Rechtsprechung Jurisprudence
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RECHTSPRECHUNG / JURISPRUDENCE 288 TREX 5/ 04 Rechtsprechung Jurisprudence Sozialversicherungsrecht Assurances sociales Verfassungsrecht Droit constitutionnel Art. 5 Abs. 4 AHVG, Art. 8 Bst. c AHVV: Ausnahme vom massgebenden Lohn Die in Form eines Schmuckstücks im Wert von Fr. 674.– erfolgte Zuwendung an einen austretenden Mitarbeiter stellt massgebenden Lohn dar (Bestätigung der Rechtsprechung BGE 101 v 4 Erw. 2b.). ■ Art. 127 Abs. 3 BV: Regeln gegen die Doppelbesteuerung der Vorsorge Das Bundesgericht gibt den Kantonen vor, wie sie Vorsorge- und Versicherungsleistungen zu besteuern haben, um eine unzulässige Doppelbesteuerung zu vermeiden. Im konkreten Fall hatte der Kanton Aargau auf dem erbsteuerlichen Reinvermögen eines Verstorbenen Erbschaftssteuern erhoben. Darin waren auch die Direktansprüche der Erben aus mehreren Vorsorgeund Risikoversicherungen des Erblassers enthalten. Einen Teil dieser Leistungen erfasste zudem der Kanton Luzern bei einer Erbin mit der Einkommenssteuer. Die II. Öffentlichrechtliche Abteilung kommt in teilweiser Gutheissung ihrer Beschwerde zunächst zum Schluss, dass damit eine unzulässige Doppelbesteuerung vorliegt (Art. 127 Abs. 3 BV). Um solche Kollisionen zu vermeiden, ist laut den Lausanner Richtern eine neue einheitliche Regelung zu schaffen, die sich an der für die Bundesgesetzgebung über die direkten Steuern (Steuerharmonisierungs- und Bundessteuergesetz) getroffenen Regelung zu orientieren hat: Die demnach als Einkommen steuerbaren Leistungen sind im Wohnsitzkanton des Empfängers zu besteuern; sind die Leistungen von der Einkommenssteuer befreit, werden sie dem Kanton des letzten Wohnsitzes des Erblassers zur Besteuerung zugewiesen. Zuletzt hatte sich das Bundesgericht 1973 mit der Frage der Zuteilung von Vorsorge- und Versicherungsleistungen befasst (BGE 99 Ia 232). Seither hätten sich das Verständnis und die Ausgestaltung der Vorsorge geändert. Seit Einführung des BVG könnten Beiträge an die berufliche Vorsorge vom Einkommen abgezogen werden. Die Leistungen seien entsprechend bei der Auszahlung als Einkommen steuerbar. Umgekehrt seien die Einzahlungen an rückkaufsfähige private Kapitalversicherungen (fast) nicht abzugsfähig, die Auszahlung dafür einkommenssteuerfrei. ■ (Bger., 30. 6. 04, {2P.5/2002}, NZZ, 26.7.2004 (Nr. 171), S. 9, Jusletter 26.7.2004) (EVG, 14.4.04, AHI 2004, S. 165) Art. 5 al. 4 LAVS; art. 8 let. c RAVS: Cotisations; Exception du salaire déterminant La donation d’un bijou d’une valeur de 674 francs à un collaborateur partant à la retraite est un élément du salaire déterminant (confirmation de la jurisprudence). ■ (TFA, 14.04.04, VSI 2004, p.165) Art. 30c BVG: Vorbezug zwecks Erwerb von Wohneigentum Nach Eintritt eines Vorsorgefalles zufolge vollständiger Invalidität ist die Gewährung eines Vorbezugs für den Erwerb von Wohneigentum ausgeschlossen, auch wenn die betroffene versicherte Person von ihrer Vorsorgeeinrichtung wegen Überentschädigung (Zusammentreffen mit Leistungen der Invaliden- und der Militärversicherung) keine Leistungen erhält. ■ (BGer., 11.2.04, BGE 130 V 191) Art. 30c LPP: Versement anticipé pour acquérir la propriété d’un logement Après la survenance d’un cas de prévoyance pour cause d’invalidité totale, l’octroi d’un versement anticipé en vue de l’acquisition d’un logement est exclu, même si l’assuré concerné ne perçoit pas de prestations de la part de son institution de prévoyance en raison d’une surindemnisation (concours de prestations entre l’assurance-invalidité et l’assurance militaire). ■ (TF, 11.2.04, ATF 130 V 191) Art. 3 Abs. 2 und Art. 16 Abs. 1 UVG: Taggeldanspruch eines vorzeitig Pensionierten Der vorzeitig pensionierte Versicherte, der während der Nachdeckungsfrist des Art. 3 Abs. 2 UVG einen Unfall erleidet, hat mangels eines Erwerbsausfalls keinen Anspruch auf Taggelder der Unfallversicherung. ■ (EVG, 29.10.03, RKUV 2004, S. 189) RECHTSPRECHUNG / JURISPRUDENCE Art. 3 al. 2 et art. 16 al. 1 LAA: Droit à l’indemnité journalière pour une personne en préretraite Un assuré en préretraite qui subit un accident pendant le délai de l’art. 3 al. 2 LAA durant lequel la couverture d’assurance est maintenue n’a pas droit, faute de perte de gain, à une indemnité journalière de l’assuranceaccidents. ■ (TFA, 29.10.03, RAMA 2004, p. 189) Art. 28, Art. 29 UVG, Art. 39 UVV und Art. 8 BV: Das geschiedene Ehepaar im Konkubinat; «Witwenrente» nur bei Unterhaltspflicht Das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG) hat den Anspruch einer geschiedenen Frau, die seit vielen Jahren mit ihrem Ex-Mann im Konkubinat lebte, auf eine Hinterlassenenrente der Unfallversicherung abgewiesen. Laut dem Urteil kommt eine solche «Witwenrente» nur in Betracht, wenn der verstorbene Konkubinatspartner sich vertraglich zur permanenten Unterstützung des anderen Partners verpflichtet hat. Geschiedene Ehegatten werden beim Unfalltod des ExPartners der Witwe oder dem Witwer gleichgestellt, wenn die verunfallte Person durch ein rechtskräftiges Scheidungsurteil oder aufgrund einer gerichtlich genehmigten Scheidungskonvention zur Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen verpflichtet war (Art. 29 UVG und Art. 39 UVV). Diese Voraussetzung war im