40Seiten SPECIAL Männer, Mode, Stil

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40Seiten SPECIAL Männer, Mode, Stil
40 Seiten SPECIAL Männer, Mode, Stil
mann
shooting stars
Uhren
Coole Modelle von
Chrono-rebellen
Porsche 911
Wie man das
perfekte Auto noch
besser macht
Mode für
gentlemen
Diese Saison wird
klassisch-britisch
Oktober 2015
TRAIL TO BALANCE
SOUTH KOREA
F otos: Ole Westermann, Katja Hoffmann für FOCUS-Magazin, Louise Desrosiers, Benjamin Zibner & Aboycalled7daysisaweekend
Titel: Benjamin Zibner & Aboycalled7daysisaweekend für FOCUS-Magazin
(12)
Die Blogger
von Dandy
Diary machen
Mode für
echte Männer.
Achtung, die
Frisuren
stehen nicht
jedem
(16)
Lust auf Moos
au Chocolat?
Ab ins „Dóttir“,
dem neuen
Berliner TrendRestaurant!
(4)
Frederick Lau zeigt
Anziehsachen und
sinniert über das
Star-Sein
(4) Ganz großes deutsches Kino
Schauspieler Frederick Lau will
nicht nett sein und wünscht sich
mehr Mut von Filmemachern.
Wie das geht, hat er mit „Victoria“
gezeigt. In FOCUS „mann!“ präsentiert
er Herbst- und Wintermode
(12) Im Zweifel radikal
Die Fashion-Szene ist schwer zu
beeindrucken. Die Blogger von Dandy
Diary haben es trotzdem geschafft
(16) Kunst aus der Küche
Victoria Eliasdóttir ist der neue Star der
Berliner Genießerszene. Im lässigen
„Dóttir“ serviert die Schwester von Künstler Ólafur Elíasson Feinstes aus Island
(18) Schön, schöner, Porsche
Der 911 ist formvollendet.
Autodesigner Michael Mauer hat
ihn noch attraktiver gemacht
(22) Dufter Typ
Der deutsche Parfümeur Geza Schön
reduziert Gerüche auf das Wesentliche.
Mit seinen Kreationen lässt sich
sogar die eigene Attraktivität steigern
Focus 40/2015
(36)
Mexiko:
In Tulum baden
Szenegänger
neben
Maya-Ruinen
(24) Duftstars und Wundercremes
Produkte für gestresste Winter-Männerhaut
und Düfte für jeden Typ und jeden Anlass
(26) Business-Schuhe für
Langstreckenläufer
Matthias Weber hat einen Schuh erfunden,
der aussieht wie ein Budapester, aber so
bequem ist wie Sneakers
(28) Der Gentleman ist zurück
Dezent, edel, hochwertig: In diesem ModeHerbst wird die klassische Herrenschneiderkunst wiederentdeckt. Die wichtigsten
Trends vom weißen Hemd bis zum geradegeschnittenen Mantel
(34) Die Uhren-Revolutionäre
Die ticken richtig: Wie ein paar junge Wilde
mit wirtschaftlichem Wagemut und
technisch anspruchsvollen Produkten eine
hart umkämpfte Branche erobern
(36) Das Paradies liegt in Mexiko
Wollen Sie mal Gaultier in Badehose sehen?
Die einstige Maya-Stadt Tulum auf der
Halbinsel Yucatan hat sich zum StrandHotspot der internationalen Modeszene
entwickelt. Ist ja auch zu schön hier!
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3
Inszenierung
Auf der Durchreise?
Nein, Lau ist Berliner und
wird es immer bleiben.
Hier schaut er durch ein
Fenster der Event-Location
„Arena“ in AltTreptow auf die Spree.
In FOCUS Mann! zeigt Lau
seine Stadt – und die neue
Herbst- und Wintermode.
Mantel: Emporio Armani,
Hose: Pierre Cardin,
Hut: Hackett London,
Tasche: Miro Krämer,
Boots: Santoni
Fotos: Benjamin Zibner &
Aboycalled7daysisaweekend
4
Er will gewinnen
Neues deutsches Kino: krass, anders und auch noch erfolgreich?
Das war lange undenkbar. Bis sich Frederick Lau diesen
Sommer im Höllentrip „Victoria“ durch die Berliner Nacht ballerte.
Ein Gespräch über Stars, Wettkämpfe und Anziehsachen
Friedrichshain, KarlMarx-Allee,
Blick auf
den Alexanderplatz.
Hemd, Jacke,
Schuhe: Prada,
Hose: Hermès
Focus 40/2015
7
Ich dachte, Sie waren als Zehnjähriger bei einem Casting?
Ich wollte da hin, meine Eltern
fanden es aber komisch, dass
wir vorher Fotos schicken sollten. Ich bin mit meinem Vater
trotzdem zu diesem Termin, wir
sind aber nicht hochgegangen
zum Vorsprechen. Und als mein
Vater mir den Hinterhof zeigen
wollte, stand da rauchend ein
Mann vom Casting-Team und
sprach mich an. Ich habe die Rolle bekommen in der Kinderserie
„Achterbahn“. Talent brauchst
du natürlich auch. Und es ist
wichtig, dass man sich traut, vor
der Kamera zu agieren. Man darf
keine Angst haben. Dazu gehört
Disziplin. Mir geht es vor allem
darum, dass ich den Leuten was
Gutes tun möchte. Ich möchte
sie nicht enttäuschen.
1
B
„Held
sein ist
langweilig“
Kreuzberg,
„Bruegge
Bar“,
Kottbusser
Straße.
1 Jacke: Calvin
Klein, Hemd:
Versace, Uhr:
Georg Jensen,
Fächer: Chiara
Dordea
„Ankerklause“,
Kottbusser
Damm.
2 Jacke und
Rolli: Bally,
Hose: Hermès,
Brille: Italia
Independent
8
erlin-Mitte, Rosenthaler
Straße. Touristen, tätowierte Bartträger, Baustellen. Taxi: Auftritt Frederick
Lau. Das Hemd leicht zerknittert, auch die Stirn, die er wie
kein anderer 26-Jähriger in
Falten legen kann. Das gibt ihm
dieses Getriebene, als suche er
ständig nach etwas von der Größe: Sinn des Lebens. Dabei hat
er persönlich schon viel davon
gefunden: erfolgreicher Schauspieler, verheiratet mit Moderatorin Annika Kipp, eine Tochter.
Und seit „Victoria“ ist er das
Gesicht des jungen deutschen
Kinos.
Sehr schmeichelhaft. Aber ich
glaube nicht, dass Brando das
so toll gefunden hätte. Der war
ja wirklich ein Star, obwohl ich
mich, glaube ich, gut mit ihm
unterhalten hätte. Mit Madonna
würde ich mich nicht mal unterhalten wollen. Dieser Begriff Star
hat für mich schon was Unangenehmes.
Herr Lau, sind Sie ein Star?
Im Stil von Bruce Willis oder
Mark Wahlberg: gern. Seinen
Football-Film „Unbesiegbar“
fand ich cool. Aber das funktioniert nur bei Sportfilmen, wenn
der Held für etwas steht. Held
sein an sich ist langweilig.
Nee. Das hat der Taxifahrer
auch gerade zu mir gesagt. Der
hat sich gefreut, dass er jetzt
einen Star fährt, und wollte das
seiner Freundin erzählen. Schöne Grüße, habe ich gesagt, aber
sag ihr nicht, dass ich ein Star
bin. Das finde ich albern, das
klingt nach ganz weit oben, und
ich sehe mich gar nicht so weit
oben.
Aber Sie werden im Taxi erkannt.
Das heißt nicht, dass ich weit
weg bin. Ich sitz ja daneben.
Stars sind für mich Frauen, die
unerreichbar sind. Madonna
oder Whitney Houston.
Kritiker vergleichen Sie mit
dem jungen Marlon Brando.
Werden Sie oft auf der
Straße angesprochen?
Meist nachts, weil die Leute
sich dann trauen. Mein Vorteil
ist, dass ich so oft den Antihelden gespielt habe. Das hat mir
den nötigen Respekt verschafft.
Hätten Sie Lust, mal einen
echten Helden zu spielen?
Sie haben für den Berlin-Thriller
„Victoria“ den Deutschen Filmpreis
als bester Hauptdarsteller gewonnen, den Bayerischen Fernsehpreis
gab es auch schon, einen GrimmePreis, den Deutschen Comedypreis.
Sie sind sehr jung sehr erfolgreich.
Talent, Glück, oder hat man auch als
Schauspieler einen Karriereplan?
Einen Plan habe ich sowieso
nie gehabt. Glück spielt eine
große Rolle. Auch wie ich entdeckt wurde, so aus Versehen.
