FWU – Schule und Unterricht
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42 02352 Industrialisierung im 19. Jahrhundert Seite 1 FWU – Schule und Unterricht VHS 42 02352 16 min, sw + Farbe Industrialisierung im 19. Jahrhundert Geschichte Epochen Neuere Geschichte 19. Jahrhundert Allgemeine und politische Geschichte Allgemeine deutsche Geschichte Einzelne Gebiete geschichtlichen Lebens Arbeit, Technik, Alltag, Verkehr, Wirtschaft Adressaten Sekundarbereich I (Schuljahr 8-9) Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Integrierte Gesamtschule Lernziele Bedeutung der Eisenbahn für die industrielle Entwicklung in Deutschland erkennen und problematisieren; Unterschiede zwischen vorindustriellen und industriellen Fertigungsprozessen erkennen; Standorte von Schwerindustrie, Maschinenbau und Textilindustrie in Deutschland um 1900 benennen; Kennzeichen der Fabrikarbeit und der Wohnverhältnisse als soziale Problemfelder in der Zeit der Industrialisierung erfassen. Vorkenntnisse Industrialisierung in England; Erfindung der Dampfmaschine Kurzbeschreibung Der Film thematisiert die Industrialisierung in Deutschland. Ausgehend vom Eisenbahnbau als entscheidendem Impuls, wird mit Hilfe von Realaufnahmen, Archivmaterial, Fotos, zeitgenössischen Dokumenten und Kartentrick die Situation in der Schwerindustrie, dem Maschinenbau und der Textilindustrie um 1890 vorgestellt und verglichen mit der vorindustriellen Produktion um 1820. Eingegangen wird auch auf Probleme der Fabrikarbeiter und die Wohnverhältnisse in deutschen Industriestädten um 1900. Zum Inhalt Als Einstieg werden Aufnahmen eines deutschen Industriereviers um 1890 Bildern von derselben Landschaft um 1820 gegenübergestellt. Innerhalb von zwei Generationen verändert sich ein agrarisch geprägter Raum in eine Fabriklandschaft. Werkhallen und rauchende Schornsteine, Eisenbahnlinien und Arbeiterwohnquartiere vermitteln einen guten Eindruck von der funktionalen Verflechtung eines Industriekomplexes. Entscheidende Impulse für die Veränderung in der Wirtschaft ergaben sich durch den Eisenbahnbau. Im Film wird der Frage nachgegangen „Wie veränderte diese Entwicklung das Leben der Menschen und der Wirtschaft?“ 1. Sequenz: Eisenbahnbau Der Film zeigt die „Saxonia“, die erste in Deutschland gebaute Dampflokomotive während einer Traditionsfahrt. Als erste Eisenbahnstrecke wurde 1835 die Linie Nürnberg-Fürth mit 6 km in Betrieb genommen (Darstellung an Bilddokumenten), ein richtungsweisendes Ereignis. Bald zeigte sich, dass die Eisenbahn im Vergleich zur Postkutsche erhebliche Vorteile bot: Verkürzung der Reisezeit und billiger Transport von Massengütern. Am Beispiel einer 1898 gebauten Meyer-Lok, die 1992 noch fahrplanmäßig den Dienst in Sachsen versieht, wird gezeigt, wie eine Dampfmaschine funktioniert. VHS © FWU Institut für Film und Bild 42 02352 Industrialisierung im 19. Jahrhundert Seite 2 2. Sequenz: Schwerindustrie Das Eisenbahnnetz in Deutschland wurde so schnell ausgebaut, dass das Streckennetz von mehr als 50 000 km (Kartentrick) um 1900 alle wichtigen Industriezentren zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum verbindet. Die Filmkamera begleitet die Lok von 1898 auf einer imaginären Fahrt durch Deutschland zu den Zentren neuer Industrien, die bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden sind. Bei der Fahrt durchquert die Meyer-Lok auch Gegenden, die von der Industrialisierung noch nicht berührt sind, und in denen die Produktionstechnik auf dem Stand von 1820 verblieben ist. Neben industriellen Verdichtungsräumen existierten in Deutschland um 1900 agrarisch geprägte Landschaften, die von der Industrialisierung noch nicht erreicht worden sind. Die Sequenz beginnt mit Aufnahmen von der vorindustriellen Eisenproduktion um 1820 (Aufnahmen in einem Freilichtmuseum). Holzkohlenmeiler, einfache Schmelzöfen und Eisenhämmer, die an Gewässer gebunden waren, werden vorgestellt und in ihrer Funktion kurz erläutert. Für die Industrialisierung wird Stahl zunehmend zu dem wichtigsten Werkstoff, insbesondere für den Eisenbahnbau (Produktion von Schienen, Brückenteilen, Lokomotiven). Auf der Karte des Eisenbahnnetzes (Trick) werden die wichtigsten Zentren der Eisen- und Stahlgewinnung eingeblendet. Entscheidend für ihre Entstehung wurde, dass aufgrund günstiger Transportkosten, das Erz zur Kohle geschafft wurde. Als Beispiel wird im Film das Ruhrgebiet, speziell die Krupphütte in Essen gezeigt, und auch der Einsatz der Dampfmaschine im Bergbau thematisiert (Museumsaufnahmen). Neue Hüttungsverfahren werden beschrieben. 