Gesamtdownload - Nachrichten und Kommentare aus Politik und
Transcription
Gesamtdownload - Nachrichten und Kommentare aus Politik und
T r e n d s | H i n t e r g r Ü NDE | I n n o vat i o n e n M är z 2011 2010 März Versetzung gefährdet? Schwerwiegende Folgen Auf zu neuen Ufern Ideen versilbern Wirtschaftspolitik | Die „Zwischenzeugnisse“ im Superwahljahr 2011 werden wohl keinen klaren Trend für die Bundestagswahl aufzeigen. Seite 2 industrie & Märkte | Nur vier deutsche Unternehmen bauen Metalle im Ausland ab – das könnte sich bald rächen. Seite 5 Energie & Effizienz | Die großen vier Versorger Mittelstandsfinanzierung | Neben Krediten wählen KMUs neue Ansätze – ab Seite 21 sie beleihen zum Beispiel Patente. verstärken ihre Aktivitäten im Ausland, denn der deutsche Markt wird immer schwieriger. Seite 17 Blumen vom Facebook-Freund Social Media | Einige Konsumgüterhersteller nutzen die Möglichkeiten schon intensiv – andere scheuen sich noch davor Medienberichterstattung um den Super Bowl auf sich. Einer der Pioniere beim Einsatz von Social Media für Vertriebszwecke ist 1-800-Flowers. Als erstes Unternehmen verkaufte der US-amerikanische Blumenversender seine Produkte direkt in einem Facebook-Store, statt die Kunden auf die eigene Homepage weiterzuleiten. Seitdem hat sich die Fangemeinde verzehnfacht. Viel Pflege erfordern Konzepte, bei denen das Zusammengehörigkeits gefühl der Kunden im Mittelpunkt steht – und gelegentlich sogar die Marke in den Hintergrund tritt. Beispielsweise können sich auf der von Bosch ins Leben gerufenen Community „1-2-do.com“ Mitglieder über handwerkliche Projekte austauschen und Fragen diskutieren. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch die Warenkette Real mit dem Familymanager, einem Portal mit Tipps und Foren zu den Themen Ernährung, Gesundheit, Familie und Freizeit. Ist Social Media nur ein vorübergehender Hype oder ein langfristig nützlicher Kanal? Auch wenn angesichts der jungen Geschichte dieser Medien noch viele Dinge in Bewegung sind, kristallisiert sich schon jetzt klar heraus: Social Media wird sich langfristig als bedeutender Marketing-, Absatz- und Service-Kanal etablieren. Von Elwine Happ-Frank D ie jüngsten Unruhen in der arabischen Welt haben gezeigt: Facebook, Twitter und Co spielen eine immer größere Rolle – und können sogar Revolutionen mit auslösen. Große Markenartikler müssten diese Medien deshalb stärker nutzen. Doch nur wenige Firmen setzen das Instrumentarium geschickt ein. Insgesamt verstehen die renommierten Konsumgüterhersteller das soziale Netzwerk schlecht, stellt die Unternehmensberatung A. T. Kearney in einer Studie fest. Dabei nimmt die Bedeutung von Social Media rasant zu. Durchschnittlich verweilen die Nutzer 32 Minuten bei Facebook, innerhalb von drei Monaten hat die Internet-Reichweite der größten Web-Community um 9 % auf 40 % zugenommen. Dennoch hatten von den 50 TopMarkenartiklern weltweit fünf Unternehmen gar keine Aktivitäten in diesem Bereich. Aber auch die Konzerne, die sich in den sozialen Netzen tummeln, sind noch sehr zurückhaltend. Bei sieben Firmen – dazu gehören so renommierte Namen wie Disney, Gucci, McDonald’s, Louis Vuitton, American Express und Sony – kann nur das Unternehmen die Konversation starten. Lediglich eine einzige der Weltklasse-Marken traut sich eine ungefilterte Facebook-Wand zu, alle anderen erlauben nur ausgewählte Einträge. Im November und Dezember 2010 beantworteten die Topmarken fast 90 % der Nutzereinträge nicht, fand die Studie heraus. Nur bei 15 % der Antworten wurde der Nutzer zu einem weiteren Dialog animiert, lediglich 17 % schafften es, den Adressaten mit Namen anzusprechen. Eine der Ursachen dafür ist die Scheu der Unternehmen vor einem Kontrollverlust. Tatsächlich können sich Probleme beim Produkt oder Service im Internet wie ein Lauffeuer verbreiten und großen Imageschaden anrichten. Vielen Firmen fehlt bislang Chancen für B2B auch ein klarer Beleg, dass die Wirkung von Social Media größer ist als die traditioneller Medien. Die Diskussionen in der Öffentlichkeit um den Schutz von Daten und der Privatsphäre im Netz spielen ebenfalls eine Rolle. Internet- statt TV-Kampagne Einige Unternehmen setzen die neuen Möglichkeiten aber schon sehr intensiv ein. PepsiCo hat sich zum Beispiel im vergangenen Jahr in den USA ent- schlossen, ihre über viele Jahre sehr erfolgreiche TV-Kampagne anlässlich des Super Bowls durch Social-MediaAktivitäten zu ersetzen – mit einem komplett neuen Ansatz. Ein großer Teil des Werbebudgets wurde für Spenden für kommunale Projekte bereitgestellt. Dabei konnten die Nutzer über Twitter, Facebook und eine iPhone-Applikation über die Verteilung entscheiden. Der Erfolg: PepsiCo gewann über eine halbe Million Fans hinzu und zog 20 % der Den ersten Blumenshop bei Facebook hat das US-Unternehmen 1-800-Flowers eingerichtet. Seitdem hat sich die Fangemeinde verzehnfacht. Foto: Getty Social Media wird für die Kommu nikation mit dem Endkunden immer wichtiger. Doch welche Rolle spielt dieses Instrument im B2B-Segment? Nach einer Untersuchung von Forrester Research bezieht bereits die Hälfte der Einkäufer in Unternehmen Social Media in Entscheidungen mit ein. Sie informieren sich in Business Networks wie LinkedIn oder Xing, über Websites wie Slideshare, auf denen Unternehmen ihr Know-how präsentieren können, oder auf Rating- und Handelsplattformen wie alibaba. I n h a lt Aktuelles Thema Nahost-Krise Für die Rohstoffversorgung sollte Deutschland die russische Karte spielen, meint ifo-Präsident Sinn. Innovationen & IT Weltrekordkabel ABB hat ein superstarkes Hochsee-Kabel für OffshoreWindparks entwickelt. 11 Energie & Effizienz Windige Hotspots Ein neuer Atlas zeigt, wo die besten Standorte für Windräder in Baden-Württemberg sind. 18 Factoring Wie Phoenix aus der Asche Die Finanzkrise hat der Branche neues Leben eingehaucht – die Nachfrage steigt. ab 26 Industriestadt Berlin Im Herzen Europas Nach der Wende setzt Berlin auf seine ideale Lage und Innovationskraft. ab 29 Journal Ein Technik-Pionier mit Herz Robert Bosch hatte eine gutes Gespür für Innovationen und für die Nöte der Menschen in den Kriegswirren. 32 ❯ www.wirtschaftskurier.de 53. Jahrgang · B7388 E € 2,80 · € 3,10 (Österr.) · CHF 4,20 Gemischte Teams sind erfolgreicher Globalisierung | Der Anteil an AusländerInnen im Management nimmt nur langsam zu F rauen in die Führungspositionen – so lautet derzeit eine häufig geäußerte Forderung. Volkswagen hat nun ein Signal gesetzt: Die SEB-Chefin Annika Falkengren wurde für den Aufsichtsrat nominiert. Doch noch ist das ein Einzelfall. Eine gemischte Zusammensetzung des Managements gilt aber als Erfolgsfaktor in einer globalisierten Wirtschaft. Dazu gehört auch ein größerer Anteil an Entscheidern aus anderen Ländern und Erdteilen. Daran hapert es besonders. Die Märkte in den einzelnen Regionen der Welt wachsen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten – dafür brauchen die Unternehmen Manager, die damit Erfahrung haben. Die Finanzkrise hat die Differenzen zwischen den Industrienationen und den sogenannten Schwellenländern eher noch 4 195007 102003 03 vertieft: China und Indien wachsen mit zum Teil zweistelligen Raten, während sich die Wirtschaft in den USA nur zögerlich stabilisiert und in Europa einige Länder schwer mit einer Erholung kämpfen. Gleichzeitig unterscheiden sich die Bedürfnisse der Kunden in den einzelnen Regionen grundlegend, wie ein Blick auf die Kaufkraft zeigt: Auch wenn sich das Niveau ganz langsam annähert, ist der Abstand noch beträchtlich. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt in China bei 3 700 USDollar, in den USA aber bei 46 000 USDollar. „Das bedeutet, dass Produkte und Services, die für einen Markt entwickelt wurden, wahrscheinlich nicht für eine andere Nation passen“, stellt Ernst & Young in einer Studie fest. Einer Online-Befragung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unter 1 000 Topmanagern weltweit zufolge sind die Konzernspitzen noch vorwiegend mit Führungskräften aus dem Heimatmarkt besetzt. Nur in drei von zehn Unternehmen gibt es Manager, die nicht aus dieser Region stammen. Nur eine von zehn Firmen hat ein wirklich Die Schwellenländer brauchen einen anderen Managertyp als Industrie nationen. Unterschiedlich besetzte Führungsgremien können die Herausforderungen am besten meistern. internationales Management: Bei diesen Unternehmen kommt die Hälfte der Verantwortlichen aus Ländern jenseits des Heimatmarkts. Die Unternehmen sind sich der Problematik durchaus bewusst. Einen radikalen Schritt hat beispielsweise die Kreditkarten-Gesellschaft Mastercard getan. Im Juli 2010 wurde Ajay Banga neuer CEO des US-Konzerns. Die Er- nennung des Inders war nach Ansicht von Ernst & Young ein starkes Signal, wo Mastercard in Zukunft die wichtigen Märkte sieht. Umgekehrt schlafen auch die Firmen in den Schwellenländern nicht. Vor etwa einem Jahr machte Tata Motors Carl-Peter Forster, den ehemaligen Europachef von General Motors, zum neuen CEO. Seine langjährige Erfahrung in entwickelten Märkten ist ein Zeichen dafür, dass Ta ta eine Expansion nach Westen plant. Eine Internationalisierung der Managementteams ist aber nicht nur vor dem Hintergrund der Globalisierung der Märkte wichtig – gemischte Teams sind einfach besser. Die renommierte US-Organisation Catalyst, die sich für mehr Frauen in Führungspositionen einsetzt, kam in einer Untersuchung der 500 umsatzstärksten Unternehmen der Welt zu dem Schluss, dass Firmen mit einem höheren Frauenanteil mehr Erfolg haben. Die Eigenkapitalrentabilität lag bei Konzernen mit mehreren weiblichen Topmanagern um 53 % höher als bei den Unternehmen mit der niedrigsten Zahl an Frauen in Führungspositionen. hp 4 Best Bu y Die Zentrale in der Heimatstadt, Tochtergesellschaften in den einzelnen Ländern: So sieht die Struktur internationaler Konzerne normalerweise aus. Best Buy hat einen anderen Ansatz gewählt. Der US-Anbieter von elektronischen Konsumgeräten hat drei gleichberechtigte Divisionen geschaffen, um auf die unterschiedlichen Anforderungen der Märkte besser einzugehen: Amerika, Europa und Asien. Damit verabschiedet sich Best Buy auch von der traditionellen Unterteilung in entwickelte Länder und Schwellenmärkte. Statt ein funktionierendes Geschäftsmodell auf andere Märkte zu übertragen, wendet Best Buy einen selektiven Ansatz an. Jede Region kann nach dem Best-Practice-Modell einzelne Komponenten der Wertschöpfungskette auswählen. „Wenn uns beispielsweise das Waren- und Liefersystem in Kanada gefällt, dann übernehmen wir es in Asien“, stellt Kal Patel, Chef der Asien-Sparte, fest. 2 Wirtschaftspolitik Versetzung gefährdet? Kommentar Anstandsfragen Der mediale Druck war enorm. Wohl kein anderes Thema dominierte die Berichterstattung in den letzten Wochen so stark wie die Affäre rund um Karl-Theodor zu Guttenberg. Der Rücktritt des Ministers zeigt, mit welcher doppelten – unterstützenden und gleichzeitig zerstörenden – Wirkungskraft die Medien die thematische Agenda setzen. Nach all den unwürdigen Schmährufen vonseiten der Opposition bleibt festzuhalten: Zu Guttenberg hat nicht Fahnenflucht begangen. Die Rücktrittserklärung war gut begründet. Rückblickend hat der Franke eine mutige Jahrhundertreform der Bundeswehr angestoßen. Während die Opposition eine permanente Anstandsdebatte um die Person des Ministers führte, kam die erschreckende Meldung von toten Soldaten völlig in Vergessenheit. „Wenn es auf dem Rücken der Soldaten nur noch um meine Person gehen soll, kann ich dies nicht mehr verantworten“, so zu Guttenberg. Folgerichtig zog der beliebte Politiker die Konsequenz, die er auch von anderen verlangt hätte. Zu Guttenberg steht zu seinen Fehlern, das macht ihn menschlich. „Nachdem dieser Tage viel über Anstand diskutiert wurde, war es für mich gerade eine Frage des Anstands, zunächst die drei gefallenen Soldaten mit Würde zu Grabe zu tragen.“ So viel zu Moral und Verantwortung. Ob und wann zu Guttenberg das politische Parkett wieder betreten wird, bleibt zunächst ungewiss. Als dynamischer Typ einer neuen Politikergeneration mit Mut zur Veränderung würde er Deutschland guttun. Wir dürfen nun gespannt sein, in welche Richtung die Moraldebatten weitergehen werden. Bestimmt nicht in die Richtung von Steinewerfern und sogenannten lupenreinen Demokraten. pht – Bundesweite Verbreitung – Pflichtblatt der Börse München Herausgeber: WIKU Verlagsgesellschaft mbH Redaktion: Parkring 4, 85748 Garching bei München Zentrale: (0 89) 63 89 81-0 Telefax: (0 89) 63 89 81-20 Chefredakteurin: Elwine Happ-Frank, hp (verantwortl.) (elwine.happ-frank@wirtschaftskurier.de) Redakteure: Daniel G. Medhin, dgm (daniel.medhin@wirtschaftskurier.de) Constanze Meindl, cm (CvD) (constanze.meindl@wirtschaftskurier.de) Philipp Tröbinger, pht (philipp.troebinger@wirtschaftskurier.de) Mitarbeiter der Redaktion: Rainer Bonhorst, rb (Ausland) Dr. Rainer Burkhardt, bur (Innovationen) Dieter Heumann, heu (Wirtschaftspolitik) Paul Kellenbenz, kb (Köln/Bonn) Hannsjörg Lawrenz, law (Ruhrgebiet und Westfalen) Ulrich Pfaffenberger (Corporate Publishing) Dr. Hans-Dieter Radecke, hdr (IT) Dr. Charlotte Schmitz, cs (Frankfurt) Gerhard Weisse, wei (Berlin) Klaus G. Wertel, kw (Baden-Württemberg) Anzeigenleitung: Alexandra Nohe (alexandra.nohe@wirtschaftskurier.de) Telefon: (0 89) 63 89 81-54 Anzeigen gemäß Preisliste Nr. 29 Sitz des Verlages: Curt-Frenzel-Str. 2, 86167 Augsburg Verlagsleiter: Michael Beyer Geschäftsführer: Andres Santiago, Renate Dempfle Ein Unternehmen der Mediengruppe Pressedruck, Augsburg www.mediengruppe-pd.com Namentlich gekennzeichnete Gastbeiträge stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Rezensionsexemplare besteht kein Anspruch auf Rücksendung. Die mit (x) oder p. r. gekennzeichneten Artikel erscheinen im Auftrag der betreffenden Firmen. Erscheinungsweise: 11x pro Jahr. In jedem Quartal liegt dem WirtschaftsKurier ein „WK-Journal“ bei. Bezugszeit jährlich. Bezugspreis 27,50 Euro (inkl. MwSt. und Inlands-Zustellgebühr). Bankverbindung: Dresdner Bank AG Augsburg Konto-Nr. 0110040300 (BLZ 720 800 01) Druck: Presse-Druck- und Verlags-GmbH Medienzentrum Augsburg 86167 Augsburg, Curt-Frenzel-Straße 2 Bildnachweis: Falls nicht anders angegeben: Fotolia.de Abo-Service (von 9.00 bis 16.00 Uhr): Telefon: (01803) 55 10 05 11 (9 ct. pro Minute aus dem dt. Festnetz) leserservice@wirtschaftskurier.de März 2011 WirtschaftsKurier Superwahljahr | Die „Zwischenzeugnisse“ werden wohl keinen klaren Trend für die Bundestagswahl erkennen lassen Musterschüler oder Sitzenbleiber? Das Vertrackte an schlechten Zwischenzeugnissen für die Bundes regierung: Manchmal sind sie tatsächlich ein Hinweis darauf, dass die Versetzung ernstlich gefährdet ist, ebenso oft auch nicht. So mehr deutig wird es auch in diesem Superwahljahr wieder zugehen. Im Bild die Spitzen der Koalitions regierung, Angela Merkel und Guido Westerwelle. foto: getty Von RAiner Bonhorst S uperwahljahr in Deutschland. Eine Wahl ist schon gelaufen, sechs kommen noch, drei davon stehen unmittelbar bevor. Eine Kon stante solcher regionaler Zwischenwahlen ist die, dass sie der Bundes regierung in Berlin selten gut, umso öfter aber wehtun. Das Vertrackte an den üblicherweise schlechten Zwischenzeugnissen: Manchmal sind sie tatsächlich ein Hinweis darauf, dass die Versetzung der Bundesregierung ernstlich gefährdet ist, ebenso oft aber auch nicht. So unklar und mehrdeutig wird es leider auch in diesem Superwahljahr wieder zugehen. Nehmen wir die Hamburger Bürgerschaftswahl, die am 20. Februar stattfand. Natürlich ging es dort in erster Linie um Waterkant-Probleme. Aber sie hat so Erstaunliches ergeben, dass dies durchaus Spuren in der großen Politik hinterlassen wird. Ein Höllengang für die CDU; gigantischer Jubel bei der SPD, deren Olaf Scholz schon als möglicher Kanzlerkandidat genannt wird; dazu eine endlich mal wieder zufriedene FDP und solide, wenn auch enttäuschte Grüne. Das alles wird die Seelen auch im Bund und in den zur Wahl anstehenden Ländern auf die eine oder andere Weise ängstigen oder beflügeln. In Baden-Württemberg – Wahl am 27. März – verstehen bisher alle nur Bahnhof. Das Projekt Stuttgart 21 hat fast alle anderen Themen an den Rand gedrängt. Mithalten kann allenfalls noch der Konflikt um den Ausstieg aus dem Atomausstieg. Das Ländle ist mit seinen drei Atomkraftwerken (Phi lippsburg, Neckarwestheim und Obrig heim) unmittelbar betroffen. Die Doppelkrise aus Atom und Bahnhof nagt an Stefan Mappus, dem Amtsinhaber und Spitzenkandidaten der CDU. Er muss sich nach dem Ab- gang seines Vorgängers Günther Oettinger erstmals zur Wahl stellen. Der Absturz seines Hamburger Kollegen Christoph Ahlhaus sollte Mappus am anderen, südlichen Ende der Republik nicht tief berühren, aber ganz kalt kann ihn das nicht lassen. Dagegen könnte der Sieg von Scholz in Hamburg Kurt Beck, dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Auftrieb geben. Dieser muss, um seine Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur zu pflegen, allen Richtungen der Partei dienen. Man kann dies Ausgewogenheit nennen, und bisher erfreut er sich so einer absoluten Mehrheit. Doch seine SPD ist nicht nur bundesweit ins Trudeln geraten. Dem Bundesvorsitzenden droht am 27. März daheim in der Pfalz nun mindestens der Verlust der absoluten Mehrheit. Umfragen lassen sogar einen Sieg der CDU als wahrscheinlich erscheinen. Ein Horrorszenario für den Mann, dem in Hamburg ein neuer siegreicher Konkurrent vor die Augen getreten ist. Die Ostalgie treibt ihre Blüten Die Wähler in Sachsen-Anhalt dürfen am 20. März, also schon eine Woche vor den Schwaben und den Pfälzern, zu den Urnen gehen. Es wird wieder eine Wahl nach ganz speziellem ostdeutschem Politikgeschmack. Er äußert sich in einer erstaunlich oder – wenn man so will – erschreckend tiefen Zuneigung zur SED-Nachfolgepartei. Die Linke könnte diesmal sogar die stärkste Partei werden. Die Aufgabe der demokratisch bewährten Parteien CDU und SPD besteht wieder einmal darin, gemeinsam die Linke aus der Regierung fernzuhalten. Ein Rückfall in eine von der Linken geduldete SPDRegierung droht diesmal kaum. Dazu ist die SPD allen Umfragen zufolge zu schwach. Sie wird, wie zuletzt schon, hinter der Linken auf den dritten Platz verbannt bleiben. Die Ostalgie treibt ihre ganz eigenen Blüten. Sind diese drei Wahlen absolviert, gibt es eine kleine, dann eine längere Pause. Ende Mai wählen die Bremer ihre Bürgerschaft, im September sind Mecklenburg-Vorpommern und Berlin an der Reihe, den Landtag beziehungsweise das Abgeordnetenhaus neu zu besetzen. Niemand weiß, welche Auswirkungen dieser Wahlmarathon auf die Bundesregierung haben wird. Wer schon das Ende der Merkel-Regierung heraufdämmern sieht, wird seine politische Todesnachricht eines Tages womöglich als verfrüht zurücknehmen müssen. Wer Deutschland tatsächlich regieren wird, entscheidet sich – Super wahljahr hin, Superwahljahr her – im Jahr 2013. Und zwei Jahre sind in der Politik eine sehr, sehr lange Zeit. WAhlter mine 2011 ■■ 20. März Sachsen-Anhalt (Landtag) ■■ 27. März Baden-Württemberg (Landtag) ■■ 27. März Rheinland-Pfalz (Landtag) ■■ 22. Mai Bremen (Bürgerschaft) September Mecklenburg-Vor pommern (Landtag) ■■ 18. September Berlin (Abgeordne tenhaus) ■■ 4. „Wir machen uns nicht genug Gedanken um die Zukunft“ Prof. Arnulf Baring | Der Bevölkerung wird das wahre Ausmaß vieler Probleme verschwiegen, so der Historiker korridore so eng wie möglich gehalten“. Baring bezeichnete dies letztendlich als „intellektuelle Schwäche“ und führte als Beispiel die Sarrazin-Debatte an, bei der die Politik alles getan hätte, um die Diskussion im Keim zu er sticken. Diese Art des Umgangs unterscheide sich aber maßgeblich von der Herangehensweise beispielsweise in den angelsächsischen Ländern, wo eine offenere und pragmatischere Debattenkultur herrsche. „In Deutschland hingegen führt man Diskussionen vornehmlich im Optativ – also in der Wünschbarkeit“, so Baring. Von Daniel G. Medhin W enn es darum geht, morsche Gedankengebäude zum Einsturz zu bringen und seichte geistige Fundamente bloßzulegen, haut Prof. Arnulf Baring gern einmal rhetorisch auf den Putz. Sein Faible für deutliche Worte hat den kritischen Konservativen fast schon zum Stammgast bei Plasberg, Illner und Co gemacht, wo der vitale 79-Jährige als Garant kontroverser Diskussionen gilt. Dass der Grandseigneur des verbalen Schlagabtauschs trotz seiner pointierten Ansichten oft jenseits aller ideologischen Ausrichtung auf Zustimmung stößt, verdankt der Historiker – neben seiner Beredsamkeit – vor allem seinem unbestechlichen Blick, der den Dunstkreis politischer Nebelkerzen durchdringt, egal von welcher Seite sie geworfen werden, und seiner feinen Nase, die Denkfaulheit, Mutlosigkeit und Ideenarmut unter jedem Stallgeruch aufstöbert. Seine geistige Unabhängigkeit bewies Baring auch wieder in der baye rischen Landeshauptstadt, wo er als Gastredner der Münchner Wirtschaftsgespräche über aktuelle Fragen sprach. Dabei stellte er allen Parteien ein schlechtes Zeugnis ihrer Führungs fähigkeiten und ihres Führungswillens aus. Zwar könnten sie nur teilweise etwas dafür, da sich Parteibindungen gelockert hätten und es immer schwieriger werde, den Willen des Wählers zu erfassen, sagte Baring, dennoch liege die Hauptverantwortung bei den Parteien, da sie die Nachwuchsförderung versäumt hätten. Dies sei ihr größtes Versagen überhaupt, denn wie man sich Führungspersonal heranziehe, gehöre zu den elementarsten Fragen, die Parteien lösen müssten. „Ich glaube, „Der Euro geht schief“ Prof. Arnulf Baring: „Politiker sind Getriebene der Medienmaschinerie.“ Fotos: Fotolia/U. Pfaffenberger/Montage WiKu dass ein großer Teil des Unmuts der Bevölkerung daher rührt, dass die Menschen sagen: ,Meine Güte, er kann es nicht.‘ Das beste Beispiel hierfür ist Guido Westerwelle“, so der Historiker. Unheilvolle Symbiose Die „versiegenden“ Führungsfähigkeiten gingen, so Baring, mit der enorm gewachsenen Bedeutung der Medien eine unheilvolle Symbiose ein. Denn die Politiker seien zunehmend Getriebene einer entfesselten und auf Hochtouren laufenden Medienmaschinerie. Dies habe zur Folge, dass die Parteien es vermeiden, komplexe Themen in ausreichendem Maße anzupacken, da sie Angst hätten, diese der Bevölkerung nicht vermitteln zu können. „Diese Verweigerungshaltung führt aber letztendlich dazu, dass wir uns nicht genug Gedanken über die Zukunft machen“, tadelte der Historiker. Zu denen mit einem Tabu behafteten Themen, deren wahre Ausmaße verschleiert würden, zählte er die exorbitante Verschuldung, die demografische Entwicklung und den Zustand des Bildungssystems. So teile er die Meinung von Ex-Bundespräsident Horst Köhler „und mittlerweile auch vieler Wissenschaftler“, dass die Verschuldung nicht wie offiziell angegeben zwischen 1 und 2 Bil. Euro liege, sondern sich aufgrund von Pen sionslasten und Rentenansprüchen auf rund 7 Bil. Euro summiere. Auch das Ausmaß der Entvölkerung in vielen Gegenden Ostdeutschlands sei erschreckend. „Es gibt dort Städte, die 40 % ihrer Wohnbevölkerung verloren haben, und die Frage, wie man damit umgeht, ist noch völlig unklar“, kritisierte er. Drittens hob Baring die abnehmende Qualität der Bildung hervor, die im 19. Jahrhundert den Grundstein zu Deutschlands Aufstieg zur Wirtschaftsmacht legte und sich in der Zukunft als Stolperstein erweisen könnte. „Denn lösen wir dieses Pro blem nicht, so werden wir industriell zurückfallen“, mahnte der Professor. Um die Bevölkerung nicht zu überfordern, würden gerade bei diesen hochbrisanten Themen „die Meinungs Ein Paradefall ist für den Historiker auch die Europa-Politik. Natürlich werde der Euro irgendwann einmal „schiefgehen“, wegen der vielen unterschiedlichen Mentalitäten werde er nicht funktionieren. Die Stabilität der Währung sei in anderen Ländern einfach kein so hohes Gut wie in Deutschland, wo man die Hyperinflation erlebt habe. Undenkbar sei auch, dass eine Transferunion durchgehalten werden könne und die Deutschen bereit seien, für den Mittelmeerraum einzutreten. „Wenn wir uns darauf einlassen, jagen wir den ganzen Laden und letztendlich die Demokratie in die Luft“, sagte Baring. Statt in der Öffentlichkeit offen über dieses Thema zu diskutieren, versuche man mit dem Wort „alternativlos“ und der unsinnigen Drohung, „wenn der Euro scheitert, dann scheitert auch die EU“, andere Denkansätze zu ver hindern. „Diese Wirklichkeitsverweigerung ist ein schlechtes Zeugnis für das Urteilsvermögen unserer politischen Klasse“, erklärte Baring, der sich mehr Sinn für das politisch Machbare wünschte. Keine Versicherung ist wie die andere. Wenn Sie von Topdienstleistungen und bedarfsgerechten gewerblichen Versicherungsschutz profitieren wollen – NÜRNBERGER ProfiLine UnternehmensService. NÜRNBERGER Allgemeine Versicherungs-AG Ostendstraße 100, 90334 Nürnberg Telefon 0911 531-5, Fax -3206 info@nuernberger.de www.nuernberger.de 4 Aktuelles Thema März 2011 WirtschaftsKurier „Wir müssen die russische Karte spielen“ Nahost-Krise | Für die Rohstoffversorgung sollte Deutschland die traditionell guten Beziehungen ausbauen, meint ifo-Präsident Sinn R ussland verfügt über immense Bodenschätze. Deutschland sollte sich von der EU beim Ausbau der guten Kontakte zu dem Riesenreich nicht bremsen lassen, meint Prof. Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo Instituts, im Interview mit WiKu-Mitarbeiter Dieter W. Heumann. Gleichzeitig räumt er mit der Mär auf, die Exporte seien die Hauptursache für die Konjunkturerholung. Auch der Euro-Rettungsschirm sei, anders als oft behauptet, nicht zu klein. WirtschaftsKurier: Herr Prof. Sinn, bereitet Ihnen die Entwicklung in Nahost Sorgen? Könnte es – trotz derzeit scheinbar leichter Beruhigung in Ägypten – noch zu einem Flächenbrand in Nahost kommen, mit gravierenden wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und damit auch auf die deutsche Konjunktur? Prof. Hans-Werner Sinn: Ja, natürlich. Eine Destabilisierung des Nahen Ostens ist immer gefährlich. Nun hoffen wir mal, dass nach dem Rücktritt von Mubarak stabile Verhältnisse in Ägypten einkehren. WiKu: Welche Auswirkungen sehen Sie – aus heutiger Sicht – auf die Ölversorgung und den Ölpreis? Sinn: Es gibt eine zweifache Wechselwirkung. Der hohe Ölpreis hat die Grundnahrungsmittel verteuert, weil die umfangreiche Produktion von Bioethanol aus Mais und Zuckerrohr die Energie- und Nahrungsmittelmärkte schon im letzten Aufschwung verkoppelt hatte. Das hat die Unzufriedenheit der Massen geschürt und die Grundbedingungen dafür geschaffen, dass sich die tunesischen Aufstände ausbreiten konnten. Zugleich hätte ein Bürgerkrieg in Ägypten den Suez-Kanal versperrt, was die Ölpreise weiter hochgetrieben hätte. Aber, wie gesagt, der Rücktritt Mubaraks könnte jetzt zu einer Beruhigung der Lage beitragen. WiKu: Was kann der Westen tun, um seine Versorgung mit Rohstoffen – vor allem mit Öl – zu sichern? Sinn: Deutschland muss seine traditionell guten Beziehungen zu Russland weiter ausbauen. Dort liegen Bodenschätze genug. Idealerweise sollte man in der EU eine gemein same Ressourcenpolitik entwickeln. Als Kommissar Verheugen vor einigen Jahren aber so etwas vorschlug, ließen ihn die Franzosen und andere abblitzen. Man wähnte sich durch die Beziehungen zu den ehemaligen Kolonien im Vorteil und sah nicht die Notwendigkeit, die Ressourcenpolitik gemeinsam mit Deutschland zu betreiben. Deswegen muss Deutschland nun die russische Karte spielen. Die Russen sind vor allem an Deutschland interessiert. Es geht nicht an, dass wir unsere guten Kontakte zu Russland sozialisieren und uns hier von der EU bremsen lassen, während die anderen EU-Länder ihre Kontakte zu den Ex-Kolonien unter nationaler Kontrolle halten und Deutschland abblocken. WiKu: Die Konjunktur in Deutschland brummt – 3,6 % gesamtwirtschaftliches Wachstum im vergangenen Jahr. Und der ifo-Geschäftsklimaindex im Januar des laufenden Jahres war wieder positiver als erwartet. Der Aufschwung setzt sich fort, aber die Wachstumsraten reduzieren sich ... Sinn: Ja, aber die 2,4 % Wachstum, von denen wir für 2011 ausgehen, sind immer noch sehr gut. Damit liegen wir weit über dem Trend aus der Vorkrisenzeit. WiKu: Der konjunkturelle Absturz im Jahr 2009 war tief, die Gesamtwirtschaft schrumpfte um fast 5 %. Circa drei Viertel des Einbruchs sind bisher aufgeholt. Sinn: Schon im laufenden Jahr werden wir alles aufgeholt haben. Weltweit betrachtet ist die Industrieproduk tion heute bereits höher als im Jahr vor dem Einbruch. Das hat mit der großen Dynamik der Schwellenländer zu tun. Es gibt aber noch viele Länder, die weit hinterherhinken. WiKu: Deutschland ist vom jahrelangen Schlusslicht des europäischen Konjunkturzugs nun zur Konjunkturlokomotive geworden. Was hat diesen beachtlichen Wechsel bewirkt? Sinn: Es waren nicht in erster Linie die Exporte, wie oft behauptet wird. Nicht einmal ein Drittel des Wachstums von 3,6 % im vergangenen Jahr werden durch den Außenhandel erklärt. Die Hälfte ist auf eine überaus stürmische Nachfrage nach Inves titionsgütern zurückzuführen, die sich insbesondere bei den Ausrüstungsinvestitionen und beim Bau gezeigt hat. Der Grund ist, dass sich die Deutschen mit ihren Ersparnissen nicht mehr ins Ausland trauen. In den vergangenen zehn Jahren sind zwei Drittel der deutschen Ersparnisse dorthin transferiert worden, weil man glaubte, im Ausland höhere Renditen erzielen zu können, und die Risiken nicht sah. Das Kapital floss vor allem in die Südstaaten der Eurozone, die mit dem geliehenen Geld einen kräftigen wirtschaftlichen Aufschwung finanzierten und sich an die Spitze des europäischen Konjunkturzugs setzten, freilich mit der Folge, dass die Importe die Exporte überstiegen. In Deutschland bewirkte der Kapitalexport dagegen eine jahrelang schwache Binnenkonjunktur. Wir wurden zum Schlusslicht beim Wachstum und hatten eine Mas senarbeitslosigkeit, was die Lohnund Preissteigerungen dämpfte. Das schwache Wachstum hielt die Importe zurück und die schwache Idealerweise sollte man in der EU eine gemeinsame Ressourcenpolitik entwickeln, meint ifoPräsident Prof. HansWerner Sinn. Allerdings ziehen nicht alle europäischen Staaten in dieser Frage an einem Strang. Deshalb sollte sich Deutschland von der EU nicht bremsen lassen und die guten Kontakte zu Russland weiter ausbauen. Foto: ifo Institut „Es kann keine Rede davon sein, dass der Rettungsschirm nicht ausreicht. Irgendwer will uns hier offenbar für dumm verkaufen.“ Preissteigerung belebte die Exporte. WiKu: Hat sich dieser Trend gedreht? Sinn: Seit der Krise sind vor allem sichere Anlagemöglichkeiten in Deutschland gefragt. So wie vor allem Spanien goldene zehn Jahre erlebte, kann Deutschland jetzt einer goldenen Dekade entgegensehen. Diese These habe ich schon im Mai letzten Jahres als Erster entwickelt. Mittlerweile ist sie zum Allgemeingut geworden. Es gibt nur eine Einschränkung: Wenn wir unsere Bonität über allzu großzügige Rettungssysteme an die anderen Länder des Euroraums verschenken, können wir alles kaputt machen. Dann fließt das Kapital wieder weg, im Süden ist wieder Party, und wir kommen wieder in die Flaute. WiKu: Das heißt, dass wir uns nicht allein auf ein anhaltend gutes wirtschaftliches Wachstum verlassen können? Sinn: Der Staat muss nun endlich sparen. Deutschland muss so schnell wie möglich Überschüsse im Staatsbudget bilden, um die Schuldenquote herunterzufahren. Dazu muss der Staat dringend abspecken, anstatt den Bürgern immer mehr Geld aus der Tasche zu nehmen. Der Finanzminister widersetzt sich den Begehrlichkeiten seiner Kabinettskollegen eisern. Das ist anerkennenswert und muss fortgesetzt werden. Großes Einsparpotenzial sehe ich nach wie vor bei den Subventionen. So ist der reduzierte Mehrwertsteuersatz für das Übernachtungsgewerbe nicht sachdienlich. Aber es gibt noch viele Ansatzpunkte. Je nach Definition werden jährlich 70 Mrd. bis 150 Mrd. Euro für Subventionen ausgegeben. Wenn man hier beherzt ansetzen würde, könnte man die nötigen Überschüsse im Staatsbudget herbeiführen. Außerdem ist der Sozialetat überzogen und zieht immer mehr Bedürftige aus dem Ausland an. WiKu: Der Staatssektor hat in der letzten Dekade weniger investiert, als zum Erhalt des Kapitalstocks notwendig gewesen wäre. Ging die Stabilisierung der öffentlichen Haushalte in der Vergangenheit zu sehr auf Kosten öffentlicher Investitionen? Sinn: Es mangelt an Zukunftsinvesti tionen, zum Beispiel an Geld für Bildung oder Infrastruktur. Wir investieren zu wenig in die Zukunft und zu viel in die Vergangenheit. Das deutsche Rentenniveau ist im internationalen Vergleich sehr üppig. In den neuen Bundesländern liegen die gesetzlichen Renten pro Rentenbezieher nominal um circa 20 % über den West-Renten, real sogar um fast 30 %. Mit Hartz IV wird sehr viel leistungsloses Einkommen verteilt. Der Transferstaat hat sich bereits übernommen und nun soll er auch noch die Südländer retten. WiKu: In der Tat, die deutsche Verschuldung könnte sich auch noch durch die Garantien für die hoch verschuldeten Eurostaaten ausweiten. Sinn: Ja, wir müssen vom Ernstfall ausgehen, nämlich dass wir zahlen müssen, auch wenn die Politiker gern betonen, dass es sich hier „lediglich um Garantien“ handelt, die wohl nicht in Anspruch genommen werden. Wer Garantien gibt, muss sich darauf einstellen, dass sie gezogen werden. Also müssen wir für Griechenland, Irland und Portugal sparen. Wir tun aber auch gut daran, für Spanien und Italien zu sparen. Selbst wenn die Garantien formell nicht in Anspruch genommen werden sollten, so würde das lediglich heißen, dass wir diese Länder mit anderen Mitteln und auf andere Weise unterstützen müssen, damit sie ihre Schulden zahlen können. Einen Teil unseres Geldes werden wir nicht wiedersehen. WiKu: Also sind die Gefahren für die Geberländer nicht zu unterschätzen ... Sinn: Mit den Rettungspaketen wird ein weiterer Ansteckungsweg zwischen den Ländern geschaffen. Sie können sich nun nicht nur über die Banken infizieren, sondern auch noch über die Staatsfinanzen. Die Entscheidungen, die die europäische Zentralbank und die EU-Länder in letzter Zeit getroffen haben, vergrößern für Deutschland die Gefahr, mit in den Strudel von Staatsbankrotten hineingezogen zu werden. Ein Blick auf Irland macht die Gefahr bewusst: Die irischen Banken hatten sich am heimischen Immobilienmarkt übernommen. Deshalb spannte der irische Staat im September 2008 einen großzügigen Rettungsschirm auf. Der Schirm werde ja nie in Anspruch genommen, hieß es. Es komme nur darauf an, den Märkten ein überzeugendes Signal zu geben. Dann werde alles wieder gut. Nichts wurde gut. Nur zwei Jahre später waren die Banken pleite, Irland musste unter den Rettungsschirm. WiKu: Der derzeitige Euro-Rettungsschirm wird als nicht ausreichend angesehen. Sinn: So wie es Irland mit seinen Banken ergangen ist, kann es Deutschland ergehen, wenn es zustimmt, den Rettungsschirm auszuweiten. Der Rettungsschirm ist ausreichend. „Es mangelt an Zukunftsinvestitionen. Wir investieren zu wenig in die Zukunft und zu viel in die Vergangenheit.“ Zu unterscheiden ist aber, ob es sich um Liquiditätsprobleme handelt oder ob ein Land insolvent ist – wie Griechenland. In letzterem Fall hilft auch kein Rettungsschirm. Dann müssen die Gläubiger – vor allem die Banken – auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichten. WiKu: Das ifo Institut hat Berechnungen angestellt ... Sinn: Nach den Berechnungen unseres Instituts ist der Rettungsschirm für Irland, Portugal und Spanien nicht zu klein. Die in den Medien genannte Summe von 250 Mrd. Euro ist falsch: Wenn neben Griechenland auch Spanien, Irland und Portugal als Garantiegeber ausfallen, werden nämlich auch deren Zusagen von den anderen Eurostaaten übernommen, so steht es im EFSFVertrag. WiKu: Und das heißt? Sinn: Die Zusagen der mit „AAA“ ge rateten Euroländer – darunter Deutschland – erhöhen sich so auf 315 Mrd. Euro. Weitere 60 Mrd. Euro stammen von der EU (EFSM), und 187 Mrd. Euro kommen anteilig aus dem Topf des Internationalen Währungsfonds (IWF) über 250 Mrd. Euro hinzu. Das sind insgesamt 562 Mrd. Euro für Portugal, Irland und Spanien. Die Summe übersteigt den Refinanzierungsbedarf dieser Staaten in den nächsten drei Jahren – selbst wenn man ihnen eine weitere Verschuldung um 3 % ihres Bruttoinlandsprodukts zugesteht – um etwa 130 Mrd. Euro oder 43 Transrapid-Strecken. Es kann also keine Rede davon sein, dass der Schirm nicht ausreicht. Irgendwer will uns hier offenbar für dumm verkaufen. Eu-Sta at sanwalt Dauerhafte Stabilität und eine einheitlicher Entwicklung im Euroland kann es nach Ansicht von Prof. HansWerner Sinn, Präsident des ifo Instituts, nur geben, wenn jedes Land für seine Schulden selbst einstehen muss. Verstöße gegen bestehende Regeln müssten – anders als bisher – automatisch bestraft werden. Dazu sei eine von der Politik unabhängige Institution notwendig, eine Art europäische Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstraftaten der Staaten. „Zudem benötigen wir dringend mehr Kontrolle durch die Märkte“, sagte Sinn. Sie könne aber nur dann funktionieren, wenn zum Beispiel die Banken auf Teile ihrer marode gewordenen Forderungen verzichten müssten. Verluste dürften nicht ausschließlich auf die Steuerzahler der Staatengemeinschaft abgewälzt werden. Ein Teil müsse auch von den Banken selbst getragen werden. Nur dann werde es eine vorsichtige, risikobewusste Kreditvergabe geben. März Industrie & Märkte 2011 WirtschaftsKurier 5 Die Zukunft findet woanders statt In jeder Phase Abgespeckte Kolosse Zehnmal dünner als ein Haar Für den Autobauer Daimler spielt das Ausland e ine zunehmend größere Rolle. Immer mehr Modell reihen werden fernab der Heimat gebaut. Seite 6 Industriebau | Bilfinger Berger bietet einen Industrieservice an, der Anlagenbetreiber Seite 7 vom Bau bis zum Rückbau unterstützt. Leichtbau | Mit leichteren Materialien des Tech nologiekonzerns Siemens spart die Metro-Flotte Seite 8 von Oslo bis zu 30 % Energie. Leichtbau | Carbon gilt in vielen Schlüsselbereichen als der Stoff der Zukunft. Das Material ist besonders leicht und gleichzeitig stabil. Seite 9 Gefährliche Verweigerung Rohstoffe | Nur vier deutsche Unternehmen bauen Metall im Ausland ab Von Daniel G. Medhin M it einem Pro-Kopf-Einkom men von rund 1 700 US-Dol lar zählt Sambia zu den ärmsten Ländern der Welt. Trotzdem lockt der Binnenstaat im südlichen Afrika die Investoren in Scharen an. Denn unter seiner Oberfläche schlum mert ein Schatz, der unter anderem dafür sorgt, dass Strom durch Leitun gen fließt: Kupfer. So gaben unlängst der Bergbaugigant Vale und das Unter nehmen First Quantum Minerals be kannt, dass sie in den Abbau des Me talls noch in diesem Jahr weitere 1 Mrd. US-Dollar beziehungsweise 400 Mio. US-Dollar investieren wollen – und wo Brasilianer und Kanadier graben, da sind natürlich auch die Chinesen nicht weit: Schon seit 2009 forciert die Volks republik ihre Aktivitäten in dem nörd lichen Nachbarland Südafrikas. Allein das Bergbauunternehmen Zhongui will in der nächsten Zeit 3,6 Mrd. USDollar in den Ausbau seiner dortigen Kapazitäten pumpen. Es ist eigentlich immer das gleiche Lied: Geht es um das Thema Rohstoffe, in welcher Region der Erde auch im mer, so fallen mit steter Regelmäßigkeit die Namen amerikanischer, australi scher, brasilianischer, britischer, kana discher und chinesischer Konzerne – von deutschen Unternehmen ist hin gegen so gut wie nie die Rede. Zwar sind momentan etwa 90 Firmen aus der Bundesrepublik im Auslandsberg bau tätig – das aber vor allem im Be reich der strategisch eher unbedeuten den Industrieminerale, bei Steinen, Er den oder Torf. Bei Energie- und Metall rohstoffen, die Deutschland vor allen Dingen benötigte, um seine HightechProdukte herzustellen, fällt die Bilanz hingegen ernüchternd – um nicht zu sagen erschreckend – aus. Gerade ein mal vier Unternehmen aus der Bun desrepublik sind derzeit direkt an ei nem Bergwerk im Ausland beteiligt oder betreiben selbst eines. In Südafrika baut der SpezialchemieKonzern Lanxess Chrom ab und ist damit eine Einzelerscheinung in Deutschland. Denn – wenn überhaupt – dann sind es nur wenige inhabergeführte Firmen und Familienunternehmen, die den Metallabbau im Ausland betreiben. Fotos: Lanxess Andere Länder sind aktiver Und das Beunruhigende daran ist: An dere Länder messen diesem Instru ment der Rohstoffsicherung eine weit aus größere Bedeutung bei. „Denn selbst so rohstoffarme Volkswirtschaf ten wie die Schweiz sind im Metallbe reich viel intensiver im Auslandsberg bau engagiert und auch alle anderen Länder sind in dieser Hinsicht viel bes ser aufgestellt“, erklärt der WirtschaftsGeologe Dr. Harald Elsner von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), der schon an mehreren Studien zu diesem Thema mitgearbeitet hat. In Deutschland set zen Konzerne wie Siemens vornehm lich auf langfristige Lieferverträge, Hedging, Recycling, Ressourceneffizi enz oder Substitute. Nicht jeder ist je doch davon überzeugt, dass dies aus reichen wird, um die Versorgung lang fristig zu sichern. „Wir halten eine di rekte Beteiligung an Minen für zwin gend“, sagt Thomas Gutschlag, Finanz vorstand der Deutschen Rohstoff AG, die eine Goldmine mit einer Jahres kapazität von 100 000 Tonnen in Aus tralien betreibt und gerade eine Öl-/ Gasgesellschaft in Denver gegründet hat sowie ein Blei-/Zink-Vorkommen in Kanada entwickelt. Auch Benno Kratz, Geschäftsführer der ELG Haniel, die Anteile an einer Ferrochrom-Mine in Südafrika besitzt, hält derartige Akti vitäten für sinnvoll, „um der aktuellen Knappheit entgegenzuwirken“. Initiativen blieben ohne Erfolg Zwar wurden in den vergangenen Jah ren vonseiten der BGR, des Bundes wirtschaftsministeriums und Fachver bänden viele Initiativen gestartet, um die deutsche Metallindustrie für solche Projekte zu gewinnen, jedoch ohne nennenswerten Erfolg. „Man kann im Metallbereich schon fast von einer aus geprägten Verweigerungshaltung der deutschen Industrie sprechen“, kriti siert Elsner. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig und haben sowohl mit in ternen als auch mit externen Faktoren zu tun. „Die Kosten und teilweise auch die unsichere politische Lage der Län der, in denen die Rohstoffvorkommen liegen, sind sicherlich die Hauptgrün de dafür, dass viele Unternehmen vor einer aktiven Investition zurückschre cken. Es handelt sich hier um teure In vestments, die sich nur sehr langfristig rechnen“, erklärt Kratz von der ELG Haniel, die jährlich 420 000 Tonnen Ferrochrom produziert, das vollständig in den Verkauf geht und zur Verede lung von Stahl genutzt wird. Insbeson dere für die Herstellung der strategisch wichtigen Seltenen Erden, die unter anderem für die Produktion von Hoch leistungsmagneten und Katalysatoren gebraucht werden, fallen immense Kosten an. Für die Erschließung eines Vorkommens und die chemische Auf bereitung der Rohstoffe schlägt eine Summe zwischen einer halben und einer Milliarde Euro zu Buche. „Und damit tun sich viele Firmen natur gemäß schwer“, sagt der BGR-Wirt schaftsgeologe Elsner. Vor allem in Kri senregionen muss ein solches Engage ment wohlüberlegt sein. Denn sonst geht es potenziellen Investoren wie den deutschen Unternehmen Thyssen und Hoesch, die in Liberia 150 Kilome ter nördlich der Hauptstadt Monrovia Eisenerz abbauten und die Produktion 1990 wegen des Bürgerkriegs in dem westafrikanischen Land einstellen mussten. Mit dieser Unsicherheit und der eher langfristigen Natur derartiger Projekte haben insbesondere große Unternehmen ihre Probleme. „Viele Firmen im Metallbereich sind Aktien gesellschaften und eher kurzfristig ge winnorientiert. Wir haben die Erfah rung gemacht, dass sie sich besonders vor ihren Aktionären schwertun, ein solches Projekt zu rechtfertigen“, sagt Elsner. Deswegen sind die meisten Fir men, die im Ausland aktiv sind, inha bergeführt oder Familienunternehmen wie die ELG Haniel oder Cronimet, die Kupfer und Molybdän in Armenien ab baut. Eine Ausnahme stellt der Spezial chemie-Konzern Lanxess dar, der in Südafrika jährlich rund 900 000 Ton nen Chrome fördert, die das Unterneh men für die eigene Lederherstellung nutzt. Mit dem Betrieb der Mine stellt es nicht nur die eigene Versorgung sicher, sondern einen gleichbleiben den Qualitätsstandard, wobei Lanxess auf eine lange Erfahrung im Abbau zu rückgreifen kann. Wissen, das den meisten fehlt: Denn die Deutschen waren zwar bis Mitte des 20. Jahrhunderts intensiv im Aus landsbergbau engagiert. Im Zuge des allmählichen Rückzugs seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und insbeson dere in den 80er- und 90er-Jahren, in denen viele Firmen ihre lukrativen Mi nen verkauft haben, ging das Knowhow zurück. Den meisten Unterneh men fehlt es daher an der notwendigen Expertise, „deswegen scheuen sie vor einem Engagement zurück“, sagt Gut schlag von der Deutschen Rohstoff AG. Zwar werden an Universitäten wieder Kapazitäten aufgebaut, um ein solches Wissen zu vermitteln, „das ist aber ein langwieriger Prozess, da viele Lücken entstanden sind“, so Elsner. Ob die Deutschen allerdings diese Zeit haben, ist fraglich. Elsner ist da skeptisch – auch aus einem anderen Grund, der sich in der aktuellen Debatte über die Rohstoff-Frage zeigte: „Ich sehe, dass alle anderen Länder schneller sind als wir und handeln, während die deut sche Industrie sich wieder einmal seit Monaten in einem sehr langen Ent scheidungsprozess befindet.