, Bassist Jan Müller und der Schlagzeuger Arne Zank allerlei Soloprojekten widmeten. In diesem Frühjahr präsentierte die inzwischen auf vier Mitglieder angewachsene Band nun ein neues Album mit dem vielschichtigen Titel „Pure Vernunft darf niemals siegen“. Der Ex-Aushilfskeyboarder Rick McPhail ist nunmehr offizielles Bandmitglied und bedient die zweite Gitarre. Die Platte zementiert mit ihrem opulenten, sehr sauber eingespielten dichten Gitarrensound und den bildreichen Texten die endgültige Abkehr vom Drei-Akkord Schrammelsound früher Tage. Nach einigen Festivalauftritten im Sommer dürfen wir uns im Herbst auf Clubkonzerte freuen. Die neuen Songs arbeiten mit opulenten Bildern und mystischen, vielleicht gar biblischen Motiven. Sie entziehen sich der Interpretation, wie kam es dazu? Das „Biblische” würde ich fast als überinterpretiert abtun. Es gibt eine Idee auf der Platte, das ist die Idee des Spirituellen. Aber das muss nicht unbedingt christlicher Natur sein. Wir finden es, glaube ich, ganz schön, wenn Texte mit Bildern arbeiten und Bilder hervorrufen. Es ist ja an sich schon fast ein bisschen widersprüchlich, dass Texte viel mit Bildern arbeiten. Wenn Texte Bilder sind, dann passt das ganz gut zur Rockmusik. So haben sich unsere Texte einfach in den letzten fünf, sechs Jahren verändert. Wie entsteht so ein Text? Woher kommen die Motivideen? Das entsteht meistens sehr, sehr schnell. Ich bin eigentlich sehr, sehr faul und mache nichts. Ich bin nicht so jemand, der jeden Tag irgendwie an Texten arbeitet und in sein Notizbüchlein irgendetwas rein schreibt oder fleißig rumbastelt, sondern 90 % dieser Textarbeit entsteht dadurch, dass ich überhaupt nichts 12 Tocotronic im Interview mache und sich Dinge ansammeln. Meistens gibt es eben einen Moment, wo dann alles ganz klar vor einem steht und wo man das nur noch aufzuschreiben braucht. Ab diesem Moment führt der Text aber auch ein Eigenleben, man kann ihn fast gar nicht mehr beeinflussen. Das fließt dann so aus einem heraus. So würde ich das am ehesten charakterisieren. Es ist allerdings auch ziemlich schwierig, so einen Vorgang zu beschreiben. Ich bin dann auch meistens selber ziemlich überrascht. Ich glaube auch, dass bei solcher Art von Texten die Interpretation die falsche Herangehensweise ist. Es ist eben nicht so, dass da etwas gemeint wurde und das wurde dann irgendwie verrätselt ausgedrückt. Ich glaube, dass das falsch ist, dahinter irgendeine verborgene Bedeutung zu sehen. Die Texte stehen genauso da, wie das, was da steht und das, was darin lebt und wuchert, ist die Sprache. Es ist alles überhaupt nicht schwierig und wenn man es nicht versteht, dann versteht man es eben nicht. Es gibt ja viele Sachen, die sind ja gerade deshalb gut, weil man sie nicht versteht. Es geht in vielen Liedern darum, ob Dinge scheitern oder nicht. Vieles steht auf der Kippe. Wie wichtig ist das Scheitern? Also, dieses „auf der Kippe stehen” oder „auf dünnem Eis gehen” oder „kurz vorm Umkippen sein” ist tatsächlich ein Gefühl, das uns wahnsinnig wichtig ist. Erstens, weil wir festgestellt haben, dass wir extrem davon geprägt sind. Also auch von der Angst vorm Scheitern und dann, dass es tatsächlich ja auch passiert. Man macht ja viele Sachen oder hat schon viele Sachen gemacht, die kann