3. Sequenz: Maschinenbau und Fabrikarbeit Die Fahrt der Meyer-Lok führt nach Berlin zur Lokomotivenfabrik Borsig. Anhand zeitgenössischer Fotos und Stiche werden die Veränderungen im Fertigungsprozess erläutert. Die wichtigsten Zentren des Maschinenbaus in Deutschland werden dargestellt (Trick), und der Film beschreibt die seit 1820 veränderten Arbeitsbedingungen. 4. Sequenz: Textilindustrie Die nächste Sequenz ist der Textilindustrie in Sachsen (Chemnitz) gewidmet. Ausgehend von Bildern der noch ländlich geprägten Landschaft um 1820, zeigt der Film die Arbeit am traditionellen Handwebstuhl und kontrastierend den mechanischen Webstuhl, der von einer Dampfmaschine angetrieben wird. In vergleichbarer Zeit wird um 1890 eine weitaus größere Stückzahl Tuch hergestellt, um die wachsende Nachfrage zu decken. Die wichtigsten Standorte der Textilindustrie werden in einer Karte gezeigt. Im letzten Teil dieser Sequenz geht der Film auf den Zustrom von Arbeitskräften in die neuen Industriezentren ein und beschreibt die Probleme, mit denen sich die Zuwanderer aus ländlichen Regionen konfrontiert sehen: monotone, gleichförmige Arbeit in der Fabrik und Leben in der Mietskaserne. Zusammenfassend zeigen einander gegenübergestellte Dokumentarfotos Landschaftsveränderungen vom Agrar- zum Industrieraum in Deutschland. Dem Eisenbahnbau wird abschließend noch einmal die Kernfunktion im Rahmen der Industrialisierung in Deutschland im 19. Jahrhundert zugemessen: um 1900 wurde Deutschland zur drittgrößten Industriemacht der Welt. Zur Verwendung Der Film greift einen der wichtigsten Impulse für die Industrialisierung im Deutschland des 19. Jahrhunderts auf. Der in die vier Abschnitte Eisenbahnbau, Schwerindustrie, VHS © FWU Institut für Film und Bild 42 02352 Industrialisierung im 19. Jahrhundert Seite 3 Maschinenbau und Textilindustrie gegliederte Film verfolgt einen strukturgeschichtlichen Ansatz, kombiniert mit der Kontrastierung der Situation um 1820 und 1890. Nach der Filmvorführung ist im vertiefenden Unterrichtsgespräch herauszuarbeiten, dass der Eisenbahnbau es ermöglichte, Massengüter und Menschen schneller und auch billiger zu transportieren und somit einen wirtschaftlichen Impuls für den Auf- und Ausbau der Schwerindustrie, des Maschinenbaus und der Textilindustrie gibt (Quellentext 1 und Quellentext 2). Die wirtschaftliche Bedeutung des Eisenbahnbaus lässt sich auch an dem Ausbau des Streckennetzes zeigen: 1835: 6 km 1845: 2 132 km 1860: 11 089 km 1880: 33 838 km 1900: 51 678 km Beim vertiefenden Unterrichtsgespräch ist auch einzugehen auf die kontrastierende Darstellung von vorindustriellem Handwerk und durch die Industrie geprägte Weiterentwicklung. Es empfiehlt sich, die Klasse in zwei Lerngruppen einzuteilen, und von einer Gruppe die Situation um 1820 und von der anderen die Situation um 1890 notieren zu lassen. Die Veränderungen sind im Unterrichtsgespräch zu erörtern. Zu bewerten sind auch die menschlichen Probleme, die mit der industriellen Entwicklung, insbesondere der Verstädterung, einhergehen (s. Text 3). Der Film bietet die Möglichkeit, neue Begriffe in ihrer Wertigkeit einzuführen und zu vertiefen: städtische Ballungsräume (Mietkasernen), arbeitsteilige Fertigung, Schichtarbeit zur besseren Ausnutzung der Produktionsmittel, Kinderarbeit als soziale Notwendigkeit der Existenzsicherung, Probleme der Binnenwanderung von Arbeitskräften, Verstädterungsprozesse. Ergänzende Materialien Quellentext 1 Die erste Strecke von 6 km, die am 7.12.1835 in Betrieb genommen wurde, war aber keineswegs unumstritten. In einem Gutachten des bayerischen Obermedizinalkollegiums von 1838 heißt es z.B.: „Die schnelle Bewegung muss bei den Reisenden unfehlbar eine Gehirnkrankheit....erzeugen. Wollen aber dennoch Reisende, dieser grässlichen Gefahr trotzen, so muss der Staat wenigstens die Zuschauer schützen...Es ist notwendig, die Bahnstelle auf beiden Seiten mit einem hohen Bretterzaun einzufassen.