Reizdarmsyndrom - Klinikum Saarbrücken
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Reizdarmsyndrom - Klinikum Saarbrücken
PD Dr. med. Winfried Häuser Innere Medizin I - Psychosomatik Winterberg 1, 66119 Saarbrücken Tel.: 0681/963-2021 Fax: 0681/963-2022 E-Mail: whaeuser@klinikum-saarbruecken Reizdarmsyndrom Funktionsbereich Psychosomatik Diese Seite ist in das Angebot des Patienteninformationsdienstes des Ärztlichen Zentrums für Qualitätssicherung in der Medizin http://www.patienten-information.de aufgenommen Der Verfasser dieser Seite, PD Dr. med. Winfried Häuser, war an der Überarbeitung der deutschen Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen DGVS und der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes DGSS beteiligt. Inhalt: 1. Einführung: Definition und Häufigkeit des Reizdarmsyndroms ......................................... 2 2. Symptome, Untergruppen und Schweregrade des Reizdarmsyndroms ........................... 3 3. Ursachen .......................................................................................................................... 4 3.1 Nachgewiesene Ursachen ............................................................................................................. 4 3.2 Keine Ursachen ............................................................................................................................... 5 4. Krankheitsmechanismen und das Bauchhirn.................................................................... 5 5. Diagnose .......................................................................................................................... 6 5.1 Welche Untersuchungen sind notwendig? .................................................................................. 6 5.2 Welche Untersuchungen sind nicht sinnvoll?............................................................................. 7 5.3 Stellenwert von Untersuchungen zu Nahrungsmittelun-verträglichkeiten .............................. 7 6. Behandlung ...................................................................................................................... 8 6.1 Vorbemerkung: ............................................................................................................................... 9 6.2 Diät ................................................................................................................................................... 9 Erstellung: Dr. Winfried Häuser, Innere Medizin I Freigabe: Häuser/ 20.03.2013 Version: 01 Dateipfad: H:\Internet\AG Internet-Intranet\Reizdarmsyndrom © Klinikum Saarbrücken Seite: 1 von 1 6.3 Medikamente ................................................................................................................................. 10 6.4 Psychologische Verfahren ........................................................................................................... 12 6.5. Welche Behandlungen sind nicht sinnvoll? ............................................................................. 12 7. Wo erhalten Betroffene kompetenten Behandlung? ....................................................... 12 8. Ambulante Therapieangebote des Klinikums Saarbücken ............................................. 13 9. Weitere Infos im Internet................................................................................................. 13 9.1 Wissenschaftliche Leitlinien zur Diagnostik und Therapie des Reizdarms ........................... 13 9.2 Selbsthilfegruppen ....................................................................................................................... 14 9.3 Videos ............................................................................................................................................ 14 9.4 Weitere Informationen zu speziellen Aspekten ......................................................................... 14 10. Meine Veröffentlichungen zu diesem Thema................................................................ 14 1. Einführung: Definition und Häufigkeit des Reizdarmsyndroms Funktionsstörungen des Darms: Häufig, immer ungefährlich, häufig lästig, manchmal einschränkend Definition: Bei etwa der Hälfte aller Menschen, die wegen Bauchschmerzen und Stuhlunregelmäßigkeiten einen Arzt aufsuchen, kann eine körperliche Erkrankung (z. B. Entzündung oder Krebs) als Ursache der Beschwerden ausgeschlossen werden. Den Beschwerden liegt eine sogenannte Funktionsstörung des Darmes zugrunde. Diese Funktionsstörung des Darms wird Reizdarmsyndrom (im Folgenden RDS abgekürzt) genannt. Manchmal wird auch der Begriff 'Colon irritabile' (englisch: irritable bowel syndrome, abgekürzt IBS)verwendet. Der Begriff 'Syndrom' wird verwendet, da das Krankheitsbild durch eine Kombination körperlicher (subjektiver) Symptome, und nicht durch objektive Blutuntersuchungen oder Röntgenbefunde definiert ist. Von einem Reizdarm wird dann gesprochen, wenn Bauchschmerzen und Stuhlunregelmäßigkeiten über einen längeren Zeitraum vorliegen. Die Bestimmung von Grenzwerten (ab welcher Beschwerdeintensität und - dauer liegt ein RDS vor) ist willkürlich. In regelmäßigen Abständen treffen sich Darmexperten in Rom (Italien), um die Kriterien für das RDS neu festzulegen. Die Kriterien für ein RDS werden daher 'Rom-Kriterien' genannt. Die aktuelle Definition des RDS erfolgt an Hand der Rome III - Kriterien: 