Reizdarmsyndrom - Klinikum Saarbrücken

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Reizdarmsyndrom - Klinikum Saarbrücken
PD Dr. med. Winfried Häuser
Innere Medizin I - Psychosomatik
Winterberg 1, 66119 Saarbrücken
Tel.: 0681/963-2021
Fax: 0681/963-2022
E-Mail: whaeuser@klinikum-saarbruecken
Reizdarmsyndrom
Funktionsbereich Psychosomatik
Diese Seite ist in das Angebot des Patienteninformationsdienstes des Ärztlichen Zentrums für
Qualitätssicherung in der Medizin http://www.patienten-information.de aufgenommen
Der Verfasser dieser Seite, PD Dr. med. Winfried Häuser, war an der Überarbeitung der deutschen
Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms im Auftrag der Deutschen
Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen DGVS und der Deutschen
Gesellschaft zum Studium des Schmerzes DGSS beteiligt.
Inhalt:
1. Einführung: Definition und Häufigkeit des Reizdarmsyndroms ......................................... 2
2. Symptome, Untergruppen und Schweregrade des Reizdarmsyndroms ........................... 3
3. Ursachen .......................................................................................................................... 4
3.1 Nachgewiesene Ursachen ............................................................................................................. 4
3.2 Keine Ursachen ............................................................................................................................... 5
4. Krankheitsmechanismen und das Bauchhirn.................................................................... 5
5. Diagnose .......................................................................................................................... 6
5.1 Welche Untersuchungen sind notwendig? .................................................................................. 6
5.2 Welche Untersuchungen sind nicht sinnvoll?............................................................................. 7
5.3 Stellenwert von Untersuchungen zu Nahrungsmittelun-verträglichkeiten .............................. 7
6. Behandlung ...................................................................................................................... 8
6.1 Vorbemerkung: ............................................................................................................................... 9
6.2 Diät ................................................................................................................................................... 9
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Dr. Winfried Häuser, Innere Medizin I
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6.3 Medikamente ................................................................................................................................. 10
6.4 Psychologische Verfahren ........................................................................................................... 12
6.5. Welche Behandlungen sind nicht sinnvoll? ............................................................................. 12
7. Wo erhalten Betroffene kompetenten Behandlung? ....................................................... 12
8. Ambulante Therapieangebote des Klinikums Saarbücken ............................................. 13
9. Weitere Infos im Internet................................................................................................. 13
9.1 Wissenschaftliche Leitlinien zur Diagnostik und Therapie des Reizdarms ........................... 13
9.2 Selbsthilfegruppen ....................................................................................................................... 14
9.3 Videos ............................................................................................................................................ 14
9.4 Weitere Informationen zu speziellen Aspekten ......................................................................... 14
10. Meine Veröffentlichungen zu diesem Thema................................................................ 14
1. Einführung: Definition und Häufigkeit des Reizdarmsyndroms
Funktionsstörungen des Darms: Häufig, immer ungefährlich, häufig lästig, manchmal
einschränkend
Definition:
Bei etwa der Hälfte aller Menschen, die wegen Bauchschmerzen und Stuhlunregelmäßigkeiten
einen Arzt aufsuchen, kann eine körperliche Erkrankung (z. B. Entzündung oder Krebs) als
Ursache der Beschwerden ausgeschlossen werden. Den Beschwerden liegt eine sogenannte
Funktionsstörung des Darmes zugrunde. Diese Funktionsstörung des Darms wird
Reizdarmsyndrom (im Folgenden RDS abgekürzt) genannt. Manchmal wird auch der Begriff
'Colon irritabile' (englisch: irritable bowel syndrome, abgekürzt IBS)verwendet. Der Begriff
'Syndrom' wird verwendet, da das Krankheitsbild durch eine Kombination körperlicher
(subjektiver) Symptome, und nicht durch objektive Blutuntersuchungen oder Röntgenbefunde
definiert ist.
Von einem Reizdarm wird dann gesprochen, wenn Bauchschmerzen und
Stuhlunregelmäßigkeiten über einen längeren Zeitraum vorliegen. Die Bestimmung von
Grenzwerten (ab welcher Beschwerdeintensität und - dauer liegt ein RDS vor) ist willkürlich. In
regelmäßigen Abständen treffen sich Darmexperten in Rom (Italien), um die Kriterien für das
RDS neu festzulegen. Die Kriterien für ein RDS werden daher 'Rom-Kriterien' genannt. Die
aktuelle Definition des RDS erfolgt an Hand der Rome III - Kriterien:
1. Wiederkehrende Bauchschmerzen oder Missempfindungen im Bauch
2. Symptombeginn vor mindestens 6 Monaten
3. Symptome an mindestens 3 Tagen pro Monat in den letzten 3 Monaten in Verbindung mit
mindestens 2 der folgenden Symptome:
a. Besserung nach Stuhlgang
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b. Beginn einhergehend mit Änderung Stuhlfrequenz
c. Beginn einhergehend mit Änderung in Stuhlform
Häufigkeit:
30% aller Menschen geben gelegentliche Bauchschmerzen und Stuhlunregelmäßigkeiten an.512% aller Menschen in allen Ländern der Welt hat RDS-Beschwerden. RDS-Symptome können
in jedem Lebensalter auftreten, am häufigsten zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. In den
Industrieländern geben Frauen 2-3mal häufiger Reizdarmbeschwerden an als Männer. Etwa
50% der Menschen fühlen sich durch die Symptome weder eingeschränkt noch krank und
gehen deswegen nicht zum Arzt (sogenannte Nicht-Patienten). Etwa 50% der Menschen
suchen den Arzt auf oder nehmen andere Behandlungen (z. B. frei verkäufliche Medikamente)
in Anspruch. Der Besuch beim Arzt ist oft durch die Sorge bestimmt, an einer körperlichen
Erkrankung zu leiden. Es handelt sich daher um eines der häufigsten Beschwerdebilder in
Praxen von Allgemeinärzten und Darmspezialisten (sog. Gastroenterologen). Nur 1% der
Menschen mit RDS sind durch die Beschwerden so eingeschränkt, dass sie dauernder
Behandlung durch Spezialisten bedürfen. Das Risiko, an einer entzündlichen oder bösartigen
Erkrankung von Darm zu erkranken ist beim RDS nicht erhöht.