Was mögen Sie daran, vor
der Kamera zu stehen?
Das Gefühl nach der Szene.
Das hört sich skurril an. Ich bin
oft nervös, wenn ich schwierige
Szenen spiele, aber wenn ich
merke, dass etwas funktioniert,
empfinde ich Freude. Ich mag
es, wenn ein Plan funktioniert.
Üben Sie zu Hause?
Ich lerne den Text mit meiner
Frau, aber ich könnte nie vor ihr
spielen. Da würde ich mir albern
vorkommen.
Spielen Sie deswegen kein Theater,
weil die Leute so nah dransitzen?
Ich habe einen Riesenrespekt
vorm Theater, nicht nur, weil
man den ganzen Text am Stück
parat haben muss. Aber ich hätte große Lust, mich einfach mal
so auf die Bühne zu stellen, wie
bei einem Poetry Slam. Du musst
dann ja was abliefern. Ich bin
ein Mensch, der vor vollendete
Tatsachen gestellt werden muss.
„Victoria“ wurde ohne Schnitt in
Echtzeit gedreht. Fast wie Theater.
Theater ist noch größer, du
willst ja auch den Zuschauer in
der letzten Reihe erreichen. Wir
Filmschauspieler spielen nicht,
um andere Leute zu erreichen.
Ich glaube, dass Filmemachen
egoistischer ist. Dass man das
sehr für sich selber tut.
Sehen Sie sich gern Ihre
eigenen Filme an?
Das finde ich komisch. Ich bin
mir gegenüber sehr kritisch und
entdecke immer Fehler.
Focus 40/2015
2
Berlin ist noch immer viel
billiger und unfertiger als andere
Hauptstädte. Wo steht Ihre
Stadt in 20 Jahren? Sind die
Mieten hier bald auch so hoch
wie in Paris oder London?
1
„Victoria“ zum Beispiel kann
ich mir gar nicht angucken, 140
Minuten lang ich, das ist hart.
Wie wichtig sind für Sie
Maske und Kostüme, um
in eine Rolle zu finden?
„140
Minuten
lang ich,
das
ist hart“
Ich mag den Moment, wenn
ich in der Maske mein verändertes Spiegelbild anschaue. Im
Märchenfilm „Das kalte Herz“,
den wir gerade drehen, bin ich
nur mit Lederlatschen und Wollgewand unterwegs, komplett
schwarz, voller Ruß, die Augen
weiß, das hat schon was. Das
macht Spaß, wie Kinder, die sich
gern verkleiden und anmalen.
Wie wichtig ist Ihnen Mode?
Frankfurter
Tor, Friedrichshain.
1 Anzug, Hemd und
Mantel: Hermès,
Krawatte und
Einstecktuch: Etro
Rosa-Luxemburg-Platz,
Mitte.
2 Rolli und
Jackett: Ermenegildo Zegna,
Couture, Weste:
Brunello Cucinelli,
Jogginghose:
Z Zegna, Sneakers:
Burberry, Einstecktuch: Hermès
10
Ich würde schon das Wort
nie benutzen. Ein Freund von
mir ist Designer, der sagt auch
immer Mode zu Anziehsachen.
Ich mag meine Chucks und weiße T-Shirts. Heute habe ich aber
extra ein Hemd angezogen.
Sie spielen oft Typen wie „Sonne“
in „Victoria“: kaputte, aggressive
Außenseiter mit Drogenproblemen. Sie selbst aber sind im
bürgerlichen Berliner Stadtteil
Steglitz aufgewachsen. Woher
nehmen Sie die Wahrhaftigkeit,
mit der Sie diese Jungs spielen?
Ich bediene mich bei meiner
Lebenserfahrung und versuche,
nicht zu lügen.
Sie wohnen immer noch in
Steglitz, nicht in einem der Szeneviertel Mitte oder Kreuzkölln.
Ich kenne diese Häuser in
Mitte, auf die wir gerade schauen, als die richtig scheiße aussahen. Früher war da drüben
eine Bar, in der man bis 15 Uhr
am nächsten Tag durchkickern
konnte. Jetzt ist ein schicker
Club drin. Alles machen sie neu,
und ich glaube schon, dass Berlin noch teurer wird. Aber wir
Berliner gehen auf die Straße,
wenn ein bestimmter Punkt
erreicht ist. Wenn alles unbezahlbar wird, dann wird was
passieren.
Ihr Kollege Til Schweiger ist zwar
kein Berliner, stößt aber über Facebook ganze politische Debatten an.
Ich finde es stark, was Til für
die Flüchtlinge tut. Er, Matthias Schweighöfer und Elyas
M’Barek haben im Moment eine
echte Macht. Die sollte man für
gute Sachen anwenden, auch
für besondere Filmprojekte.
Trauen sich deutsche Filmemacher zu wenig?
Ich liebe Filme wie Herzogs
„Fitzcarraldo“ oder Petersens
„Das Boot“. So ein Mammutprojekt sollten wir uns mal wieder
vornehmen. Der deutsche Film
spiegelt derzeit nur deutsche
Themen statt die großen, internationalen Geschichten.
Sie bewundern Klaus Kinski
und Ben Becker.
Ich mag ihre männliche
Präsenz. Heutzutage ist alles
so weichgespült, alle müssen allen gefallen. Ich verstehe nicht, warum man sich
gegenseitig nicht mehr scheiße finden darf. Sogar in der
Filmbranche muss man sich
benehmen. Wenn selbst Künstler sich anpassen, dann wird ja
die Welt ganz grau. Wir provozieren zu wenig.
Ist das typisch deutsch?
Ich denke schon. Bei politischen Themen sollte das ja auch
so sein. Aber so ein Typ wie
Rainer Werner Fassbinder hat
die Leute aufgerüttelt mit seinen wilden Thesen. Diese Nettigkeit heute ist oft nur Gelaber,
nicht ehrlich. Und das Wichtigste ist doch Ehrlichkeit.
Sie sind schon mit 16 Jahren von zu
Hause ausgezogen. Warum so früh?
Weil wir keine große Wohnung hatten. Ich hab ja damals
schon verdient mit den Filmen und brauchte meinen
Freiraum. Meine Mutter hat
trotzdem jeden Tag an der Tür
geklopft, Mama eben. Das
kann man ja Mamas immer so
schlecht erklären, dass man
erwachsen ist. Aber das finde
ich auch gut so.
Ihre Eltern betreiben einen Antiquitätenladen mit Café in Steglitz.
Mögen Sie auch gern alte Dinge?
Ich bin quasi auf dem Flohmarkt aufgewachsen. Jeden
Samstag und Sonntag musste
ich um sechs aufstehen und
mit meinem Vater nach irgendwelchen Ersatzteilen suchen.
Ein bisschen wie Justus Jonas
von den „Drei Fragezeichen“.
Irgendwie habe ich eine Macke
davon bekommen. Ich mag alte
Sachen, aber wenn man weite
Teile seines Lebens damit verbracht hat, auf Flohmärkten
herumzustehen und die ganzen Händler einen mit Namen
kennen, dann kann man das
irgendwann nicht mehr.
Mit zehn haben Sie die Berliner
Judomeisterschaft gewonnen, später wurden Sie mit Ihrer Eishockeymannschaft Deutscher Meister.
Waren Sie schon immer ehrgeizig?
Nicht manisch, aber ich
möchte immer gewinnen. Ich
glaube, Männer brauchen das.
Wir wollen wissen, wer als Erster auf dem Berg ist. Das haben
wir schon als Jungs so gemacht.
Es geht nicht darum, wer viel
Kohle hat. Es geht um kleine
Mutproben, Herausforderungen. Auch beim Sport bin ich
definitiv nicht der „Dabeisein
ist alles“-Typ. Dann will ich es
auch vernünftig machen, weißte.
Dann will ich gewinnen.

Interview: Barbara Jung-Arntz
Focus 40/2015
Styling: Gabriela Santighian, Assistenz: Chiara Dordea, Grooming: Sacha Schuette, Produktion: Eva Dahme, Sonja Riemann, Dank an: Amano Hotel, Arena Berlin, Brügge Bar, Ankerklause
Hier ist mein zu Hause, mein
Ruhepol. Ich würde verrückt
werden in Kreuzberg oder
Prenzlauer Berg, ich könnte gar
nicht so viele Menschen sehen
jeden Tag. Außerdem will ich,
dass meine Tochter im Grünen
aufwächst. So was ist gut. Zu
viele Menschen sind nicht gut.
Laus
beste
Filme
2002 spielt er
seine erste
Hauptrolle in
„Der Brief des
Kosmonauten“.