1. Wiederkehrende Bauchschmerzen oder Missempfindungen im Bauch 2. Symptombeginn vor mindestens 6 Monaten 3. Symptome an mindestens 3 Tagen pro Monat in den letzten 3 Monaten in Verbindung mit mindestens 2 der folgenden Symptome: a. Besserung nach Stuhlgang Erstellung: Dr. Winfried Häuser, Innere Medizin I Freigabe: Häuser/ 20.03.2013 Version: 01 Dateipfad: H:\Internet\AG Internet-Intranet\Reizdarmsyndrom © Klinikum Saarbrücken Seite: 2 von 2 b. Beginn einhergehend mit Änderung Stuhlfrequenz c. Beginn einhergehend mit Änderung in Stuhlform Häufigkeit: 30% aller Menschen geben gelegentliche Bauchschmerzen und Stuhlunregelmäßigkeiten an.512% aller Menschen in allen Ländern der Welt hat RDS-Beschwerden. RDS-Symptome können in jedem Lebensalter auftreten, am häufigsten zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. In den Industrieländern geben Frauen 2-3mal häufiger Reizdarmbeschwerden an als Männer. Etwa 50% der Menschen fühlen sich durch die Symptome weder eingeschränkt noch krank und gehen deswegen nicht zum Arzt (sogenannte Nicht-Patienten). Etwa 50% der Menschen suchen den Arzt auf oder nehmen andere Behandlungen (z. B. frei verkäufliche Medikamente) in Anspruch. Der Besuch beim Arzt ist oft durch die Sorge bestimmt, an einer körperlichen Erkrankung zu leiden. Es handelt sich daher um eines der häufigsten Beschwerdebilder in Praxen von Allgemeinärzten und Darmspezialisten (sog. Gastroenterologen). Nur 1% der Menschen mit RDS sind durch die Beschwerden so eingeschränkt, dass sie dauernder Behandlung durch Spezialisten bedürfen. Das Risiko, an einer entzündlichen oder bösartigen Erkrankung von Darm zu erkranken ist beim RDS nicht erhöht. 2. Symptome, Untergruppen und Schweregrade des Reizdarmsyndroms Das RDS ist ein vielschichtiges Beschwerdebild Hauptsymptome sind Bauchschmerzen in Zusammenhang mit Veränderten Stuhlgewohnheiten (Durchfälle, Verstopfung oder Wechsel von Durchfällen und Verstopfung); Veränderter Stuhlpassage (erschwert; starker Stuhldrang oder Gefühl unvollständiger Stuhlentleerung); Schleimbeimengungen im Stuhl; Blähungen bzw. Gefühl des Aufgetriebenseins; Beschwerderückgang nach Stuhlgang Weitere Beschwerden können sein: Körperlich: Kopfschmerzen; Gliederschmerzen; Beschwerden im Genitalbereich; Rückenschmerzen; Kloßgefühl im Hals; Gefühl der Atemhemmung; Müdigkeit oder Erschöpfung; Herzrasen oder Herzstolpern; Vermehrtes Schwitzen oder Schweißausbrüche ( heiß oder kalt); Hitzewallungen oder Erröten Seelisch: Innere Unruhe, Nervosität, Ängstlichkeit, Anspannung, Niedergeschlagenheit, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen D.h. Viele Betroffene haben nicht nur Beschwerden im Darm, sondern auch in anderen Organen (z. B. Magen, Herz, Harnblase, Rücken) und seelische Beschwerden. Formen des Reizdarmsyndroms: Durchfall- Form: Durchfälle werden als Hauptbeschwerden angegeben Verstopfungs- Form: Verstopfung und Bauchschmerzen werden als Hauptbeschwerden angegeben Schmerz - Form: Bauchschmerzen werden als Hauptbeschwerden angegeben Mischformen: Bauchschmerzen sowie eine Wechsel von Durchfällen und Verstopfung bzw. Blähungen/aufgetriebener bzw. angespannter Bauch werden als Hauptbeschwerden angegeben. Schweregrade des Reizdarms Erstellung: Dr. Winfried Häuser, Innere Medizin I Freigabe: Häuser/ 20.03.2013 Version: 01 Dateipfad: H:\Internet\AG Internet-Intranet\Reizdarmsyndrom © Klinikum Saarbrücken Seite: 3 von 3 Sogenannte Nicht-Patienten: Die vorhandenen Beschwerden werden als nicht störend erlebt; es liegen keine Beeinträchtigungen in Alltagsfunktionen (z.B. Fähigkeit Beruf oder Haushaltstätigkeit auszuüben, Freizeitverhalten, Sexualität). Leichtgradig: Die vorhandenen Beschwerden werden gelegentlich als störend erlebt und führen selten zu Beeinträchtigungen in Alltagsfunktionen Mittelschwer: Die vorhandenen Beschwerden werden häufig als störend erlebt und führen manchmal zu Beeinträchtigungen in Alltagsfunktionen (z. B. gelegentliche Krankschreibungen oder Absage von Verabredungen wegen Beschwerden) Schwergradig: Die vorhandenen Beschwerden werden immer als störend erlebt und führen häufig zu Beeinträchtigungen in Alltagsfunktionen (z. B. häufige Krankschreibungen oder Absage von Verabredungen wegen Beschwerden, reduzierte Sexualität; die eigene Wohnung wird kaum noch verlassen oder nur zu Aktivitäten, bei denen eine Toilette in der Nähe ist). 3. Ursachen Das RDS hat mehrere Ursachen 3.1 Nachgewiesene Ursachen Es gibt keine einheitlichen Ursachen des Reizdarms. Vor allem bei Menschen, die sich durch die Beschwerden eingeschränkt oder krank fühlen, kommen mehrere Ursachen zusammen. a. Familiäre Häufung: Das RDS kommt in Familien gehäuft vor. Diese familiäre Häufung kann sowohl durch eine genetische (erbliche) Veranlagung als auch psychologische Prozesse erklärt werden. Wenn Eltern über RDS-Beschwerden in Anwesenheit ihrer Kinder klagen, sich deswegen beeinträchtigt zeigen bzw. zum Arzt gehen, kann dieses Verhalten von ihren Kindern durch Modelllernen übernommen werden. d.h. die Neigung, sich bei Bauchbeschwerden und Stuhlunregelmäßigkeiten 'krank' zu fühlen und sich 'als Patient' zu verhalten, ist ein erlerntes Verhalten. b. Nahrungsmittelunverträglichkeiten: liegen bei 2-25% aller Menschen vor. Die Häufigkeit von Nahrungsmittelunverträglichkeiten bei RDS-Patienten liegt bei 50-70%. Natürliche oder künstlich hergestellte Nahrungsmittelbestandteile können bei vielen