beurteilten Fall nicht erfüllt, da die Unterhaltspflicht des Ehemannes auf acht Jahre beschränkt war und das Scheidungsurteil nach Ablauf dieser Zeit nicht abgeändert worden war. Gemäss Rechtsprechung des EVG kann sich indes eine eindeutige rechtliche Verpflichtung zur Alimentenzahlung auch aus einer anderen rechtlichen Bindung als dem Scheidungsurteil oder der Konvention ergeben (vgl. Urteil U 201/00). Im Falle eines Konkubinats steht es den Partnern frei, durch einen privatrechtlichen Vertrag eine verbindliche Unterhaltsverpflichtung zu schaffen. Eine solche Vereinbarung braucht nicht unbedingt schriftlich geschlossen zu werden, sie kann sich vielmehr auch aus dem Verhalten des Konkubinatspaars ergeben. Allerdings muss sich aus diesem so genannten konkludenten Verhalten ein klarer Wille für eine verbindliche Unterhaltspflicht ergeben. Allein aus der Tatsache, dass zwei Menschen zusammenleben, lässt sich ein solcher Wille laut dem neuen Urteil aus Luzern nicht ableiten: «Gegenteils kann die Tatsache, dass ein Paar nicht (wieder) heiraten will, ein Indiz für das Fehlen eines solchen Willens sein.» Auch aus dem Umstand, 289 TREX 5/ 04 RECHTSPRECHUNG / JURISPRUDENCE dass das Konkubinatspaar wie im beurteilten Fall früher einmal verheiratet gewesen war, lässt sich nicht auf einen (konkludent geschlossenen) Alimentenvertrag schliessen: «Dass die geschiedenen Eheleute im Konkubinat lebten und nicht ein zweites Mal heirateten, kann ebenso gut dafür sprechen, dass sie sich gerade nicht mehr rechtlich binden wollten.» ■ Art. 86 al. 1 LAMA: Droit d’adresser un recours Compte tenu de la responsabilité solidaire de l’un des époux pour les dettes de primes de l’autre (ATF 129 V 90 2 ss), le mari a donc qualité pour interjeter recours contre une décision sur opposition concernant la dette de primes de l’épouse, bien qu’il n’en soit pas lui-même le destinataire. ■ Art. 18 Abs. 2 und Art. 27 ff. DBG: Treu und Glauben als Grundlage der Wiedereinbringung von Abschreibungen Wenn auf einer offensichtlich dem Privatvermögen zugehörenden und klar als solches deklarierten Liegenschaft Abschreibungen vorgenommen und von den Steuerbehörden zugelassen worden sind, müssen die zu Unrecht gewährten Abschreibungen gestützt auf das Verfassungsprinzip von Treu und Glauben im Zeitpunkt der Geschäftsaufgabe der Sonderveranlagung nach Art. 47 DBG unterworfen werden. Als Treuhänder wusste der Beschwerdegegner, dass Abschreibungen auf dem Privatvermögen unzulässig sind und nur auf dem Geschäftsvermögen vorgenommen werden können. Dennoch klärte er der Steuerverwaltung gegenüber die Situation nicht auf, wozu er auf Grund seiner Mitwirkungspflichten gehalten gewesen wäre. Die Vermietung eigener Liegenschaften gehört ausgesprochen zur üblichen Verwaltung privaten Vermögens. Bei der Annahme, sie sei Gegenstand eines geschäftlichen Betriebs und somit einer selbstständigen Erwerbstätigkeit, ist grösste Zurückhaltung geboten. Um bilanzierbar zu sein, muss ein Wirtschaftsgut nach Auffassung des Bundesgericht in der vollen rechtlichen Verfügungsgewalt des Geschäftsinhabers stehen. Gesamthandschaftsanteile an die Liegenschaften sind nicht bilanzierbar. ■ (TFA, 10.12.03, RAMA 2004, p. 146) (BGer., 23.1.04, StE 2004, 21.14 Nr.15) (Bger., 14.7.04 {U 104/03}, NZZ, 20.8.2004 (Nr. 193), S. 17, Jusletter, 23.8.2004) Art. 86 Abs. 1 KVG: Beschwerdelegitimation bei Ehegatten Mit Blick auf die solidarische Haftung des einen Ehegatten für ausstehende Prämienschulden des andern (BGE 129 V 90 1 ff.) ist der Ehemann legitimiert, gegen einen die Prämienschuld der Ehefrau betreffenden Einspracheentscheid Beschwerde zu erheben, obwohl er selbst nicht Adressat desselben ist. ■ (EVG, 10.12.03, RKUV 2004, S. 146) 290 TREX 5/ 04 Steuerrecht / Droit fiscal Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 FZGTI: Anspruch auf Familienzulagen für die Kinder des Ehegatten Im Gegensatz zur Regelung, die im kantonalen Gesetz über die Familienzulagen vorgesehen ist, wird der Anspruch auf Familienzulagen für die Kinder des Ehegatten unter bestimmten Bedingungen bejaht. Sind die leiblichen Eltern nicht erwerbstätig und nachweisbar nicht in der Lage, den Unterhalt des Kindes in ausreichendem Masse zu bestreiten, und kommt der neue Ehegatte tatsächlich seiner subsidiären Unterhaltspflicht für die Kinder seines Ehegatten nach oder bestreitet er zumindest in überwiegender Weise ihren Unterhalt, ist die Situation der Patchworkfamilie mit jener einer Familie vergleichbar, die aus den zwei Ehegatten und ihren gemeinsamen Kindern besteht. Sie ist daher nach dem in Art. 8 der Bundesverfassung (BV) festgehaltenen Grundsatz der Rechtsgleichheit gleich zu behandeln. ■ (Versicherungsgericht Kt. TI, 7.4.04, AHI 2004, S. 155) RECHTSPRECHUNG / JURISPRUDENCE Art. 31 Abs. 2 und Art. 514 StG SG: Einkommen aus beweglichem Vermögen (SG), Abgrenzung geldwerte Leistung/angefangene Arbeiten für eigene GmbH Verbucht der Steuerpflichtige in seiner Einzelfirma im Ausfalljahr angefangene Arbeiten zugunsten einer von ihm beherrschten juristischen Person, so hat er den Nachweis über Art und Umfang der angefangenen Arbeiten zu erbringen. Wird dieser Nachweis nicht erbracht, sind die bei der Gesellschaft verbuchten angefangen Arbeiten als ausserordentliche Einkünfte aus der Einzelfirma des Pflichtigen