man nur als totalen Bockmist bezeichnen oder als künstlerische Fehlentscheidung. Das ist ja aber enorm wichtig, weil einen das ja unsicher macht und unselbstbewusst. Wenn man unsicher und unselbstbewusst ist, ist das tatsächlich die beste Voraussetzung, dass das, was man macht, halbwegs gelingt. Selbstbewusst und total selbstsicher daher kommen, zumindest in der Kunst oder bei der Musik, empfinden wir eigentlich als total unerträglich. Deshalb finde ich es schon interessant, wenn das Moment des Scheiterns mit in die Musik eingeschrieben ist oder mit in so ein Projekt wie eine Band. Ich finde das interessant, dieses „immer auf der Kippe sein”. Das Album entstand in nur neun Tagen. War das Absicht, nachdem ihr beim letzten Mal ja sehr lange im Studio wart? Ja, es war uns ganz klar und ganz bewusst, dass wir so was wie bei dem letzten Album nicht noch mal wiederholen wollen. Es war zwar extrem motivierend und eine gute Zeit. Man hat wahnsinnig viel gelernt und wir sind auch immer noch mit dem Album sehr zufrieden. Man muss das mal gemacht haben, aber wir haben doch festgestellt, eigentlich ist dieses sehr lange „rumbasteln”, so wie du sagst, nicht so ganz unsere Arbeitsweise. Außerdem dividiert einen das als Band eben sehr stark auseinander. Gerade jetzt, wo wir zu viert waren, dachten wir, wir wollen eigentlich ein Album machen, was wirklich genau diesen Bandsound, den wir haben, abbildet. Ohne so einen Authentizitätsanspruch zu haben. Wo man aber sagt: So wie wir jetzt klingen, so soll eigentlich auch das Album klingen. Dann sind wir mit Moses Schneider zusammen getroffen, der das Album auch produziert hat, und das war auch genau seine Idee, das Album so roh wie möglich aufzunehmen. Uns hat das wiederum gefallen, weil es tatsächlich genau das Gegenteil ist von dem, was wir beim letzten Mal gemacht haben. Bei so viel Opulenz, gibt es da einen bandinternen Größenwahn? Das ist eine gute Frage. Da muss ich kurz nachdenken… Ich glaube, als Prinzip finden wir das ziemlich gut, Sachen, die in Richtung Größenwahn gehen. Ich mag viele Dinge, die so größenwahnsinnig daher kommen. Praktisch ist es aber so, dass wir viel zu wenig „Berlin ist ranzig, der Humor der Einheimischen oft schwer zu ertragen und Studentenjobs sind völlig unterbezahlt, aber es gibt keine Stadt in Deutschland, in der ich lieber leben würde.“ Diese nette Zitat pflegt ein Freund vom mir immer dann von sich zu geben, wenn er gefragt wird, wie seine inzwischen gar nicht mehr so neue Heimat eigentlich sei. Ganz herzliche Grüße an dieser Stelle, liebe Erstsemester/innen, willkommen an der Spree! Doch Berlin ist längst mehr, als morbider Charme und überfüllte Hörsäle ahnen lassen. In wohl kaum einer Stadt trifft man so viele unterschiedliche und kreative Menschen, Wohnraum ist günstig und das Kultur- und Konzertangebot ungeschlagen, meist sind sogar die Eintrittspreise zivil. Ihr ahnt, was jetzt kommt und habt natürlich Recht: unsere Veranstaltungstipps für die nächsten vier Wochen. Natürlich wie immer völlig subjektiv ausgewählt. selbstbewusst sind, um so größenwahnsinnig zu sein. Wir sind von unserer Persönlichkeitsstruktur eher bescheiden und, es mag seltsam klingen, eher schüchtern oder unsicher. Am Besten finde ich eigentlich so eine Mischung aus beidem. So