Menschen Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfälle hervorrufen. So können Milchzucker, Fruchtzucker (Fruktose) oder Sorbitol (nicht resorbierbarer Zuckeralkohol) bzw. Alkohol und Koffein sowie fettreiche Mahlzeiten bei manchen Menschen zu Bauchschmerzen und Durchfällen führen. Milchzucker ist in allen aus Milch hergestellten Nahrungsmitteln enthalten. Fruktose und Sorbitol sind als Süßstoffe in vielen 'Diabetiker'-Lebensmitteln, kalorienreduzierten Lebensmitteln und Getränken sowie Steinobst enthalten. Bei manchen Menschen kann schon der Genuss von 3 sogenannten zuckerfreien Kaugummis Bauchschmerzen und Durchfälle hervorrufen. Die meisten Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind durch die von Mensch zu Mensch unterschiedliche Ausstattung des Darmes mit Enzymen (=Eiweiße, welche Nahrungsbestandteile aufspalten und die Übernahme vom Darm ins Blut bewirken) zu erklären. Genauso wie die Haut von Menschen unterschiedlich auf Sonneneinstrahlung reagiert, ist die Aufnahmefähigkeit des Darmes von Zucker und Fetten unterschiedlich. Die Dosis Sonneneinstrahlung oder Fruchtzucker, die bei Menschen zu Sonnenbrand bzw. Erstellung: Dr. Winfried Häuser, Innere Medizin I Freigabe: Häuser/ 20.03.2013 Version: 01 Dateipfad: H:\Internet\AG Internet-Intranet\Reizdarmsyndrom © Klinikum Saarbrücken Seite: 4 von 4 Bauchschmerzen und Durchfällen führt, ist unterschiedlich. Die Nahrungsmittelunverträglichkeit ist in diesen Fällen auf eine mangelnde Aufnahme des Zuckers im Dünndarm (medizinisch: Malabsorption) zu erklären. Der Zucker wird dann von Bakterien im Dickdarm vergoren, was sich in Blähungen oder Bauchschmerzen äußern kann. c. Darminfektionen: Bei einigen Patienten entwickelt sich ein Reizdarmsyndrom nach einer infektiösen Magen-Darmerkrankung. Bei feingeweblichen Untersuchungen unter dem Mikroskop lassen sich minimale entzündliche Veränderungen nachweisen. d. Emotionen: Gefühle können ebenfalls Magen und Darm reizen: Ärger kann auf den Magen schlagen und manche 'scheißen vor Angst in die Hosen'. Vermehrte Ängstlichkeit, Depressivität, Krankheitsängste und Neigung, unter Stress körperliche Beschwerden zu entwickeln (sog. Somatisierungsneigung) sind Risikofaktoren für die Entwicklung eines RDS. e. Stress: Belastende Lebensereignisse (z. B. Verlust des Arbeitsplatzes, Trennung vom Partner) erhöhen ebenfalls das Risiko, ein RDS zu entwickeln. f. Zusammenwirken von biologischen und psychischen Faktoren: Das Risiko, ein RDS zu entwickeln steigt, wenn mehrere der oben genannten Risikofaktoren zusammenkommen, z. B. ein ängstlicher Mensch einen Darminfekt und gleichzeitig erhebliche Arbeitsplatzprobleme hat. 3.2 Keine Ursachen a. Nahrungsmittelallergie: Die Beschwerden einer Nahrungsmittelallergie (übersteigerte Reaktion des körpereigenen Immunsystems gegenüber Nahrungsmitteln) und eines RDS sind unterschiedlich! An einer Nahrungsmittel-Allergie leiden etwa 1 bis 2 Prozent der Erwachsenen und 3 bis 4 Prozent der Kinder in Deutschland. Häufige Symptome sind Missempfindungen und Schwellungen im Bereich der Mundschleimhaut, Hautveränderungen und Übelkeit oder Erbrechen unmittelbar nach dem Essen des allergieauslösenden Nahrungsmittels. Am häufigsten treten Nahrungsmittel-Allergien als Kreuzallergie auf: Viele Heuschnupfen-Patienten reagieren mit Juckreiz in Mund und Rachen nach dem Essen von Nüssen oder Kernobst, weil darin ähnliche Eiweiße vorkommen wie in bestimmten Pollen. Eine isolierte Nahrungsmittelallergie des Darmes ist sehr selten. b. Pilze (Candida albicans) im Darm: Candida albicans lässt sich bei Gesunden als auch bei RDS-Patienten mit gleicher Häufigkeit nachweisen (ca 20%). Der alleinige Nachweis von Candia albicans im Stuhl hat keinen Krankheitswert! Candida albicans kann nur bei Menschen, deren Immunsystem stark geschwächt ist (z. B, durch AIDS oder eine aggressive Chemotherapie) zu einer Darmentzündung führen, welche bei der Dickdarmspiegelung mit bloßem Auge zu erkennen ist. Weitere Informationen: www.medizin.de/ratgeber/themen-a-z/c/candida-albicans-candidiasis.html 4. Krankheitsmechanismen und das Bauchhirn Erstellung: Dr. Winfried Häuser, Innere Medizin I Freigabe: Häuser/ 20.03.2013 Version: 01 Dateipfad: H:\Internet\AG Internet-Intranet\Reizdarmsyndrom © Klinikum Saarbrücken Seite: 5 von 5 Betroffene fühlen sich manchmal von Ärzten und Angehörigen mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen, da alle technischen Untersuchungen unauffällig sind. Die Krankheitsmechanismen des RDS sind mit den Mitteln der medizinischen Routinediagnostik (Blutuntersuchungen, Ultraschall, Darmspiegelungen) nicht nachweisbar. Bei den meisten RDS-Betroffenen liegt eine erhöhte Empfindlichkeit (erniedrigte Schmerzschwelle) des Darmes vor, die sich mit Methoden der Grundlagenforschung nachweisen lässt. Die gleiche Menge Luft im Darm wird von Menschen mit RDS als schmerzhaft empfunden, während sie von Gesunden als Druck oder gar nicht wahrgenommen wird. Die Schmerzschwelle des Darms kann bei Frauen während der Monatsblutung erniedrigt sein. Die erniedrigte Schmerzschwelle des Darms kann sowohl durch Veränderungen im Darm (z. B. abgelaufene Entzündung) als auch durch eine veränderte Verarbeitung von Nervenimpulsen aus dem Darm im Gehirn bedingt sein, d.h. Menschen mit RDS erleben Empfindungen aus dem Bauch als unangenehm bzw. gefährlich. Weiterhin kann das Zusammenziehen und Entspannen der Darmmuskulatur (sog. Kontraktionen) gestört sein. Zwischen Großhirn (Gedanken und Gefühlen) und dem vegetativen Nervensystem bzw. dem enterischen Nervensystem (sog. Bauchhirn) bestehen zahlreiche Nervenverbindungen, welche die Wechselwirkung von Magen/Darm und Psyche beim RDS erklären. Die Nervenzellen des Darmhirns und des Großhirns sprechen mittels chemischer Substanzen (Überträgerstoffe=Neurotransmitter) miteinander. Die Neurotransmitter sind sozusagen die Worte der Sprache des Bauch- und Großhirns. Beide Hirne sprechen dieselbe Sprache, d.h. die Überträgerstoffe sind gleich. Ein Beispiel: Serotonin ist im Großhirn bei de Regulation unserer Stimmung und Appetit und im Bauchhirn an der Regulation der Schmerzempfindlichkeit und der Kontraktionen des Darms beteiligt. 