2008 erhält er
für die Rolle
des durchsetzungsschwachen
Tim in „Die
Welle“ den
deutschen
Filmpreis als
bester Nebendarsteller.
Lau selbst
mag sich im
brutalen Gefängnisdrama
„Picco“ (2010).
Weitere Erfolge
in „Neue Vahr
Süd“, „Das Leben ist nichts
für Feiglinge“,
„Ummah – Unter
Freunden“ und
an der Seite
von Didi Hallervorden in
„Sein letztes
Rennen“.
2
erfolg
Lebe
lieber
radikal
Wer lässt sich denn
heute noch von
einem Mode-Blog
provozieren?
Die ganze FashionWelt – und zwar
von diesen beiden
Trainingsanzug-­
Rampensäuen.
David Roth und
Jakob Haupt erfanden
mit Dandy Diary
den ersten und
immer noch einzigartig krawalligen
Mode-Blog für Männer
12
Focus 40/2015
13
F oto: Ole Westermann
Ungeniert männlich:
Jakob Haupt und David
Roth brechen mit dem
Klischee der süßen,
hübsch geschminkten
Mode-Bloggerin
erfolg
H
ast du zufällig ’n Kaugummi?“ Es ist Samstagmorgen in Downtown Manhattan. New York
Fashion Week. Mode-Blogger
Carl Jakob Haupt schleppt sich
zur Show von Lacoste. Um ihn
herum drängen sich die Schönen und schön Angezogenen
vor dem Eingang, Fotografen
treten sich auf der Jagd nach
dem perfekten Schuss auf die
Füße, Streetstyle-Stars lächeln
kühl in die Kameras. Haupt
bleibt unbeeindruckt von
dem Geschehen. Sein Kollege David Kurt Karl Roth hat
es nicht gepackt, der liegt im
Hotel und schläft.
War spät gestern, also heute, für die Betreiber von Dandy
Diary, Deutschlands bekanntestem Männermode-Blog.
Aber es will schon was heißen, wenn das „Up&Down“,
einer der angesagtesten Clubs
Manhattans, jemanden bittet,
eine Party zu schmeißen. Bis
morgens um sieben haben die
beiden Deutschen den Amis
gezeigt, wie Feiern geht, in
Fußballtrikot und HawaiiHemd. Haupt legte sich kurz
in die Badewanne, jetzt steht er
hier. Mit einem „verdammt pelzigen Geschmack im Mund“.
Kaugummi. Bitte.
Dabei war es, anders als
bei den berüchtigten Berliner
Events, wo die beiden auch mal
mit Feuerspuckern, Harlekinen
oder einem Elefanten aufwarten und 800 Menschen vor den
1
1 Ein Job ohne
feste Arbeitszeiten und Büro:
Bloggen, Netzwerken und
Shootings
wechseln sich
mit Partys ab.
Jakob Haupt
im Eingang des
New Yorker
In-Clubs
„Up & Down“
2 Modezirkus,
Kinderzirkus:
Roth und Haupt
(hinter der
Giraffe) nehmen
die Fashion-Welt
auf die Hörner
3 Wo Dandy
Diary ist, gibt
es meist auch
Alkohol, schöne
Menschen –
und hinterher
was zu erzählen
Eingängen Schlange stehen,
recht harmlos. „KinderCircus“
haben sie ihre New Yorker
­Party genannt, Luftballons und
Popcorn inklusive. Und während Kim Kardashians Schwester, Kendall Jenner, im Club
darüber die Menge anheizte,
war es unten im Kinderzirkus
vor allem eins: laut. Der Kopf
brummt noch, Haupt versteckt
sich hinter einer Sonnenbrille.
Reich machen ihre legendä­
ren Partys die Dandys nicht,
im Gegenteil. Aber bekannt –
und damit attraktiv für Werbekunden. Seit etwa eineinhalb
Jahren können Haupt und Roth
von ihrem Blog leben, denn
neben den hohen Ausgaben
für Events, Shootings und bisweilen auch Gerichtskosten
verzeichnen sie inzwischen
Einnahmen, von denen Blogger sonst nur träumen können:
Einen „mittleren sechsstelligen Betrag“ verdienen sie
mit der Seite DandyDiary.de
im Jahr, erzählt Haupt. Für
gesponserte Posts, bei denen
zugesandte Markenprodukte­
werbewirksam in Szene gesetzt
werden, bekommen sie je nach
Umfang zwischen 2000 und
20 000 Euro.
Drei von vier Blog-Einträgen
seien jedoch allein ihr Ding
und nicht von außen finanziert, behauptet Haupt – davon
abgesehen, ließen sie sich aber
auch niemals von Unternehmen
gängeln, wenn es darum geht,
die Produkte zu präsentieren.
2
„Das wissen die Firmen schon
und versuchen gar nicht erst,
uns ihre Vorstellungen aufzudrängen, wie das bei anderen
Bloggern üblich ist. Wenn wir
das nicht so machen können,
wie wir wollen, machen wir’s
gar nicht.“
Diese Unverfrorenheit sicherte ihnen von Anfang an ihre
Originalität. Dazu kommt Dandy Diary schlichtweg zugute,
dass der Blog bis heute nahezu konkurrenzlos geblieben ist:
Während Tausende von ModeBlogs für Frauenkleidung mittlerweile jede Sparte von Haute
Couture bis Übergröße abdecken, sucht man männliche
Pendants im Netz immer noch
fast vergebens.
Weil sich die beiden über
mehr Mitstreiter freuen würden, geben sie freimütig
Tipps weiter: „Mode-Blogger
sollten sich auf eine Nische
konzentrieren, also etwa ausschließlich gute Modestrecken produzieren oder extrem
früh über Trends berichten.“
Dabei lassen Roth und Haupt
jedoch drei Hauptzutaten ihres
Erfolgsrezepts unerwähnt: extreme Kreativität, extreme Risikobereitschaft – und extremes
Selbstbewusstsein.
Wie es sich für wahre Dandys
schickt, denken und sprechen
sie in der Öffentlichkeit stets in
Superlativen über sich selbst:
Auf ihrem Blog erinnern sie
gern daran, dass die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“
3
Focus 40/2015
F otos: Peter Kaaden (4)
ihre Opening Party zur Berliner Fashion Week das „wichtigste Event der Modewoche“
genannt habe, sie bezeichnen
ihren Job als den „besten der
Welt“, und ihr nächstes, noch
geheimes Projekt sieht vor,
„die Fast-Food-Welt zu revolutionieren“, Imbissbudenkönige
zu werden und „damit ganz
sicher bald schon Milliarden“
zu verdienen. Mindestens.
Man könnte meinen, dass
dieser vermeintlich ironische
Größenwahn ein einfaches
Mittel ist, sich in der BloggerSzene ein Markenzeichen zu
schaffen. Wer allerdings weiß,
womit sich die beiden neben
ihren legendären Partys in der
Modewelt bereits ein Denkmal gesetzt haben und welche
Risiken sie dabei eingingen,
der muss feststellen: Das Aufdicke-Hose-Machen ist nicht
nur eine Masche. Das Duo
glaubt tatsächlich an seinen
immerwährenden Erfolg.
Lässt man Roth und Haupt,
wie sie es sich wünschen, über
ihre „Heldentaten“ sprechen,
so zählen sie munter auf, wie
sie den ersten Fashion-Porno
der Welt produzierten, den ersten Nacktflitzer der Modegeschichte über den Laufsteg von
Dolce & Gabbana schickten
oder bayerische Sittenwächter in Aufruhr versetzten. Sie
hatten für das Traditionshaus
Trachten Angermaier eine
Lederhose mit Symbolen der
berüchtigten südamerikanischen Drogengang Mara Salvatrucha designt. Angermaier selbst erfuhr übrigens erst
durch empörte Kunden von der
Bedeutung der Zeichen.
Ebenso unvergessen ist ihr
Designer-Quartett, bei dem
sie bekannte Modeschöpfer
wie Karl Lagerfeld oder Marc
Jacobs auf Karikatur-Spiel­
karten in den Kategorien Sexyness, Penislänge und Anzahl
unbezahlter Praktikantinnen
verglichen – nur eine von mehreren Aktionen, bei denen die
Dandys die Branche, von der
sie selbst leben, ironisch reflektieren. Gescheiterte Projekte
werden verschwiegen und vergessen, finanzielle Desaster in
Kauf genommen.
Focus 40/2015
4
4 „Laugh“
verlangt der
Schriftzug, hab
richtig Spaß.