“ Neugier und Lernbereitschaft BASF | Der scheidende Vorstandsvorsitzende Jürgen Hambrecht über die Vergangenheit und die Zukunft stand geht, als vielversprechend, da Innovationen der Chemie dafür be nötigt werden, um Megatrends wie Kli ma- und Umweltproblemen begegnen zu können. Die Fragen stellte WiKuRedakteur Daniel G. Medhin. Fragen an … D ie Weltwirtschaftskrise 2008/09 bezeichnet BASF-Chef Jürgen Hambrecht als das einschnei denste Ereignis seiner Amtszeit. Die Zukunft seiner Branche bewertet der Vorstandschef, der im Mai in Ruhe WirtschaftsKurier: Herr Hambrecht, Sie stehen seit 2003 an der Spitze von BASF und werden im Mai den Stab an Kurt Bock weiterreichen. Wenn Sie an Ihre Amtszeit zurück denken, welche allgemeine Ent wicklung oder welcher Trend hat Sie im Nachhinein am meisten überrascht? Jürgen Hambrecht: Das bei Weitem einschneidendste Ereignis war die Weltwirtschaftskrise 2008/09. Nie mand hatte mit einem derart abrup ten und massiven Einbruch der glo balen Konjunktur gerechnet. Die BASF hat die Krise aber hervorra gend gemeistert und ist sogar ge stärkt daraus hervorgegangen. Das haben wir natürlich vor allem dem großartigen Einsatz unseres Spitzen teams zu verdanken. WiKu: Welche Charaktereigenschaf ten sind für eine Führungsposition in der chemischen Industrie von Nutzen? Hambrecht: Neugier und Lernbereit schaft: Man muss verstehen, wie Dinge zusammenhängen und funk tionieren. WiKu: Vor welchen Herausforderun gen stehen wir in den nächsten Jahren? Hambrecht: Die wirtschaftliche Ent wicklung wird immer weniger vor hersagbar, die Volatilität nimmt zu. Unternehmen müssen deshalb noch flexibler und schneller handeln. Zum anderen müssen wir die Her ausforderungen der sogenannten Megatrends meistern: eine wachsen de Weltbevölkerung mit mehr Bedarf an Nahrung, sauberem Wasser und Gesundheitsversorgung, mit stei gendem Bedarf an Energie und Res sourcen und damit einhergehenden Klima- und Umweltproblemen. WiKu: Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Chemie? Hambrecht: Dafür brauchen wir Inno vationen, vor allem aus der Chemie, denn die Chemie ist der Problemlö ser für viele Zweige der produzieren den Industrie. WiKu: Wie bewerten Sie die Aus sichten Ihrer Branche für 2011? Hambrecht: 2011 ist das Internationale Jahr der Chemie, schon das stimmt optimistisch. Das Wirtschaftswachs tum wird sich weltweit zwar verlang samen, aber für die Chemiebranche ist mit einem deutlichen Wachstum von gut 5 % zu rechnen. 6 Industrie & Märkte März 2011 WirtschaftsKurier Deutschland verliert an Bedeutung Daimler | Automobilkonzern setzt auf neue Märkte und Kooperationen Keine Abstriche soll es aber auch – so betonte Zetsche – im Bereich For schung und Entwicklung geben: Daim ler werde mit unverändert hohem Tem po sowohl an der weiteren Verbes serung der Verbrennungsmotoren als auch an der Entwicklung von Batterie Von Klaus G. Wertel D ie Daimler AG sieht für ihre Fahrzeuge nur noch im Aus land – insbesondere in Asien und Amerika – größere Wachstums chancen: „Mercedes-Benz wird eine Premium-Marke bleiben – wir verfol gen deshalb nicht das Ziel, unseren (Pkw-)Marktanteil in Deutschland (zurzeit knapp 10 %) noch wesentlich zu erhöhen“, erklärte der Daimler-Vor standsvorsitzende Dieter Zetsche auf der Jahrespressekonferenz des Auto mobilkonzerns in Stuttgart. Angesichts des in Deutschland bei jährlich rund 3 Mio. Pkw-Neuzulassungen stagnie renden, weltweit aber weiter wachsen den Autoabsatzes werde sich die Ver lagerung der Bedeutung der Märkte fortsetzen, so Zetsche. Dies gelte eben falls für den Nutzfahrzeug-Sektor. Daimler werde dieser Entwicklung auch bei Entscheidungen für Modelle und Produktionsstandorte Rechnung tragen. Der Daimler-Chef nannte eine Reihe von Beispielen für die weiter zuneh mende Internationalisierung der Daimler-Produktionsstrukturen: So werde in China ein neues Pkw-Moto renwerk errichtet. Die chinesische VorOrt-Montage werde um zusätzliche Modelle – etwa um den Geländewagen GLK – erweitert. Eine Teilproduktion der C-Klasse soll von 2014 an von Sin delfingen nach Tuscaloosa im US-Staat Alabama verlagert werden. Die Neu auflage der Kompaktbaureihen – Aund B-Klasse – wird nicht nur in Rast statt, sondern von 2012 an auch in dem völlig neuen Daimler-Werk im ungari schen Kecskemet vom Band laufen. In Russland liefen die Vorbereitungen für die Fertigung des Transportermodells Sprinter. In Brasilien soll eine OffroadVersion des Mercedes-Lastwagens Ac tros produziert werden. In Indien hat Daimler im Februar eine neue LkwMarke – Bharat Benz – vorgestellt, von der es Modelle in den Gewichtklassen von 6 bis 49 Tonnen geben wird. China drittgrößter Einzelmarkt für Mercedes-Pkw Am weltweiten Pkw-Markt von rund 70 Mio. neuen Autos pro Jahr ist der deutsche Anteil seit vielen Jahren rück läufig – er wird 2011 noch rund 4 % „Die asiatischen Schwellenländer und insbesondere der chinesische Markt werden weiterhin eine tragende Rolle spielen.“ Dieter Zetsche, Daimler-Chef betragen. Für Daimler ist der deutsche Markt mit 265 000 – oder 21 % – der 2010 weltweit verkauften 1,27 Mio. Mercedes-Personenwagen noch im mer der größte Einzelmarkt. Im Ver gleich zu den Wachstumsmärkten tritt Daimler freilich im Inlandsverkauf auf der Stelle: Die Mercedes-Verkäufe in Deutschland sanken 2010 weniger stark als die gesamten Pkw-Neuzulas sungen, gingen aber auch um 0,2 % zu rück. Dagegen erholte sich der zweit wichtigste Mercedes-Einzelmarkt – die USA – im Vorjahr um plus 14 % auf 216 400 Verkäufe. Und in China haben sich die Mercedes-Verkäufe um 112 % auf 148 400 mehr als verdoppelt. China ist damit bereits der drittgrößte Einzel markt für die Marke mit dem Stern – und könnte möglicherweise schon 2011 die USA überholen. Sehr gut haben sich auch die Merce des-Verkäufe in anderen Wachstums Daimler-Chef Dieter Zetsche gab auf der Jahrespressekonferenz die Marschroute in die Zukunft vor: So will das Unternehmen unter anderem den Elektro-Smart ab 2012 in Serie bauen. Fotos: Daimler märkten entwickelt: etwa in Brasilien (plus 46 % auf 7 500), in Russland (plus 64 % auf 19 700), in Südafrika (plus 16 % auf 16 500) oder in Südkorea (plus 86 % auf 16 500). In Westeuropa (ohne Deutschland) nahmen die Verkäufe um moderate 2 % auf 291 900 zu. Insge samt verkaufte Daimler 2010 17 % mehr Personenwagen als 2009. Daimler-Chef Zetsche rechnet für 2011 mit einer wei teren Zunahme der Nachfrage: „Die asiatischen Schwellenländer und ins besondere der chinesische Markt wer den dabei weiterhin eine tragende Rol le spielen.“ In den USA erwartet Zet sche eine „Fortsetzung des Erholungs kurses“, in Westeuropa sei dagegen „in Summe mit einer Stagnation der PkwVerkäufe“ zu rechnen. Der wachsende Anteil der neuen Märkte verändert die Zusammensetzung des Modell-Mix. Die deutliche Erholung des Fahr zeugabsatzes schlägt sich auch in den Daimler-Büchern nieder: So wuchs der Umsatz 2010 um 24 % auf 97,8 Mrd. Euro. Und das Konzernergebnis – 2009 noch bei minus 2,7 Mrd. Euro tief im Verlustkeller – verbesserte sich drama tisch auf plus 4,7 Mrd. Euro. antrieben, Brennstoffzellen-Fahrzeu gen und Hybridsystemen arbeiten. Im sächsischen Kamenz baue Daim ler derzeit eine Fabrik für die Herstel lung eigener Batteriesysteme. Noch 2011 werde werde der Automobilher steller eine E-Klasse mit Diesel-Hybrid antrieb vorstellen. Und den ElektroSmart wolle Daimler 2012 in einer ers ten größeren Serie bauen. Zumindest als Leasing-Fahrzeuge will das Unter nehmen demnächst auch eine Reihe von Brennstoffzellen-Fahrzeugen an bieten: von der kompakten B-Klasse bis zum Transporter Vito. Weitere Partnerschaften geplant Die Herausforderungen der Entwick lung neuer Materialien, Systeme und Antriebe wolle Daimler aber auch – wo immer dies ohne „Verlust der Marken identität“ möglich sei – in Kooperatio nen mit anderen kompetenten Unter nehmen meistern, versicherte Zetsche. Als Beispiel nannte der Daimler-Chef die 2010 vereinbarte Zusammenarbeit mit Renault-Nissan. Diese – zunächst nur für gemeinsame Kleinwagen-Platt formen und Transporter sowie für den Austausch von Motoren angelegte – Kooperation sei inzwischen auch auf die gemeinsame Entwicklung von Komponenten für Elektrofahrzeuge er weitert worden. Mit dem Konkurren ten BMW sondiere Daimler regelmäßig die Möglichkeiten gemeinsamer Be schaffungen. Ein Riese auf tönernen Füßen EADS | Der Verlustbringer passt nicht ins Konzept des Automobilkonzerns Daimler W ir sind ein Automobilkon zern.“ So begründete Bodo Uebber, Finanzvorstand der Daimler AG, auf der Jahrespressekon ferenz in Stuttgart die Absicht, sich von weiteren Anteilen des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS zu trennen. Von den 15 %, die Daimler derzeit noch an EADS hält, hat der Konzern dem Bund die Hälfte zum Kauf angeboten. Als Hauptgrund für Daimlers Verkaufsangebot gilt die geringe Rentabilität der EADS-Beteili gung. Daimlers Ausstiegspläne gefähr den die seit der EADS-Gründung im Jahr 2000 immer wieder mühsam aus tarierte französisch-deutsche Balance im Aktionariat des Vorzeigeprojekts europäischer Industriepolitik und Technologieförderung. Die Suche nach Investoren, die in den EADS-Gremien bei Standortentscheidungen künftig die deutschen Interessen wahren, blieb bislang vergebens. Derzeit halten französische und deutsche Unternehmen jeweils exakt 22,46 % der Anteile der nach niederlän dischem Aktienrecht verfassten EADS N.V.: Zwei Drittel des französischen Pakets besitzt das Staatsunternehmen Sogepa, das übrige Drittel der Wehr technik- und Medienkonzern Lagar dàre. Jenseits der 22,46 %-Parität be sitzt der französische Staat noch direkt 0,06 % der EADS-Aktien. Auf deutscher Seite hält die Daimler AG zwei Drittel des 22,46 %-Pakets an EADS-Aktien – also rund 15 %. Das übrige Drittel hat der Autokonzern 2007 an ein Konsorti um privater und öffentlicher Banken verkauft. Daimler behielt allerdings die vollen Stimmrechte für die deutsche EADS-Beteiligung. Technologie-Koloss, aber Ertragszwerg Die Bundesregierung tut sich schwer mit dem Verkaufsangebot aus Stuttgart. Eine direkte Übernahme des 7,5 %-EADS-Anteils im Wert von rund 1,3 Mrd. Euro in Bundesbesitz lehnt der FDP-Koalitionspartner ab, ebenso einen indirekten Kauf durch die bun deseigene KfW Bank. Bundeswirt schaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sprach von einer „marktorientierten Lösung“, die es zu suchen gelte – ohne freilich eine solche konkret benennen zu können. Der Luftfahrtkoordinator der Bundesregierung, Peter Hintze (CDU), nannte die „Erhaltung der deutsch-französischen Balance bei EADS“ ein „Oberziel“ der Bemühun gen um eine Lösung. Die Suche nach geeigneten Investoren habe bereits be gonnen. Das Bankenkonsortium, das 2007 ein Drittel des deutschen EADSAktienpakets von Daimler übernom men hatte, soll schon abgewunken ha ben. In die Sondierungen einbezogen sind inzwischen auch die Bundeslän der, in denen EADS-Standorte liegen. Die Gründe, die mögliche Investo ren von einem Einstieg bei EADS ab halten, sind dieselben, die den stark börsenorientierten Autokonzern Daim ler den Ausstieg suchen lassen: Die Eu ropean Aeronautic Defence and Space Company, EADS N. V., ist zwar ein Um satzriese – im Fünf-Jahres-Zeitraum 2005 bis 2009 wuchs der Jahresumsatz um 34 % auf 43 Mrd. Euro (2009) – EADS blieb aber eben auch ein Ertrags zwerg: Das Konzernergebnis oszillierte in den vergangenen fünf Jahren zwi schen plus 1,8 Mrd. Euro (2004) und minus 720 Mio. Euro (2009). Über ihre Töchter – allen voran Airbus Indust Wir bieten individuelle und passgenaue Finanzierungslösungen für mittelständische Unternehmen. Die Dresdner Factoring AG schafft Liquidität, Sicherheit und Vertrauen. Schnell & flexibel. Sprechen Sie mit Roland Schmidt und Grit Schuster. Dresdner Factoring AG · Glacisstraße 2 · 01099 Dresden Telefon 0351 888 55 111 anfrage@dresdner-factoring.de · www.dresdner-factoring.de ries, Airbus Military und Eurocopter – hat sich EADS zu einem der weltweit führenden Unternehmen der Luft- und Raumfahrt sowie der Wehrtechnik ent wickelt. Um für Europa einen Spitzen platz in diesen Schlüsseltechnologien zu bewahren, investiert EADS jährlich bis zu 3 Mrd. Euro in Forschung und Entwicklung. Das war und ist der in dustriepolitische Auftrag an EADS. Unter diesen Bedingungen kann Ren dite nur Ergebnis, nicht vorrangiges Ziel sein. In das Konzept eines Unternehmens, das – wie Daimler – seinen Anlegern Renditeziele zwischen 6 % (Busse) und 10 % (Personenwagen) in Aussicht stellt, passt eine Beteiligung an einem auch über den betriebswirtschaftli chen Tellerrand hinaus Verantwortung übernehmenden Technologie- und In dustriekomplex nicht. So war es wohl auch weniger die nicht ganz neue Er kenntnis, dass Luft- und Raumfahrt beim Autokonzern Daimler nicht zu der von Analysten und Anlegern gern gesehenen „Beschränkung auf das Kerngeschäft“ passt, die jetzt den Aus schlag zum Verkaufsangebot eines EADS-Aktienpakets an den Bund gege ben hat. Als Treibsatz gilt vielmehr die für 2010 von EADS avisierte anteilige Ver lustzuweisung in Höhe von 261 Mio. Euro an das Haus Daimler – eine Fol gewirkung der Anlaufschwierigkeiten in der Produktion des Großraumflug zeugs A 380 und der Verteuerung der Entwicklung des Militärtransporters A 400M. Französische Partner haben Vorkaufsrechte Die französisch-deutsche Parität im EADS-Aktionariat ist zwar politisch ge wünscht, rechtlich aber nicht bindend vereinbart. Daimler könnte seine EADS-Aktien – falls sich in Deutsch land keine adäquaten Investoren fin den – auch an die französischen An teilseigner veräußern. Diese genießen sogar, unter bestimmten Bedingungen, Vorkaufsrechte. Es gilt freilich als si cher, dass die deutsche Politik auf Bundes- wie auf Länderebene alles daran setzen wird, eine französische Dominanz im Aktionariat und damit auch in den Entscheidungsgremien der EADS zu verhindern. Eine diskutierte Alternative zum Kauf des Daimler-Aktienpakets durch deutsche Investoren wäre ein Kauf die ser Aktien durch die EADS selbst – bei gleichzeitiger Übernahme eines gleich großen Aktienpakets der französischen Seite durch EADS. Selbst wenn es ge länge, die französische Seite für eine solche Lösung zu gewinnen – wie soll die derzeit arg gebeutelte EADS die 2,6 Mrd. Euro aufbringen, um zwei Mal 7,5 % der Aktien des eigenen Unterneh mens zu kaufen? kw März Industrie & Märkte 2011 WirtschaftsKurier Industriebau 7 Begleiter für den gesamten Lebenszyklus Bilfinger Berger | Industrieservices für Anlagen von der Planung über die Instandhaltung bis zum Rückbau Von Tobias Zaers* D ie Nachfrage nach externen In dustriedienstleistungen in der Prozess- und Fertigungsindus trie ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Im Zuge dessen hat sich der Industrieservice als eigenständige Branche profiliert, die ein hohes Wachstumspotenzial aufweist. Exper ten gehen in Deutschland von einem Marktvolumen von 20 Mrd. Euro aus, in Europa sind es rund 100 Mrd. Euro. Dabei reicht Industrieservice als ex terne Dienstleistung längst weit über die reine Instandhaltung hinaus. Ge fordert sind zunehmend auch metho disches und konzeptionelles Knowhow. So machen die steigende Kom plexität von Industrieanlagen und die immer höheren Anforderungen an Kostenoptimierung und Effizienz über den gesamten Lebenszyklus hinweg das gezielte Zusammenwirken von En gineering, Anlagenerrichtung und In standhaltung unverzichtbar. Daher ist es für Anlagenbetreiber sinnvoll, be reits frühzeitig professionelle Indus trieservicepartner einzubinden, die wie Bilfinger Berger Industrial Services mit ihrem Leistungsspektrum von Planung über Errichtung bis hin zur Instandhal tung den gesamten Lifecycle einer An lage abdecken. Solche Servicekonzepte sind konse quent am spezifischen Bedarf der Kun den ausgerichtet, was wiederum aus schlaggebend ist für die Ausgestaltung der Zusammenarbeit – sei es in Form von Projekt- und Rahmenverträgen, sei es in Form von Exklusivpartnerschaf ten oder Full-Service-Leistungen zu Festpreisen. Industrielle Produktions anlagen unterscheiden sich deutlich in Aufbau und Größe und bringen jede für sich spezielle Herausforderungen mit sich. Entsprechend unterschied lich sind die Kundenbedürfnisse in der Instandhaltung, aber auch im Enginee ring oder im Projektgeschäft. Die Lö sungen müssen maßgeschneidert sein. Den Standard-Servicevertrag schlecht hin gibt es nicht. Schon in der Planungsphase einer neuen Anlage werden die Weichen für den erfolgreichen Betrieb gestellt. So entscheiden die Auswahl der Kompo nenten, ihre Kombination und Anord nung über Beschaffungs- sowie Mon tageaufwand und bestimmen Zuver lässigkeit, Lebensdauer und Wartungs freundlichkeit der Anlage. Dies wiede rum hat entscheidenden Einfluss auf die Höhe der Betriebs- und Instand haltungskosten. Komplettanbieter von industriellen Dienstleistungen haben eine differenzierte Sicht auf die Kosten. Über die Betrachtung von Kapital- und Betriebskosten des Betreibers hinaus wird der gesamte Lebenszyklus der An lage berücksichtigt. Dabei fließen die aus den Instandhaltungsprozessen ge wonnenen Erkenntnisse systematisch mit ein. Dies kann dazu führen, dass dem Kunden beispielsweise in be stimmten Bereichen der Anlage der Einbau von redundanten Equipments oder eines zusätzlichen Condition-Mo nitoring-Systems empfohlen wird. Das erhöht zwar die Anfangsinvestition, bringt aber auf Sicht signifikante Ein sparungen mit sich, weil die Kosten für die Instandhaltung deutlich geringer sind. Frühe Einbindung von Profis zahlt sich aus Auch in der Betriebsphase, in der die Instandhaltung die primäre Rolle spielt, rechnet sich die frühe Einbin dung von professionellen Industrieser viceanbietern. Wer die Anlage seit Pla nung und Errichtung kennt, weiß auch um die Optimierungsmöglichkeiten, wenn der Produktionsbedarf steigt und die Anlage diesem nicht mehr nach kommen kann. Demgemäß bleiben Anlagenverfügbarkeit und -effizienz durchweg auf hohem Level. Solche Modifizierungen erfolgen häufig als Einzelprojekte parallel zu ei nem geplanten Anlagenstillstand. Dies macht eine enge Abstimmung von Pro jekt- und Stillstandsteam zwingend er forderlich. Denn gerade Turnarounds sind in der Regel generalstabsmäßig vorbereitet, weil das Zeitfenster eng ist und oftmals Hunderte von Fachkräften Wartung, Inspektion und Instandset zung ausführen. Deshalb ist es für den Kunden von großem Nutzen, wenn alle Leistungen aus einer Hand kommen. Die Koordination erfolgt über eine Schnittstelle, sprich: Der Kunde hat nur einen Ansprechpartner, was ihm die Kommunikation erleichtert und die Transparenz im Projektablauf erhöht. Ein weiterer Vorteil ist, dass so die Ein haltung der Sicherheits- und Qualitäts standards nach internationalen Maß stäben gewährleistet ist. Die Vergabe von Instandhaltungs prozessen an einen externen Indus trieservicepartner oder gar die kom plette Auslagerung ermöglicht dem Anlagenbetreiber, sich auf seine Kern kompetenzen zu konzentrieren. Knowhow gibt der Kunde dadurch nicht aus der Hand. Im Gegenteil: Er gewinnt Fachwissen und Erfahrung dazu. In ternational aufgestellte Anbieter von Industrieservice wie Bilfinger Berger Industrial Services sind regelrechte Know-how-Tanks, die Innovationen und Best Practices konzernweit aus tauschen und auf diese Weise ihren Die Anforderungen an Industrie anlagen bezüglich der Kosten und der Effizienz steigen: Professioneller Industrieservice trägt zur Optimierung bei. Fotos: Bilfinger Berger Kunden bestmögliche Lösungen bei Aufbau, Betrieb und letztlich auch Rückbau ihrer Anlagen anbieten kön nen. Davon profitieren auch Länder, in denen die Entwicklung und Imple mentierung von Instandhaltungskon zepten ebenso wenig „State of the Art“ sind wie die Orientierung an interna tionalen Qualitäts- und Sicherheits standards. Kunden in diesen Ländern auf die Position der „Early Adopter“ zu heben, bringt diesen signifikante Wett bewerbsvorteile – und erhöht nachhal tig den Stellenwert des Industrieser vice rund um den Globus. *Tobias Zaers ist Leiter Corporate Technical Support der Bilfinger Berger Industrial Services Group „Schon in der Planungsphase einer Anlage werden die Weichen für den erfolgreichen Betrieb gestellt.“ Tobias Zaers, Bilfinger Berger Außen hui – innen hui Gartner | Neue Fassadentypen verbessern Heizung, Kühlung, Lüftung und Tageslichtnutzung G läserne Fassaden sollen mehr Transparenz schaffen, aber auch den Energieverbrauch senken und den Komfort erhöhen. Neue Fassadentypen verbessern des halb sowohl Heizung und Kühlung wie Lüftung und Tageslichtnutzung. Und sie integrieren erneuerbare Energien wie Geothermie, Nachtkühle oder Photo voltaik. Als erstes Bürogebäude der Welt wurde kürzlich Roche Diagnostics im Schweizer Rotkreuz mit der besonders energiesparenden Closed Cavity Façade (CCF) von Gartner eingekleidet. Die 8 200 Quadratmeter große CCFFassade bei Roche Diagnostics ist eine geschlossene zweischalige Fassade mit einer inneren Dreifachverglasung und einer äußeren Einfachverglasung. Sie bietet einen erstklassigen Wärme-, Sonnen- und Schallschutz und kombi niert hohe Transparenz durch eisen oxydarmes Glas mit einem geringen Energieverbrauch. Da der Raum zwi schen der inneren und äußeren Ver glasung dauerhaft vor Witterungsein flüssen geschützt ist, können hocheffi ziente Sonnenschutzanlagen auch zur Lichtlenkung verwendet werden. Alle Regelungseinheiten der CCF-Fassade sind wartungsarm ausgelegt. Innovationen aus Gundelfingen Entwickelt wurde diese Fassadeninno vation von der Josef Gartner GmbH in Gundelfingen an der Donau, einem der weltweit führenden Fassadenbauer mit über 1 200 Mitarbeitern. Zusam men mit der Fraunhofer-Gesellschaft hat Gartner die CCF-Fassade am For schungsgebäude „inHaus2“ in Duis Fassaden mit verschiedenen Funk tionen und in diversen Formen sind die Welt von Gartner: Die Firma aus Gundelfingen hat unter anderem die BMW Welt in München (r.) oder den Opernturm in Frankfurt (o.) ausgestattet. Ganz oben: Die Closed Cavity Façade bietet erstklassigen Wärme-, Sonnen- und Schallschutz. Fotos: Gartner burg erprobt und zur Serienreife ent wickelt. Mittlerweile baut Gartner wei tere CCF-Fassaden für Objektbauten. Gartner-Fassaden prägen auch das Ge sicht vieler Hochhäuser und architek tonischer Highlights von Metropolen weltweit. In Deutschland zählen dazu der Neubau der Deutschen Börse, die Hochhäuser der Deutschen Bank und der neue Opernturm in Frankfurt am Main. Mit seinen Fassaden entwickelt das 1868 gegründete Unternehmen Schlüs seltechnologien zum nachhaltigen Bauen und hat über 300 Patente ange meldet. 1968 erfand Gartner beispiels weise die Integrierte Fassade zum Hei zen und Kühlen. Bei diesem Fassaden typ halten die Fassadenprofile nicht nur das Glas, sondern sind gleichzeitig Heiz- und Kühlflächen. Die Hohlpro file aus Stahl oder Aluminium führen Wasser, das erwärmt oder gekühlt wer den kann. Die Elemente bilden einen geschlossenen Wasserkreislauf, der an das Hausheizungsnetz angeschlossen wird. Die Fassadenheizung selbst wirkt wie eine Niedertemperaturheizung und senkt damit wesentlich die Heizund Kühlkosten eines Gebäudes. Bei spiele hierfür sind die Deutsche Börse oder die BMW Welt in München, bei der selbst Elektrokabel und Sprinkler leitungen in die Hohlprofile integriert sind. Die Firmenzentrale von Alki-Tech in Ingolstadt nutzt bei der Integrierten Fassade erneuerbare Energien wie Erd wärme. Wie eine zweite Haut In den 80er-Jahren hat Gartner die Zweite-Haut-Fassade zur natürlichen Belüftung von Hochhäusern wie beim Commerzbank-Hochhaus in Frankfurt entwickelt und erstmals angewendet. Diese zweischalige Fassade reduziert den Energieeintrag und sorgt mit aus geklügelten Belüftungs- und Sonnen schutzsystemen im windgeschützten Fassadenzwischenraum für ein an genehmes Raumklima. Beim Ver waltungsgebäude von Swarovski im Schweizer Männedorf hat Gartner die sen Fassadentyp weiterentwickelt. Der Neubau am Zürichsee wirkt wie ein gläsernes Hufeisen. Trotz des hohen Glasanteils erfüllt das vierstöckige Ge bäude so den sehr hohen Schweizer Energiestandard, bei dem auch der Energieverbrauch während der Be triebsdauer betrachtet wird. Neben ei ner besonderen Lichttransparenz der Verglasung zeichnet sich die Fassade durch einen elektrischen Sonnen schutz im Fassadenzwischenraum aus, um den Energieeintrag in den Som mermonaten zu reduzieren. Weitere Fassadeninnovationen von Gartner gewinnen Kühlenergie aus der Nachtauskühlung über integrierte Klimageräte oder integrierten Solar absorber zur Warmwassergewinnung. Insbesondere in Dachbereichen setzt Gartner Photovoltaikelemente wie bei Novartis in Basel oder bei der Califor nia Academy of Science in San Francis co ein, die dem höchsten internationa len Nachhaltigkeitsstandard entspre chen und eine Platinumzertifizierung nach LEED (Leadership in Energy and Environmental Design of the US Green Building Council) erhielten. Denn in Dachbereichen kann die Sonnenein strahlung am besten genutzt werden. Für senkrechte Fassaden bieten dage gen Geothermie und Nachtkühle Vor teile, da sie im Unterschied zur Son neneinstrahlung jederzeit und an allen Gebäudeseiten zur Verfügung stehen. 8 Leichtbau Industrie & Märkte März 2011 WirtschaftsKurier Abgespeckte Schwergewichte Siemens | Schienenfahrzeuge gelten als umweltfreundlich – das Potenzial ist aber noch lange nicht ausgereizt Von Henner Vogelsang und Heinrich Zeininger* B ei Schienen- und Kraftfahrzeu gen führt jedes eingesparte Ki logramm zu einem niedrigeren Energieverbrauch. Auch die Umwelt profitiert davon, denn die Kohlendi oxid-Emissionen sinken, Ressourcen werden eingespart und die Wirtschaft lichkeit steigt. Deshalb ist der Leicht bau die Konstruktionsmethode der Wahl. Ballungsräume setzen zuneh mend auf den Schienen- bzw. öffent lichen Personennahverkehr (ÖPNV). Zwar gilt der Schienenverkehr als be sonders umweltfreundlich, das heißt aber nicht, dass in diesem Bereich kein Einsparpotenzial vorhanden wäre. Gewichtsreduktion, Rückführung der Bremsenergie und wiederverwertbare Bauteile – all diese Maßnahmen stei gern die Umweltfreundlichkeit. Metro züge von Siemens, die genau diese An sprüche erfüllen, fahren seit über drei Jahren in Oslo. Moderne Metroflotte braucht viel weniger Energie Im Vergleich zu den Vorgängerzügen spart Oslos moderne Metroflotte rund 30 % Energie ein. Möglich macht dies der Leichtbau, bei dem modulare Kon struktionsbauteile für die Wagenkästen (sogenannter Rohbau) verwendet wer den. Der Rohbau macht knapp ein Viertel des Gesamtgewichts eines Zugs aus. Bevorzugter Werkstoff der Konstrukteure ist Aluminium: ein Material, das besonders leicht, crashtauglich und – durch die industriell als Strang pressprofil gefertigten Halbzeuge – kostengünstiger zu verarbeiten ist als Stahl. Die Inneneinrichtung der Oslo er-Metrozüge besteht vor allem aus Glasfaser-Kunststoff (GFK), der sich durch eine hohe Stabilität und gerin ges Gewicht auszeichnet. Zudem sind knapp 95 % der Zug-Komponenten re cycelbar. Das perfekte Zusammenspiel von Design, Konstruktion und Bauweise ist auch der Anspruch bei den SiemensHochgeschwindigkeitszügen. Verwirk licht wurde er beispielsweise beim Velaro, einer Weiterentwicklung des deutschen ICE 3. Mit einer Spitzenge schwindigkeit bis zu 350 Kilometer pro Stunde ist er einer der schnellsten Se rientriebzüge der Welt und derzeit in Spanien, China und Russland im Ein satz. Der Velaro verbraucht umgerech net 0,33 Liter Benzin pro Sitzplatz auf 100 Kilometer – ein Volumen, das in eine herkömmliche Cola-Dose passt. Hier spielt neben dem Leichtbau auch die Aerodynamik eine große Rolle: Die Entwickler haben das windschnittige Neues Design, mehr Aerodynamik, weniger Energieverbrauch: Nicht nur im neuen ICE sorgen Materialien von Siemens für mehr Effizienz, sondern auch in der Metro von Oslo. Fotos: Siemens Verhalten durch Verkleidungen von Dachgeräten, Drehgestellen und Wa genübergängen optimiert. Das elektri sche Bremssystem erlaubt eine Rück speisung der Bremsenergie in das Netz, was Energie und Kosten spart. Damit sind aber die Optimierungs möglichkeiten noch lange nicht er schöpft. Die Experten bei Siemens Corporate Technology (CT) arbeiten daran, die Leichtbauwerkstoffe weiter zuentwickeln. Vor allem der Flugzeug-, Fahrzeug- und Maschinenbau, die Branchen Energieerzeugung (Windrä der) und Medizintechnik (Patienten liegen) sind auf solche Werkstoffe an gewiesen. Rotorblätter beispielsweise sollten auch einen Jahrhundertsturm überstehen, deshalb müssen die Faser verbundwerkstoffe besonders bruch fest sein und ihre Oberflächen Regen, Schnee und UV-Strahlung standhalten. Als Verstärkungsmaterialien für die Faserverbunde kommen Glas-, Kunst stoff- oder Kohlefasern infrage. Diese lassen sich gut verarbeiten, haben ein geringes Gewicht und weisen eine hohe Festigkeit und gute Steifigkeit auf. CT möchte die Faserverbundwerkstof fe optimieren – also eine bessere Ver windungssteifigkeit und Zähigkeit – und idealerweise eine Leistungsstei gerung zwischen 20 % und 30 % errei chen. Als Matrixmaterial bei der Herstel lung der Faserverbunde sind Epoxyd harze ideal. Um die Haftfähigkeit zwi schen den Faserbündeln und -ebenen und damit ihre mechanischen Eigen schaften zu verbessern, greifen die Siemens-Forscher auf die Nanotech nologie zurück, indem sie beispiels weise sphärische Partikel wie Silica oder Kohlenstoff-Nanoröhrchen (Car bon Nanotubes – CNT) in den Faser verbundstoff einfügen. CNT haben einen Durchmesser zwi schen 1 und 50 Nanometern (nm). Das entspricht einem millionsten Millime ter. Zum Vergleich: Die menschliche DNA hat einen Durchmesser von rund 2 nm. Die CNT wirken als winzige Verbindungsbrücken und verstärken so den Zusammenhalt zwischen den Faserbündeln. Ein solch kohlenstoff faserverstärkter Kunststoff (CFK) ist zugfester als Stahl und leichter als Alu minium. Bei den faserverstärkten Kunststof fen ist bislang der Automatisierungs grad in der Produktion recht niedrig. Im Verbundprojekt „CarboAir“ entwi ckelt Siemens gemeinsam mit zahlrei chen Unternehmen und Forschungs institutionen neben den neuartigen Faserverbundwerkstoffen auch ent sprechende Herstellverfahren für die Serienproduktion in den oben erwähn ten Branchen. *Henner Vogelsang verantwortet bei der Geschäftseinheit Mobility von Siemens Industry die Konstruktion und Entwicklung von Wagenkästen für Schienenfahrzeuge, Heinrich Zeininger ist Program Manager für Polymer Coatings and Composites bei Siemens Corporate Technology Über den Wolken zählt jedes Gramm Rehau | Die Oberfranken bringen ein neues Leichtbau-Material für Flugzeuge auf den Markt Von Daniel G. Medhin Z u Wasser, zu Land und in der Luft: Die Produkte des Polymer spezialisten Rehau sind heut zutage in jedem Lebensbereich zu fin den. Das Portfolio der Oberfranken konzentriert sich auf Lösungen für energieeffizientes Bauen, Wasserma nagement und Infrastruktur; als jahr zehntelanger Entwicklungspartner der Automobilindustrie beschäftigt Rehau sich aber auch intensiv mit dem The ma Mobilität von morgen. Vor rund 15 Jahren hat sich das Unternehmen, das weltweit etwa 15 000 Menschen an 170 Standorten beschäftigt, aufge macht, den Himmel zu erobern. Heute beliefert Rehau namhafte Flugzeugher steller wie Airbus mit Einrichtungs gegenständen für den Kabinen-Innen raum. Da über den Wolken jedes Gramm zählt und sich schon kleinste Gewichtsreduzierungen wohltuend auf die Ökobilanz und die Kassen der Flug linien auswirken, sind alle Hersteller kontinuierlich bemüht, das Gewicht ihrer Metallvögel zu reduzieren. Auch die Nordbayern verfolgen schon seit Längerem das Thema Leichtbau und drehen das Innovationsrad in dieser Hinsicht immer weiter. Das jüngste Kind der Rehau-Produktfamilie heißt Rau-Flight. Das neue Material befindet sich ge rade in der Einführungsphase und soll im Bereich der Gepäckablage, bei Tep pichkanten sowie Abdeckungen zum Einsatz kommen. Rau-Flight zeichnet sich durch ein deutlich geringeres Ge wicht aus – bei gleicher Festigkeit und Flammwidrigkeit. Das ist besonders wichtig, da gerade im Flugverkehr die Materialien starken Belastungen ausgesetzt sind und ho hen Sicherheitsanforderungen genü gen müssen. So werden die meisten Einrichtungsgegenstände eines Jum bojets aus sogenannten Hochtempera tur-Thermoplasten gefertigt, die bei über 350 Grad Celsius verarbeitet wer den. Diese Kunststoffe sind nicht brennbar und setzen bei Kontakt mit Feuer keine toxischen Gase frei – dem entsprechend teuer sind sie folglich. Auch Rau-Flight besteht aus solchen Spezialkunststoffen, die jedoch durch einen innovativen High-PerformanceFüllstoff aufgewertet werden. Über ihr Netzwerk zu Zulieferern und Universitäten kam die F & E-Ab teilung der Oberfranken mit Hohlglas kugeln in Kontakt, die sich ideal für diesen Verwendungszweck eignen. Rund drei Jahre lang hat die For schungsabteilung von Rehau getüftelt, um die Leichtmacher in den Kunst stoff zu integrieren und ein entspre chendes Anwendungsgebiet zu defi nieren. „Wir haben unsere Ergebnisse den Fachabteilungen vorgestellt und „Wir haben unsere Ergebnisse den Fachabteilungen vorgestellt und die Entwicklung ist dann ganz schnell in Richtung Flugzeugindustrie gegangen.“ Martin Sonntag, Rehau Materialentwicklung die Entwicklung ist dann ganz schnell in Richtung Flugzeugindustrie gegan gen“, erklärt Dr. Martin Sonntag, Mit arbeiter aus dem Bereich Materialent wicklung. Für die Herstellung von Rau-Flight werden die mikroskopisch kleinen Glaskugeln und die Polymere miteinander vermengt, aufgeschmol zen und anschließend unter Druck in die entsprechende Form gebracht. Ob wohl die Kugeln sehr stabil sind, lag die große Herausforderung bei diesem Verfahren darin, den Druck so zu kon trollieren, dass sie nicht brechen. „Sonst würde man den Gewichtsvor teil verlieren, weil am Ende keine Hohlräume mehr im Kunststoff vorlä Martin Sonntag von der Rehau Materialentwicklung präsentiert stolz Rau-Flight – ein Material, das Flugzeuge noch leichter macht. Fotos: Rehau gen“, erklärt Sonntag. Eine weitere Schwierigkeit war es, das Füllmaterial gleichmäßig in den Kunststoff einzu arbeiten. Bei einem Griffleistensystem mit einem Gesamtgewicht von 48 Kilo gramm können beispielsweise mit Rau-Flight rund fünf Kilogramm einge spart werden. Würden 100 Kilogramm eines herkömmlichen Kunststoffs bei einem A320 durch das innovative Rehau-Produkt ersetzt, würde sich der Treibstoffverbrauch um etwa 2 000 Li ter pro Jahr reduzieren. Vielleicht dau ert es gar nicht mehr allzu lang, bis Passagiere ihr Handgepäck in Fächern aus Rau-Flight verstauen werden. Derzeit befindet sich Rehau mit sei nem neuen Material in der AkquisePhase. Allerdings ist die Flugzeug industrie von sehr langen Lebens zyklen geprägt und bestehende Bau reihen werden nur wenig modifiziert. Die Boeing 747 ist beispielsweise seit 1969 nahezu unverändert am Himmel unterwegs. Neue Werkstoffe werden meistens nur dann an Bord geholt, wenn neue Flugzeuggenerationen ge plant werden. „Erhält man jedoch den Zuschlag, hat man die Chance, über viele Jahre dabei zu bleiben“, erklärt Sonntag, der sehr zuversichtlich ist, dass sich Rau-Flight schon bald wirt schaftlich auszahlen wird, da einige Hersteller bereits Interesse an der Neu entwicklung der Oberfranken bekun det haben. März Industrie & Märkte 2011 WirtschaftsKurier Leichtbau 9 Härter als Stahl – leichter als Aluminium SGL Carbon | Autos, Windräder, Flugzeuge – Carbonfasern werden bald überall eingesetzt Das Auto der Zukunft: 2013 wird das Megacity Vehicle auf den Markt kommen, das maßgeblich aus Carbonfasern bestehen wird. Foto: BMW Barcelona Budapest Carbonfasern sind zehn Mal dünner als ein menschliches Haar und werden zu Bündeln aus 24 000 oder 50 000 Fäden zusammengefasst. Fotos: SGL Carbon den wir unsere Iso-Graphit-Produk tion erweitern. Als ein drittes Beispiel möchte ich hier die Fertigstellung unseres Gra phit- und Elektrodenwerks in Ban ting, Asien, nennen. Banting wird zu einem vollintegrierten Carbon- und Graphit-Hub und zum zentralen Standort innerhalb unseres globalen Produktionsnetzwerks und weltweit die kostengünstigste Anlage in der Industrie. Group liefert hier durch ihr gemein sames Joint Venture mit der BMW Group, der SGL Automotive Carbon Fibers, Carbonfaser und Carbon fasergelege für den BMW i3. Mit diesem Projekt werden erstmals Carbonfasermaterialien in der Groß serienfertigung eingesetzt. Um auch zukünftig die Expansion unserer Kunden in den Wachstumsmärkten Solarenergie, Halbeiter und LEDs weiterhin begleiten zu können, wer Genf Köln Hamburg Madrid Moskau München Stuttgart Wien Zürich ® eo og y die Windenergie, die Bauindustrie und viele andere Industriebereiche. WiKu: Können Sie vielleicht eines die ser Beispiele näher erläutern? Köhler: Nehmen wir als Beispiel die Windenergie: Die Rotorblätter ha ben heute Längen von etwa 45 bis 50 Metern. Mechanisch sind diese Rotorblätter (2,5 Megawatt) noch mit Glasfaser-Verbundwerkstoffen stabilisiert. Derzeit werden FünfMega-Watt-Anlagen mit Rotorblät terlängen von über 60 Metern und Rotordurchmessern von 120 bis 130 Meter eingeführt. Durch das relativ hohe Gewicht und die geringere Steifigkeit stößt man hier mit Glasfa sern an die Grenzen. Carbonfasern sind daher aufgrund ihrer Leichtig keit und hohen Steifigkeit eine ge eignete Lösung; gerade bei OffshoreAnwendungen müssen die Rotor blätter möglichst stabil sein, um auch größten mechanischen Belas tungen standzuhalten und sich nicht durchzubiegen. Mit SGL Rotec ha ben wir ein Joint Venture, das High tech-Rotorblätter speziell für Offshore-Anlagen mit Rotordurch messern über 60 Metern anbietet. WiKu: In welchen Bereichen sehen Sie das größte Potenzial für Carbon? Köhler: Traditionell in der Luftfahrt p WirtschaftsKurier: Carbon gilt als einer der Stoffe der Zukunft. Was ist das Besondere an diesem Mate rial und welche Vorteile weist es im Vergleich zu anderen Stoffen, etwa Aluminium oder Stahl auf? Jürgen Köhler: Einige Besonderheiten der Carbonfaser lassen sich gut er läutern: ■■ Die Feinheit: Eine Carbonfaser ist zehn Mal dünner als ein menschli ches Haar. Um diese überhaupt wei terverarbeiten zu können, fassen wir entweder 24 000 oder 50 000 Carbon fasern zu einem sogenannten Faser bündel zusammen. Sie reichen auf einer einzigen Acht-Kilogramm-Spu le aufgewickelt drei Mal um die Erde. ■■ Die Steifigkeit und Festigkeit: Im Ver gleich zu Aluminium ist Carbonfa serverstärkter Kunststoff (CFK) 40 % leichter als Aluminium und 80 % leichter als Stahl, bei einer höheren Steifigkeit und Festigkeit. ■■ Die Ermüdungsfestigkeit und Scha dentoleranz: Die CFK-Bauteile ha ben eine hohe Ermüdungsfestigkeit und Schadenstoleranz und können sehr viel Energie aufnehmen und vernichten, zum Beispiel beim Crash (Rennauto). WiKu: Was ist die Grundlage von Car bonfasern und wie werden sie her gestellt? Wie aufwendig ist die Pro duktion? Köhler: Der Rohstoff (Precursor) für Carbonfasern ist eine Kunststoff faser, die auf Erdöl basiert: Poly acrylnitril (PAN). PAN wird danach in einem Hochtemperaturprozess bei bis zu 1 500 Grad Celsius carbo „In einigen Jahren wird die Automobilindustrie der mengenmäßig größte Anwender von CarbonfaserMaterialien sein.“ industrie und zunehmend im Bau von Windkraftanlagen. In einigen Jahren wird aber die Automobil industrie der mengenmäßig größte Anwender von Carbonfaser-Materi alien sein. WiKu: Die SGL Group ist einer der weltweit führenden Hersteller von Carbon. Wie bewerten Sie die ge schäftliche Entwicklung Ihres Un ternehmens in der jüngsten Ver gangenheit? Köhler: Eine breite Basis an Technolo gien, Know-how und Produkten so wie eine global Ausrichtung haben der SGL Group geholfen, als Gewin ner aus der Krise hervorzugehen. Die SGL Group hat ihre globale Po sition gestärkt und wird weiterhin ihren Fokus auf die Wachstums märkte und -regionen legen. WiKu: Was sind wichtige Märkte für Ihr Unternehmen? Köhler: Die Stahl-, Aluminium-, Wind-, Solar-, Automobil-, Luftfahrt- und die chemische Industrie. WiKu: Welche Zukunftsprojekte und Ziele verfolgt Ihr Unternehmen? Köhler: Einige unserer wichtigsten Zu kunftsprojekte, die wir hier nennen möchten, wären zum Beispiel das Megacity Vehicle, der 2013 auf den Markt kommende BMW i3. Die SGL ® Ampelmann GmbH E in besonderer Stoff mit beson deren Fähigkeiten: Carbon. Wie das „schwarze Gold“ so manche Zukunftstechnologie entscheidend vo ranbringt, erläutert Jürgen Köhler, Vice President der Business Unit Carbon Fi bers & Composite Materials, in der vie le dieser Aktivitäten von SGL Carbon gebündelt sind. Die Fragen stellte WiKu-Redakteur Daniel G. Medhin. nisiert. Danach liegt fast reiner Koh lenstoff vor. WiKu: Seit wann gibt es Carbonfasern eigentlich und seit wann finden sie eine breitere Anwendung? Köhler: Die Carbonfaser findet erst seit etwa 40 Jahren größeren Einsatz, Wegbereiter waren der Flugzeugbau und Militäranwendungen; danach erfolgte eine schnelle Verbreitung in Sportartikeln und nun zunehmend in sogenannten industriellen Berei chen wie Windkraftanlagen, Druck behältern und im Automobilsektor. WiKu: Vor allem im Automobilbereich gilt Carbonfaser als der Stoff, der die gesamte Branche revolutionie ren könnte. Sie kooperieren für das Megacity Vehicle (MCV) eng mit BMW. Welche Rolle spielt Carbon bei diesem Projekt und welche könnte es in Zukunft für die gesam te Branche spielen? Köhler: Wir haben mit BMW das Joint Venture SGL Automotive Carbon Fi bers gegründet. 2013 wird die BMW Group das MCV auf den Markt brin gen, das maßgeblich aus CFK be steht. Mit der Gründung des Joint Ventures haben wir gemeinsam mit der BMW Group einen Meilenstein für den Einsatz von Carbonfasern im industriellen Maßstab in der Auto mobilindustrie gesetzt. Carbonfa sern übernehmen damit erstmals eine bedeutende Rolle in der auto mobilen Serienproduktion. CFK wird mit Sicherheit im Material-Mix im Automobilbau schnell wachsen. Der Trend zum Leichtbau startet ge rade erst richtig. Ein wichtiger As pekt ist dabei die Elektromobilität, die nicht zuletzt wegen der schwe ren Batterien und der Fahrdynamik Gewichtseinsparungen verlangt. WiKu: Inwieweit könnten Carbon fasern dazu beitragen, dem Elekt romotor zum Durchbruch zu ver helfen? Köhler: Carbonfaserbasierte Werkstof fe helfen, das Mehrgewicht von Bat terien zu kompensieren, und sind somit von zentraler Bedeutung für die Elektromobilität. WiKu: Damit sind die Einsatzmöglich keiten des Materials aber noch lan ge nicht erschöpft. Welche gibt es noch? Köhler: Weitere wesentliche und schnell wachsende Anwendungs gebiete sind wie bisher die Flugzeug- und Verteidigungsindustrie, pl e p ch e r fo r m a n ce t e l no PERSONAL2011 Fachmessen für Personalmanagement www.personal-messe.de „Der Trend zum Leichtbau startet gerade erst richtig“, sagt Jürgen Köhler, Vice President der Business Unit Carbon Fibers & Composite Materials bei der SGL Carbon. 6.-7. April, Hamburg 13.-14. April, München In München zeitgleich mit: CORPORATE HEALTH CONVENTION FACHMESSE FÜR BETRIEBLICHE GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND DEMOGRAFIE PE11-N-S_Anz-155x150_4c.indd 1 25.02.11 11:09 10 Industrie & Märkte März Immer einen Schritt voraus Kleine Wasserspeicher Personal2011 | Messe gastiert zum ersten Mal auch im Norden Deutschlands Geohumus | Granulat verbessert Böden T rockenheit ist ein großes Pro blem in Afrika, aber auch in vie len anderen Teilen der Welt. Die Firma Geohumus hat ein Produkt ent wickelt, mit dem Wasser und Nährstof fe besser im Boden gespeichert werden können. Dafür wurde das Unterneh men mit der Dieselmedaille ausge zeichnet, die in Fachkreisen auch als „Erfinder-Oscar“ bezeichnet wird. Über das Potenzial des neuen Stoffs sprach der WirtschaftsKurier mit Wulf Bentlage, dem Geschäftsführer von Geohumus. G utes Personal zu finden und zu fördern steht derzeit auf der Agenda von Unternehmen ganz oben, denn die Wirtschaft boomt. Im Hinblick auf den demografischen Wandel könnte sich diese Situation zum Dauerzustand auswachsen. Wie Personalarbeit vor diesem Hintergrund die Zukunftsfähigkeit von Betrieben unterstützen kann, zeigen die beiden Frühjahrsmessen Personal2011 Nord (Hamburg) und Süd (München). „Es geht darum, das gesamte Erwerbs potenzial in Deutschland besser zu nutzen“, ist Prof. Stephan Kaiser von der Universität der Bundeswehr Mün chen überzeugt. Der Keynote-Speaker auf der Personal2011 Süd spielt damit nicht nur auf Themen wie Frauenför derung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie an. „Unternehmen müs sen auch ihren Alterskorridor vergrö ßern – nach unten ist das fast noch wichtiger als nach oben“, so Kaiser. Die Bologna-Reform und die ver kürzte Studienzeit des Bachelor-Studi engangs seien zwar der erste Schritt. Aber da viele Studierende zusätzlich Masterstudiengänge belegten, ergebe sich faktisch eine Studienzeitverlän gerung. „Personalentscheider sollten deshalb sinnvolle Karrierepfade entwi ckeln, damit Bachelor-Absolventen ins Unternehmen gehen und dann berufs begleitend ihren Master machen“, for dert der Experte für Personalfragen. Insgesamt gelte es, die Beschäfti gungsfähigkeit der Mitarbeiter zu er höhen. Die Schwierigkeit dabei: Die Anforderungen der Arbeitswelt steigen Networking: Bei der Personal2011 kann man Erfahrungen sammeln, wie man am besten den Herausfor derungen der Zukunft begegnet. Foto: Personal2011 laut Kaiser heute nicht mehr nur lang sam und kontinuierlich, sondern na hezu sprunghaft. „Das Personalma nagement sollte solche Themen als Seismograph vorhersehen und ent sprechend vorbereiten“, so Kaiser. Trägheit bei Social Media Doch Personalverantwortliche legten dabei bisweilen eine gewisse Trägheit an den Tag – so etwa beim Thema So cial Media. Personaler konzentrierten sich darauf, wie sie soziale Netzwerke im Internet wie Facebook und Xing für das Recruiting nutzen könnten. Die meisten ignorierten aber noch, dass damit auch „Open Innovation“ mög lich wäre: indem Unternehmen Leis tungspotenziale von Kunden oder Ex perten in den Wertschöpfungsprozess integrieren. Doch es gibt auch Ausnahmen von der Regel, wie die Otto GmbH beweist. Das Handelsunternehmen setzt Social Media ausgiebig ein, zum Beispiel für das Ideenmanagement. In Foren und Online-Räumen können Mitarbeiter Ideen diskutieren. In Blogs zu Themen wie IT oder Mode haben auch Externe die Möglichkeit, sich in die Ideenent wicklung einzubringen. In dem Key note-Vortrag „New Age HR: Personal management im Digitalen Zeitalter“ stellt Michael Picard, Direktor Personal bei Otto, auf der Personal2011 Nord in Hamburg seine Arbeit vor. „Wir schauen uns genau an, wie sich die technologischen Möglichkeiten, die Struktur der Bevölkerung und ihre Nachfrage entwickeln“, so Picard. „Da raus leiten wir ab, welche Produkte man überhaupt in fünf oder zehn Jah ren nachfragen wird.