5. Diagnose Die Diagnose kann nur durch einen Arzt gestellt werden! 5.1 Welche Untersuchungen sind notwendig? Die Diagnose kann durch einen internistisch erfahrenen Arzt anhand der Befragung des Patienten nach seinen Beschwerden, einer körperlichen Untersuchung, Laboruntersuchungen sowie technischen Untersuchungen gestellt werden. In den meisten Fällen eine einmalige Spiegelung (Endoskopie) von Magen bzw. Dickdarm sinnvoll. Die genannten Untersuchungen dienen vor allem dem Ausschluss einer körperlichen Erkrankung als Ursache der Bauchbeschwerden. Folgende Symptome sprechen gegen ein RDS und das Vorliegen einer Darmentzündung oder Darmkrebs: Erste Beschwerden > 50 Jahre, kurze Dauer der Beschwerden, nachgewiesener Gewichtsverlust, nächtliche Symptome, Familienanamnese Dickdarmkrebs, Blutarmut, Blutabgänge mit dem Stuhl. Folgende Symptome sprechen für ein RDS: Symptome > 6 Monate (vor allem Jahre mit beschwerdefreien Phasen), zahlreiche weitere körperliche Beschwerden, Vorgeschichte medizinisch nicht erklärbarer Symptome, Zunahme Beschwerden bei Stress. Eine aktuelle (2007) englische Leitlinie der gastroenterologischen Fachgesellschaft empfiehlt bei typischen RDS-Beschwerden folgende Untersuchungen: Bei allen Patienten sollen Blutbild und das C-reaktive Protein im Blut bestimmt werden. Weitere Untersuchungen sollen in Abhängigkeit von den Hauptsymptomen und dem Lebensalter durchgeführt werden. - Alter > 50 Jahre bzw. > 45 Jahre Familienanamnese Dickdarmkrebs: Dickdarmspiegelung Erstellung: Dr. Winfried Häuser, Innere Medizin I Freigabe: Häuser/ 20.03.2013 Version: 01 Dateipfad: H:\Internet\AG Internet-Intranet\Reizdarmsyndrom © Klinikum Saarbrücken Seite: 6 von 6 - Durchfälle: Dickdarmspiegelung (mit Gewebeproben auch bei unauffälliger Schleimhaut zum Ausschluss einer mikroskopischen oder kollagenen Dickdarmentzündung) und Antikörper gegen Transglutaminase (zum Ausschluss einer durch Klebereiweiß bedingten Entzündung der Dünndarmschleimhaut = Zöliakie oder Sprue) - Akuter Beginn Durchfall: Stuhluntersuchungen und Dünndarmgewebeproben (auf Darminfektionen) - Schwere nächtliche Durchfälle: Gallensäureresorptionstest - Konstante Oberbauchschmerzen: Computertomographie (CT zum Ausschluss Bauchspeicheldrüsenerkrankung) - Wiederkehrender rechter Oberbauchschmerz: Ultraschall (zum Ausschluss Gallenblasensteine) 5.2 Welche Untersuchungen sind nicht sinnvoll? Folgende Untersuchungen sind nach den aktuellen Leitlinien der britischen gastroenterologischen Gesellschaft (2007) und des englischen Nationalen Instituts für Gesundheit und klinische Exzellenz NICE (2008) und der deutschen Leitlinie zum RDS (2012) zur Diagnose eines RDS nicht notwendig. a. Kernspin des Bauches: Liegt ein typisches Beschwerdemuster des RDS vor und sind die oben genannten Ausschlussuntersuchungen unauffällig, ist eine Kernspinuntersuchung des Dünndarmes ncht sinnvoll. b. Stuhluntersuchungen auf Pilze und Darmflora:Bei fehlenden Durchfällen sind auch keine Stuhluntersuchungen sinnvoll. Manche Ärzte lassen den Stuhl auf Pilze (Candida albicans) oder auf die Zusammensetzung der Darmflora untersuchen.Obwohl Störungen der Darmflora auch in der Schulmedizin als ein möglicher Krankheitsmechanismus des RDS diskutiert werden, ist eine Stuhlanalyse der Darmflora weder zur Diagnose noch Therapie des RDS notwendig. Diese Untersuchungen werden von allen aktuellen Leitlinien zur Diagnostik des RDS nicht empfohlen (siehe 3.2). c. Antikörper gegen Nahrungsmittel: Von manchen Ärzten oder Heilpraktikern wird eine Untersuchung von IgG bzw. IgG4-Antikörpergegen Nahrungsmittel zur Überprüfung einer 'Nahrungsmittelallegie' emfohlen. Die Kosten (bis 300 €) muss der gesetzlich Krankenversicherte selbst zahlen. Blutuntersuchungen auf IgG4 zeigen keine Krankheit an, sondern spiegeln nur die ganz normale Auseinandersetzung des Immunsystems mit bestimmten Substanzen wider. So sind bei jemanden, der viel Milch trinkt, ganz natürlich auch viele spezifische IgG-Antikörper gegen Milch im Blut nachweisbar und ein IgG-Test fällt positiv aus, obwohl keine Allergie auf Milcheiweiß vorliegt. Tests auf IgG machen zur Abklärung von Nahrungsmittel-Allergien oder Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten keinen Sinn und werden sowohl von gastroenterologischen als auch allergologischen ärztlichen Fachgesellschaften nicht empfohlen. Weitergehende Infos: http://www.allergietherapie.de/texte/laien/pm/aeda_11_04/dgai4.html d. Wasserstoffatemteste: Sind zur Diagnose eines RDS nicht notwendig. Weitere Infos siehe 5.3 5.3 Stellenwert von Untersuchungen zu Nahrungsmittelunverträglichkeiten Erstellung: Dr. Winfried Häuser, Innere Medizin I