ERASMUS an der Università di Bologna

Transcription

ERASMUS an der Università di Bologna
Sophia Iwantscheff
August 2011
ERASMUS an der Università di Bologna
Ein Erfahrungsbericht über zehn Monate in Italien – 2010/2011
La dolce vita, ist wahrscheinlich was den Meisten in den Sinn kommt, wenn sie an ein
Studienjahr in Italien denken. Verbringt man dieses in Bologna, der „fetten, roten und
gelehrten“ Stadt, trifft dies in jeder Hinsicht zu.
Bologna und die Emilia-Romagna gelten als kulinarisches Zentrum Italiens. Hier sind
Tortellini, Tagliatelle al Ragú, die man sicher nie wieder Spaghetti Bolognese nennen wird,
und in den umliegenden Städten, Parmaschinken, Aceto Balsamico und Parmesan beheimatet.
In Bologna lässt sich diese Vielfalt in der Via Pescherie Vecchie entdecken, wo
Parmaschinken von der Decke hängen, Tortellini von Hand gefertigt werden und riesige
Parmesanrollen im Schaufenster liegen.
Die Schönheit der „roten“ Stadt kann man von vielerlei Türmen und Aussichtspunkten
entdecken, am Besten von der Spitze der Torre degli Asinelli. Dem Aberglauben nach soll
man den Turm allerdings nur nach seiner laurea besteigen.
Die „Gelehrte“ ist Bologna aufgrund ihrer Universität, der ältesten Europas, die besonders für
ihre juristische Fakultät verdientermaßen einen guten Ruf genießt.
Sollte Euch diese kleine Einleitung Lust auf Bologna gemacht haben, hoffe ich Euch jetzt ein
paar nützliche Tipps geben zu können.
Vorbereitungen:
Die Zimmersuche stellt in Bologna eine kleine, aber keineswegs unüberwindliche Hürde dar.
Es stehen Internetseiten wie easystanza.it oder bakeca.it und natürlich facebook oder studivz
zur Verfügung. Auf facebook kann man sich gleich bei den Erasmusorganisationen ESN und
ESEG anmelden, die zum einen jeden Tag über Ausflüge, Parties und andere Veranstaltungen
berichten und zum anderen als Plattform für die Wohnungssuche dienen.
In Italien ist es üblich in einem Doppelzimmer, doppia, zu wohnen. Anfangs konnte ich mir
dies nicht recht vorstellen. Wenn man viel Besuch empfangen möchte, könnte es
problematisch werden, aber ich habe in meinem Umfeld nur Positives über das Zimmerteilen
gehört. Ich selbst habe in einer singola gewohnt und das große Glück gehabt mit Italienern
zusammen zu wohnen. Ich würde bei der Wohnungssuche besonders darauf achten in eine
italienische WG zu kommen, denn im Alltag hat man viel mit ausländischen Studenten zu tun
und neigt dazu meist Englisch zu sprechen. Obwohl ich anfangs eine Wohnung dentro le
mura, also im Zentrum, gesucht habe, hat es mich letztendlich nach San Donato verschlagen.
Von dort gibt es jedoch gute Busverbindungen (eine Monatskarte ist zudem mit rund 25€ sehr
preiswert) und mit dem Fahrrad ist man in 15 Minuten im Zentrum. Achtung: Fahrräder sind
hier sehr gefährdet, ein dickes Schloss ist unbedingt nötig.
Sehr schön wohnt es sich außerhalb der Mauern auch im Viertel Murri, südlich der Stadt um
Porta Santo Stefano und Porta Castiglione.
Als Vorbereitung empfiehlt sich ein Sprachkurs bei CILTA.
http://www.cilta.unibo.it/CILTA/default.htm. Alternativ gibt es speziell für Erasmusstudenten
einmonatige Intensiv-Sprachkurse in Siena und Perugia.
1
Sophia Iwantscheff
August 2011
Um das Learning Agreement in Heidelberg ausfüllen zu können, muss man sich durch die
Internetseite http://www.giuri.unibo.it/Giurisprudenza/default.htm kämpfen. Dort findet man
bei Orario delle lezioni und dann Laurea Magistrale sede Bologna (Achtung: Es gibt auch
einen Campus in Ravenna) den Stundenplan.
