Dezember 2007 - Club Passage
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Dezember 2007 - Club Passage
CLUB PASSAGE PROGRAMMKINO Wunschfilme Kaum zu glauben, aber dennoch wahr - das zu Ende gehende Jahr wartet im Dezember mit einem Jubiläum auf: Im Dezember 1997 hieß es im Club Passage erstmalig „Wunschfilme gesucht!“. Unsere Besucher waren aufgerufen, ihre Favoriten zu wählen und die große Resonanz hatte zur Folge, dass wir jedes Jahr im Weihnachtsmonat eine Auswahl der meistgewünschten Lieblingsfilme, darunter nicht selten cineastische Kostbarkeiten, zeigen konnten. Nun also „Publikumswunschfilme – Die Zehnte“. Leander Haussmann („Sonnenallee“) adaptierte 2003 mit „Herr Lehmann“ (D), seinem zweiten Spielfilm, ein Stück Literatur. „Herr Lehmann“ ist ein Antiheld, wie er im Buch steht – nämlich in dem gleichnamigen Bestseller von Sven Regener. Der Autor schuf mit mit der Hauptfigur seines Romans eine Kult- und Identifikationsfigur für die „Generation Golf“, die zwischen Punk und Kohl aufwuchs. Das rote Büchlein des Sängers und Texters von „Element Of Crime“ wurde zum Liebling der Bewohner von Berlin-Kreuzberg (das Buch zur Szene…) und sogar Literatur-Papst Reich-Ranitzki soll schallend gelacht haben. Das Drehbuch für den Film schrieb Regener selbst: Es ist der Herbst des Jahres 1989 und im Westberliner Stadtteil Berlin-Kreuzberg SO36 geht alles seinen Gang. Herr Lehmann (Christian Ulmen), der eigentlich Frank heißt, aber wegen seines hohen Alters – immerhin wird er bald 30 – von niemandem so genannt wird, arbeitet in einer Kiez-Kaschemme. Das Publikum der Kreuzberger Kneipenszene besteht aus Biertrinkern, Philosophen, Lebensund anderen Künstlern, die nicht Teil einer Gesellschaft sein mögen, deren Regeln ihnen Unbehagen bereiten. Und so sitzt man nächtens Mulden in die Barhocker, weigert sich, erwachsen zu werden und verteidigt seine Parallelwelt gegen jede Form der Veränderung. Herrn Lehmanns bester Freund heißt Karl (Detlev Buck) und arbeitet gleichfalls in einer Kneipe. Daselbst lernt der Junggeselle Herr Lehmann die Liebe in Gestalt der Köchin Kathrin (Katja Danowski) kennen – und auch sonst dringen in sein gewohntes Leben Störungen ein, die zum Handeln zwingen. Ein aufdringlicher Hund, der Besuch der Eltern (die in dem Glauben leben, ihr Sohn sei Geschäftsführer eines Restaurants), die Schaffenskrise seines nebenher künstlerisch tätigen Freundes Karl sorgen für Unruhe – und dann ist am 9. November 1989 auch noch die Mauer offen. Aber auch Herr Lehmann kann sich nicht um alles kümmern, und so entgegnet er dem Kumpel, der meint, das müsse man sich wohl mal angucken, mit den Worten: „Erstmal austrinken“. Leander Haußmanns Tragikomödie wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Bayerischen Filmpreis. Der zweite Wunschfilm beschert uns ein Wiedersehen mit einem Schauspieler, der zu Lebzeiten als „enfant terrible“ des deutschen Films galt: Nikolaus Kinski, 1926 als Nikolaus Nakszynski in Zoppot (Polen) geboren. Kinski, der in äußerst ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, sammelte erste Schauspielerfahrungen an Wanderbühnen und im Kabarett. Besonders erfolgreich war er mit Rezitationsabenden zu Texten von Villon, Schiller, Dostojewski und Brecht. Während seiner Veranstaltungen beschimpfte er mit schöner Regelmäßigkeit sein Publikum, wobei es nicht selten zu regelrechten Tobsuchtsanfällen kam, die seine Auftritte mehr und mehr zu Happenings werden ließen und dem Schauspieler den wenig schmeichelhaften Beinamen „Adolf“ einbrachten. Auch bei Fernsehauftritten nutzte der die Attitüde des Bürgerschrecks kultivierende Künstler (ein Image, mit dem er in Interviews gern kokettierte: „Ich bin ein Tier, ich bin überhaupt kein Mensch. Das ist ein großer Irrtum, dass die Leute mich als Menschen behandeln.