2. Symptome, Untergruppen und Schweregrade des Reizdarmsyndroms
Das RDS ist ein vielschichtiges Beschwerdebild
Hauptsymptome
sind Bauchschmerzen in Zusammenhang mit Veränderten Stuhlgewohnheiten (Durchfälle,
Verstopfung oder Wechsel von Durchfällen und Verstopfung); Veränderter Stuhlpassage
(erschwert; starker Stuhldrang oder Gefühl unvollständiger Stuhlentleerung);
Schleimbeimengungen im Stuhl; Blähungen bzw. Gefühl des Aufgetriebenseins;
Beschwerderückgang nach Stuhlgang
Weitere Beschwerden können sein:
Körperlich: Kopfschmerzen; Gliederschmerzen; Beschwerden im Genitalbereich;
Rückenschmerzen; Kloßgefühl im Hals; Gefühl der Atemhemmung; Müdigkeit oder Erschöpfung;
Herzrasen oder Herzstolpern; Vermehrtes Schwitzen oder Schweißausbrüche ( heiß oder kalt);
Hitzewallungen oder Erröten
Seelisch: Innere Unruhe, Nervosität, Ängstlichkeit, Anspannung, Niedergeschlagenheit,
Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen
D.h. Viele Betroffene haben nicht nur Beschwerden im Darm, sondern auch in anderen Organen
(z. B. Magen, Herz, Harnblase, Rücken) und seelische Beschwerden.
Formen des Reizdarmsyndroms:
Durchfall- Form: Durchfälle werden als Hauptbeschwerden angegeben
Verstopfungs- Form: Verstopfung und Bauchschmerzen werden als Hauptbeschwerden
angegeben
Schmerz - Form: Bauchschmerzen werden als Hauptbeschwerden angegeben
Mischformen: Bauchschmerzen sowie eine Wechsel von Durchfällen und Verstopfung bzw.
Blähungen/aufgetriebener bzw. angespannter Bauch werden als Hauptbeschwerden angegeben.
Schweregrade des Reizdarms
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Sogenannte Nicht-Patienten: Die vorhandenen Beschwerden werden als nicht störend erlebt; es
liegen keine Beeinträchtigungen in Alltagsfunktionen (z.B. Fähigkeit Beruf oder Haushaltstätigkeit
auszuüben, Freizeitverhalten, Sexualität).
Leichtgradig: Die vorhandenen Beschwerden werden gelegentlich als störend erlebt und führen
selten zu Beeinträchtigungen in Alltagsfunktionen
Mittelschwer: Die vorhandenen Beschwerden werden häufig als störend erlebt und führen
manchmal zu Beeinträchtigungen in Alltagsfunktionen (z. B. gelegentliche Krankschreibungen
oder Absage von Verabredungen wegen Beschwerden)
Schwergradig: Die vorhandenen Beschwerden werden immer als störend erlebt und führen
häufig zu Beeinträchtigungen in Alltagsfunktionen (z. B. häufige Krankschreibungen oder Absage
von Verabredungen wegen Beschwerden, reduzierte Sexualität; die eigene Wohnung wird kaum
noch verlassen oder nur zu Aktivitäten, bei denen eine Toilette in der Nähe ist).
3. Ursachen
Das RDS hat mehrere Ursachen
3.1 Nachgewiesene Ursachen
Es gibt keine einheitlichen Ursachen des Reizdarms. Vor allem bei Menschen, die sich durch die
Beschwerden eingeschränkt oder krank fühlen, kommen mehrere Ursachen zusammen.
a. Familiäre Häufung: Das RDS kommt in Familien gehäuft vor. Diese familiäre Häufung kann
sowohl durch eine genetische (erbliche) Veranlagung als auch psychologische Prozesse
erklärt werden. Wenn Eltern über RDS-Beschwerden in Anwesenheit ihrer Kinder klagen, sich
deswegen beeinträchtigt zeigen bzw. zum Arzt gehen, kann dieses Verhalten von ihren
Kindern durch Modelllernen übernommen werden. d.h. die Neigung, sich bei
Bauchbeschwerden und Stuhlunregelmäßigkeiten 'krank' zu fühlen und sich 'als Patient' zu
verhalten, ist ein erlerntes Verhalten.
b. Nahrungsmittelunverträglichkeiten: liegen bei 2-25% aller Menschen vor. Die Häufigkeit
von Nahrungsmittelunverträglichkeiten bei RDS-Patienten liegt bei 50-70%. Natürliche oder
künstlich hergestellte Nahrungsmittelbestandteile können bei vielen Menschen
Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfälle hervorrufen. So können Milchzucker,
Fruchtzucker (Fruktose) oder Sorbitol (nicht resorbierbarer Zuckeralkohol) bzw. Alkohol und
Koffein sowie fettreiche Mahlzeiten bei manchen Menschen zu Bauchschmerzen und
Durchfällen führen. Milchzucker ist in allen aus Milch hergestellten Nahrungsmitteln enthalten.
Fruktose und Sorbitol sind als Süßstoffe in vielen 'Diabetiker'-Lebensmitteln,
kalorienreduzierten Lebensmitteln und Getränken sowie Steinobst enthalten. Bei manchen
Menschen kann schon der Genuss von 3 sogenannten zuckerfreien Kaugummis
Bauchschmerzen und Durchfälle hervorrufen.
Die meisten Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind durch die von Mensch zu Mensch
unterschiedliche Ausstattung des Darmes mit Enzymen (=Eiweiße, welche
Nahrungsbestandteile aufspalten und die Übernahme vom Darm ins Blut bewirken) zu
erklären. Genauso wie die Haut von Menschen unterschiedlich auf Sonneneinstrahlung
reagiert, ist die Aufnahmefähigkeit des Darmes von Zucker und Fetten unterschiedlich. Die
Dosis Sonneneinstrahlung oder Fruchtzucker, die bei Menschen zu Sonnenbrand bzw.