Freigabe: Häuser/ 20.03.2013 Version: 01 Dateipfad: H:\Internet\AG Internet-Intranet\Reizdarmsyndrom © Klinikum Saarbrücken Seite: 7 von 7 Wasserstoffatemteste: Wie bereits ausgeführt, ist die Häufigkeit von Nahrungsmittelunverträglichkeiten bei RDS-Patienten erhöht. Die Unverträglichkeit von Milchzucker (Laktose), Fruchtzucker (Fruktose) und des Zuckeraustauschstoffes Sorbit oder Sorbitol kann durch einen Wasserstoff (H2-) Atemtest nachgewiesen werden. Dazu wird eine definierte Menge der genannten Substanzen getrunken und die Wasserstoffkonzentration in der Ausatemluft über 2 -4 Stunden gemessen. Wird der Zucker von der Dünndarmschleimhaut nicht ausreichend aufgenommen, wird der Zucker im Dickdarm durch Bakterien vergärt. Dadurch kommt es zu einem Anstieg der Wasserstoffkonzentration in der Ausatemluft. Bei der Interpretation des Tests ist folgendes zu beachten: - Der Test ist nur als positiv (Hinweis für Nahrungsmittelunverträglichkeit im Sinne einer mangelnden Aufnahme des Zuckers) anzusehen, wenn die H2-KOnzentration über einen Schwellenwert ansteigt und der Betroffene über Bauchschmerzen oder Blähungen bzw. Stuhldrang klagt. Die Zucker-Dosis, welche in den Tests verwendet wird, ist viel höher als die üblicherweise zugeführte Dosis. So entspricht die Dosis von 50 g Milchzucker 1 Liter Milch und von 50 g Fruktose etwa 4 großen Äpfeln. D.h. dass Menschen mit positiven Testergebnis durchaus geringe Dosen der getesteten Substanz vertragen. Es gibt falsch positive und falsch negative Ergebnisse. Rauchen oder das Essen von Bohnen am Vortag kann zu falsch positiven Ergebnissen führen. Es gibt Menschen, deren Darm kein Wasserstoff produziert (falsch negative Ergebnisse) - - Weitergehende Infos: http://www.gesundheit.de/medizin/untersuchen/atemtest/index.html http://www.gastroenterologie-minden.de/page/ggm021.htm Was tun bei Milchzuckerunverträglichkeit und Einnahme von laktosehaltigen Medikamenten? Lactose ist in fast allen Tabletten als Füllstoff enthalten, da diese für die Tablettenherstellung wegen ihrer Verarbeitungsqualitäten nahezu ideal als Füllstoff geeignet ist. Meistens ist quantitativ gesehen nur so wenig Lactose in den Tabletten, dass diese im Gegensatz zu der enthaltenen Menge in Nahrungsmitteln (oft versteckt in Wurstwaren und Aromen) zu keiner oder nur in sehr seltenen Fällen zu Unverträglichkeitsreaktionen führen kann, d.h. von den meisten betroffenen Patienten werden die geringen Mengen an Lactose ohne Unannehmlichkeiten toleriert. Bauchbeschwerden nach Einnahme laktosehaltiger Medikamente könne daher durch psychologische Faktoren wie Erwartungsangst bedingt sein (sog. Noceboeffekt) – siehe: http://www.haeverlag.de/nae/n_beitrag.php?id=2388 Für den Laien zugängliche Informationen über Arzneimittel inkl. deren Laktosegehalt finden sich unter http://www.pharmnet-bund.de/dynamic/de/am-info-system/index.html 6. Behandlung Erstellung: Dr. Winfried Häuser, Innere Medizin I Freigabe: Häuser/ 20.03.2013 Version: 01 Dateipfad: H:\Internet\AG Internet-Intranet\Reizdarmsyndrom © Klinikum Saarbrücken Seite: 8 von 8 6.1 Vorbemerkung: Realistische Therapieziele setzen: Jeder RDS-Betroffene sollte sich klar darüber sein, dass eine Heilung im Sinne einer anhaltenden völligen Beschwerdefreiheit durch keine Behandlungsmethode möglich ist. Ziele der Behandlung sind eine Verbesserung der Lebensqualität durch den Erwerb einer anderen Einstellung gegenüber den Beschwerden (keine bedrohliche Krankheit sondern Beschwerden, mit denen frau/man leben kann), eine Verbesserung der Lebensqualität (z. B. Erweiterung der Nahrungsmittelauswahl oder der Freizeitaktivitäten) und eventuell eine Reduktion der Beschwerden. Abgestufte Therapie: Bei leichtgradigen Formen des RDS genügt eine sorgfältige Information über die Harmlosigkeit der Beschwerden sowie Ermutigung zu einer gesunden Lebensführung (ausgewogene Ernährung und Schlaf, angemessene Erholung, regelmäßige körperliche Bewegung). Wenn die Beschwerden zu Beeinträchtigungen in Alltagsfunktionen führen, kann eine zeitlich befristete symptomatische Behandlung der Beschwerden erwogen werden. Die Entscheidung für oder gegen eine Behandlungsmethode soll von Patient und Arzt gemeinsam getroffen werden. Berücksichtigung von Patientenwünsche bei der Auswahl von Behandlungen: Bei der Wahl der Behandlungsmethoden sollen die Wünsche des Patienten (sog. Patientenpräferenzen) berücksichtigt werden. Manche Menschen bevorzugen eher medikamentöse (inkl. alternativmedizinischer) Therapien, andere eher psychologische Verfahren. Weiterhin sind mögliche Nebenwirkungen, Aufwand/Kosten und Verfügbarkeit von Behandlungsverfahren zu berücksichtigen. SO sind medikamentöse Behandlungen leicht verfügbar, haben jedoch selten schwerwiegende Nebenwirkungen. Psychologische Behandlungen haben in der Regel keine Nebenwirkungen, sind jedoch zeitaufwendig und nicht immer verfügbar (siehe Punkt 7). Egal welche Behandlung durchgeführt wird, ihr Nutzen ist durch den Betroffenen und den Behandler regelmäßig zu überprüfen. Regelmäßige Überprüfung des Nutzens einer Behandlung: Der Nutzen einer Behandlung kann am besten durch den Betroffenen selbst beurteilt werden, z. B. durch ein Aktivitäts- und Symptomtagebuch. Hat der Betroffene mehr Aktivitäten (z. B. mit Freunden essen gehen)trotz der Beschwerden durchgeführt? Hat sich die Häufigkeit der Darmkrämpfe oder Stuhlentleerungen reduziert? 