“ Auch die Perso nalstrategie richte das Unternehmen danach aus. Einerseits zeigten diese Überlegungen, welche Qualifikationen zukünftig überhaupt gebraucht wür den. Andererseits bedenke Otto, wo es entsprechende Mitarbeiter finden kön ne. „Wir müssen uns sukzessive davon verabschieden, dass Arbeitsplätze im mer an ein und demselben Standort geschaffen werden“, meint Picard. Die moderne Technik ermögliche den Zusammenschluss von Experten auf der ganzen Welt. Schon heute über trage das Handelsunternehmen grö ßere Veranstaltungen wie Betriebsver sammlungen übers Netz – live oder in einem Zusammenschnitt –, wenn man che Teilnehmer nicht selbst vor Ort sein könnten. Arbeitszeit und Arbeits ort würden bei Otto immer flexibler. Es gebe zunehmend virtuelle Teams und damit auch neue Herausforderungen für die Führungskräfte. Rund 130 Vorträge und Podiumsdis kussionen – von und mit Ausstellern, Fachzeitschriften und Experten aus Wissenschaft und Praxis – hat die Per sonal2011 Süd zu bieten, die vom 13. bis zum 14. April in München in die 12. Runde geht. Erstmals gastiert die Messe für die Personalarbeit in Unter nehmen und Organisationen auch in Deutschlands Norden: Vom 6. bis zum 7. April feiert die Messe für Personal management im Messe- und Kongress zentrum CCH in Hamburg Premiere. Schon die Erstveranstaltung wartet mit circa 70 Programmpunkten auf. Damit Personalverantwortliche in München und Hamburg vergleichbare Erkenntnisse gewinnen, setzt der Ver anstalter auch auf ähnliche Programm punkte. So referiert etwa Sabine Asgo dom, die zu den bekanntesten Erfolgs coachs in Deutschland gehört, an beiden Standorten. Sie stellt den hei ßesten Trend in der amerikanischen Management-Psychologie vor: „Flou rishing – wie Sie und Ihre Mitarbeiter aufblühen“. Asgodom geht in dem Key note-Vortrag der Frage nach, warum manche Unternehmen mehr Gewinne erarbeiten als andere und warum man che als Arbeitgeber beliebter sind. Ne ben der Management-Trainerin und Expertin für Potenzialentwicklung re ferieren auch der Führungskräfte coach Dieter Lange sowie der Priester und Hochschullehrer Prof. Thomas Schwartz in Hamburg und München als Keynote-Speaker. 2011 WirtschaftsKurier WirtschaftsKurier: Herr Bentlage, Warum benötigt man den Zusatz stoff Geohumus zur Wasserspei cherung? Wulf Bentlage: Die drohende Wasser knappheit ist eines der drängends ten Probleme der Menschheit in den kommenden Jahrzehnten. In ihrem Bericht „Wasser in einer sich verän dernden Welt“ warnt die UNO schon jetzt vor den dramatischen Folgen des Wassermangels, der sich durch den Klimawandel noch weiter ver schärfen wird. Wasser wird insbe sondere in der Landwirtschaft zur Bewässerung benötigt, um die Er nährung einer wachsenden Erdbe völkerung sicherzustellen. Dabei gibt es viele Regionen auf der Welt, in denen es entweder grundsätzlich zu wenig oder aber sehr unregel mäßig und zur falschen Zeit regnet. Umweltsünden wie das unkontrol lierte Abholzen von ganzen Wäldern verschärfen das Problem zusätzlich, denn sie begünstigen Erosionspro zesse und führen dazu, dass der Boden das ohnehin knappe Wasser nicht mehr speichern kann – es ver sickert stattdessen einfach ungenutzt im Erdreich. Der Wasser- und Nähr stoffspeicher Geohumus ist ein Bo dengranulat, das in geringer Menge in den Boden eingebracht wird und die Wasserspeicherung maßgeblich verbessert. WiKu: Wie genau funktioniert dieses Verfahren? Bentlage: Seit den 70er-Jahren ist die chemische Industrie in Deutschland intensiv mit der kommerziellen Nut zung von Polyacrylsäure (Hydrogel) beschäftigt. Moderne Babywindeln beinhalten diese auch als „Super absorber“ bekannte, völlig ungiftige, organische Substanz genauso wie Damenbinden, um Flüssigkeit auf zunehmen und als geleeartige Masse zu konservieren. Die Nutzung dieses Effekts im Agrarsektor liegt auf der Hand, denn hier versickern bis zu 80 % der Bewässerung ungenutzt im Erdreich. Doch eine kontrollierte Speicherung von Wasser im Boden durch Zugabe von Hydrogelen er wies sich lange Zeit als unmöglich, da das Granulat das Wasser zu schnell und fest absorbierte und nicht genug Flüssigkeit für Pflanzen im Boden beließ. Im Jahr 2003 gelang unserem For scherteam schließlich der Durch bruch: Die chemische Verbindung von Polyacryl mit gemahlenem La vagestein ermöglichte es, den ersten Mikronährspeicher für die landwirt schaftliche Nutzung herzustellen, der in seiner heutigen Form bis zum 40-Fachen seines Eigengewichts an Wasser aufnehmen und kontrolliert wieder an die Umgebung abgeben kann. Dadurch sind Wassereinspa rungen von bis zu 50 % möglich. Da rüber hinaus enthält Geohumus zu sätzliche Nährstoffe und Mineralien, die das Pflanzenwachstum fördern. WiKu: Wo überall auf dem Globus kommt Ihr Produkt schon zum Ein satz? Bentlage: Geohumus produziert der zeit rund 1 000 Tonnen des innovati ven Bodenhilfsstoffs pro Jahr. Wich tige Märkte sind natürlich alle was serarmen Regionen des Nahen und Mittleren Ostens, genauso wie Aus tralien. Aber auch weite Teile der USA mit ihren teils extremen Klima strukturen sind sehr interessiert an Verfahren zur Wasserspeicherung im Boden. Wir haben dort deshalb im vergangenen Jahr ein Tochter unternehmen gegründet. Wulf Bentlage von Geohumus bekam für seine Wasserspeicher die Dieselmedaille. Foto: Geohumus Morgendämmerung für eine echte Emanzipation Interview | Cap-Anamur-Gründer Rupert Neudeck über die Zukunft Nordafrikas nach dem politischen Umbruch S eit Jahrzehnten engagiert sich Rupert Neudeck in vielen Krisengebieten der Welt. Afrika ist ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit. Über die politische Lage und die wirtschaft lichen Perspektiven sprach der Wirt schaftsKurier mit dem Gründer des Hilfskomitees Cap Anamur. WirtschaftsKurier: Herr Neudeck, die Bevölkerung im arabischen Raum begehrt gegen jahrzehntelange Un terdrückung auf. Sind Sie über rascht von der Heftigkeit? Rupert Neudeck: Nicht überrascht, aber erfreut. Die arabischen Völker wurden bei uns als die notorischen Hinterwäldler-Völker behandelt, die Aufklärung, Demokratie, Interesse am globalisierten Austausch erst ler nen müssten. Jetzt erleben wir eine Entwicklung, die derjenigen in Euro pa durchaus ähnelt, die am 14. Juli 1789 begann. Ich bin überzeugt, dass das die wirkliche Emanzipation der Völker des arabischen, iranischen und des afrikanischen Raums mit seinen potenziell so initiativreichen Völkern einläutet. WiKu: In einigen Ländern, etwa Tune sien, ist die Wirtschaft – und auch die Aktivitäten deutscher Unterneh men – durch die aktuellen Ereignis se beeinträchtigt. Wann ist mit einer Normalisierung zu rechnen? Neudeck: Wir sind immer noch eher gelähmt als erfreut über diese Ent wicklung. Die Tourismuswirtschaft, etwa die Fluglinien, sollten längst wieder in Tunesien wie auch in Ägypten sein und ihre touristischen Aktivitäten erweitern. Denn jetzt gibt es bessere Voraussetzungen als vor Ben Ali und Mubarak. Ich bin der Ansicht, dass wir auf viel günstigere Ausgangsdaten kommen, wenn die se Völker sich endlich selbst regie ren. Zudem bin ich davon überzeugt, dass die Zukunft der europäischmaghrebinischen Wirtschaftszone, um das Mittelmeer gleichsam wie um einen Tisch herum, erst jetzt be ginnen kann. Es wird eine ganz neue Zone von wirtschaftlichen Giganten entstehen, und die deutsche Wirt schaft wird sagen können, dass sie dabei gewesen ist. Die einstige Kolo nialzeit werden wir erst jetzt mit Rupert Neudeck hat Afrika ausgiebig bereist und zeichnet ein differenziertes Bild des Kontinents. Foto: Neudeck emanzipierten Völkern und Gesell schaften überwinden und hinter uns lassen. WiKu: Sie kennen Afrika gut: Welche Länder sind politisch am stabils ten? Neudeck: Zu fragen, welche Länder „am stabilsten“ sind, setzt ja voraus, dass es die Normallage der stabilen Länder gäbe. Dies gibt es aber in der Regel noch nicht. Es gibt im Norden die Maghreb-Staaten, die zumindest eine wirtschaftliche Entwicklung aufweisen, die sich sehen lassen kann. Ähnliches gilt für die Republik Südafrika. Daneben gibt es das vom internationalen Währungsfonds und der Weltbank einhellig gelobte Land Botswana, das seine Bevölkerung an dem Ausbau der Rohstoffvorkom men beteiligt, sowie die Insel Mauri tius. Tertium non datur (Anm. der Red.: lat. für „Ein Drittes ist nicht ge geben“). Ich würde fünf, sechs Län der hinzuzählen, in denen sich eine gewisse Stabilität entwickelt hat, die aber noch nicht bedeutet, dass sich in diesen Ländern die Errungen schaften eines Rechts- und Sozial staates und einer Art von Demokra tie etabliert haben. Das wären Gha na, Mali und Burkina Faso in West afrika sowie Tansania, Ruanda und Uganda im Osten Afrikas. WiKu: Welche Branchen entwickeln sich auf dem Schwarzen Kontinent besonders schnell? Neudeck: In ganz Afrika entwickeln sich zwei bis drei Branchen sehr rasch und könnten sich zu Erfolgs geschichten entwickeln: Einmal die Mobilfunk-Industrie, die einen rasanten Siegeszug durch alle Gebiete, selbst durch die „failed states“, angetreten hat. Man schätzt, dass von 970 Mio. Afrikanern schon 300 Mio. Handy-Besitzer und -Nut zer sind. Die zweite Industrie zielt auf die oberen 10 % aus allen Ländern, die gerne im afrikanischen Kontinent herumfliegen. Galt es vor 30 Jahren noch als Gesetz, dass man zwischen den Hauptstädten afrikanischer Län der nicht direkt hin- und herfliegen konnte, so haben insbesondere die großen boomenden Airlines dieses Gesetz aufgehoben. Das ist die Ethiopian Airlines mit einem tägli chen Flug von Frankfurt nach Addis Abeba und mit Flügen in alle Rich tungen Afrikas. Das ist die Kenya Airways, die nach der Kooperation mit der KLM einen großen Auf schwung genommen hat. In Westaf rika ist es die fulminant zuverlässige Air Maroc, die nicht nur ganz West afrika verlässlich bedient, sondern auch die Metropolen der westlichen und südostasiatischen Welt. Der dritte Industrie- und Wirt schaftszweig harrt noch seiner Ent deckung. Wenn afrikanische Eliten erst einmal die Überlegenheit ihrer Witterung und Sonneneinstrahlung für die Photovoltaik erkannt haben, wird das die dritte große Branche sein, die auch ihre eigene Produkti on, ihren eigenen Marktanteil und ihre Exporte organisieren wird. März 11 Innovationen & IT 2011 WirtschaftsKurier Feuerwerk neuer Produkte ABB | Technologiekonzern stellt auf der Hannover Messe unter anderem ein „Weltrekordkabel“ für die Anbindung von Offshore-Windparks vor Ein weiteres ABB-Exponat für die Hannover Messe ist ebenfalls für den Einsatz im Bereich der Erzeugungs anlagen erneuerbarer Energien ent wickelt worden: Das neue Überwa chungsrelais CM sorgt für eine sichere Abschaltung von EEG-Anlagen – etwa im Fall eines Anlagendefekts, eines Netzausfalls oder einer Netzabschal tung – und verhindert auf diese Weise Schäden in den Anlagen oder eine nicht gewollte Einspeisung von Strom in ein abgeschaltetes Netz. Statt einer Abschaltung der Anlage kann auch nur eine Trennung vom allgemeinen Stromnetz erfolgen – um auf diese Wei se, etwa bei Stromausfall im öffent lichen Netz, einen Inselbetrieb mit dem Strom aus Eigenerzeugung sicher zustellen. Von Klaus G. Wertel D ie auch noch im Jahr 2010 deutlichen Spuren der Wirt schaftskrise in den Büchern der ABB Group haben das Tempo der Entwicklungsarbeit des weltweit tä tigen Technologiekonzerns nicht ge bremst: Auf der Hannover Messe 2011 (4. bis 8. April) präsentiert ABB wieder ein Feuerwerk neuer Produkte und Verfahren – Schwerpunkte sind die Energie- und die Automationstechnik. „Die Innovationen von heute sind die Umsätze von morgen“, wird Peter Smits, Vorstandsvorsitzender der ABB AG (Deutschland) und Leiter der „Re gion Zentraleuropa“ der ABB Group, nicht müde zu versichern. Einen Teil dessen, was im deutschen ABB-Entwicklungszentrum Ladenburg und in den Labors anderer ABB-Teil unternehmen in den vergangenen Mo naten zur Serienreife entwickelt und für die Hannover Messe vorbereitet wurde, zeigte die ABB AG vorab bei ei nem Technik-Pressetag in Heidelberg. Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über den dringenden Aus baubedarf in den Netzen der europäi schen Stromfernleitungen wird bei spielsweise ein von ABB in Hannover vorgestelltes „Weltrekordkabel“ für die Hochspanungs-Gleichstrom-Übertra gung (HGÜ) besondere Beachtung fin den: Mit 320 Kilovolt und 800 Mega watt liegen die Spannungs- und Leis tungsdaten des neuen Kabels um rund ein Drittel über den bislang stärksten HGÜ-Verbindungen. Erstmals zum Einsatz kommt das neue Kabel beim Anschluss des rund 80 Kilometer vor der Nordseeküste im Aufbau befind lichen Windparks Borkum West II an das deutsche Hochspannungsnetz. Große Hoffnungen setzt ABB darauf, endlich auch in Mitteleuropa den Durchbruch für die im Konzern seit vielen Jahren zu immer höherer Leis tungsfähigkeit entwickelte, in Asien Doppelter Nutzen und Amerika sowie weltweit bei See kabeln auch längst bewährte HGÜTechnik zu erreichen: „Die Hochspan nungs-Gleichstromtechnik bietet als einzige Übertragungstechnologie die Möglichkeit, den beispielsweise von Windstromanlagen an und vor den Küsten erzeugten Strom verlustarm über weite Entfernungen zu den indus triellen Verbrauchszentren zu bringen“, so begründet Thomas Worzyk, Tech nischer Leiter für HGÜ-Projekte bei ABB Schweden in Karlskrona, die Er „Die Innovationen von heute sind die Umsätze von morgen.“ Peter Smits, Vorstandvorsitzender der ABB AG (Deutschland) wartung, dass der – in Deutschland und anderswo in Europa – dringende Bedarf an zusätzlichen Kapazitäten in der Strom-Fernübertragung auch land seitig zum Bau von HGÜ-Leitungen führen wird. In China und in Südamerika hat ABB mehrere HGÜ-Verbindungen von jeweils mehr als 1 000 Kilometern Län ge installiert. So sind beispielsweise die Kraftwerke des chinesischen DreiSchluchten-Damms per HGÜ-Technik mit Shanghai und anderen Industrie zentren verbunden. Die mit mehr als 500 Kilometern bislang längste HGÜVerbindung in Europa wurde von ABB im Jahr 2010 als Seekabel zwischen Norwegen und Holland verlegt. In Deutschland wurden bisher nur Ver bindungen zwischen Offshore-Wind parks und küstennahen landseitigen Umspannstationen mit dieser Technik verlegt. So hat ABB beispielsweise den derzeit noch im Bau befindlichen Windpark Bard Offshore 1 per HGÜ mit dem Festland „verkabelt“ – mit rund 200 Kilometern die weltweit bis her längste Verbindung eines OffshoreWindparks mit dem landseitigen Hoch spannungsnetz. Auch eine zweite, in Hannover prä sentierte ABB-Neuheit hat mit dem wachsenden Anteil der Erneuerbaren, aber auch mit der starken Schwankun gen unterworfenen Stromerzeugung zu tun: Das Power Converter System PCS 100 soll – teilweise in Verbindung mit Energiespeichern und Hilfsgenerato ren – für eine stabile Spannung im Netz sorgen. Mit Reaktionszeiten von fünf bis zehn Millisekunden genüge PCS 100 auch strengsten Anforderungen empfindlicher Anwendersysteme und den in jüngster Zeit deutlich verschärf ten Auflagen der Netzbetreiber (GridCodes) hinsichtlich der Qualität des von EEG-Anlagen ins Netz eingespeis ten Stroms, versicherte Ralph Hoff mann, bei der ABB Schweiz AG verant wortlich für das Projekt PCS 100. Für den industriellen Einsatz konzi piert ist die PCS-100-Version „AVC“ (Active Voltage Conditioner): Das Sys tem biete, so Hoffmann, „eine extrem schnelle und vollständige Ausregelung von Einbrüchen der Spannung auf bis zu 70 % Restspannung“. Geringere Schwankungen können im Dauer betrieb „kontinuierlich mit 99 % Effi zienz“ ausgeregelt werden. Bei einem längeren oder erheblichen Spannungs abfall soll PCS 100 die Zeit bis zum Hochfahren der Notstromversorgung überbrücken. Das Weltrekordkabel: ABB verlegt derzeit ein Hochsee-Kabel in der Nordsee, bei dem erstmals eine Spannung von 32o Kilovolt erreicht wird. Damit sollen mehrere OffshoreWindparks an das deutsche Stromnetz angeschlossen werden. Fotos: ABB Deutschland Einen zweiten Schwerpunkt der ABBInnovationen 2011 bilden Komponen ten der Automationstechnik. Unter an derem präsentiert das Unternehmen in Hannover eine neue Generation von Durchfluss-Messgeräten mit erweiter ten Diagnosefunktionen – samt der dazu gehörenden Diagnose-Software. Neue Mess- und Analyse-Funktionen des ProcessMaster FEP 500 sind bei spielsweise das Erkennen der Bildung von Belägen innerhalb des Durchfluss systems, die Messung von Gasblasen oder die Feststellung der Veränderung der Leitfähigkeit in der Anlage. Die Software ScanMaster unterstützt die Überwachung und Steuerung der Sys teme, auch die Dokumentation der Messwerte. Cornelia Giebenhain-Wag ner, Projektverantwortliche bei der ABB Automation Products GmbH, sieht in den verbesserten Systemen gleich einen doppelten Nutzen: „Die Erweiterung der Diagnosefunktionen dient sowohl dem Schutz der Anlagen – etwa von Pumpen vor Trocken lauf – als auch der Sicherung einer gleichbleibenden Produktqualität.“ Gleichstrom-K abel Der Vorteil der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung gegenüber Drehstrom-Leitungen liegt vor allem im wesentlich geringeren Transportverlust: Bei herkömmlicher Technik muss man bei einer Strecke von 1 000 Kilometern je nach Spannungsstufe mit 7 % bis 10 % Verlust rechnen – bei Gleichstrom sind dies lediglich 3 % bis 3,5 %. Weitere Pluspunkte: Freileitungen sowie Erd- und Seekabel in Gleichstromtechnik sind einfacher aufgebaut und leichter, deshalb sind sie auch kostengünstiger. Die Wechselstrom-Systeme verlangen mindestens drei leitende Stränge. Bei Gleichstrom sind es nur zwei Stränge, bei Nutzung der Erde als zweitem Pol ist es sogar nur einer. Bei Seekabeln kommt hinzu, dass die Abschirmung von Wechselstromleitungen ungleich aufwendiger und teurer ist als bei Gleichstromkabeln. Adressermittlung mit wenigen Mausklicks SAF Connect | Neue Software nimmt unzustellbaren Poststücken den Schrecken A uf der Messe E-world energy & water, die vom 8. bis zum 10. Februar 2011 in Essen statt fand, wurde am Stand der SAF For derungsmanagement GmbH das neue Produkt SAF Connect für SAP vorge stellt. Entwickelt wurde es gemeinsam mit der Soplex Consult GmbH, die ebenfalls auf dem Stand vertreten war. Die Innovation stieß auf reges Interesse der Fachbesucher, handelt es sich doch um ein neues Softwareprodukt zur Integration des SAF-Service „Adress ermittlung“ in SAP. „Das positive Feed back vieler Fachbesucher auf unser Softwareprodukt hat unsere Erwartun gen übertroffen“, freute sich SoplexGeschäftsführer Wolfgang Donko. Kamen bisher Poststücke als nicht zustellbar zurück, war dies der Alb traum vieler Unternehmen. Denn selbst bei Einsatz neuester SAP-Tech nologie war die Ermittlung der aktuel len Adresse extrem zeit- und kosten aufwendig und band dringend benö tigte Ressourcen. Jede Anfrage bei SAF musste manuell zum Beispiel via Inter net vorgenommen werden. Informa tionen wurden in SAP umständlich nachgepflegt. Alle weiteren Folgepro zesse wie Mahnsperren und Wieder vorlage waren ebenfalls nur von Hand möglich. saf und sople x Die SAF Forderungsmanagement GmbH mit Sitz in Heidelberg wurde 1996 als Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom AG gegründet. Zusammen mit der accumio finance services gmbh aus Hannover bildet sie den SAF Unternehmensverbund, dessen Dienstleistungsangebot Bonitätsprüfungen, Adressermittlungen sowie Inkasso umfasst. Die Soplex Consult GmbH ist ein Systemhaus und Beratungsunternehmen mit Sitz in Berlin. Sie ist Spezialist für das Kredit- und Forderungsmanagement mit SAP und bietet seit zehn Jahren Softwarelösungen für das gesamte Debitorenmanagement an. Die SAP-Add-in-Software schließt eine Lücke, indem der gesamte Prozess der SAF-Adressermittlung direkt in SAP durchgeführt werden kann, denn sie stellt eine Online-Anbindung an die SAF-Datenbank her. Dabei verwaltet SAF Connect die Informationen in SAP, stellt sie übersichtlich dar und ver knüpft die Daten automatisiert mit dem Debitor oder Kreditor. Die Vortei le liegen auf der Hand: Integrierte Auf der langen Suche nach der richtigen Anschrift: Kam im Unternehmen Post als unzustellbar zurück, band die korrekte Adressermittlung bisher viele Ressourcen – selbst beim Einsatz neuester SAP-Technologie. Jetzt gibt es dafür eine Lösung. Workflowfunktionen steuern die Auf gaben für den Sachbearbeiter, Auswer tungen können auf Knopfdruck mit dem SAF Connect Reporting gezogen werden und SAP-Tabellen werden au tomatisch aktualisiert und ergänzt. Damit stellt SAF Connect eine echte Unterstützung für jedes Unternehmen dar: Der manuelle Anteil wird erheb lich reduziert, denn der Nutzer be kommt mit nur wenigen Mausklicks die ermittelte Neuadresse direkt in sein System. Zudem gelingt die Verwaltung von SAF-Informationen durch einfa ches Handling in SAP und nicht zuletzt werden Kosten eingespart. Die Fachbesucher am Stand der SAF würdigten den Nutzen des neuen Pro dukts: „Diese Software ist eine echte Unterstützung. Damit wird der manuel le Aufwand ja erheblich reduziert.“ Ein anderer Messeteilnehmer erklärte: „In unserem Unternehmen beschäftigt sich eine Mitarbeiterin nur mit Adresser mittlungen und allen damit einherge henden Tätigkeiten. Die wird sich über diese Anwendung am meisten freuen.“ 12 Aktienspiegel Die Da x-Wer te Unternehmen Adidas Allianz* BASF* Bayer* Beiersdorf BMW* Commerzbank Daimler* Deutsche Bank* Deutsche Börse* Deutsche Post Deutsche Telekom* E.ON* Fresenius Medical Care Fresenius VZ HeidelbergCement Henkel VZ Infineon K+S Linde Lufthansa MAN Merck Metro Münchener Rück* RWE* SAP* Siemens* ThyssenKrupp Volkswagen VZ Da x vom 2 8 . 02 . letzte Dividende 28.02. 0,35 4,10 1,70 1,50 0,70 0,30 0,00 1,85 0,75 2,10 0,60 0,78 1,50 0,65 – 0,12 0,72 0,10 0,20 1,80 0,00 0,25 1,25 1,18 6,25 3,50 0,60 2,70 0,45 1,66 46,50 104,40 60,26 56,18 43,50 58,78 6,25 51,05 46,58 55,64 13,29 9,75 23,78 47,98 66,11 50,73 43,66 7,93 55,95 110,60 14,82 92,01 65,51 53,00 120,95 48,91 43,72 97,59 30,13 122,90 31.01. 31.12. 30.11. 29.10. 30.09. 7 272 ,32 | 31 . 01 . 7 077, 4 8 31.08. 30.07. 45,49 48,89 48,36 46,87 45,41 40,17 41,56 110,45 88,93 84,50 90,04 82,90 80,94 89,10 56,18 59,70 57,50 52,28 46,26 41,64 44,81 53,86 55,30 55,95 53,62 51,15 48,18 44,12 40,02 41,53 44,73 46,81 44,90 42,19 45,45 56,08 58,85 57,93 51,51 51,44 41,67 41,31 5,57 5,55 5,61 6,48 6,08 6,21 6,94 53,42 50,73 49,87 47,43 46,46 38,36 41,38 43,17 39,10 36,60 41,42 40,15 49,58 53,60 55,36 51,80 46,59 50,56 48,95 48,22 53,72 13,39 12,70 12,35 13,40 13,31 12,91 13,33 9,74 9,66 9,87 10,41 10,04 10,39 10,31 24,35 22,94 22,11 22,50 21,63 22,21 22,90 42,74 43,23 44,47 45,77 45,31 44,68 42,11 0,00 64,07 66,47 64,41 59,24 56,14 54,51 47,73 46,90 41,86 37,59 35,35 31,65 38,65 44,54 46,54 47,25 42,38 39,40 37,10 38,09 7,72 6,96 6,85 5,66 5,08 4,40 5,18 53,99 56,36 51,41 50,01 43,92 41,28 40,74 106,45 113,55 107,60 103,45 95,48 88,90 89,95 15,35 13,36 16,40 15,38 13,49 12,46 12,48 84,44 88,99 90,52 79,00 79,96 67,89 71,23 62,50 59,85 60,14 59,85 61,62 68,54 68,30 51,43 53,88 55,26 50,36 47,75 40,18 42,60 114,40 113,45 107,00 112,35 101,60 100,80 106,30 52,61 49,89 47,96 51,50 49,55 51,68 54,19 42,22 38,10 35,94 37,47 36,29 34,46 35,04 93,63 92,70 84,29 82,08 77,43 71,78 74,79 29,56 30,99 29,42 26,44 23,92 21,60 22,77 118,00 121,40 123,80 108,00 88,53 78,53 81,31 Hoch Tief 35,20 75,82 39,94 43,27 39,67 29,95 5,29 30,74 35,93 46,33 11,01 8,51 20,86 37,53 47,97 30,86 35,69 4,02 35,55 80,27 10,19 52,97 56,85 37,70 98,38 47,65 33,12 98,80 32,32 139,45 63,56 19,68 59,26 * Diese Dax-Werte gehören auch zum Euro Stoxx 50 Warten auf die Kurskorrektur Börse München | Auswirkungen der Libyen-Krise sind unklar von christine bortenlänger* D ie Unruhen in Nordafrika und im arabischen Raum sowie der stark steigende Ölpreis beeinflussten die Aktienmärkte einschneidend. Ein hoher Ölpreis schürt vor allem die Furcht vor Inflation und treibt die Sorge, das sich weltweit abzeichnende Wachstum könnte gebremst werden. Charakteristisch war der Kursverlauf des Dax: Nachdem er bis Mitte Februar noch auf ein Jahreshoch gestiegen war, sank er um fast 350 Punkte oder 4,6 % bis zum Monatsende. Auch die anderen Indizes wie MDax oder SDax zeigten einen ähnlichen Kursverlauf. Die Gründe für die positive Entwicklung in der ersten Monatshälfte lagen vor allem in den stabilen bis guten Konjunkturdaten sowie in den ganz überwiegend ositiv ausgefallenen Unternehmens p zahlen. Wie wird es weitergehen? Die meisten Experten gehen davon aus, dass die Unsicherheit im Nahen Osten zeitlich eher begrenzt sein dürfte, getreu dem Motto, politische Börsen haben kurze Beine. Nicht exakt einzuschätzen ist die hochexplosive Lage in Die Euro Stox x 50-Wer te Unternehmen Air Liquide Alstom Anheuser-Busch ArcelorMittal Axa Banco Bilbao Banco Santander BNP Paribas Carrefour Crédit Agricole CRH Danone Enel Eni France Télécom GdF Suez Generali Iberdrola ING Groep Intesa Sanpaolo L’Oréal LVMH Nokia Philips Repsol Saint-Gobain Sanofi-Aventis Schneider Electric Société Générale Telecom Italia Telefónica Total Unibail-Rodamco Unicredito Italiano Unilever Vinci Vivendi letzte Dividende ibyen. Überdies dürfte die SchuldenL problematik einiger Eurostaaten, insbesondere Griechenlands, ins Blickfeld der Investoren geraten. Korrektur auf den Aktienmärkten „Die meisten Experten gehen davon aus, dass die Unsicherheit im Nahen Osten zeitlich eher begrenzt sein dürfte.“ 28.02. Auch die anstehenden Auktionen französischer, belgischer und vor allem portugiesischer Staatsanleihen werden ziemlich genau beobachtet. Insofern könnte es zu einer weiteren Korrektur auf den Aktienmärkten kommen. Andere sehen den Boden aber bereits erreicht. Aufgrund der insgesamt positiven fundamentalen Daten – Konjunktur, Unternehmensgewinne – warten viele Investoren gerade auf eine solche Kurskorrektur nach unten, um wieder einsteigen zu können. *Christine Bortenlänger ist Geschäftsführerin der Börse München E u ro S t ox x 5 0 vom 2 8 . 02 . 31.01. 31.12. 30.11. 29.10. 30.09. 3 013 ,09 | 31 . 01 . 2 953 ,63 31.08. 30.07. 2,35 93,81 91,23 95,75 90,20 92,94 89,79 82,06 86,37 1,24 43,22 40,77 36,00 31,74 36,26 37,61 37,64 40,16 0,38 40,42 40,42 43,24 41,93 45,04 42,30 41,05 40,64 0,19 26,63 26,61 28,51 24,29 23,10 25,32 23,03 23,39 0,69 15,22 15,46 12,55 11,06 13,08 12,79 12,27 14,15 0,09 8,95 8,97 7,56 7,08 9,45 10,01 9,52 10,34 0,23 8,94 8,95 7,93 7,30 9,23 9,67 9,25 9,97 1,50 56,58 54,60 48,34 45,60 52,55 53,92 49,37 52,71 1,08 35,58 35,79 31,70 34,86 38,78 40,02 35,83 35,33 0,45 12,72 10,79 9,61 9,44 11,78 11,25 9,95 10,51 0,19 16,45 15,64 15,50 13,41 12,31 12,80 12,28 16,03 1,30 45,43 43,99 47,74 45,13 45,48 43,25 42,41 43,04 0,10 4,32 4,14 3,76 3,64 4,11 3,87 3,75 3,77 0,50 17,67 17,36 16,31 15,60 16,20 16,10 15,67 15,69 0,60 16,03 15,96 15,72 15,60 17,27 16,21 16,04 16,07 0,83 29,38 28,98 27,30 25,55 28,68 25,32 24,44 25,49 0,35 16,37 15,98 14,18 13,54 15,78 14,71 14,24 15,46 0,14 6,32 6,26 5,78 5,30 6,06 5,62 5,56 5,42 0,00 9,09 8,32 7,26 6,80 7,67 7,67 7,02 7,38 0,08 2,44 2,44 2,03 2,01 2,53 2,40 2,21 2,54 1,80 84,24 84,80 84,41 81,93 84,36 82,67 78,50 80,52 1,40 114,25 114,05 123,25 116,85 112,60 100,85 91,77 93,62 0,40 6,28 7,82 7,75 7,12 7,76 7,62 6,75 7,10 0,75 23,66 22,77 22,94 20,79 21,73 22,93 22,11 23,91 0,53 24,33 22,98 20,98 18,58 19,93 18,59 18,02 18,11 1,00 43,33 42,32 39,02 34,52 33,56 31,63 29,04 32,67 2,40 50,00 49,88 48,66 46,58 50,18 50,13 45,27 44,57 2,05 119,90 113,90 114,15 108,15 102,00 92,51 83,69 88,50 1,75 50,95 47,23 40,85 35,71 43,03 44,00 40,18 44,24 0,05 1,13 1,04 0,97 0,95 1,10 1,03 1,07 0,98 0,65 18,40 18,35 16,99 16,39 19,40 17,95 17,50 17,42 1,14 44,41 42,72 40,05 37,32 39,05 37,86 36,87 38,71 0,95 145,70 139,40 147,05 133,95 149,70 160,65 148,80 151,40 0,03 1,86 1,82 1,56 1,50 1,87 1,92 1,86 2,15 0,21 21,86 21,61 23,58 21,73 21,31 21,40 21,14 22,58 0,52 43,62 42,29 41,10 37,30 38,38 36,86 34,63 37,15 1,40 20,66 20,94 20,47 18,80 20,50 19,80 18,41 18,45 Die MDa x-Wer te Hoch Tief (52 Wochen) 99,15 50,73 46,33 33,68 17,60 10,95 10,88 59,93 41,28 13,78 22,00 48,50 4,36 18,66 17,92 30,05 18,25 6,58 9,32 73,27 30,78 35,06 20,26 10,88 6,87 7,11 40,81 30,85 7,87 11,51 39,35 3,42 14,30 14,01 22,64 13,31 4,50 5,34 2,99 90,00 129,05 11,82 27,01 24,74 43,87 57,45 120,00 52,70 1,15 19,69 44,63 167,00 2,30 24,11 44,98 22,07 1,88 70,90 78,26 6,14 20,58 15,31 27,81 44,01 73,95 29,71 0,88 14,67 35,66 119,85 1,46 20,68 33,01 16,81 2011 M Da x vom 2 8 . 02 . 10 293 ,83 | 31 . 01 . 10 139,89 letzte Dividende 28.02. 31.01. 31.12. 30.11. 29.10. 30.09. 31.08. 30.07. Aareal Bank Aurubis BayWa Bilfinger Berger Boss, Hugo VZ Brenntag Celesio Continental 0,00 1,00 0,50 2,50 0,97 – 0,50 0,00 25,28 38,57 32,50 60,76 54,40 75,75 20,05 61,25 22,45 41,12 33,10 64,53 51,46 69,22 18,45 57,50 22,80 44,18 35,04 63,20 56,50 76,30 18,60 59,14 20,15 37,28 32,61 56,08 45,20 67,90 18,10 59,81 17,55 36,96 30,05 52,33 47,61 67,35 17,13 62,42 16,32 34,96 30,23 50,56 42,59 61,00 15,96 57,01 14,54 31,35 29,13 47,05 33,95 60,07 16,00 47,70 16,00 34,88 28,00 43,81 34,20 58,50 17,92 48,95 25,68 46,84 35,06 65,62 58,44 77,60 25,76 68,53 12,57 30,85 26,26 40,75 25,01 48,12 15,69 33,10 Demag Cranes Deutsche EuroShop 0,60 1,05 0,00 1,10 0,00 0,20 2,40 1,25 1,70 0,10 0,40 0,50 0,10 0,40 2,10 0,00 1,50 0,00 0,00 0,00 0,00 0,50 0,00 1,10 0,10 0,02 1,80 3,50 0,30 0,30 0,25 0,00 0,00 4,40 0,55 0,45 0,50 0,35 0,00 2,00 1,20 1,70 34,88 27,33 10,89 39,46 20,85 23,91 64,71 51,62 101,00 8,59 22,40 32,14 16,02 32,98 42,19 3,55 71,39 6,89 39,48 23,55 48,14 53,90 30,35 48,32 8,79 23,45 215,50 153,90 58,75 15,95 60,16 27,02 2,99 188,10 28,99 19,90 19,02 18,21 9,50 93,15 133,70 60,72 35,63 27,50 9,98 39,39 21,12 23,35 66,27 51,42 100,15 7,35 20,83 30,20 15,62 32,30 40,86 3,48 64,65 7,15 36,80 23,37 47,32 53,09 31,34 51,43 7,45 22,44 228,40 149,30 62,54 17,00 59,10 27,64 2,76 116,10 27,19 19,49 20,68 18,44 10,06 90,12 132,00 55,77 36,28 28,98 10,50 42,00 18,05 26,50 71,14 47,16 110,90 6,71 21,63 32,99 16,70 34,55 40,14 3,69 63,54 6,45 34,88 21,01 46,95 59,10 32,95 50,61 7,96 22,50 248,00 165,40 60,17 16,47 57,77 27,02 1,69 122,00 25,38 19,93 20,53 19,73 10,50 95,50 130,60 61,01 35,35 25,67 9,37 42,02 17,23 23,16 68,00 45,25 101,45 5,95 18,52 28,20 14,97 30,92 35,91 3,43 57,05 5,89 35,88 19,36 41,39 54,27 28,81 44,90 6,99 20,41 228,95 155,95 49,72 16,19 49,57 26,64 1,65 108,00 24,47 16,47 19,42 18,30 8,12 87,00 132,00 56,94 35,90 28,14 24,10 27,40 27,56 26,00 23,36 23,57 8,69 8,73 7,68 7,50 40,10 36,83 33,86 34,60 18,90 18,32 17,29 18,07 23,95 23,47 20,36 20,63 72,55 68,42 65,06 60,63 45,58 44,61 41,02 39,82 96,46 85,03 77,64 78,06 6,31 5,84 5,65 6,25 18,79 18,34 16,39 17,37 28,43 29,35 27,35 28,04 12,87 10,71 9,62 10,63 31,46 28,55 27,61 28,03 36,35 33,74 35,01 36,74 3,31 3,51 6,12 7,53 62,25 63,52 52,21 49,75 5,47 5,32 5,17 5,33 32,36 29,10 25,00 24,20 15,90 16,51 15,47 15,89 39,83 43,67 42,58 43,50 50,00 40,19 34,56 36,85 26,17 24,88 20,67 22,97 43,40 41,93 43,90 44,56 6,82 6,20 6,08 6,07 18,99 17,43 14,17 13,44 238,90 242,00 214,20 224,25 160,60 155,40 142,95 125,80 51,76 48,50 43,68 45,93 16,80 16,19 17,31 17,50 51,59 47,52 47,89 51,28 26,75 25,42 24,52 26,62 1,17 1,03 0,97 1,41 106,86 96,96 92,00 92,00 22,10 21,06 24,10 24,92 17,00 16,41 14,39 14,81 21,83 20,39 19,50 19,10 17,49 16,25 14,53 15,33 8,39 8,98 7,96 8,08 83,70 78,09 78,77 76,86 148,25 135,35 119,70 123,15 52,56 47,83 45,87 43,31 39,38 29,00 11,57 43,36 22,30 27,70 73,40 54,45 112,75 8,99 23,32 34,15 17,55 35,81 43,49 5,51 70,66 7,97 40,80 25,65 49,28 59,90 35,50 56,60 8,83 25,12 267,10 174,45 66,90 19,85 71,25 29,94 3,31 125,75 32,49 21,19 22,64 20,76 11,05 100,35 150,75 63,45 22,68 21,24 6,03 32,62 13,06 16,83 5254 33,96 62,61 5,06 13,63 22,01 7,45 23,44 30,63 2,87 45,09 4,65 19,89 13,51 36,01 27,26 13,51 37,05 5,19 10,33 206,20 106,00 41,79 15,25 45,77 20,30 0,81 77,58 20,60 13,90 15,45 12,63 6,67 65,75 88,80 42,83 Unternehmen (52 Wochen) 51,55 108,85 61,88 59,17 49,36 65,49 7,37 59,09 55,25 62,48 14,18 10,64 28,93 48,89 67,88 54,00 48,59 8,32 85,85 115,50 17,93 97,85 72,53 85,71 126,00 68,34 45,05 März WirtschaftsKurier Deutsche Wohnen Douglas Holding EADS ElringKlinger Fielmann Fraport Fuchs Petrolub VZ Gagfah Gea Group Gerresheimer Gildemeister Hamburger Hafen Hannover Rück Heidelberger Druck Hochtief IVG Immobilien Kabel Deutschland Klöckner & Co. Krones VZ Lanxess Leoni MTU Aero Engines Praktiker Bau- u. H. ProSiebenSat.1 VZ Puma Rational Rheinmetall VZ Rhön-Klinikum VZ Salzgitter SGL Carbon Sky Deutschland Springer, Axel Stada Arzneimittel Südzucker Symrise Tognum Tui Vossloh Wacker Chemie Wincor Nixdorf Die SDa x-Wer te Unternehmen Air Berlin Alstria Office Reit Amadeus Fire Balda Bauer Bertrandt Biotest C.A.T. OIL Centrotec Sust. Cewe Color Colonia Real Estate Comdirect Bank Constantin Medien CTS Eventim Delticom Dt. Beteiligungs AG Deutz DIC Asset Dürr Elexis Gerry Weber Gesco GfK Grammer GrenkeLeasing H & R Wasag Hawesko Holding Highlight Comm. Homag Group Hornbach Holding Indus Holding Jungheinrich VZ Koenig & Bauer Kuka KWS Saat Medion MLP MVV Energie Patrizia Immo. Pfleiderer SAF Holland Sixt SKW Stahl-Metal. Ströer Media TAG Immobilien Takkt Tipp 24 Tom Tailor VTG Wacker Neuson SDa x vom 2 8 . 02 . letzte Dividende 28.02. 31.01. 31.12. 30.11. 29.10. 30.09. Hoch Tief (52 Wochen) 5 235 , 49 | 31 . 01 . 5 148,24 31.08. 30.07. – 3,39 3,49 3,71 3,68 3,40 2,99 3,33 3,60 0,50 11,10 10,30 10,50 9,71 10,01 10,19 8,52 8,88 1,45 34,83 33,35 28,99 27,50 27,50 25,47 21,74 22,63 0,00 8,39 7,29 6,90 6,16 6,32 4,98 3,60 3,42 0,60 35,52 37,20 35,30 30,65 33,15 30,05 31,92 31,52 1,20 53,36 52,81 5,11 44,90 46,55 43,52 37,44 33,75 0,40 46,00 44,25 46,34 40,53 37,64 33,90 30,00 28,50 0,30 7,31 7,98 7,57 6,75 6,47 6,66 6,86 7,03 0,00 19,70 19,85 16,00 15,23 16,92 14,24 14,02 13,75 1,05 33,25 33,20 33,35 33,80 31,00 27,23 26,25 24,50 0,00 5,68 5,57 5,58 5,48 4,72 4,20 4,07 4,29 0,41 8,12 8,20 7,20 7,10 7,18 6,55 6,83 7,00 0,00 2,00 1,65 1,75 1,69 1,61 1,60 1,61 1,63 0,83 45,61 46,80 46,22 44,15 40,56 37,98 34,88 39,18 1,70 63,79 60,70 66,50 58,00 57,30 49,57 43,25 39,15 1,40 20,70 20,80 21,00 21,73 20,79 18,80 17,60 17,38 0,00 5,95 6,11 6,25 5,55 6,20 5,39 4,72 4,73 0,30 10,35 8,96 8,34 7,37 7,54 7,32 6,25 6,26 0,30 24,92 24,11 23,87 20,88 21,80 22,88 20,35 21,20 0,17 13,80 13,05 13,23 12,83 11,98 11,49 11,90 11,54 1,10 39,90 35,17 36,75 34,77 34,62 30,06 24,77 24,55 1,30 59,44 55,15 52,41 51,70 44,50 41,70 43,40 43,90 0,30 35,92 37,79 37,60 31,81 30,34 31,33 30,00 28,61 0,00 17,36 16,65 18,30 16,82 18,79 16,70 14,22 14,40 0,70 40,15 39,50 37,99 37,30 38,25 36,00 36,25 34,90 0,45 19,93 20,49 21,05 19,92 21,38 17,25 18,14 19,51 1,35 32,88 34,70 29,42 30,30 28,50 28,50 27,95 28,00 0,17 4,85 4,44 4,19 3,90 3,75 3,97 4,10 3,85 0,00 16,00 15,73 16,60 16,33 15,48 13,05 13,33 13,70 1,34 105,05 98,00 99,50 88,78 78,80 72,29 69,14 73,03 0,50 21,95 21,88 21,99 21,26 19,15 19,11 16,93 16,87 0,12 29,05 27,48 29,58 25,98 27,22 24,55 21,94 22,40 0,00 16,92 17,06 17,50 14,04 14,40 12,71 13,73 14,65 0,00 17,00 17,35 16,60 13,77 15,04 14,00 12,48 11,94 1,90 143,70 142,45 145,35 136,45 128,80 120,70 125,00 120,50 0,20 12,10 12,20 13,50 10,92 11,25 10,30 9,18 9,28 0,30 7,28 7,80 7,60 7,39 7,62 7,48 7,30 8,03 0,90 27,29 27,01 28,01 27,00 29,12 29,00 31,00 31,10 0,00 5,88 4,93 3,84 3,65 3,66 3,24 3,13 3,07 0,00 1,47 1,72 2,44 2,02 3,65 3,87 4,22 4,69 0,00 9,10 6,87 6,14 5,50 5,57 5,84 5,67 6,05 0,20 32,45 32,96 37,99 33,10 27,90 27,01 23,35 20,32 0,00 19,40 19,21 20,35 17,95 17,45 15,18 14,76 15,62 – 24,57 26,23 26,74 24,50 23,60 21,75 19,85 19,50 0,00 7,05 6,45 6,36 5,85 6,02 5,33 4,75 4,58 0,32 11,16 11,65 10,80 9,80 9,69 9,56 8,66 8,78 0,00 29,13 32,08 28,59 26,83 28,92 27,10 23,00 23,60 – 14,00 14,58 16,00 15,00 15,25 11,75 11,90 11,00 0,30 16,60 14,60 15,00 13,80 14,08 13,25 12,45 12,30 0,00 12,60 12,29 13,00 11,70 13,00 10,06 9,50 11,40 Hoch Tief (52 Wochen) 4,44 11,23 36,33 8,34 40,00 59,94 48,50 8,58 21,45 35,80 5,98 8,50 2,11 48,90 69,00 23,78 6,67 10,61 27,30 14,74 2,90 6,92 15,61 2,02 27,17 21,05 26,90 5,70 11,21 23,28 3,61 6,40 150 33,75 27,20 15,22 3,45 5,30 15,50 8,62 39,30 61,94 41,15 19,70 42,00 22,89 35,50 5,02 18,27 111,50 24,39 30,97 19,99 18,45 152,00 15,17 8,25 33,35 5,92 5,84 9,50 39,20 21,29 27,46 7,19 11,87 33,24 17,14 16,06 13,77 23,22 35,90 25,17 5,71 28,80 14,00 23,50 3,53 10,91 60,00 12,17 14,80 11,33 9,87 114,00 7,99 6,20 22,66 2,62 1,27 1,97 18,25 14,35 18,80 4,02 7,40 19,62 10,38 10,60 8,25 März Finanzen & Börse 2011 WirtschaftsKurier 13 EU bläst zum Appell Everybody’s Darling Betongold Teures Halbwissen landesbanken | Was bisher aus vielen Gründen nicht funktionierte, erzwingt jetzt Brüssel: die Neuordnung der Landesbanken-Landschaft. Seite 14 derivate | Die Aufklärungsarbeit der vergange nen Jahre scheint Früchte zu tragen: Der DerivateSeite 15 Markt befindet sich im Aufwind. Anleger wollen vom Aufwärtstrend am deutschen Wohnimmobilienmarkt profitieren – doch die Seite 16 Anlage hat so ihre Tücken. Einmal Bauherr zu sein ist für viele ein Traum. Doch gerade bei der Finanzierung gibt es einige Stolpersteine, die es zu überwinden gilt. Seite 16 Das Inflations-Gespenst spukt durch Europa Teuerungsrate | EZB bleibt gelassen ein Problem. Zudem würden höhere Leitzinsen die Banken in der Eurozone belasten, von denen einige noch immer unter der Finanzkrise leiden und am Liquiditätstropf der EZB hängen. von dieter w. heumann D ie Überraschung war perfekt: Noch Ende vergangenen Jahres hatte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet betont, die Preise in der Eurozone würden nur moderat ansteigen. Bereits im Januar 2011 gab das europäische Statistikamt Eurostat die Teuerungsrate innerhalb der Währungsgemeinschaft für den Monat Dezember mit 2,2 % bekannt. Für Januar wird die jährliche Inflationsrate des Euroraums sogar auf 2,4 % geschätzt. Somit war erstmals seit 2008 die Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) mit „bis zu 2 %“ Preissteigerung wieder überschritten worden. Trichet bewertet die Aussichten zwar noch immer als „weitgehend ausgeglichen“, räumt jedoch ein, dass der EZB-Rat die Gefahr sehe, dass das Risiko einer zu hohen Inflation steige. Als wesentliche Preistreiber wurden die Rohstoffe identifiziert. Für Energieprodukte und Nahrungsmittel musste zum Teil tiefer in die Tasche gegriffen werden. So erreichte das Fass Erdöl der Sorte Brent Ende Februar Notierungen über 110 US-Dollar. Unter den Agrar erzeugnissen verteuerten sich Weizen und Soja um gut 40 % und für Mais mussten gar um 70 % mehr als vor Jahresfrist gezahlt werden. Der Baumwollpreis hat sich verdoppelt. Euroländer: gleiche Probleme – aber unterschiedliche Inflationsraten Zwar haben alle Euroländer mit den gleichen Problemen zu kämpfen, jedoch gibt es im Euroraum eine recht starke Streuung der nationalen Infla tionsraten. Dabei weisen gerade die Krisenländer Griechenland und Spanien – obwohl sie eine Rezession oder Mittelfristig bleiben die Preise stabil nur ein schwaches gesamtwirtschaft liches Wachstum aufweisen – mit 4,7 % beziehungsweise 1,8 % vergleichsweise hohe durchschnittliche jährliche Inflationsraten auf. Laut EZB sind dort insbesondere hohe Umsatzsteuern sowie andere Gebühren und Abgaben die Treiber. Das dürfte sich in Zukunft aber ändern: Sollte die Sparpolitik tatsächlich greifen und die Wirtschaft weiter drosseln, dann könnte der Trend in diesen Ländern möglicherweise eher Richtung Deflation gehen. In Deutschland, dessen Wirtschaft geradezu boomt, hat sich die Inflation binnen Jahresfrist kontinuierlich erhöht und liegt mittlerweile bei 2 %. Ökonomen erwarten, dass die Teuerungsraten 2011 und 2012 über dem Durchschnitt im Euroland liegen werden. Die teils kräftig gestiegenen Rohstoffpreise schlagen sich auf die deutschen Verbraucherpreise nieder, was Die Inflationstreiber: Kraftstoffe für Verkehrsmittel, flüssige Brennstoffe, Gemüse, Gas, Tabak sowie Schmuck und Uhren hatten 2010 den größten Einfluss auf die durchschnittliche jährliche Inflationsrate im Euroraum. Grafik: Wiku „In den nächsten Monaten könnte die Inflationsrate weiter steigen, bevor sie zum Jahresende hin sinkt.