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Bauchschmerzen und Durchfällen führt, ist unterschiedlich. Die
Nahrungsmittelunverträglichkeit ist in diesen Fällen auf eine mangelnde Aufnahme des
Zuckers im Dünndarm (medizinisch: Malabsorption) zu erklären. Der Zucker wird dann von
Bakterien im Dickdarm vergoren, was sich in Blähungen oder Bauchschmerzen äußern kann.
c. Darminfektionen: Bei einigen Patienten entwickelt sich ein Reizdarmsyndrom nach einer
infektiösen Magen-Darmerkrankung. Bei feingeweblichen Untersuchungen unter dem
Mikroskop lassen sich minimale entzündliche Veränderungen nachweisen.
d. Emotionen: Gefühle können ebenfalls Magen und Darm reizen: Ärger kann auf den Magen
schlagen und manche 'scheißen vor Angst in die Hosen'. Vermehrte Ängstlichkeit,
Depressivität, Krankheitsängste und Neigung, unter Stress körperliche Beschwerden zu
entwickeln (sog. Somatisierungsneigung) sind Risikofaktoren für die Entwicklung eines RDS.
e. Stress: Belastende Lebensereignisse (z. B. Verlust des Arbeitsplatzes, Trennung vom
Partner) erhöhen ebenfalls das Risiko, ein RDS zu entwickeln.
f.
Zusammenwirken von biologischen und psychischen Faktoren: Das Risiko, ein RDS zu
entwickeln steigt, wenn mehrere der oben genannten Risikofaktoren zusammenkommen, z. B.
ein ängstlicher Mensch einen Darminfekt und gleichzeitig erhebliche Arbeitsplatzprobleme
hat.
3.2 Keine Ursachen
a. Nahrungsmittelallergie: Die Beschwerden einer Nahrungsmittelallergie (übersteigerte
Reaktion des körpereigenen Immunsystems gegenüber Nahrungsmitteln) und eines RDS
sind unterschiedlich! An einer Nahrungsmittel-Allergie leiden etwa 1 bis 2 Prozent der
Erwachsenen und 3 bis 4 Prozent der Kinder in Deutschland. Häufige Symptome sind
Missempfindungen und Schwellungen im Bereich der Mundschleimhaut,
Hautveränderungen und Übelkeit oder Erbrechen unmittelbar nach dem Essen des
allergieauslösenden Nahrungsmittels. Am häufigsten treten Nahrungsmittel-Allergien als
Kreuzallergie auf: Viele Heuschnupfen-Patienten reagieren mit Juckreiz in Mund und
Rachen nach dem Essen von Nüssen oder Kernobst, weil darin ähnliche Eiweiße
vorkommen wie in bestimmten Pollen. Eine isolierte Nahrungsmittelallergie des Darmes
ist sehr selten.
b. Pilze (Candida albicans) im Darm: Candida albicans lässt sich bei Gesunden als auch
bei RDS-Patienten mit gleicher Häufigkeit nachweisen (ca 20%). Der alleinige Nachweis
von Candia albicans im Stuhl hat keinen Krankheitswert! Candida albicans kann nur bei
Menschen, deren Immunsystem stark geschwächt ist (z. B, durch AIDS oder eine
aggressive Chemotherapie) zu einer Darmentzündung führen, welche bei der
Dickdarmspiegelung mit bloßem Auge zu erkennen ist.
Weitere Informationen:
www.medizin.de/ratgeber/themen-a-z/c/candida-albicans-candidiasis.html
4. Krankheitsmechanismen und das Bauchhirn
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Betroffene fühlen sich manchmal von Ärzten und Angehörigen mit ihren Beschwerden nicht ernst
genommen, da alle technischen Untersuchungen unauffällig sind. Die Krankheitsmechanismen des
RDS sind mit den Mitteln der medizinischen Routinediagnostik (Blutuntersuchungen, Ultraschall,
Darmspiegelungen) nicht nachweisbar. Bei den meisten RDS-Betroffenen liegt eine erhöhte
Empfindlichkeit (erniedrigte Schmerzschwelle) des Darmes vor, die sich mit Methoden der
Grundlagenforschung nachweisen lässt. Die gleiche Menge Luft im Darm wird von Menschen mit
RDS als schmerzhaft empfunden, während sie von Gesunden als Druck oder gar nicht
wahrgenommen wird. Die Schmerzschwelle des Darms kann bei Frauen während der
Monatsblutung erniedrigt sein. Die erniedrigte Schmerzschwelle des Darms kann sowohl durch
Veränderungen im Darm (z. B. abgelaufene Entzündung) als auch durch eine veränderte
Verarbeitung von Nervenimpulsen aus dem Darm im Gehirn bedingt sein, d.h. Menschen mit RDS
erleben Empfindungen aus dem Bauch als unangenehm bzw. gefährlich. Weiterhin kann das
Zusammenziehen und Entspannen der Darmmuskulatur (sog. Kontraktionen) gestört sein.
Zwischen Großhirn (Gedanken und Gefühlen) und dem vegetativen Nervensystem bzw. dem
enterischen Nervensystem (sog. Bauchhirn) bestehen zahlreiche Nervenverbindungen, welche die
Wechselwirkung von Magen/Darm und Psyche beim RDS erklären. Die Nervenzellen des
Darmhirns und des Großhirns sprechen mittels chemischer Substanzen
(Überträgerstoffe=Neurotransmitter) miteinander. Die Neurotransmitter sind sozusagen die Worte
der Sprache des Bauch- und Großhirns. Beide Hirne sprechen dieselbe Sprache, d.h. die
Überträgerstoffe sind gleich. Ein Beispiel: Serotonin ist im Großhirn bei de Regulation unserer
Stimmung und Appetit und im Bauchhirn an der Regulation der Schmerzempfindlichkeit und der
Kontraktionen des Darms beteiligt.
5. Diagnose
Die Diagnose kann nur durch einen Arzt gestellt werden!