6.2 Diät Es gibt keine 'RDS-Diät'. a. Allgemeine Ratschläge. Folgende Ratschläge zur Ernährung werden vom englischen Nationalen Institut für Gesundheit und klinische Exzellenz NICE (2008)gegeben: Essen Sie regelmäßig und nehmen Sie sich Zeit beim Essen. Lassen Sie keine Mahlzeiten ausfallen. Trinken Sie mindestens 8 Gläser Wasser oder sonstige koffeinfreie Getränke wie Kräutertee pro tag. Trinken Sie nicht mehr als 3 Tassen Kaffe oder Tee pro Tag. Trinken Sie Alkohol nur in geringen Mengen ('Bierschiss'). Reduzieren Sie probeweise die Ballaststoffmenge. Essen Sie nicht mehr als 3 Portionen frisches Obst pro Tag. Wenn Sie Durchfälle haben, vermeiden Sie den Zuckerersatzstoff Sorbitol, der in zuckerfreien Nahrungsmitteln und Getränken zz. Diät- und Diabetesprodukten enthalten ist. Erstellung: Dr. Winfried Häuser, Innere Medizin I Freigabe: Häuser/ 20.03.2013 Version: 01 Dateipfad: H:\Internet\AG Internet-Intranet\Reizdarmsyndrom © Klinikum Saarbrücken Seite: 9 von 9 Wenn Sie Blähungen haben, versuchen Sie Haferprodukte oder Leinsamen (1 Suppenlöffel). b. Blähungen. Inwieweit einzelne Nahrungsmittel Bauchschmerzen, Durchfälle oder Blähungen hervorrufen können, ist individuell sehr unterschiedlich. Folgende Zucker können Blähungen verstärken (Quelle: Wächtershäuser A, Stein J. Ernährungsfaktoren und Ernährungstherapie beim RDS. Was ist valide? Z Gastro 2008;46:279-291): - Fruktose, Sorbitol: Früchte, Diabetikerprodukte, Kaugummi, Bonbons - Oligofruktose, Insulin: Artischocken, Zwiebeln, Lauch, Chicoree - Raffinose: Bohnen, Erbsen - Resistente Stärke; Unreife Bananen, unzureichend gekochte Bananen, gekochte und abgekühlte Nichtgetreidestärken - Ballaststoffe: Obst und Gemüse in größeren Mengen c. Nachgewiesener Laktose- oder Fruktoseunverträglichkeit. Ein Test mit einer milch- bzw. fruchtzuckerreduzierten Kost über 2-4 Wochen sinnvoll. Wenn sich die Beschwerden eindeutig verbessern, kann eine milch- bzw. fruchtzuckerreduzierte Kost weiter geführt werden. Geringe Mengen Milch- bzw. Fruchtzucker werden in der Regel ohne Beschwerden toleriert. Obwohl Sauermilchprodukte (Joghurt, Dickmilch, Kefir etc.) relativ große Mengen Milchzucker enthalten (, werden sie häufig gut vertragen. Grund hierfür sind die Milchsäurebakterien, die im Darm größere Mengen Milchzucker abbauen.Ähnliches gilt für die Verträglichkeit vieler Käsesorten, da der Milchzucker bei der Käseherstellung durch Fermentation weitgehend abgebaut wird. Weitergehende Informationen: http://www.ernaehrung.de/tipps/laktoseintoleranz/lakto11.php http://www.ernaehrung.de/tipps/intoleranzen/intoleranz10.php 6.3 Medikamente Das englische Nationale Institut für Gesundheit und klinische Exzellenz NICE (2008) empfiehlt folgende Stufentherapie Stufe 1: Bei Schmerzen: Krampflösende Medikamente, bei Verstopfung Abführmittel (jedoch keine Laktulose), bei Durchfällen Loperamid. Bei unzureichender Wirksamkeit Stufe 2: Antidepressiva: An erster Stelle werden trizyklische Antidepressiva (TCA) empfohlen (z. B. Amitriptylin, Doxepin, Trimipramin), bei unzureichender Wirksamkeit SerotininWiederaufnahmehemmer (SSRI) (z. B. Paroxetin oder Fluoxetin) Stufe 3: Wenn eine medikamentöse Therapie über 1 Jahr keine Verbesserung der Lebensqualität bzw. Symptomreduktion erbracht hat, soll eine Behandlung mit psychologischen Verfahren (Hypnotherapie oder kognitive Verhaltenstherapie) erfolgen. Die Leitlinie der britischen gastroenterologischen Gesellschaft nennt als weitere medikamentöse Behandlungsoption die Gabe von Probiotika, d.h. Nahrungsmitteln, welche lebensfähige Mikroorganismen enthalten. Erstellung: Dr. Winfried Häuser, Innere Medizin I Freigabe: Häuser/ 20.03.2013 Version: 01 Dateipfad: H:\Internet\AG Internet-Intranet\Reizdarmsyndrom © Klinikum Saarbrücken Seite: 10 von 10 Weitere Informationen: http://www.focus.de/gesundheit/ernaehrung/gesundessen/tid8064/probiotika_aid_139963.html Meine Anmerkungen zur medikamentösen Therapie a. Antidepressiva: Meiner Erfahrung nach schrecken manche Patienten von einem Behandlungsversuch mit Antidepressiva zurück, weil sie eine 'Abhängigkeit' oder Nebenwirkungen befürchten bzw. sagen 'ich bin doch nicht depressiv'. Es ist wichtig folgendes zu wissen: - Antidepressiva wirken auf die Botenstoffe des Darmhirns. - Antidepressiva wirken auch RDS- Patienten, welche nicht depressiv bzw. übermäßig ängstlich sind. - Antidepressiva machen im Gegensatz zu Beruhigungsmitteln (Tranquilizer) nicht abhängig. - Die Dosen, die zur Behandlung von Reizmagen und Reizdarm (10-25 mg) eingesetzt werden, sind um ein mehrfaches niedriger als zur Behandlung von Ängsten und Depressionen (50-150 mg). - Antidepressiva haben Nebenwirkungen. Dabei sind häufige und vorübergehende (z. B. vermehrte Müdigkeit, Mundtrockenheit) und seltene (z.B. Leberschäden) zu unterscheiden. Bei einigen Erkrankungen dürfen die genannten Substanzen nicht eingesetzt werden (z. B. erhöhter Augeninnendruck, Harnblasenentleerungsstörungen).Die Substanzen sollten also nur von Ärzten verschrieben werden, welche Erfahrungen mit Antidepressiva haben und unter Berücksichtigung möglicher Begleiterkrankungen. b. Neue Medikamente: Es werden neue Medikamente entwickelt, die gezielt auf die 'Andockstellen' von Überträgersubstanzen(Neurotransmitter) wirken, welche die Bewegung des Darms und die Wahrnehmung von Reizen steuern. Ein wichtiger Neurotransmitter des Darmes ist Serotonin. Pharmafirmen arbeiten mit Hochdruck an Medikamenten, welche an den unterschieldlichen 'Andockstellen' des Serotonins im Darm angreifen. Einige dieser Medikamente haben sich in der Reduktion von RDS-Symptomen als sehr wirksam erwiesen, wurden jedoch wegen seltener tödlicher Nebenwirkungen vom Markt genommen: - Alosetron (Firmenname Lotronex) (5HT3 bzw. Serotonin-Antagonist). Am 02.12.00 wurde Lotronex von der Firma Glaxo Wellcome auf Empfehlung der amerikanischen FDA (Food and Drug Administration Zulassungsbehörde für Medikamente)vom US-amerikanischen Markt genommen. Bis zum 10.10.2000 war das Präparat ca. 450 000 mal verschrieben worden. 