“) jede Gelegenheit, Skandale zu provozieren. In den 60er Jahren wurde Kinski einem großen Kinopublikum mit zwielichtig-psychopathischen Rollen in den beliebten Edgar-Wallace-Krimis bekannt; nach 2 seiner Übersiedlung nach Italien drehte er zahlreiche Western, Action- und Söldnerfilme. Kinskis schauspielerische Fähigkeiten erhielten ab 1972 einen anspruchsvollen Rahmen, als es zu einer Zusammenarbeit mit dem Münchner Regisseur Werner Herzog kam. Aus der Kooperation der beiden Exzentriker (ein „duo infernale“, dessen Rede- und sonstige Duelle jedes Set zum Kochen brachten) ergaben sich einige außergewöhnliche Filme, darunter „Woyzeck“, „Fitzcarraldo“ und „Cobra Verde“, mit welch letzterem wegen unüberbrückbarer Differenzen zwischen Regisseur und Hauptdarsteller das Kapitel Kinski/Herzog beendet war. Neben den Autobiografien „Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund“ und „Ich brauche Liebe“, die Teile seiner biografischen Daten melodramatisch und publikumswirksam ausschmücken – so schilderte der Künstler sein Privatleben als einen einzigen Exzess – hinterließ Klaus Kinski, der Schauspielerei als „bewusste Reinkarnation“ verstand, einen Film, der als sein künstlerisches Vermächtnis gilt: Mit größtem persönlichen Einsatz, der bis an die Grenze des Möglichen ging, realisierte er 1987 bis 1988 seine erste und einzige Regiearbeit „Kinski Paganini“ (It./Frkr.). Bereits seit den 60er Jahren hatte sich der Schauspieler mit diesem Projekt beschäftigt, jedoch keinen Produzenten gefunden. Als auch Werner Herzog es ablehnte, den Film zu inszenieren, schrieb Klaus Kinski nicht nur das Drehbuch, sondern übernahm neben der Hauptrolle auch die Regie. Er verhandelte und stritt mit Produzenten, entwarf Titel und Poster und schrieb nebenher noch ein Buch über den Kampf um sein Projekt, mit dessen Verwirklichung sich für Kinski ein lang gehegter Traum erfüllte. Die Geschichte: Man schreibt das Jahr 1834. Der weltbekannte italienische Violinvirtuose und Komponist Niccolò Paganini (Klaus Kinski) gibt in Parma ein spektakuläres Konzert. Seine Musik versetzt das Auditorium in Entzücken und wird für die Zuschauer regelrecht zur Droge. Es ist dies kein gewöhnliches Violinkonzert, sondern der bereits schwer kranke Mann gibt sich selbst zum Besten – er durchlebt während seines ekstatischen und furiosen Spiels Episoden seines Lebens: Amouren, Auseinandersetzungen mit der Kirche, die Liebe zu seiner Frau (als Antonia Bianchi: Kinskis vierte und letzte Lebensgefährtin Debora Caprioglio), sein kleiner abgöttisch geliebter Sohn (als Achille: Kinskis damals elfähriger Sohn Nanhoi Nikolai, der gegenwärtig mit seinem Programm „Kinski spricht Kinski: Fieber“ durch Deutschland tourt und die wortgewaltige Lyrik seines Vaters – Gedichte oft voller Todessehnsucht, die Klaus Kinski nie öffentlich vorgetragen hat – auf die Bühne bringt)… Dem 1782 in Genua geborenen und 1840 verstorbenen, zu seiner Zeit allen Ernstes als „Teufelsgeiger“ bezeichneten Paganini, den zahlreiche Frauen nicht nur platonisch bewunderten und liebten, fühlte sich der lebensund liebeshungrige Klaus