5.1 Welche Untersuchungen sind notwendig?
Die Diagnose kann durch einen internistisch erfahrenen Arzt anhand der Befragung des Patienten
nach seinen Beschwerden, einer körperlichen Untersuchung, Laboruntersuchungen sowie
technischen Untersuchungen gestellt werden. In den meisten Fällen eine einmalige Spiegelung
(Endoskopie) von Magen bzw. Dickdarm sinnvoll. Die genannten Untersuchungen dienen vor allem
dem Ausschluss einer körperlichen Erkrankung als Ursache der Bauchbeschwerden.
Folgende Symptome sprechen gegen ein RDS und das Vorliegen einer Darmentzündung oder
Darmkrebs: Erste Beschwerden > 50 Jahre, kurze Dauer der Beschwerden, nachgewiesener
Gewichtsverlust, nächtliche Symptome, Familienanamnese Dickdarmkrebs, Blutarmut, Blutabgänge
mit dem Stuhl.
Folgende Symptome sprechen für ein RDS: Symptome > 6 Monate (vor allem Jahre mit
beschwerdefreien Phasen), zahlreiche weitere körperliche Beschwerden, Vorgeschichte
medizinisch nicht erklärbarer Symptome, Zunahme Beschwerden bei Stress.
Eine aktuelle (2007) englische Leitlinie der gastroenterologischen Fachgesellschaft empfiehlt bei
typischen RDS-Beschwerden folgende Untersuchungen: Bei allen Patienten sollen Blutbild und das
C-reaktive Protein im Blut bestimmt werden. Weitere Untersuchungen sollen in Abhängigkeit von
den Hauptsymptomen und dem Lebensalter durchgeführt werden.
-
Alter > 50 Jahre bzw. > 45 Jahre Familienanamnese Dickdarmkrebs: Dickdarmspiegelung
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-
Durchfälle: Dickdarmspiegelung (mit Gewebeproben auch bei unauffälliger Schleimhaut zum
Ausschluss einer mikroskopischen oder kollagenen Dickdarmentzündung) und Antikörper
gegen Transglutaminase (zum Ausschluss einer durch Klebereiweiß bedingten Entzündung
der Dünndarmschleimhaut = Zöliakie oder Sprue)
-
Akuter Beginn Durchfall: Stuhluntersuchungen und Dünndarmgewebeproben (auf
Darminfektionen)
-
Schwere nächtliche Durchfälle: Gallensäureresorptionstest
-
Konstante Oberbauchschmerzen: Computertomographie (CT zum Ausschluss
Bauchspeicheldrüsenerkrankung)
-
Wiederkehrender rechter Oberbauchschmerz: Ultraschall (zum Ausschluss
Gallenblasensteine)
5.2 Welche Untersuchungen sind nicht sinnvoll?
Folgende Untersuchungen sind nach den aktuellen Leitlinien der britischen gastroenterologischen
Gesellschaft (2007) und des englischen Nationalen Instituts für Gesundheit und klinische Exzellenz
NICE (2008) und der deutschen Leitlinie zum RDS (2012) zur Diagnose eines RDS nicht
notwendig.
a. Kernspin des Bauches: Liegt ein typisches Beschwerdemuster des RDS vor und sind die
oben genannten Ausschlussuntersuchungen unauffällig, ist eine Kernspinuntersuchung des
Dünndarmes ncht sinnvoll.
b. Stuhluntersuchungen auf Pilze und Darmflora:Bei fehlenden Durchfällen sind auch keine
Stuhluntersuchungen sinnvoll. Manche Ärzte lassen den Stuhl auf Pilze (Candida albicans)
oder auf die Zusammensetzung der Darmflora untersuchen.Obwohl Störungen der
Darmflora auch in der Schulmedizin als ein möglicher Krankheitsmechanismus des RDS
diskutiert werden, ist eine Stuhlanalyse der Darmflora weder zur Diagnose noch Therapie
des RDS notwendig. Diese Untersuchungen werden von allen aktuellen Leitlinien zur
Diagnostik des RDS nicht empfohlen (siehe 3.2).
c. Antikörper gegen Nahrungsmittel: Von manchen Ärzten oder Heilpraktikern wird eine
Untersuchung von IgG bzw. IgG4-Antikörpergegen Nahrungsmittel zur Überprüfung einer
'Nahrungsmittelallegie' emfohlen. Die Kosten (bis 300 €) muss der gesetzlich
Krankenversicherte selbst zahlen. Blutuntersuchungen auf IgG4 zeigen keine Krankheit an,
sondern spiegeln nur die ganz normale Auseinandersetzung des Immunsystems mit
bestimmten Substanzen wider. So sind bei jemanden, der viel Milch trinkt, ganz natürlich
auch viele spezifische IgG-Antikörper gegen Milch im Blut nachweisbar und ein IgG-Test
fällt positiv aus, obwohl keine Allergie auf Milcheiweiß vorliegt. Tests auf IgG machen zur
Abklärung von Nahrungsmittel-Allergien oder Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten keinen
Sinn und werden sowohl von gastroenterologischen als auch allergologischen ärztlichen
Fachgesellschaften nicht empfohlen.
Weitergehende Infos:
http://www.allergietherapie.de/texte/laien/pm/aeda_11_04/dgai4.html
d. Wasserstoffatemteste: Sind zur Diagnose eines RDS nicht notwendig. Weitere Infos siehe
5.3
5.3 Stellenwert von Untersuchungen zu Nahrungsmittelunverträglichkeiten
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Wasserstoffatemteste: Wie bereits ausgeführt, ist die Häufigkeit von
Nahrungsmittelunverträglichkeiten bei RDS-Patienten erhöht. Die Unverträglichkeit von Milchzucker
(Laktose), Fruchtzucker (Fruktose) und des Zuckeraustauschstoffes Sorbit oder Sorbitol kann durch
einen Wasserstoff (H2-) Atemtest nachgewiesen werden. Dazu wird eine definierte Menge der
genannten Substanzen getrunken und die Wasserstoffkonzentration in der Ausatemluft über 2 -4
Stunden gemessen. Wird der Zucker von der Dünndarmschleimhaut nicht ausreichend
aufgenommen, wird der Zucker im Dickdarm durch Bakterien vergärt. Dadurch kommt es zu einem
Anstieg der Wasserstoffkonzentration in der Ausatemluft. Bei der Interpretation des Tests ist
folgendes zu beachten:
-
Der Test ist nur als positiv (Hinweis für Nahrungsmittelunverträglichkeit im Sinne einer
mangelnden Aufnahme des Zuckers) anzusehen, wenn die H2-KOnzentration über
einen Schwellenwert ansteigt und der Betroffene über Bauchschmerzen oder
Blähungen bzw. Stuhldrang klagt.