aufzurechnen. ■ (Verwaltungsgericht Kt. SG, 2.12.03, StR 2004, S. 607) Art. 31 al. 2 et art. 314 LI SG: Revenu de la fortune mobilière (SG), Distinction entre une prestation appréciable en argent et des travaux en cours pour la propre Sàrl Lorsque, durant la lacune d’imposition, un contribuable comptabilise dans son entreprise en raison individuelle des travaux en cours pour une personne morale qu’il contrôle, il doit apporter la preuve du genre et du volume de ces travaux. Si cette preuve n’est pas faite, les travaux en cours comptabilisés dans les livres de la société doivent être soumis à l’imposition spéciale en tant que revenus extraordinaires de l’entreprise en raison individuelle. ■ (Tribunal administratif ct. SG, 2.12.03, RF 2004, p. 607) § 6 Abs. 1 Satz 1 StG ZH: Doppelverdienerabzug; geteilte Steuerhoheit Der Doppelverdienerabzug knüpft zwar an die Tatsache der Erzielung von Erwerbseinkünften (in einem bestimmten Mindestmass) durch beide Gatten. Doch hat der Gesetzgeber dessen Höhe nicht mit Blick auf den Umfang dieser Einkünfte festgesetzt, sondern vielmehr unter Berücksichtigung der durch die Doppelerwerbstätigkeit anfallenden erhöhten Lebenshaltungskosten beider Ehegatten, welche ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit insgesamt mindern. Daher beschlägt der Abzug deren gesamtes Einkommen und ist nicht allein ihren Erwerbseinkünften zurechenbar. Er erweist sich infolgedessen als anorganischer, allgemeiner Abzug und ist bei geteilter Steuerhoheit im Sinn der Bestimmung von § 6 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz StG proportional nach Massgabe des jeweils in den beteiligten Staaten steuerbaren Einkommens der Ehegatten zu verlegen. ■ (Verwaltungsgericht Kt. ZH, 3.3.04, StR 2004 S. 528) § 6 al. 1 phrase 1 LIC ZH: Déduction pour double activité des conjoints lors d’un assujettissement partiel La déduction pour double activité des conjoints est liée à la réalisation de revenus d’activité lucrative (pour un montant minimum) par les deux époux. Toutefois, le législateur n’a pas fixé le montant de cette déduction en rapport avec celui des revenus, mais en considération des frais de vie plus élevés lorsque les deux époux exercent une activité lucrative, frais qui diminuent de manière globale leur capacité contributive. C’est pourquoi cette déduction n’est pas liée seulement aux revenus d’activité lucrative, mais concerne le revenu dans sa totalité. Elle se révèle donc en tant que déduction générale anorganique, qui, dans les cas d’assujettissement partiel, doit être répartie, selon la disposition du § 6 al. 1 ZH LI, deuxième partie de la première phrase, en proportion du revenu imposable des deux époux dans les états intéressés. ■ (Tribunal administratif ct. ZH, 3.3.04, RF 2004, p. 528) § 52 Abs. 3 und § 123 Abs. 1 StG ZH: Voraussetzungen der getrennten Veranlagung von Ehegatten Ehegatten in rechtlichen und tatsächlich ungetrennter Ehe sind gemeinsam zu veranlagen. Macht ein Ehegatte geltend, die Ehe sei tatsächlich getrennt, so trägt er hierfür die Beweislast. Als tatsächlich getrennt gilt eine rechtlich bestehende Ehe dann, wenn die Grundlagen einer wirtschaftlichen Einheit im Sinn einer Erwerbsund Verbrauchsgemeinschaft fehlen. Obwohl erwiesen ist, dass die pflichtigen Eheleute den gemeinsamen Haushalt aufgehoben haben und an verschiedenen Orten leben, hat der beweisbelastete Ehemann nicht dargetan, dass die Mittel für den Lebensunterhalt von den Eheleuten nicht mehr gemeinschaftlich verwendet werden. ■ (Verwaltungsgericht Zürich, 10.9.03, StE 2004, B92.3 Nr. 14) 291 TREX 5/ 04 RECHTSPRECHUNG / JURISPRUDENCE Schuldbetreibungs- und Konkursrecht Droit de la poursuite pour dettes et la faillite LP Art. 68a Abs. 1 SckKG: Betreibung von Prämien aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bei einer im a.o. Güterstand der Gütergemeinschaft lebenden Schuldnerin Wird eine im ausserordentlichen Güterstand der Gütergemeinschaft lebende Person für ausstehende Prämien der obligatorischen Krankenpflegeversicherung betrieben, sind der Zahlungsbefehl und alle übrigen Betreibungsurkunden auch dem anderen Ehegatten zuzustellen; diese Doppelzustellung ist unverzüglich nachzuholen, wenn erst im Laufe des betreibungsrechtlichen Verfahrens geltend gemacht wird, dass die schuldnerische Person der Gütergemeinschaft untersteht. Erhebt die schuldnerische Person und/oder deren Ehegatte Rechtsvorschlag, hat der Krankenversicherer (als Rechtsöffnungsinstanz) verfügungsweise, gegebenenfalls im Einspracheentscheid, darauf hinzuweisen, dass es sich bei KVG-Prämienforderungen um Vollschulden gemäss Art. 233 ZGB handelt. Ferner müssen Verfügung und Einspracheentscheid im Dispositiv mit Bestimmtheit auf die hängige(n) Betreibung(en) Bezug nehmen und ausdrücklich den jeweiligen Rechtsvorschlag für aufgehoben erklären. ■ (EVG, 27.11.03, RKUV 2004, S. 129) Art. 68a al. 1 LP: Poursuite des primes de l’assurance obligatoire des soins Si une personne vivant sous le régime extraordinaire de la communauté de biens est poursuivie pour des primes arriérées de l’assurance obligatoire des soins, le commandement de payer et tous les autres actes de poursuite doivent être notifiés également au conjoint. On doit remédier immédiatement à l’omission de cette double notification lorsque ce n’est