Mehr als ein Provisorium (Dental Magazin 03
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Mehr als ein Provisorium (Dental Magazin 03
Sellmann/Meinardus Mehr als ein Provisorium Zeitgemäße, haltbare, ästhetische und dabei gut verträgliche Zwischenkronen anzufertigen ist eine Herausforderung. Wie und mit welchem Material sich diese Aufgabe meistern lässt, beschreibt der Autor. DR. HANS SELLMANN Bei der Recherche im Internet zu provisorischen Kronen fand sich folgender Eintrag: „Solange ein Zahn mit einer provisorischen Krone versorgt ist, sollten Sie auf Kaugummikauen oder andere übermäßige Belastungen des Zahns verzichten.“ Zwei Dinge sind hieran meines Erachtens überdenkenswert. Zum einen die Belastungsfrage, auf die ich zu einem späteren Zeitpunkt näher eingehen werde. Zum anderen ist da der Begriff „provisorische“ Krone. Ich meine, dass wir das mit dem Begriff Übergangslösung besser ausdrücken können und sollten. Das Wort provisorisch impliziert eine billige Lösung. So wie man in einem anderen Internetbeitrag lesen kann: „Provisorische Zahnkronen kosten gerade mal ca. 20 Euro. Richtige Zahnkronen kosten aber an die 800 Euro. Daher frage ich mich: Was ist das denn für ein Material, was die provisorischen Zahnkronen haben? Ich habe nämlich schon fünf Jahre eine provisorische Zahnkrone und es ist seitdem nichts abgebrochen.“ [1] Ich bestreite, dass ein Provisorium, das nur 20 Euro kostet, bei normaler Kau- und Beißtätigkeit so lange halten könnte. Abgesehen davon kenne ich keines, das für diesen Preis zu haben ist, weil dessen korrekte Herstellung so aufwändig ist, dass ein höherer Preis dafür angemessen ist. Und wenn ein Provisorium wirklich nur ein Provisorium wäre, dann könnte es die Funktion einer Übergangskrone nicht erfüllen und wird eventuell sogar eine Gefahr für Zahn und Parodontium darstellen. men, sie dürfen auf keinen Fall zu hoch sein. Der genaue Kontakt zum Nachbarzahn ist immens wichtig, die Zähne sollen während der Anfertigungszeit der Krone, Brücke oder Kombiarbeit nicht „wandern“. Dem Randschluss sollte unser besonderes Augenmerk gelten, um zu vermeiden, dass der Prothetikpatient über hypersensitive Zähne klagt, weil die Übergangskronen nicht dicht an der Präparationsgrenze abschließen. Die temporäre Versorgung hat für den Zeitraum zwischen der Präparation und der Eingliederung des definitiven Zahnersatzes die Aufgaben der definitiven Restauration zu übernehmen. In Zusammenhang mit dem temporären Befestigungszement erfüllen diese Materialien die Funktion eines Wundverbandes, um das Dentin und die Pulpa vor thermischen, chemischen, mechanischen, osmotischen und bakteriellen Noxen zu schützen [2, 3, 4]. Wenn nun ein Provisorium, solange es nötig ist, die Aufgaben einer definitiven Versorgung zu übernehmen hat, also zuverlässig sowohl in Bezug auf Belastungen des Kauapparates als auch ästhetisch ansprechend sein soll, liegt die Frage nahe, wie dies „bezahlbar“ zu erreichen ist. Die Anfertigung von Übergangskronen ist eine Domäne unseres fortgebildeten Zahnmedizinischen Fachpersonals unter unserer Aufsicht. Damit dieses die Interimslösung korrekt und in einer für den Patienten akzeptablen Zeit herstellen kann, benötigt es Hohe Anforderungen n die richtigen Werkzeuge