Die Zucker-Dosis, welche in den Tests verwendet wird, ist viel höher als die
üblicherweise zugeführte Dosis. So entspricht die Dosis von 50 g Milchzucker 1 Liter
Milch und von 50 g Fruktose etwa 4 großen Äpfeln. D.h. dass Menschen mit positiven
Testergebnis durchaus geringe Dosen der getesteten Substanz vertragen.
Es gibt falsch positive und falsch negative Ergebnisse. Rauchen oder das Essen von
Bohnen am Vortag kann zu falsch positiven Ergebnissen führen. Es gibt Menschen,
deren Darm kein Wasserstoff produziert (falsch negative Ergebnisse)
-
-
Weitergehende Infos:
http://www.gesundheit.de/medizin/untersuchen/atemtest/index.html
http://www.gastroenterologie-minden.de/page/ggm021.htm
Was tun bei Milchzuckerunverträglichkeit und Einnahme von laktosehaltigen
Medikamenten?
Lactose ist in fast allen Tabletten als Füllstoff enthalten, da diese für die Tablettenherstellung
wegen ihrer Verarbeitungsqualitäten nahezu ideal als Füllstoff geeignet ist. Meistens ist quantitativ
gesehen nur so wenig Lactose in den Tabletten, dass diese im Gegensatz zu der enthaltenen
Menge in Nahrungsmitteln (oft versteckt in Wurstwaren und Aromen) zu keiner oder nur in sehr
seltenen Fällen zu Unverträglichkeitsreaktionen führen kann, d.h. von den meisten betroffenen
Patienten werden die geringen Mengen an Lactose ohne Unannehmlichkeiten toleriert.
Bauchbeschwerden nach Einnahme laktosehaltiger Medikamente könne daher durch
psychologische Faktoren wie Erwartungsangst bedingt sein (sog. Noceboeffekt) – siehe:
http://www.haeverlag.de/nae/n_beitrag.php?id=2388
Für den Laien zugängliche Informationen über Arzneimittel inkl. deren Laktosegehalt finden
sich unter
http://www.pharmnet-bund.de/dynamic/de/am-info-system/index.html
6. Behandlung
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6.1 Vorbemerkung:
Realistische Therapieziele setzen: Jeder RDS-Betroffene sollte sich klar darüber sein, dass eine
Heilung im Sinne einer anhaltenden völligen Beschwerdefreiheit durch keine Behandlungsmethode
möglich ist. Ziele der Behandlung sind eine Verbesserung der Lebensqualität durch den Erwerb
einer anderen Einstellung gegenüber den Beschwerden (keine bedrohliche Krankheit sondern
Beschwerden, mit denen frau/man leben kann), eine Verbesserung der Lebensqualität (z. B.
Erweiterung der Nahrungsmittelauswahl oder der Freizeitaktivitäten) und eventuell eine Reduktion
der Beschwerden.
Abgestufte Therapie: Bei leichtgradigen Formen des RDS genügt eine sorgfältige Information über
die Harmlosigkeit der Beschwerden sowie Ermutigung zu einer gesunden Lebensführung
(ausgewogene Ernährung und Schlaf, angemessene Erholung, regelmäßige körperliche
Bewegung). Wenn die Beschwerden zu Beeinträchtigungen in Alltagsfunktionen führen, kann eine
zeitlich befristete symptomatische Behandlung der Beschwerden erwogen werden. Die
Entscheidung für oder gegen eine Behandlungsmethode soll von Patient und Arzt gemeinsam
getroffen werden.
Berücksichtigung von Patientenwünsche bei der Auswahl von Behandlungen: Bei der Wahl
der Behandlungsmethoden sollen die Wünsche des Patienten (sog. Patientenpräferenzen)
berücksichtigt werden. Manche Menschen bevorzugen eher medikamentöse (inkl.
alternativmedizinischer) Therapien, andere eher psychologische Verfahren. Weiterhin sind mögliche
Nebenwirkungen, Aufwand/Kosten und Verfügbarkeit von Behandlungsverfahren zu
berücksichtigen. SO sind medikamentöse Behandlungen leicht verfügbar, haben jedoch selten
schwerwiegende Nebenwirkungen. Psychologische Behandlungen haben in der Regel keine
Nebenwirkungen, sind jedoch zeitaufwendig und nicht immer verfügbar (siehe Punkt 7). Egal
welche Behandlung durchgeführt wird, ihr Nutzen ist durch den Betroffenen und den Behandler
regelmäßig zu überprüfen.
Regelmäßige Überprüfung des Nutzens einer Behandlung: Der Nutzen einer Behandlung kann
am besten durch den Betroffenen selbst beurteilt werden, z. B. durch ein Aktivitäts- und
Symptomtagebuch. Hat der Betroffene mehr Aktivitäten (z. B. mit Freunden essen gehen)trotz der
Beschwerden durchgeführt? Hat sich die Häufigkeit der Darmkrämpfe oder Stuhlentleerungen
reduziert?
6.2 Diät
Es gibt keine 'RDS-Diät'.
a. Allgemeine Ratschläge. Folgende Ratschläge zur Ernährung werden vom englischen
Nationalen Institut für Gesundheit und klinische Exzellenz NICE (2008)gegeben:
Essen Sie regelmäßig und nehmen Sie sich Zeit beim Essen.
Lassen Sie keine Mahlzeiten ausfallen.
Trinken Sie mindestens 8 Gläser Wasser oder sonstige koffeinfreie Getränke wie Kräutertee pro
tag.
Trinken Sie nicht mehr als 3 Tassen Kaffe oder Tee pro Tag.