“ Jean-Claude Trichet, EZB-Präsident den Wandel des wirtschaftlichen Umfelds hierzulande widerspiegelt. Neben der importierten Inflation wird aber auch der hausgemachte Teil der Preissteigerung zunehmen: So sehen die Ökonomen in Deutschland – anders als in den Randländern der Eurozone – wieder mehr Spielraum für Lohnerhöhungen. Sinkende Arbeits losenzahlen und einsetzender Fachkräftemangel haben bereits mehrere Unternehmen bewogen, Sonderzahlungen zu gewähren und Lohnerhöhungen vorzuziehen. Zudem sind erste Miet- und Hauspreissteigerungen zu beobachten, da sich die Einkommenssituation der privaten Haushalte zunehmend verbessert. Der eindeutig aufwärtsgerichtete Preistrend wäre ein Fall für die EZB, zumal die Inflationsschwelle überschritten ist und es zu ihrer Aufgabe gehört, die Geldwertstabilität zu wah- ren. Aber die Notenbank demonstriert Gelassenheit. Sie sieht die Stabilitätsvorgabe nicht als kurzfristig zu erreichendes Ziel an. Mittelfristig aber erwartet die Zentralbank, dass sich die Inflation bereits wieder beruhigt hat. Doch sicher ist das aus heutiger Sicht nicht. Und daher ist zu fragen: Steckt die EZB – auch mittelfristig – nicht in einem Dilemma und wird sie dann in der Lage sein, „liefern“ zu können? Schließlich verlaufen im Euroraum die wirtschaftlichen Entwicklungen sehr unterschiedlich: Während die Konjunktur im Norden brummt, weisen die hochverschuldeten südlichen Staaten kein oder nur ein schwaches Wirtschaftswachstum auf. Eine restriktive Geldpolitik würde die Wirtschaft in den Problemländern zusätzlich belasten. Da die Geldpolitik der EZB nicht individuell auf die nationalen Erfordernisse eingehen kann, hat die Notenbank Sicherlich wird entscheidend sein, ob es sich bei der deutlichen Inflationszunahme um eine Eintagsfliege handelt oder ob die Teuerung kontinuierlich weiter aufwärtsstreben wird. „In den nächsten Monaten könnte die Infla tionsrate weiter steigen, bevor sie zum Jahresende hin sinkt“, ist Trichet überzeugt. Deshalb seien auf mittlere Sicht stabile Preise gewährleistet. Gern bemüht Trichet die Vergangenheit, um die erfolgreiche Arbeit der EZB in Sachen Inflation darzustellen: Seit Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung betrage die durchschnittliche Inflationsrate in der Eurozone 1,97 %, verkündet er stolz. Damit treffe die Notenbank exakt ihr Ziel. Der Euro sei – selbst in einer Zeit großer Verschuldungsprobleme bei einzelnen Europartnern – stabiler als jede einzelne seiner Vorgängerwährungen. In den 90er-Jahren habe die Inflation in Deutschland bei 2,2 %, in den 80ern bei 2,8 % und davor sogar noch höher gelegen. Es bestehen Zweifel, ob sich die niedrigen Inflationsraten der Vergangenheit in die Zukunft hochrechnen lassen. Vor allem lassen die preisbremsenden Wirkungen aus Schwellenländern – wie das Beispiel China zeigt – spürbar nach. Und bei den nur schwer zu ersetzenden Rohstoffen verknappen sich die Ressourcen rasant, seit sich so große Länder wie China und Indien – auf dem Weg zur Industrienation – in die Schlange der hungrigen Nachfrager eingereiht haben. Jede Niederlage ist die Chance für einen neuen Sieg Berenberg Bank | Die Krise hat für Europa nicht nur schlechte Seiten von constanze meindl D ie Krise hat die Welt aus der Bahn geworfen. Es passierten Dinge, die eher Stoff für einen spannenden Hollywood-Streifen mit Weltuntergangscharakter geliefert hätten – dass sie Realität werden könnten, hat sich wohl kaum jemand vorgestellt: Über Jahrzehnte gewachsene Finanzinstitute mussten vom Staat gerettet werden – oder gar zusperren –, Aber tausende von Privatanlegern auf der ganzen Welt verloren binnen Sekunden ihr Erspartes und ganze Länder standen – oder stehen – vor dem Ruin. Doch was man bei all den Negativschlagzeilen der letzten Monate gern vergisst: Die Krise ist auch eine Chance. Eine Chance für marode Länder, ihre wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen auf neue, solide Säulen zu stellen. Eine Chance, alte Strukturen zu identifizieren und aufzubrechen. Eine Chance, künftigen Generationen ein solches Debakel zu ersparen. Einer, der die Krise als solche Chance begreift, ist der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding. Wer ändere schließlich schon in guten Jahren seine schlechten Gewohnheiten? Er glaube nicht an Horrorszena rien wie etwa ein Auseinanderbrechen der Währung in einen starken Nordund einen schwachen Süd-Euro: „Eine Zersplitterung ist völliger Unsinn. Es gibt keinen wirtschaftlichen Grund, den Euro zu spalten“, betonte Schmieding. Vielmehr sieht er die Eurozone gestärkt aus der Krise hervorgehen – vorausgesetzt der bisher eingeschlagene Weg wird weitergegangen. Die harten Reformen, die Deutschland in den Jahren 2003 bis 2007 durchgeführt hat – Maßnahmen, die sich auch in der Finanzkrise als stabil erwiesen –, haben Good Old Germany auf stabile Füße gestellt. Jedoch müsse Deutschland darauf achten – um den heimischen Steuerzahler nicht noch mehr mit ausländischen Problemen zu belasten –, dass die Peripherieländer einen ähnlich tief greifenden Wandel in der Arbeits- und Sozialpolitik voll zögen. Die Anstrengungen der vergangenen Monate zeigten, dass sich die Schuldenländer „auf einem guten Weg“ befänden, meinte Schmieding. Würden die eingeschlagenen Bemühungen beibehalten, bestünden gute Chancen, dass die angesammelten Schulden künftig bedient werden könnten. Wichtig sei aber, dass die starken Länder den schwachen Nationen weiterhin Hilfe zur Selbsthilfe gewähren, sonst bestünde die Gefahr weiterer Staatspleiten. Griechenland braucht vor allem eines: Zeit Dies gilt wohl insbesondere für Griechenland, dessen bisherige Bemühungen, aus dem Schuldensumpf herauszukommen, von Schmieding positiv bewertet werden. Sicherlich sei es eine offene Frage, ob das Land das Problem lösen könnte. Doch sei es wichtig, den Griechen Zeit zu geben, denn nun Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, prophezeit Deutschland ein goldenes Jahrzehnt. Foto: berenberg habe das Land die fast einmalige Möglichkeit, sich zu reformieren. Sicherlich sei Widerstand aus der Bevölkerung da, dennoch wollen die Menschen, dass sich etwas ändert: Die Demons trationen in Griechenland seien nicht größer gewesen als bei der Hartz-4Thematik hierzulande, sagte der Berenberg-Volkswirt. Neben Hellas gehört auch Portugal zu den Sorgenkindern. Dies sei ein Land, das traditionell nicht so starke Wachstumsraten aufweise. Doch sieht Schmieding hier kein wirkliches Pro blem aufkeimen, das der Eurozone nachhaltig schaden könnte. Die Strukturreformen, die das Land anpackt, um beispielsweise den Staatssektor zu ent- schlacken, seien der richtige Weg, damit es weiter bergauf gehe. Irland habe eigentlich „nur“ ein Bankenproblem. Der Berenberg-Volkswirt sieht beste Möglichkeiten, dass die grüne Insel schnell wieder auf den Wachstumspfad zurückfindet. Die steigenden Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe schlagen sich jedoch noch nicht in einem Aufschwung nieder, da die Probleme der Baubranche immer noch negativ auf das Gesamt ergebnis wirken. Schon in ein bis zwei Quartalen werde die irische Wirtschaft – ausgehend von einem niedrigen Niveau – wachsen. Hilfe von außen brauche der keltische Tiger eigentlich keine mehr, so Schmieding. Entgegen der Annahme, Spanien habe mit einem Ausfuhrproblem zu kämpfen, sei das hohe Defizit des Landes eher dadurch zustande gekommen, dass es in den Boomjahren zu viele Waren eingeführt hat, analysierte der Experte. Der jetzt eingeschlagene Sparkurs verschärfe das Importpro blem noch weiter – von heraufbeschwo renen Wettbewerbsnachteilen aber keine Spur. Beim BIP-pro-Kopf-Wachstum haben die Spanier in den ver gangenen Jahren spürbar gegenüber Deutschland aufgeholt. Wenn Spanien nun dem straffen deutschen Reformbeispiel folgen würde, sieht der Berenberg-Chefvolkswirt Chancen, dass das Königreich seine Aufholjagd in etwa zwei bis drei Jahren wieder aufnehmen kann. Deutschland prognostiziert Schmieding ein goldenes Jahrzehnt – allerdings auch das letzte seiner Art. Seinen Optimismus begründet er vor allem auf zwei Aspekte. Deutschland habe endlich seinen Arbeitsmarkt im Griff – die angestoßenen Reformen zeigen Wirkung. Die Arbeitslosenzahlen sind gesunken, was auch dem Niedriglohnsektor zu verdanken sei. Früher habe es einfach weniger Jobs in diesen Gehaltskategorien gegeben. Nach vier Jahrzehnten, in denen die (west)deutschen Arbeitslosenzahlen mit jedem Zyklus gestiegen sind, geht der Trend nun endlich in eine andere Richtung. Außerdem habe ein Jahrzehnt der Lohnzurückhaltung die Industrie spürbar entlastet. Deutschland sei ein her- vorragender Produktionsstandort und Standortflucht eigentlich kein Thema mehr. Der Lohn der Mühen: zehn Jahre lang mehr Wachstum, weniger Arbeitslose, solide Staatsfinanzen und größerer Spielraum für die Verbraucher. Deutschland kann endlich den bisher ziemlich eng geschnallten Gürtel lockern, durchatmen und die Früchte der harten Arbeit genießen – bis das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlägt ... Zinswende Ab September dieses Jahres, prognostiziert Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, wird die Europäische Zentralbank sukzessive damit beginnen, die Zinsen wieder anzuheben. „Ein Viertel Prozentpunkt alle Vierteljahre“, glaubt Schmieding, „bis der Leitzins im Jahr 2013 wieder bei 3 % angelangt ist.“ Im historischen Vergleich niedrig, vom jetzigen Startpunkt aus ein hohes Niveau. Die Federal Reserve werde der europäischen Zinsentwicklung folgen. 14 Landesbanken Finanzen & Börse März 2011 WirtschaftsKurier Brüssel bläst zum Appell Neuordnung | Die EU erzwingt die Suche nach Lösungen von klaus g. wertel W as in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder an mangelnder Einsicht, regionalpolitischem Stolz, Sitzfragen und anderen Egoismen scheiterte, das geschieht jetzt unter erheblichem Zeitdruck und unter massivem Zwang der EU-Kommission: eine Neuordnung der in der Finanzmarktkrise in Not geratenen Teile der deutschen Landesbanken-Landschaft. Der Mitte Februar in Brüssel eingereichte Plan für eine Zerlegung der WestLB – einst das Flaggschiff der Landesbanken – ist dabei die spektakulärste, aber nicht die einzige Rosskur. Auch bei der BayernLB, der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und der HSH Nordbank sind schmerzhafte Operationen bereits in vollem Gang. Die Suche nach trag fähigen Geschäftsmodellen, geeigneten Fusionspartnern und Käufern für Teilbereiche bleibt schwierig. Diplomatischer im Ton, aber in der Sache nicht weniger konsequent als seine Vorgängerin Neelie Kroes nutzt EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia die „beihilferechtlichen Genehmigungsverfahren“ in Zusammenhang mit den diversen Staatshilfen für deutsche Landesbanken zu drastischen Auflagen: Bilanzsummen müssen massiv reduziert, Beteiligungen verkauft, ganze Geschäftsbereiche aufgegeben werden. Falls diese Auflagen nicht fristgerecht erfüllt werden sollten, könnte die EU-Kommission „ungerechtfertigte Subventionen“ feststellen und die Rückzahlung der Staats hilfen sowie eine Rücknahme von Bürgschaften anordnen. Besonders hart hat die Krise die Düsseldorfer WestLB getroffen. Der Kommentar EU-Brechstange Die Krise hat die Notwendigkeit von Reformen und weiteren Zusammenschlüssen bei den deutschen Landesbanken nicht ausgelöst – aber: Das Platzen der Blase hat schonungslos die schon zuvor vorhandenen Schwächen eines Teils der Landesbanken aufgedeckt. Eines Teils, denn diejenigen, die sich auf Kundengeschäfte und Zentralbankfunktionen konzentriert und nicht jeden Unfug der Finanzmärkte mitgemacht haben, sind vergleichsweise gut durch die Krise gekommen. Dass die EU-Kommission das europäische Beihilferecht jetzt als Brechstange einsetzt, um die Landesban ken klein zu machen, verwundert nicht. Brüssel hat den Sinn des deutschen Drei-Säulen-Modells nie wirklich verstanden. Besonders die Landesbanken waren der EU-Kommission schon immer suspekt. Was die Kommission den Landesbanken jetzt auferlegt, ist teilweise mehr Brandrodung als Flurberei nigung. Welche Logik hat zum Beispiel der diktierte Ausstieg aus risikolosen, stets gewinnbringenden Beteiligungen – etwa an Bausparkassen oder der Sparkassenversicherung? Wem ist geholfen, wenn eine Landesbank ihre Unternehmenskunden nicht mehr ins Ausland begleiten kann, weil die EUKommission auf einer Amputation der Auslandsfilialen besteht? Dringend zu wünschen ist, dass bei den notwendigen oder auch nicht mehr zu vermeidenden Reformen die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt: Zuerst müssen die von der Krise gebeutelten Landesbanken ihre Hausaufgaben erledigen, Altlasten regeln und zu tragfähigen Geschäftsmodellen finden. Erst danach können diese Institute auch einen sinnvollen Beitrag in Form von Zusammenschlüssen oder auch von Funktionen leisten. Fußkranken gemeinsames Marschieren zu befehlen hat noch nie geholfen. kw Bund, das Land Nordrhein-Westfalen und die Sparkassen des Landes haben das Überleben der Bank mit vielen Milliarden Euro an frischem Kapital und Bürgschaften für erhebliche Ausfall risiken gesichert. Besonders hart sind in diesem Sanierungsfall auch die Auflagen aus Brüssel ausgefallen: Die bislang hälftig vom Land Nordrhein-Westfalen und den dortigen Sparkassen getragene WestLB müsse bis Ende 2011 „mehrheitlich in neues Eigentum überführt“ oder – alternativ – „mit anderen Instituten auf der Basis eines tragfähigen Geschäftsmodells verschmolzen werden“, so die Weisung aus Brüssel. Bis zum 15. Februar, 24 Uhr, musste ein entsprechendes Konzept bei EU-Kommissar Almunia eingereicht werden. Zerstückelung der WestLB wahrscheinlich die einzige Lösung Die Post aus Düsseldorf traf gerade mal eine Stunde vor Fristablauf in Brüssel ein – und enthielt gleich drei verschiedene Varianten einer Sanierung der WestLB. Der Grund: Der Bund, das Land und die Sparkassen konnten sich nicht auf ein Konzept einigen. Bei Licht betrachtet, bietet freilich nur eine der drei Varianten – die Zerlegung der WestLB in drei Teile – eine realistische Chance, das Institut im Sinne des EUBeihilferechts zu sanieren. Im Kern sieht dieses „Aufspaltungsmodell“ die Überführung der von der WestLB wahrgenommenen Funktionen einer Zentralbank für die nordrhein-westfälischen Sparkassen in eine Verbundbank vor. Träger dieser neuen Bank wären dann nur noch die Sparkassen. Gemessen an der Bilanzsumme, hätte diese Verbundbank mit jährlich 50 Mrd. bis 70 Mrd. Euro nur noch etwa ein Viertel des Geschäftsvolumens der bisherigen WestLB. Von den derzeit rund 5 000 Mitarbeitern würden voraussichtlich nur etwa 1 000 in die Verbundbank übernommen. In einen zweiten Bereich sollen all jene „werthaltigen Geschäftsbereiche“ der WestLB verlagert werden, die nicht für die Sparkassen-Zentralbank-Funktion gebraucht werden, für die aber die Chance eines Verkaufs an andere Institute oder Investoren besteht: Als Beispiele werden das Auslandsgeschäft samt dem verbliebenen Netzwerk an Auslandsniederlassungen, die Immobilien- und die Unternehmensfinanzierung sowie eine Reihe von Servicefunktionen genannt. Diese Bereiche könnten zunächst als „Teilbetriebe“ weitergeführt und dann – in Gänze oder in Teilen – an kompetente Institute veräußert werden. In einem dritten Bereich würden die Geschäftsbereiche gebündelt, die weder in die neue Verbundbank passen noch verkäuflich sind. Nach Bilanzsumme wäre dies wahrscheinlich der größte Bereich. Diese Geschäftsbereiche sollen dann in die bereits 2009 unter dem Dach der WestLB gebildete „Bad Bank“ ausgelagert und „abgewickelt“ werden. Die Träger der WestLB, also das Land und die Sparkassen, wären verpflichtet, für die betroffenen Mitarbeiter gemeinsam einen Sozialplan zu vereinbaren und zu finan zieren. In dieser ersten deutschen Bad Bank hat die WestLB derzeit nicht verkäufliche Forderungen und Zerti fikate im Nennwert von 77 Mrd. Euro geparkt – abgesichert durch 16 Mrd. Euro Bürgschaften des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen. Käufer: Fehlanzeige So bitter das „Aufspaltungsmodell“ auch ist – die beiden anderen, als Alter nativen bei EU-Kommissar Almunia eingereichten Sanierungskonzepte erscheinen wenig realistisch und werden deshalb auch kaum genehmigungsfähig sein. Für das „Verkaufsmodell“ – also die Veräußerung der kompletten WestLB oder deren Fusion mit einer anderen Bank – fehlen bislang die nötigen Interessenten. Im November 2010 waren Verhandlungen zwischen der BayernLB und der WestLB ergebnislos abgebrochen worden. Die Bayern, die die Reißleine gezogen haben, nannten noch neun l andesbank en LBBW Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) ist das größte deutsche Institut. Bedingt durch ihre Entstehungsgeschichte in mehreren Fusionsschritten, ist die LBBW nicht nur Zentralinstitut der Sparkassen, sondern verfügt auch über eine breite Kundenbasis – insbesondere bei Privat- und Mittelstandskunden. Die Baden-Württembergische Bank ist ebenso eine 100%ige Tochter, wie die Landesbank Rheinland-Pfalz. Die 2008 im Wege eines Notverkaufs erworbene SachsenLB wurde auf die LBBW verschmolzen. 40,5 % der LBBW-Anteile halten die baden-württembergischen Sparkassen, ebenfalls 40,5 % besitzt das Land, die restlichen 19 % hält die Stadt Stuttgart. BayernLB Die BayernLB folgt auf Platz zwei. Unter dem Eindruck der Erfahrungen der jüngsten Finanzmarktkrise arbeitet die BayernLB an der Umsetzung eines neuen Geschäftsmodells: Neben dem Kerngeschäft einer Zentralbank der bayerischen Sparkassen sieht sich die BayernLB jetzt vor allem auch als Bank für Unternehmens- und Privatkunden. Die BayernLB ist mit einem Anteil von 49,9 % Miteignerin der SaarLB. Der Freistaat Bayern besitzt 94 % der Anteile, der Sparkassenverband Bayern die übrigen 6 %. WestLB Die Nummer 3 unter den Landesbanken, die WestLB, wurde durch die Folgen der Finanzmarktkrise besonders hart getroffen. Gegenwärtig suchen das Land Nordrhein-Westfalen und die Sparkassen des Landes nach einer zumindest teilweisen Rettung der Bank. Aktionäre der WestLB sind die beiden Sparkassenverbände Rheinland und Westfalen-Lippe mit jeweils 25 %, die mehrheitlich dem Land Nordrhein-Westfalen gehörende NRW.Bank mit 30,86 %, das Land NRW direkt mit 17,76 % sowie die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe mit je 0,7 %. Nord/LB Die Nord/LB ist die Zentralbank der Sparkassen in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Daneben ist die Nord/LB im Firmen- und auch im Privatkundengeschäft sowie bei Projektfinanzierungen (Schiffe, Flugzeuge und anderes) tätig. Mit einer Beteiligung von 92,5 % führt die Nord/LB die Bremer Landesbank als Tochterunternehmen. Hauptanteilseigner der Nord/LB sind das Land Niedersachsen mit 41,75 % und der dortige Sparkassenverband mit 37,25 %. Weitere Eigentümer sind Sachsen-Anhalt (8,25 %) sowie die Sparkassen-Organisationen in Sachsen-Anhalt (7,53 %) und MecklenburgVorpommern (5,22 %). HSH Nordbank Die HSH Nordbank AG – 2003 aus einer Fusion der Hamburgischen Landesbank und der Landesbank Schleswig-Holstein entstanden – ist als Geschäftsbank im Inland überwiegend in Hamburg und Schleswig-Holstein tätig, gilt darüber hinaus aber auch als international erfolgreiche Schifffahrtsbank. Der HSH Finanzfonds AöR, eine gemeinsame Anstalt von Hamburg und Schleswig-Holstein, hält mit 59,9 % den größten Anteil. Die Hansestadt selbst hält direkt weitere 12,4 %, Schleswig-Holstein 11,0 %. Der dortige Sparkassenverband ist mit 6,1 % beteiligt. Neun private Investorengruppen – geführt von dem US-Investor J. C. Flowers & Co. – halten insgesamt 10,7 % der Aktien. Helaba Die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) ist vor allem als Zentralbank der Sparkassen in Hessen und Thüringen tätig. Darüber hinaus betreut die Helaba Unternehmenskunden im Inund Ausland. Mit dem Erwerb der Sparkasse Frankfurt im Jahr 2005 wurde die Helaba auch zur regionalen Universalbank für Privat- und Mittelstandskunden. Der Sparkassenverband Hessen-Thüringen hält 85 % der Anteile, das Land Hessen 10 % und der Freistaat Thüringen 5 %. LBB Zur Landesbank Berlin AG (LBB) gehört vor allem auch die Berliner Sparkasse. Regionale Schwerpunkte der Privat- und Geschäftskundentätigkeit sind Berlin und Brandenburg. Nach dem Verkauf der Anteile des Landes Berlin hält der Deutsche Sparkassen- und Giroverband 98,7 % der Anteile an der Landesbank Berlin Holding AG. Die übrigen 1,3 % sind im Streubesitz. Bremer LB Die Bremer Landesbank ist als Zentralbank der Sparkassen und als Geschäftsbank im Raum Bremen-Oldenburg tätig. Die Nord/LB hält 92,5 % der Anteile der Bremer Landesbank, das Land Bremen 7,5 %. SaarLB Die Landesbank Saar AG ist Deutschlands kleinstes Institut. Die Aktien des Zentralinstituts der saarländischen Sparkassen werden zu 49,9 % von der BayernLB gehalten. 14,9 % der Landesbank Saar gehören dem Sparkassenverband Saar, 35,2 % dem Saarland. die WestLB – wenig kollegial – eine „Bank in Abwicklung“. Die „chinesische Großbank“, die angeblich die WestLB kaufen und als Brückenkopf im europäischen Markt nutzen wollte, hat entweder kalte Füße bekommen – oder nie real existiert. Das dritte Modell, genannt „Redimensionierungs-Konzept“, sieht eine Schrumpfkur für die WestLB vor: Sämtliche Geschäftsfelder sollen reduziert werden, die Bilanzsumme um ein Drittel sinken. Es ist kaum anzunehmen, dass sich die EU-Kommission auf einen solchen Pauschalvorschlag einlassen wird. Wettbewerbskommissar Almunia nannte in einer ersten Reak tion die Einreichung von gleich drei alternativen Konzepten „ungewöhnlich“, versprach eine „sorgfältige Prüfung“ und kündigte eine „Entscheidung bis zum Sommer 2011“ an. LBBW auf gutem Kurs Vergleichsweise geräuscharm arbeitet die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) die vor Jahresfrist von der EUKommission verfügten Auflagen in Zusammenhang mit einer auch vom Land Baden-Württemberg mitfinanzierten Kapitalerhöhung von 5 Mrd. Euro und von Landesbürgschaften für Risiko papiere im Volumen von 12,7 Mrd. Euro ab: Ihr verlustreiches Kreditersatzgeschäft in der Größenordnung von ehedem knapp 100 Mrd. Euro hat die LBBW schon fast auf die Hälfte abgebaut. Der von der EU verlangte Abbau von Betei ligungen kommt voran: Der Verkauf des 15 %-Anteils der LBBW an der Sparkas senzentralbank DekaBank an die Sparkassen ist vereinbart. Auch die LBBWAnteile an der Landesbausparkasse Baden-Württemberg und an der SV Sparkassenversicherung werden wohl in der Sparkassenfamilie bleiben. Trennen muss sich die LBBW noch von ihrem Immobilienbestand und dem Geschäftsbereich Baufinanzierungen – Angebote von Käufern liegen bereits vor. Wehgetan hat die – von der EU- Kommission verlangte – Ausdünnung des Auslandsfilialnetzes: Für die vielen exportorientierten Unternehmenskunden, die die LBBW bislang auch im Ausland betreuen konnte, hat die LBBW durch diesen Rückbau an „Hausbankqualität“ verloren. Ein wirklich neues Geschäftsmodell braucht die LBBW nicht: Dank der Integration der früheren Landesgirokasse Stuttgart und der Baden-Württembergischen Bank in die Landesbank Baden-Württemberg betreut die LBBW direkt und über ihre Tochter BW-Bank mehr als eine Million Privat- und Unternehmenskunden. Ein im Herbst 2010 unternommener vorsichtiger Vorstoß des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus in Richtung einer Fu sion der LBBW mit der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) stieß in Frankfurt und bei der Wiesbadener Landesregierung auf höflich verpackte Ablehnung. Dank einer soliden Kundenbasis und dank des Verzichts auf riskante Kreditersatzgeschäfte kam die Helaba ziemlich ungerupft durch die jüngste Krise. An einer Fusion mit der noch lange nicht zu Ende sanierten LBBW – auch 2010 verfehlte die größte deutsche Landesbank nochmals die „schwarze Null“ – kann die Helaba also kein Interesse haben. Von ihrer Struktur her würden LBBW und Helaba gut zueinander passen: Auch die Helaba wurde mit dem Erwerb der Sparkasse Frankfurt im Jahr 2005 zur regionalen Universalbank für Privat- und Mittelstandskunden. Außerdem betreibt die Helaba mit der direkt1822 eine Internet-Direktbank. Ringen zwischen München und Brüssel Das EU-Beihilfe-Genehmigungsverfahren für die Staatshilfen an die BayernLB schwebt noch: Über Auflagen und Sanierungskonzepte wird seit fast einem Jahr zwischen Brüssel und München diskutiert, auch hart gerungen. Die überraschend schnelle und deutliche Rückkehr der in den Vorjahren arg gebeutelten zweitgrößten deutschen Landesbank in die schwarzen Zahlen stärkt jetzt aber die Position der Bayern: Einen Konzerngewinn von rund 800 Mio. Euro kann der BayernLB-Vorstandsvorsitzende Gerd Häusler für 2010 melden – nach einem Verlust von 2,8 Mrd. Euro im Jahr 2009 in der Tat eine gute Nachricht. Häusler wertet die gelungene Umkehr der Ergebnisentwicklung auch als Bestätigung für die Richtigkeit des neuen Geschäftsmodells der BayernLB als „Mittelstands- und Privatkundenbank in Bayern und darüber hinaus“. Das operative Ergebnis des Vorjahrs stamme „nahezu vollständig aus den jenigen Geschäftsbereichen, die in der neuen BayernLB für das Kerngeschäft der Zukunft stehen“, so der seit April 2010 die BayernLB führende Vorstandsvorsitzende Häusler in einer Bewertung des Geschäftsjahrs 2010. Dass das neue Geschäftsmodell nicht nur auf dem Papier steht, belegen jüngste Aktivitäten der Bank: Mit der Online-Tochter Deutsche Kreditbank (DKB) wirbt die BayernLB bundesweit um Kunden – 2 Mio. sollen bereits durch besonders günstige Konditionen gewonnen worden sein. Auch das Filialnetz der BayernLB wächst wieder: Inzwischen ist die Bank sogar in Düsseldorf, also am Sitz des verschmähten Fusionspartner-Kandidaten WestLB, vertreten. HSH Nordbank: Warten auf Brüssel Auch bei der HSH Nordbank steckt das EU-Beihilfe-Genehmigungsverfahren noch im Stadium der Sondierungen. Aber die in der Krise mit 3 Mrd. Euro staatlicher Hilfe Schleswig-Holsteins „Wir tragen uns mit dem Gedanken, 2011 einen signifikanten Teil der 10-Mrd.-Euro-Garantie zurückzuführen.“ Martin van Gemmeren, Vorstandsmitglied HSH Nordbank und Hamburgs sowie mit weiteren 10 Mrd. Euro an Bürgschaften gestützte Bank will – unabhängig vom Fortgang des Brüsseler Genehmigungsverfahrens – noch in diesem Jahr beginnen, die staatlichen Hilfen zurückzugeben. Geld fließen wird dabei wohl vorerst nicht – beginnen soll die „Entschuldung“ mit den Bürgschaften: „Wir tragen uns mit dem Gedanken, 2011 einen signifikanten Teil der 10-Mrd.-Euro-Garantie zurückzuführen“, so HSHVorstandsmitglied Martin van Gemmeren. Bei der Sanierung mache die Bank „gute Fortschritte“. Eine Einigung mit Brüssel über mögliche Auflagen sei noch im Frühjahr 2011 zu erwarten. Mit einer weitergehenden Flurbereinigung der Landesbanken-Landschaft wird es 2011 wohl nichts werden. „Erst müssen wir unsere Hausaufgaben machen – dann sehen wir weiter, was passt und was nicht“, so wirbt etwa Peter Schneider, Präsident des badenwürttembergischen Sparkassenverbands, dafür, die laufenden Sanierungsanstrengungen nicht auch noch durch Fusionsdebatten zu belasten. Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) Heinrich Haasis – er kämpft seit mindestens fünf Jahren, bislang vergebens, für eine Zusammenführung der neun Institute auf eine oder zwei Landesbanken – will dagegen den Reform- und Fusionsdruck nicht wieder zurücknehmen: „Das Thema bleibt auf der Tagesordnung.“ Bereits 2009 hatte sich der DSGV in einem „Eckpunkte-Papier“ für eine strikte Beschränkung der Geschäfte der Landesbanken auf reale Kundengeschäfte und auf ZentralbankFunktionen sowie für Fusionen der acht Institute auf höchstens noch drei Landesbanken „bis Ende 2011“ ausgesprochen. März Finanzen & Börse 2011 WirtschaftsKurier Derivate 15 Everybody’s Darling Deutsche Bank | Rund zwei Jahre nach der Finanzkrise stehen Zertifikate in der Gunst der Anleger wieder weit oben Von Stefan Armbruster* D ie gewaltige Aufklärungsarbeit der vergangenen Jahre bei den Anlegern scheint Früchte getragen zu haben. Die Zertifikatebranche ist gestärkt aus der Krise zurück gekehrt. Gerade hat der Deutsche Derivate Verband (DDV) eine deutliche Zunahme des Derivatevolumens im Jahr 2010 auf wieder rund 109 Mrd. Euro festgestellt. Der Verband gibt sich zuversichtlich, dass sich das Wachstum auch im aktuellen Jahr fortsetzen wird. Es sind die Einfachheit, die schnelle Emissionstätigkeit, die geringen Kosten und nicht zuletzt das zurückgekehrte Vertrauen in die Märkte, das Investoren wieder verstärkt zu Zertifikaten greifen lässt. Aber auch eine immer größere Transparenz, viele Vorträge und direkte Gespräche auf Anlegermessen in ganz Deutschland sowie zahlreiche Publikationen wie unser kostenloses Monatsmagazin „X-press“ (siehe www.xmarkets.de) brachten der Branche einen Großteil des Vertrauens zurück. Es scheint, als ob die meisten Anleger begriffen hätten, dass es sich bei Zertifikaten um seriöse Produkte handelt, mit denen sich bei richtiger Anwendung in jeder Marktsituation Geld verdienen lässt. Zertifikate können grob zwischen klassischen Anlagen (Aktien und Anleihen) einerseits und riskanteren Investitionsmöglichkeiten wie Optionsscheinen andererseits angesiedelt werden. Ob sich ein Zertifikat dann mehr der einen oder der anderen Anlageform annähert, hängt von der Ausgestaltung des individuellen Produkts ab. Somit ist es möglich, zahlreiche Risikoprofile von sicherheitsorientiert bis hin zu spekulativ abzudecken. Derzeit ist zu beobachten, dass die Mehrzahl der Anleger vorsichtiger ge- worden ist. Sicherheit steht jetzt in der Gunst ganz oben, was sich letztendlich auch in der Rangliste „Produktkate gorien nach Marktvolumen“ des DDV (siehe www.derivateverband.de) ablesen lässt. Gleichzeitig wird deutlich stärker auf die Wahl der Bank geachtet. Denn das sogenannte Emittentenrisiko ist für die allermeisten Anleger nun kein Fremdwort mehr. Gefragt sind in erster Linie aktuelle Produkte mit einem minimalen Risiko, am besten mit Kapitalschutz. Diese Kapitalschutz-Zertifikate wie etwa das Euro-Stoxx-50-(Kurs-)-Zertifikat (WKN: DB0 SMR) bieten dem Anleger zum Ende der Laufzeit eine Rückzah- lung eines vorher festgelegten Betrags. In dem aufgeführten Fall ist es mindestens der Nennbetrag von 100 Euro. Als weitere große Gruppe rangieren IndexProdukte in der Beliebtheitsskala ganz vorn. Ein Beispiel: Ein Index-Zertifikat auf den Dax (WKN: 709 335) bildet einfach eins zu eins das bedeutendste deutsche Börsenbarometer, den Dax, ab. Steigt dieser um 10 %, steigt auch der Wert des Zertifikats um 10 %. Ebenso gilt es allerdings auch in die umgekehrte Richtung. Den gleichen Produkttyp gibt es auf viele weitere nationale und internationale Indizes. Ein kleiner Nachteil für den Neu-Zertifikate-Anleger ist dabei, dass er bei Index- Zertifikaten nur wenig über die Möglichkeiten von Zertifikaten erfährt, da sich kaum etwas gegenüber seinen sonstigen Anlagen ändert: Wenn der Markt steigt, gewinnt er. Fällt der Markt, verliert er. Aber er hat den Vorteil, dass er direkt den gesamten Index erwirbt und somit diversifiziert investiert. Die Zertifikate-Branche befindet sich wieder im Aufschwung und bietet für jeden Anlagetyp das passende Investment. Vorteile bei stagnierenden Kursen Ihre Vorteile richtig ausspielen können aber vor allem Zertifikate-Typen wie Diskont-Zertifikate. Die Diskont-Strategie lohnt sich vor allem bei stagnierenden oder leicht fallenden Aktienmärkten. Aber auch bei steigenden Kursen fährt der Anleger oft besser als mit einem Direktkauf von Aktien. Die Funktionsweise von Diskont-Zertifikaten ist schnell erklärt: Anleger kaufen das Zertifikat günstiger ein, als die Aktie an der Börse notiert. Kaum zu glauben, können das nicht nur 10 % oder 20 % sein, nein – es gibt Diskonter mit weit über 30 % Rabatt. Aufgrund des günstigen Einstiegs ist allerdings der Gewinn begrenzt. Diese Begrenzung nennt sich Cap und steht von vornherein fest. Am Laufzeitende gibt es, falls die Aktie auf oder über diesem Cap steht, genau diesen ausbezahlt. Die feine Sache ist der Diskont, denn damit hat der Anleger einen gewissen „Puffer“ nach unten. Wer beispielsweise das Diskont-Zertifikat auf Daimler (WKN: DB7 WWU) erwirbt, bezahlt für das Zertifikat 34,44 Euro statt 54,24 Euro für die Aktie. Er kommt damit im Gegenzug für den Verzicht der Dividende und einer Gewinnbegrenzung in den Genuss eines Rabattes von 36,69 %. Sollte die Aktie am Laufzeit ende, dem 18. Juni 2012, auf oder über dem Cap von 38 Euro stehen, gibt es die Höchstrendite in Höhe von 10,34 % über die gesamte Laufzeit berechnet. Der Aktionär ist nur bessergestellt, falls die Aktie 59,85 Euro übersteigen sollte. Der aktuelle Erfolg von Zertifikaten für Privatanleger spricht für sich. Nicht umsonst sind Zertifikate mittlerweile längst zum deutschen Exportschlager geworden. „Zertifikate made in Germany“ sind ein „Modell für Europa“ geworden. Fast überall können Anleger sie nun von Süd- bis Osteuropa kaufen. Und wer einmal festgestellt hat, welche Vorteile Zertifikate bieten, wird sie nicht mehr missen wollen. *Stefan Armbruster ist Leiter von X-markets, dem Zertifikate-Segment der Deutschen Bank Anlagechancen mit Turbo Den Aufschwung vergolden Société Générale | Devisenrisiken – absichern oder spekulieren WestLB | Zertifikate für Optimisten und Pessimisten back wie befürchtet einen Schwächeanfall, ist der Anleger durch den gleichzeitigen Wertgewinn des Optionsscheins vor Währungsverlusten geschützt. Tritt das Szenario nicht ein, geht nur die vergleichsweise niedrige Optionsprämie verloren. Von Sebastian Bleser* D ie Dollar-Bombe tickt“, „Rating agentur sieht Euro-Krise“ – solche und ähnliche Schlagzeilen prägten in den vergangenen Wochen die Wirtschaftsnachrichten und viele Beobachter fragten sich: Was ist eigentlich los an den Devisenmärkten? Mittlerweile unverkennbar ist das Bemühen von einigen Länder wie den USA, Japan und Brasilien, die eigene Währung abzuwerten, um die Exporte zu verbilligen und die Binnenkonjunktur anzukurbeln. Europa steht vor der Herausforderung, die Staatsfinanzen einiger Mitgliedsstaaten in den Griff zu bekommen. Allerdings: Wenn einzelne Währungen an Wert verlieren, müssen der ökonomischen Logik zufolge andere relativ an Wert gewinnen. Dies könnte der Euro sein, der traditionell stabile Schweizer Franken oder die Währungen der rohstoffreichen Staaten Norwegen und Australien. Wahrscheinlich ist, dass die Bewegungen an den Devisenmärkten in Zukunft eher zunehmen werden. Die genaue Richtung und die Höhe der Ausschläge können freilich auch Profis nicht mit Sicherheit vorhersagen. Zu komplex ist das Wechselspiel zwischen den globalen Handelsströmen, politischen Entscheidungen und dem globale Zinstrend – Faktoren, die allesamt in die Preisbildung an den Devisenmärkten hineinspielen. Viele Konzerne haben sich mit Termingeschäften abgesichert Etliche deutsche Konzerne haben auf diese Situation bereits reagiert und ihre Engagements in Übersee mit Devisentermingeschäften abgesichert. Für kleinere Unternehmen und Privatanleger kommen solche Transaktionen wegen der hohen Mindestanlagebeträge Starke Verluste oder hohe Gewinne Sebastian Bleser geht davon aus, dass die Turbulenzen an den Märkten zunehmen werden. Foto: S. Générale kaum infrage. Deswegen müssen sie den Bewegungen an den Devisenmärkten jedoch nicht tatenlos zusehen. Währungsoptionsscheine und OpenEnd-Turbos bieten die Möglichkeit, auch kleinere Währungsinvestments beispielsweise bei Aktien- oder Rohstoffanlagen kostengünstig abzusi chern oder aber gezielt auf Wert schwankungen zwischen zwei Währungen zu spekulieren. Beispiel: Ein deutscher Anleger investiert 10 000 Euro in US-Aktien. Da er das Währungsrisiko nicht tragen möchte, plant er, die Position auf dem Niveau des aktuellen Wechselkurses (1,35 US-Dollar für einen Euro) abzusichern. Dazu kauft er einen Call-Optionsschein mit einem Basispreis von 1,35 US-Dollar. Dieser kostete mit einer Laufzeit bis Dezember 2011 zuletzt umgerechnet circa 0,07 US-Dollar; dieser Kaufpreis ist in etwa vergleichbar mit einer Ver sicherungsprämie. Erleidet der Green- Eine überlegenswerte Alternative sind auch Open-End-Turbos, deren Anlagechancen ebenso wie bei Optionsscheinen in einem starken Hebeleffekt liegen. Selbst bei kleineren Wechselkursveränderungen sind auf diese Weise hohe Gewinne möglich, umgekehrt allerdings auch genauso starke Verluste, wenn sich der Wechselkurs entgegen der erwarteten Richtung entwickelt. Im Unterschied zu Optionsscheinen sind Turbos nicht mit einer festen Laufzeit ausgestattet. Dadurch entfällt die für Laien oftmals nur schwer nachvollziehbare Preisfindung aus innerem Wert, Zeitwert und Optionswert. Turbos gibt es sowohl in einer Long-Variante, die auf steigende Kurse setzt, als auch in einer Short-Variante, mit der Anleger auf sinkende Kurse spekulieren können. Jeder Turbo verfügt über eine Stop-Loss-Schwelle, bei deren Unter- beziehungsweise Überschreiten das Papier „ausgestoppt“ wird. Auf diese Weise wird verhindert, dass der Wert bei einer gegenläufigen Kursentwicklung ins Negative rutscht, sodass das Verlustrisiko auf den Kapitaleinsatz beschränkt ist. Turbozertifikate ermöglichen es, auf einfache Weise von Währungsschwankungen zu profitieren. Der Anleger sollte sich aber zuvor eine klare Marktmeinung gebildet und die Produkte verstanden haben. *Sebastian Bleser ist Zertifikate-Experte bei der Société Générale Von Frank Haak* D as Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschlands wuchs 2010 um 3,6 %. Grund dafür ist vor allem, dass 2010 gerade die Exporte von einem sehr niedrigen Niveau ausgehend rasant zunahmen und sich positiv auf die Wirtschaftsleistung auswirkten. Auch die Auslastung der Produktionskapazitäten normalisierte sich im vergangenen Jahr, daher wird die deutsche Industrie 2011 vermutlich kräftig investieren. Gleichzeitig begann 2010 auch die Erholung auf dem Arbeitsmarkt, die sich über den Jahreswechsel hinaus weiter fortsetzte. Steigende Beschäftigung und zunehmende Arbeitszeit werden sich 2011 voraussichtlich positiv auf die Höhe der Einkommen der deutschen Privathaushalte auswirken. Nach Meinung der Experten der WestLB dürfte der private Konsum daher im laufenden Jahr um 1,5 % zunehmen und den Aufschwung stützen. Dank des relativ schwachen Euro und einer sich in den Vereinigten Staaten erholenden Wirtschaft bleiben die Exportchancen gut. Die Experten der WestLB erwarten daher für 2011 eine Steigerung des BIP der Bundesrepublik Deutschland in Höhe von 2,8 %. Für den Dax sehen sie ein Zwischenziel von bis zu 8 400 Punkten und beim Euro Stoxx 50 von gut 3 000 Punkten. Das Jahresendziel liegt für den Dax bei 7 600 Punkten und für den Euro Stoxx 50 bei 2 900 Punkten. Seit vergangenem Herbst wurden Aktien zunehmend zur favorisierten Assetklasse. Der Trend dürfte sich in diesem Jahr verstärken. Besonders Aktien mit sicheren Dividendenzahlungen stehen dabei im Vordergrund, weil sie attraktive Chancen bieten. Nach Ansicht der Analysten der WestLB werden die Dividendenzahlungen in die- sem Jahr eher noch zulegen. Im Vergleich zum Vorjahr rechnen sie für die im Dax gelisteten Unternehmen mit einem Anstieg der Ausschüttungen an die Anteilseigner um 5,4 Mrd. Euro auf insgesamt 25,3 Mrd. Euro in diesem Jahr. Dies kommt einer Steigerung von rund 27 % und einer erwarteten Dividendenrendite von durchschnittlich 3,3 % gleich. Der Grund: Bei steigenden Unternehmensgewinnen erfolgen Anpassungen bei den Dividendenzahlungen erst mit einigen Monaten Verzögerung. Mit Aktieninvestments ließen sich in „Mit Aktieninvestments ließen sich in den vergangenen Jahren – mit Ausnahme von 2008 – dank langfristig kontinuierlich gestiegener Aktienmärkte hohe Renditen erzielen.“ den vergangenen Jahren – mit Ausnahme zum Beispiel vom Jahr 2008 – dank langfristig kontinuierlich gestiegener Aktienmärkte hohe Renditen erzielen. Die zwischenzeitlich sehr hohe Volatilität führte jedoch bei vielen Investoren zu Verunsicherung. Mit Zertifikaten können Anleger in steigenden, aber auch in seitwärts tendierenden oder gar fallenden Märkten Gewinne erwirtschaften. So bieten viele Zertifikate zum Beispiel einen partiellen oder vollständigen Kapitalschutz oder Mindestrenditen. Einige Zertifikatetypen können indes auch als Renditeturbo eingesetzt werden. Für Börsenoptimisten, die ähnlich wie die Experten der WestLB in den nächsten Monaten einen weiter steigenden Euro Stoxx 50 erwarten, eignen sich Outperformance-Zertifikate mit kurzen Laufzeiten. Mit diesen Papieren partizipieren Anleger an der positiven Entwicklung des Index, und dies überproportional mit einem Faktor von zum Beispiel 1,8. Das heißt, dass jeder Prozentpunkt, den der Euro Stoxx 50 zulegt, Anlegern eine Rendite von 1,8 Prozentpunkten beschert. Anleger, die weiter an die Exportstärke der deutschen Unternehmen glauben, können zum Beispiel in das Deutsche-Weltmeister-Active-Zertifikat (WLB8XZ) investieren. Mit diesem Papier partizipieren Anleger eins zu eins an der Wertentwicklung von zehn anfänglich gleich gewichteten Aktien deutscher Unternehmen, die Weltmarktführer in ihrer jeweiligen Sparte sind. Daraus ergibt sich ein Portfolio, das diversifiziert ist über unterschiedliche Branchen, Regionen und Börsensegmente. Als Alternative bieten sich für eher pessimistisch eingestellte Anleger Capped-Bonus-Zertifikate an. Die se Produkte, etwa die WKN WLZ2MR, verfügen zwar über keinen Kapitalschutz, jedoch über große Sicherheitspuffer zum Schutz vor Kursrücksetzern. Gleichzeitig partizipieren Anleger bei Kursanstiegen jedoch nur bis zum Bonuslevel (Cap). Bereits diese kleine Auswahl aus dem großen Anlage-Universum der Zertifikate zeigt, dass Zertifikate durch ihre flexiblen Ausgestaltungsmöglichkeiten nicht nur für jeden Anlegertyp, sondern auch für jede Marktlage das passende Produkt bereithalten. *Frank Haak ist Direktor bei der WestLB 16 Finanzen & Börse März 2011 WirtschaftsKurier Gute Aussichten für „Betongold“ Immobilienanlagen | Der Wohnungsmarkt zeigt moderaten Aufwärtstrend des Anleiheinvestments in einem Wertpapier und schützt vor dem Total verlust. Gegenüber Anlageformen wie Fest- oder Tagesgeld, Staatsanleihen oder Pfandbriefen ist sie höher verzinst und in der Regel börsenhandelbar, wodurch der Anleger in seiner Liquidität flexibel bleibt. Im Vergleich zu Aktien zeichnet sich das Wertpapier durch eine konstante Kursentwicklung mit geringer Volatilität aus. von Pino Sergio* D er deutsche Immobilienmarkt hat in den vergangenen Monaten gezeigt, welche Wachstumspotenziale – gerade im Wohnbereich – in ihm stecken: Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland sind einer Umfrage des Verbands deutscher Pfandbriefbanken zufolge Ende 2010 so stark gestiegen wie seit rund zwei Jahren nicht mehr. Selbst genutzte Eigenheime und Eigentumswohnungen kosteten im vierten Quartal 2010 1,5 % mehr als vor Jahresfrist. Vor dem Hintergrund der günstigen Entwicklung des Arbeitsmarkts wird auch für 2011 ein weiterer moderater Preisanstieg erwartet. Seit vielen Jahren entwickelt sich der deutsche Wohnungsmarkt stabil und ist im Vergleich zu vielen anderen Ländern frei von Übertreibungen. Nicht nur die Kaufpreise, auch die Wohnungsmieten stiegen: Nach der letzten Quartalserhebung der Marktforschungsgesellschaft empirica sind in jedem dritten Kreis die Mieten in den vergangenen fünf Jahren stärker ge stiegen als der Preisindex der Lebens haltung. Immobilien gelten daher als beliebter Inflationsschutz. Weitere derzeit boomende Immobilienkategorien in Deutschland sind zudem Einzelhandelsimmobilien und Hotels der Businessklasse. Doch wie können Kapitalanleger mittel- bis langfristig von dieser Entwicklung profitieren? Wo liegen Chancen und Risiken der verschiedenen Immobilieninvestitionen? Klar ist: Investments in Immobilien – direkt oder indirekt – haben ihre Tücken. Vor allem Investments in offene Immobilienfonds, die jahrzehntelang als sicherer Hafen für Anleger galten, hatten durch Schließungen der Anteilsrückgabe zuletzt stark eingebüßt. Neues Gesetz – alte Probleme? Das nun im Februar im Bundestag verabschiedete neue Anlegerschutzgesetz tritt erst 2012 in Kraft und muss noch den Bundesrat passieren. Vorgesehen ist demnach eine zweijährige Mindesthaltefrist für neue Anleger. Pro Halbjahr dürfen Privatanleger aber Anteile bis zu einer Höhe von 30 000 Euro zurückgeben. Akute Probleme einiger großer Fonds und ihrer Anleger sind damit nicht gelöst: 22 Mrd. Euro in acht Investitionen in Hotels Bilderbuch-Idyll: Die Preise für Wohn immobilien werden wohl auch im Jahr 2011 weiter steigen – davon können die Anleger profitieren. Doch Immobilieninvestments haben so ihre Tücken. großen Immobilienfonds sind derzeit eingefroren und Anleger kommen nicht an ihre Gelder. Weitere drei Fonds mit einem Volumen von etwa 3 Mrd. Euro befinden sich bereits nach zweijähriger Schließung in Abwicklung. Vielen Emittenten wird zu schaffen machen, dass die Fremdfinanzierungsquote der Fonds ab 2014 nicht mehr höher als 30 % sein wird. Zwangsweise werden alternative immobilienbasierte Anlageprodukte dadurch wichtiger. Im Gegensatz zu den offenen stehen die geschlossenen Immobilienfonds deutlich besser da. Sie berücksichtigen derzeit mehr das Sicherheitsverlangen der Deutschen und erfreuen den Anleger mit Ausschüttungen von zum Teil bis zu 6 %. Das börsenunabhängige Immobilienanlagemodell punktet vor allem mit relativ niedrigem Kapitaleinsatz (ab 5 000 Euro), überschaubarem Risiko und hoher Rendite. Der Nachteil: Das Geld ist in der Regel langfristig angelegt und der Anlagehorizont beträgt meist zehn, 20 oder gar 30 Jahre. Doch auch hier ist der Gesetzgeber nicht untätig und plant weitere Einschränkungen vor allem in steuerrechtlicher Sicht. Positiv zu bewerten in diesem Zusammenhang: Eine neue EURichtlinie, die eine Zulassungs- und Aufsichtspflicht der Anbieter geschlossener Fonds verlangt, muss bis Ende 2013 in nationales Recht umgesetzt werden und schafft Zuverlässigkeit. Immobilienaktien sind ein weiteres Anlageinstrument. Sie bieten gegenüber den geschlossenen Fonds eine quasi tägliche Verfügbarkeit und sogar noch größere Gewinnmöglichkeiten. Aber zugleich bergen sie auch ein deutlich höheres Risiko – im Worst-Case-Szenario muss man Kursabstürze oder sogar den Totalverlust einkalkulieren. Daher bieten sich andere mittelbare Anlagemodelle im Immobi lienbereich an, zum Beispiel Pfandbriefe, Genussscheine, Verbriefungen und Hypothekenanleihen. Letztere sind festverzinsliche Wertpapiere, die von einem Immobilienunternehmen als Unternehmensanleihe emittiert werden und bei denen die Anleger im Vergleich zur herkömmlichen Unternehmensanleihe zusätzlich mit den der Anleihe unterliegenden Immobilienwerten abgesichert werden. Hypothekenanleihen bieten insbesondere im Fall der erstrangigen Besicherung der Anleger eine vergleichsweise hohe Besicherung. Dies wird durch Grundpfandrechte – in der Regel durch Grundschulden – an realen Immobilien gewährleistet, durch die der Anleger im Ernstfall im ersten Rang, also vor allen anderen Gläubigern, über einen Treuhänder den Zugriff hat. Nicht investierte Barmittel werden auf Sonderkonten gesichert. Die Anlageform bündelt somit die Vorteile der Immobilienanlage und Die WGF Finanzgruppe nutzt, durch Hypothekenanleihen bankenunabhängig finanziert, attraktive Immobilieninvestmentchancen, steigert Objektwerte und Mieten durch umfassendes Immobilienmanagement und veräußert die Gebäude später gewinnbringend. Neben wohnungswirtschaftlichen Immobilien investiert sie bundesweit in gewerbliche Immobilien, insbesondere in Business-Class-Hotels und Einzelhandelsimmobilien. Die Gesellschaft bietet drei Anleihevarianten für verschiedene Anlegergruppen. Versicherungen, Versorgungskassen, Stiftungen und Banken können ihr Sicherungsvermögen bereichern, da die Papiere die Voraussetzungen nach Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) erfüllen. Die siebte An leihe der WGF AG im Volumen von 100 Mio. Euro mit einer jährlichen Festverzinsung von 5,35 % und viereinhalb Jahren Laufzeit ist seit Oktober 2010 auf dem Markt. Über das RealWertPlus-Programm, das die Immobilienfinanzierung innerhalb eines Joint Ventures durch die WGF sicherstellt, können auch Dritte, zum Beispiel Mittelständler und Kommunen, ihre Immobilienfinanzierung über Hypothekenanleihen bankunabhängig realisieren. Neben Hypothekenanleihen bietet das Immobilieninvestmenthaus weitere immobilienbasierte Anlageformen, darunter geschlossene Immobilienfonds über ihre Tochtergesellschaft deboka Deutsche Grund & Boden Kapital AG, Genussrechte, institutionelle Anleihen sowie hypothekarisch besicherte Unternehmensdarlehen. Für 2011 ist die Gründung einer Immobilien-KAG geplant, die Immobilien-Spezialfonds auflegt. *Pino Sergio ist Vorstandsvorsitzender der WGF Wissenslücke mit Folgen Baufinanzierung | Die Zinsen steigen – der Beratungsbedarf auch Von Peter Haueisen* N och sind die Bauzinsen relativ niedrig und lassen so manchen Traum von den eigenen vier Wänden wahr werden. Wichtiger als Tiefstzinsen sind bei der Eigenheimfinanzierung eine lange Zinsbindung und individuelle Beratung – zumal die Zinsen inzwischen wieder steigen. Zinsgarantien bis zu einem Vierteljahrhundert Wer ein Eigenheim finanziert, sollte das aktuell noch niedrige Zinsniveau nutzen und sich langfristig attraktive Konditionen sichern. Einige Unter nehmen bieten Zinsgarantien bis zu 25 Jahre. Diese langen Laufzeiten kennen allerdings nur wenige angehende Immobilienbesitzer, so das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa. Zwar ist es für neun von zehn Bauherren beim Abschluss einer Immobilienfinanzierung wichtiger, sich einen durchschnittlich niedrigen Zinssatz für einen längeren Zeitraum zu sichern als kurzlaufend den niedrigsten Zinssatz am Markt. Doch über welchen Zeitraum eine solche Garantie tatsächlich zu haben ist, weiß nur jeder Fünfte – eine Wissenslücke mit Folgen. paket, das auf die eigenen Bedürfnisse und die jeweilige Lebenssituation passgenau zugeschnitten ist, in jedem Fall. Gerade bei der Baufinanzierung können Halbwissen und Wissenslücken teuer zu stehen kommen. Auch steuerliche Bedingungen und staat liche Fördermittel sind für Laien häufig schwer zu durchschauen. Wer im Finanzierungsdschungel nicht den Überblick verlieren, sondern das persönlich am besten ge eignete Finanzierungskonzept finden möchte, kommt kaum noch ohne Experten aus. Bei der für die meisten Menschen wichtigsten und größten Kaufentscheidung ihres Lebens zahlt sich der Sachverstand eines Finanzierungsexperten in barer Münze aus und bietet Sicherheit und Sorgenfreiheit. Absicherung der Familie Das Eigenheim steht bei vielen ganz oben auf der Wunschliste. Doch die wichtigen Eckpunkte bei der Finanzierung kennen nur die wenigsten. Nachfrage nach Expertenrat steigt Das ist künftigen Eigenheimbesitzern durchaus bewusst. Denn in den vergangenen Jahren hat der Beratungs bedarf bei der Immobilienfinanzierung deutlich zugenommen: Während laut forsa-Studie nur gut die Hälfte der heutigen Immobilienbesitzer einstmals beim Kauf ihres Eigenheims die Beratung eines Experten eingeholt hat, möchten sich heute bereits drei Viertel der Immobilienplaner fachkundig zur Baufinanzierung beraten lassen. Für zwei Drittel der künftigen Immobilienbesitzer ist eine maßgeschneiderte Eigenheimfinanzierung zudem wichtiger als der jeweils niedrigste Zinssatz am Markt. Denn wer gemeinsam mit einem Berater vorausschauend plant, für den rechnet sich ein Finanzierungs- „Gerade bei der Baufinanzierung können Halbwissen und Wissenslücken teuer zu stehen kommen.