“ (nach: W. Treue u.a., Quellen zur Geschichte der Industriellen Revolution, Göttingen 1966, S. 84) Quellentext 2 Demgegenüber hatte der Eisen- und Maschinenfabrikant Friedrich Harkort bereits 1825 geschrieben: „Eine Maschine von acht Pferdekräften würde innerhalb drei Stunden 1000 Scheffel Kohlen von Steele nach dem Rheinhafen schaffen...Die sämtlichen Ruhrzechen erhielten durch die Eisenbahn den unschätzbaren Vorteil eines raschen, regelmäßigen Absatzes unter großen Frachtersparungen. Innerhalb zehn Stunden könnten 1000 Zentner von Duisburg nach Arnheim geschafft werden; die ... Schiffer liegen allein acht Tage in Ladung.“ (nach: G.D. Roth, Kurze Wirtschaftsgeschichte Mitteleuropas, München 1961, S. 156) Text 3 Das Wachstum von Industriestädten vollzog sich unter verschiedenen Bedingungen; einerseits waren alte Handelsstädte wie Dortmund, Köln und Leipzig Kristallisationspunkte, andererseits entwickelten sich besonders auch an Residenzstädten (Berlin, München, VHS © FWU Institut für Film und Bild 42 02352 Industrialisierung im 19. Jahrhundert Seite 4 Stuttgart, Hannover u.a.) Industrievororte. Dazu kommen viele Gründungen „auf der grünen Wiese“ die speziellen Standortbedingungen ihren Aufschwung verdanken, (besonders im Ruhrrevier und auch in Sachsen). Das Wachstum deutscher Großstädte (über 100 000 Einwohner nach dem Stand von 1910): 1875 1890 1910 Berlin 966 859 1 587 794 2 071 257 Wachstumsrate (%) 114,3 Chemnitz 78 209 138 954 287 807 268,0 Dortmund 57 742 89 663 214 226 271 Essen/Ruhr 54 790 78 706 294 654 437,8 Hannover 106 677 163 593 294 654 183,5 Leipzig 127 387 295 025 589 850 363,0 Literatur W. Treue u.a.: Quellen zur Geschichte der Industriellen Revolution, Göttingen 1966 H. Kiesewetter: Industrielle Revolution in Deutschland 1815-1914, Frankfurt/M. 1991 F.-W. Henning: Die Industrialisierung in Deutschland 1800-1914, Paderborn, 8. Aufl. 1993 Weitere Medien 32 03875 Der Aufstieg von Unternehmern in der Zeit der Industrialisierung. 16-mm-Film, Lichtton, f/sw, 20 min 32 03636 Das Grüne Brunnhaus. 16-mm-Film, Lichtton, f, 8 min 32 03756 Die Industrialisierung eines Eisenlandes: Das Siegerland. 16-mm-Film, Lichtton, f, 20 min 32 03759 Lebenserinnerungen von Arbeitern aus der Zeit der Industrialisierung. 16-mm-Film, Lichtton, f, 21 min 42 00890 Kinder unter Tage. Bergbau im Lahn-Dill-Gebiet. Videokassette, VHS, f, 15 min 10 02909 In der Fabrik. 12 Dias (10 sw/2 f) Herausgabe FWU Institut für Film und Bild 16-mm-Film (32 10204) 1992 VHS: Institut für Film und Bild, 1998 Produktion DEFA-Studio für Dokumentarfilme GmbH, Berlin/Babelsberg, im Auftrag des FWU Institut für Film und Bild, Geiselgasteig/München, 1992 Buch und Regie Axel Otten Kamera Steffen Sebastian VHS © FWU Institut für Film und Bild 42 02352 Industrialisierung im 19. Jahrhundert Seite 5 Trick Jürgen Brock Schnitt Karin Wudtke Ton Oliver Rieger Grafik Jürgen Brock Foto- und Drehgenehmigung Deutsches Bergbaumuseum, Bochum/Ruhrlandmuseum, Essen/Westfälisches Industriemuseum, Dortmund/Historisches Archiv der Friedrich Krupp AG, Essen Begleitkarte Dr. Reinhard Evers Fachberatung Prof. Dr. Harald Witthöft, Mitarbeit: Michael Metto Pädagogische Referentin im FWU Dr. Heidrun Baumann Titelbild FW (DEFA) © 1998 FWU Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht gemeinnützige GmbH Geiselgasteig Bavariafilmplatz 3 D-82031 Grünwald Telefon: (089) 6497 – 1 Telefax: (089) 6497 – 240 E-Mail: info@fwu.de Internet: http://www.fwu.de VHS © FWU Institut für Film und Bild