Trinken Sie Alkohol nur in geringen Mengen ('Bierschiss').
Reduzieren Sie probeweise die Ballaststoffmenge.
Essen Sie nicht mehr als 3 Portionen frisches Obst pro Tag.
Wenn Sie Durchfälle haben, vermeiden Sie den Zuckerersatzstoff Sorbitol, der in zuckerfreien
Nahrungsmitteln und Getränken zz. Diät- und Diabetesprodukten enthalten ist.
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Wenn Sie Blähungen haben, versuchen Sie Haferprodukte oder Leinsamen (1 Suppenlöffel).
b. Blähungen. Inwieweit einzelne Nahrungsmittel Bauchschmerzen, Durchfälle oder Blähungen
hervorrufen können, ist individuell sehr unterschiedlich. Folgende Zucker können Blähungen
verstärken (Quelle: Wächtershäuser A, Stein J. Ernährungsfaktoren und Ernährungstherapie
beim RDS. Was ist valide? Z Gastro 2008;46:279-291):
-
Fruktose, Sorbitol: Früchte, Diabetikerprodukte, Kaugummi, Bonbons
-
Oligofruktose, Insulin: Artischocken, Zwiebeln, Lauch, Chicoree
-
Raffinose: Bohnen, Erbsen
-
Resistente Stärke; Unreife Bananen, unzureichend gekochte Bananen, gekochte und
abgekühlte Nichtgetreidestärken
-
Ballaststoffe: Obst und Gemüse in größeren Mengen
c. Nachgewiesener Laktose- oder Fruktoseunverträglichkeit. Ein Test mit einer milch- bzw.
fruchtzuckerreduzierten Kost über 2-4 Wochen sinnvoll. Wenn sich die Beschwerden
eindeutig verbessern, kann eine milch- bzw. fruchtzuckerreduzierte Kost weiter geführt
werden. Geringe Mengen Milch- bzw. Fruchtzucker werden in der Regel ohne Beschwerden
toleriert. Obwohl Sauermilchprodukte (Joghurt, Dickmilch, Kefir etc.) relativ große Mengen
Milchzucker enthalten (, werden sie häufig gut vertragen. Grund hierfür sind die
Milchsäurebakterien, die im Darm größere Mengen Milchzucker abbauen.Ähnliches gilt für
die Verträglichkeit vieler Käsesorten, da der Milchzucker bei der Käseherstellung durch
Fermentation weitgehend abgebaut wird.
Weitergehende Informationen:
http://www.ernaehrung.de/tipps/laktoseintoleranz/lakto11.php
http://www.ernaehrung.de/tipps/intoleranzen/intoleranz10.php
6.3 Medikamente
Das englische Nationale Institut für Gesundheit und klinische Exzellenz NICE (2008) empfiehlt
folgende Stufentherapie
Stufe 1: Bei Schmerzen: Krampflösende Medikamente, bei Verstopfung Abführmittel (jedoch keine
Laktulose), bei Durchfällen Loperamid. Bei unzureichender Wirksamkeit
Stufe 2: Antidepressiva: An erster Stelle werden trizyklische Antidepressiva (TCA) empfohlen (z. B.
Amitriptylin, Doxepin, Trimipramin), bei unzureichender Wirksamkeit SerotininWiederaufnahmehemmer (SSRI) (z. B. Paroxetin oder Fluoxetin)
Stufe 3: Wenn eine medikamentöse Therapie über 1 Jahr keine Verbesserung der Lebensqualität
bzw. Symptomreduktion erbracht hat, soll eine Behandlung mit psychologischen Verfahren
(Hypnotherapie oder kognitive Verhaltenstherapie) erfolgen.
Die Leitlinie der britischen gastroenterologischen Gesellschaft nennt als weitere medikamentöse
Behandlungsoption die Gabe von Probiotika, d.h. Nahrungsmitteln, welche lebensfähige
Mikroorganismen enthalten.
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Weitere Informationen:
http://www.focus.de/gesundheit/ernaehrung/gesundessen/tid8064/probiotika_aid_139963.html
Meine Anmerkungen zur medikamentösen Therapie
a. Antidepressiva: Meiner Erfahrung nach schrecken manche Patienten von einem
Behandlungsversuch mit Antidepressiva zurück, weil sie eine 'Abhängigkeit' oder
Nebenwirkungen befürchten bzw. sagen 'ich bin doch nicht depressiv'. Es ist wichtig folgendes
zu wissen:
- Antidepressiva wirken auf die Botenstoffe des Darmhirns.
- Antidepressiva wirken auch RDS- Patienten, welche nicht depressiv bzw. übermäßig
ängstlich sind.
- Antidepressiva machen im Gegensatz zu Beruhigungsmitteln (Tranquilizer) nicht
abhängig.
- Die Dosen, die zur Behandlung von Reizmagen und Reizdarm (10-25 mg) eingesetzt
werden, sind um ein mehrfaches niedriger als zur Behandlung von Ängsten und
Depressionen (50-150 mg).
- Antidepressiva haben Nebenwirkungen. Dabei sind häufige und vorübergehende (z. B.
vermehrte Müdigkeit, Mundtrockenheit) und seltene (z.B. Leberschäden) zu
unterscheiden. Bei einigen Erkrankungen dürfen die genannten Substanzen nicht
eingesetzt werden (z. B. erhöhter Augeninnendruck,
Harnblasenentleerungsstörungen).Die Substanzen sollten also nur von Ärzten
verschrieben werden, welche Erfahrungen mit Antidepressiva haben und unter
Berücksichtigung möglicher Begleiterkrankungen.