Dass professionelles Abfeiern
nicht immer
ein Traumjob
ist, merkt man
erst am Morgen
danach
„Die Schadensersatzklagen,
die wir immer mal am Hals
haben, gehen wirklich ins
Geld“, berichtet Haupt grinsend und ohne den geringsten Anflug von Reue. Kritik
an ihrer Arbeit interessiert sie
nicht im Geringsten, weshalb
sie die Kommentarfunktion
auf ihrem Blog ausgeschaltet
haben. Ebenso wenig analysieren sie anhand der Seitendaten, wie gut ihre Einträge bei
den Lesern angekommen sind.
Der einzige Ratschlag, den
sie je befolgt haben, kam von
ihnen selbst: „Sind wir unsicher, ob wir ein Projekt so oder
so durchziehen, ist die Devise: ‚Im Zweifel immer radikaler‘“, so Haupt. Fehlt das
Geld für eine Aktion, wie es
zu Anfangszeiten von Dandy
Diary manchmal der Fall war,
wird sie auf Pump durchgezogen. „Die 2000 Euro für unseren Porno haben wir uns von
einem befreundeten Fleischer
geliehen“, erzählt Roth. Klar.
So eine Summe sei ja auch
schnell zurückgezahlt.
Doch Haupt bekennt auch,
dass mutig sein zu zweit deutlich leichter fällt: „Unsere
Konten sind ständig so weit
im Minus, dass ich mir sage:
Wäre ich jetzt allein, wäre das
nur mein Geld, würde ich mir
schon Sorgen machen. Aber zu
zweit ist das was anderes, da
denkt man: Klar kriegen wir
das irgendwie wieder rein.“
Für ein solches Vertrauen
zueinander muss man sich sehr
lange sehr gut kennen. Roth
und Haupt gingen gemeinsam
in Hofgeismar bei Kassel zur
Schule, ein Ort, der in seiner
hessischen Beschaulichkeit
krasse Radikalität vermutlich
ebenso fördert wie provinzielle Spießigkeit. Die Dandys
entschieden sich über kleine
Umwege für das erste.
Haupt studierte Politikwissenschaft, schrieb für
Musikmagazine, arbeitete im
Call-Center des Homeshopping-Senders QVC und später
als Unternehmensberater.
Roth studierte Modejournalismus in München und Berlin, gründete Dandy Diary im
Rahmen seiner Abschlussarbeit und lud den alten Kunpel schließlich ein, in das Projekt einzusteigen. Bis sie das
Bloggen endgültig zu ihrem
Beruf machten, verging aber
noch einige Zeit. „An dem Tag,
als ich bei meinem alten Job
gekündigt habe, habe ich mich
schon gefragt, ob das nicht
eine Scheißidee ist“, gibt Roth
zu. War’s nicht.
Während Haupts Mutter anfangs „richtig enttäuscht“ über
die Zukunftspläne ihres Sohnes
war und sich erst nach einem
ausführlichen Dandy-DiaryBericht in der „Süddeutschen
Zeitung“ langsam beruhigte,­
platzten Roths Eltern von
Anfang an vor Stolz: „Unseren Porno hat Papa gleich an
alle seine Freunde verschickt“,
berichtet der 31-Jährige. Und
freut sich, wie sich nur einer
freuen kann, der im Herzen ein
postpubertärer Student geblieben ist – trotz aller Disziplin,
ohne die Dandy Diary heute
nicht das wäre, was es ist. Die
besten Ideen, erzählt Haupt,
kommen ihnen noch immer
nach ein paar Bier.
Wenn aber Events in New
York Alltag geworden sind und
Partys Arbeit, sehnen sich auch
die radikalsten Feierbiester
zuweilen bürgerlichen Dingen entgegen. Nach den zwei
Wochen Fashion Week gehe es
noch für eine Party nach Berlin, „bevor ich endlich Urlaub
habe“, sagt Haupt. Für heute
ist es wirklich genug. Er taumelt aus dem Showroom Richtung Hotelzimmer-Bett. n
Wiebke Hugen /
Vera Sophie stegner
15
Genussvoll Essen
Es ist doch nur
Essen, Leute!
Wie wird ein Restaurant zum Trendlokal? Mit Moos au Chocolat,
isländischen Wildkräutern und getrocknetem Seegras:
Victoria Eliasdóttir, die Schwester des Ausnahmekünstlers Ólafur Elíasson,
bringt im lässigen Berliner „Dóttir“ Kunst auf den Teller
I
1
„Ich koche
simpel und
traditionell
mit einem
modernen
Dreh“
1 Im Frühjahr
eröffnete Victoria
Eliasdóttir ihr
erstes Restaurant,
das „Dóttir“. Meist ist
die 27-jährige Köchin
mit dänisch-schwedischen und isländischen Wurzeln
dort in der offenen
Küche zu sehen.
2 Das Restaurant
ist Shabby Chic
16
hr kulinarisches Erweckungserlebnis hatte Victoria Eliasdóttir im Alter von zwölf
Jahren. Ihr Bruder, der weltbekannte Künstler Ólafur Elíasson, führte sie an jenem Abend
ins „Apotek“ aus, eines seiner
Lieblingsrestaurants in Reykjavik. Zweieinhalb Stunden, so
erinnert sich die heute 27-Jährige, habe sie an jenem Abend in
die offene Küche des Gourmetlokals gestarrt, völlig gebannt
von dem geschäftigen Treiben
in der Show-Küche mit ihren
dampfenden Töpfen.
Wie in aller Welt, fragte sich
der Teenager damals, gelingt es
den Köchen, in einem derartigen
Chaos so wunderbare Gerichte wie einen pistazienglasierten
Lammrücken zu zaubern?
Dieses Rätsel hat Victoria
Eliasdóttir mittlerweile gelöst.
Heute ist sie diejenige, die eine
Schar von Köchen dirigiert und
mit ihren Kreationen die Gäste
verzückt.
Paleo-Cuisine wie in der
Jungsteinzeit? Vegan? Regional? Oder lieber doch israelisch?
Alles schön und gut. Wer in
Berlin beim Gastro-Geplauder
unter Freunden punkten will,
sollte das Trendlokal der Stunde
besuchen und frühzeitig reservieren: Denn Victoria Eliasdóttirs Restaurant „Dóttir“ ist lange
im Voraus ausgebucht.
Wer einen Tisch ergattern
konnte, muss ihn nur noch finFocus 40/2015
F otos: Katja Hoffmann für FOCUS-Magazin, Dóttir
3-Gänge-Menü im „Dóttir“:
den, was in Ermangelung eines
Namensschilds oder einer Speisekarte im Fenster nicht ganz
einfach ist. Kunstfreunde befinden sich hier eindeutig im Vorteil. Mit Kennerblick identifizieren sie eine Indianerskulptur
aus Neonröhren als ein Werk
des in Berlin lebenden Künstlers Cyprien Gaillard.
Victoria Eliasdóttir verkörpert
eine ganz besondere Spielart
des Understatements, die
sich nur jene leisten können, die jegliche Zurschaustellung schlichtweg nicht nötig haben.
Fehlen darf bei dieser
Haltung keineswegs
die Ironie. Was sollte die hochpreisige
Kunst an einer Fassade, die womöglich seit
der Zeit des Mauerbaus
keinen Anstrich mehr erlebt
hat, sonst sein? Die GourmetKöchin gibt sich lässig und
schlicht in weißem T-Shirt und
markenloser Jeans zu schwarzen Boots, das Haar ist locker
zu einen Knoten geschlungen.
Spricht sie über ihren Bruder,
fallen Sätze wie „He’s doing
fine as an artist“ – er kommt als
Künstler gut klar. Eine hübsche
Untertreibung.
Ihr Kochkonzept beschreibt
sie als „simpel und traditionell“. „Ich koche ausschließlich
Speisen, die ich selbst gerne
esse.“ Wohlfühlgerichte wolle
sie ihren Gästen bieten, nur
nichts Überkandideltes komme bei ihr auf den Teller. Darunter viele Speisen, die ihre
schwedische Großmutter für sie
gekocht hat – mit einem modernen Dreh.
„Mein Ziel ist es, den Gästen ein neues Geschmackserlebnis zu bescheren“, sagt
die Wahlberlinerin mit schwedischen, dänischen und isländischen Wurzeln. Dazu verwendet
sie mitunter Zutaten aus ihrer
Heimat, die reichlich exotisch
anmuten: getrocknetes Seegras,
Moos oder isländische Wildkräuter.
Fleisch kommt so gut wie nie
in die Pfanne, der Schwerpunkt
liegt auf saisonalem und regionalem Gemüse sowie Fisch.
Die Menüs (vier Gänge für
Focus 40/2015
Vorspeise aus
geräucherten Kartoffeln,
blanchiertem
Spargel und Hüttenkäse
Consommé
aus wilden
Pilzen mit
pochiertem Ei
2
Langustine
mit
isländischer
Gerste und
geschmorter
Birne
58 Euro) schmecken aufregend,
ohne zu irritieren. Eine gebratene Forelle ist noch als solche
zu erkennen. Aber isländisches
Moos zu Mousse au Chocolat?