qu’au cours de la procédure de poursuite que l’on invoque le fait que la personne débitrice est soumise au régime de la communauté de biens. Si la personne débitrice et/ou son conjoint forment opposition, l’assureur-maladie (en tant qu’instance de mainlevée) doit, par voie de décision, le cas échéant, par décision sur opposition, signaler, qu’il s’agit – dans le cas de créances de primes LAMal – de dettes générales, au sens de l’art. 233 CC. En outre, la décision sur opposition doivent se référer avec certitude, dans le dispositif du jugement, à la/les poursuite(s) en cours et prononcer expressément la mainlevée de l’opposition respective. ■ (TFA, 27.11.03, RAMA 2004, p. 129) Art. 80 und Art. 81 SchKG, Art. 1 Abs. 1 und 2 VwVG: Billag ist Bundesbehörde Die Billag AG als schweizerische Inkassostelle für Radio- und Fernsehempfangsgebühren gilt laut Bundesgericht betreibungsrechtlich als Bundesbehörde. Das hat zur Folge, dass das Betreibungsamt auf Verlangen der Billag die Betreibung direkt fortzusetzen hat, nachdem sie den Rechtsvorschlag des säumigen Gebührenzahlers rechtskräftig aufgehoben hat. Dem Schuldner bleibt der Einwand versagt, zum Entscheid nicht richtig vorgeladen worden oder nicht gesetzlich vertreten gewesen zu sein (Art. 79 und Art. 81 SchKG). Laut dem Sitzungsentscheid der Schuldbetreibungsund Konkurskammer ist die Billag ähnlich einer Abteilung der Bundesverwaltung zuständig, für das ganze Gebiet der Schweiz erstinstanzlich zu verfügen. Sie kann dabei auch den Rechtsvorschlag eines Betriebenen beseitigen. Ihre Entscheide können laut Bundesgericht beim Bundesamt für Kommunikation angefochten werden. Letztinstanzlich sei die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht zulässig. Die Billag sei somit vollumfänglich in das Verwaltungsverfahren des Bundes eingebettet und deshalb eine Bundesbehörde. Anders sieht es laut einem früheren Urteil des Bundesgerichts bei den Krankenkassen aus. Zwar dürfen auch sie gestützt auf Bundesrecht vollstreckbare Verfügungen erlassen. Der Rechtsweg von Einsprachen gegen ihre Verfügungen beginnt jedoch im Kanton. Ihre Verfügungen werden deshalb betreibungsrechtlich den kantonalen Entscheiden zugeordnet. Der Betriebene kann in diesem Fall gegen die Fortsetzung der Betreibung einen Einwand im Sinne von Art. 81 SchKG geltend machen, sofern die Kasse ausserhalb des Kantons der Betreibung verfügt hat. ■ (BGer., 29.6.04, {7B.76/2004}, NZZ, 28.7.2004 (Nr. 173), S. 14, Jusletter 2.8.2004) 293 Art. 93 SchKG: Pfändung bei Quellensteuer Einkommenspfändung und Berücksichtigung der laufenden Steuern als für den Schuldner und seine Familie unbedingt notwendige Auslagen. Die Steuerzah- TREX 5/ 04 RECHTSPRECHUNG / JURISPRUDENCE lung bildet keine unbedingt notwendige Auslage. Werden die Steuern dem Arbeitnehmer aber als Quellensteuern vom Lohn abgezogen, hat das Betreibungsamt bei der Berechnung der pfändbaren Quote nur vom Lohn auszugehen, den der Schuldner effektiv erhält. ■ (BGer., 17.11.03, BISchK 2004, S. 85) Lorsqu’un canton ne fixe les conditions minimales que de façon schématique et sans distinction en prévoyant une surface minimale de 800 m2, il faut, lorsqu’on est présence d’une aire boisée d’une surface supérieure à 500 m2, prendre en considération l’ensemble des aspects déterminants du cas, pour savoir s’il s’agit d’une forêt. ■ (TF, 10.10.02, ZBGR 2004, p. 287) Art. 93 LP: Saisie de salarie et les impôts à la source Saisie de salaire et prise en compte des impôts courants dans les dépenses indispensables au débiteur et à sa famille. Le paiement de l’impôt ordinaire n’est pas une dépense indispensable au débiteur ou à sa famille. Les jurisprudences récentes développées dans les cantons de Saint-Gall et de Soleure sont contraires à l’application de l’art. 93 LP. Il en va différemment des impôts prélevés à la source par l’employeur sur les salaires de certains travailleurs: dans ce cas, l’office tient compte du salaire que reçoit réellement le débiteur. ■ (TF, 17.11.03, BISchK 2004, p. 85) § 7 Not-GebV: Grundbuchgebühren für die Eintragung von Dienstbarkeit Die Gebühr für die Eintragung von Dienstbarkeiten wird nach Arbeitsaufwand und Bedeutung des Geschäftes festgesetzt (§ 7 Not-GebV). Das Gebot der Rechtsgleichheit verlangt, dass die Gebühr für die Eintragung einer Dienstbarkeit ohne Gegenleistung vom Grundsatz her nicht völlig anders ausfallen darf, als wenn eine Gegenleistung vereinbart worden wäre. ■ (Finanzdirektion Kt. ZH, 1.7.03, ZBGR 2004, S. 243) Verwaltungsrecht Droit administratif Art. 2 WaG, Art. 1 WaV: Waldfeststellung Wald im Rechtssinn liegt vor, wenn eine Fläche mit Waldbäumen und Waldsträuchern in einer Art bestockt ist, dass sich ein Waldboden, ein Waldsaum und ein Waldinnenklima ausbilden und die Bestockung Waldfunktionen (Nutz-, Schutz- und Wohlfahrtsfunktion) erfüllen kann. Legt ein Kanton die Mindestvoraussetzungen nur schematisch und undifferenziert mit einer Mindestfläche von 800 m2 fest, so ist bei allen Bestockungen mit einer Fläche von mehr als 500 m2 in Würdigung aller massgeblichen Aspekte des Einzelfalls zu prüfen, ob Wald vorliegt. ■ (BGer., 10.10.02, ZGBR 2004, S. 287) 294 TREX 5/ 04 Art. 2 Lfo, art. 1 Ofo: Constatation de l’existence d’une forêt On est en présence d’une forêt, au sens juridique du terme, lors qu’une