und n ein optimales Material. Sehen wir uns doch einmal die Anforderungen an ein „Provi“ an: Die Okklusion des Interimszahnersatzes muss stim- Sollen die Instrumente für die Laborbearbeitung nicht selbst zusammengestellt werden, so ist der Mettlersatz (Komet) zu [ 60 ] DEUTSCHER ÄRZTE-VERLAG | DENT MAG | DENTAL MAGAZIN | 2012;0(3);228 Temporäre Versorgung FORSCHUNG & ENTWICKLUNG Abb. 1: Ausgangssituation: Erneuerungsbedürftige OK-Frontzahnkronen mit Randkaries, überkronungsbedürftiger Zahn 13, ImmediatPontic-Übergangsbrücke zur Formung des Brückenglied-Lagers an 24 Abb. 2: Einsatz eines Silikons für die Vorabformung zur Erstellung der Übergangskronen Abb. 3: Befüllen der Silikonvorabformung mit Structur 3 Abb. 4: Besonderheit: Zur Anfertigung des provisorischen Pontics wird etwas Material aus der Kartusche direkt an die Extraktionsalveole gefüllt. So vermeidet man eine Luft- oder Flüssigkeitsblase in diesem Bereich. empfehlen. Damit wird das Ausarbeiten und gegebenenfalls Polieren systematisch und perfekt durchführbar. Gegebenenfalls deshalb, weil bei Verwendung des neuen K&B-Materials Structur 3 von VOCO tatsächlich nur noch an sehr wenigen Stellen poliert zu werden braucht [2]. Belastbarkeit und Stabilität sind das eine, wie sieht es aber mit den feinen Strukturen am Kronenrand aus, die in der definitiven Restauration hauchdünn sind? Sie sollten auch bei der Interimskrone nicht dicker sein, um eine Reizung der durch die Präparation und Abformung ohnehin schon traumatisierten Gingiva zu vermeiden. Structur 3 „fließt“ so gut aus, dass dem Patienten hinsichtlich der Ränder eine optimale Prozess- und Ergebnisqualität gewährleistet wird. Enorme Festigkeit Structur 3 weist eine Festigkeit von 500 MPa auf. Mich hat diese Zahl als absolute Zahl wenig beeindruckt. Erst als ich gelesen habe, dass in einem Druckbehälter ein Druck von 40 Megapascal, der 400 bar entspricht, herrscht, konnte ich mir vorstellen, wie fest das Material wirklich ist und dass ein Patient mit einer Übergangskrone aus Structur 3 schon so fest zubeißen kann, dass er nicht „auf übermäßige Belastung des Zahns“ verzichten muss. Somit ist die Aussage hinsichtlich der Belastbarkeit einer temporären Versorgung aus dem eingangs zitierten Blog widerlegt. Der konkrete Fall Eine 38-jährige Patientin kam mit dem Wunsch nach neuen Frontzahnkronen in unsere Praxis. Seit etwa zehn Jahren trägt sie Kronen auf den Zähnen 12 bis 24. Folgende Diagnose wurde gestellt: Die teilweise verblockten Kronen weisen Randkaries auf, die durch konservierende Maßnahmen nicht zu therapieren ist. Außerdem wurde bei der im Rah- DEUTSCHER ÄRZTE-VERLAG | DENT MAG | DENTAL MAGAZIN | 2012;0(3);229 [ 61 ] FORSCHUNG & ENTWICKLUNG Temporäre Versorgung Abb. 5: Structur 3 fließt so fein aus, dass alle Einzelheiten des präparierten Pfeilers genau zu sehen sind. Soweit erforderlich, werden die feinen Fahnen zum Schutz des präparierten Pfeilers belassen und nur dort, wo sie über die Präparationsgrenze hinausreichen, entfernt. Abb. 6: Ausarbeiten der „Schattenfuge“ interdental mit der feinen Fräse Abb. 7: In dem Bereich, in dem nur wenig präpariert wurde, wird zusätzliches Structur 3 am Rohling oder direkt im Mund mit der QuickMix-Spritze zur Verstärkung