Neue Nationalgalerie - Staatliche Museen zu Berlin

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Neue Nationalgalerie - Staatliche Museen zu Berlin
Materialien für Schulen
Neue Nationalgalerie
Die Staatlichen Museen zu Berlin
sind eine Einrichtung der Stiftung
Preußischer Kulturbesitz
Impressum
Besucher-Dienste der Staatlichen Museen zu Berlin
Verantwortlich: Christoffer Richartz
Redaktion: Daniela Bystron
Konzept und Texte: Julia Devies, Anne Fäser, Kolja
Kohlhoff, Julia Rüther und Markus Strieder
Illustrationen: Julia Rüther
Layout: Birgitt Leber
EINLEITUNG
Liebe Schülerinnen und Schüler,
liebe Erzieherinnen und Erzieher, liebe Lehrerinnen und Lehrer,
die Sammlung der Nationalgalerie ist eine sehr vielfältige: In mehreren Museen in Berlin sind
Gemälde, Skulpturen und Installationen aus dem 19. bis 21. Jahrhundert zu sehen. Zu den
Häusern der Nationalgalerie gehören: Die Alte Nationalgalerie, die Friedrichswerdersche Kirche,
die Neue Nationalgalerie, das Museum Berggruen, die Sammlung Scharf-Gerstenberg und
der Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin.
Die Sammlung in der Neuen Nationalgalerie wird in wechselnden Präsentationen ausgestellt.
Aktuell ist sie noch bis zum 3. Oktober 2011 unter dem Titel „Moderne Zeiten. Die Sammlung.
1900 – 1945“ zu sehen. Ab 11. November 2011 wird dann der Fokus auf die Zeit ab 1945 gelenkt
werden. Wir können gespannt sein, was es dann zu sehen gibt!
Wir haben zwölf Stationen ausgewählt und sie genauer unter die Lupe genommen. Wir, das ist
das Team der Kunstvermittlung, und besteht aus Bildenden Künstler/innen, Kunstpädagog/innen
und Kunstwissenschaftler/innen. Dementsprechend haben wir versucht, den Blick auf die Werke
aus unterschiedlichen Perspektiven zu lenken. Es soll Lehrpersonen als auch Erzieherinnen
und Erziehern zur eigenen Vorbereitung helfen, aber auch Schülerinnen und Schülern selbst als
Informationsmaterial dienen.
Wir haben vier Elemente entwickelt, die durch die Materialien für die Schule begleiten und natürlich
auch Anregung für mehr Fragen, Antworten und neue Blicke geben können.
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Sicher habt Ihr bemerkt, dass das Heft besonders gestaltet ist: Die Kunstwerke und weitere
Illustrationen hat die Malerin Julia Rüther für uns gemalt. Die Originale in der Neuen Nationalgalerie warten aber noch auf einen Besuch von Euch!
Wir wünschen Ihnen und Euch viel Spaß beim Lesen und gemeinsamen Arbeiten. Wir hoffe,
es kann für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts dienen, spannende Informationen
über die Kunstwerke liefern, neue Blick auf die Kunst eröffnen und Anregungen für eigene
Ideen und Gedanken geben.
Euer Kunstvermittlungs-Team
Daniela Bystron, Julia Devies, Anne Fäser, Julia Rüther, Kolja Kohlhoff und Markus Strieder
Hier haben wir das Werk genauer unter
die Lupe genommen und wollen auf
Besonderheiten aufmerksam machen.
Wir haben zu jedem Kunstwerk ein passendes
Gedicht ausgesucht. Es stammt aus der Zeit,
in dem auch das Kunstwerk entstanden ist.
Vielleicht hilft es ja, Neues zu entdecken oder
Unaussprechliches in Worte zu fassen?
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Zu jedem Kunstwerk findest du im Museum ein
Schild – die Werkbeschriftung – mit Angaben zu:
Künstlerin oder Künstler: Name, Geburts- und
Sterbeort mit Jahreszahlen
Titel des Werkes: wie die Künstlerin oder
der Künstler es genannt hat
wann es entstanden ist
aus welchem Material es gemacht ist.
darunter werden manchmal noch Angaben
über die Provenienz, die Herkunft des Bildes,
aufgeführt.
· · · · · Wir haben Informationen zum Zeitgeschehen
gesammelt. Was war zu der Zeit, als das Kunstwerk entstand, wichtig?
Welche Informationen können uns helfen,
das Werk besser zu verstehen?
PABLO PICASSO
PABLO PICASSO
1881 Malag – 1973 Mougins
Sitzende Frau
Femme assise dans un fauteuil
1909
Öl und Tusche auf Leinwand
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Eine Frau sitzt in einem Sessel. Links wird
der Raum durch einen Vorhang geschlossen.
Diese Art der Darstellung entspricht durchaus
der Tradition der Porträtmalerei und ist dennoch
ungewöhnlich. Was fällt dir auf und was fällt
deiner Meinung nach aus dem Rahmen? Wie gibt
Pablo Picasso das Motiv wieder? Wollte er hier
eine ganz bestimmte Person porträtieren?
Die Frau wirkt so, als wäre sie aus verschiedenen
Teilen zusammengesetzt. Schau dir die kantige
Nase an. Sie steht im Gegensatz zu den runden
Brüsten. Die Frisur ist aus runden und eckigen
Formen aufgebaut und ungewöhnlich hoch.
Arme und Hände erinnern an eine Gliederpuppe.
Auch die Gegenstände im Bild sind mit geometrischen Formen vereinfacht dargestellt. Achte auch
auf die Zusammenstellung der Formen.
Sie zeigt, dass Picasso verschiedene Ansichten
nebeneinander darstellt. Damit verzichtet er auch
auf eine einheitliche Perspektive.
Die Angabe zum Material dieses Bildes ist
Öl und Tusche auf Leinwand.
Öl beschreibt die Art der Farbe, es ist also Ölfarbe
gemeint. Das, was die Farbe farbig macht, egal
ob im Bunt- oder Filzstift, in den Wasserfarben
oder Wachsmalern, ist das Pigment. Pigmente
sind kleinste puderige Teilchen, wie z.B. der Staub
eines zermahlenen Edelsteins. Stellt man sich
vor, dass man mit diesem Staub eine Leinwand
bepinselt und das fertige Bild nachher an die
Wand hängt, wird klar, dass man diesen Staub
hätte ankleben müssen. Sonst sammelte sich das
ganze Gemälde mit der Zeit unter der Leinwand
auf dem Boden. Dieser Kleber ist bei der Ölfarbe
das Öl, bei der Acrylfarbe der Acrylbinder, bei
den Wachsmalstiften das Wachs. In Buntstiften
werden die Pigmente mit einer ausgeklügelten
Mischung von Fett und Wachs zusammengehalten
und auf diese Weise dauerhaft auf das Papier
geklebt.
PABLO PICASSO
Auf Leinwand bedeutet, dass die Farbe auf
eine Leinwand aufgetragen wurde. Häufig wird
bei den Materialangaben nicht so eindeutig
unterschieden, welche Art von Leinwand für das
Bild ausgewählt wude. Hier gibt es viele Unterschiede, die deutlich werden, wenn du dich dem
Original vorsichtig näherst und genau hinsiehst.
Kannst du zwischen den Webfäden richtige Löcher
und Erhebungen erkennen, spricht man von
einer sehr groben Leinwand. Manchmal findet
man dann die Angabe Öl auf Jute/Rupfen. Ist die
Oberfläche glatt, d.h. sehr eng mit dünnen Fäden
gewebt, spricht man von einer feinen Leinwand,
auch Porträtleinwand genannt. Portraits sind
früher immer sehr genau gemalt worden, und
man bevorzugte für Gesichter eine ebene Bildoberfläche. Meist kann man nicht genau klären,
um welchen Stoff es sich handelt, wenn man nur
den grundierten und bemalten Teil des Bildes
angucken kann, dafür müsste man einen Blick
auf die Rückseite des Bildes werfen dürfen. Dann
wäre auch gut zu erkennen, wie die Leinwand
befestigte wurde.
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Häufig werden die Leinwände auf einen speziellen
Keilrahmen aufgespannt. Einen Keilrahmen kann
man mit kleinen Keilen in den Ecken auseinandertreiben, wenn die Spannung der Leinwand nachlässt und diese durchhängt.
Dieses Gemälde von Picasso ist auf einer fein
strukturierten und weiß grundierten Leinwand
gemalt. Das kann man besonders deutlich sehen,
weil die Leinwand nicht vollständig mit Farbe
bedeckt ist. Picasso hat nämlich die Dame fast
ausschließlich aus Schraffuren zusammengesetzt.
Die einzelnen Flächen sind also nicht einfach ausgemalt, sondern viele parallele Linien, manchmal
mit kleinen Zwischenräumen, bilden eine Fläche.
In einigen Flächen erkennt man diese Linien sehr
gut, weil sie sich farblich leicht unterscheiden, wie
beispielsweise in der braunen Schattenfläche des
vorderen Unterarms.
Die Ölfarbe bleibt besonders lange vermalbar und
lässt sich daher auch erst auf dem Bild mischen,
etwa indem man mit einer dunklen Farbe eine
Schraffur von einer Seite beginnt und danach von
der anderen Seite mit einer hellen Farbe in die
dunkle Schraffur hineinmalt. Dadurch entstehen
Farbverläufe, wie du sie auf diesem Bild in einigen
Flächen finden kannst.
Den eckigen Malstil, mit dem Pablo Picasso diese
Frau darstellt, nennt man Kubismus. Das Wort
Kubus kommt aus dem Lateinischen und heißt
Würfel. Der Kubismus war eine gemeinsame
Erfindung von George Braque und Pablo Picasso.
Als sie sich 1907 kennen lernten, malte Picasso
gerade sein erstes Werk, in dem sich kubistische Gestaltungsformen zeigen. Von 1908 bis
zu Braques Einberufung zum Kriegsdienst 1914
arbeiteten beide Künstler eng zusammen. Und
obwohl sie in verschiedenen Städten lebten,
kamen sie zu ähnlichen Bildformen. Zeitweise
konnte man ihre Werke nicht voneinander
unterscheiden. Sie machten sich angeblich sogar
einen Jux daraus, Werke des jeweils anderen zu
signieren. Damit untergruben sie den Mythos
des Künstlergenies, das alles aus sich selbst
heraus schafft. Braque und Picasso trieben die
Zersplitterung der Formen immer weiter voran
und entfernten sich zusehends vom Gegenstand,
bis sie 1912 aus völlig freien Formen und Flächen
einen Bildgegenstand zusammensetzten. Ihre
kubistischen Werke charakterisiert eine starke
Formvereinfachung, eine flächige Darstellung,
die Reduktion der Farbe zumeist auf Braun- und
Grautöne und die Abkehr von der Zentralperspektive. Der Kubismus bereitet den Übergang von
der gegenständlichen zur abstrakten Malerei
vor und beeinflusste die abstrakte Malerei für
Jahrzehnte.
PABLO PICASSO
Guillaume Apollinaire begleitet die Pariser
Künstler nicht nur durch seine zahlreichen
Kunstkritiken, sondern auch durch seine
literarischen Texte. So wie die Künstler auf
die Regeln der Zentralperspektive verzichtt, verzichtet er auf die Interpunktion.
Die vielen verschiedenen Ansichten in den
kubistischen Werken findet ihre Entsprechung
in der Gleichzeitigkeit von Geschehnissen
in seinen Gedichten.
Montag Rue Christine
Die Portiersfrau und ihre Mutter lassen alles durch
Wenn du ein Mann bist kommst du heute Abend
mit
einer braucht bloß in der Toreinfahrt zu stehen
Während der andere hochsteigt
Drei Gasflammen
Die Eigentümerin hat’s auf der Brust
Wenn du fertig bist spielen wir eine Partie Jacquet
Ein Dirigent der Halsschmerzen hat
Wenn du nach Tunis kommst zeig ich dir wie man
Kif raucht
Das scheint sich zusammenzureimen
Stapel von Untertassen Blumen ein Kalender
Bim bam bim
Ich soll meiner Hauswirtin 300 Francs in den
Rachen werfen
Lieber schneid ich mir’n ab eh ich’s tu
Ich fahre 20 Uhr 27
Sechs Spiegel starren sich dauernd an
Ich glaube wir werden uns noch ganz anders
kommen
Mein Herr
Sie sind ein mickriger Hurenbock
Diese Dame hat ’ne Nase wie ein Regenwurm
Louise hat ihren Pelz vergessen
Ich hab keinen Pelz und frier auch nicht
Der Däne raucht seine Zigarette und guckt auf
den Fahrplan
Die schwarze Katze streicht durch die Kneipe
Diese Pfannkuchen waren ausgezeichnet
Die Quelle fließt
Kleid so schwarz wie ihre Fingernägel
Das ist ganz unmöglich
Hier mein Herr
Der Ring aus Malachit
Der Boden ist voll Sägemehl
Das stimmt wirklich
Die rothaarige Kellnerin ist von einem
Buchhändler entführt worden
Ein Journalist den ich übrigens nur sehr flüchtig
kenne
Hör zu Jacques was ich Dir zu sagen habe ist sehr
wichtig
Personen- und Frachtschiffahrtsgesellschaft
Mein Herr sagt er zu mir wollen Sie mal
sehen was ich alles so kann Aquarelle Ölbilder
Ich habe nur eine kleine Bonne
Nach dem Mittagessen Café du Luxembourg
Kaum sind wir da stellt er mir einen gemütlichen
Dicken vor
Der zu mir sagt
Hören Sie mal das ist reizend
In Smyrna in Neapel in Tunesien
Mein Gott wo ist das bloß
Das letzte Mal als ich in China war
Acht oder neun Jahre ist das nun her
Was Ehre ist hängt vom Zeitpunkt ab
Der Royal Flush
Guillaume Apollinaire, 1912.
Aus: Apollinaire, Guillaume: Texte und Kritiken,
Köln 1989. S. 293
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KARL SCHMIDT-ROTTLUFF
KARL SCHMIDT-ROTTLUFF
18884 Chemnitz – 1976 Berlin
Gutshof in Dangast
1910
Öl und Tusche auf Leinwand
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Sieht es nicht feurig aus auf dem Bild?
Die Farben sind unglaublich leuchtend.