b. Neue Medikamente: Es werden neue Medikamente entwickelt, die gezielt auf die
'Andockstellen' von Überträgersubstanzen(Neurotransmitter) wirken, welche die Bewegung des
Darms und die Wahrnehmung von Reizen steuern. Ein wichtiger Neurotransmitter des Darmes
ist Serotonin. Pharmafirmen arbeiten mit Hochdruck an Medikamenten, welche an den
unterschieldlichen 'Andockstellen' des Serotonins im Darm angreifen. Einige dieser
Medikamente haben sich in der Reduktion von RDS-Symptomen als sehr wirksam erwiesen,
wurden jedoch wegen seltener tödlicher Nebenwirkungen vom Markt genommen:
- Alosetron (Firmenname Lotronex) (5HT3 bzw. Serotonin-Antagonist). Am 02.12.00 wurde
Lotronex von der Firma Glaxo Wellcome auf Empfehlung der amerikanischen FDA (Food
and Drug Administration Zulassungsbehörde für Medikamente)vom US-amerikanischen
Markt genommen. Bis zum 10.10.2000 war das Präparat ca. 450 000 mal verschrieben
worden. 70 Berichte von schwerwiegenden Nebenwirkungen waren bekannt geworden, 3
Patienten waren weislich aufgrund der Einnahme des Präparates gestorben. Am 07.06.2002
wurde das Präparat in den USA von der FDA unter Einschränkungen wieder zugelassen: Es
darf von Ärzten, welche an einem Verschreibungskurs teilgenommen haben, an Frauen mit
schwerem Formen eines durchfalldominanten Reizdarmsyndroms verschrieben werden,
welche auf eine konventionelle Reizdarmtherapie nicht angesprochen haben.
- Tegaserod (Firmenname Zelnorm bzw. Zelmac). Tegaserod wirkt gezielt an
Serotoninrezeptoren (5-HT4-Rezeptoragonist) im Darm, die bei der Schmerzwahrnehmung
und Darmmotorik eine Schlüsselrolle spielen. Das Präparat war in Deutschland nicht
zugelassen, jedoch in der Schweiz. Ende März 2007 stellte Novartis die Vermarktung auf
Empfehlung der US-Amerikanischen Arzneimittelzulassungsbehörde FDA wegen einer
erhöhten Rate von Herzinfarkten bzw. Herzbeschwerden aus.
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Cilasentron (5HT3-antagonist): Aktuell laufen in den USA Studien mit diesem Medikament,
welches wie Lotronex auf die durchfalldominante Form des Reizdarmsyndromes bei
Männern und Frauen wirken soll. Das Medikament ist noch in keinem Land zugelassen.
Mein Standpunkt zu neuen Medikamenten: In Anbetracht der 'Lotronex- und Zelmac-Affäre'
sollten Betroffene und Ärzte meines Erachtens mit zu starken Hoffnungen bzgl. neuer
Medikamente zurückhaltend sein und abwarten, ob sich das Medikament bei breiter
Anwendung bewährt und wie häufig (schwere) Nebenwirkungen sind. Allen Betroffenen mit
mäßigen und schweren Verlaufsformen ist zu wünschen, dass wirkungsvolle und sichere
Medikamente zugelassen werden.
6.4 Psychologische Verfahren
Die Leitlinie der britischen gastroenterologischen Gesellschaft (2007) und des englischen
Nationalen Instituts für Gesundheit und klinische Exzellenz NICE (2008) empfehlen folgende
psychologische Verfahren:
Kognitive Verhaltenstherapie, darmgerichtete Hypnose, Entspannungsverfahren und
psychodynamische Therapie. Psychologische Verfahren sind bei Patienten wirksam, die auf eine
psychologische Behandlung nicht angesprochen haben. Bei der kognitiven Verhaltenstherapie
werden die mit dem RDS verbundenen ungünstigen Gedanken (z. B. 'das Essen werde ich wieder
nicht vertragen'; 'wo ist die nächste Toilette?') und Verhaltensweisen (z. B. Vermeiden von
Situationen) analysiert und verändert. Siehe: www.psychotherapie-beratung.de/vt.html
Bei der darmbezogenen Hypnose werden durch Suggestionen und Fantasiereisen die
Darmfunktion und das allgemeine Befinden (z. B. Selbstvertrauen) der Patienten positiv beeinflusst.
Siehe:
www.medizinpopulaer.at/archiv/medizin-vorsorge/details/article/reizdarmsyndrom-hypnose-hilft.html
Bei der psychodynamischen Therapie werden die mit dem RDS verbundenen (unbewussten)
Gefühle und inneren Konflikte bearbeitet. Siehe:
www.netdoktor.de/Krankheiten/Depression/Therapie/Psychodynamische-Therapie-5279.html
6.5. Welche Behandlungen sind nicht sinnvoll?
Alle anderen der zahlreichen beim RDS angewendeten Behandlungen werden von den beiden
britischen Leitlinien auf Grund eines fehlenden Wirksamkeitsnachweises nicht empfohlen. Dazu
gehören u.a. Akupunktur, traditionelle chinesische Kräutermedizin, eine medikamentöse oder
diätetetische Behandlung von Candida albicans, Ozoninsufflationen in den Darm oder
Darmsanierung/Symbioselenkung.
7. Wo erhalten Betroffene kompetenten Behandlung?
Der erste Ansprechpartner ist der Hausarzt. Er kann anhand der Beschwerdesymptomatik die
Verdachtsdiagnose äußern und einige Ausschlussuntersuchungen (z. B. Ultraschall und
Laboruntersuchungen) durchführen. Die zur Ausschlussdiagnose notwendige einmalige Spiegelung
von Speiseröhre/Magen/oberem Dünndarm beim Verdacht auf Reizmagen bzw. des Dickdarms
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beim Verdacht auf Reizdarm kann ambulant durch einen niedergelassenen fachärztlichen
Internisten bzw. Gastroenterologen erfolgen. Siehe: www.gastromed-bng.de.
Beratung über Ernährung und Lebensführung sowie die symptomorientierte medikamentöse
Therapie können ebenfalls von Hausärzten bzw. Internisten durchgeführt werden. Sie können
Patienten auch am besten beraten, wann eine psychotherapeutische Behandlung sinnvoll ist und
an welchen niedergelassenen ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten sich der Patient
wenden kann. Es sollte sichergestellt sein, dass der Psychotherapeut Erfahrungen in der
Behandlung von Reizmagen- bzw. Reizdarmpatienten hat. Die Behandlung ist fast immer ambulant
möglich. Da diese sich in der Regel über einen längeren Zeitraum erstreckt, sollte sie wohnortnah
durchgeführt werden.