ganz unsicher sein und ganz auf dünnem Eis und zitterig, aber trotzdem total wahnsinnig. Hast du vielleicht ein persönliches Beispiel für positiven Größenwahn? Da fällt mir jetzt nichts zu ein. Das letzte Mal, dass mir so etwas begegnet ist, war zur Hochzeit von Patrick Wagners „größer-als-GottPhase“. Wo ich dachte, das finde ich gut, aber das hat sich mittlerweile auch wieder ein bisschen gelegt. Eine letzte Frage noch zum Albumtitel: Beim letzten Mal hieß es noch so plakativ „Tocotronic” und jetzt hat es wieder ein Song auf aufs Cover geschafft. War das eine bewusste Entscheidung? Ja, es sind ja immer alle Entscheidungen absichtlich. Also, auch beim letzten Mal hatten wir einfach gedacht, wir wollen immer, dass der Titel der Platte auch ein Stück der Platte ist. Es gab bei der letzten Platte aber eben kein Stück, von dem wir dachten, dass es die Platte gut repräsentiert. Beim aktuellen Album war klar, „Pure Vernunft darf niemals siegen“ ist als Titel so stark und passt auch so zu der gesamten Platte, zu der ganzen etwas verzauberten Atmosphäre des Albums, dass uns ganz klar war, das muss der Titel sein. Es ist ja auch schön, wenn so etwas passiert. [Interview: Dirk M. Oberländer] Er ist eine Klasse für sich, dort, wo andere mit dem verbalen Holzhammer arbeiten, pflegt er linguistische Spitzfindigkeiten der intelligenten Art. Die Rede ist vom Satiriker und Literaten Wiglaf Droste. Seine Glossen erscheinen auf der Wahrheitsseite der „taz“ ebenso, wie in der Satirezeitung „Titanic“ oder vertont als Kritisches Tagebuch im WDRHörfunk. Viele neue Gemeinheiten präsentiert er am 22.10. um 20 Uhr im Postbahnhof. Der viel versprechende Titel der Lesung lautet: „Das Westfalien Alien“. Unterstützt wird der Wortakrobat dabei musikalisch von der Chansonnette Barbara Cuesta, die nachdenklich poetische Texte zu akustischer Gitarrenmusik präsentiert. Natürlich nicht ohne eine große Portion Augenzwinkern. Der Eintritt kostet knapp 13 Euro. Postbahnhof am Ostbahnhof, Straße der Pariser Kommune 3, 10243 Berlin www.postbahnhof.de Sehr lange Zeit gelassen haben sich die Indierock-Legenden vom Teenage Fanclub, denn satte vier Jahre liegen zwischen ihrer letzten Release und dem brandneuen Album „Man-Made“. Jetzt kann die schottische Band beweisen, dass sie nichts von ihren LiveQualitäten verloren hat. Wer Norman Blake, Gerard Love, Raymond McGinley und Brendan O‘Hara noch nicht in Concert erlebt hat, sollte sich dieses Vergnügen nicht entgehen lassen. Zumal die Band immer wieder in einem Atemzug mit den großen B’s genannt wird: Beatles, Beachboys und The Byrds. Perfekte Singer/Songwriter-Musik von erwachsenen Menschen, die nicht gecastet sind und ihre Instrumente wirklich beherrschen, erwartet uns am 28.10. ab 20 Uhr im Postbahnhof. Der perfekte Termin für einen netten Abend zu zweit. Die Tickets kosten rund 21 Euro. Postbahnhof am Ostbahnhof, Straße der Pariser Kommune 3, 10243 Berlin www.postbahnhof.de Eine Soap der ganz besonderen Art kann man alle 14 Tage im Prime Time Theater genießen. Seit vergangenem Jahr werden dort laufend neue Folgen der Serie Gutes Wedding – schlechtes Wedding gegeben. Natürlich ziehen die Schauspieler alles durch den Kakao, was den Charme des Kiezes ausmacht: deutsch – türkische Dönerkultur, den netten Proll von