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Fachmagazin für Krankenhaus- und Praxishygiene • Jahrgang 14 • Ausgabe Juni 2008
aseptica
SCHWERPUNKT
Hygiene vor 100 Jahren –
ein Erfahrungsbericht
www.aseptica.com
Editorial
Inhalt
Liebe Leserinnen und Leser,
in der aktuellen Ausgabe der aseptica möchten wir einen Blick in die Medizingeschichte
werfen. In der Vergangenheit haben Generationen von Ärzten und Medizinern mit
einfachen Methoden die Grundlagen für die hochtechnischen Standards geschaffen.
Die Erkenntnisse dieser Forschung bilden die Basis unserer heutigen Lehre. Das sollten
wir nicht vergessen, schließlich wäre der medizinische Fortschritt in vielen Bereichen
ohne diese Pionierarbeit kaum vorstellbar.
Beginnen möchten wir die lockere Historienreihe mit dem Tätigkeitsbericht des Arztes
Dr. Georg Meier, der Anfang 1914 im Auftrag der deutschen Regierung nach Ostafrika
reiste, um dort die Seuchenbekämpfung zu erforschen. Unter welchen Bedingungen die
Expedition stattfand und mit welchen Herausforderungen sie verbunden war, schildern
die Aufzeichnungen, die sein Enkelsohn aus unveröffentlichten Lebenserinnerungen
zusammengestellt hat: Tagebucheinträge, Briefe an die Familie und Freunde in Deutschland bildeten die Originalquellen für die Schilderungen. Die Fotos hatte der passionierte
Radfahrer und Fotograf damals noch mit einer Plattenkamera gemacht und die Fotoplatten auf teilweise abenteuerlichem Weg in die Heimat geschickt. Der spannende Rückblick
führt uns, die wir mit dem Flugzeug um den ganzen Erdball reisen, in eine Welt mit
»unbekannten« Gesellschaftsformen.
Aber auch die Auswahl von aktuellen Themen bietet umfangreiche Informationen zu
Problemen, die uns im täglichen Arbeitsleben immer wieder begegnen. Dazu gehören
beispielsweise die fachgerechte Medizinprodukte-Entsorgung im OP, der Umgang mit
Kinderspielzeug im Krankenhausalltag und Maßnahmen, die nach der Ausbreitung einer
Infektion zu treffen sind.
Schwerpunkt
Hygiene vor 100 Jahren – ein
Erfahrungsbericht
S. 3
Klinik + Hygiene
Den »Worst Case« beherrschen –
Ausbruchsmanagement
S. 10
Spielzeug im Krankenhaus – ein
hygienisches Problem?
S. .12
Korrekte Medizinprodukte-Entsorgung
bereits im OP
S. 14
Aktuell
Zwischen Depression und
Aufbruchstimmung: Der deutsche
Gesundheitsmarkt
S. 7
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre.
Technik + Hygiene
Sprühanwendung dampfsterilisierbarer
Öle für die Schmierung von Instrumenten
nach der Aufbereitung
S. 20
Reinhild Portmann
Meldung
Service
Lebensmittelinfektionen über Obst und
Gemüse: US-Bürger werden informiert
Nachdem es in den USA zu einer Vielzahl von
Ausbrüchen von Lebensmittelinfektionen durch
Obst und Gemüse gekommen ist, informiert
die FDA (Food and Drug Administration) mit
einer Broschüre die Verbraucher über den
hygienischen Umgang mit rohem Gemüse und
Obst. Sie finden die Broschüre unter:
http://www.cfsan.fda.gov/~dms/prodsafe.html
schützer und Behörden bei ihren Bemühungen
zur Verhinderung von Lebensmittelinfektionen
auf Lebensmittel tierischer Herkunft konzentrieren, hat die FDA die Tatsache zur Kenntnis
genommen, dass etwa die Hälfte aller Lebensmittelinfektionen durch Keime in und auf Obst
und Gemüse ausgelöst wird.
(c) Copyright Dr. M. Stein, Am Kiebitzberg
10, 27404 Gyhum
Anmerkung der LME-Redaktion: Vorbildlich!
Während sich in Deutschland Verbraucher-
Quelle: http://www.lme-online.de, zugesandt von Ludwig
2
Fesenmeier, Klinikum Großhadern
aseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
Programm des DGSV-Kongresses 2008
S. 21
9. ZSVA/Hygiene-Forum
S. 23
92. Hygiene-/»Steri«-Treff
S. 23
Impressum
S. 23
Schwerpunkt
Hygiene vor 100 Jahren – ein Erfahrungsbericht
R. Portmann
Im Frühjahr 1914 geht der achtunddreißigjährige Georg Meier als
Kaiserlicher Regierungsarzt nach
Deutsch-Ostafrika, dem heutigen
Tansania. Schwerpunkt seiner Arbeit
dort soll die Seuchenbekämpfung
sein, denn zuvor war er in Berlin am
Königlichen Institut für Infektionskrankheiten tätig. Fernweh treibt ihn
sowie das Bestreben, gleich seinem
alten Chef und Institutsgründer, dem
von ihm hoch verehrten Robert
Koch, auf dem Gebiete der Bakteriologie auch in Afrika tätig zu werden.
Es ist nicht Meiers erster Außeneinsatz. Zuvor hatte er Leprastudien in
Norwegen getrieben, war als Arzt
des Roten Kreuzes in zwei Balkankriegen tätig und hatte in Arabien
Mekka-Pilger betreut.
An Bord des Dampfschiffs »Tabora«,
unterwegs von Italien nach Daressalam,
Hauptstadt der Kolonie, notiert er kurz
hinter Aden am 18. März in seinem Tagebuch: ›Prinzregent‹ fährt vorbei, funkt:
›Pest in Daressalam‹. Das wäre ja gerade
etwas für mich!« (Den Entdecker des Pesterregers, Kitasato, hatte Meier am RobertKoch-Institut kennengelernt, wie er in
seinen Lebenserinnerungen erwähnt.)
Und in der Tat: Am 5. Oktober 1914 –
der Brief kam trotz der mit Ausbruch des
Krieges verhängten Blockade durch! –
schreibt Meier aus der Militärstation Iringa,
500 km westlich von Daressalam im Innern
der Kolonie gelegen:
»Mein Sprung hierher, in das schöne
Gebirgsland der Wahehe (Name eines Eingeborenenvolkes), ist also folgendermaßen
zu Stande gekommen: Unmittelbar nach
Ausbruch des Krieges übernahm ich die
Pestbekämpfung in Daressalam. Die Pest
nahm gerade jetzt ganz erheblich an Umfang zu, insbesondere traten eine ganze
Reihe von bösartigsten Fällen auf, welche
die Entstehung einer bösartigen Epidemie,
Daressalam = Hafen des Friedens, hier 1914 mit Kleinem Kreuzer Königsberg und
Vermessungsschiff Möwe. Vorn links: Kasuarine
die eine Katastrophe auch für die Europäer
dringend befürchten ließ, sehr wahrscheinlich machte. Ich traf daher sehr energische
(für manche Gemüter vielleicht zu energische) Maßnahmen und hatte auch die
Freude, die Seuche bald einzudämmen.
Gleich zu Beginn der Ausbreitung der Seuche wurden meine beiden anderen Kollegen
vom Seuchen-Institut, die früher die Pest
bekämpft hatten, sich jetzt aber im Innern
des Landes befanden, nach Daressalam
berufen, da es bei evtl. Zunahme der Seuche sonst an Ärzten gefehlt hätte. Als sie
Ende August zurückkamen, war sie aber,
wie erwähnt, wieder fast völlig erloschen
und es war für uns drei nicht mehr Arbeit
genug. Mir selber widerstrebte es außerordentlich, in einer Zeit, wo in Deutschland
jeder gute Deutsche sein Bestes zum Wohle
des Vaterlandes leistete, halbuntätig dazusitzen; denn der frühere LaboratoriumsBetrieb war auf das Äußerste eingeschränkt
und an eine Fortführung meiner wissenschaftlichen Arbeiten nicht zu denken. Ich
wandte mich deshalb direkt an den Gouverneur und bat ihn um eine anderweitige
Verwendung, evtl., unter Hinweis auf meine militärische Laufbahn, um Einstellung
aseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
als Freiwilliger. Daraufhin wurde ich zum
Sanitätsdienst bei der Truppe eingezogen.«
Zuvor schon hatte er in Briefen erwähnt:
12. Mai: »In den Laboratoriumsbetrieb arbeite ich mich immer mehr ein, habe jetzt
auch schon das ganze Untersuchungsamt
selbständig übernommen. Es ist hier jetzt
ziemlich viel Pest, ich habe viel damit zu
tun. An die damit verbundenen Gefahren
darf man als Bakteriologe gar nicht denken.
Unterstützt werde ich im Laboratorium von
2 recht gut geschulten Krankenschwestern,
die mir viel Arbeit abnehmen. Ich bin
trotzdem reichlich beschäftigt und Abends
so müde, dass ich nach Tisch (ca. 1/2 9)
nicht mehr schreiben mag.«
vorgelegt von
Reinhild Portmann
Miele & Cie. KG
Carl-Miele-Straße 29
33332 Gütersloh
Tel.: 0 52 41/89 19 52
E-Mail: reinhild.portmann@miele.de
3
Schwerpunkt
Und am 16. Juni:
»Stabsarzt Manteuffel ist jetzt auf der Reise
nach dem Kilimandscharo. Ich habe infolgedessen viel zu tun und kann Tagestouren
(am Sonntag!) nicht mehr machen, zumal
die Pest anfängt, mehr Opfer zu fordern.
Meine Tätigkeit befriedigt mich aber sehr
und ich glaube, es nicht bereuen zu müssen, hierher gegangen zu sein … Heute war
ich wieder bei der Verbrennung eines an
Pest gestorbenen Inderkindes zugegen, sie
fand auf offenem Strande statt.«
Die Pest scheint sich nicht auf die deutsche
Kolonie beschränkt zu haben, denn später,
am 6. Dezember 1916, notiert Meier im
britischen Internierungslager im kenianischen Mombasa in sein Tagebuch:
»Schrieb gestern an den Lagerkommandanten, dass ich bereit sei, nach Nairobi zu
gehen (Pestbekämpfung).«
Und am 3. Februar 1917:
»Hauptmann ST. zeigt ein Brot, das von
einer Ratte angefressen ist, fragt, ob zu
beanstanden, da hier Pestfälle vorgekommen
seien; ich bejahe diese Frage, bis dahin wusste ich von der Pest nichts.«
Militärstation Iringa, 1914/15. Blick aus dem Fenster von Meiers Unterkunft auf die Festungsmauer. Hinten: 2 Kandelaber-Euphorbien. Diese Militärstation, 500 km westlich von
DeS mitten in der Kolonie gelegen, diente nicht so sehr dem Schutz vor externen Invasoren
sondern vielmehr als Sicherung gegen Eingeborenen-Aufstände. Ironischerweise übernahmen
Askaris (Eingeborenen-Soldaten) diesen Schutz.
In seinen unveröffentlichten Lebenserinnerungen »Als Bakteriologe in drei Erdteilen«, verfasst in den Jahren 1945 – 47,
schreibt Meier zum Thema Pest:
»Dass das Arbeiten mit den gefürchtetsten
Krankheitserregern nicht ganz ungefährlich
ist, liegt auf der Hand. Todesfälle sind aber
doch recht selten, ich besinne mich nur
auf einen solchen Fall, bei welchem ein
österreichischer Bakteriologe, der in unserem Institute (Robert-Koch-Institut) mit
verstäubten Pestbazillen arbeitete, an einer
Pest-Pneumonie binnen 24 Stunden zu
Grunde ging.«
Fahrrad-Ausflug Pfingsten 1914 – Meier (r.)
und Werner Müller, Verwaltungschef der
Tanganjika-Eisenbahn, als Gast eines
Häuptlings nahe Daressalam
Später berichtet er vom »Institut für Seuchenbekämpfung« in Daressalam:
»Hier bot sich nun eine solche Fülle praktischer Aufgaben auf dem Gebiete der Seuchenbekämpfung, dass sie ohne einen Stab
gut ausgebildeter Hülfskräfte unmöglich
hätten bewältigt werden können. An deren
Spitze stand ein Mann, dessen eigentlichen,
amtlichen Titel ich ebenso wenig behalten
habe wie seinen Namen. Ich weiß nur
noch, dass er ›der Herr Professor‹ in gutmütiger Ironie genannt wurde, wohl weil
er sich selber sehr gelehrt vorkam. In Wirklichkeit war unser ›Professor‹ ein besonders
intelligenter und eifriger Laborant, der sich
auf fast allen Gebieten unserer Tätigkeit
glänzend eingearbeitet hatte und durch
sein Wissen wie seine technische Routine
namentlich Neulingen sehr imponierte und
4
aseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
in der Tat für den gesamten Institutsbetrieb
ganz unentbehrlich war. Er bildete sich
auch hierauf nicht wenig ein, aber seine
mitunter groteske Überheblichkeit wurde
von Niemandem ernst genommen. Nur
einmal viel er aus seiner Rolle der ›Erhabenheit‹, als er sich nämlich bei der Sektion
einer pestkranken Ratte in die Hand
schnitt. Das bedeutete unmittelbare schwere
Lebensgefahr, nach menschlichem Ermessen war er nur durch Einspritzung eines für
solche Fälle stets bereitgehaltenen Serums
vor dem Ausbruche der Krankheit zu retten. Diesen harmlosen Eingriff verweigerte
er aber energisch mit der für einen solchen
›Fachmann‹ besonders absurden Begründung, man könnte vielleicht durch ein solches Serum erst die Pest bekommen. Erst
als einer der Ärzte sich vor seinen Augen
selber von diesem Serum einspritzte, gab
er auch seinen törichten Widerstand auf
und tatsächlich blieb er von allen Anzeichen der Pest völlig verschont.«
Und noch etwas später:
»Aber diese anfänglichen wissenschaftlichen
Arbeiten wurden bald durch ein Ereignis
unterbrochen, sogar völlig über den Haufen
geworfen, das für die Kolonie eine fast so
Schwerpunkt
Mhehe-Bibi (Frau aus dem Mhehe-Stamm).