Die verwendeten Rot-, Gelb- und Orangetöne
der Häuser und des Bodens werden durch das
Blau des Himmels und des Vordergrunds sowie
das frische Grün der Baumblätter kontrastiert.
Karl Schmidt-Rottluff verwendet in dem Bild
vor allem kräftige Primär- und Sekundärfarben.
Er wählt die Farbe nicht mehr entsprechend
der Wirklichkeit, sondern vor allem nach den
Empfindungen, die das Gesehene bei ihm auslöste. Welche Stimmung strahlt das Bild für dich
aus?
Zu sehen ist ein Gutshof in Dangast, einem Ort
an der Nordsee, den der Künstler mit seinem
Kollegen Erich Heckel häufig aufgesucht hat, um
dort in Ruhe malen zu können. Alle Motive sind
in ihrer Formensprache vereinfacht dargestellt.
Auf Detail wird verzichtet. Die Motive treten in
den Hintergrund. Sie sind nur Anlass für den
Umgang mit Farbe. Diese trägt er ganz flächig auf
und trennt einige Farbflächen sogar mit dicken
Umrisslinien, Konturen, voneinander ab. Schau
dir zum Beispiel die Häuser an. Im Vordergrund
aber fließen das Rot und Blau über die Ränder
des Bildes hinaus. Diese fließende Bewegung löst
die Form auf. Was könnten die blauen Farbflächen
darstellen?
KARL SCHMIDT-ROTTLUFF
Häufig werden die Leinwände auf einen speziellen
Keilrahmen aufgespannt. Einen Keilrahmen kann
man mit kleinen Keilen in den Ecken auseinandertreiben, wenn die Spannung der Leinwand
nachlässt und diese durchhängt.
Die Angabe zum Material dieses Bildes ist
Öl und Tusche auf Leinwand.
Öl beschreibt die Art der Farbe, es ist also Ölfarbe
gemeint. Das, was die Farbe farbig macht, egal
ob im Bunt- oder Filzstift, in den Wasserfarben
oder Wachsmalern, ist das Pigment. Pigmente
sind kleinste puderige Teilchen, wie z.B. der Staub
eines zermahlenen Edelsteins. Stellt man sich
vor, dass man mit diesem Staub eine Leinwand
bepinselt und das fertige Bild nachher an die
Wand hängt, wird klar, dass man diesen Staub
hätte ankleben müssen. Sonst sammelte sich das
ganze Gemälde mit der Zeit unter der Leinwand
auf dem Boden. Dieser Kleber ist bei der Ölfarbe
das Öl, bei der Acrylfarbe der Acrylbinder, bei
den Wachsmalstiften das Wachs. In Buntstiften
werden die Pigmente mit einer ausgeklügelten
Mischung von Fett und Wachs zusammengehalten
und auf diese Weise dauerhaft auf das Papier
geklebt.
Auf Leinwand bedeutet, dass die Farbe auf
eine Leinwand aufgetragen wurde. Häufig wird
bei den Materialangaben nicht so eindeutig
unterschieden, welche Art von Leinwand für das
Bild ausgewählt wude. Hier gibt es viele Unterschiede, die deutlich werden, wenn du dich dem
Original vorsichtig näherst und genau hinsiehst.
Kannst du zwischen den Webfäden richtige
Löcher und Erhebungen erkennen, spricht man
von einer sehr groben Leinwand. Manchmal findet
man dann die Angabe Öl auf Jute/Rupfen. Ist die
Oberfläche glatt, d.h. sehr eng mit dünnen Fäden
gewebt, spricht man von einer feinen Leinwand,
auch Porträtleinwand genannt. Portraits sind
früher immer sehr genau gemalt worden, und
man bevorzugte für Gesichter eine ebene Bildoberfläche. Meist kann man nicht genau klären,
um welchen Stoff es sich handelt, wenn man nur
den grundierten und bemalten Teil des Bildes
angucken kann, dafür müsste man einen Blick
auf die Rückseite des Bildes werfen dürfen. Dann
wäre auch gut zu erkennen, wie die Leinwand
befestigte wurde.
Bei diesem Bild kann man nicht genau sagen,
ob Karl Schmidt-Rottluff eine grobe oder
feine Leinwand benutzt hat, weil sie sehr dick
grundiert wurde. Dabei handelt es sich um
eine stark saugende Grundierung. Das erkennt
man daran, dass die Farbe sehr matt erscheint
und dass das Glanz gebende Öl der Farbe von
dem Untergrund aufgesogen wurde. Dies hatte
vielleicht für Schmidt-Rottluff den Vorteil, dass
die Farbe besonders schnell trocken war. Er hat
auffallend viel und schnell gemalt. Um trotz
der Grundierung eine starke Struktur im Bild zu
haben, mischte er der Grundierung Sand bei.
Selbst Verunreinigungen wie Garn von der
Leinwand (oben rechts) oder Pinselhaare scheinen
ihm willkommen gewesen zu sein.
Bei dieser Arbeitsweise betont der Künstler
das Material von Farbe und Untergrund, das
Bild wirkt im Auftrag und in der Oberfläche
zusätzlich lebendiger. Die Leuchtkraft der Farbe
auf einer grundierten Leinwand ist außerdem
viel stärker, als wenn die Farbe direkt auf die Jute
aufgetragen wäre. Die weiße Grundierung lässt
die Farbe reiner und frischer wirken. Dies wird
umso deutlicher, wenn man sie mit den eher
stumpfen Farben der Bilder Otto Müllers in der
Neuen Nationalgalerie vergleicht, die auf rohe
Jute gemalt wurden.
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KARL SCHMIDT-ROTTLUFF
Karl Schmidt-Rottluff war ein Mitglied der
Künstlergruppe „Die Brücke“. Die vier ihr
angehörenden Architekturstudenten aus
Dresden machten zusammen viele Ausflüge
in die Natur, wie zum Beispiel nach Dangast
an der Nordsee. Sie wollten weg von der sich
immer stärker industrialisierenden Gesellschaft,
wollten raus aus der Großstadt mit ihrer Hektik,
in der die Menschen sich zunehmend voneinander entfremdeten und vereinsamten.
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Die Brücke-Künstler suchten etwas, das sie
Natürlichkeit, Ursprünglichkeit und unverfälschte
Natur nannten. Sie malten unter freien Himmel
viele Landschafts- und Aktdarstellungen.
Dabei werden die Natur und die Menschen
mit schnellen, breiten Pinselstrichen dargestellt,
die Bewegung und Spontanität ausstrahlen.
Die Farbpalette ist meist auf Primär - und
Sekundärfarben reduziert. Bei dieser Art
der Darstellung ging es um eine subjektive
Wahrnehmung, um ein inneres Erlebnis
der Künstlerinnen oder Künstler, nicht um
eine naturgetreue Abbildung der Wirklichkeit
„Dunkle Gerüche“, „roter Mensch“,
„silbernes Herz“: Die expressionistischen Dichter
schrieben mit dem Farbkasten. Lassen sich die
Gedichte mit expressionistischen Kunstwerken
vergleichen?
Sommer
Sommer unter kalkgetünchten Bogen,
Vergilbtes Korn, ein Vogel der ein und aus fliegt
Abend und die dunklen Gerüche des Grüns.
Roter Mensch, auf dämmerndem Weg, wohin?
Über einsamen Hügel, vorbei am knöchernen
Haus
Über die Stufen des Waldes tanzt das silberne
Herz.
Georg Trakl, 1913,
Aus: Trakl, Georg: Das dichterische Werk,
München 1972. S. 209.
In den Abend …
Aus krummen Nebeln wachsen Köstlichkeiten.
Ganz winzge Dinge wurden plötzlich wichtig.
Der Himmel ist schon grün und undurchsichtig
dort hinten, wo die blinden Hügel gleiten.
Zerlumpte Bäume strolchen in die Ferne.
Betrunkne Wiesen drehen sich im Kreise,
und alle Flächen werden grau und weise …
Nur Dörfer hocken leuchtend: rote Sterne –
Alfred Lichtenstein, 1911.
Aus: Lyrik des expressionistischen Jahrzehnts,
hrsg. von Gottfried Benn, München 1962. S. 88
ALEXEJ VON JAWLENSKY
ALEXEJ VON JAWLENSKY
1864 Kuslovso – 1941 Wiesbaden
Frauenkopf
1912
Öl und Tusche auf Leinwand
Schau dir das Bild in Ruhe an. Welchen Typ von
Frau hat der Künstler Alexej von Jawlensky
deiner Meinung nach porträtiert? Was erfährst
du über die Person durch die Art der Darstellung?
Jawlensky hat die Formen des Porträts stark vereinfacht. Der „Frauenkopf“ besteht hauptsächlich
aus gebogenen Linien und runden, zum Teil
mandelförmigen Formen. Eine dunkle, breite
Kontur gibt dem runden Kopf die Gestalt. Aber
nicht nur die Form spielt eine wesentliche Rolle,
sondern auch die Farbe, welche so über das
Gesicht verteilt ist, dass es seine Formensprache
unterstützt. Wie setzt Jawlensky Farbe ein? Und
welche Wirkung hat das Porträt dadurch auf dich?
Der Künstler arbeitet stark mit den Primärfarben.
So hat die Frau beispielsweise gelbe Haare, blaue
Augen und rote Wangen. Eine rote Linie durchzieht die Stirn am Haaransatz und verbindet
das Gesicht von der Stirn bis zum Kinn. Zwischen
Augenbrauen und Augen setzt Jawlensky ein
Violett, das er auch noch einmal unter die Augen
zieht und damit ihre Mandel-Form betont.
Zudem tritt das Augenblau durch das violette
Umrahmen stärker in den Vordergrund und
verbindet sich mit dem Blau, von dem die
gesamte Figur umgeben ist. Das Blau im Hintergrund wechselt von Hellblau zu Dunkelblau.
Das Hellblau umrahmt dabei das Gesicht und
bringt es vor dem dunkleren Hintergrund zum
Strahlen. Zudem unterstützt die bewegte Pinselführung die kraftvolle und strahlende Wirkung
des Bildes. Warum macht der Künstler das wohl?
Was erreicht er damit? Aufgrund der gesamten
Arbeitsweise von Jawlensky kann man auch bei
diesem Porträt vermuten, dass der Künstler vor
allem den Charakter und die Ausstrahlung des
Menschen erfassen wollte. Es ging ihm weniger
darum, das Porträt einer bestimmten Person zu
malen, sondern er wollte vielmehr durch Form
und Farbe einen Typus von Frau und Gesicht
darstellen.
Schau dir auch spätere Arbeiten von Jawlensky
an, in denen er Gesichter immer mehr auf
Linien, Formen und Farben reduziert. Wie würde
ein Porträt von dir nur aus Linien, Formen und
Farben aussehen?
Die Angabe zum Material dieses Bildes ist
Öl und Tusche auf Leinwand.
Öl beschreibt die Art der Farbe, es ist also Ölfarbe
gemeint. Das, was die Farbe farbig macht, egal
ob im Bunt- oder Filzstift, in den Wasserfarben
oder Wachsmalern, ist das Pigment. Pigmente
sind kleinste puderige Teilchen, wie z.B. der Staub
eines zermahlenen Edelsteins. Stellt man sich
vor, dass man mit diesem Staub eine Leinwand
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ALEXEJ VON JAWLENSKY
bepinselt und das fertige Bild nachher an die
Wand hängt, wird klar, dass man diesen Staub
hätte ankleben müssen. Sonst sammelte sich das
ganze Gemälde mit der Zeit unter der Leinwand
auf dem Boden. Dieser Kleber ist bei der Ölfarbe
das Öl, bei der Acrylfarbe der Acrylbinder, bei
den Wachsmalstiften das Wachs. In Buntstiften
werden die Pigmente mit einer ausgeklügelten
Mischung von Fett und Wachs zusammengehalten
und auf diese Weise dauerhaft auf das Papier
geklebt.
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Auf Leinwand bedeutet, dass die Farbe auf
eine Leinwand aufgetragen wurde. Häufig wird
bei den Materialangaben nicht so eindeutig
unterschieden, welche Art von Leinwand für das
Bild ausgewählt wude. Hier gibt es viele Unterschiede, die deutlich werden, wenn du dich dem
Original vorsichtig näherst und genau hinsiehst.
Kannst du zwischen den Webfäden richtige Löcher und Erhebungen erkennen, spricht man von
einer sehr groben Leinwand. Manchmal findet
man dann die Angabe Öl auf Jute/Rupfen. Ist die
Oberfläche glatt, d.h. sehr eng mit dünnen Fäden
gewebt, spricht man von einer feinen Leinwand,
auch Porträtleinwand genannt. Portraits sind
früher immer sehr genau gemalt worden, und
man bevorzugte für Gesichter eine ebene Bildoberfläche. Meist kann man nicht genau klären,
um welchen Stoff es sich handelt, wenn man nur
den grundierten und bemalten Teil des Bildes
angucken kann, dafür müsste man einen Blick
auf die Rückseite des Bildes werfen dürfen. Dann
wäre auch gut zu erkennen, wie die Leinwand
befestigte wurde. Häufig werden die Leinwände
auf einen speziellen Keilrahmen aufgespannt.
Einen Keilrahmen kann man mit kleinen Keilen
in den Ecken auseinandertreiben, wenn die
Spannung der Leinwand nachlässt und diese
durchhängt.
Alexej von Jawlensky hat dieses Bild mit einem
pastosen Farbauftrag gemalt. Pastos bedeutet,
dass die Farbe nur bis zu einer Paste – wenn
überhaupt – verdünnt und verarbeitet wird. So
entsteht durch die Pinselbewegung auf dem
Bildträger, der Leinwand, ein Relief. Diese Art der
Malerei kam erst im 19. Jahrhundert auf, vorher
war es verpönt, Erhebungen irgendwelcher Art auf
den Bildern zu hinterlassen, sie mussten „fini“ sein
– die Farben mussten gleichmäßig ineinander
übergehen. In dem rechten Teil der Frisur erkennt
man sogar die unterliegende schwarze Farbe
deutlich an der Struktur der Pinselspuren, die sich
unter der roten Farbe fortsetzen. Der gesamte
Eindruck des Bildes wird getragen durch diese
Bewegungen, die sich wie ein Flimmern nach
außen fortsetzen und der Dame eine Aura, eine
geheimnisvolle Ausstrahlung, verschaffen. Dick
aufgetragene Ölfarbe braucht besonders lange
– manchmal Monate –, um richtig trocken und fest
zu werden. Das unterschätzen sogar erfahrene
Maler, verpacken oder transportieren die Bilder
zu früh, sodass typische Druckspuren entstehen.
