"Deutschland kann stolz auf sein Multikulti sein"
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"Deutschland kann stolz auf sein Multikulti sein"
"Deutschland kann stolz auf sein Multikulti sein" Vor dem Länderspiel in Istanbul: Ein Vater-Sohn-Gespräch mit Mesut und Mustafa Özil über Erziehung, die Kraft des Fußballs und das deutschtürkische Verhältnis. Mesut Özil und sein Vater Mustafa, der seit Juli 2011 auch sein Berater ist Vokabeln: stolz auf sich entscheiden; die Entscheidung, -en die (Jugend-)Mannschaft, -en die U-19-Auswahl türkischstämmig auf•wachsen, ist aufgewachsen Menschen mit Migrationshintergrund auf dem Fußballplatz die Wurzeln das stört mich; Stört Sie das? Mesut Özil im deutschen Nationaltrikot proud of decision (youth) team youth team - players "under" 19 ethnically Turkish, of Turkish origin to grow up people with a migration background, i.e. immigrants or descendants of immigrants on the soccer field roots that bothers me; Does that bother you? Text (aus der Online-Version der Zeitung "Die Welt"): Nach der vorzeitig geschafften Qualifikation für die Europameisterschaft 2012 hat das Länderspiel in Istanbul gegen die Türkei am Freitag (7.10.2011, 20.30 Uhr/ARD) nur noch Testspielcharakter. [=Das Spiel ist für Deutschland nicht so wichtig, weil Deutschland schon für die EM qualifiziert ist.] Allerdings [=aber] nicht für Mesut Özil, 22: Er spielt zum ersten Mal mit der deutschen Nationalmannschaft im Geburtsland seiner Eltern. 2007 entschied er sich gegen die Türkei. Eine Entscheidung, die er auch mit seinem Vater Mustafa, 44, intensiv diskutierte. „Welt Online“ traf die beiden in Madrid. Welt Online: Mesut, am Freitag spielen Sie in der Türkei. Ein besonderes [=special] Spiel für Sie? Mesut Özil: Natürlich, das ist doch klar. Es ist das Land meiner Vorfahren [=ancestors]. Es wird eine tolle Stimmung herrschen [=there will be a great atmosphere] und eine schwierige Aufgabe sein, dort zu gewinnen. Ich bin aber überzeugt, dass wir drei Punkte holen werden. [Man bekommt drei Punkte, wenn man gewinnt.] Welt Online: Haben Sie Angst vor Pfiffen [=whistles, i.e. jeers]? Mesut Özil: Nein, damit kann ich umgehen. Auf dem Platz schalte ich ab [=I switch off, i.e. I tune these things out]. Im Hinspiel in Berlin [=Als Deutschland in Berlin gegen die Türkei gespielt hat] waren ja auch viele Türken im Stadion und haben gepfiffen. Ich kann deren [=ihre] Enttäuschung [=disappointment] ein Stück weit verstehen. Welt Online: Gab es früher Gedankenspiele [=Haben Sie früher daran gedacht], doch lieber für die Türkei zu spielen? Mesut Özil: Nein, auch wenn der türkische Verband [=the Turkish soccer federation] alles gegeben hat, um mich zu bekommen. Mir war aber immer klar, dass ich für Deutschland spielen möchte. Die einzige Schwierigkeit [=das einzige Problem] war, dass ich lange auf eine Einladung [=invitation] zu einer Junioren-Nationalmannschaft warten musste, während die Türken Druck gemacht haben [==> Die Einladung vom türkischen Verband ist schnell gekommen, und der türkische Verband wollte, dass Özil sich schnell entscheidet. Die Einladung vom deutschen Verband ist nicht so schnell gekommen]. Mit 17 Jahren habe ich dann zum ersten Mal für die [deutsche] U-19-Auswahl gespielt. Jetzt bin ich glücklich und stolz, für Deutschland spielen zu dürfen. Welt Online: Gab es Diskussionen in der Familie, wie Mesut sich entscheiden sollte? Mustafa Özil: Nein, diese Entscheidung haben wir letztendlich ihm überlassen [=we left it to him], auch wenn [auch wenn = even if] wir natürlich darüber geredet haben. Es war eine schwierige Entscheidung. Aber Mesut ist in Deutschland geboren, aufgewachsen und gefördert worden [er ist gefördert worden = he was nurtured and supported]. Darum war es richtig, sich für die deutsche Mannschaft zu entscheiden. Vor allem [=above all], wenn man sich die Gegenbeispiele anguckt [=Die Beispiele von anderen türkischdeutschen Spielern, die sich entschieden haben, für die Türkei zu spielen, zeigen [=show], dass Özils Entscheidung richtig war]. Welt Online: Was meinen Sie? Mustafa Özil: Ich höre von vielen türkischstämmigen Spielern, die wie Mesut in Deutschland aufgewachsen sind und sich für die Türkei entschieden haben, dass sie dort nicht glücklich sind. Sie werden im Team nicht akzeptiert, werden ausgegrenzt [=are excluded (socially)]. Ihre Mentalität ist anders, weil sie anders aufgewachsen sind. Yildiray Bastürk oder Hamit Altintop sind solche Beispiele. Welt Online: Nuri Sahin, der auch bei Real Madrid spielt und derzeit [=jetzt] verletzt [=injured] ist, hat sich für die Türkei entschieden. Haben Sie mit ihm darüber gesprochen? Mesut Özil: Ja. Und ich verstehe ihn. Er hat für die Jugendmannschaften der Türkei gespielt. Ich akzeptiere seine Entscheidung und er meine. […] Welt