aufgetragen. Abb. 8: Nach dem Einsetzen der kompletten Übergangsversorgung: Die „Retraktion“ der Gingiva ist lediglich eine temporäre, reversible Erscheinung, verursacht durch das Sulkusmanagement und die Abformung. Nach einem Tag hat sich die Gingiva so weit erholt, dass die Übergangversorgung zwischenraumfrei anliegt und die präparierten Pfeiler perfekt schützt. men der Untersuchung (01) regelmäßig durchgeführten „Festigkeitsprüfung“ festgestellt, dass an Zahn 11 der Verdacht auf eine Lockerung der Krone besteht (Abb. 1). Weiterhin sind die Zähne 13 sowie 26 und 27 überkronungsbedürftig. Zahn 24 muss wegen eines nicht therapierbaren endodontischen Misserfolgs extrahiert werden. Es sollen Einzelkronen für die Zähne 13 bis 22 sowie 26 und 27 gefertigt werden. Zudem soll eine Brücke für die Zähne 23 bis 25 erstellt werden, wobei das Brückenglied 24 als Ovate Pontic gestaltet wird, damit ein natürliches Emergenzprofil gelingt. Nach Lokalanästhesie und Entfernung der insuffizienten Kronen ist an 11 zwar keine gelöste Krone, jedoch eine Dezementierung des Metall-Stiftaufbaus festzustellen. Der Stiftaufbau konnte, da kein erweichtes Dentin eine Neuan- fertigung erforderlich machte, mit Bifix QM (VOCO) rezementiert werden. Nach der finalen Präparation und Extraktion des Zahns 24 erfolgten ein Sulkusmanagement zur Darstellung der Präparationsgrenzen und die Abformung mit einem A-Silikon. Die Übergangskronen wurden mit Structur 3 (VOCO) erstellt. Vom zwischenzeitlich entstandenen Koalgulum im Bereich des extrahierten Zahns 24 wurde zunächst ein Teil entfernt. Dann brachten wir Structur 3 direkt an der Extraktionsalveole auf (Abb. 4) und setzten danach die zuvor mit demselben Material gefüllte Silikon-Vorabformung ein (Abb. 2, 3). Nach nur 45 Sekunden Mundverweildauer entfernten wir die noch leicht plastischen Übergangskronen. Zu ihrer endgültigen Aushärtung setzten wir sie auf die präparierten Pfeiler zurück. Direkt aus der QuickMix-Spritze brachten wir zusätzliches [ 62 ] DEUTSCHER ÄRZTE-VERLAG | DENT MAG | DENTAL MAGAZIN | 2012;0(3);230 FORSCHUNG & ENTWICKLUNG Temporäre Versorgung Material direkt im Mund auf die Stellen (vestibulär 26, 27) auf, die zur Schonung der Zahnsubstanz nur gering präpariert worden waren. Nach der endgültigen Aushärtung der Interimsversorgung wurde diese mühelos aus dem Mund entfernt und mit einem in Alkohol getränkten Zellstoffläppchen abgewischt, um die Inhibitionsschicht zu entfernen. Weil auch die feinsten Strukturen der Präparation mit Structur 3 exakt ausgeflossen waren, musste nur wenig „ausgearbeitet“ werden (Abb. 5, 6). Dies erfolgte mit dem Mettler-Satz. In dem Bereich, in dem nur wenig präpariert wurde, haben wir zusätzliches Structur 3 am Rohling bzw. direkt im Mund mit der QuickMix-Spritze zur Verstärkung aufgetragen (Abb. 7). Auch die Politur an den bearbeiteten Stellen führten wir mit den Gummipolierern und der Faserschwabbel aus dem Set für die Bearbeitung der Übergangskronen durch. Die Provisorien zementierten wir mit Provicol aus der selbstanmischenden QuickMix-Spritze (VOCO). Die Übergangskronen endeten genau an der Präparationsgrenze und bedeckten die Zahnsubstanz, die zuvor wegpräpariert worden war. Nach einem Tag hatte sich die Gingiva bereits an die