Es kann sein, dass auch Jawlensky dieses Bild in
einem noch nicht getrockneten Zustand verpackt
hat. In der weißen Farbe an der Stirn erkennt man
deutlich solch eine Druckspur, bei der die dickste
Stelle der Farbe eingedrückt und die Oberfläche
auf- und abgerissen wurde. Solche Dinge kannst
du meist nur vor dem Original im Museum entdecken, wenn du genau hinsiehst und dir Zeit
zum Gucken nimmst.
Alexej von Jawlensky konzentriert sich ab
1911 in seinen Gemälden auf das menschliche
Gesicht. Im „Frauenkopf“ zeigt sich sein
Bestreben nach Verallgemeinerung, unter
anderem durch die Reduzierung der Farben
auf die Primär- und Sekundärfarben in
Kombination mit den Nicht-Farben Schwarz
und Weiß. Auch die Formen reduziert er und verwendet nur noch runde Formen.
In späteren Arbeiten reduziert Jawlensky die
Gesichter noch weiter auf geometrische Formen,
auf wenige Striche und Farbflächen. Ein Beispiel
dafür sind die beiden Gemälde „Abstrakter Kopf“
und „Abstrakter Kopf – Begierde“, die auch zur
Sammlung der Neuen Nationalgalerie gehören.
Solche stark abstrahierten Köpfe malt er in Serie.
Es sind Gesichter von vorne, die immer im
gleichen Ausschnitt und in der Mitte des Bildes
platziert sind. Dabei handelt es sich, ähnlich
wie bei dem „Frauenkopf“, nicht um bestimmte
Menschen, er porträtiert auch in dieser Serie
keine wirklichen Personen. Es geht vielmehr um
ein Allgemeines, um das menschliche Antlitz an
sich, jenseits individueller Physiognomien.
FRANZ MARC
FRANZ MARC
1880 München – 1916 Braquis
Der Turm der blauen Pferde
1913
Öl auf Leinwand
Das Bild „Der Turm der blauen Pferde“ von Franz
Marc können wir heute nicht mehr als Original
sehen, da es seit 1938 verschollen ist. In dieser
Zeit des Nationalsozialismus wurden viele
Künstler verfolgt. Ihre Bilder wurden als verrückt
und krank bezeichnet und aus den Museen
entfernt. So sind viele Werke aus der Sammlung
der Nationalgalerie verschwunden. Auch Marcs
Bild hängt hier nur noch als Schwarz-Weiß-Kopie.
Die Farbe können wir dabei leider nicht mehr
betrachten. Aber der Titel verrät etwas über
die Farbgebung. Außerdem wissen wir durch
den Vergleich mit anderen Bildern, dass der
Künstler eine eigene Farbsprache erfand, die
sich nicht mehr nach dem Naturvorbild richtete.
Vielmehr sollten Farben Gefühle und Stimmungen
zeigen und ganz eigene Bedeutungen im Bild
erhalten.
Von Franz Marc selbst erfahren wir, dass für ihn
Tiere ein Sinnbild von Ursprünglichkeit und
Reinheit waren, da sie friedlich und im Einklang
mit der Natur leben. Sie waren für ihn etwas
Geheimnisvolles und verkörpern für ihn die Idee
einer paradiesischen Welt. Diese Vorstellung
bekräftigt er gerade durch den Einsatz von Farbe
im Zusammenspiel mit seiner Formensprache.
Auf dem Bild „Der Turm der blauen Pferde“
können wir diese Wechselwirkung von Farbe und
Form nicht mehr bewerten. So lassen sich nur
die Formen innerhalb der Gesamtkomposition
betrachten. Wie würdest du die Körper der Pferde
beschreiben und was erzielt der Künstler mit
seiner Formensprache?
Vier Pferde sind übereinander getürmt. Über
ihnen ist ein Bogen, wahrscheinlich ein Regenbogen, zu sehen. Pferde, Pflanzen und Hügel der
Landschaft sind hauptsächlich aus geometrischen
Formen aufgebaut Ein Wechsel zwischen runden
und eckigen Formen und das rhythmische
Zusammenspiel der Linien macht das Bild
dynamisch. Dem Titel der Arbeit zufolge können
wir vermuten, dass Marc die Pferde blau gemalt
hat. Aber was für ein Blau kann das gewesen
sein? War es deckend? Oder kannst du es dir auch
gläsern und durchsichtig vorstellen?
Überlege dir doch selbst, wie du die Motive im
Bild farblich gestalten würdest. Welche Farben
würdest du wählen, um eine geheimnisvolle
Wirkung zu erzielen?
13
FRANZ MARC
Franz Marc, der 1916 im ersten Weltkrieg durch
Granatensplitter getötet wurde, war in den
zwanziger Jahren in Deutschland der beliebteste
Künstler der Moderne. Gerade „Der Turm der
blauen Pferde“ fand durch Poster und Postkarte
eine große Verbreitung.
Auf dem Schild kannst du lesen, dass das Bild
eine Ölmalerei auf Leinwand ist. Aber dir fällt
sicher auf, dass dieses Werk keine echte Malerei,
sondern nur ein Foto des Originals ist. Diese
Reproduktion, eine Kopie, ist wie ein gleichgroßer Platzhalter für das Original zu verstehen,
welches leider nicht mehr aufzufinden ist.
Diese Reproduktion ist ein großer Ausdruck von
einem Foto. Du findest über das Bild verteilt kleine
Fusseln und Kratzer, die für die Entwicklung eines
Fotos von einem belichteten Film typisch sind.
Dass es sich um einen Ausdruck und nicht um
einen großen Fotoabzug handelt, kannst
du erkennen, wenn du dir die kleinen bunten
Punkte ansiehst, aus denen sich das Bild zusammensetzt. Bei einem Schwarz-Weiß-Foto gibt es
diese nicht.
14
„Der Turm der blauen Pferde“ war eines der
ersten Werke moderner Kunst, das die Nationalgalerie 1919 ankaufte. Bis 1937 hing das Gemälde
in der neuen Abteilung der Nationalgalerie im
Kronprinzenpalais.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten
1933 begann sehr schnell eine Hetze gegen die
Kunst der Moderne. Künstlerinnen und Künstler
wurden als Juden und Kommunisten beschimpft
und ihnen wurde vorgeworfen, dass sie einen
Kulturverfall herbeigeführt hätten. Der Direktor
der Nationalgalerie wurde beurlaubt.
Sein Nachfolger hielt an der Präsentation der
Expressionisten fest, führte aber sogenannte
„Ahnennachweise“, um zu belegen, dass die
ausgestellten Künstlerinnen und Künstler keine
Juden seien. Auch er war nur wenige Monate im
Amt. Der folgende Direktor ließ einen Großteil
der expressionistischen Werke abhängen,
Franz Marc aber erhielt einen eigenen Raum,
in dem sieben seiner Werke gezeigt wurden.
Noch 1936 konnte eine Gedächtnisausstellung
zu seinem 20. Todestag stattfinden, allerdings
schon nicht mehr in einem öffentlichen Museum,
sondern in Hannover in der privaten KestnerGesellschaft sowie anschließend in Berlin in
den Galerien Nierendorf und von der Heyde.
In der Presse war zu lesen, dass die Ausstellung
„eine einzigartige Gelegenheit (bietet), die
Entwicklung dieses aus nordischem Glauben
und germanischem Geiste geborenen Werkes
zu studieren, von dem die ‚Blauen Pferde’ Weltruf
erlangten.“2 Mit den Begriffen nordisch und
germanisch versuchte dieser Kunstkritiker, Marc
gegen die Anfeindungen der Nationalsozialisten
zu schützen, da es zur Propaganda der Nazis
gehörte, sich auf das Nordische zu beziehen.
Während der Eröffnung der Ausstellung in Berlin
erschien die Gestapo und untersagte nicht nur
die Eröffnungsrede, sondern schloss auch
die Ausstellung, die aber nach wenigen Tagen
wieder geöffnet werden konnte. Das gleichzeitig
erschienene Buch zum Werk von Franz Marc wurde jedoch sofort verboten.
Auch seine Witwe, Maria Marc, die ein Gedenkbuch geplant hatte, veröffentlichte dieses nicht
mehr. Darin wäre zu lesen gewesen: „Die Zeit war
schwierig, aber heroisch. Wir malten,das Publikum
spuckte. Heute malen wir, und das Publikum sagt:
‚Das ist hübsch’. Dieser Wechsel will nicht heißen,
dass die Zeiten leichter geworden wären für den
Künstler. Anstatt einen direkten und natürlichen
Kontakt mit der Kunst zu suchen, erfindet man
heute neue Schwierigkeiten und Hindernisse, um
sie zwischen Werk und Betrachter zu stellen. So
fragt man mit vorgefaßter Miene, ob die Kunst
Marcs einer germanischen Quelle entstamme,
dass heißt einer ‚deutschen Seele’, und ob seine
Malerei wahrhaft deutsch sei. Ich glaube ja, denn
Marc liebte sein Land. Meiner Meinung nach wäre
es wesentlich, unter der‚nationalen Seele’ ihre
Quelle universaler Menschlichkeit zu sehen.“ 3
So nahm der Freund und Künstlerkollege Wassily
Kandinsky Stellung zu der nationalen Einordnung
des Künstlers.
Franz Marc wurde ausgestellt und in der Presse
gefeiert. Gleichzeitig konnten keine Publikationen
mehr über ihn erscheinen. Diese inkonsequente
Politik gegenüber dem Künstler fand sich auch
weiterhin. Als 1937 die Kunstwerke der Moderne
in allen deutschen Museen beschlagnahmt und
FRANZ MARC
ein Teil in der in München stattfindenden Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt wurden, hingen
dort fünf Arbeiten Marcs, und auch. „Der Turm
der blauen Pferde“. Im Gegensatz zu den Präsentationen anderer Werke, wurde weder der Name
des Künstlers und der Bildtitel angegeben noch
gab es verunglimpfende Kommentare an der
Wand. Als der Deutsche Offiziersbund mit einem
Brief gegen die Präsentation ihres Kameraden in
der Ausstellung protestierte, wurden die Bilder
umgehend abgehängt und nach Berlin gebracht.
Die beschlagnahmten Werke, nicht nur diejenigen Marcs, wurden begutachtet und, soweit man
Profit aus ihnen schlagen konnte, ab 1938 ins
Ausland verkauft. Drei Werke Marcs allerdings,
auch „DerTurm der blauen Pferde“, zog Hermann
Göring, Minister für Luftfahrt und Stellvertreter
Adolf Hitlers, ein. Sie sind seitdem verschollen.
Ein Lied
Hinter meinen Augen stehen Wasser,
Die muß ich alle weinen.
Immer möchte ich auffliegen,
Mit den Zugvögeln fort;
Buntatmen mit den Winden
In der großen Luft.
O ich bin so traurig ---Das Gesicht im Mond weiß es.
Drum ist viel samtne Andacht
Und nahender Frühmorgen um mich.
Als an deinem steinernen Herzen
Meine Flügel brachen,
Fielen die Amseln wie Trauerrosen
Hoch vom blauen Gebüsch.
Alles verhaltene Gezwitscher
Will wieder jubeln,
Und ich möchte auffliegen
Mit den Zugvögeln fort.
Else Lasker-Schüler, 1917.
Aus: 131 expressionistische Gedichte,
hrsg. von Peter Rühmkorf, Berlin 1986, S. 84
Else Lasker-Schüler und Franz Marc hatten vier
Jahre lang eine sehr besondere Brieffreundschaft.
Die Briefe und Karten beider waren teils gezeichnet,
teils geschrieben.
Kannst du dir das Bild „Der Turm der blauen Pferde“
als Gedicht vorstellen und umgekehrt
„Ein alter „Tibetteppich“ von Else Lasker-Schüler
als Gemälde?
Ein alter Tibetteppich
Deine Seele, die die meine liebet,
ist verwirkt mit ihr im Teppichtibet.
Strahl in Strahl, verliebte Farben,
Sterne, die sich himmellang umwarben.
Unsere Füße ruhen auf der Kostbarkeit,
Maschentausendabertausendweit.
Süßer Lamasohn auf Moschuspflanzenthron,
Wie lange küßt dein Mund den meinen wohl
Und Wang die Wange buntgeknüpfte Zeiten
schon?
Else Lasker-Schüler, 1911.
Aus: 131 expressionistische Gedichte,
hrsg. von Peter Rühmkorf, Berlin 1986, S. 86
15
ERNST LUDWIG KIRCHNER
ERNST LUDWIG KIRCHNER
1880 Aschaffenburg – 1938 Davos
Der Potsdamer Platz
1914
Öl auf Leinwand
16
Wenn wir das Bild von 1914 betrachten, so könnte
es uns als Suchbild dienen, um zu finden, was
sich in der heutigen Zeit verändert hat. Denn
so wie Ernst Ludwig Kirchner den Potsdamer
Platz wiedergibt, sieht er heute nicht mehr aus.
Besuche den Platz und liste die Dinge auf, die mit
damals vergleichbar oder eben ganz anders sind.
Wie würden Künstler heute wohl die Atmosphäre
des Potsdamer Platzes darstellen?
Vor dem Hintergrund des Bahnhofgebäudes
und dem Haus Potsdam links, in dem sich das
Café Picadilly befand, bevölkern Frauen, fast
alle gänzlich in Rosa, und noch mehr Männer in
dunklen Anzügen den Platz. Alle gleichen sich,
denn Kirchner hat sie zumeist gesichtslos und
ohne individuelle Unterscheidungsmerkmale
gemalt. Die Personen laufen in verschiedene
Richtungen, wodurch das abendliche Treiben
auf der Straße lebendig wirkt. Kirchner betont
das auch durch einen schnellen Farbauftrag
und eine verzerrte Perspektive. Wie bekommt
das Bild noch zusätzlich Bewegung und
Geschwindigkeit? Gibt es dagegen auch einen
Ruhepol im Bild?
Auf einer Verkehrsinsel stehen zwei Frauen,
die wie auf einer kleiner Bühne besonders
herausragen. Kirchner hat sie sehr viel detailreicher dargestellt. Schau dir ihre Kleidung
und ihr gesamtes Styling an. Wie wirken sie auf
dich? Siehst du, dass sich die Männer im Bild auf
die beiden Frauen zubewegen? Achte auch auf
die Uhrzeit im Bild. Welche Rolle könnten diese
Frauen in dem Großstadtbild spielen?