Schmeckt lange nicht so verrückt, wie es klingt. Denn wenn
man das Gestrüpp stundenlang
in Milch kocht, entwickelt es
eine karamellige Note.
Victoria Eliasdóttirs Geschäftspartner Boris Radzcun und Stephan Landwehr sind zwei
Gastro-Größen in Berlin,
deren Restaurants „Grill
Royal“ und „Pauly Saal“
zu den angesagtesten der Stadt zählen.
Anfangs frequentierten
vor allem Künstler das
„Dóttir“. Seit dem Sommer zieht es aber auch
Foodies und Touristen in den
Altbau, dessen Einrichtungsstil Wohnmagazine als Shabby
Chic beschreiben würden.
Schlicht sind dabei die Holztische und Stühle, der Chic die
erstklassigen Gemälde.
Ein paar an die Wand gelehnte, weiß gestrichene Skier könnten sowohl aus einer Galerie als
auch aus dem Sperrmüll stammen. Die Message des „Dóttir“
lautet: Es ist doch nur Essen,
Leute.
Vielleicht ist es kein Zufall,
dass die Skandinavierin ihr
Lokal „Dóttir“, Tochter, genannt
hat. In Island endet jeder weibliche Nachname so. Vielleicht
ist es eine Art Versöhnungsgeste an den Vater, der sich auf
dem Sterbebett wünschte, die
damals 13-Jährige möge nicht
in seine beruflichen Fußstapfen treten und Köchin werden.
„Mein Vater wollte nicht, dass
ich einen Beruf ausübe, der so
hart ist.“ In ihrer Heimat Reykjavik studierte sie zunächst wie
gewünscht ein paar Semester Design und Psychologie.
„Aber letztlich erkannte ich,
dass Kochen meine Leidenschaft ist.“
Schon während der Ausbildung im Kulinarischen Institut
von Island und ihren Stationen
in Sterne-Restaurants in Kalifornien und Brasilien träumte
das Nordlicht von einem eigenen Restaurant. Respektvoll und
ruhig wollte sie ihr Team führen. Ganz anders als die meisten
Chefköche, die ihre Untergebenen nicht selten brutal schikanieren. Tatsächlich wirkt das
Team im „Dóttir“ ziemlich entspannt, selbst wenn jeder Tisch
besetzt ist.
Wie lange der Traum vom
kleinen und feinen Restaurant
in der Mittelstraße noch währt,
ist ungewiss. Das Gebäude, in
dem das „Dóttir“ sich eingenistet
hat, soll im Frühjahr abgerissen werden. Victoria Eliasdóttir sieht ihre Zukunft dennoch
ganz entspannt. Vielleicht findet sich bis dahin ja eine neue
Location. Der Charme von Berlin, so sieht sie es, liegt doch
gerade in der Flüchtigkeit. n
Elke Hartmann-Wolff
17
Auto
Männertraumfänger
Wer darf an Autoklassiker Hand anlegen? Er darf das: Porsches Chefdesigner Michael
18
Tradition verpflichtet:
Michael Mauer mit
einem der ersten 911
im Stuttgarter
Porsche-Museum
Focus 40/2015
F oto: Heinz Heiss für FOCUS-Magazin
Mauer muss den 911 in die Zukunft führen. Ein Traumjob mit Tücken
Auto
I
st das nun ein Männertraum?
Oder ist es der Albtraum
eines von der Geschichte
Gefesselten? Für Michael Mauer
gibt es da überhaupt keine Zweifel: „Die Ikone 911 weiterzuentwickeln“, betont Porsches Chefdesigner immer wieder, „das ist
eine großartige Herausforderung.
Mein Traumjob.“
Der 911 – das Auto für Männer, die Autos lieben. Die Tradition eines halben Jahrhunderts lastet auf dem Klassiker,
und gleichzeitig die Aufgabe, jugendliche Dynamik und
modernste Technik zu repräsentieren. Gerade hat Mauer
den Inbegriff des Sportwagens frisch definiert, ihn mit
wenigen effektiven Strichen
gestrafft. „Dieses Auto“, verspricht Mauer, „werden wir
immer jung und frisch halten
– und es wird immer ein typischer Elfer sein.“
Ein Designer im Dienst der
Sache. Der 53-Jährige beschwört
„Disziplin im Arbeitsprozess“
und sieht sich nicht als kreatives
Genie, sondern als Team-Player:
„Ich kann tolle Ideen haben –
aber wenn die sich nicht umsetzen lassen, haben wir eine schöne Zeichnung, aber kein Auto
beim Händler.“
Umso mehr genießt er es,
wenn er sich für Prototypen wie
den IAA-Star Mission E austoben darf. Ist es nicht ohnehin
das natürliche Bedürfnis aller
Männer, zu neuen Ufern zu
segeln – also für einen Designer, ein jungfräuliches Blatt
Papier mit einem völlig neuen
Entwurf zu füllen? „Wir haben
ja auch andere Autos als den
911, da hat man natürlich mehr
Freiheiten“, sagt Maurer.
Unter Berücksichtigung der
typischen Marken-DNA natürlich, die bei Porsche besonders
kräftig ausgeprägt ist. Ein radikaler Schnitt, wie der damalige
Chefdesigner Chris Bangle ihn
bei BMW führte oder Gorden
Wagener gerade bei Mercedes
probt, käme hier nicht in Frage.
Wichtiger ist Mauer die klare
Identität eines jeden einzelnen
Modells: Ehrensache, dass er die
frühere Verwechslungsgefahr im
Rückspiegel zwischen Boxster
und 911 aus der Welt schaffte.
20
Frankfurt mobil:
Auf der IAA steht der
aufgefrischte 911
„Die
Lust auf
Sportwagen
wird es
immer
geben“
Aber Mauer weiß auch, dass
es auf die inneren Werte ebenso ankommt wie auf solche
Äußerlichkeiten. Ihm, der sich
auch vorstellen könnte, als
Architekt Häuser zu designen,
liegt das Interieur als Lebensraum besonders am Herzen
– schon aus persönlichem
Interesse: Auch auf längeren
Strecken zieht er das Automobil meist dem Flugzeug vor. An
den Entwürfen für Materialien,
Farben und Texturen, immerhin, arbeiten vor allem Frauen, während das Außendesign
noch immer reine Männersache ist.
Das hat sich seit Mauers
Hochschulzeit kaum verändert.
Er studierte an der renommierten Designerschmiede Pforzheim, zeichnete bei Daimler
Mercedes-Modelle, bastelte
bei Smart an der Zukunft des
Automobils. Und konnte später als Chefdesigner Saab auch
nicht mehr retten.
Bei Porsche nun trägt der
Mauer-Style großen Anteil
am derzeitigen Höhenflug der
Marke. Gerade den exklusiven Sportwagen bekommt die
Bodenständigkeit, die Mauer
vermittelt, hervorragend. Ein
Porsche ist kein Lamborghini,
den Milliardäre neben anderen
Dutzend Autos in Tiefgaragen
parken, ein Porsche ist ein alltagstaugliches Spielzeug, auf
das Mann auch mal über Jahre
hinspart. Wie Mauer auf seine
erste Armband-Uhr von IWC.
Dieser Marke ist er bis heute
treu – selbst die Chronographen aus der Accessoire-Linie
seines Arbeitgebers kommen
ihm nicht ans Handgelenk. Ein
Mann muss zu seinen Überzeugungen stehen.
Dazu gehört auch jene, dass
es den typischen Porsche-Fahrer nicht gibt: Bei seiner Arbeit
hat Mauer keinen bestimmten
Kundentypus im Hinterkopf,
sondern nur die alle verbindende Eigenschaft, „sportliche Autos zu mögen“. Wie
unterschiedlich seine Klientel
sei, „das zeigt ja schon Magnus Walker“ – der langbärtige,
waldschratig auftretende Entrepreneur, der mit Klamotten im
Obdachlosen-Style reich und
zu einem der größten PorscheSammler der USA wurde.
Mauer kleidet sich da lieber unauffällig und konventioneller als manche Kollegen
der Designer-Zunft. Er ist verheiratet und hatte mal einen
Hund. Der leider die Ikone 911
„hasste“ und vor Ausflügen
immer zum daneben geparkten Cayenne sprang. Hatte der Tibet-Terrier vielleicht
ein Gespür für Autotrends?
Schließlich gilt mittlerweile
ja weniger der Herrenfahrer
eines flachen PS-Boliden als
sportlicher Zeitgenosse, sondern jener, der im Sport Utility
Vehicle Fahrrad und Surfbrett
durch die Gegend kutschiert.