70 Berichte von schwerwiegenden Nebenwirkungen waren bekannt geworden, 3 Patienten waren weislich aufgrund der Einnahme des Präparates gestorben. Am 07.06.2002 wurde das Präparat in den USA von der FDA unter Einschränkungen wieder zugelassen: Es darf von Ärzten, welche an einem Verschreibungskurs teilgenommen haben, an Frauen mit schwerem Formen eines durchfalldominanten Reizdarmsyndroms verschrieben werden, welche auf eine konventionelle Reizdarmtherapie nicht angesprochen haben. - Tegaserod (Firmenname Zelnorm bzw. Zelmac). Tegaserod wirkt gezielt an Serotoninrezeptoren (5-HT4-Rezeptoragonist) im Darm, die bei der Schmerzwahrnehmung und Darmmotorik eine Schlüsselrolle spielen. Das Präparat war in Deutschland nicht zugelassen, jedoch in der Schweiz. Ende März 2007 stellte Novartis die Vermarktung auf Empfehlung der US-Amerikanischen Arzneimittelzulassungsbehörde FDA wegen einer erhöhten Rate von Herzinfarkten bzw. Herzbeschwerden aus. Erstellung: Dr. Winfried Häuser, Innere Medizin I Freigabe: Häuser/ 20.03.2013 Version: 01 Dateipfad: H:\Internet\AG Internet-Intranet\Reizdarmsyndrom © Klinikum Saarbrücken Seite: 11 von 11 - - Cilasentron (5HT3-antagonist): Aktuell laufen in den USA Studien mit diesem Medikament, welches wie Lotronex auf die durchfalldominante Form des Reizdarmsyndromes bei Männern und Frauen wirken soll. Das Medikament ist noch in keinem Land zugelassen. Mein Standpunkt zu neuen Medikamenten: In Anbetracht der 'Lotronex- und Zelmac-Affäre' sollten Betroffene und Ärzte meines Erachtens mit zu starken Hoffnungen bzgl. neuer Medikamente zurückhaltend sein und abwarten, ob sich das Medikament bei breiter Anwendung bewährt und wie häufig (schwere) Nebenwirkungen sind. Allen Betroffenen mit mäßigen und schweren Verlaufsformen ist zu wünschen, dass wirkungsvolle und sichere Medikamente zugelassen werden. 6.4 Psychologische Verfahren Die Leitlinie der britischen gastroenterologischen Gesellschaft (2007) und des englischen Nationalen Instituts für Gesundheit und klinische Exzellenz NICE (2008) empfehlen folgende psychologische Verfahren: Kognitive Verhaltenstherapie, darmgerichtete Hypnose, Entspannungsverfahren und psychodynamische Therapie. Psychologische Verfahren sind bei Patienten wirksam, die auf eine psychologische Behandlung nicht angesprochen haben. Bei der kognitiven Verhaltenstherapie werden die mit dem RDS verbundenen ungünstigen Gedanken (z. B. 'das Essen werde ich wieder nicht vertragen'; 'wo ist die nächste Toilette?') und Verhaltensweisen (z. B. Vermeiden von Situationen) analysiert und verändert. Siehe: www.psychotherapie-beratung.de/vt.html Bei der darmbezogenen Hypnose werden durch Suggestionen und Fantasiereisen die Darmfunktion und das allgemeine Befinden (z. B. Selbstvertrauen) der Patienten positiv beeinflusst. Siehe: www.medizinpopulaer.at/archiv/medizin-vorsorge/details/article/reizdarmsyndrom-hypnose-hilft.html Bei der psychodynamischen Therapie werden die mit dem RDS verbundenen (unbewussten) Gefühle und inneren Konflikte bearbeitet. Siehe: www.netdoktor.de/Krankheiten/Depression/Therapie/Psychodynamische-Therapie-5279.html 6.5. Welche Behandlungen sind nicht sinnvoll? Alle anderen der zahlreichen beim RDS angewendeten Behandlungen werden von den beiden britischen Leitlinien auf Grund eines fehlenden Wirksamkeitsnachweises nicht empfohlen. Dazu gehören u.a. Akupunktur, traditionelle chinesische Kräutermedizin, eine medikamentöse oder diätetetische Behandlung von Candida albicans, Ozoninsufflationen in den Darm oder Darmsanierung/Symbioselenkung. 7. Wo erhalten Betroffene kompetenten Behandlung? Der erste Ansprechpartner ist der Hausarzt. Er kann anhand der Beschwerdesymptomatik die Verdachtsdiagnose äußern und einige Ausschlussuntersuchungen (z. B. Ultraschall und Laboruntersuchungen) durchführen. Die zur Ausschlussdiagnose notwendige einmalige Spiegelung von Speiseröhre/Magen/oberem Dünndarm beim Verdacht auf Reizmagen bzw. des Dickdarms Erstellung: Dr. Winfried Häuser, Innere Medizin I Freigabe: Häuser/ 20.03.2013 Version: 01 Dateipfad: H:\Internet\AG Internet-Intranet\Reizdarmsyndrom © Klinikum Saarbrücken Seite: 12 von 12 beim Verdacht auf Reizdarm kann ambulant durch einen niedergelassenen fachärztlichen Internisten bzw. Gastroenterologen erfolgen. Siehe: www.gastromed-bng.de. Beratung über Ernährung und Lebensführung sowie die symptomorientierte medikamentöse Therapie können ebenfalls von Hausärzten bzw. Internisten durchgeführt werden. Sie können Patienten auch am besten beraten, wann eine psychotherapeutische Behandlung sinnvoll ist und an welchen niedergelassenen ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten sich der Patient wenden kann. Es sollte sichergestellt sein, dass der Psychotherapeut Erfahrungen in der Behandlung von Reizmagen- bzw. Reizdarmpatienten hat. Die Behandlung