Iringa, 1914/15
große Katastrophe hätte bedeuten können,
wie der Krieg, dem es nur wenige Wochen
vorauseilte. Dieses Ereignis war das Auftreten der Menschenpest in Daressalam. Es ist
nach dem Kriege von militärärztlicher Seite
der wenig würdige Versuch gemacht worden, die der Kolonie oder zumindest DeS
drohende Gefahr zu bagatellisieren, indem
man von ›einigen‹ Fällen sprach. Man
scheute sich auch nicht, die erfolgreiche
Bekämpfung dieser bösartigsten aller Seuchen einem Militärarzte zuzuschreiben, da
man mir, dem ›Regierungsarzte‹, diesen
schönen Erfolg nicht gönnte. Tatsache ist,
dass bei der Rückkehr des Stabsarztes Dr.
Manteuffel die Seuche bereits fast völlig
erloschen war. In dem von mir eingerichteten Pest-Krankenhaus befanden sich noch
3 Kranke mit Beulenpest, von denen bereits
2 in Abheilung begriffen waren. Für die
berechtigte große Besorgnis über eine
Ausbreitung der Seuche kann ich und A.
den Gouverneur Dr. Schnee selber als einwandfreien Zeugen anführen, dem ich täglich persönlichen Bericht über ihren Stand
erstatten musste. Über meine erfolgreiche
Tätigkeit könnte wohl mein Mitarbeiter
Regierungsarzt Dr. Thierfelder die beste
Auskunft geben, wenn er noch leben sollte.
Er war auf meinen Wunsch aus dem Innersten der Kolonie, nämlich aus Udjidji am
Tanganjika-See, nach DeS zu meiner
Unterstützung herangezogen worden, als
mir durch die Häufung der Fälle und die
mir mit Kriegsbeginn übertragene Tätigkeit
als Stationsarzt von DeS die Arbeit über
den Kopf zu wachsen drohte. (Udjidji ist
übrigens einer der berühmtesten Orte in
der Geschichte Afrikas: Hier fand nämlich
Stanley den verschollenen Dr. Livingstone
und begründete damit seinen späteren Ruf
als größter Afrikaforscher und erster Durchquerer des Kontinents.) Dr. Thierfelder war
mir beigegeben worden als pathologischer
Anatom und zur Behandlung der Pestkranken, während mir der Außendienst, die
Ermittlung und Isolierung der Kranken,
Krankheits- und Ansteckungsverdächtigen
oblag, sowie die Organisation aller für die
Bekämpfung der Seuche sonst erforderlichen Maßnahmen. Die Malaria-Schwester
musste nun auch noch die massenhaften
Blut- und Eiterproben auf Pest untersuchen
und auch die bakteriologische Untersuchung der eingelieferten Ratten wurde zu
einer erheblichen Mehrbelastung meiner
Abteilung, insbesondere dieser Schwester.
Die Ansteckung des Menschen mit Pest
erfolgt nämlich durch Vermittlung des Rattenflohs. Die Bekämpfung der Rattenplage
ist deshalb in allen pestgefährdeten Gebieten eine der wichtigsten vorbeugenden
Maßnahmen. Sie war in DeS bereits seit
Jahren mustergültig durch Dr. Manteuffel
organisiert und zw. in der Weise, dass täglich eine besondere Kolonne unter Führung
eines Goanesen (Goa ist eine vorderindische Landschaft) den Rattenfang ganz planmäßig betrieb und täglich eine große
Anzahl, lebend oder tot, bei uns ablieferte.
Erstere waren mit Fallen gefangen und
wanderten gleich in einen Kessel mit siedendem Wasser, die anderen waren entweder
durch Giftbrocken verendet oder in ihren
Schlupfwinkeln durch eingeleitetes Giftgas
(Generator-Gas, wie es auch für die Ausgasung von Schiffen verwendet wird) umgekommen oder aber an einer Krankheit, z.
B. der Pest, erlegen. Die Tagesbeute an Ratten betrug täglich 100 – 200 Stück. Von
allen wurden Präparate für die mikroskopische Untersuchung angefertigt und zw. aus
Blut und Milz. Diese recht mühsame
Arbeit oblag dem ›Herrn Professor‹, die
Durchsuchung der Präparate auf Pestbazillen führte die Malaria-Schwester aus, meist
eine einfache, kurze Sache, da die Bazillen
»Mich laust der Affe!« – Dr. Thierfelder mit Hundskopf-Äffin
aseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
Schwerpunkt
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in der Regel so massenhaft vorhanden sind, dass ein einziger
Blick in das Mikroskop genügt, sie zu erkennen. Schon in pestfreien Zeiten fanden sich gelegentlich und ganz vereinzelt pestkranke Ratten, ohne dass dieser Befund irgendwelche Besorgnis
auslöste. Erst kurz vor dem Auftreten der Pest bei Menschen
schwillt die Zahl der ›Pestratten‹ reißend an und so war es auch
in unserem Falle, wo täglich eine ganze Reihe solcher ›positiven‹
Befunde festgestellt wurden. Die Fundorte dieser Ratten wurden
dann einer besonders radikalen Entrattung unterworfen, ein
etwaiges Wohnhaus unter Umständen geräumt oder gar angezündet, obwohl man nicht ganz die Befürchtung loswurde, dass die
Ratten hierdurch auch zur Auswanderung getrieben werden und
die Pest erst recht verbreiten konnten.
Der erste Fall von Menschenpest wurde in dem Sewa-HadjiHospital festgestellt, welches von einem reichen Inder gestiftet
worden war und der Behandlung von Farbigen dient. Die rechtzeitige Erkennung des ersten Falles ist gerade für den Verlauf
einer Pestepidemie von entscheidender Bedeutung, Fehler hierbei
rächen sich meist bitter. Als mir daher der erste ›Verdachtsfall‹
von Pest gemeldet wurde, ließ ich Alles stehen und liegen und
fuhr mit dem Rade in das Hospital, nachdem ich vorher durch
Telefon alle Vorbereitungen zur Sektion angeordnet hatte. Die
Leiche lag bei meiner Ankunft auch bereits auf dem Sektionstisch, Besteck, Kittel, Gummihandschuhe und reichlich Sublimat-Lösung waren zur Stelle, desgl. der Leichenwärter, ein Inder,
zur Assistenz. Die Sektion einer Pestleiche gilt für die gefährlichste Tätigkeit, der sich ein Arzt überhaupt unterziehen kann, wie
früher überhaupt der amtliche Brauch bestand, Ärzte, die irgendwie in der Pestbekämpfung eingesetzt waren, durch eine Kriegsdekoration auszuzeichnen, z. B. den Roten-Adler-Orden am Bande des Eisernen Kreuzes. Der Zweck der Sektion, nämlich die
bakteriologische Sicherstellung der Pest, hätte auch auf einfacherem Wege erreicht werden können, nämlich durch Herzblutentnahme vermittels einfacher Punktion. Aber Forscherdrang, Ehrgeiz und auch etwas Leichtsinn ließen mich die vollständige
Sektion ausführen, wenn auch nicht ganz ohne Herzklopfen.
Denn ich war mir wohl bewusst, dass ich schon bei kleinster Verletzung ein Kind des Todes sein könnte. Die Prüfung der Gummi-Handschuhe auf etwaige Durchlässigkeit von Flüssigkeit wurde begreiflicherweise mit besonderer Sorgfalt vorgenommen, da
hiervon mein Leben abhängen könnte. Besonders bedenklich war
meine sehr geringe Erfahrung und Übung in der Sektionstechnik
und dementsprechender Unsicherheit und Ungeschicklichkeit,
die leicht zu Verletzungen hätte führen können. Insoferne war
der Kollege Thierfelder, welcher die späteren Pestsektionen ausführte, weniger gefährdet, da er über eine große Praxis auf dem
Gebiete der pathologischen Anatomie verfügte. Ich war also recht
froh, als ich fertig war, mich sehr gründlich desinfiziert, mich
auch der Überschuhe entledigt hatte, wobei es nicht ganz einfach
war, die eigene Fußbekleidung von einer Berührung mit dem
Boden zu bewahren, dessen Verunreinigung mit pestbazillenhaltigem Blut kaum zu vermeiden gewesen war.« ■
Fortsetzung in der nächsten Ausgabe.
aseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
Aktuell
Zwischen Depression und Aufbruchstimmung:
Der deutsche Gesundheitsmarkt
Dr. Th. W. Fengler, R. Graeber
Man braucht nicht aus den reißerischen Schlagzeilen der Boulevardzeitungen zu zitieren, um das
»Alles-wird-schlechter«-Gefühl zu
beschreiben, das den deutschen Beitragszahler in der GKV (gesetzliche
Krankenversicherung), angesichts
des Gerangels um eine weitere
Gesundheitsreform beschleicht.
Auch seriöse Studien belegen: Die
Mehrheit der Deutschen hat Angst
davor, dass die Beiträge zur GKV
weiter steigen werden und gleichzeitig der Umfang und die Qualität der
Leistungen sinkt.
Gesundheitsreformen
bis zum Abwinken
1988 war »Gesundheitsreform« das offizielle »Wort des Jahres«. Während »Robbensterben« und »Tiefflieger« zwanzig Jahre
später kaum noch von öffentlichem Interesse sind, hat sich die Neuauflage der Gesundheitsreform in jeder Legislaturperiode
zum Lied ohne Ende entwickelt. Wer sich
vom 2007 verabschiedeten »Wettbewerbsstärkungsgesetz« eine Stärkung des Wettbewerbs erhofft, der sei daran erinnert, dass
die Namen bisheriger Reformgesetze im
Bereich der GKV zwar die Probleme recht
präzise benannt haben, ohne sie jedoch
tatsächlich in den Griff zu kriegen: So etwa
die »Kostendämpfungsgesetze« (19771983). Lagen die deutschen Gesundheitsausgaben 1970 durchschnittlich noch bei
6,2 % des BIP, so stiegen sie bis zum Jahr
2005 unbeirrt weiter auf 11,1 % (und
bewegten sich damit ganz im Trend der
OECD-Länder). Die Reformgesetze schlugen zwar kurzzeitig eine Delle in diese Steigerungskurve (von 1975 bis 1980 stagnierten
die Ausgaben bei 8,8 %, zwischen 1985 und
1990 sanken sie sogar einmal von 9,3 % auf
8,7%), ein dauerhafter Effekt wurde aber
nicht erzielt.
Ähnliches leistete das »Beitragsentlastungsgesetz« von 1997. Auch hier zeigt die
Statistik einen relativ ungebrochenen Anstieg, von 8,2 % in 1970 auf 14,3 % (seit
1995 plus Pflegeversicherung) in 2005.
Expertenschätzungen zufolge werden die
Beiträge bis 2030 auf knapp 20 %, bis
2050 gar auf 26 % steigen. Ob das »GKVSolidaritätsstärkungsgesetz« (1999) die Solidarität nachhaltig gestärkt hat, wollen wir
an dieser Stelle besser nicht hinterfragen ...
Diese Entwicklung lag freilich in erheblichem Maße daran, dass das Leistungsspektrum der GKV ständig erweitert wurde.
Der volle Lohnausgleich im Krankheitsfall,
eine ganze Reihe von Vorsorgeuntersuchungen und Reha-Maßnahmen, das Mutterschaftsgeld, die umfangreiche Heimpflege,
die Dienstfreistellung zur Pflege Angehöriger: Diese und weitere Leistungen, die wir
heute als Elemente der medizinischen
Grundversorgung betrachten, wurden ja
erst nach und nach, zum großen Teil erst
nach den »Kostendämpfungs-« und »Beitragsentlastungsgesetzen« eingeführt.
Während die Leistungsempfänger also
an vielen Punkten profitieren, auch wenn
diese Ausweitung des Spektrums teilweise
mit Leistungskürzungen (Brillen, Zahnersatz) und Zuzahlungen und Gebühren
(Rezeptgebühren, Praxisgebühr) an anderer
Stelle finanziert werden, so ist im Laufe des
letzten Jahrzehnts ein weiteres, drängenderes Problem in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt, welches besonders die
jüngeren Beitragszahler bedrückt: die
demografische Entwicklung.
Die Lasten des Alters
Gemeint ist die inzwischen hinlänglich
aseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
bekannte Tatsache, dass die deutsche Bevölkerung im Durchschnitt immer älter wird,
während andererseits zu wenige Kinder
geboren werden. Voraussichtlich wird der
Altersquotient, d. h. die Anzahl über-60jähriger bezogen auf 100 Personen zwischen
20 und 60 Jahren, von heute 38 % auf 91 %
im Jahr 2050 ansteigen. Dies betrifft aber die
GKV nicht weniger, als die Rentenkassen.