Online: Wenn Sie immer der Beste waren: Wurden Sie dafür auch angefeindet [=were you attacked for being the best (der Feind = enemy)]? Mesut Özil: Sie meinen rassistisch? Welt Online: Zum Beispiel. Mesut Özil: Nein, überhaupt nicht. Ich habe immer in Multikulti-Mannschaften gespielt. Mit Libanesen, Polen, Türken, Deutschen. Wir waren als Mannschaft immer wie eine Familie, haben uns gegenseitig geholfen [=we helped each other]. Mustafa Özil: Schlimmer waren die Eltern neben dem Platz [on the side of the field, i.e. on the sidelines]. Da kamen schon mal dumme Sprüche [=dumb sayings, i.e. ignorant, hostile remarks]. Aber ich habe das immer ignoriert. Welt Online: Heutzutage wird die große Integrationskraft des Fußballs gefeiert [=soccer's great power for integration is celebrated], Sie selbst erhielten den „Bambi“ für Ihre integrativen Bemühungen [i.e. Özil received an award (the "Bambi") for his contributions to integration]. Haben Sie das damals auch so empfunden? [i.e. Did you feel that soccer contributed to integration when you were younger (damals = back then)?] Mesut Özil: Ich bin im Gelsenkirchener [Gelsenkirchen ist eine Stadt im Ruhrgebiet, einem industriellen Teil Deutschlands] Stadtteil [=district] Bismarck aufgewachsen, wo viele Menschen mit Migrationshintergrund leben. Ich habe durch den Fußball automatisch mehr Freunde gefunden, und wir haben unsere Probleme nicht mit Prügeleien gelöst [=we didn't solve our problems by fighting], sondern auf dem Fußballplatz. Insofern muss man im Nachhinein [=in retrospect] sagen, dass ich schon sehr vom Fußball profitiert habe. Aber das wird einem natürlich erst später bewusst. [=But of course one only becomes conscious of such things later on, not while they're happening.] Mustafa Özil: Der Fußball hat die Jungs damals zusammengeschweißt [literally: it welded the boys together]. Sehen Sie: In Deutschland gibt es mittlerweile [=meanwhile, by now] über zehn Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Das Land ist Multikulti, ob es dem einen oder anderen passt oder nicht [=whether certain people like it or not]. Ich finde, wir können stolz darauf sein, wie friedlich [=peacefully] wir zusammenleben und was wir geschafft haben [=what we have achieved] in diesem Land. Wir haben gelernt, uns zu respektieren. Welt Online: Welche Rolle hat Mesut dabei gespielt? Er ist ja der erste echte [=real, genuine] Star mit türkischen Wurzeln, der im deutschen Nationalteam spielt. Mustafa Özil: Ich denke, eine wichtige Rolle. Die Türken und die Deutschen haben sich lange Zeit nicht verstanden, im wahrsten Sinne des Wortes [=in the truest sense of the word, i.e. literally]. Mein Vater ist 1961 als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, als Bergarbeiter [=miner]. Nur mit einem Koffer, ohne jede Sprachkenntnis. Er kannte niemanden, es gab keine türkischen Lebensmittelläden [=grocery stores], keine Restaurants. Er wurde zwar mit offenen Armen empfangen [=welcomed with open arms], aber hatte es trotzdem [=nevertheless] sehr schwer. Welt Online: Wie war es bei Ihnen? Mustafa Özil: Ich bin 1967 im Alter von zwei Jahren nachgeholt worden [i.e. he was brought to Germany later, when he was 2], habe vorher [=previously] bei meinen Großeltern in der Türkei gelebt. Das war auch nicht einfach [=not simple/easy, i.e. for his parents]. So betrachtet hat es die dritte Generation ziemlich gut. [i.e. Looking at it from that point of view, the third generation has it pretty good.] Und wenn Mesut durch seine Leistung [=achievements] dazu beiträgt [=contributes to it], dass sich Deutsche und Türken noch besser verstehen, ist das wunderschön. Mich stört nur eins… [=Only one thing bothers me…] Welt Online: Und das wäre? Mustafa Özil: Wir reden die ganze Zeit von Integration, also der Eingliederung [=integration, incorporation] von Migranten in die deutsche Gesellschaft [=society]. Mesut aber begeistert genauso deutsche Fans. [i.e. Mesut excites/inspires German fans just as much as Turkish-German fans.] Ich finde, er wird manchmal zu sehr auf seine Rolle als türkischstämmiger Spieler festgelegt. [i.e. too much emphasis is placed on his Turkish roots.] Viel mehr als zum Beispiel Spieler mit polnischen Wurzeln wie Lukas Podolski oder Miroslav Klose. Welt Online: Stört Sie das? Mesut Özil: Nicht wirklich. Auf dem Fußballplatz zählen [=count] Nationalitäten viel weniger als im wahren Leben [=in real life]. Auf dem Feld ist es egal, ob ich Deutscher oder Türke bin. Da zählt meine Leistung [=my performance], nicht mein Pass. Hier frühstücken Jogis Jungs bei der Fußball-EM ["Jogi's boys": Jogi = Joachim Löw, der Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft] Quelle: http://www.welt.de/sport/fussball/article13636988/Deutschland-kann-stolz-auf-sein-Multikultisein.html