Für die An- und Abreise würde ich eine Zugfahrt empfehlen. Erstens gibt es keine
Gepäckbeschränkungen, was besonders bei der Abreise ins Gewicht fällt, zweitens kann man
eine wunderschöne Fahrt durch die Alpen genießen und drittens hat man besonders um
Weihnachten im Schneegestöber (hier der Hinweis darauf, dass es in Bologna durchaus einen
harten Winter gibt) eine sehr gute Chance pünktlich abzufahren und anzukommen. Aus
München fährt die ÖBB direkt nach Bologna.
Studium:
Sobald man in Bologna angekommen ist, sollte man sich zur Immatrikulation in die Via
Zamboni 33 begeben. Dort merkt man sogleich, dass ein Behördengang in Bologna viel Zeit
erfordert. Es empfiehlt sich möglichst früh dort zu sein, zumal die Öffnungszeiten sehr
eingeschränkt sind. http://www.spbo.unibo.it/spbo/Studenti/Segreteria+studenti/default.htm
Für die Einschreibung benötigt man zwei Passbilder, den Personalausweis und die
Dokumente, die von der Universität Heidelberg verlangt werden. Einige Tage später kann
man dann seine Unterlagen in einer Einführungsveranstaltung abholen.
Was die Vorlesungen angeht kommt es sehr auf den Professoren und die Gruppengröße an.
Man kann nicht pauschal sagen, welche zu empfehlen sind. Es lohnt sich auf jeden Fall ein
oder zwei Wochen in die Vorlesungen, die interessant erscheinen, reinzuschnuppern und
danach zu entscheiden. Im Wintersemester hat mir die Vorlesung zum Internationalen
Privatrecht sehr gut gefallen. Schreibt man im Rahmen der Vorlesung, die wie fast alle
anderen auch, mit 6 Wochenstunden sehr intensiv betrieben wird eine Hausarbeit, kann man
sie unter Umständen in Heidelberg als Seminarschein anerkennen lassen. Am Besten man
informiert sich vorher noch mal über die Anforderungen der Universität Heidelberg. In Italien
ist es nämlich die Regel, dass man mündliche Prüfungen ablegt, die für Heidelberg nicht
immer ausreichen.
Das Prüfungssystem ist ohnehin eine Sache für sich. Jeder Erasmusstudent wird schockiert
sein, wenn er am morgen in einen überfüllten Vorlesungssaal kommt und die Dozenten
maßlos überfordert sind. Wird einmal die Anwesenheitsliste abgefragt, kann man leider
keineswegs voraussagen, wann man geprüft werden wird, denn die Professoren unterbrechen
den Ablauf gerne, um zwei Stündchen ins Restaurant zu gehen. Es heißt also Abwarten und
Kaffee trinken. Es kommt vor, dass man erst abends oder am nächsten Tag an der Reihe ist.
Im Sommersemester wurden unter anderem auch Vorlesungen auf Englisch angeboten. Ich
habe die englische Kriminologievorlesung und International Law besucht und war begeistert.
Möchte man, um seine Sprache zu verbessern und einen Einblick in die Arbeitswelt zu
erlangen ein Praktikum machen, ist dies auch möglich. Im August ist in Italien allgemeiner
Ferienmonat, also sollte man es vorher in Angriff nehmen und sich durch Absagen auf keinen
Fall entmutigen lassen. Die italienischen Jurastudenten müssen kein solches Praktikum
machen, deswegen sollte man gleich in der Bewerbung schreiben, dass es in Deutschland
Pflicht ist und immer hartnäckig bleiben.
2
Sophia Iwantscheff
August 2011
Freizeit:
Bologna ist eine Studentenstadt in der immer etwas angeboten wird.
Musikalisch bietet das Oratorio St. Caecilia samstags und sonntags klassische Konzerte zu
freiem Eintritt. Im Sommer finden vielerorts Konzerte unter freiem Himmel statt. Zum
Tanzen kann man in der Stadt in kleinen Bars mit Tanzfläche, wie zum Beispiel der Arteria,
einkehren. Außerhalb der Stadt treten im Estragon und im Link berühmte Interpreten und DJs
auf. Man sollte sich jedoch frühzeitig um seine Rückkehrmöglichkeiten kümmern, denn Taxis
sind zu später Stunde oft unerreichbar.
Bologna ist auch die Stadt des Kinos. Den ganzen Juli lang ist ein Sommerkino auf der Piazza
Maggiore aufgebaut, bei dem vor einer atemberaubenden Kulisse zunächst alte Filme und
später auch allerlei „Blockbuster“ gezeigt werden.