surface couverte d’arbres ou d’arbustes forestiers forme un sol boisé, une lisière et un climat intérieur et que le boisement remplit les fonctions forestières (fonctions d’utilisation, de protection et de bien-être). § 7 NotGebV: Emoluments perçu par le registre foncier pour l’inscription des servitudes L’émolument perçu pour l’inscription des servitudes doit être fixé en fonction du travail que cette inscription implique et de l’importance de l’affaire (§ 7 NotGebV). Au vu du principe d’égalité, l’émolument perçu pour l’inscription d’une façon totalement différente que si elle avait été convenue à titre onéreux. ■ (Direction des finance ct. ZH, 1.7.03, ZBGR 2004, p. 243) Zivilrecht / Droit civil Art. 122 Abs. 1, Art. 141 Abs. 1 und Art. 142 ZGB; Art. 64 IPRG: Versorgungsausgleich bei ausländischem Scheidungsurteil; Verfahren Wird in einem deutschen Scheidungsurteil nicht über den Versorgungsausgleich entschieden, so kann nicht direkt das schweizerische Versicherungsgericht die Berechnung und Teilung der Austrittsleistung vornehmen; vor einer allfälligen Überweisung zu diesem Zweck hat der zuständige schweizerische Zivilrechter das Scheidungsurteil bezüglich der vorsorgerechtlichen Folgen zu ergänzen. ■ (Obergericht Kt. SH, 12.12.03, SJZ 2004, S. 423) RECHTSPRECHUNG / JURISPRUDENCE Art. 122 al. 1, art. 141 al. 1 et art. 142 CC; art. 64 LDIP: Partage de la prévoyance en cas de jugement de divorce étranger; procédure Si un jugement de divorce allemand n’a pas tranché le partage de la prévoyance, c.-à-d. au moins la question de la proportion dans laquelle les prestations de sortie doivent être partagées, le tribunal des assurances suisse ne peut alors pas procéder directement au calcul et au partage des prestations de sortie. Pour y parvenir, le juge civil suisse compétent doit au préalable compléter le jugement de divorce sur la question des conséquences juridiques de la prévoyance. ■ (Tribunal cantonal ct. SH, 12.12.03, SJZ 2004, p.423) Art. 166 Abs. 3 ZBG: Solidarische Haftung Die solidarische Haftung des Ehemannes gemäss Art. 166 Abs. 3 ZBG für die Zahlung der Krankenkassenprämien der Ehefrau ist für die Zeit nach der tatsächlichen Trennung zu verneinen. ■ (EVG, 16.12.03, RKUV 2004, S. 149) Art. 166 al. 3 CC: Responsabilité solidaire Refus de la responsabilité solidaire du mari au sens de l’art. 166 al. 3 CC pour le paiement des primes d’assurance-maladie dues par l’épouse après la séparation de fait. ■ (TFA, 16.12.03, RAMA 2004, p. 149) Art. 736 ZGB: Privates Wegrecht trotz Strassenerschliessung Wird ein über ein privates Wegrecht zugängliches Grundstück zusätzlich durch eine neue öffentliche Strasse erschlossen, kann der Eigentümer der belasteten Parzelle nicht ohne weiteres die Löschung des Wegrechts durchsetzen. Das ergibt sich aus einem Urteil des Bundesgerichts, wonach eine Löschung nur in Frage kommt, wenn die Berechtigten jedes vernünftige Interesse am vereinbarten Wegrecht verloren haben. Hat ein Wegrecht oder eine andere Dienstbarkeit für das berechtigte Grundstück alles Interesse verloren, kann die Löschung verlangt werden (Art. 736 ZGB). In der Rechtslehre wird die Auffassung vertreten, ein Wegrecht sei zwecklos geworden und für den berechtigten Eigentümer nicht mehr von Interesse, sobald der bisher mit dem Wegrecht erfüllte Zweck durch eine öffentliche Strasse gewährleistet wird. Dies trifft indes aus Sicht des Bundesgerichts vorbehaltlos nur zu, «wenn die öffentliche Strasse entsprechend dem privaten Wegrecht gebaut wird, wie es im Dienstbarkeitsvertrag umschrieben und in den dazugehörigen Plänen eingezeichnet ist». Nur dann kann ohne weiteres gesagt werden, die öffentliche Strasse erfülle den Zweck, den bisher das Wegrecht gewährleistet hat. Nimmt die öffentliche Strasse dagegen beispielsweise einen anderen Verlauf als das Wegrecht oder weist sie eine andere Breite auf, ist im Einzelfall zu prüfen, ob 295 TREX 5/ 04 RECHTSPRECHUNG / JURISPRUDENCE die öffentliche Strasse den mit dem Wegrecht gewährleisteten Zweck vollumfänglich erfüllt oder ob die bisherige Wegverbindung nicht vorteilhafter ist. Einzig wenn das Wegrecht den Charakter eines Notwegrechts hat, «verlöre das vertraglich vereinbarte Wegrecht seine Existenzberechtigung, sobald die Notlage für das herrschende Grundstück durch den Anschluss an das öffentliche Wegnetz behoben ist». Entscheidend ist damit laut dem Urteil der II. Zivilabteilung nicht der Umstand allein, dass ein Grundstück an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen wird, sondern vielmehr ob die Wegberechtigten deswegen ein vernünftiges Interesse am konkret vereinbarten Durchgangsrecht verloren haben. Im beurteilten Fall wird aus mehreren Gründen ein verbleibendes Interesse am Wegrecht bejaht und damit ein Anspruch auf Löschung verneint. Als Nachteil gegenüber dem bisherigen Wegrecht wird unter anderem gewertet, dass der Zugang über die öffentliche Strasse nicht eben und zudem ohne Trottoir verläuft. Zudem ist der Ortsbus zu Fuss über das Wegrecht schneller erreichbar als über die neue Strasse. ■ (BGer., 23.6.04, {Urteil 5C.265/2003}, NZZ, 1.9.2004 (Nr. 203), S. 16, Jusletter 6.9.2004) Art. 764 – Art. 767 ZBG, Art. 98 Abs. 1 OR: Ersatzvornahme von dem Nutzniesser obliegenden Massnahmen Trifft der Nutzniesser während der Dauer der Nutzniessung die