Im Gegenteil: Während die zukünftig auszuschüttenden Renten, und die sich erge-
Autoren
Dr. med. Dipl.-Ing. Th. W. Fengler
Ronald Graeber
Clinical Investigation & Application
(CIA) Berlin
Kranoldstraße 24, 12051 Berlin
E-Mail: md.fengler@gmx.de
7
Aktuell
bende Finanzierungslücke zumindest relativ
genau beziffert werden können (also private
Vorsorge möglich ist), herrscht im Bereich
der Gesundheitsversorgung einige Unklarheit darüber, welche Kosten in Zukunft
überhaupt zu tragen sein werden. Zur Verdeutlichung: 2004 lagen die durchschnittlichen Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben für
alle Bundesbürger bei € 2.730, für die über
84-Jährigen jedoch bei € 14.750.
Für eine verlässliche Prognose müsste
man also wissen, ob die »gewonnen Jahre«
durchschnittlich eher das Leben in Gesundheit verlängern oder das Leben in Krankheit, ob also die »teuren« letzten 5 Lebensjahre vor dem Tod nur tendenziell weiter
nach hinten verschoben werden, oder ob sie
sich verlängern, auf 6, 8, 10 Jahre. Dazu
gibt es verschiedene Ansichten und Modelle, die aber von einem medizinisch-technischen Fortschritt abhängen, den man
unmöglich verlässlich voraussagen kann.
Tatsächlich könnte die Zahl der »todesnahen« Jahre sich ja auch verringern, die Entwicklung einiger relevanter »Schlüsseltechnologien« vorausgesetzt.
Jedoch ist selbst in diesem letzteren, günstigsten Fall sicher, dass die Gesundheitsausgaben
weiter ansteigen werden. Leider ist die GKV
in ihrer derzeitigen Form, basierend auf dem
»Solidaritätsprinzip«, denkbar ungeeignet, diese zukünftigen Kosten zu tragen. Ganz abgesehen von ihrer starken Abhängigkeit von
Faktoren wie Arbeitslosigkeit (und wer möchte heute noch annehmen, dass die Arbeitslosenzahlen irgendwann wieder erheblich sinken?), Staatsverschuldung etc.: Um die zu
8
erwartende Krise zu bewältigen, wäre es unerlässlich,
Rücklagen zu bilden. Dies
aber ist ausgeschlossen, nicht
nur weil die GKV ohnehin
verschuldet ist, sondern von
Gesetzes wegen. Das Umlageverfahren der GKV erlaubt
den gesetzlichen Krankenkassen nämlich keine Reserven,
die über die Deckung des
Bedarfs des folgenden Jahres
hinausgingen – im Gegensatz
zum Kapitaldeckungsverfahren der privaten Krankenversicherungen (PKV).
Dementsprechend hat die GKV, die die
Beiträge von 92 % der Bevölkerung verwaltet, ein strukturelles Problem: Wer heute
gesund ist und in Lohn und Brot steht, der
finanziert Therapie und Pflege für die heute
Kranken. Zugleich ist es alles andere als
sicher und tatsächlich sogar eher unwahrscheinlich, dass er selbst im zukünftigen
Bedarfsfall noch im selben Umfang in den
Genuss dieser Leistungen kommen wird. So
werden die realen Kosten der Gesundheitsversorgung fortwährend zukünftigen Generationen aufgebürdet. Gemäß einiger Schätzungen stehen wir schon heute bei unseren
Kindern und Enkeln bis 2050 mit einer
Summe von bis zu € 4 Billionen (das sind
12 Nullen) für unsere Gesundheitsversorgung in der Kreide. Die Idee vom »Generationsvertrag«, ein politisches Schlagwort der
Adenauer-Ära, erfunden also zur Zeit der
Babyboomer, scheint heute kaum noch haltbar zu sein, denn schon für die Kohorten
der ab 1965 Geborenen gilt als wahrscheinlich, dass sie lebenslang mehr einzahlen werden, als sie herausbekommen, während es
für die älteren Jahrgänge umgekehrt ist.
Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung
kommt eine aktuelle Studie von DB Research. Nachdem darin der GKV attestiert
wird, der Hemmschuh der Gesundheitsbranche zu sein, noch dazu einer, dem es an
Nachhaltigkeit mangelt, empfehlen die Analysten der Deutschen Bank einen flächendeckenden Übergang zur PKV. Dies würde
allerdings bei älteren Versicherten sehr hohe
Prämien erfordern, denn sie müssten rückwirkend Rücklagen für ein mittlerweile viel
höheres Risiko abdecken – erhebliche staataseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
liche Zuschüsse wären daher für absehbare
Zeit notwendig.
In jedem Fall ist offenkundig, dass im aktuellen »Wettbewerbsstärkungsgesetz« derartige Ansätze fehlen und ein Abschluss der
Reformen keineswegs näher gerückt ist.
Dessen Kernstück, der Gesundheitsfonds,
vom Sachverständigenrat der Wirtschaftsweisen als »Missgeburt« bezeichnet, wird
erst ab 2009 eingeführt, obwohl schon jetzt
eigentlich klar ist, dass er nicht funktionieren wird. Im Folgejahr wird sich dann eine
neue Regierung etwas anderes einfallen lassen müssen – hoffen wir, dass das dann
nicht wieder eine große Koalition ist!
Die Leistungserbringer
im Wettbewerb
Die Umwälzungen in der Krankenhauslandschaft seit den 1990ern und verstärkt
seit Einführung der Fallpauschalen 2003
sind unübersehbar, oft beschrieben (auch
an dieser Stelle) und können von vielen
Lesern täglich beobachtet werden: Outsourcing, Insourcing, die Schließungen von
Hunderten von Häusern, Bettenabbau bei
den verbleibenden, Übernahmen durch Klinikketten, Spezialisierungen zu »centres of
excellence« – dies alles sind bereits Kennzeichen eines Wettbewerbs, der nun also noch
gestärkt werden soll. Während nicht alles
davon als schlecht zu beurteilen ist, die
zunehmende Orientierung an überprüfbaren Qualitätsstandards und das Bemühen
um Kostentransparenz sogar ausgesprochen
positive Tendenzen darstellen, so ging dieser Wandel doch alles in allem mit schwindelerregendem Tempo voran, was an vielen
Stellen bei Ärzten und Pflegepersonal zu
Unsicherheiten, Irritationen und Demotivation geführt hat. Tatsächlich scheint sogar
der Arztberuf insgesamt an Attraktivität
verloren zu haben: In den vergangenen sieben Jahren ist nach Angaben der Bundesärztekammer die Gesamtzahl der Medizinstudenten um rund 11 % gesunken, die der
Absolventen sogar um über 20 %. Auch die
Zahl der Ärzte im Praktikum hat um ein
Viertel abgenommen. Jeder zehnte Mediziner verabschiedet sich nach seinem Studium ganz vom Patienten und arbeitet in
medizinnahen Bereichen wie etwa im Krankenhaus-Management.
Aktuell
Etwas weniger drastisch und daher wohl
auch weniger beachtet, ist inzwischen auch
im ambulanten Bereich der Wettbewerb
ausgebrochen, wie man einer aktuellen
Befragung von 15.000 niedergelassenen
Ärzten entnehmen kann.
So erwirtschaften deutsche Praxen
mittlerweile wesentliche Teile, nämlich
immerhin 35 % ihres Umsatzes außerhalb
der GKV. Privatpatienten tragen unterdessen im Schnitt 20 % bei – weit überproportional, da nicht einmal 10 % der Deutschen in PKV versichert sind. Weitere 5 %
kommen aus Selbstzahlerleistungen (IGeL
– Individuelle Gesundheitsleistungen),
3 % aus gutachterlichen Tätigkeiten und
7 % durch sonstige Tätigkeiten. Dies trifft
auf Fachärzte insgesamt in stärkerem
Maße zu (63 % GKV-Umsätze) als auf
Hausärzte (72 % GKV-Umsätze). Man
kann dies, wie das Deutsche Ärzteblatt, als
weiteren Beleg dafür betrachten, dass der
ambulante Bereich von der GKV unterfinanziert ist – oder aber dafür, dass ein
echter Gesundheitsmarkt vielleicht auch
ohne eine GKV vorstellbar ist.
Auch das »Praxis-Marketing« ist neu.
War Werbung für Ärzte noch vor Kurzem
hochgradig eingeschränkt und verpönt,
halten heute 53 % der Ärzte sie für wichtig und bereits 15,7 % der Praxen haben
ein Budget dafür definiert. Dies ist im
Vergleich zu »normalen« Dienstleistungen
äußerst wenig, jedoch gegenüber dem Vorjahr bereits eine Verdopplung!
Die Industrie unter Druck
Auch die Hersteller von Medizintechnik
und Medizinprodukten hadern mit der
GKV. Während für viele Leistungserbringer
der Übergang zu Wettbewerb und freiem
Markt zu schnell kommt, geht er aus Sicht
der Industrie nicht schnell genug. Die
komplizierten, teilweise ineffektiven Regularien der GKV führen zur Stagnation der
von ihr abhängigen Marktsegmente,
während der Gesundheitsmarkt als Ganzes
stabile Wachstumsraten aufweist – was,
neben einer stärkeren privaten Ausgabenbereitschaft der Patienten, zu großen Teilen
auf den Umsätzen hochwertiger deutscher
Medizintechnik im Ausland beruht.
Dies ist besonders deutlich am Beispiel
der Hilfsmittelindustrie zu sehen: Bei einem
Ausgaben-Minus von 12,1 % im ersten
Quartal nach der Einführung des »GKVModernisierungsgesetzes« war dieses ehemals attraktive Segment 2004 einer der
größten Verlierer der Gesundheitsreform.
Die Ausgaben der GKV für Hilfsmittel
(Geh- und Sehhilfen, Rollstühle, Hörgeräte
etc.) sind auf unter 3,5 % der Gesamtausgaben gesunken, bei steigenden Fallzahlen.
Die rigorose Preissenkungspolitik der Krankenkassen hat zu einem Preisverfall von bis
zu 40 % geführt. Die Stoma- und Inkontinenzversorgung, unter den Hilfsmitteln der
stärkste Wachstumsbereich der letzten Jahre,
musste 2004 erstmalig einen Umsatzrückgang (von 1,5 %) hinnehmen. Seit Kurzem
schreiben die Krankenkassen nun Produktgruppen für die Hilfsmittelversorgung von
Patienten aus, bei denen Bankbürgschaften
in Millionenhöhe für die Vertragslaufzeit bei
Vertragsabschluss gestellt werden müssen –
eine Ausschreibungsbedingung, die in einer
überwiegend mittelständisch geprägten
Branche, wenn überhaupt, nur ein sehr kleiner Teil der Marktteilnehmer erfüllen kann.
In einem aktuellen Gutachten warnt die
Salenus GmbH, eine auf das Gesundheitswesen spezialisierte Unternehmensberatung,
vor einem Zusammenbruch dieses Marktsegmentes binnen 12 Monaten.
Die Vorstellungen, die sich die gesetzlichen Krankenkassen (die selber unter dem
Druck der Reformen stehen) von Wettbewerb machen, scheinen lediglich darin zu
bestehen, dass angemessene Preise nicht
mehr gezahlt werden brauchen. Diese Sucht
nach dem Niedrigstpreis behindert die Hersteller nicht weniger als die Leistungserbringer. So fehlt insbesondere ein finanzieller
Anreiz für die Kliniken, Innovationen zu
erproben und die Einführung neuer Methoden zu vereinbaren. Krankenhäuser, die sich
dem medizinischen Fortschritt verpflichtet
fühlen, kommen in Rechtfertigungsnöte,
weil viele Neuheiten in den DRGs nicht
sachgerecht abgebildet werden.
In diesem Zusammenhang seien noch zwei
Studien im Auftrag von Spectaris erwähnt,
die kürzlich diese Problematik sehr schlüssig verdeutlichten : Beispielhaft vorgestellt
wurden jeweils 10 innovative Produkte verschiedener Hersteller, die größtenteils in
der GKV noch nicht oder nur vereinzelt
aseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
zum Einsatz kommen und die das Potenzial haben, enorme Einsparungen zu realisieren. Die Palette reichte vom Implantat,
welches die minimalinvasive Behandlung
von gelenknahen Brüchen ermöglicht (verkürzt Liegezeiten, erspart Folgeoperationen), über das neuartige Schneidsystem zur
Gewebeentfernung (kürzere Operationsund Liegezeiten) bis zum telemedizinischen Überwachungssystem, welches die
Zahl der Einweisungen von Patienten mit
Herzinsuffizienz um bis zu 60 % verringern könnte. Letzteres wären, bei flächendeckendem Einsatz, bis zu 270.000 Fälle
pro Jahr und würde bis zu 150 Millionen
€ einsparen. Insgesamt weisen allein die 20
Beispiele aus beiden Studien ein – um die
Anschaffungskosten bereinigtes – Einsparvolumen von 2 Milliarden € aus. Selbst
nach Abzug eines beliebigen Prozentsatzes
für die Schönrechnereien eines Industrieverbandes, der ein politisches Signal setzen
will: da sind enorme Potenziale! Der Nutzen für den Patienten – weniger Schmerzen, schnellere Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit, ein größeres Gefühl von
Sicherheit – sei in diesem Zusammenhang
nur am Rande erwähnt.