Die Angabe zum Material dieses Bildes ist
Öl und Tusche auf Leinwand.
Öl beschreibt die Art der Farbe, es ist also Ölfarbe
gemeint. Das, was die Farbe farbig macht, egal
ob im Bunt- oder Filzstift, in den Wasserfarben
oder Wachsmalern, ist das Pigment. Pigmente
sind kleinste puderige Teilchen, wie z.B. der Staub
eines zermahlenen Edelsteins. Stellt man sich
vor, dass man mit diesem Staub eine Leinwand
bepinselt und das fertige Bild nachher an die
Wand hängt, wird klar, dass man diesen Staub
hätte ankleben müssen. Sonst sammelte sich das
ganze Gemälde mit der Zeit unter der Leinwand
auf dem Boden. Dieser Kleber ist bei der Ölfarbe
ERNST LUDWIG KIRCHNER
das Öl, bei der Acrylfarbe der Acrylbinder, bei
den Wachsmalstiften das Wachs. In Buntstiften
werden die Pigmente mit einer ausgeklügelten
Mischung von Fett und Wachs zusammengehalten
und auf diese Weise dauerhaft auf das Papier
geklebt.
Auf Leinwand bedeutet, dass die Farbe auf
eine Leinwand aufgetragen wurde. Häufig wird
bei den Materialangaben nicht so eindeutig
unterschieden, welche Art von Leinwand für das
Bild ausgewählt wude. Hier gibt es viele Unterschiede, die deutlich werden, wenn du dich dem
Original vorsichtig näherst und genau hinsiehst.
Kannst du zwischen den Webfäden richtige Löcher und Erhebungen erkennen, spricht man von
einer sehr groben Leinwand. Manchmal findet
man dann die Angabe Öl auf Jute/Rupfen. Ist die
Oberfläche glatt, d.h. sehr eng mit dünnen Fäden
gewebt, spricht man von einer feinen Leinwand,
auch Porträtleinwand genannt. Portraits sind
früher immer sehr genau gemalt worden, und
man bevorzugte für Gesichter eine ebene Bildoberfläche. Meist kann man nicht genau klären,
um welchen Stoff es sich handelt, wenn man nur
den grundierten und bemalten Teil des Bildes
angucken kann, dafür müsste man einen Blick
auf die Rückseite des Bildes werfen dürfen. Dann
wäre auch gut zu erkennen, wie die Leinwand
befestigte wurde.
Häufig werden die Leinwände auf einen speziellen Keilrahmen aufgespannt. Einen Keilrahmen
kann man mit kleinen Keilen in den Ecken auseinandertreiben, wenn die Spannung der Leinwand
nachlässt und diese durchhängt. .
Kirchners Maltechnik zeigt besonders deutlich
die Bewegung, die er beim Malen mit dem Pinsel
ausgeführt hat. Man spricht hier vom Duktus, der
durch eine Nass-in-Nass-Vermalung der Farben
auf der Leinwand entsteht. Wenn du vor diesem
Bild stehst, kannst du dir genau vorstellen, wie
breit, heftig, schnell oder langsam Kirchners
Bewegungen waren. Bei dieser Malweise geht es
weniger um die genaue Abbildung einer Form als
um die Dynamik, die hierdurch ausgedrückt wird.
Schnelle kantige Pinselstriche wirken hektisch,
unruhig, getrieben oder angespannt. Der Duktus
in einem Bild kann Inhalte oder Bildelemente
betonen und in den Mittelpunkt rücken.
Ernst Ludwig Kirchner stellt in seinem Gemälde
zwei Prostituierte verschiedenen Alters in den
Mittelpunkt. Er betont dies noch, in dem er sie auf
der Verkehrsinsel platziert, die wie ein Sockel oder
gar eine Bühne wirkt.
Prostitution war im Deutschen Kaiserreich bis
1918 ein großes gesellschaftliches Thema.
Die einen sahen darin den sittlichen Verfall des
Deutschen Reiches, andere machten an ihr den
Wandel einer in-dustrialisierten, kapitalistischen
Gesellschaft fest, und die Frauenbewegung setzte
sich vehement gegen die Kriminalisierung und
Verfolgung der Prostituierten ein. Schätzungsweise
gab es in der Zweimillionen-Metropole Berlin
um die Jahrhundertwende 50.000 Prostituierte.
Jeder registrierten Prostituierten wurde neben
medizinischen Kontrollen und der Meldepflicht
bei Krankheiten folgendes zur Auflage gemacht:
- unauffällige Kleidung
- kein Erregen öffentlicher Aufmerksamkeit
- kein Rauchen, Lärmen oder Singen
- Besuchsverbot von Theater, Oper, Konzerten
und Museen
- Aufenthaltsverbot an bestimmten Plätzen und
in bestimmten Straßen, wie z.B. dem
Potsdamer Platz, dem Leipziger Platz,
der Friedrichstraße und der Straße Unter
den Linden.
Die Prostituierten sahen sich dem Dilemma
gegenüber, nicht auffallen zu dürfen und gleichzeitig zur Ausübung der Profession auffallen
zu müssen. Sie trugen lange, dunkle, schmal
geschnittene und hoch geschlossene Mäntel mit
Kragen sowie einen ausladenden Federhut. So
fügten sie sich in die Kleiderkonvention der Zeit.
Durch Schminke, Geste und Blick hingegen traten
sie daraus hervor. Gerade dieses Spannungsfeld
des unauffälligen Auffallens interessierte die
Künstler. An dem gesellschaftlichen Umgang
mit der Prostitution, die verfolgt, aber natürlich
auch genutzt wurde, kritisierten sie zudem die
bürgerliche Doppelmoral. Und nicht zuletzt
erkannten sie in den Prostituierten auch Leidensgenossinnen, die wie sie selbst Randfiguren waren.
17
ERNST LUDWIG KIRCHNER
Dass das Präsenzverbot auf den wichtigsten
Berliner Plätzen und Straßen wenig bewirkte, zeigt
eine Beschreibung des Schriftstellers Stefan
Zweig, die Gehsteige seien derart mit käuflichen
Frauen durchsprenkelt gewesen, dass es schwerer
war, ihnen auszuweichen, als sie zu finden.
In gewisser Weise bestätigt Kirchners Gemälde
seine Bemerkung.
Die Nacht
Verträumte Polizisten watscheln bei Laternen.
Zerbrochne Bettler meckern, wenn sie Leute
ahnen.
An manchen Ecken stottern starke Straßenbahnen,
Und sanfte Autodroschken fallen zu den Sternen.
Um harte Häuser humpeln Huren hin und wieder,
Die melancholisch ihren reifen Hintern schwingen.
Viel Himmel liegt zertrümmert auf den herben
Dingen ...
Wehleid’ge Kater schreien schmerzhaft helle
Lieder.
Alfred Lichtenstein, 1912.
Aus: Lichtenstein, Alfred: Die Dämmerung,
Berlin und Weimar, 1977, S. 27
In dem hier beschriebenen Café Josty saß auch
Ernst Ludwig Kirchner häufig, um das Treiben
am Potsdamer Platz in seinen „Sturmskizzen“
– sekundenschnelle Zeichnungen – Skizzen festzuhalten. Findest Du eine Verbindung zwischen
seinem Gemälde und den Gedichten?
18
Auf der Terrasse des Café Josty
Der Potsdamer Platz in ewigem Gebrüll
Vergletschert alle hallenden Lawinen
Der Straßentrakte: Trams auf Eisenschienen,
Automobile und den Menschenmüll
Die Menschen rinnen über den Asphalt,
Ameisenemsig wie Eidechsen Flink.
Stirne und Hände, von Gedanken blink,
Schwimmen wie Sonnenlicht durch dunklen Wald.
Nachtregen hüllt den Platz in eine Höhle,
Wo Fledermäuse weiß, mit Flügeln schlagen
Und lila Quallen liegen -- bunte Öle;
Die mehren sich, zerschnitten von den Wagen.-Auf spritzt Berlin, des Tages glitzernd Nest,
Vom Rauch der Nacht wie Eiter einer Pest.
Paul Boldt, 1912.
Aus: Boldt, Paul: Junge Pferde, Junge Pferde!
Das Gesamtwerk, hrsg. von W. Minaty, Olten und
Freiburg im Breisgau, 1979. S. 70
WILHELM LEHMBRUCK
WILHELM LEHMBRUCK
1881 Meiderich – 1919 Berlin
Der Gestürzte
1915/16
Bronze
menschlich erscheinen. Sie ist nicht mehr der
Soldat, der für ein bestimmtes Land kämpft,
sondern nur noch ein gestürzter, vielleicht
sterbender Mensch.
Welche Vorstellung vom Krieg würdest du mit
deinem Körper zum Ausdruck bringen?
In der Pose der Figur verbirgt sich eine enorme
Spannung, die du am besten nachvollziehen
kannst, indem du sie nachstellst. Wie fühlst
du dich in dieser Haltung? Wie lange könntest
du so verweilen?
Schau dir die Figur von Wilhelm Lehmbruck von
verschiedenen Seiten an. Wo lastet das meiste
Gewicht? Wo ist Kraft und Spannung zu finden?
Und wo ist der Körper kraftlos? Der Künstler
erhöht die Wechselwirkung von Spannung und
Entspannung auch, indem er beispielsweise
die Form eines Dreiecks in die Körperpose
aufnimmt. Diese lässt sich in der freien Fläche zwischen den auseinandergestellten Beinen beobachten. Seine Spitze strebt nach oben und drückt
damit in unserer Wahrnehmung auch
den Körper nach oben. Findest du weitere
Formen, mit denen die Körpersprache der Figur
unterstützt wird?
Wovon erzählt die Pose der Figur deiner Meinung
nach? In welchem Zustand ist der Mann? Kannst
du erkennen, was der Mann in seiner rechten
Hand hält? Der Künstler Wilhelm Lehmbruck
möchte hier ein abgebrochenes Schwert zeigen
und damit die Figur als Krieger ausweisen.
Aber warum ist der Mann nackt? Kann man
ihn überhaupt noch als Soldaten erkennen?
Viele Fachleute deuten die Skulptur
„Der Gestürzte“ als eines der Hauptwerke von
Lehmbruck, in dem er sich mit den Leidenserfahrungen des Ersten Weltkrieges auseinandersetzt. Dabei lesen sie die gesamte Körpersprache
der Figur als Metapher für die erlittenen körperlichen und seelischen Qualen, den Kampf ums
Überleben sowie der Sinnlosigkeit des Krieges.
Die Nacktheit lässt die Figur sehr verletzlich und
Diese Figur ist aus Bronze gegossen, sie ist
eine Bronzeplastik. Eine Bronzeplastik ist innen
hohl wie ein Schokoosterhase. Sie wird in eine
Form gegossen. Das Bronzegussverfahren ist
sehr aufwendig und hier in einzelnen Schritten
erklärt: Am Beginn des Arbeitsprozesses steht
das Originalmodell, das aus einem beliebigen
Material, wie z.B. Knete oder Ton, sein kann.
Dieses wird mit Silikon oder Gips abgeformt und
diese erste Negativform mit Wachs ausgegossen.
Das so entstandene Wachsmodell hat die gleiche
Form, ist also ein Abbild des Originals. Um das
Modell wird nun ein Kasten gebaut, der mit einer
feuerfesten Masse, der so genannten Formerde,
gefüllt wird. In einem Ofen wird die Form mehrere
Tage gebrannt, um das Wachs auszuschmelzen.
In die erkaltete Form wird über zuvor angelegte
Kanäle das flüssige Metall gegossen. Dafür wird
Kupfer mit Zinn vermischt, welche zusammen
die Bronzelegierung ergeben.
Die gefüllte Form lässt man auskühlen. Die erkaltete
Form wird nun aufgebrochen und die Formerde
vom Guss entfernt. Die Kanäle werden abgesägt,
Risse geglättet und die Oberfläche poliert. Diesen
Vorgang der Oberflächenbehandlung nennt
man Ziselieren. Da es sich bei einer Bronze um
die Abformung eines Originalmodells handelt,
können die Arbeitsschritte wiederholt und
mehrere Bronzeplastiken gegossen werden.
19
WILHELM LEHMBRUCK
Doch häufig werden die Begriffe Plastik und
Skulptur nicht richtig verwendet. Als Plastik bezeichnet man dreidimensionale Kunstwerke, die
geformt worden sind und durch ein aufbauendes, hinzufügendes Verfahren entstehen.
„Plastique“ ist das französische Wort für formbar.
Somit sind alle Formen aus Materialien, die
gegossen werden, die schmelzbar oder aushärtend sind, Plastiken. Dazu gehören beispielsweise Gips, Beton, Silber, Gold, Ton, Porzellan
und Wachs. Skulpturen hingegen werden aus
einem vorliegenden Material wie Holz, Marmor
oder Stein gehauen, geschnitten oder geschnitzt.
Es wird, anders als bei der Plastik, kein Material
hinzugefügt oder angesetzt, sondern das
Material wird abgetragen. „Sculpere“ ist
das lateinische Wort für schnitzen, meißeln.
20
Als Wilhelm Lehmbrucks Heimatstadt Duisburg
kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914
einen Ehrenfriedhof plante, schrieb sie einen
künstlerischen Wettbewerb für eine SiegfriedFigur aus. Diese sollte über einem neu angelegten Totenfeld aufgestellt werden. Lehmbruck
reichte die Plastik „Der Gestürzte“ unter ihrem
ursprünglichen Titel „Sterbender Krieger“ ein.
Die Verantwortlichen entschieden sich aber für
das Werk eines anderen Bildhauers, das einen
siegreichen Krieger zeigte. Niemand wollte
das Leid des Krieges sehen, man wollte ein
Ehrenmal, kein Mahnmal. Als Lehmbruck die
Arbeit dann 1916 in Berlin zum ersten Mal
öffentlich zeigte, löste sie einen Skandal aus.
Lehmbruck benannte die Figur danach in
„Der Gestürzte“ um.
Lehmbruck, der seit 1910 in Paris wohnte, war
dort als Deutscher bei Kriegsausbruch nicht
mehr erwünscht und musste mit seiner Frau
und seinen beiden Kindern Frankreich verlassen.