ihm gemäss Art. 764–767 ZGB obliegenden Massnahmen nicht, kann der Eigentümer ihn in Verzug setzen, seine Pflichten zu erfüllen, namentlich in Bezug auf den gewöhnlichen Unterhalt im Sinne von Art. 764 Abs. 1 ZGB, und vom Gericht in Anwendung von Art. 98 Abs. 1 OR die Ermächtigung verlangen, die nötigen Arbeiten durch einen Dritten auf Kosten des Nutzniessers ausführen zu lassen. ■ (BGer., 5.2.04, BGE 130 III 302) 296 TREX 5/ 04 Art. 764 – Art. 767 CC, art. 98 al. 1 CO: Exécution par substitution des mesures incombant à l’usufruitier Si, pendant la durée de l’usufruit, l’usufruitier ne prend pas les mesures lui incombant en vertu des art. 764 à 767 CC, le nu-propriétaire peut le mettre en demeure d’exécuter ses obligations, notamment en ce qui concerne l’entretien ordinaire au sens de l’art. 764 al. 1 CC, et solliciter l’autorisation du juge, en application de l’art. 98 al. 1 CC, de faire exécuter les travaux nécessaires par un tiers aux frais de l’usufruitier. ■ (TF, 5.2.04, ATF 130 III 302) Obligationenrecht Droit des obligations Art. 18 Abs. 2 OR: Ein Konsumkredit bleibt ein Konsumkredit, selbst wenn er als «Automietvertrag» getarnt wird Wenn die Konsumentin, um sich Geld zu beschaffen, ihr Auto einer Garage verkauft und dann sofort wieder mietet, müssen die Vorschriften des Konsumkreditgesetzes beachtet werden. Die Gesellschaft, welche das Geschäft finanziert, kann sich nicht darauf berufen, sie habe mit der Konsumentin einen reinen Automietvertrag abgeschlossen. Dies geht aus einem neuen Bundesgerichtsentscheid hervor. Daneben gibt der Entscheid Einblick in fragwürdige Geschäftspraktiken, wie sie von Aussenseitern der Leasingbranche gepflegt werden. Weil sie Geld brauchte, verkaufte Frau A am 28. Mai 1998 ihr vierjähriges Auto für 21 800 Franken der Z. AG, um es gleich wieder von ihr zurückzumieten. Die vorgesehene Mietdauer betrug 60 Monate. Die Z. AG trat sämtliche Rechte aus dem Vertrag an die Genossenschaft X ab, welche das Geschäft finanzierte. Frau A sollte der Genossenschaft X jeden Monat 541 Franken «Miete» bezahlen. Frau A bekam nur einen Bruchteil des Kaufpreises zu sehen. Die Z AG zog folgende Beträge vom Kaufpreis ab: Mehrwertsteuer CHF 1417.00 Kaution: 2180.00, davon 1000.00 bereits erhalten CHF 1180.00 Sicherheitsleistung CHF 6713.00 1. Miete CHF 541.00 Bearbeitungsgebühr CHF 2180.00 Einlösungsgebühren CHF 169.00 Frau A erhielt vom Kaufpreis von 21 800 Franken 9600 Franken ausbezahlt. Die «Sicherheitsleistung» von 6713 Franken sollte sie erst nach 12 Monaten bekommen, und nur, sofern sie bis dahin den Mietvertrag einwandfrei erfüllt haben würde. Auf Anfrage erklärte die Genossenschaft X Frau A, sie wisse nichts von diesen Abzügen. In ihrem Vertragsformular sei einzig die 1. Miete von 541 Franken vermerkt. Frau A bezahlte eine zweite Miete, stellte sich dann aber auf den Standpunkt, der Vertrag verstosse gegen das Abzahlungsvertragsrecht und sei daher nichtig. Die Genossenschaft X klagte Frau A ein und verlangte die Herausgabe des Fahrzeugs und die Bezahlung von 13 525 Franken. Sie behauptete, sie habe mit Frau A einen reinen Mietvertrag abgeschlossen. Vom Kredit- RECHTSPRECHUNG / JURISPRUDENCE geschäft habe sie nichts gewusst; es gehe sie nichts an. Das Bundesgericht hat nun in letzter Instanz die Berufung der Genossenschaft X abgewiesen. Ob diese von den Machenschaften der Z AG wusste, spielte keine Rolle. Denn: Der Genossenschaft X war bekannt, dass Frau A ihr eigenes Fahrzeug der Z AG verkauft und gleich wieder gemietet hatte, um zu Geld zu kommen. Sie wusste, dass es dabei nicht einfach um einen gewöhnlichen Mietvertrag ging, sondern um jene Art von Kreditgeschäft, welches im Geschäftsleben als «sale and lease back» bekannt ist. Bei diesem Kreditgeschäft hätten die Formvorschriften des Konsumkreditgesetzes eingehalten werden müssen (es galt das inzwischen aufgehobene Konsumkreditgesetz aus dem Jahr 1994). Nachdem die Formvorschriften missachtet worden sind, ist das gesamte Geschäft nichtig. Mit andern Worten: Das Auto gehört nach wie vor Frau A. Und die Genossenschaft X geht leer aus. ■ (BGer. 15.7.04, http://www.schuldenhotline.ch/index.php) Art. 51, Art. 371 Abs. 2 und Art. 377 OR: Werkvertrag; Verjährung, Verwirkung, unechte Solidarität Die Rechte bei Mängeln, welche nicht vor Ablauf der Verjährungsfrist von Art. 371 Abs. 2 OR angezeigt wurden, sind verwirkt. Dies a quo dieser Frist im Fall der vorzeitigen Auflösung des Vertrags im Sinne von Art. 377 OR. Es ist unwesentlich, dass der Bauherr erst nach Ablauf der Verjährungsfrist vom Vorliegen des Mangels erfahren hat. Wenn die mangelhafte Ausführung eines Werks mehreren Personen zuzuschreiben ist, haften diese für den Schaden gegenüber dem Bauherrn grundsätzlich als unechte Solidarschuldner. Wenn jedoch eine dieser 298 TREX 5/ 04 Personen einen Mangel mit verursacht hat, von dem der Bauherr erst nach Ablauf der Frist von Art. 371. Abs. 2 OR erfährt, kann gegen sie ein Rückgriff nicht geltend gemacht werden, unbesehen darum, ob ihn der Haftpflichtige selbst oder seine Haftpflichtversicherung geltend macht. ■ (BGer., 23.2.04, BGE 130 III 362) Art. 51, art. 371 al. 2, art. 377 CO: Contra d’entreprise; prescription, péremption, solidarité imparfaite Les droits de garantie pour les défauts qui n’ont pas été signalés avant