Es besteht kein Zweifel: Der Wettbewerb wird sich weiter steigern (ob nun
wegen oder trotz des entsprechenden
Reformgesetzes), so dass wir bald eine
»richtige« Marktsituation, mit den typischen Attributen, haben werden: Verdrängungswettbewerb auf Anbieterseite, individualisierte Nachfrage auf Kundenseite. Wo
sich die GKV in dieser Gleichung befinden
wird, ist schwer abzuschätzen. Freilich wäre
es für viele schon aus Prinzip schwierig,
sich von einer der großen sozialen Errungenschaften des 19. Jahrhunderts zu verabschieden, nur um sich »in amerikanische
Verhältnisse« (um einmal das vermeintliche
Gegenstück zu nennen) zu begeben. Andererseits: Ist der alten Dame GKV die nötige Flexibilität, die ein solcher Paradigmenwechsel erfordert, noch zuzutrauen? Schon
2015 werden die vollen Auswirkungen des
demografischen Wandels spürbar sein; wir
werden es also bald erfahren. Bleiben Sie
gesund! ■
9
Klinik + Hygiene
Den »Worst Case« beherrschen –
Ausbruchsmanagement
A. Schwarzkopf
Unter den Ausbruchserregern sind
die Noroviren die schnellsten und die
prominentesten. Aber auch andere
Erreger können sich ziemlich schnell
in einem Krankenhaus oder einem
Pflegeheim »breitmachen«. Die Folge
ist das gehäufte Auftreten von nosokomialen Infektionen, die nicht nur
die Patienten/Bewohner sondern
auch die Mitarbeiter betreffen können. Vorbereitet sein ist in solchen
Fällen alles. Im Folgenden wird ein
praktikabler Ansatz, basierend auf
der RKI-Empfehlung »Strukturiertes
Vorgehen bei Ausbrüchen nosokomialer Infektionen«, dargestellt. Weite Teile davon lassen sich auch für
den mittlerweile bundesweit geforderten Influenza-Pandemieplan verwenden.
Internes Meldewesen – wissen,
was läuft
Von grundlegender Bedeutung ist es, dass
Hygienebeauftragte bzw. Hygienefachkräfte
schnell von Infektionen in ihrer Einrichtung, Krankenhaus oder Pflegeheim, erfahren. Dazu bedarf es eines funktionierenden
»internen Meldewesens«, das über die Stationsleitungen/Wohnbereichsleitungen bei
Bedarf genutzt wird.
Autor
PD Dr. med. Andreas Schwarzkopf
Facharzt für Mikrobiologie
und Infektionsepidemiologie
Mangelsfeld 4
97708 Bad Bocklet/Großenbrach
E-Mail: andreas.schwarzkopf@labor-ls.de
10
In Krankenhäusern ist es sinnvoll, wenn
mikrobiologische Befunde in Kopie an die
Hygieneabteilung gehen. Wegen der Zeitdauer zur Erstellung dieser Befunde und
der oft raschen Dynamik der Infektionsausbreitung, z. B. bei viraler Gastroenteritis, ist jedoch dringend erforderlich, dass
auch eine Meldung (»Infektionsverdacht«)
aufgrund des klinischen Bildes ergeht.
Muss aufgrund der eingehenden Meldungen aus den gleichen oder verschiedenen
Bereichen der Einrichtung ein Ausbruch
vermutet werden, wird das Ausbruchsmanagementteam verständigt. Übrigens hat es
sich bewährt, wenn Hygienekräfte über das
interne Meldewesen auch von Plänen zur
Anschaffung neuer Medizinprodukte und
Baumaßnahmen erfahren …
Ausbruchsmanagementteam –
damit alles klappt
Das Ausbruchsmanagementteam wurde
bereits im Vorfeld bestimmt und kann sich
aus Mitgliedern der Hygienekommission
zusammensetzen. Hier allerdings gilt:
Weniger ist mehr!
Der Personenkreis sollte also beschränkt
sein, um schnell Entscheidungen herbei führen
zu können und eine Missdeutung von »Team«
(Toll, ein anderer macht’s) zu vermeiden.
Sinnvollerweise besteht es aus einem Vertreter der Verwaltungsleitung, den Hygienebeauftragten Pflegekräften bzw. der Hygienefachkraft, dem Hygienebeauftragten Arzt
bzw. den Hygienebeauftragten Ärzten der
betroffenen Klinik (bei Pflegeeinrichtungen
werden Hausärzte um Unterstützung gebeten), der Pflegedienstleitung, der Hauswirtschaftsleitung und ggf. der Haustechnik
(Legionellen). Weitere Unterstützung
kommt vom Gesundheitsamt, wenn der
Ausbruch ordnungsgemäß nach § 6
Infektionsschutzgesetz gemeldet wurde.
aseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
Notwendige Festlegungen
Bei seinen Treffen bespricht das Ausbruchsmanagementteam, welche Erreger
für einen Ausbruch in der jeweiligen Einrichtung infrage kommen, und legt die
geeigneten Erstmaßnahmen fest. Dabei
ist zu berücksichtigen, dass das RKI empfiehlt, auch bei bestimmten Einzelfällen
zu handeln. Dies sind beispielsweise eine
Legionellose (Wasseruntersuchungen und
ggf. Filterung veranlassen), Infektionen
durch Streptococcus pyogenes (Streptokokken der serologischen Gruppe A, hier müssen Träger beim Personal gesucht werden)
oder Keratokonjunktivitis epidemica
(Adenovieren, unbehüllt, Isolierung und
besondere Desinfektionsmaßnahmen können erforderlich sein).
Auch die zur Unterbrechung nötigen
Schutzmaßnahmen werden festgelegt bzw.
vorhandene Hygieneplandokumente auf
Aktualität geprüft. Im Zweifel kann man
sich sehr schnell auf der Webseite
www.rki.de – Infektionskrankheiten A-Z
näher informieren.
Auch die Aufgaben der einzelnen Funktionsträger (Pflegedienst- und Hauswirtschaftsleitung, Einrichtungsleitung, Ärzteschaft u. a.) werden in Checklisten
zusammengefasst, um im Ernstfall ohne
Kompetenzgerangel und Zeitverzögerung
tätig werden zu können.
Die Küchenleitung wird bei Bedarf
hinzugezogen. Küchenpersonal sollte im
Falle von Ausbrüchen nicht mehr in den
stationären Bereich gehen, auch müssen
eventuell Speisesäle geschlossen werden,
um Kontakte von Bewohnern/Patienten
untereinander zu vermeiden. In diesem Fall
muss geregelt werden, wer die Lebensmittellogistik übernimmt, die Küche muss darüber hinaus eventuell Spezialkost (z. B. bei
Gastroenteritis) bereitstellen.
Klinik + Hygiene
Funktion
Aufgaben
Leitung (Verwaltung)
Koordination, Ausbruchstagebuch, Unterstützung aller Funktionen, ggf. Presse-/Medienumgang
Pflegedienstleitung
Organisation Bereichspflege, Ersatz ausgefallenen Personals,
Meldungen an Hygienekräfte, Unterstützung Hygienekräfte
Hauswirtschaftsleitung
Prüfung Schutzmittelbestände, Logistik, Reinigung, Desinfektion,
ggf. Koordination mit externen Dienstleistern
Hygienekräfte
Internes Meldewesen, Personalschulung und –beratung,
Kontrolle Isolierungen, Kontakt mit Gesundheitsamt
Sonstige
Küchenleitung: ggf. Übernahme der Lebensmittellogistik,
Diätkost
Haustechnik: ggf. Wasseruntersuchungen, Unterstützung der
anderen Funktionen.
Tabelle: Mögliche Aufgaben der einzelnen Funktionsbereiche
Bei externen Dienstleistern ist jeweils der
Kontakt mit der Objektleitung zu halten,
dies auch, um der Koordinationspflicht
nach § 6 BGV A1 zu genügen.
Wenn es ernst wird
Treten die ersten Fälle auf, werden die aus
dem Vorfeld festgelegten Quarantäne- bzw.
Isolierungsbereiche von nicht Betroffenen
geräumt und entsprechend vorbereitet. Bei
viraler Gastroenteritis beispielsweise sind
dabei zwei Bereiche erforderlich, nämlich
einer für bereits definitiv Erkrankte und
einer für Kontaktpersonen.
Bei sich ausbreitenden Erkrankungen der
oberen Luftwege – insbesondere der Influenza – ist zumindest in Krankenhäusern sinnvoll, wenn die ausgewählten Quarantänebereiche auch über eine Sauerstoffversorgung
verfügen. In Krankenhäusern sollte zusätzlich
wenigstens ein Intensivbett im Einzelzimmer
bereitgestellt werden, um Patienten mit
schweren Krankheitsverläufen versorgen zu
können (virale Gastroenteritis, Influenza).
Die Mitglieder des Ausbruchsmanagementteams gehen nun daran, die zugeteilten
Aufgaben zu lösen (Beispiele siehe Tabelle).
Wichtige Aufgaben neben Patientenund Personalschutz
Ausbruchstagebuch
Das Ausbruchstagebuch hat zwei wichtige
Funktionen. Zum einen wird damit fortlaufend dokumentiert, welche Maßnahmen
ergriffen wurden und wie viele Neuerkrankungen bei Patienten/Bewohnern und Per-
sonal aufgetreten sind. Auf diese Weise kann
auch bei längeren Ausbrüchen jederzeit
nachgesehen werden, welche Maßnahmen
sich als bereits erfolgreich oder eben erfolglos erwiesen haben.
Die zweite wichtige Funktion ist die
Rekonstruktion des Ausbruches nach dessen
Beendigung, um eventuell aus Fehlern zu
lernen und geeignete Maßnahmen in das
Hygienekonzept zu überführen. Auch nicht
zu verachten ist die forensische Absicherung,
da jederzeit dokumentiert wurde, welche
Maßnahmen wann ergriffen wurden.
Kommunikation mit dem
Gesundheitsamt
Damit kann die zuständige Amtsarzt/Amtsärztin auf dem Laufenden gehalten werden
und ggf. wertvolle Hinweise geben. Dem
Gesundheitsamt sollten zwei Ansprechpartner genannt werden, um im Falle der
Erkrankung eines der Ansprechpartner eine
Alternative anbieten zu können.
Im Pflegeheim ist die Situation durch
verschiedene Hausärzte durch Druck auf
die Koordination noch etwas schwieriger.
Auch hier kann das Gesundheitsamt unterstützend wirken. Wichtig ist, dass rechtzeitig Entscheidungen zur Verlegungen in
Krankenhäusern getroffen werden.
Weitere Besonderheiten bei
Pandemie
Bei der Pandemie sind weitere Faktoren zu
berücksichtigen. Dies beginnt beispielsweise
durch den Verlust auch gesunder Mitarbeiter
aseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
und Mitarbeiterinnen, wenn Schulen und
Kindergärten geschlossen werden, wie es
z. B. der bayerische Pandemieplan vorsieht.
In diesem Falle kann z. B. die Etablierung
einer Kinderbetreuung sinnvoll sein. Dieses
sollte jedoch einrichtungsfern stattfinden.
Auch ist mit Ausfällen bei der Zulieferung
zu rechnen, da beispielsweise auch Lkw-Fahrer und Zugführer erkranken werden.
Fazit
Das Ausbruchsmanagement gelingt optimal, wenn die Aufgaben klar verteilt sind
und eine rege Kommunikation zwischen
den einzelnen Mitgliedern des Ausbruchsmanagementteam besteht. Je besser die
Aufgaben im Vorfeld verteilt und Quarantänebereiche gewählt wurden, desto einfacher ist es, mit der Situation fertig zu
werden. Panik ist ein schlechter Ratgeber
im Umgang mit Mikroorganismen und
Viren, weswegen Mitarbeiter ständig geschult werden sollten. Der Spruch »Vorbereitet sein ist alles!« hat hier absolute
Berechtigung.
Zusammenfassung
Ausbrüche stellen eine besondere Herausforderung an das Hygienemanagement dar.
Um Zeitverluste durch Kompetenzgerangel
und Unwissen zu vermeiden, ist die Ernennung eines Ausbruchsmanagementteams
sinnvoll. Die Funktionsträger einer Einrichtung brauchen Checklisten, aus denen die
im Ernstfall zu lösenden Aufgaben hervorgehen. Entsprechende Hygieneplandokumente und Personalschulungen ergänzen
das effiziente Ausbruchsmanagement. ■
Literatur
RKI-Empfehlung »Ausbruchsmanagement
und strukturiertes Vorgehen bei gehäuftem Auftreten von nosokomialen Infektionen«
www.rki.de – Infektionsschutz – Krankenhaushygiene – Empfehlungen der
Kommission für Krankenhaushygiene
A. Schwarzkopf
Praxiswissen für Hygienebeauftragte,
2. Auflage
Kohlhammer-Verlag, Stuttgart 2008
11
Klinik + Hygiene
Spielzeug im Krankenhaus:
ein hygienisches Problem?