Die Familie zog nach Berlin, wo Lehmbruck
sich erfolgreich bemühte, dem Kriegsdienst
zu entgehen. Er gehörte nicht zu denjenigen,
die begeistert in den Krieg ziehen wollten,
und wurde ins Sanitäts-Corps im Hilfslazarett
Berlin-Friedenau aufgenommen. Nicht direkt
am Kriegsgeschehen beteiligt, war er im
Lazarett doch den Folgen des Krieges ausgesetzt.
Er konnte aber weiterhin künstlerisch arbeiten.
So machte er 1915, mit Hilfe eines ebenfalls dort
stationierten Malerkollegen, die ersten Entwürfe
für „Der Gestürzte“. Seit Beginn des Ersten
Weltkrieges hatte er sich unter dem Eindruck
der Geschehnisse mit dem Thema Krieg in
Zeichnungen und Grafiken auseinandergesetzt.
Im Gegensatz zu „Der Gestürzte“ sprechen
die beiden nachfolgenden Gedichte von
Laufenden. Kannst Du Dir vorstellen, wie
der „Schreitende“ ausgesehen hätte, wenn
Lehmbruck eine Skulptur oder Plastik gemacht
hätte? Und wie er Trakls „Heimatlosen“
dargestellt hätte?
Wer ist noch da?
Wer blieb noch da von diesem Morden,
Wer bleibt aus diesem blut’gen Meer?
Ich schreite über dieses Schnittfeld
und schau um mich, wo liegt die Mahd
Vom Morde grässlich hingeschlachtet.
Die Freunde liegen still umher,
Die Brüder sind nun nicht mehr da.
Der Glaube, Liebe, alles hin
Und Tod, er liegt auf allen Wegen, auf jeder Blüte.
Oh Fluch, o tausendfacher Fluch!
Habt ihr, die soviel Tod bereitet,
Habt ihr nicht auch den Tod
Für mich?
Wilhelm Lehmbruck, 1918
Aus: Wilhelm Lehmbruck, Katalog Gotha, Berlin,
Leipzig, 1987/88
ABENDLAND (3. Strophe
Else Lasker-Schüler in Verehrung
Ihr großen Städte
Steinern aufgebaut
In der Ebene!
So sprachlos folgt
Der Heimatlose
Mit dunkler Stirne dem Wind,
Kahlen Bäumen am Hügel.
Ihr weithin dämmernden Ströme!
Gewaltig ängstet
Schaurige Abendröte
Im Sturmgewölk.
Ihr sterbenden Völker!
Bleiche Woge
Zerschellend am Strande der Nacht,
Fallende Sterne.
Georg Trakl, 1914, Aus: Georg Trakl,
Das dichterische Werk, München 1972, S. 76
HANNAH HÖCH
HANNAH HÖCH
1889 Gotha – 1978 Berlin
1919
Collage
Was willst du der Welt mitteilen? Schneide aus
Zeitungen Wörter und Bilder aus, ordne sie neu
und klebe sie zu einem Bild zusammen. Was kann
man darin lesen?
Hannah Höch hat häufig aus Zeitschriften
Fotofragmente, Schlagzeilen und Buchstaben
ausgeschnitten und auf ein neues Papier geklebt.
Diese Technik nennt man Collage. Eine Collage
ist realitätsnah, wenn aktuelle Informationen in
Form von Bild und Text eingearbeitet werden.
Vor allem besteht ihre Möglichkeit aber darin,
einzelne Fragmente neu zusammenzustellen,
sodass die Wirklichkeit bewusst umgedeutet wird.
Viele Künstlerinnen und Künstler der damaligen
Zeit – etwa die Dadaisten, zu denen auch Hannah
Höch gehört – nutzten die Collage, um die
gesellschaftlichen Zustände, in denen sie lebten,
zu kritisieren und ihre eigene Sicht auf die Gegenwart darzustellen. Hannah Höch hat hier rund
50 Personen des damaligen Zeitgeschehens auf
dem Bild versammelt. Es sind Politikerinnen und
Politiker des alten Kaiserreichs und der neuen
Weimarer Republik, aber ebenso viele Künstler
und Künstlerinnen, Schauspielerinnen und
Schauspieler, Tänzerinnen und Tänzer und
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
In der Rubrik „Das Kunstwerk und seine Zeit“
findest du sie aufgelistet. Kennst du eine dieser
Personen?
Schnitt mit dem Küchenmesser
Dada durch die letzte Weimarer
Bierbauchkulkturepoche
Deutschlands
Die Collage wirkt in ihrem Aufbau zunächst
chaotisch. So sind die Bild- und Wortteile über
die gesamte Oberfläche verteilt. Findest du
trotzdem eine Ordnung, ein Konzept, welches die
Künstlerin verfolgt? Es gibt eine grobe Einteilung
in vier Felder: Links unten befinden sich Zeitungsausschnitte mit demonstrierenden Volksmassen.
Rechts daneben sowie links oben findet sich
„Die große Welt dada“, vertreten durch ihre
Künstlerinnen und Künstler wie Hannah Höch,
Raoul Hausmann, John Heartfield oder George
Grosz, abgebildet. Aber auch andere Personen wie
Karl Marx oder Albert Einstein sind hier zu sehen.
Dieser Inszenierung steht „die anti-dadaistische
Bewegung“ in der rechten oberen Bildecke
gegenüber. Wer das ist? Politikerinnen und
Politiker des Kaiserreiches sowie der Weimarer
Republik. Gegen jene Personen richtete sich
die Kritik der Dadaisten. Sie waren davon überzeugt, dass mit der alten Gesellschaftsordnung
zu brechen sei, und sie nutzten die Collage als
Mittel, ihren Protesten auszudrücken. Ist dir schon
aufgefallen, dass zwischen den Personen auch
viele Maschinen- teile und Zahnräder zu finden
sind? Worauf könnte die Künstlerin mit dieser
Zusammenstellung von Maschinen neben posierenden Menschen anspielen?
21
HANNAH HÖCH
Das Bild von Hannah Höch ist eine Collage.
Die Collage ist ein technisches Verfahren, bei dem
verschiedene Materialien auf einen Bildträger
geklebt werden. Diese Bezeichnung kommt von
dem französischen Wort „coller“, das „kleben“
bedeutet. Die Collage ist eine Montage, eine
Zusammensetzung, einzelner bereits vorhandener
Elemente. Eine künstlerische Collage kann
beispielsweise Fotografien, Zeitungsausschnitte,
farbiges, bedrucktes, unbedrucktes oder bemaltes
Papier, Folien oder Stoffe enthalten. Die frühesten
Collagen sind Gemälde, in die reale Dinge aus
dem täglichen Leben eingeklebt wurden.
Die Künstlerinnen und Künstler versuchen nicht
den Gegenstand malerisch abzubilden und zu
imitieren, sondern kleben diesen direkt ein. Es
gibt Collagen von Hannah Höch, die ausschließlich aus gesammeltem Material bestehen und
die ganz auf die Malerei verzichten.
22
Hannah Höch nutzt für ihre Collage „Schnitt mit
dem Küchenmesser“ ausschließlich Zeitschriftenfotos und setzt aus den Buchstaben der Überschriften neue Botschaften zusammen. Du kannst
Bearbeitungsspuren entdecken, die auf ihre
Arbeitsweise hindeuten. Über die Collage verteilt
findest du viele Einstichlöcher, die teilweise als
Spuren von Heftzwecken zu erkennen sind. Wahrscheinlich war das Trägerpapier auf einer festen
Unterlage fixiert und ist dann nach und nach in
vielen Schichten beklebt worden.
Hannah Höch montierte in ihrer Collage „Schnitt
mit dem Küchenmesser Dada durch die letzte
Weimarer Bierbauchkulturepoche Deutschlands“
viele verschiedene Foto- und Textteile aus aktuellen
Zeitschriften der Zeit, in der sie diese Montage
machte. Das Wort Montage kommt aus dem
Französischen und bedeutet Aufbauen im Sinne
von Zusammensetzen. Es bezeichnete zunächst
ein in der Industrie eingesetztes Verfahren.
Autohersteller gehörten zu den ersten Firmen,
die das Verfahren in großem Stil anwendeten
und bis heute anwenden. So hat eine Autofirma
viele Zulieferer, die Sitze, Räder oder Motorteile
anfertigen. Der Automobilhersteller montiert
diese dann nur zusammen, anstatt das ganze
Automobil in jedem Einzelteil selbst herzustellen.
Hatten Malerinnen und Maler bisher immer alles
selbst gemalt, was auf einem Bild zu sehen war, so
schnitt Hannah Höch jetzt bereits fertige Bildteile
aus und fügte sie zusammen. Es war etwas ganz
Neues, Teile aus der Welt herauszunehmen und
anders zusammenzustellen, um die Welt auf diese
Weise verfremdet wiederzugeben.
Die Menschen in dieser Zeit haben die abgebildeten Personen zum großen Teil aus den gleichen
Zeitschriften gekannt, aus denen Hannah Höch
ihre Fotos ausschnitt. Du kannst dir heute mit
einem ähnlichen Verfahren einen Überblick über
die Personen verschaffen, die Hannah Höch uns
zeigt. Aus der folgenden Liste kannst du am
Computer einzelne Namen ausschneiden und
sie in eine Suchmaschine eingeben:
Johannes Baader
Ulrich von Brockdorff-Rantzau
Theodor Däubler
Friedrich Ebert
Albert Einstein
George Grosz
Raoul Hausmann
John Heartfield
Wieland Herzfelde
Kurt Hiller
Paul von Hindenburg
Hannah Höch
Richard Huelsenbeck
Nidda Impekoven
Wolfgang Kapp
Käthe Kollwitz
Else Lasker-Schüler
Wladimir Iljitsch Lenin
Mechtilde Lichnowsky
Sent M’Ahesa
Karl Marx
Walter Mehring
Pola Negri
Asta Nielsen
Gustav Noske
Wilhelm der II von Preußen
Wilhelm von Preußen (der Kronprinz)
Karl Radek
Max Reinhardt
Hast Du im Internet zu allen Namen etwas
gefunden? Hat sich in deinem Kopf jetzt vielleicht
ein Bild von dieser Zeit zusammengesetzt?
Eine Collage aus Informationen, die du gelesen
hast?
HANNAH HÖCH
Lautgedichte sollen laut gelesen werden!
Ähnlich wie bei dem Zusammensetzen von
Bildern in Collagen entsteht hier durch die Kombination von Buchstaben nicht nur Klang, sondern
auch Bedeutung.
Totenklage
ombula
take
bitdli
solunkola
tabla tokta tokta takabla
taka tak
Babula m’balam
tak tru - ü
wo - um
biba bimbel
o kla o auw
kla o auwa
la – auma
o kla o ü
la o auma
klinga – o – e – auwa
ome o-auwa
klinga inga M ao - Auwa
omba dij omuff pomo – auwa
tru – ü
tro-u-ü o-a-o-ü
mo-auwa
gomum guma zangaga gago blagaga
szagaglugi m ba-o-auma
szaga szago
szaga la m’blama
bschigi bschigo
bschigi bschigi
bschiggo bschiggo
goggo goggo
ogoggo
a - o - auma
Hugo Ball, 1916.
Aus: 113 dada Gedichte, hrsg. von Karl Riha,
Berlin 1987, S. 33
Hugo Ball, 1916
Aus: 113 dada Gedichte, hrsg. von Karl Riha,
Berlin 1987. S. 35
23
RUDOLF BELLING
RUDOLF BELLING
1886 Berlin – 1972 Krailling
Dreiklang
1919/24
Birkenholz
24
Stell dir die Skulptur sechs Meter hoch vor. In
diesem Ausmaß hat Rudolf Belling sie geplant,
aber nicht umgesetzt. In ihr sollte zeitgenössische
Musik aufgeführt werden. Der Bezug zur Musik
lässt sich bereits im Titel ausfindig machen. Als
„Dreiklang“ bezeichnet man einen dreistimmigen
Akkord. Belling beschäftigten Fragen wie: „Wie
aber kann man Musik künstlerisch darstellen?“
und „Wie einen Dreiklang sichtbar machen?“
Was denkst du?
Bei dieser Skulptur handelt es sich um eine Rundplastik, was bedeutet, dass es nicht mehr eine
Hauptansicht gibt, sondern jede Ansicht auf die
Arbeit als gleichwertig betrachtet wird. Zu sehen
sind drei längliche, eckige Formen, die über einen
Sockel miteinander verbunden sind und sich von
diesem diagonal auseinander bewegen. Denkst
du bei den Formen an etwas Gegenständliches?
Ist das für die Skulptur überhaupt wichtig? Belling
sagte, dass er seine Formensprache nicht mehr
von der sichtbaren Wirklichkeit ableitet, sondern
die Bedeutung der Formen offen bleibt. Wichtiger
war ihm eher, wie die Formen in Bezug zueinander stehen und was damit beim Betrachter
ausgelöst wird. Wenn er sich in dieser Skulptur auf
Musik bezieht, aber nichts Gegenständliches wie
z.B. tanzende Figuren mehr beschreibt, wie setzt
er die Musik stattdessen in der Formensprache
um? Welche Merkmale deuten auf Musik und
Rhythmus hin?
Dieses Werk ist aus Birkenholz. Rudolf Belling
hat das Holz aber so eingefärbt, dass es aussieht
wie Mahagoni. Man kann eine dunklere Form mit
einer polierten, glänzenden Oberfläche aufgrund
der deutlicheren Lichtreflexe besser in ihren
Vertiefungen und Erhöhungen wahrnehmen.
Dies könnte der Grund für Bellings Entscheidung
gewesen sein, vielleicht war es aber auch der
RUDOLF BELLING
Wert des Materials. Birkenholz ist ein helles Holz,
das in Europa einfach und günstig zu bekommen
ist, Mahagoni dagegen ein edles, teures Holz aus
Mittel- und Südamerika.
Klassisch werden Holzskulpturen von außen
nach innen gearbeitet, es wird von einem
Holzstück etwas weggeschlagen, -gesägt oder
-geschliffen, sodass die Skulptur nach und nach
deutlicher heraustritt und immer mehr verfeinert
wird. Hier an dieser Form kann man aber viele
Nähte erkennen. Belling hat sie aus vielen
Stücken zusammengesetzt und wachsen lassen.