der Ecke, die gelackten „Prenzlwichser“ aus der Nachbarschaft und den trotteligen Polizeibeamten. Inzwischen läuft die 5. Staffel der Soap, vor jeder neuen Episode sehen die Zuschauer eine kolossale Zusammenfassung der bisherigen Folgen. Ein ganz großer Tipp für alle, die im (vermeintlichen) Szenebezirk wohnen oder mit dem Gedanken an einen Umzug spielen. Am 4.11. um 20:15 Uhr feiert die 34. Folge mit dem schönen Titel „Guck mal wer da fehlt“ Premiere. Karten gibt es ab 5 Euro. Prime Time Theater, Osloer Straße 16, 13359 Berlin, www.primetimetheater.de Musikfans kennen das Phänomen, wenn ein Künstler mit dem ersten Album zu schnellem Erfolg kommt und dann mit dem zweiten Longplayer der Absturz in die Bedeutungslosigkeit droht, weil der Druck, sich neu zu erfinden oder eben genau so zu bleiben, zu groß ist. Eine Erfahrung, die Natalie Imbruglia hinter sich hat, nachdem sie mit dem Song „Torn“ (1998) im Alter von 23 weltberühmt wurde. Nach vierjähriger Tonträgerabstinenz präsentiert sie nun ihr neues, viertes Album „Counting down the days“. Die Platte enthält vor allem MidTempo-Tracks, die mit Klavier und Streichern arrangiert sind und so die Stimme der Australierin unterstreichen. Wie sich Natalie Live anhört, kann man am 13.11. ab 20 Uhr in der Columbia Halle erleben. Übrigens, Jungs, die Frau ist leider vergeben und mit dem Musiker Daniel Johns von Silverchair verheiratet, also weiter schmachten. Ach ja, Tickets kosten schlappe 35 Euro. Columbia Halle, Columbiadamm 13-21, 10965 Berlin, www.columbiahalle.de [Dirk M. Oberländer] 14 Kultur-Tipps Kulturtipps 13 Was wir schon immer über ungewöhnlichen Uni-Sport wissen wollten Kaum hat das Wintersemester begonnen, überfällt uns auch schon der Herbst mit seinen trüben Tagen. Dunkelheit und nasskalter Regen empfängt einen, sobald man sein letztes Seminar verlassen hat. Selbst große Bücherliebhaber sehnen sich dann nach Bewegung und Gesellschaft. Wie schön, dass die Hochschule ein Ort der Kommunikation ist und traditionell natürlich auch sportlicher Bewegung offen gegenüber steht. Hier findet der Drang nach körperlicher Aktivität seinen Ausgleich und man munkelt, dass auch manch einsames Herz dort sein/e Liebste/n gefunden haben soll. Doch das nur am Rande, denn neben allerlei Konventionellem finden sich auch wahrhaft exotische Perlen im Hochschulsportangebot von FU, HU und TU. Wir haben uns einige vorgenommen. Freundinnen und Freunde lässiger BuggyHosen und härteren Sprechgesangs können sich zukünftig beim Hip Hop Workshop austoben. Womit eindeutig bewiesen wäre, dass die einstige Straßenmusik längst Einzug in die Wohnzimmer saturierter Mittelstandsfamilien gefunden hat. Ein Stück Popkultur im Sportprogramm, möchte man meinen. Während mancher jetzt vielleicht an dunkle Brücken, Sprayer, Rapper und links-alternative Jugendzentren denkt, stellt das Kursprogramm den pop-intellektuellen Zusammenhang her: „Hip Hop ist ein choreographisch aufgebautes mitreißendes tänzerisches Bewegungsprogramm auf Funk und Hip Hop Musik. Im Vordergrund stehen Spaß, Schwung und Freude.