H.-T. Panknin, N. Palle, I. Synowzik, M. Walderich, M. Trautmann
Hintergrund
Dass kranke Kinder während eines Klinikaufenthaltes auch Spielzeug um sich haben
sollten, ist seit mehreren Studien aus den
1950er-Jahren allgemein anerkannt. Spielzeug lenkt die Kinder von der oftmals
beängstigenden Krankenaushausumgebung
ab und schafft einen Bezug zur häuslichen
bzw. familiären Atmosphäre. Der Umgang
mit Spielzeug ist gerade für Kinder, die
Wochen und Monate im Krankenhaus verbringen müssen, ein wichtiger Faktor der
kognitiven und motorisch-sensorischen
Entwicklung. Auch Krankengymnasten
und Beschäftigungstherapeuten nutzen das
Spielzeug, um mit den Kindern in Kontakt
zu kommen und Bewegungsabläufe einzuüben. Viele Kinder haben zudem ein Lieblingsspielzeug – oft ein Kuscheltier –,
welches für sie eine Art Vertrauenspartner
darstellt (Abbildung 1).
Spielzeug ist allerdings gerade in großen
Kinderkliniken mit starkem Publikumsverkehr vielfältigen mikrobiellen Kontaminationsmöglichkeiten ausgesetzt. Die Erfahrung
zeigt, dass auch Geschwister- und Besucherkinder das Spielzeug häufig mitnutzen
Autoren
Hardy-Thorsten Panknin
Medizinjournalismus
Badensche Straße 49
10715 Berlin
Prof. Dr. med. M. Trautmann
Institut für Krankenhaushygiene
Klinikum Stuttgart
Kriegsbergstraße 60
70174 Stuttgart
12
Abb. 1
und mit Keimen »von der Straße« kontaminieren. Viele Kinderkliniken verfügen
zwar über reichlich Spielzeug, jedoch existieren keine klaren Regeln, wann bzw. wie
oft das Spielzeug desinfiziert oder gereinigt
werden soll. Die Zuständigkeit hierfür ist
meist ebenfalls nicht geregelt.
Studien zur Belastung von Spielzeug
mit Krankheitserregern
Um einen Überblick über das auf Spielzeug vorkommende Erregerspektrum zu
gewinnen, wurde kürzlich an der Universitätskinderklinik des Königlichen Krankenhauses von Nottingham, England, eine
mikrobiologische Studie durchgeführt.
Stofftiere und anderes Spielzeug auf den
neonatologischen und pädiatrischen Intensivstationen wurden mit einem Probentupfer abgestrichen und bakteriologisch untersucht [1]. Auf den meisten Gegenständen
fanden sich reichlich bakterielle Erreger,
aseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
interessanterweise allerdings keine Pilze
(Tabelle 1).
In einer ähnlichen Studie war bereits
früher die mikrobielle Besiedlung von Spielzeug auf einer neonatologischen Intensivstation untersucht worden [2]. Abgestrichen wurden damals Hartplastik-, Stoffund Kuscheltiere, die in den Intensivbetten
bzw. Inkubatoren von Frühgeborenen platziert waren. 84 % der Kulturen zeigten
mikrobielles Wachstum. Meist handelte es
sich um eine Mischflora von verschiedenen
Mikroorganismen. Abbildung 2 gibt das
Spektrum der nachgewiesenen Erreger
wieder. Da die Studie auf einer Neugeborenen-Intensivstation in Australien (Royal
Womens Hospital, Melbourne) durchgeführt wurde, ist es nicht verwunderlich,
dass in 15 % der positiven Kulturen auch
Methicillin-resistente Staphylococcus-aureus-Stämme (MRSA) nachweisbar waren.
Der hohe Anteil von Mikrokokken und
Klinik + Hygiene
Spielzeug
Station
Nachgewiesene Erregerspecies
Tiger
mit Stoffbezug
Neonatologische
Intensivstation
Staphylococcus epidermidis, Enterokokken,
Enterobakteriazeen, coryneforme Stäbchen
Leopard
mit Stoffbezug
Neonatologische
Intensivstation
Staphylococcus epidermidis,
Enterobakteriazeen
Pandabär
mit Stoffbezug
Intensivstation
Staphylococcus epidermidis,
Enterobakteriazeen
Pandabär
mit Stoffbezug
Intensivstation
Staphylococcus aureus, Enterokokken,
Mikrokokken
Teddybär
Intensivstation
Mikrokokken
Teddybär
Intensivstation
Mikrokokken
Teddybär, Polizistenmütze aus Plastik,
Arche Noah aus Stoff,
Lego-Teil, Strickpuppe
Spielzimmer für
Mikrokokken, Staphylococcus epidermidis,
Geschwisterkinder
Bacillus species
auf der pädiatrischen
Intensivstation
Tabelle 1. Erregervorkommen auf Spielzeug in einer Kinderklinik (nach [1])
Bacillus spp. lässt vermuten, dass die
Gegenstände zum Teil einfach verstaubt
waren – in dieser Studie waren sie nicht in
eingeschweißter Form, sondern offen in
den Inkubatoren aufgestellt worden. Eine
eindeutige Beziehung zwischen auf Spielzeug nachgewiesenen Erregern, der Liegedauer der Patienten und den bei Infektionen aufgetretenen Erregern ließ sich in
dieser Studie nicht ermitteln.
Spielzeug im Krankenhaus: Eine
Quelle klinischer Infektionen?
Die Frage, ob Spielzeug als Erregerreservoir
für Infektionen kranker – hier besonders
intensivmedizinisch behandelte Kinder in
Frage kommt – muss eindeutig bejaht werden. In einer Studie aus der gleichen australischen Kinderklinik konnte im Rahmen
der Aufklärung eines Infektionsausbruchs
mit einem multiresistenten P.-aeruginosaStamm nachgewiesen werden, dass sich dieser Erreger in den feuchten Hohlräumen
von Plastikspielzeug angesiedelt hatte. Die
Plastikteile waren den Kindern als Badespielzeug mit in die Badewanne gegeben
worden. Der Erreger konnte außerdem im
Restwasser des Spielzeugbehälters für Badespielzeug nachgewiesen werden. Die Autoren folgerten damals, dass Spielzeug im
Krankenhaus keine unzugänglichen Hohlräume oder Vertiefungen aufweisen sollte,
wenn es als Badespielzeug verwendet wird.
Ferner sollte das Spielzeug nach jeder Benutzung im Wasser adäquat desinfiziert und
gründlich getrocknet werden [3].
Fazit:
Die Befunde zeigen, dass Spielzeug als
Quelle nosokomialer Infektionen, besonders für schwer kranke und immunsupprrimierte Kinder, nicht außer Acht gelassen
werden kann. Die Sorgfalt gebietet es daher, einen Desinfektionsplan für Spielzeug
zu erarbeiten, der die Verwendung einzelner
Spielzeugarten ebenso regelt wie die Frequenz der Aufbereitung und das zu verwendende Desinfektionsmittel. Als Beispiel für
einen solchen Plan sind in Abbildung 3
einige Regelungen wiedergegeben. Diese
müssen vor Ort an die jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden. In dem Plan wurde bewusst auf die Spalte »Wer?« verzichtet,
da in jeder Kinderklinik individuell zu
regeln ist, welche Berufsgruppe mit der
regelmäßigen Reinigung und Desinfektion
des Spielzeugs betraut wird. ■
Literatur
[1]: Fleming K, Randle J. Toys - friend or
foe? A study of infection risk in a paediatric intensive care unit. Paediatric Nursing 2006;18:14-18
[2]: Davies MW et al. Bacterial colonization of toys in neonatal intensive care
cots. Pediatrics 2000;106:1-5
[3]: Buttery JP et al. Multiresistant Pseudomonas aeruginosa outbreak in a pediatric oncology ward related to bath toys.
Pediatr Infect Dis 1998;16:509-513.
Koagulase-negative Staphylokokken
Mikrokokken
Bacillus spp.
MRSA
Gram-positive diphtheroide Stäbchen
Gruppe-B-Streptokokken
MSSA
Anhämolysierende Streptokokken
Gruppe-D-Streptokokken
Vergrünende Streptokokken
Gram-negative Enterobakteriazeen
Prozent positiver
Kulturen
Pilze
0
20
40
60
80
100
Abb. 2: Keimnachweise auf Spielzeug in der Neonatologie.
MRSA, methicillin-resistente Staphylococcus aureus, MSSA, methicillin-sensible S. aureus.
Untersucht wurden 86 Kulturproben von 34 Spielzeugteilen (nach [2]).
aseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
13
Symbol
Spielzeug
Wann
Womit
Wie
Holzwürfel, Holzstäbe, Holzspie- •Im Besucherzimmer auf Station:
le, lackiert oder lasiert
1 x pro Monat
•Bei patientenbezogener Nutzung:
bei Patientenwechsel
•bei Verschmutzung
Flächendesinfektionsmittel,
1h-Wert nach VAH-Liste
Mit Einmaltuch feucht
abwischen, nach 1 h mit
klarem Wasser abspülen,
trocknen
Plastikspiele, Plastikteile
(einschl. Duplo, Lego)
•Im Besucherzimmer auf Station:
1 x pro Woche
•Bei patientenbezogener Nutzung:
bei Patientenwechsel
•bei Verschmutzung
Flächendesinfektionsmittel,
1h-Wert nach VAH-Liste
Abwischen wie oben oder
1 h in Lösung eintauchen,
danach mit klarem Wasser abspülen, trocknen
lassen*
Schaumstoffteile,
Stofftiere, Stoffpuppen
•Nur patientenbezogene Nutzung
•Desinfektion bei Patientenwechsel
•nach Verschmutzung
ggf. säubern, anschließend
Dampfdesinfektion
Durchführung in der Bettenzentrale, bei sehr kleinen
Teilen im Vaporisator
Kleider von Stofftieren,
Puppen
•Monatlich
•nach Verschmutzung
Waschen nach
Herstellerangabe
Wäscherei oder
durch Eltern
Hämatologie/Onkologie, immunsupprimierte Patienten
Holzwürfel, Holzstäbe, Holzspiele, lackiert oder lasiert
Nur im Besucherzimmer
verwenden
Aufbereitung wie
Normalstation
S. oben
Schaumstoffteile,
Stofftiere, Stoffpuppen
•Nur patientenbezogene Nutzung
•Desinfektion bei langer
Liegedauer 1x/Monat
•Nach Verschmutzung
ggf. säubern, anschließend
Dampfdesinfektion
Voll waschbare (>60°C) Stofftiere/Puppen bevorzugt waschen
S. oben
Waschmaschine zu Hause
(Eltern), kontaminationsgeschützt in Klinik bringen
•1 x tgl.
Flächendesinfektionsmittel,
1h-Wert nach VAH-Liste
Mit Einmaltuch feucht
abwischen
Neonatologische Intensivstation
Spielzeug nur in Klarsichtbeutel eingeschweißt
verwenden
Abbildung 3: Reinigungs- und Desinfektionsplan für Spielzeug
Klinik + Hygiene
Korrekte Medizinprodukte-Entsorgung
bereits im OP
D. Tutsch
Als gelernte Krankenschwester, OPSchwester und nunmehr Leiterin der
Autorin
Dorien Tutsch
ZSVA – Leitung
Klinikum Hildesheim
Weinberg 1
31134 Hildesheim
E-Mail: zsva@klinikum-hildesheim.de
14
Zentralsterilisation im Klinikum Hildesheim (ehemals Städtisches Krankenhaus Hildesheim) habe ich mich
im Rahmen meiner Fachkundearbeit
III intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Zum Thema »Entsorgung der Medizinprodukte (MP) im
OP« etwas in der Literatur zu finden,
ist außerordentlich schwierig. Bis auf
wenige Aussagen, wie »Die Entsorgung sollte trocken und geschlossen
sein«!, gibt es wenig Konkretes zu
diesem Thema. Ebenso entscheidend
aseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
ist allerdings, wie die Medizinprodukte postoperativ im geschlossenen
Container abgelegt sind.
Es stellt sich die Frage, warum das Thema
»sachgerechte Entsorgung der Medizinprodukte« bzw. »Werterhaltung der Medizinprodukte« nicht in der OP-Weiterbildung
gelehrt wird. Wie sollten bzw. müssen die
Anwender mit diesen materiellen Werten
umgehen, um Schäden vorzubeugen, damit
die Medizinprodukte über viele Jahre verwendet werden können?
*Als Alternative können kleine hitzestabile Plastikteile in einem Netzbeutel in der Waschmaschine mitgewaschen werden. Die Waschtemperatur
muss hierbei >60°C betragen. Anmerkung: Der Plan muss an die hausspezifischen Gegebenheiten angepasst werden und ist nur als Vorschlag
zu verstehen
Klinik + Hygiene
Klinik + Hygiene
Für eine anschauliche Problemanalyse wurde anhand von Bildern die nicht sachgerechte Entsorgung dokumentiert. Dadurch
konnten Fehler oder Unwissenheiten bei
der Entsorgung objektiver betrachtet werden. Unter dem Aspekt »Bilder prägen sich
besser ein als Worte« war diese Maßnahme
sehr zielführend.
Ferner haben wir unterschieden zwischen Problemen in der OP-Abteilung und
Problemen in der ZSVA.
Abb.1: schwere Medizinprodukte, Luer,
Knochenhebel
Was passiert mit den benutzten
Instrumenten?
Zielstellung war, eine korrekte Entsorgung
der Medizinprodukte im OP zu ermöglichen und damit den Werterhaltung der
Medizinprodukte zu sichern. Es gab keinen
Leitfaden, auch keine Standards für das OPPersonal, wie genau Medizinprodukte am
Tisch entsorgt werden sollten. Fachgerechte
Aufbereitung beginnt bereits im Operationssaal bei der Entsorgung. Funktion und
Wert der wiederverwendbaren Medizinprodukte soll möglichst über Jahre erhalten
bleiben, eine problemlose Aufbereitung in
der ZSVA ermöglicht werden.