Wird ein bildhauerisches Werk aus einem Ganzen
herausgeschält, also Material weggenommen,
spricht man von Skulptur. Wird es aufgebaut,
aus mehreren Teilen zusammen-gesetzt oder
gegossen, spricht man von Plastik. Das Werk von
Belling lässt sich in diesem Sinne nicht eindeutig
zuordnen. Sieht man das Zusammenfügen der
einzelnen Holzteile als wichtigsten Vorgang
bei der Erstellung des Werkes an, muss man von
Plastik sprechen. Ist aber das Herausschälen
der Form aus einem – wenn auch zusammengesetzten – Holzblock der entscheidende
Vorgang, würde man von einer Skulptur sprechen.
„Sculpere“ ist das lateinische Wort für schnitzen,
meißeln, „plastique“ das französische Wort für
formbar.
Nach der Kapitulation Deutschlands und
dem folgenden Ende des Ersten Weltkrieges
gab es für kurze Zeit eine revolutionäre
Stimmung in Deutschland. In vielen Städten
bildeten sich Arbeiter- und Soldatenräte.
Auch viele Künstlerinnen und Künstler taten
sich zu einem „Arbeitsrat der Kunst“ zusammen.
Grundgedanke dieses Arbeitsrates war es, alle
Künste, also Plastik, Malerei und Architektur,
zu vereinigen, um aus dieser Gemeinschaft
heraus mit an einer neuen Gesellschaft zu
bauen. Auch Rudolf Belling war Mitglied. Als
er die ein Jahr zuvor entstandene Plastik
„Dreiklang“ 1920 zum ersten Mal ausstellte,
schrieb er im Katalog, dass das Original „sechs
Meter hoch, in Ziegeln gemauert und farbig
verputzt“ sein solle.5
Den „Dreiklang“ der Nationalgalerie muss man
sich folglich als Modell für eine riesige Plastik
im öffentlichen Raum vorstellen. Die Idee der
Außenplastik trägt dem Programm des Arbeitsrates
Rechnung, dass in der und für die Gesellschaft
gearbeitet werden soll. Die Künste dürften nicht
in den Museen oder Privatsammlungen verschwinden, sondern müssten für alle sichtbar
– und in diesem Falle auch für alle nutzbar – sein.
Denn Belling plante seine Plastik nicht als reines
Kunstwerk sondern als „ein Podium für eine
Musikkapelle“, auf der die neue klassische Musik
hätte aufgeführt werden sollen. Seine Bildhauerarbeit war also kein eigenständiges Kunstwerk,
sondern zugleich auch Architektur. Die Vereinigung der Künste, wie sie der Arbeitsrat anstrebte,
hätte in dem geplanten Werk seine Erfüllung
gefunden.
Es ist zu vermuten, dass der „Dreiklang“ nicht
nur ein abstraktes Bild einer harmonischen
Tonfolge sein wollte – das auch als Tanz
gesehen werden kann –, sondern Belling sich
auch auf den Zusammenklang von Malerei,
Bildhauerei und Architektur bezog, wie der
Arbeitsrat ihn anstrebte. Ausgeführt wäre
„Dreiklang“ das Sinnbild der Vereinigung dieser
Künste geworden und zudem Plattform für
die Neue Musik, die jenseits von Oper und
Konzerthaus einen Ort in der Öffentlichkeit
bekommen sollte. Warum dieser Plan nicht zur
Ausführung kam, ist leider nicht bekannt.
25
OTTO DIX
OTTO DIX
1891 Untermhaus/Gera – 1969 Singen
Die Skatspieler
1920
Öl, Collage
26
Drei Männer sitzen an einem runden Tisch und
spielen Karten. Eine fast alltägliche Situation.
Kennst du das? Wo hast du so etwas schon
einmal gesehen? Was ist hier im Bild anders als
bei deinen Erfahrungen?
Den Personen fehlen die meisten Gliedmaßen.
Ihre Körper sind durch verschiedene Prothesen
zusammengeflickt. Mit den Zähnen, dem Fuß
und einer Handprothese halten sie die Karten.
Was könnten diese drei Männer erlebt haben?
Schau dir ihre Kleidung an. Erkennst du, welche
Aufgabe sie einmal hatten? Wie gehen sie mit
ihrer Situation um?
Otto Dix malte dieses Bild 1920 nach dem Ersten
Weltkrieg. Hinter den Figuren hängen drei
Zeitungen, anhand derer sich das tagespolitische
Geschehen verfolgen ließe. Es ist eine Zeit, in
der trotz vieler körperlicher und seelischer Verletzungen und erheblicher Zerstörungen des Landes
der Glaube an den Krieg und an Begriffen wie Ehre
und Vaterland bei manchen Menschen geblieben
ist. So trägt zum Beispiel der rechte Spieler im
Bild weiterhin sein „Eisernes Kreuz“ an der Jacke,
eine Kriegsauszeichnung, die für Tapferkeit und
Soldatenehre verliehen wurde.
Was denkst du darüber, dass der Soldat sein Kreuz
weiterhin trägt?
Das Bild von Otto Dix ist eine Kombination aus
einer Ölmalerei und einer Collage. Die Collage
ist ein technisches Verfahren, bei dem verschiedene Materialien auf einen Bildträger geklebt
werden. Diese Bezeichnung kommt von dem
französischen Wort „coller“, das „kleben“ bedeutet.
Die Collage ist eine Montage, eine Zusammensetzung, einzelner bereits vorhandener Elemente.
Eine künstlerische Collage kann beispielsweise
Fotografien, Zeitungsausschnitte, farbiges,
bedrucktes, unbedrucktes oder bemaltes Papier,
Folien oder Stoffe enthalten. Die frühesten
Collagen sind Gemälde, in die reale Dinge aus
dem täglichen Leben, wie z. B. Zeitungen,
eingeklebt wurden.
Vor dem Original im Museum kannst du am
besten sehen, welche Materialien von Dix nicht
gemalt, sondern eingeklebt sind. Achte besonders auf ihre Oberflächenstruktur und die Materialität. Versuche sie alle zu finden. Sehr deutlich
ist das bei den metallenen Elementen. Dix malte
sogar auf den eingeklebten Teilen weiter, so z.B.
die Finger auf den Spielkarten.
OTTO DIX
Otto Dix meldete sich 1914, wie viele seiner
Künstlerkollegen und überhaupt viele junge
Männer in ganz Europa, freiwillig zum Kriegsdienst. Mit dem Krieg wurde ein Aufbruch zu
Neuem verbunden. Ein Aufbruch, der ein Ausbruch
aus den alten Strukturen sein sollte und Reinigung
und Fortschritt versprach. Die neue Zeit sollte
aus den Trümmern der alten entstehen. Die
Kriegsbegeisterung legte sich jedoch sehr schnell
angesichts der Zerstörung und der unermesslich
vielen Toten.
Dix malte sich zu Kriegsbeginn mit Artilleriehelm
und ein Jahr später sogar als Kriegsgott Mars.
Als Unteroffizier war er an vorderster Front
im Schützengraben. Er erlebte die Brutalität
hautnah. „Läuse, Ratten, Drahtverhau, Flöhe,
Granaten, Bomben, Höhlen, Leichen, Blut,
Schnaps, Mäuse, Katzen, Gase, Kanonen, Dreck,
Kugeln, Mörser, Feuer, Stahl, das ist der Krieg!
Alles Teufelswerk!“, notierte er 1915 in sein
Tagebuch. 4
Nicht nur in seinen Tagebüchern hielt Dix die
Gräuel des Krieges fest, sondern fertigte bis
zum Kriegsende mehr als 6000 Zeichnungen
an. Diese vor Ort entstandenen Skizzen waren
die Grundlage für viele Werke, mit denen Dix
die Kriegserlebnisse verarbeitete.
1920 veränderte sich seine Bilder: Nicht mehr das
Vergangene, sondern die damalige Gegenwart
wurde Gegenstand seiner Kunst. Es entstanden
Collagen wie „Die Skatspieler“, mit denen Dix
die Folgen des Krieges aufzeigte. Diese Bilder
sind bevölkert mit Kriegsverletzten, die sehr überzeichnet dargestellt sind. Bissig und spöttisch
zeigt er die Nachkriegsmisere auf. Während er
in den Kriegsbildern einen schonungslosen
Realismus beweist, bedient er sich in den Collagen
des Mittels der Übertreibung. Diese Bilder eines
gesellschaftlichen Zustandes sind zugleich auch
als Kommentar zur anfänglichen Begeisterung
und der damit verbundenen Erwartung der
Erneuerung zu verstehen.
Auch in den expressionistischen und
dadaistischen Gedichten findet der Krieg
seinen Niederschlag. Soldatenlieder
zitierend werden hier die Soldatenehre
und die Brutalität des Krieges einander
gegenüber gestellt.
Totentanz 1916
So sterben wir, so sterben wir,
Wir sterben alle Tage,
Weil es so gemütlich sich sterben läßt.
Morgens noch in Schlaf und Traum
Mittags schon dahin.
Abends schon zu unterst im Grabe drin.
Die Schlacht ist unser Freudenhaus.
Von Blut ist unsre Sonne.
Tod ist unser Zeichen und Losungswort.
Kind und Weib verlassen wir –
Was gehen sie uns an?
Wenn man sich auf uns nur
Verlassen kann.
So morden wir, so morden wir.
Wir morden alle Tage
Unsre Kameraden im Totentanz.
Bruder reck dich auf vor mir,
Bruder, deine Brust!
Bruder, der du fallen und sterben mußt.
Wir murren nicht, wir knurren nicht,
Wir schweigen alle Tage,
Bis sich vom Gelenke das Hüftbein dreht.
Hart ist unsere Lagerstatt
Trocken unser Brot.
Blutig und besudelt der liebe Gott.
Wir danken dir, wir danken dir,
Herr Kaiser für die Gnade,
Weil du uns zum sterben erkoren hast.
Schlafe nur, schlafsanft und still,
bis dich aufweckt,
Unser armer Leib, den der Rasen deckt.
Hugo Ball, 1916.
Aus: 113 dada Gedichte, hrsg. von Karl Riha,
Berlin 1987. S. 30
27
OTTO DIX
Kriegslied
Sengen, brennen, schießen, stechen,
Schädel spalten, Rippen brechen,
spionieren, requirieren,
patrouillieren, exerzieren,
fluchen, bluten, hungern, frieren …
So lebt der edle Kriegerstand,
die Flinte in der linken Hand,
das Messer in der rechten Hand –
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.
Aus dem Bett von Lehm und Jauche
zur Attacke auf dem Bauche!
Trommelfeuer - Handgranaten –
Wunden – Leichen – Heldentaten –
bravo, tapfere Soldaten!
So lebt der edle Kriegerstand,
das Eisenkreuz am Preußenband,
die Tapferkeit am Bayernband,
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.
28
Stillgestanden! Hoch die Beine!
Augen gradeaus, ihr Schweine!
Visitiert und schlecht befunden.
Keinen Urlaub. Angebunden.
Strafdienst extra sieben Stunden.
So lebt der edle Kriegerstand.
Jawohl, Herr Oberleutenant!
Und zu Befehl, Herr Leutenant!
Mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.
Vorwärts mit Tabak und Krümmel!
Bajonette. Schlachtgetümmel.
Vorwärts! Sterben oder Siegen!
Deutscher kennt kein Unterliegen.
Knochen splittern, Fetzen fliegen.
So lebt der edle Kriegerstand.
Der Schweiß tropft in den Grabenrand,
das Blut tropft in den Straßenrand
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.
Angeschossen, hochgeschmissen,
Bauch und Därme aufgerissen.
Rote Häuser – blauer Äther Teufel! Alle heiligen Väter! …
Mutter! Mutter!! Sanitäter!!!
So stirbt der edle Kriegerstand,
in Stiefel, Maul und Ohren Sand –
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.
Erich Mühsam, 1917.
Aus: Gedichte gegen den Krieg, hrsg. von Kurt
Fassmann, Frankfurt a. M. 1975. S. 108
PAUL KLEE
PAUL KLEE
1879 Münchenbuchsee bei Bern –
1940 Locarno-Muralto
Abfahrt der Schiffe
1927
Öl und Tusche auf Leinwand
29
„Und nun: – was ein moderner Mensch über
das Deck eines Dampfers schreitend erlebt:
1. die eigene Bewegung; 2. die Fahrt des
Schiffes, welche entgegensetzt sein kann;
3. die Bewegungsrichtung und die Geschwindigkeit des Stroms; 4. die Rotation der Erde; 5. ihre
Bahn; 6. die Bahnen von Monden und Gestirnen
darum herum. Ergebnis: ein Gefüge von Bewegungen im Weltall, als Zentrum das Ich auf dem
Dampfer“
(Paul Klee, 1918-201)
Aus diesem Zitat von Paul Klee lässt sich ein
zentrales Thema des Künstlers herauslesen:
Bewegung. Für Klee bedeutete alles Leben
Bewegung. Er war überzeugt, dass selbst
dasjenige, was sich in statischem Zustand
befindet, Dynamik in sich trägt. Auch bei
„Abfahrt der Schiffe“ spielt Bewegung eine
wesentliche Rolle. Kannst du erkennen, wie
der Künstler diese ins Bild bringt?
Die Schiffe sind aus Dreiecken und Halbkreisen
aufgebaut. Überhaupt besteht das Bild ausschließlich aus mehr oder weniger geometrischen
Formen. Klee vereinfacht die Darstellung und
verzichtet auf Lichtreflexe und Schattensetzung.
Raum wird vor allem durch die Staffelung
von kleinen und großen Formen dargestellt.
Stell dir vor, du stehst auf einem der Schiffe.
Spürst du eine Bewegung? Welche? Und wie
wird diese Bewegung durch die Formensprache
im Bild wiedergegeben? Der Punkt oder Kreis
war für Klee Ausgangspunkt jeder Bewegung.
Im Bild steht dem runden, blauen Mond der rote
Kreis im Bauch des rechten Schiffes gegenüber,
der wie ein Gelenk das Schaukeln des Schiffes
aufnimmt. Bewegt sich eigentlich auch das Meer
im Bild? Und noch eine Frage: Hast du eine Idee,
welche Bedeutung der rote Pfeil auf der rechten
Bildseite hat?
PAUL KLEE
Die Angabe zum Material dieses Bildes ist
Öl und Tusche auf Leinwand.