Kinski in tiefster Seele verwandt und verbunden. So ist „Kinski Paganini“ eine Reise durch das Leben des Meistergeigers und zugleich ein Trip durch das Leben Kinskis. Der Film, den später beim Filmfestival in Cannes die Jury „wegen zu viel Pornografie“ vom Wettbewerb ausschloss, erlebte im Dezember 1988 während einer vom Regisseur/Hauptdarsteller eigens im Pariser Opernhaus arrangierten Gala seine Premiere. Klaus Kinski erlag nach einem ausschweifenden Leben am 23. November 1991 in Lagunitas (Kalifornien) einem Herzinfarkt. Alle Jahre wieder: Ganz oben auf der Wunschfilmliste stehen auch in diesem Jahr Filme der britischen Kult-Komikertruppe Monty Python. Den Herren Jones, Chapman, Cleese, Gilliam, Idle und Palin war schon seit den Tagen ihres Studentenkabaretts in den 60er Jahren keine Kuh zu heilig, um nicht geschlachtet zu werden, und so ließ man es sich 1979 einfallen, ausgerechnet eine der tragenden Säulen des Abendlandes, nämlich die Religion, durch den Kakao anarchischer Gags zu ziehen. 3 gewünschten Erfolg – statt dessen avancierte „Das Leben des Brian“ zum Kultfilm und zum Welterfolg. Mehr Humor als religiöse Fanatiker bewies der Regisseur Franco Zefirelli: Die Kulissen seines gerade in Tunesien abgedrehten Films „Jesus von Nazareth“ stellte er dem MontyPython-Team mit dem größten Vergnügen zur Verfügung… Wir wünschen allen unseren Besuchern ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2008 mit vielen interessanten Filmerlebnissen! In „Das Leben des Brian“ (GB 1981, R.: Terry Jones) bekamen nicht nur amerikanische und italienische Bibel- und Historienfilme ihr Fett weg (leider war damals Mel Gibsons unsägliche „Passion Christi“ noch nicht gedreht, der Film wäre möglicherweise eine Steilvorlage für Monty Python gewesen…), sondern auch religiöser Fanatismus und das pseudorevolutionäre Gebaren bestimmter Kreise der studentischen Linken Ende der 60er Jahre: Brian (Graham Chapman) wird zur gleichen Zeit wie Jesus Christus geboren, im weiteren Verlauf der Geschichte kreuzen sich beider Wege immer wieder und Brian wird für den Messias gehalten. So irren sich schon zu Beginn die Heiligen Drei Könige in der Haustür, worauf sie prompt von Brians Mutter aus dem Stall getrieben werden. Brians Suche nach seinem Platz in der Geschichte führt zu seinem Eintritt in die „Volksfront zur Befreiung Judäas von den Römern“, welche auch schon mal Pilatus’ Frau entführt und sich dabei mit rivalisierenden Genossen ins Gehege kommt. Weitere Stationen des wahren Messias, wie die Bergpredigt und die Verurteilung durch Pontius Pilatus, erlebt Brian aus nächster Nähe mit. Schlusspunkt der tiefschwarzhumorigen Satire ist eine Massenkreuzigung, während der die Opfer einschließlich Brian das von Eric Idle einzig zu diesem Zweck geschriebene „Always Look On The Bright Side Of Life“ singen. Dass damals vor allem wegen dieser Szene kirchliche Würdenträger das Werk der Gotteslästerung ziehen und zum Boykott aufriefen, hatte nicht den B.R. Dezember 2007 Wunschfilme SO 02.12. bis MI 05.12. „Herr Lehmann“ SO 09.12. bis MI 12.12. „Kinski Paganini“ SO 16.12. bis MI 19.12. „Das Leben des Brian“ Einlass: 19.30 Uhr – Beginn: 20.00 Uhr Wir zeigen keine Produktwerbung Vorschau Januar 2008 Filme mit Moritz Bleibtreu SO 06.01. bis MI 09.01. „Das Experiment“ SO 13.01. bis MI 16.01. „Elementarteilchen“ SO 20.01. bis MI 23.01. „Vom Suchen und Finden der Liebe“ SO 27.01. bis MI 30.01. „Free Rainer – Dein Fernseher lügt“ 4