Welche Zielsetzung verfolgen wir bei der
Umsetzung einer sachgerechten Entsorgung
von Medizinprodukten im OP und was soll
ein Leitfaden bewirken?
Verursacher-Prinzip
Problem-Bewusstsein für Fragen der fachgerechten Aufbereitung, OP-Weiterbildung
»Entsorgung lernen, wo sie beginnt«.
Probleme in der Operationsabteilung
Unwissenheit bei der Entsorgung
Entsorgungsfehler wurden von einem
OP-Mitarbeiter zum nächsten
weitergegeben
Lösungsansätze:
Regelmäßige OP-Schulungen anbieten,
damit das Verständnis auf beiden Seiten
gefördert wird
Die Kommunikation von OP-Team
und ZSVA-Team fördern, um Reibungsverluste zu vermeiden
Problem in der
Zentralsterilisationsabteilung
Erweiterung der Aufgabenbereiche bei
gleichbleibendem Personalstand
Eine Vielzahl von gesetzlichen Vorschriften im Rahmen der MedizinprodukteGesetzgebung ist einzuhalten (z. B. MPG,
MPBetreibV, Biostoffverordnung, IFSG,
TRBA/BGR 250, RKI-Empfehlungen:
Anforderung an die Hygiene bei der Aufbereitung von MP, UVV sowie das
Arbeitsschutzgesetz/die Arbeitsstättenverordnung)
Lösungsansätze:
Nur durch eine Umstrukturierung der
Arbeitsabläufe kann eine Prozessoptimierung erreicht und damit Zeit eingespart
werden
Mit der korrekten Entsorgung der Medizinprodukte aus dem OP kann in der
ZSVA nicht nur Zeit eingespart, sondern
andere Arbeitsabläufe umgesetzt werden
Zusammen mit der sachgerechten Entsorgung ist die Werterhaltung der Medizinprodukte ein wichtiges Thema. Wichtig ist
dabei, dass der OP-Mitarbeiter neben der
sachgerechten Aufbereitung der OP-Tische
genauso sorgsam bei der Entsorgung der
Medizinprodukte vorgeht. Durch unsachgemäßes »Abwerfen« können Medizinprodukte beschädigt werden, z. B. Hartmetallspitzen von Scheren und Nadelhalter
können abspalten, Klemmchen können sich
verformen. Um dies zu verhindern, müssen
Medizinprodukte nach Gebrauch sorgsam
»abgelegt« werden.
Beschädigungen der Materialbeschaffenheit
von Medizinprodukten werden u. a. verursacht, wenn Reste von Hautdesinfektionsmitteln, Gleit- und ätzende Arzneimittel,
Rückstände von Blutverkrustungen sowie
grobe Blutverschmutzungen nicht vor dem
»Ablegen« entfernt werden.
In Abbildung 1 sehen Sie eine unsachgemäße Entsorgung, auf dem schwere
Medizinprodukte auf feinen Medizinprodukten liegen und damit eine Schädigung
der Instrumente in Kauf genommen wird.
Prozessoptimierung in der ZSVA
Effizienz, verbesserte Leistung, Zeitersparnis auf der unreinen Seite der ZSVA.
Kostenersparnis
Reparatur- und Reparaturersatz-Kosten sinken
Unfallgefahr
Mitarbeiter(innen) werden besser vor Verletzungen geschützt, verringerte verletzungsbedingte Ausfallzeiten, Produktivität.
Abb. 2: Diathermiekabel liegt zwischen
Medizinprodukten
aseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
Abb. 3: wacklige Entsorgung, Schäden
sind vorprogrammiert
15
Klinik + Hygiene
Abb. 4
In Abb. 2 sehen Sie eine unsachgemäße
Entsorgung des Diathermiekabels mit Knoten und nicht gebündelt. Beim Entfernen
dieses Kabels können Medizinprodukte auf
den Boden fallen.
Abb. 3 zeigt zwei übereinanderliegende
Entsorgungssiebe in schräger Position. Bei
dieser Art von Entsorgung ist nicht nur
die Werterhaltung der Medizinprodukte
vermindert, sondern auch die Unfallgefahr
erhöht. Ferner kommt ein enormer Zeitverlust zum Tragen.
Beim Auseinanderfalten der Vliesverpackung besteht die Gefahr, dass das obere
Sieb nach vorne rutscht. Hier besteht nicht
nur das Risiko, dass die Medizinprodukte
zu Schaden kommen, sondern vielmehr die
erhöhte Unfallgefahr für die Mitarbeiter.
Bei einer derartigen Versorgung kommt es
vermehrt zu Stichverletzungen, die bei ordnungsgemäßer Entsorgung vermeidbar
wären. Ferner ist auf dem Bild zu sehen,
dass die Akkumaschinenhülsen im unteren
Sieb liegen, diese Kontakte der Hülsen
können von dem Gewicht des oberen Siebes eingedrückt werden und sind danach
reparaturbedürftig.
Abb. 4: andere Perspektive, wacklige Entsorgung. Man erkennt jetzt die scharfen
Medizinprodukte links in der Nierenschale.
Wenn man versucht, das Sieb aufzufangen,
erhöht sich die Unfallgefahr enorm.
Die Abb. 5 zeigt Maulteile der Knochenstanzen und Rongeure, die ungeschützt
im Sieb liegen. Beim Auseinanderfalten der
Vliesverpackung kann die Biegewelle nach
vorn rutschen und die Knochenstanzen
16
Abb. 5: Wirbelsäulensieb, Maulteile der
Knochenstanzen und liegen ungeschützt.
Abb. 6: Dia-Kabel gebündelt ohne Knoten.
Sieb übersichtlich sortiert und nicht überfüllt
und Rongeure mit sich ziehen. Fallen diese
Medizinprodukte auf den Boden und brechen im Maulteil ab, ist nur noch eine
Ersatzbeschaffung möglich und keine Reparatur. Der Kostenfaktor liegt bei ca. 250 bis
550 Euro pro Medizinprodukte.
Direkt nach der Anwendung der Medizinprodukte groben Schmutz, Salben usw. entfernen, Kanülen durchspülen, wenn Kontrastmittel oder Patentblau verwendet wird.
Festzuhalten ist, dass eine unsachgemäße
Entsorgung zwangsläufig zu erhöhten
Reparaturkosten, hohen Ersatzinvestitionen
und erhöhten Unfallrisiken führt und die
Mitarbeiter unnötig belastet.
Von daher ist zwingend Folgendes
notwendig:
Keine wacklige Entsorgung. Wenn zwei
Siebe übereinander entsorgt werden, muss
darauf geachtet werden, dass sich die unteren Medizinprodukte nicht im oberen
Sieb verhaken können und sich dadurch
verformen. Spätestens in der unreinen Seite der ZSVA können die Medizinprodukte, die sich verhakt haben, beim Anheben
des oberen Siebes auf den Boden fallen.
Entsorgungssiebe nicht überfüllen. Es ist
besser, die Medizinprodukte auf ein zweites Entsorgungssieb zu verteilen und darauf zu achten, dass das zweite Sieb auch
eine Entsorgungsmarke hat.
Schwere Medizinprodukte, z. B. Luere, Seitenschneider, Knochenhebel usw. immer
geöffnet nach unten ins Sieb ablegen.
Keramikbipolarscheren und Biopinzetten
immer nach einer Operation von Verkrustungen vorsäubern. Während der Operation müssen die Medizinprodukte ständig
gesäubert werden, da sie ansonsten nicht
mehr funktionieren.
aseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
Keine fixierende Mittel oder heißes Wasser
(>40° C) benutzen, da dies zur Fixierung
von Rückständen führt und den Reinigungserfolg beeinflussen kann.
Die Maulteile der Knochenstanzen und
Rongeure müssen für den Transport
geschützt werden.
Defekte Medizinprodukte nur mit Briefknöpfen versehen, nicht mit Kompressen.
Auf dem Siebbegleitschein (siehe Abb. 8)
muss angegeben werden, warum das
Medizinprodukt defekt ist. Dies schließt
allerdings eine Funktionskontrolle durch
die ZSVA nicht aus.
Fazit
Fachgerechte Entsorgung nimmt Zeit in
Anspruch, ist allerdings dringend notwendig, um die Aufbereitung zu optimieren
und setzt ggf. personelle Ressourcen frei
bzw. verbessert die Arbeitsbedingungen.
Je weniger überflüssige oder zusätzliche
Arbeitsschritte während der Aufbereitung
anfallen, desto eher sind die Siebe wieder
steril und der MA von der unreinen Seite
kann in der reinen Seite nach Wechsel der
Schutzkleidung und Händedesinfektion
mitarbeiten. Hierzu weitere Beispiele:
Die Labor- und Nierenschalen werden
zur Hautdesinfektion von Patienten
benötigt. Werden die Schalen nicht gleich
mit Wasser ausgespült, trocknet das Frekaderm an (siehe Abb. 9). In der unreinen Seite werden diese Schalen mit Steril-
Klinik + Hygiene
Abb. 7: Maulteile sind geschützt, Kabel und
Biegewelle sind gebündelt und liegen sicher,
können somit auch keine Medizinprodukte
beschädigen.
lium gereinigt (siehe Abb. 10), da Wasser
angetrocknetes Frekaderm nicht lösen
kann. Im Durchschnitt mussten im Klinikum 20 Laborschalen am Tag so gereinigt
werden, d. h., 28 Flaschen Sterillium
wurden benötigt für diese überflüssigen
und zusätzlichen Arbeitsschritte in der
ZSVA. Ein Versuch, die Laborschalen
ohne Vorreinigung in den RDG zu legen,
war nicht zielführend (siehe Abb. 11).
Die Schale wurde nicht sauber, da Wasser
angetrocknetes Frekaderm nicht lösen
kann.
Die Sauger und Spülkanülen müssen
extra aufgesteckt werden im RDG. Daher
ist es nicht sinnvoll, sie irgendwo im Sieb
abzulegen. Nicht bei jeder Operation
wird dieses Medizinprodukt benutzt.
Eine Durchsuchung des Siebes wäre unnötig und das Risiko der erhöhten Unfallgefahr würde gemildert. Ferner besteht
die Gefahr, dass man ein kanüliertes
Medizinprodukt übersieht.
Liegt z. B. ein Sauger im Entsorgungssieb
nach der Reinigung, dann muss das Medizinprodukt den Reinigungsprozess noch
einmal durchlaufen. Eine derartige Entsorgung ist mit überflüssigen und zusätzlichen
Arbeitsschritten verbunden.
Medizinprodukte mit Blattfedern, z. B.
Luere, müssen geöffnet im Sieb unten liegen. Sind sie nicht geöffnet, müssen alle
Medizinprodukte aus dem Sieb genommen
werden, bis der Luer geborgen werden
kann. Der Luer wird geöffnet und danach
werden alle Medizinprodukte wieder ins
Sieb gelegt. Wenn dabei ein ungeöffnetes
Abb. 8: Siebbegleitschein
Medizinprodukt übersehen wird, muss dieses Medizinprodukt auch den Reinigungsprozess erneut durchlaufen.
Bei der Abb. 12 ist ein DiaKabel zu
sehen, welches zwischen bzw. über den
Medizinprodukten liegt. Um an das
Kabel zu gelangen, müssen die Medizinprodukte entfernt werden. Da sich die
Medizinprodukte im Kabel verhaken können, kann es passieren, dass Medizinprodukte beim Absortieren auf den Boden
fallen. Diese Entsorgung kostet nicht nur
Zeit, sondern eventuell auch Reparaturkosten oder gar im Rahmen der Ersatzbeschaffung Investitionskosten.
Bei Operationen mit Kontaktsieben werden
vereinzelt Medizinprodukte nicht ins richtige Entsorgungssieb abgelegt. Hier bestehen
im Packbereich Probleme, ein Sieb vollständig zu bepacken, wenn die Medizinprodukte auf einem anderen Sieb liegen.
Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wartet man auf das Sieb, in dem sich
die falsch abgelegten Medizinprodukte
befinden, oder man nimmt aus dem
Nachlegelager die fehlenden Medizinprodukte, muss aber die sich angefundenen
Medizinprodukte wieder ins Nachlegelager zurückbringen. Beide Möglichkeiten
bedeuten Zeitverlust.
Schwere Medizinprodukte dürfen nicht
auf feine Medizinprodukte gelegt werden,
sonst muss ein Sieb umsortiert werden.
Unterstellt man für überflüssige oder
zusätzliche Arbeitsschritte pro Entsorgungssieb zwei Minuten, könnten bei 168
Sieben am Tag ca. 336 Minuten, sprich 5,6
Stunden Arbeitszeit, eingespart werden.
aseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
Abb. 9: angetr. Frekaderm
Lösungsansätze für eine
fachgerechte OP-Entsorgung
Die Laborschalen werden gleich nach der
Anwendung mit Wasser ausgespült. Diese
Tätigkeit kann der Springer während der
OP ausführen.
Bei der Entsorgung die Sauger und Spülkanülen gesondert in eine Nierenschale
legen.
Luere geöffnet ins Entsorgungssieb nach
unten legen. Dabei ist zu beachten, dass
das Gelenk auch geöffnet ist.