Öl beschreibt die Art der Farbe, es ist also Ölfarbe
gemeint. Das, was die Farbe farbig macht, egal
ob im Bunt- oder Filzstift, in den Wasserfarben
oder Wachsmalern, ist das Pigment. Pigmente
sind kleinste puderige Teilchen, wie z.B. der Staub
eines zermahlenen Edelsteins. Stellt man sich
vor, dass man mit diesem Staub eine Leinwand
bepinselt und das fertige Bild nachher an die
Wand hängt, wird klar, dass man diesen Staub
hätte ankleben müssen. Sonst sammelte sich das
ganze Gemälde mit der Zeit unter der Leinwand
auf dem Boden. Dieser Kleber ist bei der Ölfarbe
das Öl, bei der Acrylfarbe der Acrylbinder, bei
den Wachsmalstiften das Wachs. In Buntstiften
werden die Pigmente mit einer ausgeklügelten
Mischung von Fett und Wachs zusammengehalten
und auf diese Weise dauerhaft auf das Papier
geklebt.
30
Auf Leinwand bedeutet, dass die Farbe auf
eine Leinwand aufgetragen wurde. Häufig wird
bei den Materialangaben nicht so eindeutig
unterschieden, welche Art von Leinwand für das
Bild ausgewählt wude. Hier gibt es viele Unterschiede, die deutlich werden, wenn du dich dem
Original vorsichtig näherst und genau hinsiehst.
Kannst du zwischen den Webfäden richtige Löcher und Erhebungen erkennen, spricht man von
einer sehr groben Leinwand. Manchmal findet
man dann die Angabe Öl auf Jute/Rupfen. Ist die
Oberfläche glatt, d.h. sehr eng mit dünnen Fäden
gewebt, spricht man von einer feinen Leinwand,
auch Porträtleinwand genannt. Portraits sind
früher immer sehr genau gemalt worden, und
man bevorzugte für Gesichter eine ebene Bildoberfläche. Meist kann man nicht genau klären,
um welchen Stoff es sich handelt, wenn man nur
den grundierten und bemalten Teil des Bildes
angucken kann, dafür müsste man einen Blick
auf die Rückseite des Bildes werfen dürfen. Dann
wäre auch gut zu erkennen, wie die Leinwand
befestigte wurde.
Häufig werden die Leinwände auf einen speziellen Keilrahmen aufgespannt. Einen Keilrahmen
kann man mit kleinen Keilen in den Ecken auseinandertreiben, wenn die Spannung der Leinwand
nachlässt und diese durchhängt.
In diesem Bild ist die starke Leuchtkraft der
Schiffe auf dem dunklen Hintergrund besonders
auffallend. Sie entsteht durch die von Paul Klee
verwendete Lasurtechnik. Die Lasurmalerei
ist eine Maltechnik, bei der die Farben so dünn
aufgetragen werden, dass man durch sie hindurchsehen kann. Man setzt dafür besonders
transparente Farben ein, die das Weiß des Untergrundes durchscheinen lassen. Du kannst in
den helleren Flächen sehr deutlich den Duktus
erkennen, also die Pinselführung, mit der
die weiße Grundierung aufgetragen wurde.
Der Auftrag der orange-gelben Töne hingegen
hinterlässt keinen sichtbaren Duktus, liegt eher
wie eine dünne Schicht auf dem Untergrund.
Nur der Pfeil und die Signatur rechts oben sind
mit einer deckenden Farbe gemalt, den Unterschied der Farbwirkung siehst du deutlich.
Wenn du das Bild ganz genau betrachtest, merkst
du auch, dass die Schiffe aus Negativformen
bestehen. Die zuerst als Hintergrund wahrgenommene dunkle Fläche ist also maltechnisch
betrachtet eigentlich vorne, weil sie als letzte
Schicht oben drauf gemalt wurde. Die sehr feinen
Risse könnten darauf hinweisen, dass diese dunkle
Fläche die Tusche ist, eine wässrige Farbe, die
nicht gut auf einer ölhaltigen Farbe haftet
und zum Abplatzen neigt. Tusche ist vergleichbar
mit der Tinte, die man für Patronen in Füllern
verwendet. Wenn du dir weitere Bilder von Klee
anschaust, wird dir auffallen, dass er sehr erfinderisch war und beispielsweise den Pinsel zuweilen
auch zum Ritzen und Kratzen benutzte. Viele
experimentelle Mal- und Drucktechniken sind
von Klee entwickelt worden.
1927, als Paul Klee „Abfahrt der Schiffe“ malte,
war er Lehrer am Bauhaus. Das Staatliche
Bauhaus war eine Schule und wurde 1919 in
Weimar von einem Architekten gegründet.
Der Name leitete sich von der mittelalterlichen
Dom-Bauhütte ab (Bauhaus kommt von
Bauhütte), an der Baumeister mit allen Handwerkern und Kunstschaffenden zusammen an
der Errichtung des Doms arbeiteten. Eine solche
Zusammenarbeit strebte das Bauhaus wieder
PAUL KLEE
an. Hatte sich die Welt seit dem Mittelalter doch
dahin verändert, dass immer mehr Menschen
jeweils nur eine bestimmte Sache konnten und
machten. Am Bauhaus unterrichteten Fachleute
aus Architektur, Handwerk und Kunst gemeinsam.
Es ist Vorläufer der heutigen Hochschulen für
Gestaltung, an denen die verschiedenen gestalterischen Berufe erlernt werden können. Bei allem,
was Menschen herstellen, ob Auto, Haus oder
Spielzeugball, muss nämlich entschieden werden,
wie es aussehen soll. Als Menschen ihre Erzeugnisse noch allein und handwerklich herstellten,
haben sie auch deren Aussehen gestaltet. Seit
die meisten Dinge in Fabriken gefertigt werden, in
denen die Arbeitenden oft nur einen bestimmten
Teil der Herstellung übernehmen, gibt es den
Beruf der Gestalterin oder des Gestalters, die
das Aussehen des Gegenstandes bestimmen.
Eng verbunden mit dem Aussehen ist dabei, wie
etwas funktioniert, denn wenn die Gestalterin
oder der Gestalter zum Beispiel beschließen
würde, einen Ball viereckig schöner zu finden,
wäre das nicht besonders funktional – es würde
der Funktion, also der Aufgabe des Balles, rollen
zu können, nicht gerecht werden. Die Idee des
Bauhauses war es deshalb, Gestaltungsformen zu
entwickeln und zu unterrichten, die Anwendung
und Aussehen verbinden. Man beschäftigte sich
dazu mit den Grundlagen der Gestaltung, die
man auf möglichst viele verschiedene Gebiete
anwenden könnte. So stellten Architektinnen und
Architekten auch Möbel her, Künstlerinnen und
Künstler schufen Teppiche, aber auch Kinderspielzeug, Rührschüsseln, Plakate und ganze Häuser.
Zielsetzung war es, all diese Dinge möglichst
einfach und praktisch zu gestalten. Die Schönheit
der Dinge sollte sich daraus dann von selbst
ergeben. Dabei begriff man die neuen Möglichkeiten der Industrie, Waren in großer Stückzahl
herstellen zu können, als Chance. Wären diese
Massenwaren praktisch, gut verarbeitet und
schön, würde das allen Menschen nutzen.
Paul Klee lehrte von 1921 bis 1931 am Bauhaus
verschiedene Fächer der Gestaltung: für Bücher,
Glas oder Weberei von Stoffen und Teppichen. Er
hatte sich als Maler viel mit Farben und Formen
beschäftigt und aus seinen Erkenntnissen eine
ganz eigene Form- und Farblehre entwickelt.
Dabei hatte er Grundsätze zusammengetragen,
wie diese in der Gestaltung wirken und was sie
bewirken. Wie er im Bild „Abfahrt der Schiffe“
durch die wenigen einfachen Formen und
Farben die Schiffe, deren Bewegungen und den
Raum, in dem sie sich bewegen, erzeugt, gibt
eine Vorstellung davon. Anders herum kann
man mit Farbe und Form auch Ruhe erzeugen.
Diese unterschiedlichen Wirkungen lassen sich
als Grundlagen der Gestaltung in der Malerei
genauso anwenden wie beim Bau von Häusern
oder der Herstellung von Alltagsgegenständen.
Somit war Paul Klee ein idealer Lehrer im Sinne
des Bauhauses.
Paul Klee musizierte, malte, und schrieb
Gedichte. So wie er seinen Gemälden poetische
Titel gab, verwandelte er innere Bilder in
Sprache. Vielleicht kennst du das ja auch,
dass plötzlich Bilder in deinem Kopf auftauchen?
Versuche doch auch mal, ein Gedicht daraus zu
machen!
Weh mir unter dem Sturmwind
ewig fliehender Zeit
Weh mir in der Verlassenheit
ringsum in der Mitte allein
Weh mir tief unten
auf dem vereisten Grunde Wahn.
Paul Klee, 1912
Aus: Paul Klee, Gedichte, Zürich 1996, S. 109
Der Mond vielseitig
im Bahnhof eine von den Lampen
im Wald ein Tropfen im Bart
am Berg: dass er nicht rollt!
Daß ihn der Kaktus nicht spießt!
Daß ihr nicht niest!!
Zittre um Deinen Leib
sieh diese Räume
– Träume sind nicht so weit –
und – wo bist Du?
Wo sind Linnen
Drinnen Schlaf sich fand?
Wo ist zartem Fuß ein Sand?
Wo Liebesband linder Hand?
Nirgend – irgend??
bin nicht hier!
– glühe bei Toten –
Paul Klee, nicht datiert
Aus: Paul Klee, Gedichte, Zürich 1996, S. 11
31
CONSTANTIN BRANCUSI
Von einem kegelförmigen Fuß aus weißem
Marmor erhebt sich eine schmale, geschwungene
und bauchige Form aus hochpolierter Bronze
und läuft in einer abgeflachten Spitze aus. Die
Skulptur mit ihrem kleinen Marmorsockel steht
auf einem zweiten, x-förmigen Sockel aus
Sandstein. Der Künstler Constantin Brancusi hat
den Sockeln besondere Formen gegeben und
bewusst verschiedene Materialien für die
einzelnen Teile der Arbeit gewählt. Wie wirken
die unterschiedlichen Materialien und Formen
in ihrem Zusammenspiel auf dich?
Wenn du um die Skulptur herumgehst, kannst du
beobachten, dass sie aus jeder Perspektive anders
aussieht. Wodurch kommt das? Achte auf das
Licht, wie es auf das Material wirkt. Die schmale,
geschwungene Form aus Bronze wirkt fast golden.
In dem Material spiegeln sich das Licht, der Raum
und die Betrachter. Durch die Spiegelungen
erscheint das schwere Metall ganz leicht und
bewegt. Auch die Form sieht durch ihre Wölbung
von jeder Seite anders aus. Ihr ganzer Schwung
läuft in der abgeflachten Spitze aus und scheint
noch darüber hinaus in die Höhe zu streben.
Gerade dieses Zusammenspiel von Material,
Lichtreflexion und Form lässt die Skulptur immer
anders erscheinen und verleiht ihr Dynamik.
32
Brancusi hat der Arbeit den Titel „Der Vogel“
gegeben. Kannst du in der Form noch einen
Vogel erkennen? Ging es dem Künstler um
eine naturgetreue Abbildung einer bestimmten
Vogelart? Was nimmst du wahr?
CONSTANTIN BRANCUSI
1876 Hobita – 1957 Paris
Vogel
um 1940
Bronze, Marmor, Sandstein
Brancusis Skulptur besteht aus drei unterschiedlichen Materialien: Bronze, Marmor und Sandstein.
Der obere Teil ist aus Bronze gegossen, ist eine
Bronzeplastik.
Eine Bronzeplastik ist innen hohl wie ein Schokoosterhase. Sie wird in eine Form gegossen.
Das Bronzegussverfahren ist sehr aufwendig und
hier in einzelnen Schritten erklärt: Am Beginn
des Arbeitsprozesses steht das Originalmodell,
das aus einem beliebigen Material, wie z.B. Knete
oder Ton, sein kann. Dieses wird mit Silikon oder
Gips abgeformt und diese erste Negativform mit
Wachs ausgegossen. Das so entstandene Wachs-
CONSTANTIN BRANCUSI
modell hat die gleiche Form, ist also ein Abbild
des Originals. Um das Modell wird nun ein Kasten
gebaut, der mit einer feuerfesten Masse, der so
genannten Formerde, gefüllt wird. In einem Ofen
wird die Form mehrere Tage gebrannt, um das
Wachs auszuschmelzen. In die erkaltete Form wird
über zuvor angelegte Kanäle das flüssige Metall
gegossen. Dafür wird Kupfer mit Zinn vermischt,
welche zusammen die Bronzelegierung ergeben.
Die gefüllte Form lässt man auskühlen. Die erkaltete
Form wird nun aufgebrochen und die Formerde
vom Guss entfernt. Die Kanäle werden abgesägt,
Risse geglättet und die Oberfläche poliert. Diesen
Vorgang der Oberflächenbehandlung nennt man
Ziselieren. Da es sich bei einer Bronze um die Abformung eines Originalmodells handelt, können
die Arbeitsschritte wiederholt und mehrere Bronzeplastiken gegossen werden. Wenn es mehrere
gleiche Plastiken gibt, nennt man die Anzahl
der Abgüsse die Auflage der Plastik.
Doch häufig werden die Begriffe Plastik und
Skulptur nicht richtig verwendet. Als Plastik
bezeichnet man dreidimensionale Kunstwerke,
die geformt worden sind und durch ein aufbauendes, hinzufügendes Verfahren entstehen.
„Plastique“ ist das französische Wort für formbar.
Somit sind alle Formen aus Materialien, die
gegossen werden, die schmelzbar oder aushärtend sind, Plastiken. Dazu gehören beispielsweise Gips, Beton, Silber, Gold, Ton, Porzellan
und Wachs. Skulpturen hingegen werden aus
einem vorliegenden Material wie Holz, Marmor
oder Stein gehauen, geschnitten oder geschnitzt.
Es wird, anders als bei der Plastik, kein Material
hinzugefügt oder angesetzt, sondern das
Material wird abgetragen. „Sculpere“ ist
das lateinische Wort für schnitzen, meißeln.