Präparationsgrenze angelegt. Während der gesamten Anfertigungszeit für die definitive Restauration erfüllten die aus Structur 3 gefertigten Übergangskronen ihren Zweck, die Gingiva war reizfrei und auch im Bereich des Pontic (Zahn 24) zeigte sich eine normale Wundheilung zur Formung des Profils für das Pontic (Abb. 8). Fazit Physikalische Werte sind die eine Sache. Praxisergebnisse die andere. Mich hat das K&B-Material für temporäre Versorgungen im Hinblick auf beide Aspekte überzeugt. Es ist immer eine Herausforderung, zeitgemäße, haltbare, ästhetische und dabei gut verträgliche Zwischenkronen anzufertigen. Mit Structur 3 lässt sich diese Herausforderung meis[] tern. Dr. Hans Sellmann studierte Zahnmedizin in Münster und ist seit 1978 niedergelassen in eigener Praxis in Marl, seit 1999 in einer Gemeinschaftspraxis. Schwerpunkte: Allgemeine Zahnmedizin in einem Gebiet mit hoher Arbeitslosigkeit, Behandlung sozialer Problemfälle. Er ist national und international als Autor und Referent tätig. info@der-zahnmann.de [ 64 ] Implantate brauchen Pflege Patienteninformation auf der Europerio 7 Über 50 Prozent aller dentalen Implantate sind langfristig von Entzündungen bedroht*, die zum Implantatverlust führen können. Prophylaxe und Patientencompliance sind wichtige Bausteine für die Prävention dieser Entzündungen. Die neue handliche Patientenbroschüre „Implantate brauchen Pflege“ klärt Patienten leicht verständlich über die Gesunderhaltung von Implantaten auf. Sie wird erstmals während der Europerio 7 in Wien (6.–9. Juni) an den Messeständen von EMS Electro Medi*Lindhe J, Meyle J: Peri-implant diseacal Systems und ses: Consensus report of the Sixth European Workshop on Periodontology, GlaxoSmithKline Group D. J Clin Periodontol 2008; 35 zur Mitnahme aus(8 Suppl): 282–28. liegen. Pünktlich zur Europerio 7 erscheint die Broschüre „Implantate brauchen Pflege“ der „Arbeitsgruppe gesundes Implantat“, die von präventionsorientierten Unternehmen innerhalb des Aktionsbündnisses gegen Periimplantitis gebildet wird. Das Aktionsbündnis gegen Periimplantitis ist ein Industriebündnis von wissenschaftlich aktiven Unternehmen aus den Bereichen Implantologie und Dentalprophylaxe. Die Prävention der Periimplantitis durch Prophylaxe ist das große Thema des Aktionsbündnisses. Die Broschüre „Implantate brauchen Pflege“ klärt Patienten auf acht übersichtlichen Seiten im DIN-A5-Format über die Bedeutung einer optimalen Mundhygiene für die Langlebigkeit von Implantaten auf. Die Inhalte wurden in enger Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat des Aktionsbündnisses erstellt. Alle Messebesucher der Europerio 7 können die Broschüre an den Ständen von EMS (Stand-Nr. 58) und GlaxoSmithKline (Stand-Nr. 17b), den Premiumpartnern des Aktionsbündnisses, für ihre Praxen mitnehmen. Außerdem wird die Broschüre für die Kongressbesucher im Rahmen der Sponsor Sessions von EMS in Deutsch und Englisch ausliegen. Sollten Sie weitergehendes Interesse an der Broschüre haben, finden Sie auf der Website www.gegen-periimplantitis.de Informationen zur Bestellung. Aktionsbündnis gegen Periimplantitis k.jahn@gegen-periimplantitis.de www.gegen-periimplantitis.de DEUTSCHER ÄRZTE-VERLAG | DENT MAG | DENTAL MAGAZIN | 2012;0(3);232