Schwere Medizinprodukte immer ins
Entsorgungssieb nach unten legen
Bei Operationen mit Kontaktsieben
immer den Siebbegleitschein korrekt ausfüllen. Welche Siebe mit Siebnummern
hatten bei einer Operation Kontakt? Dies
vereinfacht die Suche nach einem Medizinprodukt, welches versehentlich ins
falsche Sieb abgelegt wurde.
Die MP immer in das richtige Entsorgungssieb ablegen und die Siebe mit den
korrekten Entsorgungsmarken versehen.
Die Diakabel nicht zwischen den Medizinprodukte entsorgen, sondern in einer
Kochsalzschale oder oben gebündelt auf
das Sieb legen.
Die Entsorgungssiebe nicht überfüllen.
Es ist besser, die Medizinprodukte auf
zwei Siebe zu verteilen.
Die eingebrannten Verkrustungen an den
Biposcheren usw. auch nach der OP so
weit wie möglich entfernen.
Erhöhte Unfallgefahr bei einer nicht
sachgerechten Entsorgung
Die Gefährdung des Personals in der ZSVA
muss durch eine korrekte Entsorgung vermieden werden. »Die Zielformulierung von
17
Klinik + Hygiene
Abb. 10: mit Sterillium gelöst
Behörden und Betreibern bei der Aufbereitung
von MP muss die Verhütung, Erkennung und
die Beseitigung aller Infektionsrisiken sein, die
von diesen Produkten ausgehen können.«
Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) und die
Hygieneverordnung definieren die gesetzliche Verpflichtung zur Kontrolle und Überwachung medizinischer Einrichtungen
durch das zuständige Gesundheitsamt.
Die Unfallverhütungsvorschrift (UVV)
sowie die Arbeitsstättenverordnung
(Arbeitsschutz) dürfen nicht außer Acht
gelassen werden.
Die Schutzkleidung, auch Infektionsschutz, auf der unreinen Seite ist besonders
wichtig. Sie soll vor schädigenden Einwirkungen bei der Arbeit schützen von kontaminierten biologischen Arbeitsstoffen und
die Verschleppung von Mikroorganismen
verhindern, durch die eine unkontrollierbare Gefahr ausgehen kann.
Die persönliche Schutzausrüstung besteht
aus einem flüssigkeitsdichten, langärmligen
Schutzkittel und desinfektionsundurchlässige Handschuhe, die im Zusammenspiel
vollständig die Haut bedecken. Das Tragen
eines Mund-Nasenschutzes, einer Schutzbrille (besser –maskenschirm), einer Kopfhaube und die flüssigkeitsdichten, rutschfesten, antistatischen und abwaschbaren
Schuhe sind erforderlich.
Die Schutzkleidung muss vom Arbeitgeber in
ausreichender Menge zur Verfügung gestellt
werden. Bio-StoffV, TRBA/BGR 250.
Die Mitarbeiter in der ZSVA müssen
vor dem Hintergrund der bestehenden
Gefahren folgendes berücksichtigen bzw.
beachten:
18
Abb. 11: Versuch im RDG
Tragen von Schutzkleidung auf der unreinen Seite gemäß Hygieneplan, IfSG,
Mitarbeiter, vor allem auf der unreinen
Seite, müssen Hepatitis B und ggf. A und
Tetanus-Impfungen vorweisen
Nicht unkontrolliert in ein Entsorgungssieb fassen
Spitze und scharfe Medizinprodukte in
spezielle Siebkörbe vorsichtig legen bzw.
aufstecken
Nicht mit aller Kraft die schweren Siebe
allein heben, nach anderen Lösungen suchen
Bei einer Verletzung sofort Blut herauspressen, dann die Handschuhe ausziehen
und die Stichverletzung weiter zum Bluten
bringen, Wunde desinfizieren, getränkten
Desinfektionstupfer auf die Wunde legen
und die Schutzkleidung ablegen, die Notfallaufnahme aufsuchen und die Verletzung anzeigen (Dokumentation!)
Das Resultat der Problemanalyse und die
Problemlösungen sind sehr umfangreich.
Selbstverständlich stellt sich die Frage, ob
dies realisierbar und praktikabel ist, im OP
eine derartig fach- und sachgerechte Entsorgung zeitlich durchzuführen. Vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen sowohl als
OP-Schwester als auch Leiterin der ZSVA ist
es mir gelungen, die Mitarbeiter von der
Notwendigkeit dieses Tuns zu überzeugen
nach dem Motto: »Ich würde nie etwas
erwarten, was ich selber nicht tun würde«
Die Entsorgungsprobleme, die aufgeführt
wurden, treten selbstverständlich nicht alle
nach einer Operation auf, sondern sind
schon von Fachabteilung zu Fachabteilung
sehr unterschiedlich. Die Zeit während
einer Operation kann genutzt werden, so
dass der Springer nach der Hautdesinfektiaseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
Abb. 12: Diakabel liegt zwischen MP
on die Laborschale gleich ausspült und die
Siebbegleitzettel ausfüllen kann. Der/die
Instrumentierende hat die Möglichkeit, die
Medizinprodukte steril zu entsorgen d.h.
zum Ende einer Operation werden die Medizinprodukte in ein steriles Entsorgungssieb gelegt, so dass jederzeit, falls doch noch
ein Medizinprodukt benötigt wird, es wieder entnommen werden kann. Die DiaKabel, Laborschalen und Lampengriffe werden erst am Ende einer Operation entsorgt.
Nachfolgend möchte ich noch darauf eingehen, was für die Fortbildung des OP-Personals spricht:
Das gesamte OP-Personal nimmt an den
Fortbildungen teil, es gibt somit keine
Probleme mit dem Weitervermitteln der
fachlichen Information
Kommunikation wird gefördert
Zielorientierte Lösungsansätze werden
gemeinsam erarbeitet
Regelmäßige Fortbildung hat das Ziel,
dass die Entsorgung zur Routine wird
Neue OP-Mitarbeiter/innen lernen von
Anfang an die korrekte Entsorgung,
erfahrene Mitarbeiter/innen lernen dazu
Das OP-Personal wird mit einbezogen,
seine Tipps oder Anregungen sind wichtig
für den Zusammenhalt OP/ZSVA
Das Vorhalten von gegenseitigen Problemen
könnte schon im Vorfeld ausgeräumt werden
Die Fortbildung soll kein Freifahrtschein
für die Mitarbeiter in der ZSVA sein.
Auch innerhalb der ZSVA gibt es Prozesse
zu optimieren, um Fehler zu vermeiden.
Darüber hinaus sollte die Möglichkeit des
gegenseitigen Hospitierens von OP-Personal in der ZSVA und umgekehrt genutzt werden. Folgendes spricht für diesen Austausch:
Klinik + Hygiene
Abb. 13: Resultate der ersten OP-Fortbildung
Auch der OP-Mitarbeiter lernt den beruflichen Alltag der ZSVA kennen. Er sieht, welche Probleme in der ZSVA bei einer nicht
sachgerechten Entsorgung entstehen, er
erkennt, welche überflüssigen oder zusätzlichen Arbeitsschritte notwendig sind und
kann besser nachvollziehen, welcher unnötige Zeitaufwand bei einer nicht sachgerechten Entsorgung für die Mitarbeiter entsteht.
Der OP-Mitarbeiter bekommt ein Gefühl
dafür, wie aufwendig die Aufbereitung der
Siebe ist, warum z. B. ein Sieb erst nach
3,5 Stunden wieder steril ist.
Für das Hospitieren von ZSVA-Mitarbeitern
im OP spricht:
den beruflichen Alltag im Operationssaal
kennen zu lernen, welche Auswirkungen es
hat, wenn ein Sieb nicht richtig gepackt ist
oder ein wichtiges Medizinprodukt für eine
Operation fehlt. Der Aufwand, der sich daraus ergibt, ist für das OP-Personal erheblich.
Es entsteht für alle Beteiligten eine Stresssituation, es muss ein anderes Sieb geholt
und geöffnet werden, alles muss sehr
schnell gehen, damit die Operation nicht
verzögert wird. Zum anderen ist die Stimmung im Saal in dieser Situation sehr angespannt. Die Beschäftigten sind gereizt,
die Sensibilität der ZSVA-Mitarbeiter für
das OP-Personal wird erhöht.
Die ZSVA-Mitarbeiter erleben, für welche
Operationen die Medizinprodukte eingesetzt werden und wie wichtig es ist, dass
kein Medizinprodukt fehlen darf. Das
Hospitieren während einer Operation
fördert ebenfalls die Sensibilität.
Abb. 14: Resultate der zweiten OP-Fortbildung
Abschließend sei festgehalten, dass eine
korrekte Entsorgung von Medizinprodukten im OP nur erreicht werden kann, wenn
folgende Arbeitsschritte befolgt werden:
1. Eine regelmäßige Fortbildung
Diese Schulung soll als Leitfaden gesehen
werden
Das Bewusstsein stärken für den Werterhalt der Medizinprodukte
Das Verständnis für andere Berufsdisziplinen vermitteln
Zeitverluste verhindern bzw. verringern
Die Unfallgefahr vermeiden
Das Betriebsklima fördern – insbesondere
durch die Zusammenarbeit der einzelnen
Berufsdisziplinen
Problematiken zielorientiert gemeinsam
durchsprechen bzw. lösen
2. Gegenseitige Hospitation
Den beruflichen Alltag kennenlernen im
OP und in der ZSVA
sehen sind. In unserem ehemals Städtischen
Krankenhaus war die Entsorgung schon
immer ein Problem. Es gab keinen Leitfaden sowie keine Standards für das OP-Personal, wie Medizinprodukte entsorgt werden sollen.
Das ehemals Städtische Krankenhaus
Hildesheim wurde zum 01.01.2005 privatisiert und in die Trägerschaft der RhönKlinikum AG überführt. Der neue Klinikträger steht Veränderungen sehr offen
gegenüber und bereit, Probleme anzugehen
und Lösungen umzusetzen. Motiviert vom
Leitsatz: »Packen wir’s an – gemeinsam
schaffen wir es« haben wir schon einiges in
unserem Klinikum erreicht. Am Ziel sind
wir noch nicht. Ich wünsche mir, dass Sie
aus dieser Analyse die eine oder andere
Anregung für Ihren praktischen Klinikalltag
mitnehmen können und wünsche Ihnen
dabei viel Erfolg. ■
Literatur
3. Festgelegte regelmäßige
Besprechungszeiten mit dem OP und
dem ZSVA-Personal
Fördert die Zusammenarbeit und
Kommunikation
Problemlösungen können in der Gemeinschaft optimiert werden/Problemmanagement
Abschließend verweise ich auf die nachfolgenden Abbildungen, auf denen die Resultate nach unserer ersten OP-Fortbildung
bzw. nach der zweiten OP-Fortbildung zu
aseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
Quellen:
[1] Instrumenten Aufbereitung richtig
gemacht, 8. überarb. Ausgabe 2005
[2] Fachmagazin Zentral Sterilisation,
9. Jahrgang 2/2001
[3] Fachmagazin aseptica, 13. Jahrgang
2007, Heft 4
[4] Herr Pahlke, Berlin
[5] Fachmagazin aseptica, 11.Jahrgang
2005, Heft 1
19
Technik + Hygiene
Sprühanwendung dampfsterilisierbarer Öle für die
Schmierung von Instrumenten nach der Aufbereitung
Stellungnahme aus arbeitsmedizinisch-toxikologischer Sicht
A. W. Rettenmeier
Beim Einsatz chirurgischer Instrumente kann es durch Reibung zu
einem Verschleiß an den Oberflächen
kommen. Diese Gefahr ist bei hochwertigen Instrumenten besonders
groß, da diese passgenau gearbeitet
sind. Eine wichtige Maßnahme,
um den Verschleißerscheinungen
vorzubeugen und dadurch eine lange
Einsetzbarkeit zu gewährleisten, ist
das Schmieren der Instrumente nach
dem Aufbereitungsprozess.
Im Folgenden werden aus arbeitsmedizinisch-toxikologischer Sicht die Risiken aufgezeigt, die mit dem Einsprühen der
Instrumente mit dampfsterilisierbaren Ölen
verknüpft sind. Grundlage der Bewertung
sind Angaben im EG-Sicherheitsdatenblatt
zur Zusammensetzung eines marktüblichen
Spray-Produkts, das als Pflegeprodukt für
Geräte aus Edelstahl auf dem Markt ist.
Laut Sicherheitsdatenblatt enthält das
Produkt an gefährlichen Inhaltsstoffen ein
nichtionisches Tensid (nicht näher spezifiziert; Anteil 1-5 %), ein Propan-/Butangemisch (15-30 %), Pentan (20-30 %),
Cyclohexan (5-10 %), n-Hexan (1-5 %)
sowie Heptanisomere (1-5 %).