„Sportliche Design-Attribute finden sich heute tatsächlich auch in dieser Fahrzeugklasse“, so Mauer, „aber die
Lust auf klassische, fahraktive
Sportwagen wird es immer
geben.“
Männer haben eben Benzin
im Blut, und manche Super
plus. Als Daimler-Benz vor
vielen Jahren den Hausgerätebauer AEG übernahm, musste
Mauer Bodenstaubsauger designen. Als Sofortmaßnahme
verpasste er ihnen „erst mal ein
ordentliches Felgendesign“.
Und schuf dann die „wahrscheinlich sportlichsten Staubsauger der Welt“.
n
Marcus Efler
Focus 40/2015
NUR WER WEISS,
WO ER HIN WILL,
SETZT DIE SEGEL
RICHTIG.
TAG
SA M S
IST
-TAG
S
U
C
O
F
DIE EINFLUSSREICHEN IM
Düfte
Schöns Düfte
Lässt sich mit Parfüm die eigene Attraktivität steigern? Mit den Kreationen
von Geza Schön auf jeden Fall. Der Parfümeur reduziert Gerüche radikal auf das
Wesentliche und gilt gerade deshalb als Revolutionär einer angestaubten Zunft
W
elcher Parfümeur träumt
wohl nicht davon, wie
Jean-Baptiste Grenou­
ille sein Taschentuch zu schwenken und mit seiner Duftkreation
die Massen zu manipulieren, zu
dirigieren, zu einer Sexorgie zu
verführen? Dem Berliner Geza
Schön ist dies nahezu gelungen.
Experten überschlagen sich
mit Huldigungen zu den Düften Molecule 01, 02 und 03 (100
ml, ca. 115 Euro). Schöns Kreationen bestehen jeweils aus
nur einem einzigen Duftstoff:
Iso E Super, Ambroxan bzw.
Vetiveryl – synthetisch hergestellt und nicht von toten Mädchenkörpern geraubt. Und auch
wenn sich seine Fans nicht wie
in Patrick Süskinds Kultroman
„Das Parfum“ die Kleider vom
Leib reißen, so schwärmen sie
doch davon, wie die Düfte den
natürlichen Körpergeruch auf
geradezu geheimnisvolle Weise
verstärken.
Sie riechen holzig, samtig und
irgendwie süßlich, sie wirken
ähnlich sexuell anziehend wie
Grenouilles perfektes Parfüm.
Als Schön seinen Duft im Jahr
1
2006 zum ersten Mal in einer
Bar trug, dauerte es angeblich
keine fünf Minuten, bis eine
Frau ihn fragte, wer denn hier
so gut riechen würde.
Schön gilt seither als Star
unter den deutschen Parfümeuren, als Revolutionär. Er stammt
zwar aus Kassel und nicht aus
der Parfüm-Hauptstadt Grasse
im Süden Frankreichs, doch
schon als Junge wurde er – wie
eben auch Jean-Baptiste Grenouille – von Gerüchen angezogen. Seine Großeltern besaßen
einen Garten, in dem es nach
Erde und Karnickelstall roch.
Bald konnte der heute 46-Jährige Kräuter, Gräser, Bäume mit
der Nase erkennen. Vielleicht
unterscheidet er auch deshalb
heute 20 unterschiedliche GrünGerüche: Waldgrün, Tautropfengrün, Moosgrün . . .
Sein Vater, ein Kunstlehrer, hat
ihn früh für Malerei begeistert.
„Auch Düfte sind Kunst“, sagt
Schön. Schon als kleiner Junge
schrieb er Postkarten an Parfümfirmen und bat um Duftproben.
Mit 13 Jahren konnte er bereits
100 Düfte auseinanderhalten.
Doch anders als im Roman würde Schön nie von einer Gabe
sprechen. Er glaubt nicht, dass
es einen absoluten Geruchssinn
gibt – eine fast übersinnliche
Fähigkeit, um Düfte voneinander zu unterscheiden. „Ich rieche nicht unbedingt besser als
jemand anderes, aber ich habe
meinen Sinn dafür trainiert“,
sagt Geza Schön.
Für ihn ist Parfümerie Kreativität, Erfahrung und Handwerk
zugleich – kein Hexenwerk. Er
machte ganz konventionell eine
Lehre bei dem deutschen Dufthersteller Haarmann & Reimer,
der heute Symrise heißt. Zwölf
Jahre hielt er seinem Lehrmeister die Treue. 2002 machte Schön sich selbstständig und
entwickelte diese ganz eigene
Dufthandschrift, die so frenetisch gefeiert wird.
Heute arbeitet er in seinem
Labor in einer schicken Kreuzberger Wohnung mit 300 bis 500
Essenzen. Er ist DeutschlandBerater für IFF, einen der weltgrößten Dufthersteller, hat unter
anderem für Biehls ParfümKunstwerke drei Düfte entwor-
2
Nein, diese
Spaß-Brille
braucht Geza
Schön natürlich nicht
für seine
Arbeit. Nur
die Nase,
Ruhe und Zeit
1 Mit 500 verschiedenen Essenzen arbeitet
Geza Schön in seinem Atelier in
Berlin-Kreuzberg. 2 Grün riecht
auch nicht immer gleich: Schon als
Kind konnte er 100 Gerüche voneinander unterscheiden. 3 Sein jüngster Coup: Berliner Bezirke als
Düfte. Mitte zum Beispiel
riecht nach Sushi, Kaffee und Leder
fen und zuletzt den Duft des
Mode-Labels Baldessarini neu
erfunden: Er interpretierte „Ultimate“ als würzig-metallischerfrischende Komposition rund
um die Basisnote Patschuli.
„Düfte dürfen einem nicht auf
den Sack gehen“: Schön drückt
sich gern kraftvoll aus, obwohl er
wohl den sinnlichsten Beruf hat,
den ein Mann sich aussuchen
kann. „Gerüche können das
Leben bereichern – sie können
unser Lernvermögen steigern,
Focus 40/2015
sind ausschlaggebend für die
Partnerwahl, sie beeinflussen
unsere Karriere.“ Er verkauft
den Menschen Sehnsüchte.
Gerade hat Schön den Duft
von vier Berliner Bezirken in
je ein Parfüm gepackt: Schöneberg, Reinickendorf, Neukölln, Mitte. Reinickendorf,
sagt Schön, rieche kühl und
trocken, nach Stein und Beton.
Mitte nach Sushi, Kaffee und
Leder. Die Berlin-Parfüms bilden
den Kiezgeruch natürlich nicht
exakt nach – wer will schon
nach Döner riechen? „Ganz Berlin in einen Duft zu fassen war
unmöglich“, sagt Schön. Wenn
überhaupt ein Geruch typisch
sei für die Hauptstadt, dann seien es blühende Lindenbäume.
Ein dicker, süßer, honighafter,
fast erdrückender Duft. Seit seiner Kindheit kann Geza Schön
das – den Geruch von Grün
beschreiben. n
Kathrin Schwarze-Reiter
23
F otos: Sandra Ludewig
3
Produkte
Schmierstoff, Schleifseife
Männer interessieren sich nur für schnelle Autos und schöne Frauen? Und wenn schon:
Ring frei
Macht müde Männer
munter – erfrischende
Augenpflege von
Biotherm mit Massageapplikator; 25 Euro
Saubermann
Hautpflege für
Fortgeschrittene:
Gesichtswasser,
Glanzreduzierer
und Peelingcreme
von Clinique;
22, 37 und 25 Euro
Scharfmacher
Reinigt, peelt, belebt:
Molton Browns
Pfefferkorn-Seife;
16,50 Euro
Durchblicker
Das transparente Rasiergel
von L’Oréal erlaubt
millimetergenaue Präzisionsrasur – perfekt für feine
Bartdesigns; ca. 5 Euro
Weichmacher
Die NiveaCreme für Männer pflegt wie
der Klassiker,
zieht aber sofort ein und
fettet nicht;
3 Euro
24
Schutzbieter
Tabacs neues Deo hält
in Stressmomenten
frisch und macht die
Achselhaut seidenzart;
11 Euro
Focus 40/2015
& Lufterfrischer
Diese Stars aus dem Beauty-Regal helfen zumindest bei Punkt zwei
Würzig-holzig
Baldessarinis
neuer Kuschelduft „Ultimate“
passt perfekt
zu Herbst- und
Wintertagen;
90 ml, 71 Euro
Elegant
Designer Elie Saab
wollte mit
„Vetiver“ einen
Unisex-Duft, den
er auch selbst
tragen würde:
ungezwungen,
fruchtig-leicht
und angenehm;
100 ml, 190 Euro
Intensiv
Den RetroKlassiker von
1978 kann man
nur lieben
oder hassen.