“ Dementsprechend wünschen sich laut forsa-Studie die Befragten mehrheitlich eine Beratung, die auch die Absicherung der Immobilienfinanzierung und der Familie – etwa bei Arbeitslosigkeit, Umzug aus beruflichen Gründen, Unfall oder Tod des Hauptverdieners – umfasst. Zudem werden die eigenen vier Wände sehr häufig als Baustein für die private Altersvorsorge eingeplant. In diesem Fall empfiehlt es sich, die einzelnen Bausteine integriert, also von einem Anbieter, zu beziehen. Die Allianz zum Beispiel bietet neben einer kompletten Produktpalette zur Altersvorsorge auch die Immobi lienfinanzierung an. Auf dieser Basis kann ein Finanzierungsexperte in der Beratung auf die individuellen Bedürfnisse eines jeden Eigenheimplaners passgenau eingehen. Besonderen Wert auf eine individuelle Beratung legen Menschen im Alter zwischen 25 und 45 Jahren. Im Vorfeld eines Immobilienkaufs recherchiert ein Großteil der künf tigen Darlehensnehmer umfassend. Dennoch fühlen sich viele Immobilienplaner oft nicht ausreichend informiert. Jedem dritten Befragten fehlen gemäß forsa-Umfrage beispielsweise Informationen zum Wohn-Riester. Dabei würde etwa die Hälfte aller Baufinanzierer die staatliche Fördermöglichkeit, die sich aus Riester-Zulagen und Steuervorteilen zusammensetzt, gern nutzen. Allerdings weiß nur jeder Zehnte, wie viel Geld sich mit der Wohn-Riester-Förderung überhaupt sparen lässt. So kann nicht nur eine vierköpfige Familie mit einem RiesterDarlehen bis zu 50 000 Euro sparen. Auch für Menschen mit überdurchschnittlichem Einkommen und niedrigem Zulagenanspruch, zum Beispiel für kinderlose Doppelverdiener oder Singles, kann sich – unter steuerlichen Aspekten – ein Riester-Darlehen ähnlich gut rechnen. Diese finanziellen Vorteile erschließen sich vielen Kreditnehmern nicht von selbst. Eine umfassende und kompetente Beratung kann auch diese Wissenslücken schließen. *Peter Haueisen ist Leiter Baufinanzierung bei Allianz Leben WirtschaftsKurier Energie & Effizienz Ruhe vor dem Sturm? Klarer Standpunkt Unverzichtbare Halbleiter Lizenz zum Sparen Windkraft | Wegen der Finanzkrise wurde der Bau vieler Anlagen auf dieses Jahr verschoben. Auch im Repowering steckt viel Potenzial. Seite 18 Windkraft | H. Bünting, Geschäftsführer von RWE Innogy, spricht Klartext: Wer die Erneuerbaren will, muss die Konsequenzen akzeptieren. Seite 19 windkraft | Arunjai Mittal, Chef der Industrie sparte bei Infineon, erklärt, welche Rolle Chips in der regenerativen Stromerzeugung spielen.Seite 19 Zertifizierte Effizienz: TÜV Süd implementiert der zeit beim Chemiehersteller Innospec in Leuna ein modernes Energiemanagementsystem. Seite 20 März 2011 17 Auf zu neuen Ufern Versorger | E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW suchen Alternativen zum schwierigen deutschen Markt von klaus g. wertel D as Zerrbild vom „Oligopol der vier großen Energiekonzerne, die den deutschen Markt be herrschen“, ist ausgesprochen beliebt und wird sich wohl noch lang halten. Doch im wirklichen Leben sind E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall längst auf der Suche nach Alternativen zu dem zunehmend teurer und schwie riger werdenden Energiegeschäft in Deutschland. Vor dem Hintergrund immer neuer Steuern und Abgaben so wie im Inland kaum noch durchsetz barer Kraftwerksprojekte zeichnen sich vor allem drei Trends ab: ■■ verstärkte Engagements in Auslands märkten, ■■ Trennung von überregulierten Berei chen bis hin zum Verkauf oder zur Stilllegung unrentabler Anlagen, ■■ Erschließung neuer, weniger regle mentierter Geschäftsfelder. Besonders ambitioniert geht der deutsche Branchen-Primus E.ON (Jah resumsatz 2009: 81 Mrd. Euro) an den Umbau: „Vom europäischen Energie versorger zum globalen, spezialisierten Anbieter für Energielösungen“ – so be schreibt der E.ON-Vorstandsvorsitzen de Johannes Teyssen das Ziel der neu en Strategie. Teyssen nennt sogar Eck werte: Der Anteil der außereuropäi schen Umsätze soll von derzeit 5 % auf 25 % im Jahr 2020 verfünffacht werden. Die Zahl der „Marktregionen“, in de nen E.ON außerhalb Europas tätig ist, soll von bislang zwei – Nordamerika und Russland – auf vier steigen. Eine Entscheidung für die neuen „Zielregio nen“ soll noch im Frühjahr 2011 fallen: Wahrscheinlich werden dies China/In dien und Brasilien sein. Bei den „Energielösungen“, die E.ON E.ON-Chef Johannes Teyssen will sein Unternehmen vom „europäischen Energieversorger zum globalen, spezialisierten Anbieter für Energielösungen“ umbauen. Foto: E.ON anbieten will, werden wohl Kraftwerke und Anlagen der erneuerbaren Energi en die Schwerpunkte bilden. Der Kon zern mit Sitz in Düsseldorf will dabei sehr auf eine dauerhaft solide Wirt schaftlichkeit der Projekte achten. Dies gelte für den Bau, noch mehr aber für den Betrieb von Anlagen. In der Ver gangenheit musste E.ON gelegentlich erhebliches Lehrgeld für nicht profi table Auslandsinvestitionen bezahlen. Auch künftig werden sich die Düssel dorfer aber wohl nicht jedem Abenteu er entziehen können: So zählt E.ON zu den Gründungsmitgliedern des Saha rastrom-Projekts Desertec. Keine Scheu vor Kooperationen mit der Konkurrenz Expandieren will E.ON auch in Europa – zumindest dort, wo die „rechtli chen Rahmenbedingungen verläss lich“ sind und „Wirtschaftlichkeit gege ben“ ist. Dabei scheut sich E.ON auch nicht vor Kooperationen mit Konkur renten: So bewerben sich die Düssel dorfer beispielsweise gemeinsam mit dem deutschen Branchen-Zweiten RWE (Jahresumsatz 2009: 48 Mrd. Euro) um Aufträge für den Bau neuer Kernkraftwerke in Großbritannien. In Frankreich bezieht E.ON inzwischen Strom aus EDF-Kernkraftwerken. So gar Sondierungen über eine mögliche Mitfinanzierung neuer Kernkraftwerke in Frankreich durch den deutschen Energiekonzern hat es schon gegeben. Finanzieren will E.ON-Chef Teyssen die neuen Auslandsinvestitionen nicht nur, aber auch durch den Verkauf von nicht oder nicht mehr rentablen Beteiligungen und Anlagen – im Inund Ausland: Für die Jahre 2011 bis 2013 nannte Teyssen ein Erlösziel von 15 Mrd. Euro aus „Desinvestitionen“. Einen Katalog der zum Verkauf stehen den E.ON-Anlagen und -Beteiligungen gibt es bislang noch nicht. Erdgasprojekte im Zeichen der Unabhängigkeit Die – nach Umsatz – deutlich kleinere RWE AG strebt ebenfalls nach neuen Ufern, insbesondere aber nach einer Erweiterung des Geschäftsmodells um neue, zukunftsfähige Geschäftsfelder: So beteiligen sich die Essener an dem Erdgas-Pipelineprojekt Nabucco. Durch diese Leitung soll dereinst Erd gas aus der Region am Kaspischen Meer – an Russland vorbei – nach Eu ropa geliefert werden. In Ägypten in vestiert das Tochterunternehmen RWE Dea rund 3,6 Mrd. US-Dollar in neue Erdgasförderanlagen. RWE hofft, mit beiden Engagements zu einem ei genständigen Erdgasimporteur und -händler aufsteigen zu können – und unabhängig von der russischen Gaz prom und anderen Vorlieferanten zu werden. Einen Ausgleich für den in Deutsch land kaum noch möglichen Bau kon ventioneller Erzeugungsanlagen findet RWE vor allem in den neuen EU-Mit gliedsländern Ost- und Südosteuropas, aber beispielsweise auch in der Türkei: So hat RWE erst unlängst mit dem tür kischen Unternehmen Turcas Petrol ein Joint Venture geschlossen und den Bau eines großen Gaskraftwerks mit ei ner Kapazität von 775 Megawatt im südwesttürkischen Denizli vereinbart. Vergleichsweise bescheidene Bröt chen backen die beiden kleinen unter den vier großen Energieunternehmen im Ausland: Die EnBW (Jahresumsatz 2010: 17,5 Mrd. Euro) beschränkt sich auf wenige ausgewählte Auslands märkte: auf die Schweiz, Tschechien, Polen, Ungarn und die Türkei. Und bei Vattenfall Europe (Jahresumsatz 2009: 14 Mrd. Euro) – der deutschen Tochter des schwedischen Staatskonzerns Vat tenfall AB – hat derzeit die Konsolidie rung Vorrang vor ehrgeizigen Invest ments. Die schwedische Mutter soll so gar einen Teilrückzug aus einzelnen Auslandsmärkten und eine „Konzen tration“ der Geschäftstätigkeit auf Schweden, Deutschland und die Nie derlande erwägen. Neuorientierung geht zu Lasten Deutschlands Wie sehr die Neuorientierung der gro ßen Energieunternehmen zulasten deren Engagements in Deutschland gehen kann, zeigt besonders deutlich ein Blick auf die Änderungen der Ei gentümerstruktur des Stromtransport netzes in Deutschland: Knapp zwei Drittel der rund 35 000 Kilometer deutscher Strom-Fernleitungen wur den in den vergangenen 16 Monaten an ausländische Netzbetreiber ver kauft. E.ON veräußerte im November 2009 ihr 10 700 Kilometer messendes Höchstspannungsnetzes für 1,1 Mrd. Euro an den staatlichen niederländi schen Netzbetreiber Tennet B. V. Vat tenfall Europe folgte diesem Beispiel im März 2010: Das 9 500 Kilometer umfassende deutsche Vattenfall-Fern übertragungsnetz ging für 810 Mio. Euro an ein Konsortium des belgi schen Netzbetreibers Elia System Operator SA (60 %) mit dem australi schen Investmentfonds IMF – Indus try Funds Management (40 %). E.ON und Vattenfall reagierten mit dem Verkauf ihrer Fernübertragungs netze vor allem auf die finanzielle Zan genbewegung aus einer seit 2005 mehrfachen von der Bundesnetzagen tur verfügten Absenkung der zulässi gen Netzentgelte und den – wegen des Ausbaus der Windenergie – immer hö heren Lasten des Netzbetriebs und der Bereitstellung von Schattenkraftwer ken für windarme Phasen. Dass die Bundesnetzagentur inzwischen ihren restriktiven Kurs korrigiert und für 2010 erstmals wieder eine Erhöhung der Netzentgelte um bis zu 30 % geneh migte, kam für die Verkaufsentschei dung von E.ON und Vattenfall zu spät. Netzverkauf hat ungewollte Nebenwirkungen Eine Nebenwirkung dieses Netzver kaufs: Über den so dringenden Aus bau, einschließlich der Kostenträger schaft, der Netzkapazitäten zwischen den neuen Erzeugungsschwerpunkten an und vor den Küsten der Nord- und Ostsee mit den Verbrauchsregionen in West- und Süddeutschland müssen deutsche Behörden und Politiker nun in Holland und Belgien mit den neuen Eigentümern der früheren E.ON- und Vattenfall-Netze verhandeln. Der Bun desverband der Energie- und Wasser wirtschaft (BDWE) schätzt den not wendigen Investitionsbedarf in die deutschen Netze und in zusätzliche Reservekraftwerke für den Ausgleich des schwankenden Windkraftstroms allein für die Zeit bis 2020 auf 40 Mrd. Euro. Im Gegensatz zu E.ON und Vatten fall wollen die beiden anderen des Quartetts der großen Vier – RWE und EnBW – ihre Netze weiter selbst be treiben und am Konzept des „vertikal integrierten Energiekonzerns“ festhal ten. Der Hauptgrund: Sowohl das Netz der RWE-Tochter Amprion (11 300 Kilometer) als auch das Netz der EnBW-Transportnetze (3 500 Kilo meter) liegen weitab der Küsten und der großen Onshore- und OffshoreWindenergieparks. Insofern halten sich bei RWE und EnBW auch die Kosten für den Netzausbau und die Bereitstellung von „Regelenergie“ in Grenzen. Und: Die Kehrtwende der Bundesnetzagentur zugunsten wieder steigender Netzentgelte verspricht ei nen auch wirtschaftlich auskömmli chen Netzbetrieb. Die Zukunft im Visier Trends in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft kompakt – monatlich ■ Bitte senden Sie mir kostenlos und unverbindlich die beiden nächstfolgenden Ausgaben zu. ■ Ja, ich möchte das günstige WirtschaftsKurier-Jahres-Abonnement (11 Ausgaben pro Jahr) von 27,50 € inklusive Zustellgebühr und 7% MwSt. (Inland) wahrnehmen. ■ Ja, ich möchte das Jahres-Abo für Studenten zum Preis von 20,62 € wahrnehmen (bitte gültige Immatrikulationsbescheinigung der Bestellung beifügen). Das Abonnement verlängert sich automatisch um jeweils ein Bezugsjahr, wenn ich nicht zwei Monate vor Ablauf schriftlich kündige. Den Jahresbetrag zahle ich nach Erhalt der Rechnung. Widerrufsgarantie: Sie können die Bestellung innerhalb von 10 Tagen ohne Angabe von Gründen schriftlich beim WirtschaftsKurier, Parkring 4, 85748 Garching bei München, widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung (Poststempel). Firma Name, Vorname Telefon Straße, Hausnummer Postleitzahl, Wohnort Datum Unterschrift Per Fax an: 089 638981-20 oder senden an: WirtschaftsKurier, aftsK Parkring 4, 85748 Garching bei München 18 Windkraft Energie & Effizienz März 2011 WirtschaftsKurier Laues Lüftchen vor dem Sturm Deutsche Windindustrie | Nachdem der Onshore-Markt 2010 eingebrochen ist, wurde der Bau vieler Anlagen auf das laufende Jahr verschoben von ulrich hottelet D ie deutsche Windindustrie hat im vergangenen Jahr auf ih rem Heimatmarkt nicht die angestrebten Wachstumszahlen er zielt. „Die Prognose für 2011 ist einge färbt durch die ernüchternde derzeiti ge Situation“, sagte der Präsident des Bundesverbands Windenergie (BWE), Hermann Albers. Die deutsche Windindustrie konnte 2010 den aus dem Vorjahr prognosti zierten Wert von rund 1 900 Megawatt nicht erreichen. Allerdings ist 2009 im Vergleich zu den vorangegangenen Jah ren ein sehr gutes gewesen. Nach Erhe bungen des Deutschen WindenergieInstituts (DEWI) wurden 2010 nur 754 neue Windkraftanlagen mit einer Leis tung von 1 551 Megawatt neu installiert. Dies gaben der BWE und der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagen bau (VDMA Power Systems) Ende Ja nuar bekannt. Im Vergleich zu 2009 mit 1 917 Megawatt bedeutet das einen Rückgang von 19 %. Ende 2010 drehten sich in Deutschland 21 607 Windräder mit einer Gesamtleistung von 27 214 Megawatt. „Der deutsche Markt befin det sich damit wieder auf dem Niveau von 1999. Grund für den Einbruch des Onshore-Markts sind Finanzierungs probleme für Großprojekte wegen der Finanzkrise, Unsicherheiten bei Netz anforderungen an Windenergieanla gen, ein langer Winter im Vorjahr und der frühe Beginn dieses Winters“, sagte Thorsten Herdan, Geschäftsführer von VDMA Power Systems, bei der Vorstel lung der Jahresbilanz. „Wegen der Fi nanzierungsprobleme wurde der Bau vieler Anlagen auf 2011 verschoben“, so Albers. „Hinzu kommt, dass trotz neuer Flächenausweisungen in einigen Bun desländern die Räume für Neuanlagen weiter beschnitten werden. Abstands regelungen und Höhenbegrenzungen verhindern einen effizienten Ausbau der Windenergie an Land.“ Zudem er schwere ein laut Windindexwert schwä cher gewordener Wind die Finanzie rung von Investitionen. In Süddeutsch land ist die Nabenhöhe der Windräder „Abstandsregelungen und Höhenbegrenzungen verhindern einen effizienten Ausbau der Windenergie an Land.“ Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands Windenergie (BWE) wegen des schwächeren Winds höher als im stürmischeren Norden. Die durchschnittliche Nabenhöhe auf dem Festland beträgt 100 bis 120 Meter. Im Repowering schlummert Potenzial Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr gab es dagegen beim Austausch alter gegen neue und leistungsstärkere An lagen, dem sogenannten Repowering. Dadurch kann die Leistung verdreibis versechsfacht werden. Nach den DEWI-Erhebungen konnten vergange nes Jahr 116 Windenergieanlagen mit einer Leistung von zusammen 56 Me gawatt durch 80 Windkraftanlagen mit zusammen 183 Megawatt ersetzt wer den. „Im Repowering schlummert im mer noch ein immenses Potenzial. Spätestens im Jahr 2015 werden über 9 500 Windenergieanlagen repowering fähig sein“, gab sich Albers überzeugt. „Das löst Investitionen in Höhe von 40 Mrd. Euro aus.“ Auch die Windenergie auf hoher See übertraf die Installationszahlen des Vorjahrs. Im Jahr zwei des deutschen Offshore-Markts konnten in den Pro jekten Baltic 1 und Bard 1 zusammen 108 Megawatt neu errichtet werden. „Die erwarteten Zubauten von 150 Megawatt wurden zwar nicht erreicht, die 100-Megawatt-Schwelle ist aber endlich durchbrochen. Hier muss man einfach sehen, dass Offshore eine neue Technologie ist, ihre Entwicklung auch Zeit kostet und das verfügbare Finanz volumen begrenzt ist. Für 2011 sind 300 Megawatt aufgrund des Fort schritts der Projekte wahrscheinlich“, so Herdan. Die Bundesländer mit dem höchsten Anteil der Windenergie am Nettostrom verbrauch sind Sachsen-Anhalt, Meck lenburg-Vorpommern, Schleswig-Hol stein, Brandenburg und Niedersachsen. Mit 52 % ist der Anteil in Sachsen-An halt so hoch, dass das Land zu einem Stromexporteur geworden ist. Stetig wachsende Bedeutung für die deutsche Windindustrie kommt den Exportmärk ten zu. China, wo das „made in Germa ny“ einen sehr guten Ruf genieße, habe 2010 um 30 % zugelegt, teilte Herdan mit. Während die Exporterfolge der Ori ginal Equipment Manufacturers in Chi na gering seien, sehe es bei den Zuliefe rern besser aus. Dagegen hat sich der wichtige Exportmarkt USA mit 5 115 Megawatt halbiert. In Italien und Spani en seien leichte Rückgänge zu verzeich nen. Potenzial habe Osteuropa, die Tür kei und Südkorea. Der Weltmarkt habe um 5 % bis 10 % abgenommen. Herdan prognostiziert für 2011 eine Windleis tung von 40 Gigawatt weltweit. Im Aufwind: Die deutsche Wind industrie ist nach einem schwachen Jahr 2010 wieder auf Kurs. Die Branchenverbände wittern in den Exportmärkten – insbesondere in China – große Chancen. fotos: BWE Politischer Konsens Im Streit zwischen EU-Kommission und Bundesregierung um die europa weite Harmonisierung der Förderins trumente erneuerbarer Energien ist es Ende Januar zu einer Klärung gekom men. Die EU nahm nach der Kritik von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) von einer zeitnahen Harmoni sierung Abstand. „Dies kann nur ein mittelfristiges Ziel sein“, hieß es in Kom missionskreisen. In einem von EUEnergiekommissar Günther Oettinger vorgelegten Konzept ist nur noch von einer stärkeren Konvergenz der natio nalen Fördersysteme die Rede. Die Ent scheidung darüber, wie die Gelder ver teilt werden, soll aber auch künftig in den Händen der einzelnen Mitglieds staaten bleiben. Das Bundesumwelt ministerium und die Windenergiebran che begrüßten den Rückzieher Oettin gers. „Eine Harmonisierung hätte we niger erneuerbare Energien, weniger Klimaschutz und weniger Wettbewerb im Stromsektor nach sich gezogen. Darüber hinaus würde sie die Markt position Deutschlands im Bereich der erneuerbaren Energien massiv ver schlechtern“, kommentierte Albers. Po sitiv sei vor allem, dass der Bundesum weltminister dies erkannt und den EUForderungen eine Absage erteilt habe. Die Branche benötigt Kontinuität und Verlässlichkeit „Bei der anstehenden Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) dürfen die Investitionsbedingungen am Heimatmarkt nicht beschnitten, son dern der Binnenmarkt muss wieder gestärkt werden. Dazu sind Verunsi cherungen im Gesetzgebungsprozess genauso zu vermeiden wie bei der Umsetzung von Netzanforderungen an Windenergieanlagen“, so der BWEChef. Die Branche benötige Konti nuität, Stabilität und Verlässlichkeit. Die Einspeisevergütung nach dem EEG Windige Hotspots Repowering Windatlas Baden-Württemberg | Die Schwaben wissen, wo die Winde wehen von philipp tröbinger D er schwäbische Pioniergeist hat wieder zugeschlagen: Um die Datengrundlage für die Wind energienutzung zu optimieren, gab das baden-württembergische Wirtschafts ministerium die Erstellung eines Wind atlas beim TÜV Süd Industrie Service in Auftrag. Die Ergebnisse stellen im Ver gleich zur bisherigen Datenlage sowohl in qualitativer Hinsicht als auch in der räumlichen Auflösung eine deutliche Verbesserung dar. Das Projekt zielt auf eine noch effizientere Ausbeutung des Windpotenzials in Baden-Württemberg ab und steht jedem Interessierten on line zur Verfügung. Die neuen Winddaten ermöglichen einen Quanten sprung in der regionalen Planung von Windkraftanlagen. „Mit der landesweiten Kartierung in einer Auflösung von 250 Metern liegt ein erstes zentrales Ergebnis der Wind potenzial-Analyse vor. Aufbauend da rauf werden die windstarken Regionen nochmals genauer in einer Auflösung von 50 Metern untersucht werden“, er klärte der baden-württembergische Wirtschaftsminister Ernst Pfister. Da „Mit der landesweiten Kartierung in einer Auflösung von 250 Metern liegt ein erstes zentrales Ergebnis der Windpotenzial-Analyse vor.“ Ernst Pfister, Wirtschaftsminister Baden-Württemberg Der Windatlas zielt auf eine noch effizientere Ausbeutung des Wind potenzials in Baden-Württemberg ab. Die erstellte Datengrundlage vom TÜV Süd Industrie Service ermöglicht einen Quantensprung in der regionalen Planung von Windkraftanlagen. nannte er „auskömmlich“. Für die So larbranche hätte er sich eine geringere Vergütung gewünscht. „Wir sind die günstigste erneuerbare Energie“, beton te Albers und kritisierte das Energiekon zept der Bundesregierung, das kaum Zuwachs für die Windenergie vorsehe. mit wird der Fokus auf die windrei chen Regionen weiter geschärft. Der Windatlas als fundierte Planungshilfe für Regionen und Kommunen identi fiziert durch die exakte Analyse die windhöffigsten Lagen. „Ein detaillier ter Blick auf die Karte zeigt, dass die qualitativ besten Windkraftstandorte in den Höhenlagen des Schwarzwalds liegen“, erläuterte Walter Witzel, Lan desvorsitzender des Bundesverbands Windenergie. Hierbei handle es sich zwar um kleine Flächen, aber auf grund der hohen Windgeschwindig keiten seien an diesen „Hot Spots“ sehr starke Erträge an umweltfreund lich erzeugtem Strom möglich. „Das bedeutet wenige Anlagen, aber hoher Stromertrag“, so Witzel. Der von den Experten des TÜV Süd erstellte Windatlas für Baden-Würt temberg bezieht sich in der vorgeleg ten Version auf die Höhenlage von 100 Metern über dem Grund – auch für die weiteren gängigen Nabenhöhen (80, 120 und 140 Meter) werden im nächs ten Schritt die Daten erfasst. In der zweiten Projektphase sollen für die jeweiligen Regionen noch exaktere Be rechnungen vorgenommen werden. Repowering heißt das Zauber wort: Im Ersatz von alten Wind kraftanlagen durch modernste Technologie steckt enormes Potenzial zur Effizienzsteige rung. Dabei werden Turbinen in den Anlagen der ersten Generation mit neueren und effizienteren Antriebsaggre gaten ausgetauscht. Mit die sem Erneuerungsprozess wird die Nutzung der Stand orte optimiert, was schluss endlich einer Verdreifachung des Ertrags verspricht – im Zeitalter von Nachhaltigkeit und Energieeffizienz eine anzustrebende Formel. Re powering bedeutet: Halbie rung der Anlagenzahl, Ver doppelung der Leistung, drei facher Stromertrag, Halbe Um drehungszahl, Steigerung der Volllaststunden und verbes serte Netzverträglichkeit. Nach Angaben des Bundesverbands WindEnergie entsteht durch Re powering im nächsten Jahrzehnt ein potenzieller jährlicher Markt von bis zu 1 000 Megawatt pht März Energie & Effizienz 2011 WirtschaftsKurier Windkraft 19 Klartext zu den Konsequenzen RWE Innogy | Mehr Erneuerbare bedeuten ein extrem schwankendes System Stromverbindung zwischen Frank reich und Spanien wurde nach über 30 Jahren noch nicht endgültig zuge stimmt. von hans bünting* R und 80 % der deutschen Strom erzeugung aus Erneuerbaren – so die Vision der Bundesregie rung für das Jahr 2050. Das bedeutet unter den gesetzten Prämissen eine Verdreifachung der heutigen Erzeu gung auf Basis von Wind, Biomasse, Sonne und Wasser. Das Konzept ba siert allerdings darauf, dass rund 20 % Strom eingespart und 30 % importiert werden. Diese Annahmen müssen sich jedoch als realistisch und auch technisch durchführbar erweisen. Die Verdreifachung der Stromerzeu gung mit Erneuerbaren hingegen ist realistisch. Deutschland könnte damit beweisen, dass der Weg in eine CO2arme Energieversorgung möglich ist. Aber dieser Weg ist nicht leicht. Er braucht Zeit und man muss sich über die Konsequenzen klar sein. Konkret bedeutet das eine Umstellung von einem sicheren und planbaren auf ein extrem schwankendes System der Stromversorgung. Damit müssen wir lernen umzugehen. Nicht nur die Stromerzeuger und Netzbetreiber, sondern jeder von uns. Wenn wir eine Umstellung auf CO2-arme Technolo gien wollen, müssen wir auch zu den Folgen stehen. Eine „Wasch mich, aber mach mich nicht Nass“-Mentalität wird uns scheitern lassen. „Eine ,Wasch mich, aber mach mich nicht Nass‘-Mentalität wird uns scheitern lassen.“ Widerstand gegen geplantes Pumpspeicherkraftwerk Hans Bünting, CFO RWE Innogy 2009 schon fast 200 Gefährdungstage Die Leistung von Kohle-, Gas- und Kernkraftwerken können wir entspre chend dem Verbrauch regeln und da mit zu jeder Zeit bedarfsgerecht Strom bereitstellen. Wind und Sonne hinge gen scheren sich nicht um unseren Bedarf, der Strom aus ihren Quellen wird unabhängig davon erzeugt – oder eben auch nicht. 27 000 Megawatt Windkraft zu Lande stellen die deut schen Netzgesellschaften schon heute vor große Aufgaben. Ein namhafter Netzbetreiber berichtet für das Jahr 2009 von 197 Gefährdungstagen. An solchen Tagen drückt so viel Wind in das Netz, dass andere Kraftwerke heruntergefahren werden müssen, um einen „Blackout“ zu vermeiden. Im Januar 2008 schwankte die WindkraftErzeugung zwischen fast null bis zu knapp 20 000 Megawatt. Zum Ver gleich: Der Bedarf einer mittelgroßen Stadt mit 250 000 Einwohnern beträgt rund 200 Megawatt Leistung. Die größ te Schwankung an einem Tag betrug rund 14 000 Megawatt. Das entspricht der Leistung von über zehn großen Kohlekraftwerken. In den nächsten Jahren werden neben Onshore-Wind parks auch riesige Offshore-Parks von bis zu 1 000 Megawatt mit stark schwankender Erzeugung hinzukom men. Mein eigenes Unternehmen plant, rund 1 300 Megawatt in der deutschen Nordsee zu bauen. Mit dem Bau des ersten Parks starten wir be reits 2011. Auch die Sonnenenergie, die vor dem Hintergrund immer noch üppigs ter Fördersysteme massiv ausgebaut wird, trägt zur Instabilität des Netzes bei. Zwar sind Sonnenauf- und -unter gang leichter einzuschätzen als Wind stärken, aber schon eine dichte Wol kendecke oder weitreichender Boden nebel machen sich bemerkbar. Son nenenergie heißt, dass bis zu 40 000 Megawatt im Jahr 2020 innerhalb kur zer Zeit ein- und ausgeknipst werden – das muss durch andere Energie quellen kompensiert werden. Hans Bünting, Geschäftsführer von RWE Innogy, spricht die Probleme im Umbau der Energieversorgung offen an. Dabei spielt beim Ausbau der erneuerbaren Energien neben langen Genehmigungszeiten und Investi tionsvolumina auch die gesellschaftliche Akzeptanz eine entscheidende Rolle. foto: rwe innogy Mehr Wind und Sonne – mehr Leitungen Wir brauchen dringend technische Lösungen, um die Volatilität des Wind- und Sonnenstroms zu glätten, Schwachwindzeiten zu überbrücken und den Windstrom vom Norden des Landes in die Verbrauchszentren zu „Mit Pumpspeicherkraftwerken allein werden wir das Problem nicht lösen.“ transportieren. Laut Deutscher Ener gieagentur müssen rund 3 500 Kilo meter neue Höchstspannungsleitun gen bis 2020 gebaut werden, um das Netz hierfür anzupassen. Allein das kostet circa 6 Mrd. Euro. Mehr Wind und Sonne – mehr Leitungen. Der erneuerbare Strom, der kraft Gesetz Vorrang hat, leidet zurzeit noch an Netzen, die in manchen Regionen nur Kreisstraßenniveau haben. Das liegt nicht am mangelnden Investitionswil len der Netzbetreiber, es fehlt leider immer noch an einer zügigen Geneh migungspraxis und ausreichender Ak zeptanz in der Bevölkerung. Oft verge hen bis zur Genehmigung und zum Bau neuer Leitungen zehn bis 15 Jah re. Das gilt nicht nur für Deutschland. Dem dringend benötigten Bau einer Gleichzeitig brauchen wir in großem Umfang hochflexible konventionelle Kapazitäten, um Flauten und Erzeu gungsschwankungen bei den Erneu erbaren aufzufangen. Ein Beispiel sind Speicherkraftwerke. Auf dem heutigen Stand der Technik lassen ausschließlich Pumpspeicherkraft werke Stromspeicherungen in großem Maßstab zu. RWE plant mit einem Partner im Südschwarzwald ein sol ches Kraftwerk mit einer Leistung von 1 400 Megawatt. Da Pumpspeicher kraftwerke Fallhöhe brauchen, bieten sich Regionen wie der Schwarzwald besonders gut an. Wir hoffen, das Kraftwerk im Jahr 2018 in Betrieb zu nehmen, weil es eine wichtige Rolle beim Umbau der Energiewirtschaft spielt. Dennoch gibt es vor Ort viel Protest. Dabei bietet dieses Kraftwerk nur einen Bruchteil der Flexibilität, die wir brauchen würden, um die Plä ne der Bundesregierung zu verwirk lichen. Mit Pumpspeicherkraftwerken allein werden wir das Problem nicht lösen. Das Potenzial ist zu gering. Sämtliche Speichertechnologien müs sen erforscht und wo immer möglich, zur Marktreife gebracht werden. Alter nativen, wie Druckluft- und Wasser stoffspeicher sind allerdings heute noch extrem teuer. Eingriffe in das Landschaftsbild Investitionsvolumina, lange Genehmi gungszeiten sowie die politische und gesellschaftliche Akzeptanz spielen also die zentrale Rolle beim Ausbau der Erneuerbaren. Er wird den Strom langfristig verteuern und bedeutet teil weise einen Eingriff in das Land schaftsbild – auch wenn bei den Pla nungen darauf geachtet wird, diesen möglichst gering zu halten. Nur wenn wir diese Punkte akzeptieren, wird uns der gewünschte Umbau der Energie versorgung gelingen. *Hans Bünting ist Geschäftsführer von RWE Innogy „Halbleiter sind in der Stromerzeugung unverzichtbar“ Infineon | Der Chef der Industriesparte, Arunjai Mittal, erklärt wie kleine Chips Atromkraftwerke ersetzen könnten H albleiter sind entscheidend für die künftige Energieversorgung. „Ohne Chips wird es kein intel ligentes Stromnetz geben“, sagt Arunjai Mittal, Chef der Industriesparte bei Infi neon. Dabei spielt die Halbleiterbran che bereits heute eine bedeutende Rolle bei der Stromerzeugung, beispielsweise bei der Wind- und Wasserkraft sowie der Solarenergie. Mittal spricht im In terview mit dem WirtschaftsKurier über die Schlüsselposition der Chipindustrie in diesem Segment sowie über die Vi sion der effizienten Vernetzung unter schiedlicher Energiequellen. WirtschaftsKurier: Herr Mittal, welche Rolle spielt die Chipindustrie bei der Stromerzeugung in Wind- und Wasserkraftanlagen? Arunjai Mittal: Halbleiter sind in der Stromversorgung über die gesamte Wertschöpfungskette für elektrische Energie unverzichtbar: von der Er zeugung über den Transport bis hin zum Verbrauch. Sogenannte Leis tungshalbleiter tragen entscheidend dazu bei, dass Energie aus Wind, Son ne und Wasser effizienter verteilt und genutzt werden kann. Diese Produkte helfen, möglichst viel der durch Wind oder Sonneneinstrahlung gewonne nen elektrischen Energie ins Strom netz einzuspeisen und die Energie verluste während der Übertragung vom Ort der Erzeugung zum Verbrau cher auf ein Minimum zu senken. „Die Weiterentwicklung der Halbleitertechnologie trägt einen enormen Teil zur Verbesserung des Wirkungsgrads der Anlagen bei.“ Arunjai Mittal, Division President der Industrial & Multimarket Division von Infineon WiKu: Können Sie die erhöhte Energieeffizienz durch die Halbleiter anhand eines Beispiels erläutern? Mittal: Ein eindrucksvolles Beispiel für die Effizienz unserer Halbleiter ist eine 1 500 Kilometer lange Strom trasse in China: Sie hat eine Übertra gungskapazität von 5 000 Megawatt und transportiert den Strom aus meh reren Wasserkraftwerken bei Yunnan im Landesinneren zur Wirtschaftsre gion Guangdong mit den Millionen städten Guangzhou und Shenzhen. Trotz dieser langen Strecke betragen die Transportverluste dank der ein gesetzten Hochspannungs-Gleich strom-Übertragungstechnik (HGÜ) nur 2 % pro 1 000 Kilometer. Vergli chen mit den fossil befeuerten Kraft werken der Provinz Guangdong wer den so jährlich 30 Megatonnen an CO2-Emissionen vermieden. WiKu: Bei Offshore-Windanlagen wird ein möglichst verlustarmer Stromtransport zum Land angestrebt. Wie kann dies am effizientesten umgesetzt werden? Mittal: Die Herausforderung liegt hier in der Länge der Übertragungswege und der Art der Kabel. Der Strom kann nicht über eine Freileitung wie an Land transportiert werden, das geht nur mithilfe eines Hochspannungs kabels unter Wasser. Und das kann – wenn auch nur schwer vorstellbar – verstopfen. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen: Fließt in einem Kabel Wechselstrom, ändert sich die Span nung und somit auch die Richtung des Stroms hundertmal pro Sekunde. Dadurch wird der Isolator im See kabel über den Leiter ständig auf- und entladen. Je länger das Kabel ist, desto mehr Strom muss für das stän dige Auf- und Entladen des Isolators in das Kabel hineinfließen. Die Folge: Ab einer Länge von etwa 70 Kilome tern „verstopft“ dieser Ladestrom das Seekabel. Es kann daher keinen Windstrom mehr an Land transpor tieren. Die Lösung dafür sind soge nannte Umrichter, welche die Energie in Gleichstrom wandeln, der diesem Phänomen nicht unterliegt. Die HGÜTechnik erlaubt es, den Strom der großen Windparks sehr effizient an Land zu transportieren. WiKu: Wie tragen Halbleiter bei der Windkraft zur effizienten Stromerzeugung bei? Mittal: In das Stromnetz muss man Wechselstrom mit einer bestimmten Spannung und der passenden Fre quenz einspeisen. Photovoltaik- und Windkraftanlagen zum Beispiel lie fern das nicht direkt und der Strom muss umgeformt werden. Das erfolgt mit sogenannten Umrichtern, deren Herzstück Leistungshalbleiter sind. Durch den Trend zu neuen Windge neratoren-Technologien wird sich der Halbleiteranteil in Windkraftanlagen im Lauf der nächsten Jahre verdop peln oder sogar verdreifachen. Die Weiterentwicklung der Halbleiter technologie trägt einen enormen Teil zur Verbesserung des Wirkungsgrads der Anlagen bei. In den vergangenen 15 Jahren konnten wir bei gleichblei bender Chipfläche die Leistung um über 180 % erhöhen. WiKu: In welchen weiteren Bereichen der Energieerzeugung kann mit der Chiptechnologie mehr Effizienz erreicht werden? Mittal: Halbleiter sind in allen Berei chen der Stromerzeugung unver zichtbar. Das Zusammenspiel von zwei Komponenten ist erforderlich, um unsere Energieversorgung lang fristig zu sichern: zum einen die Ener gieerzeugung, die deutlich stärker auf erneuerbaren und CO2-freien Tech nologien basieren muss. Aber min destens genauso wichtig ist auch der Energiekonsum: die effizientere Nut zung von elektrischer Energie stellt künftig eine unserer größten Energie ressourcen dar. Dies gilt sowohl für den Verbrauch der elektrischen Ener gie in Unternehmen als auch in Pri vathaushalten. Mit Halbleitern kön nen wir aus elektronischen Geräten und Motoren mehr Leistung bei gleichbleibendem oder sogar sinken dem Stromverbrauch herausholen. Bereits heute wäre es möglich, bis zu 25 % des weltweiten Stromverbrauchs einzusparen. So verbraucht etwa die Elektronikschaltung für die Strom versorgung der Recheneinheit eines Computer-Servers dank der Energie sparchips von Infineon rund 30 Watt weniger Strom. Hochgerechnet auf rund 60 Mio. Server weltweit entsprä che dies einer Ersparnis von 1,8 Giga watt – der Leistung eines mittleren Atomkraftwerks. Daran sehen Sie, wie ein kleiner Chip, der weniger als ei nen Euro kostet, zum Umweltschutz beitragen kann. WiKu: Herr Mittal, schauen wir in die Zukunft: Welche Vision einer modernen Energieversorgung schwebt Ihnen vor und welche Rolle wird dabei die Halbleiterindustrie spielen? Mittal: Der Umbau der Stromnetze zu intelligenten Netzen, den Smart Grids, ist die entscheidende Voraussetzung, um den wachsenden Energiebedarf auch in Zukunft decken zu können. Nur Smart Grids können je nach Be darf und Auslastung zwischen den unterschiedlichen Stromquellen wie Wind-, Solar-, Wasser- oder den kon ventionellen Kraftwerken flexibel hinund herschalten. Intelligente Strom zähler (Smart Meters) und kommuni kationsfähige Haushaltsgeräte werden zur Verlängerung und Schnittstelle des Smart Grids in den Haushalten. Der Smart Meter liefert Verbrauchs daten per Datennetz, sodass Strom erzeugung und -verbrauch optimal aufeinander abgestimmt werden kön nen. So kann der Stromkunde künftig Geräte mit hohem Stromverbrauch dann einschalten, wenn ein StromÜberangebot vorhanden und der Preis niedrig ist. Damit spart er Geld und leistet einen Beitrag zum Um weltschutz. Das alles ist nur mit inno vativen Halbleiterlösungen möglich. 20 Energie & Effizienz März 2011 WirtschaftsKurier Die Energiewelt von morgen Landis+Gyr | Die Installierung von digitalen Stromzählern ist die Grundlage für eine effiziente Versorgung, meint CEO Peter Heuell S Vernetzte Welt und intelligente Netze: Die Energiewelt von morgen wird online reguliert und gesteuert. Dafür sind leistungsfähige IT-Plattformen notwendig, über die Erzeugung und Verbrauch sinnvoll gemanagt werden. mart Meters sind ein Herzstück der zukünftigen Energiewelt. Sie messen den Strom digital, „smart“ werden sie durch die Möglich keit, über Internet, Mobilfunknetz oder Power Line mit dem Versorger zu kom munizieren. Die Kunden können da durch bald viele neue Tarifangebote und Services nutzen. Über die Chan cen der neuen Energiewelt und die Stolpersteine auf dem Weg dahin sprach WiKu-Chefredakteurin Elwine Happ-Frank mit Peter Heuell, CEO von Landis+Gyr Deutschland. WirtschaftsKurier: Die Energiewelt steht vor einem großen Umbruch. Welche Rolle spielen dabei die digitalen Stromzähler? Peter Heuell: Smart Meters sind eine wesentliche Grundlage für eine effi ziente Versorgung, die durch digitale Energiemanagement-Systeme gesteuert wird. Landis+Gyr ist wie kaum ein anderes Unternehmen für die neue digitale Ära aufgestellt. Wir haben unsere Unternehmensstrate gie auf diesen Wandel ausgerichtet, in die Entwicklung der Technologie investiert und durch Firmenzukäufe unser Angebotsportfolio vervollstän digt. Mit Erfolg. Wir sind heute an fast jedem Smart-Meter-Großprojekt in Europa beteiligt. Unser Ziel ist es, Marktführer in diesem Bereich zu werden. WiKu: Was sind die wesentlichen Kennzeichen der neuen Energiewelt? Heuell: Die Erzeugung wird nicht mehr dem Verbrauch folgen, sondern der „Die Erzeugung wird nicht mehr dem Verbrauch folgen, sondern der Verbrauch wird sich an der Erzeugung orientieren.“ Peter Heuell, CEO Landis+Gyr Deutschland Verbrauch wird sich an der Erzeu gung orientieren. Ein Beispiel: Die Waschmaschine könnte in Zukunft online einen Impuls bekommen, wenn das Stromangebot sehr groß ist, und sich dann automatisch ein schalten. Zu diesem Zeitpunkt wird gleichzeitig der Tarif am günstigsten sein. Waschautomaten, die das kön nen, gibt es im Übrigen schon: Miele ist ein Vorreiter auf diesem Gebiet. WiKu: Was kostet ein Smart Meter? Heuell: In den meisten europäischen Ländern liegen die Ausgaben bei etwa 100 Euro. In Deutschland ist der Preis höher, weil die Stückzahlen hier noch niedrig sind. Deutschland hinkt in diesem Bereich hinterher. Unklar ist zudem noch immer, wer hierzulande für die Kosten eines intelligenten Zählers aufkommt. In vielen anderen europäischen Län dern werden die Ausgaben in einem Umlageverfahren auf Energieerzeu ger, Netzbetreiber und Verbraucher verteilt. In Deutschland wird der Kunde wohl allein dafür aufkommen müssen. WiKu: Wie ist denn die Situation in anderen europäischen Ländern? Heuell: Italien ist praktisch flächende ckend mit Smart Meters ausgestattet, auch Schweden ist schon relativ weit. Viele andere Länder haben be reits entsprechende Projekte verge ben oder stehen kurz vor einem lan desweiten Roll-out. Dazu gehören Frankreich, England, Spanien oder auch Dänemark und Finnland. WiKu: Wieso verzögert sich die Einführung in Deutschland? Immerhin müssen seit Anfang 2010 bei neuen Gebäuden oder größeren Umbauten Smart Meters eingesetzt werden ... Heuell: Das stimmt, aber aufgrund ei nes Übersetzungsfehlers vom Engli schen ins Deutsche, den die EU zu verantworten hat, sind die gesetzli chen Vorgaben in Deutschland nicht zukunftsweisend. So sind die Zähler, die jetzt eingebaut werden müssen, zum Beispiel nicht kommunikativ – eine Voraussetzung für energieeffizi ente Konzepte. Außerdem können die Verbräuche in der Regel nur an einem Display im Keller und in Mehrfamilienhäusern in der Regel unter Verwendung einer Pin einge sehen werden – in vielen Häusern sind die Räume mit den Zählern so gar überhaupt nicht zugänglich. WiKu: Seit Anfang dieses Jahres müssen die Versorger neue lastvariable Tarife anbieten. Wie ist da der Stand der Dinge? Heuell: Um Probleme wegen der kom plexen gesetzlichen Rahmenbedin gungen zu umgehen, erlaubt die Verordnung sowohl last- als auch zeitvariable Tarife. Für Letztere müs sen aber keine Smart Meters instal liert werden. Zeitvariable Tarife las sen sich auch mit einem herkömm lichen Zähler in Kombination mit einer Zeitschaltuhr umsetzen. WiKu: Dann wird sich die Einführung in Deutschland noch einige Zeit hinziehen. Heuell: Ja. Hier werden die herkömm lichen Zähler wohl erst beim turnus gemäßen Austausch durch Smart Meters ersetzt. WiKu: Die EU strebt bis 2020 in Eu ropa eine 80%ige Abdeckung mit Smart Meters an. Wie sieht das in Deutschland aus? Heuell: Ich glaube nicht, dass dieser Zeitplan realistisch ist. Ich gehe da von aus, dass die Einführung ab 2012 in Schwung kommt und das EU-Ziel bis etwa 2024 erreicht wird. WiKu: Was sind die Vorteile der neuen Energiezähler? Heuell: Smart Meters sind intelligente Messpunkte, die neben dem Ver brauch auch die Spannung und an dere Parameter messen und diese Werte via bidirektionale Kommuni kation an den Versorger übertragen können. Diese Funktionalität wird in Zukunft eine große Rolle spielen, wenn der Anteil der regenerativen Energien zunimmt. Darüber hinaus können mithilfe der intelligenten Zähler Daten zum Stromverbrauch für den Kunden generiert werden. So haben wir derzeit schon sehr de taillierte Informationen über Hoch spannungsnetze. Aber im Bereich der mittleren Spannung und auf der Ebene der Verbraucher fehlen uns entsprechende Daten. Diese aber sind die Grundlage für stabile Netze, letztendlich das „Smart Grid“. Zu sätzlich sind Smart Meters die Grundlage für neue Tarifangebote und Services. WiKu: Welche Möglichkeiten für neue Tarife gibt es denn? Heuell: Es gibt ja heute schon verein zelt Situationen an den Energiebör sen, wo man für den Stromeinkauf nicht zahlen muss, sondern für die Abnahme sogar Kostenvorteile er hält. Es wäre beispielsweise denkbar, dass Strom zu Zeiten mit sehr nied rigem Verbrauch oder deutlichem Überangebot in einem bestimmten Zeitfenster wesentlich günstiger ist als heute. WiKu: Welche neuen Dienstleistungen machen Smart Meters möglich? Heuell: Da sind sehr viele verschiede ne Dinge denkbar. Die Palette reicht von speziellen Services für ältere Menschen über den Feuerschutz bis hin zu Angeboten für stromsparende Haushaltsgeräte. WiKu: Außer der holperigen Einführung der Smart Meters – welche weiteren Stolpersteine gibt es für die Verwirklichung einer effizienten Energieversorgung? Heuell: Das ist zum einen der Mangel an innovativen Speichern. In diesem Zusammenhang werden in Zukunft voraussichtlich die Batterien von E-Autos eine wichtige Rolle spielen. Aber auch andere Technologien wie die Verflüssigung von Wasserstoff oder auch neue Gasspeicher müssen weiterentwickelt werden. Es gibt auch ganz neue Denkansätze: Zum Beispiel könnte man die Temperatur in einem Tiefkühlhaus ein Grad stär ker absenken als üblich und dann die Kühlung ausschalten. Über 24 Stunden steigt die Temperatur wie der um ein Grad. Das ist auch eine Form der Energiespeicherung. WiKu: Gibt es noch weitere Probleme bei der Verwirklichung der neuen Energiewelt? Heuell: Die Netzkapazitäten sind ein Engpass. Nach einer Studie brau chen wir in Deutschland 3 600 Kilo meter neue Leitungen. Im vergange nen Jahr wurden aber gerade einmal 70 Kilometer gebaut. L andis+Gyr Landis+Gyr ist ein Global Player für Energiemanagement-Systeme. Smart Meter mit entsprechender SoftwareAusstattung treten derzeit einen Siegeszug an: Sie sind ein wichtiger Baustein für das neue Energiezeitalter, in dem die Erneuerbaren eine größere Rolle spielen. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Zug (Schweiz) produziert bereits seit über 100 Jahren elektromechanische Zähler, die zur Energieabrechnung verwendet werden. Mitte des Jahres wird das Unternehmen dieses Geschäft einstellen und sich ganz auf die Herstellung von digitalen Smart Meters konzentrieren. Die Lizenz zum Sparen Neue EU-Norm | Der Chemieproduzent Innospec aus Leuna installiert zusammen mit dem TÜV Süd ein modernes Energiemanagement von Michael Bunk und Silvio Kammer* I n der Industrie bietet der Nachweis eines Energiemanagementsystems (EnMS) seit Jahresbeginn Möglich keiten für Ermäßigungen bei Energieund Stromsteuern, wenn es von unab hängiger Stelle zertifiziert ist – zum Bei spiel nach DIN EN 16001. Die EU-Norm beschreibt die Anforderungen an ein systematisches und stetiges Energiema nagement für mehr Effizienz und unter Beachtung geltender gesetzlicher Vor gaben. Die Jahre 2011 und 2012 gelten als Übergangszeitraum, in dem die Grundlagen für das Implementieren eines EnMS gelegt werden wie eine Sys tematik zur Erfassung der Verbrauchs daten. Ab 2013 dürfte ein voll funktions fähiges EnMS dann notwendige Bedin gung für Steuerermäßigungen sein. Das EnMS dient der systematischen Senkung des Energiebedarfs und damit der Reduzierung des Energiekosten anteils an den Betriebskosten. Vorhan dene Optimierungspotenziale bei Ener giebezug und -verwendung werden durch die Datenerfassung und -auswer tung sichtbar. Grundlegende Vorausset zung für die Einführung eines EnMS ist die genaue Kenntnis des Ist-Zustands der vorliegenden Anlage sowie eine präzise Aufstellung des gesamten Ener giebedarfs der Produktionsanlagen. Er gänzend zu den Daten aus der vorhan denen Betriebsmesstechnik werden zur umfassenden Analyse und Komplettie rung der Energiebilanz temporäre Mes sungen an den Anlagen und Systemen vorgenommen. Detailarbeit und Gesamtüberblick TÜV Süd Industrie Service hat zusam men mit Innospec Leuna eine Studie zu dessen Energiebedarf erstellt und un terstützt den Spezialchemie-Hersteller derzeit bei der Einführung eines hoch modernen EnMS. Der Blick aufs Detail und die einzelnen Prozesse verbunden mit branchenübergreifendem Fachwis sen waren dabei von entscheidender Bedeutung. Innospec Leuna ist Teil der interna tionalen Innospec Specialty Chemicals Inc. An seinem Standort in Sachsen-An halt stellt das Unternehmen Spezial kunststoffe und chemische Zusätze her. Zur permanenten Steigerung seiner Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit hat der Spezialchemie-Hersteller seit dem Jahr 2000 über 20 Mio. Euro inves tiert. Im Rahmen der fortschreitenden technischen Entwicklung werden auch die Produktionsprozesse einer laufen den Modernisierung unterzogen wer den. Einsparpotenziale lassen sich na hezu bei jeder Anlage finden. Das Expertenteam von TÜV Süd ana lysierte zusammen mit Ingenieuren von Innospec die Netzqualität sowie die zeitabhängige Lastaufnahme. Darüber hinaus haben sie einzelne Anlagen mit außergewöhnlichen Verbrauchsspitzen und den Dampfhaushalt untersucht. Ein im Branchenvergleich überdurch schnittlicher Bedarf an Dampf und Strom wirkte sich auch auf die Energie kosten aus. Für die einzelnen Prozessstufen ha ben die Experten zunächst umfangrei che Screening-Analysen zu Energiebe zug und -einsatz vorgenommen. Kern prozess in Leuna ist die Polymerisation, zentrale Anlage dafür ist unter anderem ein Höchstdruckverdichter. Er wird zur ersten Aufbereitung der Ausgangsstoffe eingesetzt und benötigt mit über 50 % den Großteil der Energie. Es folgen der Zwischendruckverdichter, die Kühl kreisläufe und diverse Einzelverbrau cher, die für die Untersuchung zusam mengefasst wurden. Online-Messungen des Energiebedarfs Effizienz im Fokus: Der Spezialchemiehersteller Innospec Leuna analysiert an seinem Standort in Sachsen-Anhalt zusammen mit den Experten von TÜV Süd die Einsparpotenziale der Anlagen. foto: innospec leuna/tüv Süd In einem zweiten Schritt und ausge hend von den erhobenen Daten wur den mögliche Einsparpotenziale ermit telt und Maßnahmen für Optimierun gen vorgeschlagen. Dazu zählten neue noch energieeffizientere Antriebe und Motoren. Weitere Maßnahmen beinhal ten die Volumenstrom- beziehungswei se Druckregelung von Kühlkreislauf pumpen sowie die Nutzung von über schüssigem Niederdruckdampf. Das Energiemanagementsystem, das derzeit implementiert wird, ermöglich künftig Online-Messungen des Energiebedarfs. Dieser wird dann nach Kosten-NutzenRechnungen ausgewertet. In der Praxis konnte der Großteil der Maßnahmen vollständig oder teilweise implementiert werden – mit überschau baren Investitionskosten. Bei Produkti onsunterbrechungen werden nun sämt liche Nebenaggregate vollständig ab geschaltet, bei Ersatz- und Neuinvesti tionen werden Geräte wie Antriebe und Motoren systematisch durch energie effizientere ersetzt. Das vorhandene Prozessleitsystem wird zusätzlich so genutzt, dass sich einzelne Geräte bedarfsabhängig ansteuern lassen. Die TÜV-Süd-Experten prüfen darüber hinaus, wie sich der rückgespeiste Nie derdruckdampf so nutzen lässt, dass das energetische Potenzial kostenredu zierend eingesetzt werden kann. Des Weiteren wird untersucht, wie sich die Qualität des ohnehin erzeugten Nieder druckdampfs so verbessern lässt, dass dieser sinnvoll weiterverwendet werden kann. Der optimierte Produktionspro zess spart jährlich gut 5 % der Energie kosten ein. Das hochmoderne Energie managementsystem, das derzeit imple mentiert wird, bringt künftig weiteres Einsparpotenzial von 3 % bis 5 %. *Michael Bunk ist Leiter Energiesysteme beim TÜV Süd Industrie Service, Silvio Kammer ist Prokurist und Leiter Technik bei Innospec Leuna März 2011 WirtschaftsKurier Mittelstandsfinanzierung 21 Wissen ist Macht Keine Scheu vor dem Parkett Keine Frage der Größe Wie Phoenix aus der Asche Marken und Patente sind nicht zu unterschätzende Vermögensgegenstände im Unternehmen – doch sie zu barer Münze zu machen ist tricky. Seite 22 Christine Bortenlänger von der Börse München erklärt, warum das Going Public nicht nur Seite 23 für Großkonzerne geeignet ist. Die „Kleinen“ scheuen oftmals noch den Gang ins Ausland. Bernd Laber von der Commerzbank erklärt im Interview, worauf zu achten ist. Seite 25 Factoring | Die Branche brach in der Finanzkrise ein – doch nun meldet sie ab Seite 26 sich fulminant zurück. „Wir wollen Kernbank des Mittelstands sein“ BayernLB | Vorstand Jan-Christian Dreesen über die strategische Neuausrichtung des Instituts D ie BayernLB hat in der Wirtschafts- und Finanzkrise viele Federn lassen müssen, sich aber mit einem umfassen Restrukturierungsprogramm wieder auf Erfolgskurs gebracht. Zukünftig will sich das Institut auf die Bereiche Großunternehmen, Immobilien, Sparkassen und vor allem auf das Geschäft mit dem Mittelstand konzentrieren. Mit BayernLB-Vorstand Jan-Christian Dreesen sprach WiKu-Mitarbeiter Dieter W. Heumann. WirtschaftsKurier: Von der neuen BayernLB ist die Rede. Worin un terscheidet sie sich von dem alten Institut, das in der Finanzkrise kräf tig Federn lassen musste? Jan-Christian Dreesen: Heute gehen wir nur noch Risiken ein, die wir kennen und beherrschen. Wir konzentrieren uns auf das Kerngeschäft: Mittelstand, Großunternehmen, Immobilien und Sparkassen. Alles, was nicht zu unseren Kernaktivitäten gehört, bauen wir konsequent ab. Das Kreditersatzgeschäft der früheren Jahre betreiben wir beispielsweise gar nicht mehr. Dadurch haben wir wie geplant die Bilanzsumme in den vergangenen zwei Jahren um etwa 90 Mrd. Euro auf rund 330 Mrd. Euro reduziert. Den Wandel bei der BayernLB können Sie auch am Vorstand festmachen, der seit 2008 komplett erneuert wurde. WiKu: Welchen Stellenwert nimmt das Firmenkundengeschäft in der neuen Bank ein? Dreesen: Es gibt meines Erachtens zwei wesentliche Kernelemente, die für das Geschäftsmodell einer Landesbank wichtig sind: erstens das Sparkassen- oder Konsortialgeschäft, weil die Landesbank das Zentralinstitut für die Sparkassen ist, und zweitens das Firmenkundengeschäft. Dazu gehört bei der BayernLB sowohl das Mittelstands- als auch das Großkundengeschäft. Zum Großkundengeschäft zählt unter anderem das Geschäft mit den Dax-30-Unternehmen. Damit haben wir eine gute strategische Positionierung gefunden. WiKu: Welchen Stellenwert hat das mittelständische Kreditgeschäft für Ihr Institut? Dreesen: Im Zuge der Restrukturierung haben wir mit dem Mittelstandsge- schäft einen Schwerpunkt gebildet und einen klaren Wachstumskurs eingeschlagen. Dass wir richtig entschieden haben, zeigt sich seither in höheren Kreditvolumina, wachsenden Erträgen und der steigenden Zahl an Kunden. Im Rahmen des Mittelstandsgeschäfts sprechen wir Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 50 Mio. Euro an. Gemeinsam mit unserer Tochter DKB ist die BayernLB einer der größten Mittelstandsfinanzierer in Deutschland. Die DKB ist im Firmenkun denkreditgeschäft vor allem in Ostdeutschland engagiert. Ende vergangenen Jahres verfügten DKB und BayernLB über Kredite an den Mittelstand in Höhe von gut 48 Mrd. Euro. WiKu: Wie hat sich Ihre mittelstän dische Kreditsparte im Jahr 2010 entwickelt? Dreesen: Zusammengenommen haben wir das Kreditvolumen im vergangenen Jahr gegenüber 2009 um mehr als 10 % gesteigert. Allein die BayernLB konnte durch die Kon zentration auf den Mittelstand 2010 100 neue Kunden gewinnen. Zudem haben wir das Bestandskunden geschäft gestärkt, indem es gelungen ist, uns vermehrt als Kernbank zu positionieren. Die Positionierung im Mittelstand als Kernbank ge- „Alles, was nicht zu unseren Kernaktivitäten gehört, bauen wir konsequent ab.“ Jan-Christian Dreesen, BayernLB-Vorstand hört ebenfalls zu den wichtigen Zielen der BayernLB. WiKu: Alle Banken stürzen sich auf das mittelständische Kreditgeschäft in Deutschland. Dabei ist die zu er zielende Marge doch eher gering. Was macht den Reiz dieser Sparte aus? Dreesen: In der Tat, zumindest im Geschäft mit guten Adressen stehen die Margen aufgrund des ausgeprägten Wettbewerbs unter Druck. Die deutsche Wirtschaft ist mittelständisch strukturiert. Der Mittelstand ist wichtig und wir wollen Kernbank des Mittelstands sein. Das bedeutet, dass die Kreditversorgung des Mittelstands für uns – trotz teilweise schwacher Margen – hohe Priorität hat. Neben unserem Ankerprodukt, dem Kredit, liegt der Reiz des Geschäfts im Cross-Selling. Ein durchaus interessanter Ertragspool findet sich beispielsweise im Auslands geschäft durch die Begleitung von Exportfinanzierungen, Akkreditiven, Absicherungen von Währungen und Ähnlichem. Im Übrigen sollte sich jeder Kunde genau erkundigen, wie die eigene Bank aufgestellt ist und wo ihre Kernkompetenz liegt, bevor er sich zu einer engeren Zusammenarbeit entschließt. WiKu: Also – im Gegensatz zu an deren Landesbanken – hat sich die BayernLB nicht aus der Export finanzierung zurückgezogen ... Dreesen: Im Gegenteil, wir setzen in diesem Geschäftsbereich weiterhin auf Wachstum. Der Mittelstand engagiert sich zunehmend im Ausland. Und da wir Kernbank des Mittelstands sind, gehört die Exportfinanzierung – wie Dienstleistungen für das Auslandsgeschäft allgemein – zu unseren wichtigsten Angeboten bei der Begleitung des Mittelstands. WiKu: Was bietet die BayernLB in ihrem mittelständischen Kredit geschäft mehr als andere Häuser? Dreesen: Unser Branchen-Know-how. Zu den Fokus-Branchen der BayernLB zählen unter anderem die Automobilzulieferer, der Maschinenbau, die Elektrotechnik, die Chemie, der Lebensmittelbereich aber auch zukünftige Wachstumsbranchen, wie erneuerbare Energien oder Medizintechnik, also Branchen, mit denen die Bank wachsen kann. Dort sind wir in der Lage, mit den Kunden auf Augenhöhe zu sprechen. Dazu haben wir im Haus eine hohe Sach-, Branchen- und Technikkompetenz angesiedelt, von den branchenspe zifischen Betreuern bis hin zu In genieuren aller Fachrichtungen. Sie beraten unsere Kunden bei Investitionen nicht nur über die für sie güns- tigste Finanzierung, sondern auch zu Fragen der Rentabilität oder zum Einsatz der richtigen Technologie. Allein das schafft für die Kunden einen wichtigen Mehrwert. Daneben genießt auch der Wissenstransfer von außen einen hohen Stellenwert. So haben wir zum Beispiel eine Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität in München zu un serer Branchenausrichtung lanciert. Natürlich verschließen wir uns im mittelständischen Firmenkundengeschäft keiner Branche. WiKu: Das Geschäftsgebiet der Bay ernLB beschränkt sich im Mittel standsgeschäft keineswegs mehr nur auf Bayern. Neben München und Nürnberg haben Sie nun auch in Düsseldorf eine Niederlassung eingerichtet. Warum NordrheinWestfalen? Dreesen: Nordrhein-Westfahlen ist aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke ein attraktiver Standort. Etwa ein Viertel der von uns definierten mittelständischen Zielkunden – mit einem Umsatz ab 50 Mio. bis zu einer Mrd. Euro – befindet sich in NRW. Und da wir unser Mittelstandskreditgeschäft weiter ausbauen wollen, führt an diesem Bundesland kein Weg vorbei. Eine Rolle spielt zudem, dass wir aufgrund unseres besseren Angebots als Unternehmensfinanzierer gute Chancen darin sehen, in NRW Fuß zu fassen. Jeder für uns interessante Mittelständler unterhält in der Regel bis zu fünf Bankverbindungen. WiKu: Lockt – trotz geplatzter Fusion – nicht auch das Mittelstands kreditgeschäft der WestLB? Dreesen: Nein. Unser Entschluss, nach NRW zu gehen, stand bereits Ende 2009 fest – also lange bevor wir mit der WestLB Gespräche aufgenom- „Nordrhein-Westfalen ist aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke ein attraktiver Standort.“ men hatten. Die Eröffnung der Filiale in Düsseldorf ist zufällig mit dem Ende der Fusionsgespräche zusammengefallen. WiKu: Die Landesbanken sind im Kreditgeschäft relativ stark: Fast ein Viertel der Kreditversorgung im mittleren und gehobenen Unter nehmensfinanzierungsbereich in Deutschland stammt von den Lan desbanken. Wäre das nicht – neben der Zentralbankenfunktion – ein starkes Standbein für eine deutsche Landesbank, die gleichzeitig stark genug wäre, als zweite große hei mische Bank deutsche Interessen international angemessen zu ver treten? Dreesen: Jeder, der über das Thema „Brauchen wir Landesbanken“ philosophiert, sollte auch sagen, was geschähe, wenn dem Wirtschaftsstandort Deutschland sein stärkster Unternehmensfinanzierer genommen würde. Wie viele Landesbanken es in Deutschland braucht, lässt sich aus heutiger Sicht schwer beurteilen. Ohne Frage braucht Deutschland aber starke Unternehmens finanzierer. Wie Sie sagen, ist der Landesbankensektor hier bereits gut aufgestellt, insbesondere die BayernLB als klassischer Unternehmensfinanzierer. Und wir verschließen uns auch keiner vernünftigen strategischen Option. Aber wir prüfen eben auch genau unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. In erster Linie müssen wir jedoch auf uns selbst schauen. Dann sehen wir weiter. Mittelstandsbank Passgenau finanzieren: mit Kompetenz und Verständnis Strategischer Partner für Ihre Unternehmensfinanzierung Wir entwickeln im Dialog mit Ihnen maßgeschneiderte Finanzierungsund Strukturierungslösungen für Ihr Unternehmen. Sie basieren auf lösungsorientierten und produktunabhängigen Analysen und nutzen die gesamte Bandbreite an Finanzierungsinstrumenten, um ein optimales, auf Ihre Strategie abgestimmtes Ergebnis zu erzielen. Dazu verbindet sich bei unseren Experten aus dem Financial Engineering fachliche Expertise mit hohem Verständnis für die Anforderungen mittelständischer Unternehmen. Gemeinsam mit Ihnen identifizieren wir die Lösung, die den mittelund langfristigen Bedarf Ihres Unternehmens am besten deckt. www.commerzbank.de/firmenkunden Gemeinsam mehr erreichen 22 Mittelstandsfinanzierung März 2011 WirtschaftsKurier Kredithürde ist wieder niedriger Liquidität | Unternehmen kommen leichter an die benötigten Mittel von Dieter W. Heumann F ast hätte sie es zum (Un-)Wort des Jahres 2010 geschafft: die Kreditklemme. Aber schon im Lauf des vergangenen Jahres nahm ihre Popularität ab und mittlerweile fällt die Vokabel kaum noch in einer der zahlreichen Talkshows, die sich lange Zeit genüsslich mit dem Thema befassten. Das Münchner ifo Institut, das monatlich die Kredithürde für die gewerbliche Wirtschaft ermittelt – und damit über die Schwierigkeiten der Unternehmen berichtet, langfristige Bankdarlehen zu erhalten –, signalisiert Entwarnung. Nach der jüngsten Umfrage unter 4 000 deutschen Unternehmen, kommen Firmen seit Anfang 2010 in Deutschland wieder leichter an Kre dite. Nach Klaus Abberger, Koordinator der Befragungen, haben wir es mit einer „nachhaltigen Verbesserung beim Kreditzugang für Unternehmen zu tun“. Während die Kredithürde der gewerblichen Wirtschaft zu Jahresbeginn 2010 noch bei 42,4 % lag, ist sie bis zum Januar 2011 auf 25,4 % gesunken. Dabei profitierten sowohl die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes als auch die des Handels und der Bauwirtschaft. Kreditvergabe stützt den Aufschwung Zwar ist auch heute das Vorkrisen niveau der Kredithürde noch nicht ganz erreicht, so Abberger. In den Boomjahren 2007 und 2008 sei der Kreditzugang noch günstiger gewesen – vor allem für die größeren Unternehmen –, aber festzustellen sei, dass die Kreditvergabe den konjunkturellen Aufschwung in der Bundesrepublik stütze und nicht, wie lange Zeit be fürchtet, behindere. Die Banken scheinen sogar mehr Geld anzubieten, als von den Unternehmen nachgefragt wird. Michael Kemmer, Hauptgeschäfts führer des Bundesverbands deutscher Banken (BdB), klagte zur Jahreswende: „Die privaten Banken halten Kredite für ihre Unternehmenskunden bereit, allerdings werden die Kreditlinien der- zeit bei Weitem nicht ausgeschöpft.“ Nach Angaben der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) lag das Kreditneugeschäft der deutschen Banken im dritten Quartal 2010 um 9 % unter dem des entsprechenden Vorjahresquartals. Die Dynamik des Rückgangs bleibt zwar weit unter den hohen zweistel ligen Schrumpfungsraten des Winterhalbjahrs 2009/10, aber die Förderbank rechnet mit einem anhaltenden, wenn auch weiter abgeschwächten Rückgang im vierten Quartal 2010 und im ersten Vierteljahr 2011. Das erstaunt vor allem vor dem Hintergrund des kräftigen wirtschaftlichen Aufschwungs, in dem sich die Bundesrepublik derzeit befindet. KfW-Chefvolkswirt Norbert Irsch sieht im Wesentlichen zwei Gründe dafür, dass es bisher zu „keiner nennenswerten Belebung der Kreditnachfrage“ gekommen ist: Erstens, die deutsche Wirtschaft hat die Krise weitaus besser überstanden und befindet sich in guter Verfassung. Zweitens verfügen die Unternehmen über eine deutlich verbesserte Innenfinanzierung. Die breite öffentliche Diskussion über die Kreditklemme – von den Medien über die Verbände bis hin zur Politik – ist bei den Unternehmen auf Beachtung gestoßen: Immerhin bestand das große Risiko – angesichts der Finanzkrise und der schwierigen Lage vieler Banken – selbst für gesunde Unternehmen darin, in Liquiditätsschwierigkeiten zu geraten und so möglicherweise ihre Existenz zu riskieren. Nach Abberger wurde die Liquiditätssicherung folglich zu einem wesentlichen Anliegen der Unternehmen in der Krise, wobei die Suche nach Möglichkeiten innerhalb der Häuser in den Fordergrund rückte. Die Unternehmen bauten insbeson dere ihr Working Capital ab: Lager bestände wurden reduziert, Forderungen schneller eingetrieben und Zahlungen an Lieferanten hinausgezögert. Auch die Deutsche Bundesbank verweist auf die verbesserte Innenfinanzierung, wofür sie in erster Linie die kräftige konjunkturelle Erholung verantwortlich macht. Trotz der Absatzschwierigkeiten im Geschäft mit Neukrediten beurteilt die KfW die mittelfristigen Aussichten für den deutschen Unternehmenskreditmarkt als „so günstig wie seit langer Zeit nicht mehr“. Die Förderbank verweist auf die anhaltend guten Wachstumsaussichten für die deutsche Wirt- Mit Schwung übers Hindernis: Unternehmer signalisieren, dass die Banken die Kriterien für Finanzierungen wieder gelockert haben. Das Wort „Kreditklemme“ scheint aus den Köpfen vorerst wieder verbannt. schaft. So sei für dieses Jahr mit weiteren 2,6 % Wachstum zu rechnen. Neben den Exporten werde sich die Binnenwirtschaft spürbar erholen. Schon im Lauf des vergangenen Jahres avancierten die Investitionen zur wichtigsten Konjunkturstütze Deutschlands. Das wird sich im laufenden Jahr fortsetzen und dürfte auch im Verlauf des Jahres 2011 die Nachfrage nach Neukrediten beleben. Dennoch dürfte kurzfristig kaum ein Engpass in der Kreditvergabe auftreten, zumal deutsche Banken – auch bei vermeintlich attraktiveren Investitionsmöglichkeiten im Ausland – erfahrungsgemäß künftig vorsichtiger agieren werden, was der inländischen Kreditvergabe zugutekommen sollte. Auch im Kreditgeschäft rangieren heute Sicherheits- und Bonitätsdenken vor dem Streben nach höchster Rendite. Nach der ersten „European Credit Risk Survey“ von FICO, einem Anbieter von Predictive Analytics und Lösungen für Decision Management, und European Financial Market Association (Efma) wurden Risikomanager von mehr als 100 europäischen Banken zu Jahres beginn zur Entwicklung des Kredit geschäfts in ihrer Region befragt. 80 % der in den deutschsprachigen Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz befragten kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) gehen von einer Zunahme des Kreditangebots im nächsten halben Jahr aus. 55 % erwarten eine Ausweitung der Kreditvergabe an KMUs. Dennoch warnt Abberger: „Auch wenn wir gegenwärtig weit von einer Kreditklemme entfernt sind, so sollten wir dieses Thema doch nicht völlig verbannen.“ Er verweist auf die strengeren Basel-III-Regelungen, die ab 2013 in Kraft treten und die zwar einerseits notwendig seien, aber andererseits tief in das Geschäftsgebaren der Banken eingreifen würden. In der Tat müssen die Kreditinstitute ihr Eigenkapital stärken und werden sich dafür zusätzliche Gelder besorgen müssen. Viele Institute müssen da noch reagieren, wobei einige von ihnen große Schwierigkeiten bekommen dürften an aus- reichendes Kapital zu gelangen. Das aber könnte sich auf das Kreditangebot auswirken, vor allem aber werden die Banken versuchen, die mit den Ka pitalaufstockungen verbundenen hö heren Kosten – je nach Marktlage – auf die Kunden überzuwälzen. Auch der Zins ist keineswegs auf seinem niedrigen Niveau zementiert, selbst wenn die EZB derzeit nicht am Leitzins dreht – da unterschiedliche Konjunkturgeschwindigkeiten in der Eurozone und die Notwendigkeit ausreichender Liquiditätsversorgung immer noch leidender Finanzinstitute und hochverschuldeter Staaten die Notenbank im Augenblick noch zurückhalten. Das deutsche Zinsniveau dürfte ohnehin auf den Prüfstand kommen, zumal die Garantien Deutschlands für die Schuldenstaaten erst jüngst wieder kräftig angehoben wurden, was längerfristig kaum spurlos an der guten Bonität des Landes vorbeigehen dürfte. Trotz Optimismus – einige Risiken bleiben Aber es gibt noch weitere Risiken zu beachten: So schwelt weiterhin die Krise der Landesbanken, die immerhin etwa ein Viertel aller Kredite in Deutschland vergeben. Dass sich derzeit bei der Westdeutschen Landesbank (WestLB) Lösungsmöglichkeiten andeuten, ist im Wesentlichen dem Druck aus Brüssel geschuldet und die EU-Behörde hat bereits die Landesbanken im Norden, Süden und Südwesten der Republik im Visier. Keineswegs gelöst ist auch die Schuldenpro blematik der Peripheriestaaten in der Eurozone. Dort sind einige große deutsche Banken als Kreditgeber – zum Teil recht stark – involviert. In den USA schwelt noch das Risiko der Gewerbe immobilien. Viele dieser Immobilien wurden im Boom finanziert und stehen jetzt vor der Umfinanzierung. Auch da sind deutsche Banken im Obligo. Auch wenn die gute Konjunktur hierzulande derzeit viele Sorgen verdrängt, so sind doch die durch die Finanzkrise entstandenen Probleme meist noch nicht gelöst. Aus einer Idee wird bare Münze Marken und Patente | Ein mögliches Finanzierungsinstrument für den Mittelstand von constanze meindl W er nicht erfindet, verschwindet. Wer nicht patentiert, verliert.“ Dieses Zitat von Erich Otto Häußer, der von 1976 bis 1995 Präsident des Deutschen Patentund Markenamts war, hat heute so viel Gewicht wie vielleicht noch nie. Alles, was technisch neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar ist – die Grundpfeiler einer jeden potenziellen Patent anmeldung –, steht in der Ökonomie des 21. Jahrhunderts hoch im Kurs. Technologieführerschaft, F & E-Kosten und Know-how sind Begriffe, die mit dem Wirtschaftsleben mittlerweile mindestens so verbunden sind wie Konjunktur, Gewinn und der ehrbare Kaufmann. Aber – wer seine Neuerung geschützt wissen will, muss tief in die Tasche greifen: Abgesehen von den Entwicklungskosten fallen noch Gebühren bei den zuständigen Ämtern an – vom Honorar für den Patentanwalt, der in der Regel unverzichtbar ist, um ein Patent, Gebrauchs- oder Geschmacksmuster anzumelden, ganz zu schweigen: Ausarbeitung der Patentschrift, Beantwortung von Prüfungsbescheiden und die fristgerechte Einzahlung von fälligen Gebühren nehmen in der Regel viel Zeit und Ressourcen in Anspruch. 10 000 Euro können bis zur Erteilung eines Patents schon mal fällig werden. Wer seine Erfindung gar in allen 38 an das Europäische Patentübereinkommen angeschlossenen Ländern vor Nachahmern gesichert wissen will, sollte sich auf Kosten bis zu 100 000 Euro oder mehr einstellen. Doch Patente, Marken und Co sind nicht nur ein wichtiger Treibstoff, um den Motor eines Unternehmens am Laufen zu halten. Sie sind ein nicht zu unterschätzender immaterieller Vermögensgegenstand, der positiv zur Unternehmensfinanzierung beitragen kann. Für Mittelständler bieten sich im Wesentlichen zwei Möglichkeiten, wie sie ihr geistiges Eigentum – oder Intellectual Property (IP) – zu barer Münze machen können. Sale-and-Lease-Back zur Wachstumsfinanzierung Beim Sale-and-Lease-Back-Verfahren werden Marken und Patente an eine Leasinggesellschaft oder an eine für diesen Zweck gegründete Objektgesellschaft verkauft und anschließend zurückgeleast. „Das Sale-and-LeaseBack-Verfahren ist aber kein Instrument zur Krisenfinanzierung“, erläutert Robert Tafelmeier, Geschäftsführer der IP Valuation GmbH. Denn diese Methode eigne sich nur für Unternehmen, die solides Wachstum aufweisen. Minimum ist ein Jahresumsatz von 20 bis 25 Mio. Euro. Es sei jedoch durchaus ein Instrument zur Wachstumsfinanzierung. Falls ein Mittelständler beispielsweise plane, ins Ausland zu gehen, kann das Sale-and-Lease-Back von Marken und Patenten – wie es bei Immobilien schon lang üblich ist – eine Alternative sein. Häufiger werden Patente und Marken als Sicherheit für einen klassischen Kredit bei der Bank verwendet, erklärt Tafelmeier. Besonders um eine Insolvenz zu verhindern, böte sich diese Lö- Wissen ist Macht: Know-how ist heutzutage das wahrscheinlich wichtigste Gut – doch den Preis für Wissen festzulegen ist keine leichte Aufgabe. sung für den Mittelstand an. Denn selbst wenn ein starkes Patent- oder Markenportfolio vorliegt – in den Büchern taucht dies nicht auf. Werte von Marken dürfen derzeit überhaupt nicht bilanziert werden, Patente nur mit den bisherigen Investitionskosten angesetzt werden. Durch ein Gutachten bewertete immaterielle Vermögens gegenstände können aber als stille Reserven in die Kreditverhandlungen mit eingebracht werden – und so Zahlungsengpässe behoben werden. Noch machen besonders die großen Banken nur in einem überschaubaren Rahmen Gebrauch von dieser Möglichkeit, so Tafelmeier. Er beobachte jedoch, dass die Institute sich zunehmend dieser Option öffnen, und empfiehlt Mittelständlern, die Thematik aktiv bei ihrer Bank anzusprechen. Denn die Einbringung von Marken und Patenten kann das Firmen-Rating verbessern. „Hier entsteht eine Win-win-Situation für Banken und Unternehmer“, bestätigt Tafelmeier. Die Finanzinstitute müssen Kredite an besser geratete Unternehmen mit weniger Eigenkapital hinterlegen. Firmen erhalten mit einer besseren Einstufung ihres Unternehmens attraktivere Kreditkonditionen. Einen weiteren Schub erwartet Tafelmeier, wenn in den nächsten Jahren die Bilanzierungsrichtlinien – sowohl nach HGB als auch nach IFRS – weiter für immaterielle Vermögensgegenstände geöffnet werden. Dann glaubt Tafelmeier, werden sich auch die Banken noch stärker dem Thema zuwenden. Auch Betriebe, die sich im Insolvenz verfahren befinden, können mit vorhandenen Marken und Patenten ihre Verhandlungsposition verbessern. Der Insolvenzverwalter erhalte gute Argumente für seine Verhandlungen, das Unternehmen stelle sich am Markt attraktiver dar und es lägen klare Argumente für die Fortführung des Betriebs auf der Hand, erläutert Tafelmeier. Voraussetzung für all diese Transaktionen ist die zuverlässige Bewertung von Marken und Patenten. Wie sich aus der Bezeichnung „immaterieller“ Vermögensgegenstand schon ergibt, ist das keine einfache Aufgabe. Es existieren diverse Bewertungsleitlinien – DIN-Normen und ISO-Standards –, die besonders in den vergangenen Jahren immer weiter ausgearbeitet wurden. Sie stellen einen roten Faden für die Beurteilung dar. In die Bewertung fließen sowohl qualitative Aspekte wie die technologische Stärke eines Patents oder die Bekanntheit einer Marke als auch quantitative Parameter wie Um satzerlöse und Renditekennzahlen ein. Risiken werden mit einem Abschlag bewertet. „Wichtig ist am Ende, dass der ermittelte Wert transparent und nachvollziehbar ist“, so Tafelmeier. Nicht jedes Patent hat das Zeug zum „Blockbuster“ Dagegen steht Prof. Andreas Beyer, Sozius bei der Patent- und Rechtsanwaltskanzlei Wuesthoff & Wuesthoff, einer zuverlässigen Bewertung von Marken und Patenten eher kritisch gegenüber. Seiner Meinung nach werde hier viel Schindluder getrieben. „Nur die wenigsten Patente bringen Geld ein“, konstatiert der Diplom-Ingenieur. Meist dienten sie dazu, sich einen technologischen Vorsprung vor den Wettbewerbern zu sichern oder diese aus dem Markt fernzuhalten. Der monetäre Nutzen stehe oftmals nicht im Vordergrund. Hier einen Wert zu be ziffern sei beinahe unmöglich, da die meisten Produkte nicht nur mit einem, sondern mit einer Vielzahl von Patenten geschützt sind. Außerdem sei nie abzusehen, ob eine Erfindung das Zeug zum „Blockbuster-Patent“ habe oder nicht. Auch er habe schon in so mancher Neuerung enormes Potenzial gesehen, das dann aber vom Markt nicht honoriert wurde. Nicht zuletzt deshalb kommt der Experte zu dem Schluss: „Als Bank wäre ich sehr vorsichtig, ein Patent als Sicherheit anzuerkennen.“ Für seriös hält Prof. Beyer eine Bewertung nur, wenn durch ein Patent bereits Lizenzeinnahmen generiert werden. Hier habe der Markt die Unsicherheiten bezüglich des Wertes beseitigt und eine Basis geschaffen, auf der eine Bewertung aufbauen könne. März 23 Mittelstandsfinanzierung 2011 WirtschaftsKurier Der Mittelstand gehört aufs Parkett Börse München | Nicht nur für Großkonzerne ist der Gang an die Börse attraktiv Von Christine Bortenlänger* D ie Börsenlandschaft ist in Bewegung: Großfusionen wie der angestrebte Zusammenschluss der Deutschen Börse in Frankfurt mit der New Yorker NYSE, aber auch eine Verlagerung des Handels weg von Aktien und Renten und hin zu Derivaten sowie die wachsende Tendenz, hohe Volumina über „alternative Handelsplattformen“ außerhalb der Börsen abzuwickeln, bestimmen das Bild. Da ist es vielleicht an der Zeit, einmal über die tatsächliche Bestimmung der Börse als Börse nachzudenken – unabhängig von Umsatz-, Profit- und Shareholder-Value-Gedanken. Die Börse München wurde vor 181 Jahren vom Münchner Handelsverein mit der Intention gegründet, dem Gewerbe und den neu entstehenden industriellen Betrieben Kapital zuzuführen. Den „Wohlstand zu mehren“ und das „Glück des Einzelnen zu erhöhen“ standen im Vordergrund der Bemü- Dazu braucht es zwei Seiten einer Medaille: ein attraktives Angebot für Anleger, um transparent, sicher und liquide mit Aktien und Anleihen zu handeln, und die Möglichkeit für Unternehmen, Eigenkapital über einen Börsengang zu beschaffen oder Fremdkapital durch die Ausgabe von Unternehmensanleihen aufzunehmen. Beiden Seiten wird die Börse München gerecht: So können an der Börse München über 12 000 Wertpapiere gehandelt werden, darunter über 4 500 Aktien aus dem In- und Ausland. Banken, Brauereien und Solarfirmen sind gelistet Um neben Konzernen auch mittelständische Unternehmen mit Eigenkapital zu versorgen, gründete die Börse München 2005 das Segment m:access. Inzwischen sind hier fast vierzig Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen gelistet: Solar- und Immobilienfirmen, Banken und IT-Dienstleister, Beteiligungsgesellschaften und Brauereien, ein Textilunternehmen, ein Baustoffhändler und ein Seilbahnbetreiber. Ihre Umsätze bewegen sich vom einstelligen bis zum dreistelligen Millionenbereich und sie verteilen sich auf ganz Deutschland. Seit Ende 2010 können Unternehmen auch Fremdkapital (m:access bonds) ab einem Volumen von 25 Mio. Euro aufnehmen. Eine Mindeststückelung von höchstens 1 000 Euro erleichtert dabei die Beteiligung von Privatanlegern, deren Interesse nach Unternehmensanleihen mit Blick auf zum Teil problematische Staatsanleihen durchaus gestiegen ist. Die Räumlichkeiten der Börse München am Karolinenplatz. Die Fassade des 1894 errichteten Gebäudes steht unter Denkmalschutz. Fotos: Börse münchen Das Segment m:access der Börse München ist auf mittlere Unternehmen zugeschnitten, denn es verknüpft einen hohen Qualitätsstandard und damit Transparenz für den Anleger mit einem überschaubaren bürokra tischen Aufwand und damit geringen Folgekosten für die Unternehmen. Beispielsweise verpflichten sich die Unternehmen, sich (mindestens) einmal im Jahr einer Analystenkonferenz zu stellen, die von der Börse München in Frankfurt und in der bayerischen Landeshauptstadt ausgerichtet wird. Anleger können sich so über interessante Small- und Mid-Caps auch aus ihrer Region informieren und sie in das Kalkül ihrer Anlagestrategie einbeziehen. Ein Emissionsexperte begleitet die Unternehmen während des gesamten IPO-Prozesses und die Börse Mün- chen steht ebenfalls beratend zur Seite. Eine Rechnungslegung nach HGB und statt zweisprachiger Quartals zahlen eine Veröffentlichung (zum Beispiel auf der Website) der Kernaussagen und -kennziffern des geprüften Jahresabschlusses sowie des Unter nehmenskalenders bilden dabei we sentliche Folgepflichten. Aufgrund des hohen Interesses und der grundsätzlich wieder positiven Börsenstimmung erwarten wir in diesem Jahr weitere Zugänge. Die Börse München wird auch weiterhin der Vorgabe, Kapital für die Wirtschaft bereitzustellen, nachkommen. *Christine Bortenlänger ist Mitglied des Vorstands der Bayerischen Börse und der Geschäftsführung der Börse München Eigenkapital schafft Freiraum und Flexibilität „Ein Börsengang stärkt das Image von Unternehmen und kann damit die Kundenbindung und Lieferantenbeziehung unterstützen.“ Christine Bortenlänger, Bayerische Börse hungen des Handelsvereins. Das würden wir heute so nicht mehr formulieren, aber die zentrale Rolle der Börse als Kapitalvermittler für die Wirtschaft, um das Wachstum der Volkswirtschaft zu stärken, nehmen wir sehr ernst. Denn nur über die Börse kann der Anleger von der Wirtschaftskraft von Unternehmen profitieren – in Form von Kursgewinnen oder Dividenden (Aktien) oder in Form von Zinsen bei Renten (Unternehmensanleihen). Noch immer sind 93 % aller deutschen Firmen Familienunternehmen, 91 % oder 2,6 Mio. Unternehmen geführt vom Inhaber. Auch wenn hier der mengenmäßige Schwerpunkt eindeutig bei kleineren und kleinsten Firmen liegt, gibt es eine größere Anzahl mittelständischer Unternehmen, für die die Kapitalbeschaffung über die Börse eine interessante und wichtige Alternative böte. Denn Eigenkapital schafft Freiraum, ermöglicht Wachstum und Investitionen, führt zu Innovationen und Beschäftigung und nicht zuletzt bildet es die Grundlage, um Fremdkapital aufzunehmen. Ein Börsengang stärkt außerdem das Image von Unternehmen und kann damit die Kundenbindung und Lieferantenbeziehung unterstützen. Eine Börsennotierung kann auch die Nachfolgeregelung erleichtern, weil beispielsweise familienfremde Manager eher zur Mitarbeit mo tiviert werden können und auch weil sich eine große Variationsbreite der eigenen Mitsprache je nach Höhe der Beteiligung bietet. regionalbörsen werben um k mus Noch immer trauen sich viele mittelständisch geführte Unternehmen nicht einmal, an das Wort „Börsengang“ zu denken. Zu sehr verbinden sie diese Vokabel mit Großkonzernen. Doch ist mittlerweile zu beobachten, dass immer mehr Mittelständler die Scheu vorm Parkett verlieren – nicht zuletzt dank der zahlreichen speziell für diese Zielgruppe zugeschnittenen Angebote der deutschen Regionalbörsen. Neben der Börse München und ihrem Segment m:access hat auch die Börse Stuttgart den Mittelstand verstärkt in den Fokus genommen. Das Anleihensegment Bondm ermöglicht mittelständischen Unternehmen, sich liquide Mittel über die Börse zu beschaffen. Das Angebot richtet sich insbesondere an Firmen des gehobenen industriellen oder industrienahen Mittelstands, die Fremdkapital in Form von Anleihen durch Eigenemissionen mit einem Volumen von 50 Mio. bis 150 Mio. Euro aufnehmen möchten. Die Anleihe wird vom Unternehmen selbst ausgegeben und dann im Freiverkehr der Börse Stuttgart gehandelt. Die Börsen Hamburg und Hannover bieten den mittelständischen Kunden – unabhängig von der Unternehmensgröße – die Möglichkeit, an der Mittelstandsbörse Deutschland, dem Handelssegment der beiden Nordbörsen, Aktien und Anleihen zu platzieren. Das Besondere: Die Emittenten können nach dem Baukastenprinzip entscheiden, von welchen Dienstleistungen sie bei der Kapitalaufnahme Gebrauch machen möchten: Von der Erstellung eines Prospekts bis hin zur Vertriebsunterstützung können sich die Unternehmen individuell die für sie wichtigen Leistungen zusammenstellen. Das Handelssegment der Börse Düsseldorf ist der Mittelstandsmarkt. Er richtet sich an Unternehmen, die Eigen- oder Fremdkapital aufnehmen möchten. Mittelständler, die eine Anleihe in Höhe von mindestens 10 Mio. Euro emittieren möchten, einen von der BaFingebilligten Verkaufsprospekt vorweisen können und mindestens ein BB-Rating in der Tasche haben, können seit November 2010 die Börse Düsseldorf für ihre Emissionen nutzen. cm Wir fördern Ihr Unternehmen. Die NRW.BANK fördert kleine und mittlere Unternehmen mit zinsgünstigen Krediten, Darlehen zum Ausgleich mangelnder Sicherheiten und zur Stärkung des Eigenkapitals sowie mit Eigenkapital-Finanzierungen. Fragen Sie Ihre Hausbank – oder direkt uns: Tel. 0211 91741-4800 (Rheinland) oder 0251 91741-4800 (Westfalen-Lippe). www.nrwbank.de 04.03.11 Wirtschaftskurier 210x297.indd 1 14.02.11 10:48 24 Mittelstandsfinanzierung Das Fördergeschäft brummt Staatsbanken | Erst Helfer in der Krise – jetzt Finanzierer des Aufschwungs Mitte vergangenen Jahres die Zugangs voraussetzungen erleichtert wurden – statt ausschließlich Innovationen werden seither alle klassischen Investitionsvorhaben gefördert. Dennoch sind die Volumen bislang noch klein. Einen Grund dafür sieht LfA-Experte Conradi in den Risiken für die Hausbanken, die zu einem Drittel in den Nachrang gehen müssen. „Die Bereitschaft bei den Partnerbanken sei hier noch nicht sehr ausgeprägt. Da müssen wir noch Überzeugungsarbeit leisten“, so Conradi. von sigrid stoss E rst Helfer in der Krise, dann Finanzierer des Aufschwungs – die staatlichen Förderbanken sind bei der Unternehmensfinanzierung nach wie vor gefragt. Auch wenn das Wort „Kreditklemme“ kaum noch jemand in den Mund nimmt, ist die Situation vieler Geschäftsbanken nach wie vor angespannt und angesichts neuer Auflagen durch Basel III bleiben die Geldhäuser zurückhaltend. Die Förderbanken bieten den Kredit instituten günstige Refinanzierungen an, die auch bei den Unternehmen ankommen. „Wegen der guten Konditionen für ihre Firmenkunden haben Förderkredite bei den Geschäftsbanken nach wie vor einen hohen Stellenwert“, sagt dazu Herbert Conradi, Leiter des Fördergeschäfts bei der bayerischen LfA. Die Nachfrage nach frischem Geld gerade bei mittelständischen Unternehmen hält indessen unvermindert an. Nach Rekordwerten im Fördergeschäft 2010 erwarten die Staatsbanken auch 2011 einen Run auf zinsgünstige Kredite. Wegen der guten Konjunktur rechnet die baden-württembergische L-Bank in diesem Jahr sogar mit einer steigenden Nachfrage. Die bayerische LfA, die 2010 mit 1,7 Mrd. Euro Fördervolumen 6 400 mittelständische Unternehmen unterstützte und damit einen Anstieg um 57 % auf den höchsten Wert der vergangenen zehn Jahre verzeichnete, sieht ebenfalls noch kein Ende der Fahnenstange. „2011 wird bei den Förderkrediten voraussichtlich mindestens so gut wie 2010“, sagt Conradi. „Die Nachfrage ist nicht trotz, sondern gerade wegen der guten Konjunktur gestiegen. Die Unternehmen investieren wieder mehr in Wachstum“, so erklärt Manfred Schmitz-Kaiser, Mitglied des Vorstands der L-Bank. Seit Mitte des vergangenen Jahres würden statt Liquiditätshilfen immer häufiger Investitionskredite beansprucht. Der L-Bank-Kredit zur Gründungs- und Wachstumsfinanzierung verbuchte 2010 ein Plus von 70 %. Auch im laufenden Jahr steht nach Einschätzung der L-Bank die Wachstumsfinanzierung im Vordergrund. Dafür spricht der hohe Auslastungsgrad der Produktionsanlagen im verarbeitenden Gewerbe von mehr als 87 %. Rückkehr auf das Vorkrisen-Niveau Die KfW Bank in Frankfurt geht unterdessen eher von einem „Fördergeschäft auf dem Niveau der Zeit vor der Finanz-und Wirtschaftskrise“ aus, wie es bei der Bank heißt. Die zuletzt erzielten Rekordwerte der KfW hingen KMUs gehen gestärkt aus der Krise hervor vor allem mit dem von der Bundesregierung aufgelegten Krisen-Sonderprogramm zusammen, das Ende 2010 auslief. Die etablierten und bewährten KfW-Programme will die Bank punk tuell anpassen. So will die Staatsbank zum 1. April 2011 die Gründungs- und Unternehmensfinanzierung verein fachen und verbessern, indem die Fremdkapitalfinanzierungen für Existenzgründer im neuen KfW-Gründerkredit und die Finanzierungen für etablierte Unternehmen weitgehend im KfW-Unternehmerkredit zusammengefasst werden. Nachrangkapital zählt zu den Mezzanine-Produkten, mit denen Mittelständlern zu einer besseren Eigen kapitalausstattung verholfen werden soll. Solche Darlehen können je nach Vertragsgestaltung zum Eigenkapital gerechnet werden. Ein MezzanineProdukt bietet zum Beispiel auch die bayerische Förderbank mit dem sogenannten Mittelstandskapital an – mit mäßigem Erfolg allerdings. Obwohl Optimismus bei der KfW: Die Kreditanstalt für Wiederaufbau rechnet für 2011 mit einem Fördervolumen auf Vorkrisen-Niveau. Im Bild die Innenansicht des Atriums der Ostarkade der KfW im Hauptsitz in Frankfurt/Main. Foto: KfW „Die Nachfrage ist nicht trotz, sondern gerade wegen der guten Konjunktur gestiegen. Die Unternehmen investieren wieder mehr in Wachstum.