Bei den gefährlichen Inhaltsstoffen handelt es sich mit Ausnahme des nicht näher
charakterisierten nichtionischen Tensids um
Autor
Prof. Dr. A. W. Rettenmeier
Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin
Universitätsklinikum Essen
Hufelandstraße 55, 45122 Essen
E-Mail:
albert.rettenmeier@uni-duisburg-essen.de
20
niedrig siedende Kohlenwasserstoffe. Das
Propan-/Butangemisch wird als Treibgas
verwendet, die Siedepunkte der weiteren
Kohlenwasserstoffe liegen bei 36 °C (Pentan), 69 °C (n-Hexan), 81 °C (Cyclohexan)
und 98 °C (n-Heptan). Aufgrund des niedrigen Siedepunkts gehen die bei Raumtemperatur flüssigen Kohlenwasserstoffe Pentan, n-Hexan, Cyclohexan und die
Heptanisomere rasch in die Raumluft über
und werden dann – bei der Anwendung des
Sprays – in Abhängigkeit von den lokalen
Lüftungsverhältnissen zusammen mit dem
Treibgasgemisch mehr oder weniger stark
inhalativ aufgenommen. Alle genannten
Kohlenwasserstoffe sind hochentzündlich
(Gefahrensymbol F). Bei heißen Gegenständen oder gar offenen Zündquellen im
Anwendungsbereich besteht Brandgefahr.
Bei einem Volumenanteil von 1 % (nHexan, Heptan) bis 1,7 % (Propan) werden mit Luft explosive Gemische gebildet.
Da die Spraydosen unter Druck stehen,
dürfen sie nicht der direkten Sonnenstrahlung und auch keinen Temperaturen über
50 °C ausgesetzt werden.
Den genannten Kohlenwasserstoffen ist
gemeinsam, dass sie in hohen Konzentrationen zentralnervöse Effekte (ZNS-Depression) bis hin zur Narkose hervorrufen. Propan
und Butan erhöhen zudem die Empfindlichkeit des Herzmuskels gegenüber Adrenalin.
Die flüssigen Kohlenwasserstoffe führen aufgrund ihrer Lipophilie bei direktem Kontakt
zu einer Entfettung der Haut, die Reizwirkung an Haut- und Schleimhäuten ist bei nHexan am stärksten ausgeprägt. Wie auch
aus den MAK-Werten (Maximale Arbeitsplatz-Konzentration) hervorgeht (Propan,
Butan und Pentan jeweils 1000 ml/m3; nHeptan 500 ml/m3; Cyclohexan 200 ml/m3,
n-Hexan 50 ml/m3), stellt n-Hexan die
gefährlichste Komponente unter den Inhaltsaseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
stoffen des Sprays dar. Bei chronischer Exposition gegenüber n-Hexan in entsprechend
hohen Konzentrationen entwickelt sich eine
periphere Polyneuropathie, die in der Peripherie der Extremitäten mit meist sensiblen
Störungen ihren Ausgang nimmt und
schließlich im Sinne einer sensibel-motorischen Neuropathie bis hin zu Muskelatrophien führen kann. Bei Cyclohexan ist vermutlich die Spermatotoxizität der kritische
toxische Effekt.
Zusammengefasst geht das Auftragen
von Schmiermitteln auf chirurgische
Instrumente mithilfe von Sprays mit
gesundheitlichen Risiken einher, sofern die
Schmiermittel Gefahrstoffe enthalten wie
das oben genannte Produkt und bei der
Anwendung keine adäquaten Schutzmaßnahmen getroffen werden. Diese Risiken
resultieren einerseits aus den physikochemischen Eigenschaften der Inhaltsstoffe (leichte Entzündbarkeit), andererseits aus den
toxischen Effekten einzelner Komponenten
bei chronischer Einwirkung. Die inhalative
Exposition wird durch das Versprühen dieser Gefahrstoffe extrem begünstigt. Aufgrund dieser Risiken ist das Auftragen von
Schmiermitteln mithilfe von Sprays nicht
zu empfehlen, zumal es technisch effektivere Lösungen gibt, um die Funktion chirurgischer Instrumente zu erhalten.■
Service
Programm des DGSV-Kongresses 2008
mit Mitgliederversammlung
2. bis 4. Oktober 2008 im Kongress- und Kulturzentrum in Fulda
Donnerstag, 2. Oktober 2008
ab 12:00 Uhr
Anmeldung zum Kongress und
Besuch der Industrieausstellung
13:00 Uhr
Begrüßung und Eröffnung
des Kongresses (Anke Carter,
Prof. Dr. Martin Mielke)
13:20 Uhr
13:40 Uhr
14:00 Uhr
14:20 Uhr
Zur Situation der Aufbereitung
von Medizinprodukten in
Deutschland (Bundesministerium
für Gesundheit)
Umgang mit Meldungen lt. § 4
MPBetreibV an das BfArM
(Dr. Gisela Ininger)
Aufbereitung von »Kritisch C«
Medizinprodukten aus rechtlicher,
Anwender- und Aufbereitersicht
(Dr. Andrea Johmann)
Entstehung und Bedeutung
von Normen mit Blick auf die Aufbereitung von Medizinprodukten
(Dr. Margit Heinrich,
Dipl.-Ing. Müller)
Freitag, 3. Oktober 2008
09:00 Uhr
Aktuelle Anforderungen an
Instrumentendesinfektionsmittel
(Cordula Arnold)
09:25 Uhr
Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse bei der Aufbereitung
von Medizinprodukten
(Detlef Mertens)
15:45 Uhr
Workshop 1
Instrumentenkreislauf als
Verfahren mit Schwerpunkt
Reinigung und Desinfektion
(Matthias Klar, Michael Mohr,
Matthias Püttmann, Martin Scheible)
Workshop 2
Aufbereitung von Motorensystemen
(FA Qualität der DGSV)
Workshop 3
Prozesskontrolle bei der Aufbereitung feiner Instrumente
(Dr. Thomas Fengler)
Workshop 4
Neues aus der Leitlinie zur
Validierung thermischer
RD-Verfahren
(Leitliniengruppe)
Ende der Workshops
ab 18:00 Uhr
Sektempfang in der
Industrieausstellung
18:30 Uhr
Mitgliederversammlung
der DGSV e. V.
ca. 21:30 Uhr
Fingerfoodbuffet im Foyer
(1 Softgetränk frei)
09:25 Uhr
Quantitative Chargenkontrolle
der Reinigungsphase in RDG
(Emanuel Nagel)
09:50 Uhr
Update zur Revision der DIN
58946-7 – Wie wird die Norm
nach der Revision aussehen?
(Dr. Maria-Theresia Linner)
10:15 Uhr
Versteckte Kosten in der ZSVA
(Andrea Scharnowski)
10:15 Uhr
Kaffeepause,
Besuch der Industrieausstellung
Kaffeepause,
Besuch der Industrieausstellung
11:00 Uhr
Ergebnispräsentation Workshop 1
Workshops
(werden wiederholt; Infos vor Ort)
11:15 Uhr
Ergebnispräsentation Workshop 2
11:30 Uhr
Ergebnispräsentation Workshop 3
Kritische Punkte vor der
Implementierung eines
Dokumentationssystems
(Nicole Mahlke, Hans Ferschl)
11:45 Uhr
Ergebnispräsentation Workshop 4
12:00 Uhr
Ergebnispräsentation Workshop 5
Beläge auf chirurgischen Instrumenten – Rückschlüsse auf
unerwünschte Prozessereignisse
(Stephan Knoefel)
12:15 Uhr
Ergebnispräsentation Workshop 6
12:30 Uhr
Ergebnispräsentation Workshop 7
12:45 Uhr
Ergebnispräsentation Workshop 8
13:00 Uhr
Verabschiedung und
anschließende Verteilung
der Lunchpakete
ca. 13:00 Uhr
Ende des Kongressprogrammes
10:45 Uhr
11:15 Uhr
Workshop 5
Workshop 7
Workshop 8
12:45 Uhr
ca. 17:15 Uhr
Praxisgerechte Anwendung
der EN ISO 17665 zur Validierung
von Sterilisationsverfahren
(Mathias Franke)
Prozessoptimierung in ZSVA
und OP durch EDV-Anbindung
(Corinna Frese-Meier)
Kaffeepause, Besuch der
Industrieausstellung
Workshops
(werden wiederholt; bitte beachten
Sie die Ankündigungen vor Ort)
09:00 Uhr
09:50 Uhr
Workshop 6
15:00 Uhr
Samstag, 4. Oktober 2008
Risikomanagement bei der
Aufbereitung von Medizinprodukten
(Dr.-Ing. Thomas Kießling)
Vorschriften zur Aufbereitung und
deren praktische Umsetzung –
Diskussion mit Experten der
Behörden und Verbände
(Toni Zanette, Anke Carter)
Mittagspause,
Besuch der Industrieausstellung
14:00 Uhr
Ergonomie am Arbeitsplatz ZSVA
(Regula Widmer-Kennel)
14:30 Uhr
Wiederholung der
Workshops 1, 2, 3 und 4
16:00 Uhr
Kaffeepause,
Besuch der Industrieausstellung
16:30 Uhr
Wiederholung der
Workshops 5, 6, 7 und 8
18:00 Uhr
Ende der Workshops,
Besuch der Industrieausstellung
(bis 18:30 Uhr)
ab 19:30 Uhr
Abendveranstaltung
aseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
Ergänzungen oder Änderungen sind
möglich. Weitere Information und
Anmeldung unter www.dgsv-ev.de
Wir bitten Sie, sich so rechtzeitig vor
der Veranstaltung anzumelden, dass auch
Rechnungslegung und Begleichung (Überweisung) der Teilnahmegebühren vor Kongressbeginn möglich sind. Sie erleichtern
uns damit die Organisation erheblich.
21
aseptica
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J
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10:00 – 10:30 Uhr Die Entwicklung der Aufbereitung von Med. Prod.
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10:40 – 11:10 Uhr Infektionsmanagements – was ist relevant
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Referent: Fr. Dr. Ballies Kiel
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11:20 – 11:45 Uhr Pause mit Industrieausstellung
11:45 – 12:15 Uhr Neues zur Inaktivierung von Krankheitserregern
Referent: Thema kommt noch Prof. Mielke
Diskussion
12:25 – 12:45 Uhr Mittagsimbiss mit Industrieausstellung
13:45 – 14:00 Uhr Heiteres und Neues von den Bakterien
Referent: Ralph Schäpers
14:00 – 14:30 Uhr 10 Jahre Steri-Kreis
14:30 – 15:00 Uhr Stand und Entwicklung der Sterilisationsabteilungen
aus Sicht der Überwachungsbehörde
Referent: Jörg von der Weppen
Diskussion
15:10 – 15:45 Uhr Pause mit Industrieausstellung
15:45 – 16:15 Uhr Rechtslage in der Aufbereitung von
Med. Prod. Sie Fragen – ich Antworte
Referent: Hans Werner Röhlig
16:15 – 16:30 Uhr Abschlussdiskussion und Verlosung
92. Hygiene- und »Steri«-Treff
Termin: Dienstag, 04. November 2008, 16:00 Uhr
Tagungsort: »Haus am Glockengarten«
Alteneinrichtung der Stadt Bochum:
Am Dornbusch 2, 44803 Bochum
1. Referat: Sicher überwachte Reinigung von Medizinprodukten«.
Referent: Birgit Früh, Dr. Früh Control GmbH
2. Referat: »Planung und Technik einer ZSVA«.
Referent: Dipl.-Ing. Ulrich Weber, Architekt BDA,
Sterilog Deutschland
3. Referat: »Infektionsmanagement bei Clostridium difficile« –
Diagnostik, Therapie, Hygiene
Referent: Dr. med. Margret Seewald, Berlin, MED QM
Moderation: Bernhard Külpmann, HFK, Hagen
aseptica 14. Jahrgang 2008 - Heft 2
Impressum
14. Jahrgang, 2/08
Wissenschaftlicher Beirat:
D. Bremer, Harderberg
U. Junghannß, Köthen
Th. W. Fengler, Berlin
T. Miorini, Graz
M. Pietsch, Mainz
B. Schmidt-Rades, Gütersloh
E. Schott, Essen
B. Wilbrandt, Berlin
R. Vis, Amsterdam
Herausgeber:
medienfabrik Gütersloh GmbH
Carl-Bertelsmann-Str. 33
33311 Gütersloh
Telefon: 0 52 41/2 34 80-50
Fax: 0 52 41/2 34 80-61
ISDN: 0 52 41/2 34 80-64
E-Mail: info@aseptica.com
Internet: www.aseptica.com
In Zusammenarbeit mit:
Ecolab GmbH & Co OHG
European Headquarters
Postfach 13 04 06
40554 Düsseldorf;
Miele & Cie. KG
Postfach
33325 Gütersloh;
OLYMPUS Deutschland GmbH
Postfach 10 49 08
20034 Hamburg;
ebro Electronic GmbH & Co. KG
Peringerstraße 10
85055 Ingolstadt
CLEANICAL GmbH
Genthiner Str. 11
10785 Berlin
Verantwortlich für den Inhalt:
Reinhild Portmann
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Miele & Cie. KG
Carl-Miele-Straße 29
33332 Gütersloh
Telefon: 0 52 41/89 19 52
Fax: 0 52 41/89 19 50
Redaktion:
Klaus-Peter Becker, Ecolab
Dr. Klaus-Peter Bansemir, Ecolab
Dr. Winfried Michels, Miele
Thomas Brümmer, Olympus
Iven Kruse, ebro
Helmut Pahlke, Cleanical
Realisation, Layout und Druck:
medienfabrik Gütersloh GmbH
Guido Klinker, Sebastian Borgmeier
Auflage: 9.500
Erscheinungsweise:
Viermal jährlich
Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier
Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge können von
der Meinung der Redaktion abweichen. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Haftung übernommen. Die Redaktion behält
sich vor, Leserbriefe zu kürzen.
ISSN 1439-9016
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