Weitere Informationen zur Psychotherapiesuche finden sie auf der Homepage der Psychosomatik
auf www.klinikum-saarbruecken.de
In den seltenen Fällen andauernder und ausgeprägter Beschwerden, die auf die oben genannten
Maßnahmen nicht ausreichend ansprechen, kann eine Vorstellung in einer gastroenterologischen
bzw. schmerztherapeutisch/psychosomatischen Spezialambulanz sinnvoll sein. Solche
Spezialambulanzen befinden sich an einigen größeren Krankenhäusern in Deutschland.
Informationen über RDS-Ambulanzen können niedergelassene Ärzte oder Selbsthilfegruppen
Informationen über Ansprechpartner geben. Nur in sehr schweren Fällen ist eine stationäre
Behandlung in einer Schmerzklinik oder gastroenterologischen bzw. psychosomatischen
Rehabilitationsklinik notwendig.
8. Ambulante Therapieangebote des Klinikums Saarbücken
Wir bieten einen ambulantes Selbstmanagementprogramm für Patienten mit Reizmagen und
Reizdarm an, das auf den wissenschaftlich als wirksam erwiesenen Behandlungsmethoden der
kognitiven Verhaltenstherapie und Hypnose beruht. Das Programm von den Krankenkassen als
Patientenschulungsmaßnahme anerkannt. An dem Kurs können ambulante Patienten mit
Reizmagen und Reizdarm teilnehmen.
Eine Einzelbehandlung in der internistisch-psychosomatischen Ambulanz des Klinikums
Saarbrücken ist für nur Privatversicherte und Selbstzahler möglich. Patienten von gesetzlichen
Krankenkassen können im medizinischen Versorgungszentrum für Schmerztherapie und
Psychotherapie Saarbrücken St. Johann behandelt werden: www.mvz-sb.com/
9. Weitere Infos im Internet
9.1 Wissenschaftliche Leitlinien zur Diagnostik und Therapie des Reizdarms
Aktuelle deutschsprachige Patientenversionen von Wissenschaftlichen Leitlinien sind derzeit nicht
verfügbar. Die englischsprachige Patientenversion des englischen Nationalen Instituts für
Gesundheit und klinische Exzellenz NICE (2008)
findet sich unter www.nice.org.uk/Guidance/CG61/PublicInfo/doc/English
Was sind die typischen Symptome des Reizdarmsyndroms? Informationen des Instituts für Qualität
und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Erstellung:
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http://www.gesundheitsinformation.de/typische-symptome.278.196.html
9.2 Selbsthilfegruppen
Deutsche Reizdarmselbsthilfe e.V., Mörikeweg 2, 31303 Burgdorf, Tel. 05136-896106, Fax 05136873662.
http://www.reizdarmselbsthilfe.de
9.3 Videos
Reizdarmsyndrom und Bauchhirn. Wissenschaftsmagazin Sonde 21.05.2005
www.youtube.com/watch?v=nA0UpTgffPA
Tumult im Darm. Beispiel einer medizinischen Behandlung. SWR 3 04.12.2008
http://www.swr.de/odysso/-/id=1046894/nid=1046894/did=4125118/1yp3i8w/index.html
9.4 Weitere Informationen zu speziellen Aspekten
-
Radiodoktor: Eine Sendung zum RDS im Auftrag des Gesundheitsressorts Wien
http://oe1.orf.at/libero/127867.html
-
Allgemeinverständliche Informationen zum Reizdarm
http://www.netdoktor.de/krankheiten/Fakta/Reizdarm.htm
http://www.apotheken-umschau.de/Reizdarm
10. Meine Veröffentlichungen zu diesem Thema
Häuser W. (2002). Hypnose beim Reizdarm. Psychomed Heft 4, Schwerpunktheft Hypnotherapie
14: 227-232
Häuser W. Schmetterlinge im Bauch. Behandlung von Reizmagen und Reizdarm durch
medizinische Hypnose. Stuttgart: Hypnos Verlag, ISBN 3-933569-28-1.www.hypnos.de
Hypnose in der Gastroenterologie. Zeitschrift für Gastroenterologie 42 (2003) 405-412
Häuser W, Grandt D, Rünzi M. Bauchschmerzen aus internistisch-psychosomatischer Sicht.
Gestresster Magen - gereizter Darm? MMW - Fortschritte Medizin 146 (2004) 31-34
Häuser W, Lempa M. Reizdarmsyndrom. Der Schmerz 18(2004)130-135
Häuser W. Schmetterlinge im Bauch. Ablations- und Lifehypnose in der Behandlung einer Patientin
mit Reizmagen- und Reizdarmsyndrom. In: Ebell HJ, Schuckall H (Hrsg) : Warum therapeutische
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Hypnose? Aus der Praxis von Ärzten und Psychotherapeuten. München: Pflaum Verlag (2004) 7691
Häuser W, Grandt D. Zertifizierte Fortbildung: Reizmagen und Reizdarm. Ärztliche Praxis 48 (2005)
I-VII
Häuser W. (2008) Reizdarm. In: Revenstorf D., Peter B. (Hrsg.) Hypnose in Psychotherapie,
Psychosomatik und Medizin, Manual für die Praxis. Springer Verlag, Berlin, S. 558-568
Häuser W. Ist Hypnotherapie eine etablierte Behandlungsmethode in der Inneren Medizin?
Hypnose 2010; 5: 237-252
Häuser W, Layer P, Henningsen P, Kruis W. Funktionelle Darmbeschwerden beim
Erwachsenen. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(5): 83-94
http://www.aerzteblatt.de/archiv/121092/Funktionelle-Darmbeschwerden-bei-Erwachsenen
Zusammengestellt von PD Dr. med. Winfried Häuser, Facharzt für Innere Medizin, Facharzt für
Psychotherapeutische Medizin - Sportmedizin- Ärztlicher Leiter des Schwerpunktes Psychosomatik der
Medizinischen Klinik I des Klinikums Saarbrücken
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