“ Manfred Schmitz-Kaiser, Vorstandsmitglied der L-Bank Generell scheint das Thema Eigen kapital nicht mehr den Stellenwert zu haben wie noch vor einem Jahr. Denn die mittelständische Wirtschaft hat sich während der konjunkturellen Talfahrt besser geschlagen als erwartet. Die beklagte dünne Eigenkapital ausstattung hat sich in der Krise wider alle Voraussagen verbessert, sogar um 8 % im Schnitt, wie die KfW erhoben hat. „Damit konnten die kleinen und mittleren Unternehmen ihre Krisenfestigkeit erhöhen und auch ihre Kredit fähigkeit verbessern“, kommentierte der Chefvolkswirt der KfW Bankengruppe Norbert Irsch dieses Ergebnis. Auch die L-Bank bestätigt, dass es selbst vielen kleineren Betrieben im vergangenen Jahr gelungen sei, ihr Eigenkapital auszubauen. „Dennoch braucht der Mittelstand weiterhin Partner, die innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens Beteiligungen eingehen. Nur so lassen sich umfangreiche Vorhaben wie Nachfolgefinanzierungen bewältigen“, betont L-Bank Vorstandsmitglied Schmitz-Kaiser. Mezzanine seien nach wie vor gefragt. Auch weil im Jahr 2011 kapitalmarkt finanzierte Mezzanine-Programme auslaufen werden. „Für Mittelständler wird es dann schwierig werden, Anschlussfinanzierungen zu finden“, befürchtet Schmitz-Kaiser. Diese Lücke will die L-Bank mit ihrem Programm L-MezzaFin schließen. Unabhängig von der Konjunktur, so ist Conradi von der LfA überzeugt, wächst die Bedeutung der Förderbanken als Finanzierer des Mittelstands. Conradi führt das auf eine veränderte Beziehung zu den Geschäftsbanken zurück. Man gehe seit einigen Jahren aktiv auf die Banken zu und mache die Vorteile einer Zusammenarbeit deutlich. „Wir werden mittlerweile als Partner und nicht mehr als Behörde wahrgenommen“, so Conradi. Der Experte hält das auch für den richtigen Weg: „Ohne die Hausbanken geht es nicht“, sagt er. März 2011 WirtschaftsKurier Unterstützung am Scheideweg Nimbus | Privates Beteiligungskapital als Alternative von Jan Pieter de Graaf* V eränderungen sind der Erfolgsmotor des deutschen Mittelstands – und nahezu jedes Unternehmen kommt in seiner Geschichte an einen Wendepunkt, der über den zukünftigen Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Dies können Neupositionierungen, Expansionen, Restrukturierungen, Turnarounds, Ausgliederungen oder Nachfolgeregelungen sein – essenziell sind dabei immer die individuell richtige Strategie, die Verfügbarkeit von Kapital und das operative Knowhow zur Umsetzung von Veränderungsprozessen. Doch diese Weichen richtig zu stellen bedeutet für Unternehmer häufig große Herausforderungen, zumal das operative Tagesgeschäft oft keinen Raum für eingehende strategische Analysen und Entscheidungen lässt oder das nötige Kapital fehlt. Hier kann privates Beteiligungska pital echten Mehrwert schaffen und einen entscheidenden Beitrag zur Zukunftssicherung der Betriebe leisten. Denn auf den Mittelstand spezialisierte Kapitalbeteiligungsgesellschaften wie Nimbus hands-on investors unterstützen Unternehmen in Umbruchsitua tionen kurz-, mittel- und langfristig auf den drei wichtigsten Ebenen: strategisch, finanziell und operativ. Auf der strategischen Ebene werden in enger Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung die Substanz, die Geschichte und das zukünftige Potenzial der Unternehmen individuell analysiert und gemeinsame Ziele und Stra tegien für eine erfolgreiche Positionierung im Markt entwickelt. Auf der finanziellen Ebene führen sie durch die Übernahme von Anteilen den Unternehmen zunächst Eigenkapital zu und Zug um Zug erarbeitet eine private Beteiligungsgesellschaft mit den Unternehmen die richtige Strategie. erhöhen damit die Eigenkapitalquote signifikant. Dies bildet die erste Basis für anstehende Investitionen und die Finanzierung der festgelegten Ziele. Darüber hinaus stellt die Gesellschaft aufgrund ihrer eigenen Finanzkraft und der Vernetzung mit weiteren Finanzierungspartnern die Verfügbarkeit von Kapital stets sicher. Auf der operativen Ebene schließlich begleitet der Investor die Unternehmen mit aktiver Management-Unterstützung bei der Umsetzung der strategischen Veränderungsprozesse. Und zwar so lang, bis die gemeinsam gesteckten Ziele erreicht sind und das Unternehmen wieder eigenständig im Markt agieren kann. Branchenwissen schafft Vertrauen Diese enge Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung erfordert eine indi viduelle und partnerschaftliche Beratung seitens der Kapitalbeteiligungs gesellschaft mit genauer Kenntnis der Chancen und Herausforderungen der Unternehmen. Insbesondere für die mittelständischen Unternehmer bedeutet die Zusammenarbeit mit einem Eigenkapitalpartner einen enormen Vertrauensbeweis und sie erwarten strategische sowie operative Unterstützung auf Augenhöhe. Dies kann die Beteiligungsgesellschaft nur gewährleisten, wenn sie über umfangreiche Industrieexpertise verfügt, eine belastbare Erfolgsgeschichte nachweisen kann und die involvierten Manager selbst aus der Industrie kommen. Erst damit kann der Investor belegbares Branchen-Know-how und operative Management-Erfahrung für die Unternehmen einbringen und „hands-on“ zu einer erfolgreichen Unternehmensentwicklung beitragen. Der Fokus auf ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen der Beteiligungsgesellschaft und dem Unternehmen nimmt nach unserer Erfahrung bei Nimbus den Unternehmern auch die Sorge, sie könnten nach der Ab gabe der Anteile die Kontrolle und Einflussnahme verlieren und würden ihr Unternehmen komplett in fremde Hände übergeben. Denn eines darf man nicht vergessen: Eine Beteiligung kommt für einen Investor nur dann infrage, wenn er von dem Potenzial eines Unternehmens überzeugt ist. Unternehmer und Beteiligungsgesellschaft eint also von Anfang an das gemein same Ziel, das Unternehmen langfristig erfolgreich und zukunftssicher zu machen. *Jan Pieter de Graaf ist Geschäftsführer von Nimbus hands-on investors Alternative mit viel Potenzial Demica | Supply Chain Finanzierung auf dem Vormarsch von Phillip Kerle* D as Vertrauen der globalen Märkte in die Wirtschaft ist weiterhin angeschlagen – und die jüngsten Ereignisse in Griechenland und Irland haben kaum zu einer Erleichterung dieser Unsicherheit seit Beginn der Finanzkrise beigetragen. In Deutschland, wo mehr als 99,7 % der Betriebe kleine und mittelstän dische Unternehmen (KMU) sind, haben die krisenbedingte Knappheit an liquiden Mitteln und der begrenzte Zugang zu klassischen Kreditlinien das operative Geschäft und die Wettbe werbsfähigkeit der KMU deutlich eingeschränkt. Der Bedarf der KMU nach einem besseren Cashflow und ihre Abhängigkeit von Abnehmern in Großunternehmen – wie auch der Abnehmerwunsch nach verlängerten Zah- lungsbedingungen – haben die Notwendigkeit alternativer Finanzierungslösungen wie etwa Supply Chain Finanzierung (SCF) verstärkt. So können Zulieferer und Abnehmer vom wirtschaftlichen Aufschwung profitieren. SCF trägt nicht nur zu einem verbesserten Cashflow-Management bei. Es reduziert auch Risiken in der Zulieferer kette und erhöht die Transparenz der Transaktionen. Ebenso bietet SCF kleineren Zulieferern eine Finanzierungslösung, bei der der Zinskostenaufwand anhand der Bonität des Großunternehmenseinkäufers berechnet wird – der Vorteil: niedrigere Leihzinssätze. Banken in Europa – Hauptanbieter von SCF – erleben derzeit exponentiell steigende Wachstumsraten bei der Nachfrage nach Finanzierungslösungen für die Supply Chain. Einige Banken rechnen sogar mit dem Ersatz des traditionellen Akkreditiv-Geschäfts durch SCF-Programme. Laut unserer jüngsten Umfrage unter den Top-40Banken in Europa liegen die Gründe für diesen rasanten Anstieg auf der Hand: Kredite sind teuer, Abnehmer und Zulieferer müssen ihren Cashflow verbessern, und SCF bietet die Lösung, bei der Liquidität in der Lieferantenkette freigesetzt und Risiken reduziert werden. Unterstützung für die Zulieferer Phillip Kerle von Demica kennt die Vorteile der Supply Chain Finan zierung als alternative Lösung für den Mittelstand. foto: demica Es geht aber nicht nur um die Freisetzung von liquiden Mitteln. Ebenso wichtig sind die Unterstützung und Qualitätssicherung der Zulieferer. Großunternehmen, die als Abnehmer agieren und die SCF-Programme aufsetzen, sind sogenannte Investment Grade Companies. Ihre Kreditfähigkeit wird höher als die ihrer Zulieferer eingestuft – und oftmals haben kleine Zulieferer gar kein individuelles Bonitätsrating. SCF ermöglicht Zulieferern den Zugang zu Krediten mit einem Leihzins, der deutlich unter der Zinsrate liegt, die sie bei traditionellen Darlehensprodukten erhalten würden – manchmal bis zu drei oder vier Prozentpunkte darunter. In Deutschland bilden KMUs das Grundgerüst für Innovationen und Fortschritt. 70 % aller Arbeitskräfte sind bei einem KMU angestellt, und ohne Zugang zu liquiden Mitteln kann dieser Wirtschaftstreiber zum Stillstand kommen. Um leistungsfähigen Unternehmen, die in der Vertrauensklemme stecken, den Zugang zu SCF zu ermöglichen, müssen Großabnehmer und deren Banken SCF-Programme fördern und vorantreiben. Die gute Nachricht ist, dass mehr als 80 % der europäischen Top-Banken laut unserer Studie ihre Marketingaktivitäten für SCF-Angebote hochgefahren haben. Institute aus Deutschland unterstreichen dabei die Notwendigkeit eines kundenorientierten Ansatzes in der SCF. Derzeit erwarten die Banken eine steigende Nachfrage für SCF-Lösungen hauptsächlich aus der herstellenden Industrie, aus Handel, Automotive, Maschinenbau und der Lebensmittel industrie. Infolge der jüngsten Finanzund Wirtschaftskrise suchen Firmen händeringend nach alternativen Finanzlösungen abseits der traditionellen Kreditvereinbarungen, und SCF bietet ihnen Cashflow optimierende Mittel an – genau das, was sie von ihren Großabnehmern nachdrücklich gefordert haben. *Phillip Kerle ist Hauptgeschäftsführer von Demica in London März 25 Mittelstandsfinanzierung 2011 WirtschaftsKurier Die Kleinen erobern die Welt Commerzbank | Gut vorbereitet können auch KMUs den Schritt ins Ausland wagen, meint Bereichsvorstand Bernd Laber G erade der kleine Mittelstand scheut oft den Weg ins Ausland: zu teuer, zu unvorhersehbar, zu risikoreich. Doch wenn Kunden oder Lieferanten eine Auslandspräsenz fordern, ist es meist schon zu spät, dann könnte der Wettbewerber bereits da sein. Weshalb die Größe der Firma nur eine untergeordnete Rolle spielt, was der Mittelständler zum Banktermin mitbringen sollte und wie man, finanziell gesehen, eine „blutige Nase“ vermeidet, weiß Bernd Laber, Bereichsvorstand Mittelstandsbank International bei der Commerzbank. WirtschaftsKurier: Herr Laber, was sind die wichtigsten Gründe für eine Internationalisierung? Kommt man heutzutage auch als kleineres Un ternehmen darum noch herum? Bernd Laber: Ob sich ein Unternehmen dazu entschließt, einen internationalen Weg zu gehen, ist nicht prinzipiell eine Frage der Größe. Das hängt ab vom Geschäftsmodell, vom Produkt, von den für das Unternehmen re levanten Märkten und einer Reihe anderer Faktoren. Ab einer gewissen Größe ist grenzüberschreitendes Geschäft allerdings keine Option mehr, sondern ein Muss. Nicht zuletzt die Finanz- und Wirtschaftskrise war Anlass für viele Unternehmen, die weltweiten Märkte auf Chancen und Potenziale hin zu untersuchen. Das spiegelt sich auch in vielen Gesprächen, die wir mit unseren Kunden geführt haben. Das Interesse an unseren Auslandsanalysen, am Knowhow der Mitarbeiter unseres International Desk und am direkten Kontakt zu den German Desks im Ausland ist sehr groß. Wir stellen fest, dass Internationalisierung nach wie vor ganz weit oben auf der Agenda des Mittelstands steht. WiKu: Inwieweit ist Internationalisie rung mittlerweile gerade für kleine und mittlere Unternehmen viel leicht sogar ein entscheidender Er folgsfaktor geworden? Laber: Im Rahmen einer langfristigen Wachstumsstrategie kann es sich auch für kleine und mittlere Unternehmen zunehmend stärker lohnen, internationale Märkte in ihre strategischen Überlegungen mit einzubeziehen. Vor ein paar Jahren war dies noch den größeren Firmen vorbehalten. Mittelständische Unternehmen denken vielfach erst dann darüber nach, ins Ausland zu gehen, wenn ihre wichtigsten Kunden oder Großabnehmer diesen Schritt bereits gewagt haben und umgekehrt eine internationale Präsenz von ihren Lieferanten erwarten oder gar fordern. Dabei boten viele internationale Märkte in den letzten Jahren deutlich stärkeres Wachstum als Deutschland. Selbstverständlich ist auch für ein erfolgreiches Auslandsengagement das vernünftige Abwägen der Chancen und Risiken ein Muss. Dennoch sollte es im Grundsatz darum gehen, Chancen zu ergreifen, und nicht da rum, Risiken zu vermeiden. WiKu: Welche Unterstützung kann ein Firmenkunde mit starkem Aus landsgeschäft von seiner Bank er warten? Laber: Es ist wichtig für unsere Kunden, dass der Firmenkundenbetreuer, der das Unternehmen in Deutschland berät, auch für das internationale Geschäft verantwortlich ist und den Kunden international kompetent begleiten kann. Dazu kommt im Idealfall natürlich eine ausreichende Präsenz in den Auslandsmärkten. Die Commerzbank zum Beispiel ist mit ihren Filialen, Tochter- und Beteiligungsgesellschaften sowie Repräsentanzen mit rund 14 000 Mitarbeitern in mehr als 50 Ländern an über 110 Standorten direkt vertreten. Wir begleiten unsere Kunden in nahezu jedes Land der Erde. Dabei haben wir sichergestellt, dass es überall Ansprechpartner gibt, die sowohl die deutsche als auch die Landessprache beherrschen und sich mit den kulturellen und strukturellen Besonderheiten des jeweiligen Landes hervorragend auskennen. Tiefes Markt- und Sektorwissen, breite Produktexper tise und die Fähigkeit zur Entwicklung von innovativen Finanzlösungen sind ebenso Selbstverständlichkeiten wie umfassendes Know-how in den Bereichen Corporate Finance, strategische Unternehmensfinanzierung, also etwa Debt & Equity Capital Markets sowie Mergers & Acquisitions, ferner die Absicherung von Währungs-, Zins- und Rohstoffrisiken sowie Cashmanagement. WiKu: Was erwarten Sie, wenn der Unternehmer sich zur Finanzie „Internationalisierung steht nach wie vor ganz weit oben auf der Agenda des Mittelstands.“ Bernd Laber, Commerzbank ausl andsfinanzierung ■■ Fördermittel Im Bereich der Fördermittel ist das wesentliche Instrument der Außenwirtschaftsförderung für den Mittelstand die Euler-Hermes Exportkreditversicherung. Zur Refinanzierung dieser Lieferantenkredite bietet sich der regresslose Forderungsankauf an. Die Exportforderung sowie die Rechte und Ansprüche aus der Euler Hermes-Deckung werden an die Commerzbank abgetreten. Im Gegenzug erhält der Kunde bei ordnungsgemäßer Ankaufsdokumentation den diskontierten Barwert der Exportforderung. ■■ Bestellerkredit Beim Bestellerkredit gewährt eine inländische Bank dem ausländischen Besteller einen Kredit. Die Auszahlung der Kreditmittel erfolgt jedoch an den Exporteur, damit er seinen Verpflichtungen aus diesem Liefergeschäft nachkommen kann. Der Bestellerkredit bietet sich vor allem für Geschäfte an, bei denen dem Abnehmer ein mehrjähriges Zahlungsziel angeboten werden soll. ■■ Forfaitierung Eine weitere Möglichkeit ist der regresslose Ankauf einer Forderung (Forfaitierung). Die Forderung, die der Exporteur nach vertragsgemäßer Lieferung gegenüber dem Importeur hat, wird dabei von der Bank ohne Rückgriff auf den Exporteur angekauft. Damit werden nicht nur das wirtschaftliche Risiko aus dem Grundgeschäft, sondern auch die politischen Risiken des Importlands abgedeckt. ■■ Lieferantenkredit Der Lieferantenkredit wird zur Finanzierung des Zahlungsziels, das der Exporteur dem Importeur gibt, gewährt. Er wird an den Exporteur ausbezahlt und üblicherweise durch Ansprüche aus dem Liefergeschäft und damit verbundenen Sicherheiten abgesichert. Der Lieferantenkredit wird häufig schon während der Produktionsphase gewährt. Von Deutschland in die ganze Welt: Dass der heimische Mittelstand so einiges stemmen kann, hat er auch in Krisenzeiten wieder bestätigt. International ihre Kraft zu beweisen – davor schrecken KMUs oftmals zurück. Doch richtig vorbereitet, mit einer erfahrenen Hausbank im Rücken, können die Kleinen die Welt erobern. rung seines Auslandsengagements an Sie wendet? Laber: Grundlage für eine Geschäftsbeziehung sind Partnerschaftlichkeit, Offenheit und Transparenz. Wir möchten das Geschäftsmodell un seres Kunden und seine Gründe für das Auslandsengagement verstehen. Je früher das mittelständische Unter nehmen sein Finanzinstitut einbezieht, desto individueller und ziel gerichteter kann hier die Unter stützung gelingen. Banken können angesichts ihrer breiten, über reine Finanzierungsaspekte hinausgehenden Kompetenz auch Impulse für strategische Neuausrichtungen geben, indem sie ihre Kunden über die Potenziale ausländischer Märkte – sei es für Export, Import, Koopera tion/Joint Venture oder Auslandsinvestition – informieren und beraten. WiKu: Was muss der Unternehmer an Sicherheiten oder an Konzepten mitbringen? Wie unterscheiden sich die Anforderungen bei kleinen und mittleren Unternehmen von den Großkonzernen? Laber: Die Besicherung ist natürlich abhängig von der gewählten Finanzierungsform. Grundsätzlich ist eine frühzeitige Einbindung der Bank von Vorteil, um die Bonitätsprüfung vorzunehmen und alle notwendigen Punkte für die Sicherheitenstellung mit dem Kunden zu besprechen. In der Praxis zeigen sich unterschied liche Anforderungen an kleine und mittlere Unternehmen sowie Großkonzerne. Dies hängt vor allem von der Art der Finanzierung, der Laufzeit, dem Verwendungszweck, der Bonität des Unternehmens und dem generellen Risikoprofil beziehungsweise Umfeld ab. WiKu: Welche Rolle spielen die ein heimischen Banken in den Ländern vor Ort bei der Finanzierung? Laber: Viele konkurrierende Banken ziehen sich trotz steigender Interna tionalisierung des deutschen Mittelstands aufgrund der weltweiten Finanzkrise von ausländischen Märkten zurück. Die Commerzbank agiert entgegengesetzt und eröffnet neue Filialen in der Schweiz, in Wien, Tianjin und Beijing. Damit einher gehen die Implementierung eines einheitlichen Betreuungsmodells weltweit sowie die Einführung von German Desks in allen Commerzbank-Filialen. WiKu: Was raten Sie Unternehmern, damit sie finanziell keinen Schiff bruch erleiden? Laber: Mittelständische Unternehmen gehen vielfach erst dann die Frage der Internationalisierung an, wenn sie von Kunden dazu gedrängt werden. Das heißt, der Impuls kommt häufig von außen: Kleine Unternehmen entwickeln ihre Märkte zu selten vorausschauend. Damit droht jedoch die Gefahr, Chancen zu verpassen. Auf der anderen Seite ist es wichtig, über die Zahlungsmodalitäten im Auslandsgeschäft bereits vor Vertrags unterzeichnung mit neuen Kunden im Ausland nachzudenken. Hier können und wollen wir als Bank gerne im Vorfeld beraten, wie ein Unternehmen dies am besten macht, um sich finanziell „keine blutige Nase“ zu holen. Es gibt einen weiteren Aspekt. Eine gut geplante und vorausschauende Internationalisierungsstrategie erschließt nicht nur neue Märkte, sondern sichert auch bestehende Marktpositionen im Heimatmarkt ab. Für zwei Drittel aller Mittelständler ist der internationale Konkurrenzdruck inzwischen auch auf dem Heimatmarkt spürbar. Eine Prüfung der individuellen Chancen und Risiken für eine internationale Ausrichtung sowie die Einbeziehung des Finanzierungspartners lohnen also in jedem Fall. Für die meisten mittel ständischen Unternehmen hat sich die Auslandsinvestition gelohnt. Fast zwei Drittel der Unternehmen haben ihr Auslandsengagement in den vergangenen fünf Jahren ausgeweitet. DAMIT START-UPS NICHT IN EINER GARAGE ANFANGEN MÜSSEN @ Aller Anfang ist leicht, wenn man Firmengründer in Baden-Württemberg ist. Mit der zinsgünstigen Gründungsfinanzierung der L-Bank können Sie zum Beispiel Betriebsausstattung kaufen oder ein Firmengebäude umbauen. Wie sich das für Sie rechnet, erfahren Sie bei Ihrer Hausbank, direkt bei der L-Bank www.l-bank.de/existenzgruendungen oder auf der NewCome 2011. L-Bank Imagea Motiv: „Auto“ Werbe Wirtsch ET: 17.0 Forma 155x21 Zeitun CMYK LBank_155x210_i_love_auto_NC_wirt.indd 1 28.02.2011 10:00:47 Uhr 26 Factoring März 2011 WirtschaftsKurier Wie Phoenix aus der Asche Factoring | Die Krise hat der Branche neues Leben eingehaucht – Nachfrage und Bekanntheit steigen von norbert hofmann D ie deutsche Wirtschaft boomt, die Finanz- und Wirtschaftskrise scheint vergessen. Wie in den schlechten gilt aber auch in den guten Zeiten: Zum Unternehmenserfolg gehören Liquidität und ein effizientes Risikomanagement. Kein Wunder ist es da, dass mit der anspringenden Konjunktur auch die Nachfrage nach Factoring steigt. Die Branche kann sich derzeit sogar über besonders blühende Geschäfte freuen. Zwar musste auch sie angesichts der schlechten Wirtschaftslage im Jahr 2009 noch Umsatzeinbrüche hinnehmen. Doch selbst damals verzeichnete das Factoring in Deutschland einen durchaus beachtlichen Zugang an Neukunden. Viele, vor allem mittelständische Unternehmen interessierten sich erstmals für den Forderungsverkauf als Finanzierungsalternative, weil klassische Bankkredite in der Regel schwerer zu bekommen waren. „Diese Kunden sind dem Factoring jetzt auch nach der Krise treu geblieben“, sagt Alexander Moseschus, Geschäftsführer des Deutschen Factoring-Verbands. Weil mit dem Aufschwung auch die Forderungsvolumen der Bestandskunden nach oben geschnellt sind, ist mittlerweile sogar von einer rasanten Bele- „Wir stoßen immer noch auf Kunden, die Factoring nicht kennen und erst in der Bank darauf aufmerksam gemacht wurden.“ Hauke Kahlcke, Geschäftsführer VR Factorem bung des Geschäfts im Jahr 2010 die Rede. Der positive Trend dürfte sich fortsetzen, weil die Unternehmen im Aufschwung deutlich mehr in ihre Betriebsmittel investieren müssen und dafür Finanzierungen brauchen. „Wir registrieren quer durch alle Branchen einen optimistischen bis sehr optimistischen Ausblick, sodass wir 2011 mit weiter steigenden Umsätzen rechnen“, sagt Manfred Plachetka, Geschäftsführer der Crefo Factoring Rhein Ruhr GmbH. Gleichzeitig berichten vor allem kleine und mittlere Unternehmen laut Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) noch immer von Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Fremdkapital. „Die Entwicklung bei den Finanzierungsbedingungen bleibt hinter der wieder sehr guten Geschäftssituation der Unternehmen zurück“, so die Studie. Vor allem Firmen mit schwacher Eigenkapitalausstattung berichten trotz aller Stabilisierungstendenzen von höheren Anforderungen an Sicherheiten und Zinsen. Das Factoring kann in einer solchen Situation hilfreich sein. Denn die dafür anfallenden Kosten werden zu einem Gutteil nicht nur durch die Schonung der Kreditlinien wettgemacht. Mit dem Forderungsverkauf steigen auch die Chancen, durch schnellere Bezahlung der Eingangsrechnungen von Skontovorteilen zu profitieren. „Entscheidend aus Sicht unserer Kunden sind die schnell gewonnene Liquidität und die daraus resultierenden Vorteile beim Einkauf“, bestätigt Plachetka von der Crefo Factoring Rhein Ruhr. Gerade für kleinere Unternehmen bleibt zudem interessant, dass sie durch Auslagerung ihres Debitorenmanagements samt Mahnwesen an den Factor interne Fixkosten sparen können. Nicht wenige Firmen interes- sieren sich jetzt aber auch deshalb für den Verkauf ihrer Forderungen, weil sie der Anstieg der Insolvenzen für Ausfallrisiken sensibilisiert hat. „Damit hat auch das Bedürfnis nach Absicherung zugenommen, das für mehr als 40 % unserer Kunden nach der Liquidi- nach wie vor nicht zu unterschätzen. Denn besonders im Aufschwung, so warnen die Experten des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, sind Unternehmen durch die zuvor ausgetrocknete Liquidität einerseits und einen erhöhten FinanzierungsbeAnzeige „Urlaub nach Herzenslust“ Wandern und wohlfühlen in der Wildschönau... www.hotelwastlhof.at Wildschönau · Telefon 0043/(0)5339/8247 tätsbeschaffung – mit mehr als 90 % – die wichtigste Motivation für Factoring ist“, sagt Hauke Kahlcke, Geschäfts führer der zur Genossenschaftlichen FinanzGruppe gehörenden VR Factorem GmbH. Das Risiko, geplante Einnahmen infolge einer Zahlungsunfähigkeit des Abnehmers zu verlieren, ist darf andererseits insolvenzgefährdet. Freilich nehmen auch die FactoringGesellschaften die Debitoren erst einmal unter die Lupe, ehe sie über den Ankauf der Forderungen entscheiden. „Wir machen das Unternehmen dann darauf aufmerksam, dass bei einem seiner Abnehmer ein Ausfallrisiko vor- liegt, und tragen so zu einer Schadensprophylaxe bei“, sagt Kahlcke. Bei der VR Factorem achtet man zudem da rauf, das Factoring gemeinsam mit den Beratern der Volks- und Raiffeisenbanken in ein Gesamtkonzept der Finanzierung als gezielte Ergänzung zum Bankkredit einzubetten. An Potenzial mangelt es nicht. „Wir stoßen immer noch auf Kunden, die Factoring nicht kennen und erst in der Bank darauf aufmerksam gemacht wurden“, so VRFactorem-Geschäftsführer Kahlcke. In der griechischen Mythologie verbrennt der Vogel Phoenix, um aus seiner Asche neu aufzuerstehen. Ganz so dramatisch hat es die Factoring-Unternehmen zwar nicht getroffen, aber einige hatten mit den Auswirkungen der Finanzkrise zu kämpfen. Jetzt, wo die Unternehmen wieder deutlich mehr in ihre Betriebsmittel investieren, befindet sich auch die Branche im Aufwind. Deutschland hinkt in Sachen Factoring Europa hinterher Ein Blick in die europäischen Nach barländer unterstützt die These. Auch wenn sich das Marktvolumen mit über 100 Mrd. Euro im Jahr 2010 wieder nahe den alten Höchstständen befinden dürfte, hinkt Deutschland bei einer Factoringquote von rund 4 % anderen Ländern wie etwa Frankreich und Italien hinterher. Die Quote steht für den Anteil des angekauften Forde rungsvolumens am Bruttosozialprodukt und liegt im europäischen Durchschnitt bei über 6 %. In England ist sogar mehr als das Doppelte der Standard. Zumindest ein paar weitere Schrittchen in diese Richtung dürfte sich der deutsche Markt bewegen, wenn beispielsweise die Banken angesichts der neuen Eigenkapitalvorschriften von Basel III noch schärfere Bedingungen an die Kreditvergabe stellen. Denn sinnvoll ist das Factoring auch, weil es die Eigenkapitalquote stärkt und so wiederum zu günstigeren Kreditkonditionen führen kann. „Der Forderungsverkauf wird angesichts der Zurückhaltung der Banken zudem deshalb weiter an Gewicht gewinnen, weil viele mittelständische Unternehmen ihre während der Krise zurückgestellten Investitionen jetzt nachholen wol- len“, sagt Matthias Bommer, Geschäftsführer der bankenunabhängigen Vantargis Factoring in München. Er verweist darauf, dass die durch den Forderungsverkauf gewonnene Liquidität darüber hinaus im oftmals scharfen Wettbewerb um neue Kunden eine Hilfe sein kann. „Wer dank seiner Liquidität längere Zahlungsziele einräumt, ist bei der Auftragsvergabe nicht selten im Vorteil“, sagt Bommer. Der Wettbewerb hat allerdings auch in der Factoringbranche selbst Spuren hinterlassen. Viele kleine und mittlere Anbieter, die hohe Ausfälle zahlen mussten, bekommen nun ihrerseits Liquiditätsprobleme. „Solche Institute stehen jetzt teilweise zum Verkauf, weil Banken die Refinanzierung einschränken oder höhere Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung stellen“, bestätigt Vantargis-FactoringGeschäftsführer Bommer. März 27 Factoring 2011 WirtschaftsKurier Der Markt ist in Bewegung wie nie zuvor Deutscher Factoring-Verband | Forderungsverkauf als sicherer Hafen für den Mittelstand von Alexander Moseschus* D er deutsche Factoring-Markt befindet sich wieder im Aufwind. Gerade in den Zeiten nach der globalen Finanzkrise erweist sich die Unternehmensfinanzierung durch Forderungsverkauf als ein sicherer Hafen, besonders für dringend auf Liquidität angewiesene Unternehmen aus dem Mittelstand. Während im Jahr 2009 deutsche Unternehmen die Folgen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise deutlich spürten mit starken Einbrüchen im Bestandskundengeschäft und einem damit einhergehenden, erstmaligen Rückgang im Umsatzvolumen der Factoring-Branche, wird sich für 2010 wohl wieder ein Wachstum für das Gesamtjahr 2010 vermelden lassen. Verwöhnt von Umsatzzuwächsen Die offiziellen Detailzahlen zum Markt legt der Deutsche Factoring-Verband e. V., der die Interessen von 26 deutschen Factoring-Instituten und damit etwa 85 % des deutschen Factoring-Volumens vertritt, Mitte März auf seiner Bilanzpressekonferenz in Frankfurt/ Main vor. Es deutet allerdings einiges darauf hin, dass die Factoring-Branche, die mit Ausnahme des Jahres 2009, des Jahres der Finanzkrise, stetig von Umsatzzuwächsen verwöhnt war, neuen Schwung erhalten hat: Schon das erste Halbjahr 2010 startete stark dynamisch. Der Gesamtumsatz der Mitgliedsunternehmen des Verbands stieg allein für das erste Halbjahr 2010 auf bemerkenswerte 59,02 Mrd. Euro, ein deutliches Plus von knapp 38 % (im ersten Halbjahr 2009: 43,26 Mrd. Euro). Dieses starke Wachstum kann als Zeichen dafür gewertet werden, dass die Finanzkrise in weiten Teilen des Mittelstands wohl überwunden werden konnte. Viele Hersteller und Lieferanten haben, wie schon seit Jahren nicht mehr, dick gefüllte Auftragsbücher. Auch in der Factoring-Branche machte sich dabei die besonders starke Nachfrage aus dem internatio- nalen Geschäft bemerkbar; für das erste Halbjahr 2010 wurde ein stolzer Anstieg im Export-Geschäft von knapp 3 Mrd. Euro verzeichnet, der Umsatz stieg auf insgesamt über 13 Mrd. Euro an (2009: 10,75 Mrd. Euro), ein Zuwachs um 28 %, im Import-Geschäft um 39 % auf 1,26 Mrd. Euro (2009: 0,91 Mrd. Euro). Neukunden aus Krisenzeiten bleiben Factoring treu Schon diese erfreulichen Zuwachszahlen des ersten Halbjahrs werden in der Branche als Beleg dafür gesehen, dass viele Neukunden, die in Zeiten der Finanzkrise Factoring kennen- und schätzen gelernt haben, diese Finanzdienstleistung auch weiterhin erfolgreich als alternative Finanzierungsform nutzen. Die Vorteile des Fac torings – unter anderem die 100%ige Delkredere-Absicherung, die sofortig nutzbare umsatzkongruente Finanzierung bei gleichzeitiger Verbesserung der Bilanzstruktur und damit mittelbarer Erhöhung der Eigenkapitalquo- „Factoring nutzen zu können ist zwischenzeitlich zu einem Qualitätsmerkmal geworden.“ Alexander Moseschus, Geschäftsführer Deutscher Factoring-Verband te – mögen dabei in vielen Fällen mit vertragsentscheidend für FactoringNeukunden gewesen sein. Factoring leistet dabei mit einer zwischenzeitlich erlangten Factoring-Quote von 4 % (2009) einen immer wichtigeren Beitrag zur Finanzierung des deutschen Mittelstands. Auch das Image des Factorings hat sich bei Kunden, aber auch Banken deutlich verbessert: Factoring nutzen zu können ist zwischenzeitlich zu einem Qualitätsmerkmal geworden. Der Factoring-Markt ist in der jüngsten Zeit in Bewegung wie kaum jemals zuvor: Neue Anbieter haben sich entschieden, den deutschen Markt zu bedienen, sicherlich auch vor dem Hintergrund, dass die Wachstums potenziale für Factoring überdurchschnittlich sein dürften. Andere, auch große Marktteilnehmer verschmolzen mit bereits bekannten Anbietern. Seit Ende 2008 sind Factoring-Unternehmen in Deutschland zudem der Finanzaufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) unterstellt, mit der Begründung des Gesetzgebers, dass der Forderungsverkauf bei der Finanzierung der Industrie und des Mittelstands inzwischen eine immer wichtigere Rolle spiele. Vor dem Hintergrund der damit einher gehenden eingeschränkten Finanzaufsicht nach Maßgabe des Kreditwesengesetzes (KWG) befindet sich die Branche vertikal andererseits in einer Konsolidierungsphase; gerade Kleinstunternehmen, die die schärfer werdenden Anforderungen nicht erfüllen können, ziehen sich aus dem Markt zurück. Diese Entwicklung ist aus Transparenzgründen auch für Factoring-Kunden sicherlich von Vorteil und wird mit dazu beitragen, dass die Dynamik des Forderungsankaufs im Jahr eins nach der Krise weiter anhalten dürfte. Factoring lässt somit auch für 2011 ein spannendes Geschäftsjahr erwarten! *Alexander Moseschus ist Geschäftsführer des Deutschen Factoring-Verbands Sprungtuch für das Exportgeschäft Deutsche Factoring Bank | Chancen auf neuen Märkten nutzen VON HENDRIK HARMS* V ielen mittelständischen Unternehmen mit starkem Auslandsgeschäft bietet der Export als Treiber des deutschen Konjunkturaufschwungs jetzt neue Wachstumschancen. Nach überstandener Krise ist jedoch ihre Innenfinanzierung bisweilen noch schwach oder gar negativ. Dann stellt sich die Frage: Wie lässt sich die zusätzliche Liquidität für den Aufschwung generieren, zumal in vielen Ländern deutlich längere Zahlungsziele gelten als in Deutschland? Hier bietet sich Factoring als wirksamer Stabilisator und positiver Impulsgeber für den Liquiditätshaushalt an. Das gilt auch für Unternehmen, die in den aufstrebenden neuen Märkten, beispielsweise den BRIC-Staaten – Brasilien, Russland, Indien und China –, ihre Chance suchen. Während Kunden in Deutschland normalerweise binnen 30 Tagen zahlen, sind beispielsweise in Frankreich, Italien oder in den USA 60 oder gar 90 Tage keine Ausnahme. Eine interne Erhebung der Deutschen Factoring Bank ergab: Werden Forderungen jahresdurchschnittlich auch nur um einen Tag schneller beglichen, reduziert dies den laufenden Finanzierungsbedarf schon erheblich. Bei einem Jahresumsatz von 1,5 Mio. Euro und unterstellten Sollzinsen von 8 % pro Jahr fallen 333 Euro an Kosten für jeden Tag der durchschnittlichen Debitorenlaufzeit an. Hinzu kommt: Neben der Überbrückung langer Zahlungsziele ist es Hendrik Harms, Geschäftsführer der Deutschen Factoring Bank, kennt die Vorteile für den Export. Foto: Dt. FB für viele Unternehmen zudem schwierig, valide Bonitätsinformationen über ihre ausländischen Abnehmer zu erhalten. Auch die Zahlungsmoral lässt nicht selten zu wünschen übrig. Solche Risiken hilft Factoring zu vermeiden, und die dafür anfallenden Kosten sind im Export nicht zwingend höher als im Inlandsgeschäft. Geld innerhalb von 48 Stunden Der Verkauf der Forderungen an einen leistungsstarken Factor löst spätestens 48 Stunden nach Rechnungsstellung die Bezahlung von bis zu 90 % aller limitgedeckten Auslandsforderungen aus. Damit verbunden ist für den Kun- best pr ac tice im e xpor t Um seine internen Fertigungsabläufe zu optimieren und sich von Drittlieferanten unabhängiger zu machen, plante ein exportstarkes mittelständisches Pharmaunternehmen Investitionen im Umfang etwa eines halben Jahresumsatzes. Die weiter steigende Kundennachfrage erforderte zugleich eine Ausweitung der Betriebsmittelfinanzierung. Auf Vermittlung der betreuenden Sparkasse kam Factoring als ergänzender Finanzierungsbaustein ins Spiel. Im Ergebnis bleiben die Kontokorrentkredite der Hausbanken weiterhin bestehen, der darüber hinausgehende Betriebsmittelbedarf sowie die Auftragsfinanzierung werden durch ein stilles Kooperations-Factoring der Deutschen Factoring Bank gedeckt – eine wichtige Weichenstellung für gesundes Wachstum. den nicht nur 100%iger Schutz vor Forderungsausfällen weltweit, sondern auch die Möglichkeit, Zahlungsziele zur Verbesserung der Wettbewerbs position künftig flexibler zu gestalten. Hinzu kommen die klassischen Factoring-Vorteile unter anderem für die Rentabilität: So kann der Kunde die zusätzlichen Finanzmittel für Einkaufsvorteile (Skonti, Rabatte) einsetzen und Marktchancen nutzen. Bei einer gewünschten Übertragung der Forderungsverwaltung an einen Spezialisten werden darüber hinaus zusätzliches Verwaltungspersonal und Sachkosten für die Debitorenbuchhaltung gespart. Weiterhin werden von der FactoringGesellschaft grundsätzlich die Kreditprüfung, das Inkasso und die Rechtsverfolgung übernommen. Weitere Vorteile sind die Verkürzung der Bilanz, weil die gekauften Forderungen aus dem Vermögen der Firma ausscheiden. Dadurch verbessern sich wichtige Bilanzkennzahlen mit positivem Einfluss auf ein künftiges Rating. Prinzipiell gibt es für Firmen auch noch andere Wege, um im Export an ihr Geld zu kommen. Im Vergleich zur Forfaitierung eignet sich Factoring besonders bei regelmäßigen Auslandslieferun gen an einen oder mehrere Abnehmer und mit dem Ziel, Geldforderungen kurzfristig zu realisieren. Die FactoringGesellschaft übernimmt im Gegensatz zum Kreditversicherer das Ausfallrisiko zu 100 %, wobei die Warenkreditver sicherung auch in die Factoring-Zusammenarbeit integriert werden kann. Beim Factoring erfolgt der Forderungsausgleich immer 120 Tage nach Fälligkeit der Rechnung. Ein Ausfall muss nicht separat nachgewiesen werden. Bei der Wahl ihres Factoring-Instituts (Factor) sollten Unternehmen in jedem Fall darauf achten, dass dieses über internationale Erfahrung verfügt und der 1968 gegründeten Factors Chain International mit entsprechenden Partnerschaften in rund 60 Ländern angehört. *Hendrik Harms ist Geschäftsführer der Deutschen Factoring Bank Die schönsten Rechnungen sind die, die sofort bezahlt werden. Wir bieten Ihnen 100 %-ige Sicherheit für Ihre Forderungen und sorgen dafür, dass Sie schnell liquide sind. Die SüdFactoring ist eine Tochtergesellschaft der LBBW-Unternehmensgruppe, die in der Mittelstandsfinanzierung eine bedeutende Rolle spielt. Diese Verbindung steht nicht nur für Seriosität und Sicherheit, sondern auch für die enge Verzahnung klassischer Finanzierungsformen mit innovativen Instrumenten, wie der Forderungsfinanzierung. Für weitere Informationen: Telefon + 49 711 127-772, www.suedfactoring.de 28 Factoring März 2011 WirtschaftsKurier Auf dem Weg zum Standard Bibby Financial Services | Im Zuge von Basel III wird Factoring zur Selbstverständlichkeit von Jörg Freialdenhoven* D ie Forderung nach einer Er höhung der Eigenkapitalquote der Banken im Zuge der Basel-III-Beschlüsse hat nicht nur die Finanzwirtschaft in Aufruhr versetzt. Auch die deutschen Mittelständler fragen sich, welche Auswirkungen Basel III auf die Unternehmensfinanzierung haben wird. Eines kristallisiert sich deutlich heraus: Das erhöhte Risikobewusstsein der Banken wird sich in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach auf einem weiterhin hohen Level einpendeln. Die restriktive Kreditvergabe wird somit insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit geringer Eigenkapitaldecke oder dem Fokus auf vermeintlich riskante Geschäftsfelder wie den Export zur Normalität. Die Unternehmensfinanzierung befindet sich also in einem Wandel, der sich schon während der Wirtschaftskrise abzeichnete: Je höher die Hürden für Kredite gelegt werden beziehungsweise je weniger verlässlich die Bereitstellung von Krediten ist, desto mehr entwickeln sich Finanzierungsalternativen zum Standard. Vor diesem Hintergrund spielt die AusrichWie der Feuervogel Phoenix nach seiner Auferstehung neu erstrahlt, glänzt auch die Factoring-Branche nach der Finanzkrise. 2010 war schon ein sehr erfolgreiches Jahr und auch 2011 rechnen die Spezialisten für das Forderungsmanagement mit einem Umsatzplus. tung der Finanzierungsstrategie eine übergeordnete Rolle, um die Weichen für eine nachhaltig erfolgreiche Zukunft bei finanzieller Planungssicherheit zu stellen. Ziel dabei sollte es sein, das eigene Finanzierungsportfolio breiter aufzustellen und damit einer- „Die Unternehmens finanzierung befindet sich in einem Wandel, der sich schon während der Wirtschaftskrise abzeichnete.“ seits die Abhängigkeit vom Bankkredit zu lockern und andererseits Flexibi lität und konstante finanzielle Handlungsfähigkeit zu gewährleisten. Forderungen werden zu Liquidität Hierzu können die Finanzierungsalternativen Factoring und Exportfactoring einen entscheidenden Beitrag leisten, denn sie schöpfen das Potenzial des von den meisten Unternehmen ungenutzten Umlaufvermögens voll aus. Indem die Unternehmen ihre Forderungen an einen Factoringanbieter übertragen und dafür im Gegenzug bis zu 90 % der Forderungssumme direkt ausgezahlt bekommen, setzen sie das in Rechnungen gebundene Kapital frei und können so ihre Liquiditätssituation signifikant ver bessern. Im Vergleich zu langwierigen Kreditverhandlungen und festgesetzten Kreditlinien erfolgt die Bereitstellung von Kapital durch Factoring beziehungsweise Exportfactoring dabei nicht nur sehr viel schneller, sondern auch dauerhaft und umsatzkongruent. Das Resultat ist ein konstanter und verlässlicher Liquiditätsfluss, der neben der Absicherung der Unternehmensfinanzierung Spielräume für Investitionen und Wachstum schaffen kann. Dabei sind zwei weitere Eigen schaften der Finanzierungsinstrumente entscheidend: Der Factoring-Anbie- ter übernimmt das Risiko der angekauften Forderungen, sodass die fi nanzielle Belastung aufgrund ausbleibender oder verzögerter Forderungen für die Unternehmen entfällt. Außerdem übernimmt der Factoring-Anbieter das komplette Forderungsmanagement inklusive professionellen Mahnungswesens. Dies führt nicht nur zu einer nachweislich verbesserten Zahlungsmoral der eigenen Debitoren, sondern entlastet die Unternehmen ebenfalls von erheblichem administrativem Aufwand und ermöglicht ihnen so eine Konzentration auf die jeweiligen Kernkompetenzen. Insbesondere für exportierende Mittelständler ist dies ein klarer Vorteil in Anbetracht des komplexen internationalen Forderungsmanagements und langer Zahlungsziele. Spezialisierte Factoringanbieter wie Bibby Financial Services koordinieren beim Exportfactoring die Zahlungen im zu beliefernden Ausland. Dies beschleunigt Zahlungsläufe durch das professionelle Forderungsmanagement enorm und rechtliche, währungstechnische sowie kommunika tive Problemstellungen werden auf ein Mindestmaß reduziert. Hierfür ist die internationale Ausrichtung be ziehungsweise Vernetzung des Factoring-Unternehmens unabdingbar. Bei Bibby Financial Services beispiels weise gewährleisten 44 eigenständige Niederlassungen weltweit und eine spezialisierte Unternehmenseinheit Jörg Freialdenhoven, Geschäftsführer von Bibby Financial Services, kennt die Folgen von Basel III für die Unter nehmensfinanzierung. Foto: Bibby mit Services in über 90 Ländern einen reibungslosen Ablauf. Vor dem Hintergrund sich wandelnder Voraussetzungen in der Unternehmensfinanzierung erfüllen die Finanzierungsalternativen Factoring und Exportfactoring die Anforderungen an eine moderne Finanzierungslösung: Sie sind flexibel und verlässlich verfügbar, stärken die unternehmerische und finanzielle Unabhängigkeit und sind auf eine erfolgreiche Zukunft ausgerichtet. *Jörg Freialdenhoven ist Geschäftsführer von Bibby Financial Services por tr ät Bibby Financial Services, im Jahr 1985 in Liverpool gegründet, hat sich von Anfang an auf Finanzierungslösungen für kleine und mittlere Unternehmen konzentriert und verfügt daher über eine einzigartige Kenntnis der Herausforderungen seiner Zielkunden. Der Finanzdienstleister betreut heute weltweit mehr als 5 000 KMUs und ist mit über 800 Mitarbeitern und 44 eigenständigen Niederlassungen in Großbritannien, Irland, Deutschland, Frankreich, Schweden, Polen, in der Tschechischen Republik, der Slowakei, in den USA, in Kanada, Australien und Indien ein international führendes Unternehmen unter den unabhängigen Factoring-Anbietern. Außerdem verfügt Bibby Financial Services über eine auf internationale Geschäftsbeziehungen spezialisierte Unternehmenseinheit mit Services in über 90 Ländern. Bibby Financial Services ist von Banken unabhängig und ein Tochterunternehmen der Bibby Line Group, die sich auch nach Gründung durch John Bibby vor über 200 Jahren noch in Familienhand befindet. Die deutsche Niederlassung mit Hauptsitz in Düsseldorf ist Mitglied im renommierten Deutschen Factoring Verband e. V. und der International Factors Group. Der passende Begleiter für die Töchter Coface Deutschland | Unternehmensweite Factoringlösung lässt Auslandsdependancen genug Eigenständigkeit Von Franz J. Michel* F actoring hat für international tätige Unternehmen als Baustein ihrer Außenhandelsfinanzierung erheblich an Bedeutung gewonnen. Diese Entwicklung wird weiter anhalten. Erhöhte Risiken in vielen Ländern bei gleichzeitigem Liquiditätsbedarf machen dieses Finanzierungsinstrument interessant. Der große Vorteil: Der Mittelzufluss wird aus dem eigenen Forderungsvolumen generiert. Neben der Ausfuhrkreditversicherung, die das Ausfallrisiko abdeckt, ist Exportfactoring zum anerkannten und nachgefragten Instrument im Außen- handel geworden. Dabei erstreckt es sich nicht mehr allein auf das klas sische Exportgeschäft. Anbieter, die über ein internationales Netzwerk verfügen, begleiten Unternehmen auch bei weitergehenden Engagements, also im Multi-Domestic-Business. Einheitlicher Ansprechpartner für alle Vertragsfragen Es geht dabei um die Anbindung ausländischer Tochtergesellschaften an die Factoring-Lösungen. Viele Unternehmen, die im Exportgeschäft tätig sind, agieren nicht nur von einem Standort in Deutschland aus, sondern unterhalten auch Tochtergesellschaf- ten und Beteiligungen in anderen Ländern. In diesen Fällen besteht oftmals das Bedürfnis, eine einheitliche Factoring-Lösung für die ganze Unternehmensgruppe zu erhalten. Eine wichtige Aufgabe besteht darin, die Tochter gesellschaften einerseits eigenständig an das Factoring-Konzept anzubinden. Viele wollen die separate Andienung von Forderungen, das eigene Handling der tagtäglichen Kommunikation usw. Hinsichtlich übergeordneter Vertragsfragen soll es oft aber einen einheit lichen Ansprechpartner geben. Hier muss der Factor in der Lage sein, durch individuell abgestimmte Konzepte auf die speziellen Wünsche Spielraum schreibt man mit F. Wer finanziell unabhängig ist, kann sich ganz auf sein Geschäft konzentrieren. Mit Factoring gewinnen Sie Spielraum: Forderungsausfälle sind passé, Sie genießen sofortige Liquidität aus Ihren Forderungen – und nutzen unsere langjährige Erfahrung im Kreditund Debitorenmanagement. www.deutsche-factoring.de Forderungen zeitgemäß managen „Private Kreditversicherer und international aufgestellte FactoringGesellschaften sind Teil des Finanzsystems von Unternehmen.