Die Auseinandersetzung mit der Materialästhetik
begleitete das gesamte Schaffen Constantin
Brancusis. Allein „Der Vogel“ entstand von 1923
bis 1941 in 17 Varianten in verschiedenfarbigem
Marmor, eingefärbtem Gips und polierter Bronze.
1926 hatte Brancusi in einer New Yorker Galerie
seine erste große Einzelausstellung in den Vereinigten Staaten von Amerika. Kurz zuvor hatte
ein Amerikaner Brancusis Bronze-Plastik „Vogel
im Raum“ in Paris gekauft. Als er sie in die USA
einführen wollte, musste er dafür Zoll bezahlen,
obwohl Kunstwerke von der amerikanischen
Regierung vom Zoll befreit waren. Brancusis
„Vogel im Raum“ wollte der amerikanische Zoll
aber nicht als Kunstwerk anerkennen. Brancusis
Formen sind so vereinfacht, dass sie 1926 auf
viele Menschen wie ein unbearbeitetes Stück
Metall gewirkt haben. Man war es gewohnt, in
Kunstwerken etwas abgebildet zu sehen, das man
wiedererkennen konnte. Im Gegensatz zur zollfreien Kunst wurde nun Zoll in Höhe von 40% auf
den Rohstoff Buntmetall erhoben. Wenig später
sollte Brancusi, als er seine Werke für die Ausstellung in New York einführen wollte, ebenfalls
Zoll bezahlen. Der Warenexperte an der amerikanischen Grenze, selbst ein Hobby-Bildhauer,
vermutete in den Bronze-Plastiken sogar als Kunst
getarnten Buntmetallschmuggel. Sie wurden zwar
für die Ausstellung befristet ins Land gelassen,
beim Verkauf einer Plastik in die USA sollte aber
Zoll darauf fällig werden. Brancusi führte einen
Prozess gegen diese Entscheidung, dass seine
Plastiken keine Kunst seien. In dem Verfahren
gegen die Vereinigten Staaten von Amerika sagte
sein Anwalt unter anderem: „Wir gestatten uns
anzunehmen, dass es im Interesse der Regierung
liegt, nicht für oder gegen eine bestimmte Kunstrichtung eingenommen zu sein, sei sie realistisch,
impressionistisch oder abstrakt. Der Sinn des
Gesetzes und die Absicht der Gesetzgeber war
sicher, dies zu fördern und einen Gegenstand
zollfrei zu erklären, der ernste künstlerische
Absichten bekundet von Seiten eines Bildhauers
oder Malers jenseits aller utilitären [rein auf den
Nutzen gerichteten] Zwecke.“7 Constantin
Brancusi gewann den Prozess nach zweijähriger
Verhandlung, und seine Skulpturen gehören
damit zu den seltenen Kunstwerken, die durch
ein Gerichtsurteil offiziell als Kunst bestätigt sind.
33
LUDWIG MIES VAN DER ROHE
LUDWIG MIES VAN DER ROHE
1886 Aachen – 1969 Chicago
Neue Nationalgalerie
1965/68
Stahl, Glas
34
Die Neue Nationalgalerie wird oft mit einem
Tempel verglichen. Erkennst du warum?
Kannst du die wichtigsten Merkmale dafür
benennen? Und wäre ein Tempel überhaupt
nutzbar als Museumsbau? Das wollen wir
uns einmal genauer ansehen!
Kannst du dir diese 50 x 50 Meter große Halle
vorstellen, in der keine Wand und keine Säule
die Decke stützt? Kennst Du etwas vergleichbar
Großes? Worin könnten die Schwierigkeiten,
worin das Potential liegen, von denen Mies van
der Rohe spricht?
Eine Treppe, fast so breit wie das Gebäude
selbst, führt auf eine Plattform. Hier errichtet
der Architekt Ludwig Mies van der Rohe ein
lichtdurchflutetes Gebäude mit einfachsten
Mitteln: Auf nur zwei Säulen pro Seite ruht
die weit über die Fassade hinausragende
Dachplatte. Das Gebäude selbst ist ein gläserner
Würfel, dessen Glasfassade von innen und
außen weite Durchblicke bietet. Wo zwei Holzeinbauten, hinter denen Garderoben untergebracht sind, oder zwei mit grünschwarzem
Marmor verkleidete Versorgungsschächte
die Durchsicht verstellen, entstehen durch die
Fenster mannigfaltige Spiegelungen. Sie leiten
den Blick auf immer weitere Ebenen. Innenund Außenwelt treten dadurch in vielfältige
Beziehungen zueinander. Der Architekt selbst
sagte 1968 zu dem riesigen, stützenfreien
Innenraum, den er geschaffen hatte:
„Es ist eine so große Halle, dass es selbstverständlich Schwierigkeiten bereitet, darin Kunst
auszustellen. Ich bin mir dessen völlig bewusst.
Aber sie birgt ein solches Potential in sich, dass
ich darauf keine Rücksicht nehmen kann.“6
Im Inneren der Glashalle führen Treppen links und
rechts nach unten. Erst jetzt wird sichtbar, dass
der Sockel, auf dem die Halle steht, ein ganzes
Untergeschoss beinhaltet. Die Treppen enden
dort in einem großen Eingangsraum, von dem
weitläufige Ausstellungsräume wegführen. Diese
gehen ineinander über und öffnen sich auf der
Rückseite des Gebäudes zu einem hofähnlichen
Skulpturengarten, der auf ganzer Länge durch
raumhohe Fenster mit den Ausstellungsräumen
verbunden ist. Erst durch die im Sockelgeschoss
untergebrachten Ausstellungs- und Verwaltungsräume gelingt es Mies van der Rohe, sich in der
oberen Halle ganz seinem Ideal zu widmen:
Einen einzigen, großen und leeren Raum zu
bauen, mit einem Dach, das nur durch außenliegende Stützen getragen wird.
LUDWIG MIES VAN DER ROHE
Die Neue Nationalgalerie hat in Wirklichkeit gar
kein Schildchen, keine Werkbeschriftung. Sie ist
schließlich das Museumsgebäude selbst und kein
Kunstwerk im Museum. Weil Ludwig Mies van der
Rohe mit der Neuen Nationalgalerie aber ein so
bedeutendes Gebäude geschaffen hat, wird
sie von vielen Menschen wie ein Kunstwerk
betrachtet und deshalb hier auch einmal wie
ein Kunstwerk beschrieben. Also haben wir ihr
für diese Seiten auch eine Werkbeschriftung
gezaubert. Warum dieses Gebäude so berühmt
ist, wird dir vielleicht klarer, wenn du dir
anschaust, wie es gebaut worden ist.
Wie ein Haus von Mies van der Rohe aussieht,
wird in hohem Maße davon bestimmt, wie es
gebaut wurde. Dabei legte er seinen
Entwürfen einfache geometrische Formen zu
Grunde, die zu einer schlichten und klaren
Bauweise führen.
Meist wird ein Haus gebaut, indem man zuerst
die Grundmauern errichtet. Auf diese Mauern
kann man dann das Dach setzen. Man legt Balken
von einer Grundmauer zur anderen und setzt
das Dachwerk darauf. Wenn das Gebäude größer
werden soll, muss man im Inneren zusätzliche
Wände einziehen, die helfen, das Dach zu tragen.
Diese Wände nennt man deshalb auch tragende
Wände. In mehrstöckigen Häusern tragen
Außenmauern und tragende Wände die Stockwerke übereinander und schließlich das Dach.
Da die meisten Häuser in verschiedene Räume
eingeteilt werden, stören die tragenden Wände
nicht. Oft werden sogar noch zusätzliche Wände
eingezogen, um noch mehr Unterteilungen in
einem Haus zu schaffen. Möchte man keine Wände
im Inneren haben, weil man zum Beispiel einen
großen Saal haben möchte, muss man zumindest
Säulen aufstellen, auf denen die weiteren Stockwerke und die Dachkonstruktion aufruhen. Auch
bei Hallen, in denen man oft keine Wände haben
möchte, braucht man solche Stützen, die das Dach
tragen helfen. Man möchte schließlich nicht, dass
einem die Decke auf den Kopf fällt.
Ludwig Mies van der Rohes Motto lautete:
weniger ist mehr. Er wollte es lieber schlicht.
Und er hat sich sein Leben lang damit beschäftigt,
die oben beschriebene Konstruktionsweise
anders zu lösen. Er wollte herausfinden, wie man
einen einzigen großen Raum ohne Wände und
ohne störende Stützen darin bauen könnte.
Bei der Neuen Nationalgalerie hat er folgende
Lösung gefunden: Er hat das Dach der Ausstellungshalle aus einzelnen Kassetten zusammenschweißen lassen. Stell dir vor: Das riesige,
65 x 65 Meter messende Dach wurde vor Ort zu
einem einzigen Stück zusammengeschweißt und
dann von Kränen auf die Stützen gehoben! Durch
diesen Trick gelang es ihm, die Dachplatte in sich
so stabil zu machen, dass sie auf nur acht Säulen
aufgelegt werden konnte, ohne durchzubiegen
oder gar einzustürzen.
Probier das einmal aus: Wenn du ein Papier über
etwas legst, wird es ab einer bestimmten Größe
durchhängen. Mit Eierkartons hingegen könntest
du Mies van der Rohes Kassettenkonstruktion
nachbauen.
Die Halle der Neuen Nationalgalerie ist also eine
in einem Stück gefertigte Dachplatte auf acht
Stahlträgern. Wände gibt es gar keine! Und die
Fenster konnte Mies nun auch einbauen, wo
er wollte. Er hat die Glasfassade etwas zurückgesetzt, sodass die Außenkanten des Daches
nicht direkt über der Fassade liegen. Dadurch
wirkt die Dachplatte noch schwebender.
Kannst du die geometrische Form, die Mies van
der Rohe der Neuen Nationalgalerie zu Grunde
gelegt hat, erraten? Wenn du dich in der Halle
befindest, wirst du sie an der Form der Kassetten
der Decke, aber auch an den steinernen Bodenplatten sofort erkennen. Aber auch in den hier
genannten Maßen des Gebäudes ist ein Hinweis
enthalten.
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LUDWIG MIES VAN DER ROHE
Scharoun entwickelte den Masterplan für ein
Ensemble von Kulturbauten, das ganz im Sinne
der Moderne aus einzelnen, freistehenden
und durch Grünanlagen verbundenen Gebäuden
bestehen sollte.1960-63 wurde die von ihm
entworfene Philharmonie als erster dieser
Solitärbauten am Nordrand des Kulturforums
errichtet.
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Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde mehrfach
versucht, Ludwig Mies van der Rohe für ein
Bauprojekt in Berlin zu gewinnen. Hier hatte er
seit 1904 gelebt und gearbeitet, bis er 1938 in
die USA ging, wo er 1944 die amerikanische
Staatsbürgerschaft annahm und blieb. 1962
nahm er schließlich den Auftrag für den Bau einer
„Galerie des Zwanzigsten Jahrhunderts“ in Berlin
an. Errichtet werden sollte sie für die Stadt Berlin
auf dem Kulturforum in unmittelbarer Nähe des
kriegs-zerstörten Potsdamer Platzes. Hans Scharouns städtebaulicher Entwurf eines „Kulturellen
Bandes“, das vom Schloss Charlottenburg bis
zur Museumsinsel reichen sollte, gab 1957 den
Ausschlag für die Errichtung eines Kulturforums
an dieser Stelle. Der Ort war schon vor dem Krieg
von den Nationalsozialisten für die Planung
einer monumentalen Nord-Süd-Achse von der
historischen Bebauung geräumt worden, dazu
kamen die Schäden des Zweiten Weltkrieges.
Der Bau der Mauer veranlasste die Bundesrepublik
Deutschland und West-Berlin, nicht länger auf
die Wiedervereinigung der Stadt und damit auch
auf die Wiedervereinigung der in Ost und West
geteilten Sammlungsbestände der Nationalgalerie
zu warten. Aus dem Kulturforum wurde zunehmend ein Gegenentwurf zu der für West-Berlin
nun nicht mehr zugänglichen Museumsinsel,
wo auch die Alte Nationalgalerie steht. Man
beschloss die Erweiterung des Projektes von
einer „Galerie des Zwanzigsten Jahrhunderts“ zur
„Neuen Nationalgalerie Berlin“. Für diese wurde
1965 der Grundstein gelegt. 1967, als das Dach
auf die Säulen gehoben wurde, konnte man von
der Plattform aus noch die über den Potsdamer
Platz führende Mauer sehen. Bei der Eröffnung
der Neuen Nationalgalerie 1968 hatte sich der
begonnene Bau von Scharouns Staats-bibliothek
bereits dazwischengeschoben.
QUELLENANGABEN
1.
Paul Klee, in Schöpferische Konfession (1918-1920), zitiert nach: neue Nationalgalerie Berlin,
Museumsführer, überarbeitete Auflage, München, Berlin, Landon, New York 2008. S. 46
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Will Grohmann: Franz Marc zum Gedächtnis, in: Deutsche Allgemeine Zeitung, 6. März 1936
zum Text
zum Text
Wassily Kadinsky: Franz Marc, in Ders.: Essays über Kunst und Künstler, hersg. von Max Bill, Bern 1955
S. 189f.
zum Text
Otto Dix, zitiert nach Eva Karcher: Dix, Köln 1988. S. 38.
zum Text
Rudolf Belling, zitiert nach: Winfried Nerdddinger: Rudolf Belling, Berlin 1980. S. 24
zum Text
Ludwig Mies van der Rohe, zitiert nach: Claire Zimmerman: Mies van der Rohe. 1886-1969.
Die Struktur des Raumes, Köln 2006. S. 17
zum Text
Brancusis Anwalt, zitiert nach: Carola Giedion-Welcker: Brancusi, Basel 1958, S. 213
zum Text
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PLATZ FÜR NOTIZEN UND SKIZZEN
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INFORMATIONEN
ADRESSE
Neue Nationalgalerie
Potsdamer Straße 50
10785 Berlin
ANGEBOTE FÜR SCHULEN UND KITAS
Aktuelle Schul- und Kita-Angebote sowie Lehrerfortbildungen finden Sie auf unserer
Website unter www.smb.museum
In Führungen, Werkgesprächen und praktischen Workshops im Studio MP empfangen wir Sie gerne.
Für jede neue Sammlungspräsentation denken wir uns für Ihre Schülerinnen und Schüler
und Sie etwas Neues aus.
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