Für Fans gibt’s
„Azzaro“ jetzt
als aromatischsinnliches
Eau de Parfum
Intense; 100 ml,
79 Euro
Facettenreich
Nach 17 Jahren
ein neuer Herrenduft aus dem
Hause Boucheron:
„Quatre“ verbindet
Zitrusfrische mit
Jasmin und Holz;
100 ml, 75 Euro
Sportlich
Tennis-Held
Rafael Nadal
wirbt für
Hilfigers Neuen.
Passt: „Bold“
duftet modern,
frisch und
unkompliziert;
100 ml, 73 Euro
Männlich
Issey Miyake
mischt in
seinem
„Nuit d’Issey“
süßliche mit
herben Noten
zum perfekten
Ausgeh-Duft;
75 ml, 65 Euro
Focus 40/2015
25
Schuhe
Schuhtick
Business-Schuhe, die so bequem sind wie Sneakers?
Gibt’s tatsächlich, dank innovativer Materialien und patentierter Sohlentechnik.
Und das auch noch aus Deutschland. Erfunden hat sie Matthias Weber
Außen Budapester,
innen komfortabel:
Matthias Weber
zeigt eines seiner
Modelle – mit
Durchblick auf die
High-Tech-Sohle
F otos: Dirk Bruniecki für FOCUS-Magazin (1), Hotel Cortiina München
E
in schwülwarmer Aprilabend im südchinesischen
Guangzhou. Der Deutsche Matthias Weber sitzt mit
Geschäftspartnern nach einem
anstrengenden Messetag in der
Lobby des „Shangri-La“-Hotels
beim Feierabendbier. Worüber
die erschöpften Herren plaudern? Fußball, Autos, Heimwerken, Grillen oder Fliegenfischen? Nein, die Runde, die
da in der behaglichen Lounge
beieinandersitzt, parliert über
das, was klischeehaft eher
ein Damenthema ist: Schuhe.
Beziehungsweise die Frage,
warum die Füße in ihnen gerade so schmerzen.
Auf der Canton Fair, der größten chinesischen Messe, sind
sie zwischen 17 000 Importund Export-Ausstellern den
langen Tag über hin und her
gelaufen. Mehrere Quadtratkilometer misst das Messeareal
im Viertel Pazhou, umso stattlicher sind die Laufstrecken, die
Top-Manager Weber und seine Kollegen an einem einzigen
Tag absolviert haben. Blasen,
Schrunden und Schmerzen an
Zehen, Fersen und Ballen inklusive.
Weber, damals Führungskraft
im E-Commerce für die Handelsriesen Lidl und Kaufland,
überlegt laut vor den Mitleidenden an jenem Frühlingsabend
2009 in China: Warum nicht
einen Business-Schuh entwickeln, der nicht nur schön ist,
sondern auch bequem?
Die Idee zu Weber Schuh und
seiner Erfolgsgeschichte im
nicht gerade für Schuhexpertise
ausgewiesenen Deutschland ist
geboren. Edle Lederschuhe im
klassischen Look mit atmungsaktiver, wolkenweich gepolsterter Sohle. Derbys, Brogues, Cap
Toes: alles, was die Angelsachsen seit Urzeiten an Schuhwerk
für den gediegenen Herrn vorgegeben haben – aber eben mit
Gemütlichkeitsfaktor. In diesem
Sommer, gut drei Jahre nach
dem Start der Kollektion, hat
sich Mattias Weber ein Patent
für seinen innovativen KomfortBusiness-Schuh gesichert.
Zu verdanken hat er das
nicht zuletzt seiner Frau Inka.
Denn die konterte, als der
Focus 40/2015
Auch andere
Hersteller
haben Bequemschuhe im Angebot, aber
Matthias Weber
hat mit seiner
frisch patentierten Technik eine
Marktneuheit
kreiert. Statt
typischer Lederbrandsohle
verwendet Weber das HighTech-Material
Poron, das den
Schuh biegsam,
druckresistent
und atmungsaktiv hält.
Auch die
äußere Sohle
besteht nicht
aus Leder,
sondern dem
Kunststoff
TPU, der den
Schuh wasserdicht und
rutschfest
macht. Die
klassischen
Derbys und
Oxfords können
mit einer
Einlegesohle
individuell
auf den Träger
abgestimmt
werden. Über
FOCUS Select
erhalten
FOCUS-Leser
besondere
Angebote:
www.
weberschuh.
de/focus
Gatte zurück am heimischen
Ammersee im Süden von München wieder einmal über Fußmalaisen wehklagte, leicht
entnervt: „Warum machst du
dir deinen Schuh nicht einfach
selbst?“
Und Weber machte. Der
gebürtige Stuttgarter setzte
sich in das Arbeitszimmer seines Ammerseer Bauernhauses,
tüftelte und besann sich auf seine ganz eigene Expertise: internationales Marketingwissen,
Investments in teure Schuhe
und jahrzehntelanges Laufen
auf schmerzenden Füßen.
Schuhe galten ihm, so erzählt
der bekennende Traditionalist,
gewandet in Lodensakko und
brombeerfarbene Cordhose,
schließlich schon immer als
„bedeutendstes Kleidungsstück“ eines Gentleman.
Schließlich verleihen sie dem
Business-Mann die nötige
Bodenhaftung bei Vorträgen,
Meetings, Konferenzen. „Bei
den meisten Männern“, befindet Weber, „ist die Schuhwahl
allerdings eine Katastrophe.“
Er selbst hatte bereits im
juvenilen Alter von 18 Jahren
die ersten Pferdelederschuhe zum damals stolzen Preis
von 500 Mark erstanden. Nach
dem Betriebswirtschaftsstudium
und anschließender 20-jähriger Managerlaufbahn im Handel geriet seine Liebe zu noblem Schuhwerk gleichwohl ins
Wanken.
Weber trug feinstes Leder
aus Großbritannien, Italien
oder Maßgefertigtes aus Österreich. Allein – die teuren Schuhe drückten. Seine Füße, so der
Unternehmer, habe er sich ruiniert. Beim Laufen, Rennen und
Spurten durch Kongresshallen,
Flughäfen, Bahnhöfe. Beim leidenschaftlichen Sport, vom Fallschirmspringen bis zum wenig
gelenkfreundlichen Squash. Mit
Anfang 40 laborierte Weber
an Kreuzbandrissen, kaputten
Knien, Fußsenkung und einer
verknöcherten Haglundferse.
Nach dem Schuhdebakel in
China und dem entscheidenden Kamingespräch mit Ehefrau Inka befand er: „Ich bin
ein Problemlöser.“ Die Idee mit
dem Schuhbusiness ließ ihn
nicht mehr los. Wäre ein anderer draufgekommen, BusinessSchuhe mit einem komfortablen
High-Tech-Fußbett zu kombinieren, „hätte ich mir das nie
verziehen“, erzählt er.
2011 kündigte der dreifache
Familienvater den einträglichen Top-Job bei Lidl. Er holte
einen Schulkameraden aus der
Internatszeit in Sankt Blasien
an Bord, der sich als Orthopäde einen Namen gemacht hat.
Er akquirierte einen auf Sohlen
spezialisierten Schuhdesigner
aus Köln. Fand im indischen
Chennai die beste Schäftestepperei, im oberitalienischen
Ligurien das feinste Kalbsleder,
das Sohlen-Poron in Amerika
und eine Fertigung in Portugal.
Weber behauptet gleichwohl:
„Ich habe mich vom Millionär
zum Schuhputzer gewandelt.“
Das ist freilich Koketterie:
200 000 Euro Erspartes hat der
leidenschaftliche Wildjäger und
Bonsai-Züchter in sein Business
gesteckt. Von Anfang an war
dieses einträglich.
Seit es im April 2012 mit einem
Online-Shop und Vertrieb bei
namhaften Händlern startete,
konnte Weber sein Start-up lässig finanzieren. TUI-Vorstände, Piloten, Politiker, Manager
und andere Vielreisende tragen
inzwischen seine Schuhe. 25 000
Paar hat er in den vergangenen drei Jahren verkauft. Der
Ausnahmetriathlet Lars Kegler
wird beim nächsten MünchenMarathon im Oktober die 42,195
Kilometer in Weber-BusinessSchuhen laufen.
Und die nächste Herausforderung für Matthias Weber? Auch
den weit reisenden, beruflich
erfolgreichen Damen mit ihren
ewig schmerzenden Füßen eine
Alternative zu bieten. Ehefrau
Inka weiß sicher wieder Rat. n
Marika Schaertl
27
Mode
Modern Art in der Mode:
Zum Mantel mit Pinselstrich-Print
passt am besten Grau.