“ Wir sind jedenfalls gespannt, ob demnächst massig Kommilitonen auf den Tanzflächen der Clubs für Furore sorgen – What’s up man? Wer jetzt den Niedergang akademischer Tugenden anprangert und sich daheim lieber mit einer guten Flasche 75er Bordeaux und Zigarre den Abend versüßen möchte, sei beruhigt – es gibt sie noch, die nützlichen Klassiker im Hochschulsport. Denn bei welcher Sportart kann man galanter Kontakte knüpfen, gewinnbringende Gespräche führen und eleganter wirken als beim Golf? Natürlich dauert es seine Zeit, bis der Abschlag wirklich professionell aussieht und der fiese, kleine, weiße Ball nicht ständig in Bunkern oder Wasserhindernissen landet. Schön auch, dass man sich nunmehr nie wieder über Konflikt beladene Themen wie das Wetter oder die Politik unterhalten muss. 14 Alles über Unisport Das eigene Handicap, Schlägerwahl und Techniken bieten Gesprächsstoff für nette Abende im Clubheim und endlich hat man einen Grund, sich gediegene Freizeitkleidung zuzulegen. Überfüllte Hörsäle, Anmeldepflichten für Seminare, deren Scheine man unbedingt braucht oder ein Mensaplan, bei dem alle Gerichte so lecker sind, dass man sich nicht entscheiden kann, es gibt Tage, da könnte man aus der Haut fahren. Gut, dass es auch für solche Anlässe passende Sportarten gibt und man beispielsweise in den Ring steigen kann. Damit der harte Schlagabtausch keine bleibenden Schäden hinterlässt, sind Boxhandschuhe und Mundschutz Pflicht. Vielleicht sind die Aggressionen aber auch bereits nach dem dazugehörigen Konditionstraining vorüber und bekanntlich geht’s beim gepflegten Sparringskampf ja nicht darum, den Gegner unqualifiziert auf die Zwölf zu geben, sondern technisch versiert möglichst nicht die Bretter von unten zu sehen. So gestählt lässt sich der triste Alltag bestimmt lässig ertragen, kleiner Tipp: Zur Vorbereitung alle Rocky-Filme aus der Videothek leihen. Natürlich finden auch Zeitgenossen, denen diese Art des Trainings dann doch zu sehr nach physischer Gewalt ausschaut, passende Alternativen. Gerade der geistig ambitionierte Jungakademiker neigt ja nicht unbedingt dazu, Wert auf die Anwesenheit in verschwitzten Turnhallen oder testosteronschwangeren Muckibuden zu legen. Da lässt sich ein entspannter Bridge-Abend doch viel besser an. Das Spiel mit den 52- Karten hat eine verdammt lange Tradition, die sich bis ins England des 16. Jahrhunderts zurückverfolgen lässt. Die heute überwiegend verbreitetete Spielweise des Kontrakt-Bridge führte übrigens der amerikanische Multimillionär Harold S. Vanderbilt Ende des 19. Jahrhunderts ein. Mit Glück hat das populäre Kartenspiel übrigens nichts zu tun, weil alle Spieler bei Turnieren das gleiche Blatt auf der Hand haben. Entscheidend sind Taktik und ein gutes Gedächtnis oder wie im es Sportprogramm der FU heißt: „Der Faktor Glück ist hier so gut wie eliminiert. Das Spiel ist spannend, anspruchsvoll, kommunikativ, international.“ Wo dabei genau die physischen Aspekte liegen, fragen wir uns allerdings schon. Aber vielleicht gesellen sich andere nette Kartenspiele wie Skat oder Poker ja demnächst auch dazu, Kategorie: Kneipen-Sport. Wer jetzt auch so richtig Lust bekommen hat, aktiv durch den Winter zu sporteln, sollte sich beeilen, traditionell sind die Kurse in der dunklen Jahreszeit schnell komplett ausgebucht. Berliner Hochschulsport im Web: Freie Universität: www.hs-sport.fu-berlin.de/ start Humboldt-Universität: www.zeh.hu-berlin.de Technische Universität: www.tu-berlin.de/ sport [Dirk M. Oberländer]