“ Franz J. Michel, Vorstandschef Coface Deutschland der Kunden einzugehen. Ein weitere Anforderung: Wächst das Auslands geschäft, was höhere Forderungen bedeutet, muss auch die Finanzierung durch das Factoring-Institut parallel zum Umsatz mitwachsen. Der Factor braucht also eine entsprechende Finanzstärke und ausreichende Refinanzierungsmöglichkeiten. So ist Exportfactoring auch eine Form der – privatwirtschaftlichen – Exportförderung. Ein global agierender Factoring-An bieter wie Coface Finanz hilft über die Finanzierung, in der die Bonitätsüberprüfung der Abnehmer enthalten ist, Märkte zu erschließen. So ist der Begriff Unternehmens finanzierung heute viel differenzierter zu betrachten als noch vor einigen Jahren, als der klassische Bankkredit als Synonym für die Fremdkapitalbeschaffung gesehen werden konnte. Auch im Exportgeschäft haben sich auf der ei- nen Seite die Anforderungen an die Finanzierung, auf der anderen Seite aber auch die Möglichkeiten der Kapitalund Liquiditätsversorgung verändert. Es sind längst nicht mehr nur das klassische Akkreditiv oder die Staatsgarantie, die den Export begleiten. Im Bereich der Forderungsabsicherung zum Beispiel treten die privaten Kreditver sicherungsgesellschaften immer mehr an die Stelle der staatlichen Exportversicherung. Das hat rechtliche Gründe, zeigt aber auch, dass die großen global operierenden Kreditversicherer die freien Märkte der Welt längst effizient bedienen können. Daran wird auch die zwischenzeitliche Intervention der Politik nichts ändern, die staatliche Deckungen befristet auch für Länder der EU und OECD wieder erlaubt. Durch die Gestaltung ihrer Konditionen, aber mehr noch durch ihre Bereitschaft, Risiken zu übernehmen, sind private Kreditversicherer und international aufgestellte Factoring-Gesellschaften Teil des Finanzsystems von Unternehmen. Das gilt – was die Marktabdeckung angeht, derzeit noch in vergleichsweise geringerem, aber stetig zunehmendem Maße – auch für das Exportfactoring. Factoring-Unternehmen sind in diesem Kontext nicht automatisch Konkurrenten zu Banken, sondern Partner im Verhältnis von Unternehmen und Bank. Oft ergänzen sich verschiedene Angebote und ergeben – miteinander kombiniert – ein Finanzierungs- und gegenseitiges Risiko absicherungssystem. *Franz J. Michel ist Vorstandsvorsitzender von Coface Deutschland por tr ät Coface Deutschland zählt zu den führenden Anbietern von Lösungen im Forderungsmanagement. Neben dem Firmensitz in Mainz und elf weiteren Repräsentanzen in Deutschland sind die Rheinland-Pfälzer in den Niederlanden, Schweden und Dänemark vor Ort vertreten. Coface Deutschland ist eine 100%ige Tochter der Coface S.A. (Paris). März 2011 WirtschaftsKurier Industriestadt Berlin 29 Im Namen des Fortschritts Optimales Sprungbrett Recyclingstandort der Republik Lichtblicke Von der Forschung bis zur Markteinführung: Die Investitionsbank Berlin fördert zukunftsträchtige Seite 30 Projekte in der Bundeshauptstadt. Osteuropa im Visier: Herbert Lörch, CEO bei Saperion, spricht im Interview über die StandortSeite 30 faktoren der Spree-Metropole. Berliner Familienunternehmen: Die Alba Group setzt mit innovativen Lösungen und Verfahren Seite 31 bundesweite Standards. Die zündende Idee enstand während der BerlinBlockade: Heute rückt Semperlux viele prestigeträchtige Bauten ins rechte Licht. Seite 31 Innovation trifft auf Tradition Industriestadt Berlin | Eine breite Allianz aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung macht auf das Potenzial des Produktionsstandorts aufmerksam nen Europas. Das Spektrum reicht vom Bau von Gleis- und Signalanlagen über die Fahrzeugherstellung bis hin zu branchenspezifischen Dienstleistungen. Berlin-Potsdam zählt außerdem zu den acht deutschen Modellregionen für Elektromobilität. Zahlreiche Praxisprojekte und Vorhaben werden hier gestartet. Die 2010 gegründete Berliner Agentur für Elektromobilität (eMO) bündelt die Aktivitäten von Wissenschaft, Industrie und Politik in der Hauptstadtregion. Jedes dritte Solarmodul kommt von der Spree Ganz vorn dabei ist Berlin auch auf dem Gebiet der Umwelttechnologien. Die ansässige Solarindustrie etwa ist die wachstumsstärkste Europas. Mehr als jedes dritte Solarmodul wird mittlerweile an der Spree produziert. Einer der großen Vorteile des Standorts: Unternehmen und Forschungseinrichtungen sitzen nah beieinander. Insbesondere in Hightech-Arealen wie dem Wis- I ch bin ein Berliner“ – mit dem bekannten Kennedy-Zitat wirbt seit Ende 2010 die deutsche Hauptstadt für sich als Industriestandort. Allerdings wird das Zitat aktuell in einen neuen Kontext gesetzt: Auf Plakaten, in Anzeigen und ab April auch in Form einer Ausstellung auf dem Potsdamer Platz sprechen die Industrieprodukte die Öffentlichkeit an und verweisen damit zugleich auf die Innovationskraft des Standorts. Jedes Motiv steht für eines der inzwischen 15 Partnerunternehmen der Kampagne – und somit stellvertretend für die insgesamt rund 740 Berliner Industriebetriebe. Die Sonne etwa steht für den Hersteller von Dünnschicht-Solarmodulen Inven tux Technologies, der Pillen-Blister für das in Berlin ansässige größte deutsche Pharmaunternehmen, Bayer HealthCare, und das Motorrad für das BMWWerk im Norden der Stadt, das jährlich mehr als 100 0000 Maschinen produziert. Masterplan bis 2020 Die Kampagne „ich bin ein berliner“ – ins Leben gerufen von der Hauptstadtkampagne be Berlin – knüpft an den Masterplan Industriestadt Berlin 2010– 2020 an, mit dem sich eine breite Allianz aus Wirtschaft, Gewerkschaften, Politik und Verwaltung zur Industriestadt Berlin bekennt. Ziel ist es, auf die Leistungen und das Potenzial des Produktionsstandorts aufmerksam zu machen. Denn was angesichts der Bedeutung Berlins als Kultur- und Medienstadt allzu leicht in den Hintergrund rückt: Die deutsche Hauptstadt hat sich – mehr als 20 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung – zu einem der interessantesten Produktions- und Entwicklungsstandorte Europas ent wickelt. René Gurka, Geschäftsführer der mit dem Hauptstadt-Marketing betrauten Berlin Partner GmbH: „Unsere Industrie hat sich neu erfunden. Berliner Produkte sind innovativ und international konkurrenzfähig. Das wollen wir mit der Initiative „ich bin ein berliner“ wieder ins Bewusstsein rücken.“ Der Strukturwandel, der mit dem Fall der Mauer einsetzte, brachte Alt und Neu zusammen – und daraus erwuchs Spannendes. So besinnt sich die Industrie der Hauptstadt heute einer- senschafts- und Technologiepark Berlin-Adlershof oder im derzeit ent stehenden Clean Tech Business Park Berlin-Marzahn arbeiten Produzenten, Forscher und Dienstleister eng verzahnt an der Entwicklung neuer, effizienter Lösungen zur umweltfreundlichen Erzeugung, Speicherung und Nutzung von Energie. Nicht von ungefähr ist Energieeffizienz, neben alternativen Antriebstechniken, Windenergie und Bioenergien, eines der zentralen Themen des Clean-Tech-Standorts Berlin: In der Erzeugung von Strom und Wärme durch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) belegt die Hauptstadt sogar deutschlandweit einen Spitzenplatz und ist zugleich KWK-Modellstadt. Internationales Gesundheitszentrum Rund 450 Unternehmen der Pharmabranche, der Biotechnologie und Medizintechnik und 71 Kliniken: Berlin ist „Health Capital“ und zieht in dieser Eigenschaft nicht nur hervorragend ausgebildete Fachkräfte an, sondern auch Patienten aus aller Welt. Die in Europa einmalige Vernetzung von Industrie, medizinischen Einrichtungen und Forschung ermöglicht es, Forschungsergebnisse schnell in die Praxis umzusetzen. Die ideale Umgebung hierfür bieten acht speziell auf Biotechnologieund Life Sciences-Unternehmen zugeschnittene Technologieparks. Zu den Flaggschiffen des Standorts gehören Europas größtes Universitätsklinikum, die Charité, das Deutsche Herzzen trum Berlin, das als eines der leistungsstärksten Transplantationszentren der Welt gilt, sowie das Max-DelbrückCentrum für Molekulare Medizin Berlin-Buch. Die Berliner Pharmaunternehmen, darunter Global Player wie Bayer HealthCare, Pfizer und BerlinChemie, aber auch eine große Anzahl renommierter mittelständischer Unternehmen wie Dr. Kade, erwirtschaften rund 13 % des gesamten deutschen Pharmaumsatzes. Berlin-Brandenburg zählt außerdem zu den führenden Biotechzentren Europas. Volltreffer! Stark wie ein Bär: Der Berliner Industriestandort profitiert von der engen Verzahnung von Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung. Siemens, Storck, Gillette oder Schindler mittlerweile weitere multinationale Konzerne in der Hauptstadt nieder gelassen, darunter Coca-Cola, BASF, ThyssenKrupp und Motorola. Vier umsatzintensive Branchen „Unsere Industrie hat sich neu erfunden. Berliner Produkte sind innovativ und international konkurrenzfähig.“ René Gurka, Geschäftsführer Berlin Partner seits auf ihre große Ära als „Elektro polis“ Ende des 19. Jahrhunderts, definiert sich aber zukunftsorientiert durch einen Mix aus Hightech und sich modernisierender klassischer Industrie. Vorangetrieben wird diese Entwicklung durch die ideale Lage der Stadt im Herzen Europas und durch die große Zahl an jungen und hoch qualifizierten Arbeitskräften, die in Berlin leben und arbeiten. Vor allem aber ist sie geprägt durch die enge Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft in der Hauptstadtregion. Diese ist ein wesentlicher Impulsgeber für die Innovationskraft des Standorts. Ideale Voraussetzungen also, die durch gute Förderbedingungen noch unterstützt werden. Nicht von ungefähr haben sich neben alteingesessenen Erfolgsunternehmen wie Besonders stark ist in Berlin das verarbeitende Gewerbe mit vier umsatzintensiven Branchen vertreten: der Elektroindustrie, der chemischen Industrie (inklusive der Pharmaindustrie), dem Bereich Metall, Maschinen- und Fahrzeugbau sowie der Ernährungswirtschaft. Die Kernbranchen zeichnen sich durch innovative Schwerpunkte aus, die sich aus einem engen Kontakt mit Vertretern der Hightech-Branchen wie Life Sciences, Clean Technologies oder Mobilität ergeben. Von der modernen Infrastruktur der Stadt profitiert vor allem die boomende Informations- und Kommunikationsbranche der Stadt. Denn Berlin besitzt nicht nur das größte digitale Kommunikationsnetz Deutschlands, sondern auch das größte geschlossene Breitbandverteilnetz Europas. Kurze Wege zu den Märkten Die Nähe zu den europäischen Wachstumsmärkten macht die Region auch für die Automobilindustrie interessant. Mit BMW und Daimler produzieren in Berlin gleich zwei wichtige deutsche Hersteller. Unter anderem wird Daimler ab 2012 im Werk Berlin Elektromotoren für Hybridantriebe von Mercedes-Benz fertigen. Aber auch viele Zulieferer sind hier zu Hause. Gleichzeitig zählt Berlin-Brandenburg mit Unternehmen wie Bombardier Transporta tion, Siemens Transportation Systems oder der Deutschen Bahn mittlerweile zu den führenden Bahntechnikregio- Ihre Themen im passenden Umfeld Schwerpunktthemen in der April-Ausgabe: ZUKUNFT PERSONAL TRANSPORT & LOGISTIK KREDITVERSICHERUNG PRIVATE BANKING ENERGIE UND UMWELT VERLAGSBEILAGE: VERSICHERUNGEN Erscheinungstermin: 1. April Anzeigenschluss: 28. März Informationen über Sonderthemen, Anzeigenschaltungen, Ad Specials und Prospektbeilagen erhalten Sie unter der Rufnummer 089 638981-54. Unsere Mediadaten im Internet: www.wirtschaftskurier.de/mediadaten 30 Industriestadt Berlin März 2011 WirtschaftsKurier Hightech-Branchen auf Erfolgskurs Investitionsbank Berlin | Mit speziellen Programmen unterstützt die Landesförderbank Technologieunternehmen tens 17 500 Euro Jahresumsatz), der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und der Umsätze in den genannten Wirtschaftsbereichen. von Ulrich Kissing* B erlin ist in den vergangenen Jahren auf dem Weg zu einem leistungsfähigen und innovativen Industriestandort ein gutes Stück vorangekommen – die deutsche Hauptstadt ist Spitzenreiter im Länderranking „Forschung- und Entwicklungseinsatz im Verarbeitenden Gewerbe“. Beim Forschungspersonal rangiert Berlin, zwar mit schwankenden Werten, aber doch bereits seit 1993 beständig auf dem ersten Platz. Der Anteil des Forschungs- und Entwicklungspersonals an der Gesamtbeschäftigtenzahl in der deutschen Hauptstadt übertraf zuletzt mit 9,7 % den gesamtdeutschen Durchschnitt um 4,4 Prozentpunkte. Parallel zum Personal gelang es den Berliner Industrieunternehmen, auch bei den Kosten eine gute Position zu belegen. Beim Verhältnis Forschungs- und Entwicklungskosten zum Umsatz liegen die drei Länder Hessen (4,5 %), BadenWürttemberg (4,2 %) und Berlin (3,7 %) deutlich und Bayern (2,9 %) knapp über dem Bundesdurchschnitt (2,5 %). „Die deutsche Hauptstadt ist Spitzenreiter im Länderranking ,Forschungund Entwicklungseinsatz im Verarbeitenden Gewerbe‘.“ Begleiter des Strukturwandels Ulrich Kissing, IBB-Vorstandsvorsitzender Die Investitionsbank Berlin (IBB) hat den Strukturwandel der Berliner Wirtschaft in den zurückliegenden Jahren erfolgreich begleitet. Heute ist die Stadt ein Standort, dessen Wirtschaftswachstum stabil ist und aus heutiger Sicht für 2011 ein Plus von 2,5 % erwarten lässt. Dennoch könnte Berlin seine Position als Innovationsstandort sicher noch weiter verbessern. Hier kann die IBB mit ihren Produkten helfen. Neben dem wichtigen Investitionsförderprogramm GRW – Gemeinschaftsaufgabe zur „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ gibt es speziell für Techno logieunternehmen das Programm „ProFIT“. Damit fördert die IBB zu- kunftsträchtige Projekte in allen Phasen des Innovationsprozesses – von der Forschung bis zur Markteinführung. Gerade mit ProFIT hat Berlin seit Jahresbeginn noch mehr Transparenz in die Technologieförderung gebracht. So sind in dem neuen Programm seit dem 1. Januar die bisherigen Förderprogramme „ProFIT“ und „Zukunftsfonds“ zusammengefasst. Angesiedelt ist es unverändert bei der IBB. Darüber hinaus ist das Förderprogramm „Transfer Bonus“ nunmehr fester Bestandteil der Innovationsförderung. Mit diesem Programm werden Kooperationen zwi- Kompetenzfelder wachsen schneller als die Berliner Gesamtwirtschaft schen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und Forschungseinrichtungen in Berlin und Brandenburg bezuschusst. Seit Jahresbeginn 2011 wird das Programm von der TCC TechnologieCoaching-Center GmbH, einer Tochter der IBB, durchgeführt. Über den Zukunftsfonds wurden bis zu seinem Aufgehen in ProFIT Innovationsprojekte mit strategischer Bedeutung für die Region gefördert, wobei die Schwerpunkte in den Bereichen Bio- und Medizin-, IuK- sowie Verkehrstechnologie lagen. Von der Forschung bis zur Markteinführung: Die IBB fördert zukunfts trächtige Projekte in allen Phasen des Innovationsprozesses. foto: ibb Optimierte Innovationsförderung Mit dem nun neuen ProFIT-Programm wird die Qualität und Transparenz der Berliner Innovationsförderung weiter verbessert. Die Maßnahme ProFIT war schon bisher das zentrale Technologieförderprogramm des Landes Berlin. Darin wurden über die vergangenen Jahre in einem einzigartigen Optimierungsprozess insgesamt sieben Landestechnologieprogramme integriert. Die Erfolgsgeschichte von ProFIT ist insbeson- dere gekennzeichnet durch eine deutliche Erhöhung des Bewilligungsvolumens, das von 21,8 Mio. Euro im Jahr 2005 auf 53,2 Mio. Euro im Jahr 2009 mehr als verdoppelt werden konnte. Ein Blick auf die Entwicklung der Berliner Technologiefelder bestätigt den Erfolgskurs der Innovations- und Technologieförderung in den vergangenen Jahren. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Perspektiven Berliner Kompetenzfelder“, die die IBB kürzlich veröffentlicht hat. Bei diesen Feldern handelt es sich um die Branchen Medizintechnik, Biotechnologie, Informations- und Kommunikationstechnologie/Medien IuK (inklusive Kreativwirtschaft), Verkehrssystemtechnik, Optische Technologien und Energietechnik. Untersucht wurde die Entwicklung des Unternehmensbestands (steuerpflichtige Unternehmen mit mindes- Der Studie zufolge wachsen die Kompetenzfelder hinsichtlich aller drei untersuchten Parameter schneller als die Berliner Gesamtwirtschaft. Hinsichtlich des Umsatzes und des Unternehmensbestands liegen sie zudem auch über dem deutschen Durchschnitt beziehungsweise dem Durchschnitt der größten deutschen Städte Hamburg, Frankfurt/Main, München und Köln. So verzeichnete Berlin beim Unternehmensbestand zwischen 2002 und 2008 ein jahresdurchschnittliches Wachstum von 3,9 % (Städtedurchschnitt: 2,9 %). Beim Umsatz betrug die durchschnittliche Wachstumsrate sogar 8,8 % (1,2 %) und bei der Beschäftigung immerhin noch 0,5 % (0,5 %). Schon seit Jahren fokussiert die IBB den Fördermitteleinsatz auf die Kom petenzfelder, sodass Projekte in diesen Bereichen im Jahr 2010 auf einen Anteil von rund 60 % am Gesamtportfolio der Wirtschaftsförderung kamen. Von den 2010 insgesamt bewilligten 212 Mio. Euro entfielen 50 Mio. Euro auf Optische Technologien, 44 Mio. Euro auf den Bereich IuK, 35 Mio. Euro auf Medizintechnik, 31 Mio. Euro auf Medien und Kultur und 24 Mio. Euro auf Verkehr und Mobilität. Es folgten die Energietechnik (19 Mio. Euro) und die Biotechnologie (9 Mio. Euro). Als Landesförderbank helfen wir auf diese Weise, moderne und hocheffiziente Industriearbeitsplätze in Berlin zu schaffen. *Ulrich Kissing ist Vorsitzender des Vorstands der Investitionsbank Berlin (IBB) Optimales Sprungbrett Chancen nutzen Saperion | Der Berliner Softwarehersteller ist in Osteuropa sehr aktiv UVB | „Die Wirtschaft folgt der Infrastruktur“ F ür den Erfolg einer Firma sind Informationen entscheidend – das weiß man auch beim Berliner Softwarehersteller Saperion. Seit über 20 Jahren entwickeln die IT- Experten aus der Bundeshauptstadt leistungsfähige Software für das Erfassen, Ablegen, Verarbeiten und Aufbereiten von Unternehmensinformationen. Zum Kundenkreis von Saperion zählen neben mittelständischen Betrieben auch global agierende Konzerne wie Lufthansa, E.ON oder Voda fone. Die Lösungen der Berliner unterstützen Unternehmen bei der effizienten Verwaltung von Firmeninformationen sowie bei der Automatisierung und Optimierung der Geschäftsprozesse. Herbert Lörch, CEO bei Saperion, spricht im Interview über die Standortfaktoren der deutschen Bundeshauptstadt und sagt, ob der Masterplan des Berliner Senats in seinem Unternehmen schon Früchte trägt. Die Fragen stellte WiKu-Redakteur Philipp Tröbinger. WirtschaftsKurier: Herr Lörch, unter dem Motto der Imagekampagne „ich bin ein Berliner“ geben lokale Unternehmen ein Bekenntnis zum Industriestandort Berlin ab. Welche Standortfaktoren der deutschen Bundeshauptstadt schätzen Sie als Software-Unternehmen besonders? Herbert Lörch: Berlin ist eine Drehscheibe im deutschen Luftverkehr und wird daher besonders von unseren internationalen Partnern und Kunden sehr geschätzt. Dies bestätigt sich Jahr für Jahr auf unserer Saperion Convention – die Teilnahme ist hoch und die Bewertungen für Berlin als Standort fallen sehr gut aus. Zudem ist auch die Nähe zu Osteuropa ein Vorteil für uns – wir sind dort sehr aktiv und Berlin ist von Christian amsinck* I „Unsere Kunden in Berlin kommen aus unterschied lichen, eher dienstleistungs orientierten Branchen.“ Herbert Lörch, CEO bei Saperion für uns das optimale Sprungbrett in den Osten. WiKu: Saperion wurde 1985 in Berlin gegründet. Wurde die heutige Hauptstadt als Unternehmenssitz damals bewusst beziehungsweise strategisch gewählt? Lörch: Saperion hat sich schon immer an den Kundenanforderungen orientiert. Die ersten Großkunden kamen aus Berlin: das Europäische Patentamt und Siemens. WiKu: Berlin gilt grundsätzlich eher als kreative Mode- und Dienstleistungsmetropole. Die Standortentwicklung im industriellen Bereich wird nun von politischer Seite verstärkt gefördert und angetrieben: „Berlin soll wieder Industriestadt werden“, so der im Sommer 2010 beschlossene Masterplan des Berliner Senats. Spiegeln sich diese Ambitionen bereits in Ihrer Kundenliste wider? Lörch: Derzeit kann man das noch nicht sagen. Unsere Kunden in Berlin kommen aus unterschiedlichen, eher dienstleistungsorientierten Branchen. Zum Portfolio zählen zum Beispiel die IDEAL Versicherung, Fleurop oder der ADAC Berlin-Brandenburg. Aber wir sind gespannt, welche Auswirkungen der Masterplan auf Berlin und damit auch auf unser Unternhemen Saperion hat. WiKu: Neben der Firmenzentrale in Berlin verfügt Saperion über sechs deutschlandweit verteilte Kompetenzzentren und ist mit mehreren Tochtergesellschaften in Großbritannien, Nordamerika, der Schweiz sowie in Singapur auch auf internationaler Ebene vertreten. Gibt es im Moment weitere Expansions absichten? Welche Märkte haben Sie im Visier? Lörch: Mit den erwähnten Niederlassungen sind wir derzeit strategisch sehr gut aufgestellt. Unser interna tionales Geschäft führen wir praktisch zu 100 % über Partner. Daher können wir mit einer überschau baren Anzahl von Niederlassungen problemlos international agierende Konzerne betreuen. ch bin ein Berliner.“ Dieses Zitat des ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy stand früher für die Freiheit Berlins und den Durchhaltewillen seiner Bürger. Heute steht es auch für das, was die Stadt zukunftsfähig macht: Sie ist ein Standort für eine innovative und wettbewerbsfähige Industrie. Deshalb präsentiert eine Initiative der Berliner Wirtschaft und des Senats herausragende Produkte aus unterschiedlichen Bereichen, um die Industrie sichtbarer machen und ein neues Bewusstsein zu schaffen für die Chancen der Industriestadt Berlin. Denn immer noch wissen zu wenige Menschen in und außerhalb der Re gion von der Leistungsfähigkeit der Industrie und ihrer Bedeutung für Wachstum und Beschäftigung. Sitz führender Unternehmen So fertigt das Werk Berlin der Daimler AG in Marienfelde ab 2012 Elektromoto ren für Hybridantriebe. Insgesamt 100 Autos vom Typ „smart electric drive“ fahren schon jetzt durch die Stadt. Und Siemens produziert bereits seit 1847 Gasturbinen in Moabit, die für Kunden in 60 Ländern hergestellt werden. Allein die größte und leistungsstärkste Gasturbine der Welt kann rund 2,2 Mio. Menschen mit Strom emissionsfreundlich versorgen. Die Semperlux-Gruppe ist ebenso eng mit der Hauptstadt verwurzelt und international ausgerichtet. Sie entwickelt energieeffiziente Lichttechnik und moderne LED-Technologie – sei es im Bundeskanzleramt, im Porsche Museum oder auf den Straßen Berlins. Bombardier Transportation hat in Berlin seine Firmenzentrale und setzt als weltweiter Marktführer neue Standards in der Schienenverkehrstech nologie. Das Berliner Unternehmen Biotronik gehört in der Medizintechnik zu den weltweit führenden Herstellern kardiologischer Implantate und hat den ersten deutschen implantierbaren Herzschrittmacher entwickelt. Diese Beispiele zeigen, dass Berlin eine Stadt mit Chancen und Entwicklungspotenzial ist. Nach dem Mauerfall hat die Berliner Industrie einen tief greifenden Strukturwandel vollzogen und solide industrielle Kerne etabliert, die sich in der Wirtschafts- und Finanzkrise gut behauptet haben. Heute liegt die Zahl der Industriebeschäftigten bei rund 100 000. Mit jedem dieser Arbeitsplätze sind weitere im Dienstleistungsbereich verbunden. Nicht nur bundesweit, sondern auch in Berlin hat eine starke Industrie eine Schlüsselfunktion „Das Ziel ist, Berlin als Modellregion für Elektromobilität zu etablieren.“ für die gesamte Wirtschaft – wie bei der Ressourceneffizienz, Mobilität und in der Gesundheitswirtschaft. Die Verei nigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB) zählt deshalb zu den Einrichtungen, die maßgeblich Initiativen in der Industriepolitik angestoßen hat wie den „Steuerungskreis Industriepolitik“ beim Regierenden Bürgermeister, den „Masterplan Industriestadt Berlin 2010 – 2020“ und eben die erste Imagekampagne für die Berliner Industrie „ich bin ein Ber liner“. Die UVB beteiligt sich zudem finanziell an der „Agentur für Elektromobilität (eMO)“ zur gezielten Förderung eines industriellen Zukunftsfeldes in der Hauptstadtregion. Das Ziel ist, Ber- lin als Modellregion für Elektromobilität zu etablieren. Gezielte Fachkräfteentwicklung Diese Initiativen fördern nicht nur das Bewusstsein für die Bedeutung der Industrie in der Stadt, sondern erarbeiten auch konkrete Maßnahmen, wie Berlin als Industriestandort weiter gestärkt werden kann, beispielsweise durch einfachere Verwaltungsabläufe bei Inves titionen und Ansiedlungen und der gezielten Fachkräfteentwicklung. Aber nicht nur die Förderung der Industrie ist eine Schlüsselaufgabe. Für die Unternehmen ist die Infrastruktur Grundvoraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg getreu dem Motto: Die Wirtschaft folgt der Infrastruktur. Dazu gehören die planmäßige Fertigstellung des Flughafens BBI und die Verlängerung der Bundesautobahn A100 bis zur Anschlussstelle „Am Treptower Park“ sowie die Nachnutzung des Flughafengeländes in Tegel als großflächiger Industriepark für Zukunftstechnologien, Forschung und Entwicklung. Wir sehen also Erfolge und neue Möglichkeiten in der Entwicklung der wirtschaftlichen Strukturen und in der Art und Weise, wie sich die Politik um den Industrie standort kümmert und dabei die Wirtschaft unterstützt. Allen Beteiligten ist dabei klar, dass nur durch eine starke Industrie Berlin auch in anderen Be reichen wie im Dienstleistungssektor nachhaltig wachsen und neue Arbeitsplätze schaffen kann. Denn trotz aller Fortschritte hat Berlin im Bundesvergleich immer noch Aufholbedarf, was den Ausbau der Industrie angeht. Es gibt also noch eine Menge zu tun, aber auch viele Chancen, die Berlin nutzen kann. *Christian Amsinck ist Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unter nehmensverbände Berlin-Brandenburg März 31 Industriestadt Berlin 2011 WirtschaftsKurier Recyclingstandort der Republik Alba Group | Die vom Berliner Familienunternehmen entwickelte „Gelbe Tonne plus“ ermöglicht hohe CO2-Einsparungen D ie Ölkatastrophe im Golf von Mexiko, ansteigende Benzinpreise und die Befürchtungen um die Auswirkungen des Klimawandels machen deutlich: Der Umgang mit endlichen Ressourcen und die bevorstehende Rohstoffverknappung verlangen ein Umdenken – sowohl ökologischer als auch ökonomischer Natur. Neben dem Klimaschutz erlangt die Erschließung von neuen Rohstoff quellen, genau wie die Steigerung der Rohstoffeffizienz, immer größere wirtschaftliche Bedeutung. Das neue Schlagwort in diesem Zusammenhang heißt „Urban Mining“ – also die Nutzung des Abfalls als Rohstoffmine der Zukunft. Das Berliner Familienunternehmen Alba Group, eine der zehn größten Recyclinggruppen weltweit, hat hier schon lange vor der aktuellen Diskussion um Seltene Erden und ansteigende Rohstoffpreise neue Ideen entwickelt, die als Vorbild für ganz Deutschland gelten. Die Unternehmensgruppe, die Ende der 60er-Jahre in Berlin gegründet wur- de und noch immer in Familienbesitz ist, gilt als der große Recycler Berlins. Sie hat als Erste Anfang der 70er-Jahre Glas, Papier und Pappe getrennt gesammelt und verwertet. Dieses System der Mülltrennung entwickelte sie 1973 zum sogenannten Berliner Modell weiter, der Wertstoffsammlung nach Fraktionen. Ein System, das sich inzwischen bundesweit durchgesetzt hat. Ein technisch einmaliges Verfahren zur Restmüllbehandlung 2005 errichtete die Alba Group zudem eine der modernsten Hightech-Sortieranlagen Europas in Berlin-Mahlsdorf. Die Anlage sortiert den Abfall aus den Gelben Tonnen und Gelben Säcken von 5 Mio. Menschen und deckt damit die gesamte Hauptstadt sowie angrenzende Regionen aus Brandenburg ab. Auch ein technisch einmaliges Verfahren zur Restmüllbehandlung, die mechanisch-physikalische Stabili sierung, von der zwei Anlagen in Berlin in Betrieb sind, wurde von Alba ent wickelt. Im Jahr 2005 entwickelte die Alba Group ihr Berliner Modell weiter, indem sie eine neue Wertstofftonne in mehreren Hunderttausend Berliner Haushalten einführte, die „Gelbe Tonne plus“. Mit dieser Tonne bietet Alba den Verbrauchern eine kostengünstige und äußerst praktische Erleichterung der herkömmlichen Mülltrennung. Denn in diese Tonne können zusätzlich zu den üblichen Verpackungsmaterialien, die in die Gelbe Tonne oder den Gelben Sack gehören, auch alle anderen, sogenannten stoffgleichen trockenen Abfälle entsorgt werden – beispielsweise der ausgediente Kochtopf aus Aluminium, das kaputte Plastikspielzeug oder auch defekte Elektrokleingeräte. Der Verbraucher spart eine zusätzliche Tonne und Restmüllgebühren, denn die Menge an Restabfall, der in Müllverbrennungsanlagen beseitigt wird, reduziert sich merklich. Zugleich werden mehr Stoffe dem Recycling zugeführt, wodurch der produzierenden Industrie zusätzliche Sekundärrohstoffe zur Verfügung stehen. Berliner Superlative: Die Alba Group – eines der zehn größten Recycling unternehmen weltweit – betreibt eine der modernsten HightechSortieranlagen Europas in BerlinMahlsdorf. Fotos: Alba Das vermeidet teure Importe, denn Deutschland ist selbst ein rohstoffarmes Land. Bereits heute spart das Recycling von Abfällen der deutschen Industrie jedes Jahr Rohstoffimporte von rund 10 Mrd. Euro ein, wie eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln ergeben hat. Ein Trend, der durch die bundesweite Einführung des Alba-Modells der Gelben Tonne plus noch weiter zunehmen könnte. Vorbild für die Politik „Als zuverlässiger Umweltdienstleister trägt Alba wesentlich dazu bei, dass sich Berlin als Recyclingstandort etabliert hat.“ Walter Momper, Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses Das hat auch die Politik erkannt. Das Bundesumweltministerium plant mit einem neuen Gesetz, dem sogenannten Kreislaufwirtschaftsgesetz, die erweiterte Wertstofftonne im ganzen Land einzuführen. Das von Alba entwickelte Modell der Gelben Tonne plus macht also Schule. Nicht zuletzt auch weil durch die Öffnung des bestehenden Systems „Gelbe Tonne/Gelber Sack“ zur erweiterten Wertstofftonne ebenfalls der Ausstoß von klimaschädlichem CO2 in Deutschland deutlich reduziert werden könnte. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Studie des Fraunhofer-Instituts hervor. So fanden die Forscher heraus, dass bei einer bundesweiten Anwendung des Modells Gelbe Tonne plus rund 290 000 Tonnen CO2 zusätzlich eingespart werden könnten, und zwar jährlich. Das entspricht in etwa dem Ausstoß eines normalen Pkws auf einer Strecke von über 1,6 Mrd. Kilometern, umgerechnet rund 100 000 Mal der Fahrt Berlin– Bangkok hin und zurück. Bei all diesen Innovationen der Alba Group in der Vergangenheit, die bundesweite Durchschlagskraft habe, ist es kein Wunder, dass Berlin mittlerweile als Vorbild in Sachen Recycling gilt. So zeigte sich auch der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin und amtierende Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, Walter Momper, bei einem Anlagenbesuch im vergangenen Jahr beeindruckt: „Als zuverlässiger Umweltdienstleister trägt Alba wesentlich mit dazu bei, dass sich Berlin als Recyclingstandort etabliert hat.“ Berliner Erleuchtungen Semperlux | Der Erfolg des Familienunternehmens beruht auf einer zündenden Idee während der Berlin-Blockade bei allen Lichtkonzepten an dem modernen Bauwerk um Neuentwicklungen. Aber auch andere Wahrzeichen der Hauptstadt wie etwa das Bundeskanzleramt oder das Kaufhaus des Westens (KaDeWe) erstrahlen im Licht der Semperlux-Innovationen. von philipp tröbinger S emperlux ist ein Paradebeispiel, wie aus einer zündenden Idee zum richtigen Zeitpunkt der Grundstein für eine international agierende Unternehmensgruppe gelegt werden kann. Auch nach 60 Jahren sind die Berliner nicht müde geworden, mit entsprechendem Pioniergeist innovative Lichtsysteme für den Innen- und Außenraum zu entwickeln. Seit Jahrzehnten bringt Semperlux Formen, Funktionalität sowie kreatives Design zusammen und setzt wie kein anderes Unternehmen in der Branche Standards in der deutschen „Lichtkultur“. So kommen die Lichtlösungen des Familienunternehmens beispielsweise am Flughafen in Wien, beim Porsche Museum in Stuttgart oder bei der Puma-Zentrale in Herzogenaurach zum Einsatz. Auch prestigeträchtige Bauwerke und Wahrzeichen im Ausland – beispielsweise das Wembley Stadion in London oder die Grachten in Amsterdam – werden mit Lichtkonzepten aus der deutschen Hauptstadt ausgestattet. Dabei hatte im Jahr 1948 alles eher bescheiden unter schwierigen Umständen angefangen. Erfindung zum richtigen Zeitpunkt Dass die besten Ideen in Notsituationen entwickelt werden, hat die Geschichte schon mehrmals bewiesen. Gerade in Krisenzeiten sind Menschen besonders kreativ, um sich aus einer verzwickten Lage zu befreien. Auch die Erfolgsgeschichte von Semperlux ist Kooperationspartner der Hauptstadtkampagne Lichtblicke: Bekannte Bauwerke in der Hauptstadt sind mit Beleuchtungskonzepten von Semperlux ausgestattet. Im Bild der Hauptbahnhof (l.) sowie das Bundeskanzleramt. darauf zurückzuführen. Der Aufstieg des heute international agierenden Familienunternehmens begann in der Zeit der Berlin-Blockade mit einer Produktneuheit: In den Jahren 1948/1949 stand den Menschen nur zwei Stunden Strom pro Tag zur Verfügung. Eine Misere, die den arbeitslosen Elektroingenieur Hermann Bansbach zum Tüfteln antrieb. Die „Erleuchtung“ ließ nicht lang auf sich warten: Bansbach entwickelte und produzierte ein 24-Volt-Batterie-Aufladegerät, mit dem die Bevölkerung die Stromsperre überbrücken konnte und ihr somit rund um die Uhr Licht zur Verfügung stand. Dieses Ladegerät mit der Warenbezeichnung „Semperlux“ – was so viel wie „immer Licht“ bedeutet – war die Geburtsstun- de des gleichnamigen Leuchtenherstellers aus Berlin. Mit dem „Metersystem“ wurden neue Maßstäbe gesetzt „Wir sind überzeugt, dass Berlin auch in den nächsten Jahrzehnten eine sehr starke Entwicklung erleben wird.“ Klaus-Peter Siemssen, Vorstandsvorsitzender von Semperlux Nach der Blockade stellte das Unternehmen verschiedenste Leuchtstofflampen her und setzte mit einem von Lampenlängen unabhängigen „Metersystem“ neue Maßstäbe in der architekturbezogenen Innenbeleuchtung. Das in den 70er-Jahren entwickelte Programm von Lichtrohren, -kanälen und -kassetten revolutionierte die damalige „Beleuchtungskultur“. Bald darauf eroberte Semperlux mit designorientierten Außenleuchten auch die Innenstädte. Als erfolgreiches Berliner Unternehmen sind die Projekte in der Hauptstadt heute allgegenwärtig und prägen den öffentlichen Raum – insbesondere bei Dunkelheit – ganz entscheidend mit. Mit der Unternehmens philosophie „Licht.Ideen.Systeme“ drückt Semperlux den bekanntesten Bauwerken in der Spree-Metropole seinen „Illuminations-Stempel“ auf. Ein besonderes Prestigeobjekt der jüngeren Geschichte ist der neue Berliner Hauptbahnhof. Am größten Schienen-Knotenpunkt Europas sorgen insgesamt 54 verschiedene Beleuchtungssysteme von Semperlux für angenehme und beeindruckende Sichtverhältnisse: Von der einfachen Bahnsteig-Leuchte über satinierte Lichtbänder bis hin zur großflächigen Fassadenbeleuchtung handelt es sich Das Familienunternehmen zählt seit Jahrzehnten zu den Innovationstreibern innerhalb der Branche und ist nach wie vor mit Berlin eng verbunden. Diese Bindung spiegelt sich unter anderem in der Kooperationspartnerschaft der 2010 initiierten Hauptstadtkampagne „Berlin – the place to be for future industries“ wider. Neben anderen führenden Unternehmen an der Spree – wie etwa Bombardier oder Siemens – gibt Semperlux der Kampagne ein Gesicht und bekennt sich zu der Weltstadt. „Für international agierende Unternehmen, die eng mit den Geschehnissen am Markt verflochten sein müssen, ist Berlin aktuell mit Sicherheit einer der attraktivsten Standorte. Die Breite an Know-how und die Dynamik sind beeindruckend“, unterstreicht Klaus-Peter Siemssen, Vorstandsvorsitzender von Semperlux. Auch in Anbetracht der Zukunftsfähigkeit der Metropole sind die Hauptstädter sehr zuversichtlich und selbstbewusst: „Wir sind überzeugt, dass Berlin auch in den nächsten Jahrzehnten eine sehr starke Entwicklung erleben wird – und Semperlux hat sich hier auch einiges vorgenommen“, so Siemssen. 32 Journal März 2011 WirtschaftsKurier Bosch setzt nicht nur in der Technik Maßstäbe, sondern auch was seine Außenwirkung anbelangt: Links das Plakat „Roter Teufel“ aus dem Jahr 1910. Als Motiv diente der Rennfahrer Camille Jenatzy, der mit seinem mit einer Magnetzüdnung ausgestatteten Mercedes von Triumph zu Triumph eilte. Rechts das Blechplakat „Motorrad mit Bosch-Ausrüstung“ von 1925, das heute eine beliebtes Sammlerstück ist. Fotos: Bosch Ein Technik-Pionier mit Herz Bosch | Der Automobilzulieferer feiert sein 125-jähriges Jubiläum und den 150. Geburtstag seines Gründers Robert Bosch Von Daniel G. Medhin D ie Erfolgsgeschichte der Unter nehmen Daimler und Bosch ist so eng miteinander ver knüpft, dass dieses Verhältnis schon des Öfteren mit einer Ehe verglichen wurde. Doch zu Beginn der Zusammen arbeit von Robert Bosch und Gottlieb Daimler hätte wohl kaum einer ge glaubt, dass aus dieser Beziehung ein mal viele der Innovationen hervorge hen werden, die das Bild des Automo bils bis zum heutigen Tag prägen. Denn von Liebe auf den ersten Blick konnte zwischen dem Autohersteller und dem Zulieferer wahrlich nicht die Rede sein. Noch wenige Tag vor seinem Tod, am 12. März 1942, und rund ein halbes Jahrhundert nach den ersten Kontak ten erinnerte sich Robert Bosch an den mehr als holprigen Start: „Daimler hasste mich und machte mir alle Schwierigkeiten, die er mir machen konnte.“ Neben persönlichen Aversio nen belasteten vor allem fachliche Dif ferenzen das Verhältnis der schwä bischen Tüftler. Den Zündstoff für ihre explosive Beziehung lieferte das „Pro blem der Probleme“, wie es Carl Benz – der andere Vater der motorisierten Fortbewegung – nannte: auf welche Weise das Gasgemisch im Zylinder ei nes Motors entflammt werden sollte. Während Benz auf die Batteriezün dung setzte, hatte sich Gottlieb Daim ler der Glührohrzündung verschrie ben, bei der ein Röhrchen in die Wand des Zylinders eingefügt und von außen erhitzt wird. Diese Technik war jedoch nicht unumstritten und hatte schon das eine oder andere Todesopfer gefor dert. Vor allem der in Nizza lebende österreichische Generalkonsul Emil Jelinek, dessen Tochter Mercedes den schwäbischen Vierrädern ihren Na men lieh, war ein entschiedener Geg ner dieser Methode. Da die Daimler Motoren Gesellschaft großes Interesse an den Geschäftsbeziehungen mit dem Konsul hatte, der durch seine guten Kontakte in die feine Gesellschaft den Vertrieb der Autos ankurbeln sollte, musste sich Gottlieb Daimler schließ lich zähneknirschend dem Druck aus dem eigenen Haus fügen, das auf die Alternative eines gewissen Herrn Ro bert Bosch aus Stuttgart setzte. Moderne Produktion: Schon früh setzte man bei Bosch auf innovative Fertigungsmethoden. Hier die Herstellung von Isolierkörpern für Z ündkerzen. Eine Pionierleistung Der Besitzer der Werkstatt für Feinme chanik und Elektrotechnik hatte 1887 zum ersten Mal auf Anfrage eines Kun den eine Magnetzündung produziert. Bosch war zwar nicht der Erfinder die ser Technologie, verbesserte sie aber entscheidend weiter, was zu einem Erfolgsprinzip des Unternehmens wer den sollte. Diese Technik kam zunächst nur bei stationären Motoren zum Ein satz. Als aber der englische Automobil pionier Richard Simms Bosch 1897 ein Motorfahrrad schickte, um dort einen Magnetzünder einbauen zu lassen, ge lang ihm und seinem Meister Arnold Zähringer diese herausragende Pio nierleistung. Neben Daimler konnte man schon bald viele andere Kunden aus der noch jungen Automobilindus trie hinzugewinnen. Für Bosch war dies die Initialzündung zum Aufstieg zu einer der führenden Unternehmer persönlichkeiten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wie bei vielen anderen erfolgreichen Wirtschaftskapitänen aus dem „Länd Robert Bosch (l.) war ein passionierter Jäger: Auch noch im hohen Alter ging er mit Revierjäger Seraphin Schöll auf die Pirsch. le“, so waren es auch bei Bosch die klassischen schwäbischen Tugenden wie Fleiß, Erfindungsgabe und Be scheidenheit, die diesen Aufstieg er möglichten. Bosch, der am 23. Septem ber 1861 im „Gasthaus zur Krone“ bei Ulm geboren wurde, erhielt als Erbteil noch eine starke soziale Ader. Bereits sein Vater, Servatius Bosch, war über zeugter Demokrat mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn. Im Jahr 1869 zog die Familie nach Ulm um, wo Bosch die Realschule be suchte. Weniger theoretisch als prak tisch veranlangt, interessierte ihn hauptsächlich die experimentelle Seite der Physik. Als er nach der siebten Klasse das Handtuch werfen musste, weil er – wie er selbst zugab – zu wenig Sitzfleisch und Ehrgeiz hatte, zeigte sich der unschlüssige Schüler nicht ab geneigt, als ihm sein Vater vorschlug, Feinmechaniker zu werden – was sich als weiser Rat herausstellte. Denn in diesem Berufsfeld – ähnlich wie heute in der Informationstechnologie – wur den damals in hoher Schlagzahl bahn brechende Erfindungen wie Telegra phen, Dynamomaschinen und Groß motoren gemacht. Um praktische Erfahrungen zu sam meln, begab sich der junge Geselle auf Wanderschaft quer durch Deutsch land. Neben der Erweiterung seiner fachlichen Kenntnisse kam er in dieser Periode mit sozialistischen Ideen in Kontakt, die seine soziale Einstellung als Unternehmer entscheidend prägen sollten. So zahlte Bosch seinen Be schäftigten stets überdurchschnittliche Löhne und bot ihnen attraktive Sozial leistungen, was ihm den Spitznamen der „Rote Bosch“ einbrachte. 1883/84 folgte ein kurzes Intermezzo an der Technischen Hochschule in Stuttgart. Die akademische Ausbeute scheint zwar mager gewesen zu sein, trug aber dazu bei, dass er die „Furcht vor technischen Ausdrücken“ verlor. 1884 reiste Bosch über den großen Teich, um bei der Edison-Gesellschaft zu arbeiten. Nach einem weiteren be ruflichen Zwischenstopp in England kehrte der selbstbewusste junge Mann in die Heimat zurück. Mit 10 000 Mark Startkapital aus sei ner Erbschaft eröffnete er im November 1886 in einem Stuttgarter Hinterhaus die „Werkstätte für Feinmechanik & Elektrotechnik“. Der frischgebackene Unternehmer durfte bei der Annahme seiner Aufträge nicht wählerisch sein und erledigte alle anfallenden Arbei ten. Dennoch waren die ersten Jahre eine ständige Gratwanderung und Bosch wird sie später als „böses Ge würge“ bezeichnen. Magnetzündung sichert Existenz Erst mit der Magnetzündung bekam das Unternehmen zunehmend feste ren wirtschaftlichen Boden unter sich. Im Jahr 1891 steuerte diese Technolo gie bereits mehr als 50 % zum Umsatz bei und als Zulieferer für die aufstre bende Automobilindustrie stieg der Absatz rasant an. Schon bald gründete Bosch Vertriebsgesellschaften in Lon don, Frankreich und Österreich und das Wachstum erforderte immer grö ßere Investitionen. Am 1. April 1901 zog er mit 45 Mitarbeitern in die neue elektrotechnische Fabrik. Der von Gottlob Hornunger erfundene Hoch spannungszünder trug zu weiterem Wachstum bei. Schon 1905 konnte Bosch einen zweiten Fertigungsstandort in Paris einweihen und die Reise von Gustav Klein, der später sein Nachfolger in der Geschäftsführung werden sollte, nach Amerika glich einem Triumphzug. In nerhalb weniger Jahre entwickelten sich die USA zum wichtigsten Absatz markt der Stuttgarter. Doch der Erste Weltkrieg stoppte diesen Höhenflug und markierte eine tiefe Zäsur, denn mit einem Schlag fielen die wichtigsten Märkte weg. Neben der politischen Weltlage kamen für Bosch noch private Probleme hinzu. So belastetet ihn die schwere Krankheit seines Sohnes, und weil er selbst mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte, stellte sich die Nachfolgefrage immer drän gender: Schließlich wandelte Bosch das Unternehmen 1917 in eine Aktien gesellschaft um und übernahm den Vorsitz des Aufsichtsrats. Vor allem in der Kriegszeit zeigte sich seine soziale Ader. Gleich im ersten Jahr spendete er 400 000 Mark für Kriegswaisen und kümmerte sich um die Unterbringung Verwundeter sowie die Wohnsituation von Arbeiterfamilien. Da er nicht von Kriegsgewinnen profitieren wollte, brachte er das Geld in eine Stiftung für die Erbauung des Neckarkanals ein. Nach dem Krieg veränderte sich nicht nur die politische Landkarte, auch die Bosch AG musste sich neu aufstellen. Denn in der wirtschaftlichen Eiszeit des Krieges hatten viele Länder eigene Zu lieferindustrien aufgebaut. So versuchte man nicht nur, die alten Kontakte wie der aufleben zu lassen, sondern richtete einen weltweiten Servicedienst ein, der den globalen Bekanntheitsgrad der Marke steigerte. Auch die Zahl der Pro dukte hatten die Schwaben ständig er weitert und verkauften nun neben Zün dungen auch Licht, Batterien, Servo bremsen und Scheibenwischer. Eine wichtige Weichenstellung für die Zu kunft stellten 1923 die erfolgreichen Tests von Einspritzpumpen für den im mer beliebteren Dieselmotor dar. Ende November 1924 lief das erste serienreife Produkt vom Band. Wandel zum Elektrokonzern Um dem wachsenden Druck aus dem Ausland standzuhalten, wurde die Pro duktion rationalisiert und 1925 in Stutt gart auf Fließbandarbeit umgestellt. Nachdem die Automobilindustrie in der Mitte der 20er-Jahre von einer schweren Krise heimgesucht wurde, versuchte die Firmenleitung, diese Ab hängigkeit zu reduzieren und die Ge schäftsgrundlage auf mehrere Säulen zu stellen. Mit Übernahmen und der Einrichtung neuer Produktionszweige wandelte sich die Bosch AG immer mehr zum Elektrokonzern. Die Mitte der 30er-Jahre war für Ro bert Bosch eine äußerst ambivalente Zeit. Zwar war das Unternehmen auf Erfolgskurs, aber die NS-Diktatur warf einen tiefen Schatten auf das Leben von Robert Bosch, der dem Regime ab lehnend gegenüberstand und auch Personen beschäftigte, die sich am Wi derstand gegen Hitler beteiligten, wie den ehemaligen Bürgermeister von Leipzig, Carl Goerdeler, der am Staats streichversuch des 20. Juli 1944 be teiligt war und hingerichtet wurde. Vor allem die Diskriminierung jüdischer Mitbürger und die erneute Kriegsangst belasteten ihn. Nach Ausbruch des Krieges zog er sich immer mehr aus dem Unternehmen zurück. Dass er die Zerstörung seiner Werke durch die Bomben nicht mehr erleben musste, bezeichnete sein erster Biograf, der spätere Bundespräsident Theodor Heuss, als „Gnade“. Die Entwicklung geht bei Bosch ständig weiter: hier ein Mitarbeiter mit einer elektrischen Maschine für Elektro- und Hybridmotoren.