Im Hofe der Cineteca di Bologna, die auch Filme in Originalversion zeigt, findet zudem
montags ein Markt mit regionalen Köstlichkeiten statt.
Auf Piazza VIII Agosto, bzw. dem Parco Montagnola gibt es freitags und samstags einen
Markt ganz anderer Art. Bringt man viel Zeit kann man durchaus fündig werden. Auf dem
Parco Montagnola kann man Schnäppchen zweiter Hand erstehen.
Auch wenn die Museen Bolognas nicht ganz mit den Uffizien mithalten können, sind doch
das Archiginnasio, das Morandi Museum und die Pinacoteca Nazionale durchaus sehenswert.
Möchte man eine sehenswerte Kirche und auch noch einen tollen Ausblick auf Bologna
genießen, sollte man San Michele in Bosco auf keinen Fall auslassen. Abends kann man von
dort den Sonnenuntergang über der Stadt bewundern. Auf die colli um Bologna bietet die
Pilgerkirche San Luca einen wunderbaren Blick.
Die Osterien, rustikale Restaurants, haben angeblich in Bologna ihren Ursprung. Traditionell,
wie in der Osteria del Sole, nahe der Piazza Maggiore, gibt es dort nur Getränke, das Essen
muss man selbst mitbringen. Es lohnt sich auf jeden Fall die Atmosphäre dort zu erleben.
Vorzügliche hausgemachte Pasta gibt in der Osteria dell’Orsa.
Ein kleines verstecktes Lokal in der Via Broccaindosso, ist die Osteria Broccaindosso, die
sich auf Antipasti und Dolci spezialisiert hat. Man sollte sich bei einem Abendessen
unbedingt darauf begrenzen, denn die Auswahl ist riesig und köstlich.
Viele weitere Osterien liegen in der Via del Pratello, in der sich auch Bars aneinanderreihen.
Pizza gibt es in Bologna natürlich auch. Zieht man die typisch neapolitanische vor, so sollte
man unbedingt bei Spacca Napoli einkehren. Bevorzugt man allerdings den dünnen
knusprigen Teig, ist sicherlich Da Totó die richtige Wahl.
Zusätzlich alle guten Eisdielen Bolognas auszuzählen würde den Rahmen sprengen, auf jeden
Fall einen Besuch wert sind allerdings die Gelateria Castiglione und die Cremeria San
Francesco.
Möchte man sich sportlich betätigen, was bei allen Köstlichkeiten sehr zu empfehlen ist, kann
man sich an das Sportinstitut CUSB, wenden und gegen ein Entgelt zahlreiche Programme
wahrnehmen. Ansonsten bieten sich die Giardini Margherita, der größte Park der Stadt,
wunderbar zum joggen an.
Um Italien weiter zu erkunden kann man auf die Hinweise der Erasmus Organisationen ESN
und ESEG hin zahlreiche organisierte Ausflüge nach Neapel, Apulien etc. wahrnehmen.
Diese Ausflüge sind stets ausgebucht, es ist also nur etwas für gesellige Reisende. Es gibt ein
straffes Programm, wofür aber viel geboten wird.
3
Sophia Iwantscheff
August 2011
Sonst kann man aus Bologna natürlich selbstständig auf Entdeckungsreise gehen. Zugfahren
kann in Italien sehr preiswert sein, wenn man mit den regionali fährt. So braucht man zwar
etwas länger, ist jedoch im besten Falle von den Zugstreiks ausgeschlossen.
In der Umgebung liegen Ravenna, Padua, Modena, Parma, Verona, Venedig, Florenz…die
Liste ist lang. Man kann sogar ab Rimini mit dem Bus in die älteste Republik der Welt, nach
San Marino, reisen.
Im Sommer sind auch Auflüge zum Meer sehr beliebt. Die Küstenorte Riccione, Rimmini und
Marina di Ravenna sind mit Bus und Bahn leicht erreichbar. Wer Schwimmen und Wandern
kombinieren möchte, darf sich auf keinen Fall die Cinque Terre in Ligurien entgehen lassen.
Fazit:
Bologna ist die ideale Stadt für einen Erasmusaufenthalt. Im Herzen Italiens hat diese
Studentenstadt stets etwas zu bieten ohne von Touristen überlaufen zu sein. Schneller als man
glaubt, fühlt man sich als Bologneser und meint nach einem Jahr sein italienisches zu Hause
zu verlassen.
4