ist fast immer ambulant möglich. Da diese sich in der Regel über einen längeren Zeitraum erstreckt, sollte sie wohnortnah durchgeführt werden. Weitere Informationen zur Psychotherapiesuche finden sie auf der Homepage der Psychosomatik auf www.klinikum-saarbruecken.de In den seltenen Fällen andauernder und ausgeprägter Beschwerden, die auf die oben genannten Maßnahmen nicht ausreichend ansprechen, kann eine Vorstellung in einer gastroenterologischen bzw. schmerztherapeutisch/psychosomatischen Spezialambulanz sinnvoll sein. Solche Spezialambulanzen befinden sich an einigen größeren Krankenhäusern in Deutschland. Informationen über RDS-Ambulanzen können niedergelassene Ärzte oder Selbsthilfegruppen Informationen über Ansprechpartner geben. Nur in sehr schweren Fällen ist eine stationäre Behandlung in einer Schmerzklinik oder gastroenterologischen bzw. psychosomatischen Rehabilitationsklinik notwendig. 8. Ambulante Therapieangebote des Klinikums Saarbücken Wir bieten einen ambulantes Selbstmanagementprogramm für Patienten mit Reizmagen und Reizdarm an, das auf den wissenschaftlich als wirksam erwiesenen Behandlungsmethoden der kognitiven Verhaltenstherapie und Hypnose beruht. Das Programm von den Krankenkassen als Patientenschulungsmaßnahme anerkannt. An dem Kurs können ambulante Patienten mit Reizmagen und Reizdarm teilnehmen. Eine Einzelbehandlung in der internistisch-psychosomatischen Ambulanz des Klinikums Saarbrücken ist für nur Privatversicherte und Selbstzahler möglich. Patienten von gesetzlichen Krankenkassen können im medizinischen Versorgungszentrum für Schmerztherapie und Psychotherapie Saarbrücken St. Johann behandelt werden: www.mvz-sb.com/ 9. Weitere Infos im Internet 9.1 Wissenschaftliche Leitlinien zur Diagnostik und Therapie des Reizdarms Aktuelle deutschsprachige Patientenversionen von Wissenschaftlichen Leitlinien sind derzeit nicht verfügbar. Die englischsprachige Patientenversion des englischen Nationalen Instituts für Gesundheit und klinische Exzellenz NICE (2008) findet sich unter www.nice.org.uk/Guidance/CG61/PublicInfo/doc/English Was sind die typischen Symptome des Reizdarmsyndroms? Informationen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Erstellung: Dr. Winfried Häuser, Innere Medizin I Freigabe: Häuser/ 20.03.2013 Version: 01 Dateipfad: H:\Internet\AG Internet-Intranet\Reizdarmsyndrom © Klinikum Saarbrücken Seite: 13 von 13 http://www.gesundheitsinformation.de/typische-symptome.278.196.html 9.2 Selbsthilfegruppen Deutsche Reizdarmselbsthilfe e.V., Mörikeweg 2, 31303 Burgdorf, Tel. 05136-896106, Fax 05136873662. http://www.reizdarmselbsthilfe.de 9.3 Videos Reizdarmsyndrom und Bauchhirn. Wissenschaftsmagazin Sonde 21.05.2005 www.youtube.com/watch?v=nA0UpTgffPA Tumult im Darm. Beispiel einer medizinischen Behandlung. SWR 3 04.12.2008 http://www.swr.de/odysso/-/id=1046894/nid=1046894/did=4125118/1yp3i8w/index.html 9.4 Weitere Informationen zu speziellen Aspekten - Radiodoktor: Eine Sendung zum RDS im Auftrag des Gesundheitsressorts Wien http://oe1.orf.at/libero/127867.html - Allgemeinverständliche Informationen zum Reizdarm http://www.netdoktor.de/krankheiten/Fakta/Reizdarm.htm http://www.apotheken-umschau.de/Reizdarm 10. Meine Veröffentlichungen zu diesem Thema Häuser W. (2002). Hypnose beim Reizdarm. Psychomed Heft 4, Schwerpunktheft Hypnotherapie 14: 227-232 Häuser W. Schmetterlinge im Bauch. Behandlung von Reizmagen und Reizdarm durch medizinische Hypnose. Stuttgart: Hypnos Verlag, ISBN 3-933569-28-1.www.hypnos.de Hypnose in der Gastroenterologie. Zeitschrift für Gastroenterologie 42 (2003) 405-412 Häuser W, Grandt D, Rünzi M. Bauchschmerzen aus internistisch-psychosomatischer Sicht. Gestresster Magen - gereizter Darm? MMW - Fortschritte Medizin 146 (2004) 31-34 Häuser W, Lempa M. Reizdarmsyndrom. Der Schmerz 18(2004)130-135 Häuser W. Schmetterlinge im Bauch. Ablations- und Lifehypnose in der Behandlung einer Patientin mit Reizmagen- und Reizdarmsyndrom. In: Ebell HJ, Schuckall H (Hrsg) : Warum therapeutische Erstellung: Dr. Winfried Häuser, Innere Medizin I Freigabe: Häuser/ 20.03.2013 Version: 01 Dateipfad: H:\Internet\AG Internet-Intranet\Reizdarmsyndrom © Klinikum Saarbrücken Seite: 14 von 14 Hypnose? Aus der Praxis von Ärzten und Psychotherapeuten. München: Pflaum Verlag (2004) 7691 Häuser W, Grandt D. Zertifizierte Fortbildung: Reizmagen und Reizdarm. Ärztliche Praxis 48 (2005) I-VII Häuser W. (2008) Reizdarm. In: Revenstorf D., Peter B. (Hrsg.) Hypnose in Psychotherapie, Psychosomatik und Medizin, Manual für die Praxis. Springer Verlag, Berlin, S. 558-568 Häuser W. Ist Hypnotherapie eine etablierte Behandlungsmethode in der Inneren Medizin? Hypnose 2010; 5: 237-252 Häuser W, Layer P, Henningsen P, Kruis W. Funktionelle Darmbeschwerden beim Erwachsenen. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(5): 83-94 http://www.aerzteblatt.de/archiv/121092/Funktionelle-Darmbeschwerden-bei-Erwachsenen Zusammengestellt von PD Dr. med. Winfried Häuser, Facharzt für Innere Medizin, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin - Sportmedizin- Ärztlicher Leiter des Schwerpunktes Psychosomatik der Medizinischen Klinik I des Klinikums Saarbrücken Letzte Überarbeitung: 20.03.2013 Erstellung: Dr. Winfried Häuser, Innere Medizin I Freigabe: Häuser/ 20.03.2013 Version: 01 Dateipfad: H:\Internet\AG Internet-Intranet\Reizdarmsyndrom © Klinikum Saarbrücken Seite: 15 von 15