l’échéance du délai de prescription de l’art. 371 al. 2 CO sont périmés. Dies a quo de ce délai en cas de résiliation anticipée du contrat au sens de l’art. 377 CO. Il importe peu que le maître de l’ouvrage n’ait appris l’existence du défaut que passé le délai de prescription. Lorsque l’exécution défectueuse d’une construction est imputable à plusieurs personnes, celles-ci répondent en principe du dommage envers le maître en vertu des règles de la solidarité imparfaite. Toutefois, si l’une de ces personnes est à l’origine d’un défaut dont le maître n’a connaissance qu’une fois le délai de l’art. 371 al. 2 CO arrivé à expiration, elle ne peut alors faire l’objet d’une action récursoire, que celle-ci émane du responsable lui-même ou de son assurance responsabilité civile. ■ (TF, 23.2.04, ATF 130 III 362) Art. 259d OR: Mietzinsherabsetzung bei ästhetischem Mangel Auch eine rein ästhetische Beeinträchtigung gilt als Mangel, wenn sie während längerer Zeit nicht beho- RECHTSPRECHUNG / JURISPRUDENCE ben wird. Ein zerrissener Teppich im Eingangsbereich eines Mehrfamilienhauses berechtigt zu einer Mietzinsherabsetzung um 2%, wenn der Teppich während 5 Jahren nicht ersetzt wird. ■ (BGer., 28.10.03, mp 2004, S. 95) Art. 271a Abs. 1 lit. e Ziff. 4 und Abs. 2OR: Kündigungsschutz nur nach Streit Kann der Mieter durch Schriftstücke nachweisen, dass er sich mit seinem Vermieter ausserhalb eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens über eine Forderung aus dem Mietverhältnis geeinigt hat, gilt eine dreijährige Kündigungssperrfrist (Art. 271 a Abs. 2 OR), die den Mieter vor Rachekündigungen schützen soll. Ausgelöst wird die Sperrfrist gemäss dem einstimmig gefällten Entscheid der I. Zivilabteilung des Bundesgerichts jedoch nur dann, wenn zwischen den Parteien vor der Einigung tatsächlich Differenzen bestanden haben. Nicht erfasst werden laut Bundesgericht dagegen Fälle, in denen es gar nicht erst zu einer Auseinandersetzung kommt, weil die eine Partei sofort den Forderungen der anderen entspricht. Würden die Anliegen des Mieters durch die erste Reaktion des Vermieters bereits hinreichend berücksichtigt, könne von der Beilegung eines Streits nicht die Rede sein. Diese bundesgerichtliche Praxis ist zwar nicht neu, wird nun aber erstmals in einem Entscheid bestätigt, der zur BGEPublikation vorgesehen ist. Im zu beurteilenden Fall hat das Bundesgericht die Berufung eines Garagisten aus dem Kanton Zürich abgewiesen. Er hatte gegenüber der Vermieterschaft eine Entschädigung wegen Umbauarbeiten geltend gemacht und erhalten. Rund eineinhalb Jahre danach wurde ihm gekündigt. Die Schlichtungsstelle erklärte die Kündigung zunächst für ungültig. Das Bezirksgericht Zürich und anschliessend das Obergericht gaben demgegenüber dem Vermieter Recht. Laut den Lausanner Richtern wurde verbindlich festgestellt, dass die Ansprüche des Mieters grundsätzlich nicht umstritten gewesen seien. Im Umstand, dass die Vermieterschaft eine genaue Zusammenstellung der gemachten Beeinträchtigungen verlangt habe, könne nicht ein «Ringen um den angemessenen Betrag» erblickt werden. ■ (Bger., 18. 6. 2004, {4C.122/2004}, NZZ, 27.7.2004 (Nr. 172), S. 13, Jusletter 2.8.2004) Art. 272 und Art. 272b Abs. 1 OR: Dauer der Erstreckung, Zweiterstreckung Besteht auf Seiten des Vermieters kein dringender Eigenbedarf, so ist für ein Coiffeurgeschäft, dessen Inhaber sich dem Pensionsalter nähert, eine Erstreckung des Mietverhältnisses um 4 Jahre angemessen. Sind die Chancen des Mieters ungewiss, ob er innert der Erstreckungsfrist ein Ersatzobjekt findet, ist die Möglichkeit einer Zweiterstreckung einzuräumen. ■ (Cour de justice Genf, 7.10.02, mp 2004, S. 117) 299 TREX 5/ 04 RECHTSPRECHUNG / JURISPRUDENCE Art. 272 und 272b Abs. 1 OR: Dauer der Erstreckung, Zweiterstreckung Ein seit zwanzig Jahren bestehendes Mietverhältnis über ein Restaurant, das wegen nicht dringender Umbauarbeiten gekündigt wird, ist um drei Jahre zu erstrecken, auch wenn die Suchbemühungen des Mieters ungenügend sind. Sind die Chancen des Mieters ungewiss, ob er innert der Erstreckungsfrist ein Ersatzobjekt findet, ist zudem die Möglichkeit einer Zweiterstreckung einzuräumen. ■ (Cour de Justice Genf, 10.12.01, mp 2004, S. 114) Art. 328 OR, Art. 6 Arbeitsgesetz, Art. 6 EMRK: GPS-Überwachung des Fahrzeugparks; heikle arbeitsrechtliche Abwägungen Die satellitenunterstützte geografische Überwachung der Fahrzeugflotte eines Unternehmens, das die Wartung von Feuerlöschern gewährleistet, kann laut einem neuen Urteil des Bundesgerichts zulässig sein. Voraussetzung ist, dass es sich lediglich um eine indirekte und partielle GPS-Überwachung handelt, indem dem Arbeitgeber am Abend Ort und Dauer des Aufenthalts der Fahrzeuge gemeldet werden. Das erlaubt dem Unternehmen, die Tätigkeit des Servicepersonals bei den verschiedenen Kunden zu kontrollieren und Missbräuche zu verhindern. Eine derartige GPS-Überwachung liegt gemäss dem einstimmig gefällten Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung nicht nur im legitimen Interesse des Arbeitgebers, sondern auch im allgemeinen Interesse daran, dass Feuerlöscher gemäss den gesetzlichen Vorschriften gewartet und repariert werden. Im Übrigen unterscheidet sich eine solche Überwachung nicht wesentlich von einer Arbeitszeitkontrolle mit Stempeluhr. Nicht zulässig wäre dagegen aus Sicht des Bundesgerichts eine lückenlose und permanente GPS-Überwachung in Echtzeit. Wie es sich damit im konkret beurteilten Fall eines Genfer Unternehmens verhält, haben die kantonalen Behörden jetzt anhand der Vorgaben aus Lausanne zu prüfen. ■ (BGer., 13.7.2004, {2A.118/2003}, NZZ, 23.8.2004 (Nr. 195), S. 9, Jusletter, 23.8.2004) 300 TREX 5/ 04 Art. 336 OR: Aussprache vor der Entlassung? Gesetz verlangt nur nachträgliche Begründung Ein Arbeitsvertrag kann gekündigt werden, ohne dass der Kündigende die Gegenseite vorgängig anhört. Das geht aus einem neuen Urteil des Bundesgerichts her- vor. Danach mag es unanständig sein, wenn ein Arbeitgeber einem Angestellten kündigt, ohne zunächst mit ihm zu reden. Das Vorgehen ist indes nicht rechtswidrig, weshalb eine solche Kündigung auch nicht als missbräuchlich gewertet werden kann. Missbräuchlich ist eine Kündigung grundsätzlich nur, wenn sie aus bestimmten unzulässigen Gründen ausgesprochen wird, die im Gesetz umschrieben sind (Art. 336 OR). Die Aufzählung ist laut dem einstimmig gefällten Urteil der I. Zivilabteilung nicht abschliessend. Vielmehr wird damit das allgemeine Verbot des Rechtsmissbrauchs konkretisiert, und das Bundesgericht hat denn auch schon mehrfach andere Umstände einer Kündigung als (rechts)missbräuchlich anerkannt (vgl. BGE 125 III 70 E. 2a). Dabei gilt es im Auge zu behalten, dass nicht nur die Gründe für eine Kündigung missbräuchlich sein können, sondern auch die Art und Weise, wie die Kündigung erfolgt. Denn selbst wenn eine Vertragspartei «die Kündigung rechtmässig erklärt, muss sie das Gebot schonender Rechtsausübung beachten». Wird etwa die Persönlichkeit des Betroffenen schwer verletzt im Zusammenhang mit einer sonst rechtmässigen Kündigung, kann diese deswegen missbräuchlich sein. Anderseits genügt dafür ein bloss unanständiges oder unwürdiges Verhalten nicht, denn «es ist nicht Aufgabe der Rechtsordnung, bloss unanständiges Verhalten zu sanktionieren». Zu beurteilen war in Lausanne die Entlassung eines Filialleiters, der für den Verkauf von Videos, DVD und Computerspielen zuständig war. Der Arbeitgeber verdächtigte ihn des Diebstahls und der Veruntreuung und erstattete Strafanzeige. Das Strafverfahren wurde schliesslich mangels hinreichender Beweise eingestellt, doch kündigte der Arbeitgeber dem Filialleiter unter Einhaltung der Kündigungsfrist. Der Betroffene erachtete seine Entlassung unter anderem deshalb als missbräuchlich, weil der Arbeitgeber nicht vorgängig mit ihm das Gespräch aufgenommen hatte. Wie zuvor schon die Basler Justiz hat nun auch das Bundesgericht jeden Missbrauch verneint. Der Verdacht auf Vermögensdelikte durfte dem Angestellten schon mit Rücksicht auf die polizeilichen Ermittlungen nicht umgehend mitgeteilt werden. Dass auch kein Gespräch stattfand, bevor die Kündigung ausgesprochen wurde, ist laut dem Urteil aus Lausanne wenig verständlich, doch sieht das schweizerische Arbeitsvertragsrecht eine Anhörungspflicht vor der Kündigung nicht vor: «Wohl besteht ein Anspruch auf Begründung einer Kündigung (Art. 335 Abs. 2 Obligationenrecht). Diese muss aber erst im Nachhinein erfolgen. Wäre eine vorhergehende Anhörung zwingend, müssten sinnvollerweise bereits bei einer solchen auch die RECHTSPRECHUNG / JURISPRUDENCE Kündigungsgründe offen gelegt werden. So weit wollte der Gesetzgeber indessen nicht gehen.» Diesen gesetzgeberischen Entscheid will das Bundesgericht respektieren und daher davon absehen, auf dem Umweg über das Verbot des Rechtsmissbrauchs einen rechtlichen Anspruch auf Anhörung vor der Kündigung einzuführen. ■ (BGer., 5. 8. 04, { 4C.174/2004}, NZZ, 11./12.9. 2004 (Nr. 212), S. 17) Art. 337 OR: Eigenmächtiger Ferienbezug, zulässige fristlose Entlassung Das Bundesgericht hat die fristlose Entlassung eines Arbeitnehmers bestätigt, der zwischen Weihnacht und Neujahr der Arbeit ferngeblieben war, obwohl der Arbeitgeber sein Feriengesuch mit Hinweis auf eine für den ganzen Betriebsbereich erlassene Feriensperre während der Festtagszeit abgewiesen hatte. Zudem war dem Mitarbeiter die fristlose Entlassung ausdrücklich angedroht worden. 302 TREX 5/ 04 Im Urteil wird in Erinnerung gerufen, dass der eigenmächtige Bezug von Ferien, die der Arbeitgeber nicht gewährt hat, grundsätzlich als wichtiger Grund gilt, der eine fristlose Entlassung zu rechtfertigen vermag (Art. 337 OR; vgl. BGE 108 II 301 E. 3b). Im beurteilten Fall hätte der Arbeitnehmer seine Ferienwünsche für das fragliche Jahr bereits im März anmelden und dabei ein Formular verwenden müssen, auf dem die Feriensperre für die Zeit vom 23.12. bis zum 5.1. fett und gross aufgedruckt war. Als er im November genau für diesen Zeitraum ein Gesuch um Ferien einreichte, wurde er umgehend mündlich auf die Feriensperre hingewiesen. Danach wurde der Arbeitnehmer mehrmals schriftlich darauf aufmerksam gemacht, dass die Ferien nicht bewilligt werden können. Und schliesslich drohte ihm die Geschäftsleitung die fristlose Entlassung für den Fall an, dass er der Arbeit trotzdem fernbleiben sollte. Unter diesen Umständen sind die Richter zu Recht davon ausgegangen, dass eine Entlassung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist zulässig war. ■ (BGer., 22.7.04, NZZ, 4./5.9.2004 (Nr. 206), S. 14, Jusletter 6.9.2004)