Er: Anzug aus Schurwolle von
Marc O’Polo, 499 Euro;
Hemd „Steel“ von Tiger of Sweden,
129 Euro; Mohair-Mantel, 2250 Euro,
und Schuhe, 525 Euro, beides von
Emporio Armani; Sonnenbrille „Brent“
von Frank Walton, 120 Euro.
Sie: Herrenpulli aus Strick von
Camel Active, 120 Euro
28
Bitte
achten
Sie hier
auf den
Mann
. . . obwohl auch die
Dame sehr gut aussieht
in der neuen Herbstund Wintermode für
ihn, oder?
Die kommt in dieser
Saison im klassisch
britischen Herren­ausstatter-Look daher
und macht aus jedem
Mann einen Gentleman.
Die besten Looks für
Büro und Reise
Focus 40/2015
29
1
30
Focus 40/2015
Layering heißt der Outdoor-Trend.
Links: Mehrere Schichten werden
gekonnt kombiniert.
Unten: Extrem elegant wirkt Weiß in
Kombination mit hochwertigen Stoffen
2
1
Er: Strickjacke von Camel Active, 200 Euro; Daunenweste von
Brunello Cucinelli, 1550 Euro; Flanellhemd von Filippa K,
125 Euro; Krawatte von Tommy Hilfiger, 50 Euro; Anzughose
aus Schurwolle von Marc O’Polo, 500 Euro (kompletter Anzug);
Uhr „Disorderly“ von Swatch, 115 Euro; Lederrucksack „Vespucci“
von Piquadro, 530 Euro. Sie: Jeans von Levis, 110 Euro.
2
Er: Anzug von Calvin Klein Platinum, 308 Euro;
Kaschmirrolli von Uniqlo, 100 Euro; Kaschmirmantel von Boss,
599 Euro; Schnürer „Salvatore“ von Vagabond, 160 Euro;
Herrentasche von Montblanc, 1800 Euro.
Sie: Hut von Caruso, 380 Euro, und seine Anzugjacke
Focus 40/2015
31
1
32
Photography: Alexandra Kinga Fekete@Cosmopola; Assistant: Frank Groll; Hair & Make-up: Timo@Cosmopola; Stylist: Thorsten Osterberger; Styling Assistant: Bianca Fleisch;
Model: Lloyd Bartis@Kultmodels, Ismena@Pearl Management; Studio: Delight Studios
Links: So geht der britische
Gentleman ins Büro.
Rechts: Und so auf Geschäftsreise.
Stilecht sind edle Accessoires
und ein gerade geschnittener Mantel
2
1
Er: Hemd von Brax, 50 Euro; Krawatte „Dunhill“ von Digel,
40 Euro; Kurzmantel aus Wolle von S.Oliver, 197 Euro.
Sie: Herrenuhr „Seamaster 300“ von Omega, 9000 Euro.
2
Er: Anzug „Daren-Z“ von Digel, 500 Euro;
Rolli von Boss, 130 Euro; Monks von Boss, 479 Euro;
Kaschmirmantel von Emporio Armani, 1820 Euro;
Uhr von Union Glashütte, 1780 Euro.
Sie: Herrentasche aus der „Meisterstück Collection“
aus Kalbsleder von Montblanc, 1800 Euro;
Hut von Tom Tailor, 30 Euro
Focus 40/2015
33
Uhren
Toys for Boys
Warum lässt sich die etablierte Uhrenbranche von jungen Wilden beeindrucken?
Weil sie den Neustart in einem hart umkämpften Markt riskieren – mit wirtschaftlichem
Wagemut, kreativen Ideen und technisch anspruchsvollen Produkten für Individualisten
1
Das Zifferblatt
der „Pilot Red“
von C. H. Wolf
besteht aus
Fliegerseide
1
2
1 Die „Vegas“ von
Bomberg ist ein
„Bullhead“ mit obenliegender Krone.
2 Die MB&F „Horological Machine“
besitzt ein Tourbillon, das Fehler durch
die Erdanziehungskraft ausgleicht
F otos: C. H. Wolf, Bomberg, MB&F
S
chon rund 600 000 Euro
haben Hunderte von Pri­
vatinvestoren in das wirt­
schaftliche Wagnis gesteckt,
750 000 Euro sollen es werden.
Sie investierten über Crowd­
funding, zu Deutsch Schwarm­
finanzierung, Beträge ab zehn
Euro in die Firma C. H. Wolf.
Das junge Unternehmen aus
Glashütte in Sachsen will die
untergegangene Marke Carl
Heinrich Wolf, die im 19. Jahr­
hundert für hochwertige Turm­
uhren stand, wiederbeleben.
Die neuen Modelle mit
Namen wie „Alpha Pilot“ oder
„Advokat“ kosten zwischen
2450 und knapp 6000 Euro –
bewegen sich also im beson­
ders hart umkämpften Segment
der Luxusuhren-Branche. Dort
agieren vor allem Traditions­
marken wie Omega oder TAG
Heuer, die zu potenten Luxus­
konzernen gehören und über
entsprechende Markt- und
Marketingmacht verfügen.
Das schreckt den Ex-Banker
Jürgen Werner, der C. H. Wolf
im Herbst 2014 gemeinsam mit
dem Ingenieur Christoph Pfeif­
fer gegründet hat, nicht ab. Die
beiden wissen, dass sie nicht
mit den Omegas dieser Welt
konkurrieren können. „Unser
Ziel ist es, eine Nische zu beset­
zen. Wir wollen Uhren anbieten,
die durch ihre Einzigartigkeit
auffallen und Käufer mit starker
Persönlichkeit bedienen, denen
Individualität wichtiger ist als
Status“, sagt Werner.
Technisch setzt C. H. Wolf
dabei auf erprobte Werke von
Focus 40/2015
Zulieferern wie Eterna oder
Unitas, die zum Beispiel mit
einem firmeneigenen Waffel­
muster veredelt werden – zu
sehen durch den Glasboden der
Uhren. Daneben sollen ausge­
fallene Materialien der Ziffer­
blätter die sofortige Erkennbar­
keit steigern. So sind diese bei
der „Pilot Red“ mit originalem
Seidenstoff überzogen, mit dem
früher ein legendärer Kampf­
flieger beschichtet war (s. Bild
links). Bei einigen Modellen der
Linie „Hematic“ bestehen die
Zifferblätter aus Nachtbirkeoder Kotibe-Holz.
Nur zwei Jahre vor C. H. Wolf,
also 2012, wurde im Schweizer
Neuchatel die Marke Bomberg
lanciert. „Toys for Boys“ und
„Objekte der Begierde“ will
die Firma anbieten – markante,
maskuline Modelle, deren indi­
viduelles Erkennungsmerkmal
die Krone bei zwölf Uhr statt
wie gewöhnlich bei drei Uhr
ist („Bullhead“). Zwei weitere
Besonderheiten: Varianten wie
die „Bolt-68“ lassen sich kon­
ventionell als Armbanduhren
tragen, aber auch stylish als
Taschenuhr.
Ein Bomberg-Modell, die
„Duo Falcon Indian Numbers“,
trägt die seltenen indianischen
Ziffern auf dem Blatt. „Kreati­
vität ist die Fähigkeit, außer­
halb der Norm zu denken“,
sagt Bomberg-Chef Rick de La
Croix selbstbewusst. Im Inneren
indes ticken – eher konventi­
onell – ebenfalls mechanische
Kaliber etablierter Zulieferer,
aber auch Quarzwerke. Nach
11 000 Uhren im Jahr 2014 will
Bomberg dieses Jahr mindes­
tens doppelt so viele absetzen
– zu Preisen ab 560 Euro.
Einen komplett anderen Weg
beschreitet Max Büsser. Er kann
als Etablierter unter den jungen
Wilden gelten. Unter dem Label
MB&F (Max Büsser & Friends,
gegründet 2005) fordert er die
Großen der Branche mit hoch­
komplizierten eigenen Werken
heraus, deren Konstruktionen
deutlich von der Norm abwei­
chen. So verfügt seine neue
„Horological Machine NO.6
Space Pirate“ über ein soge­
nanntes Tourbillon (Wirbel­
wind), das Gangfehler durch die
Erdanziehung ausgleicht und
als Krönung der Komplikatio­
nen gilt. Auch bei den Anzeigen
beschreitet Büsser völlig neue
Wege (s. Bild oben).
Der gebürtige Italiener, der
früher bei Uhrenfirmen wie Har­
ry Winston gearbeitet hat, ver­
steht sein eigenes Unternehmen
als „mikrotechnisches Konzept­
labor mit hohem künstlerischem
Anspruch, in dem sich jedes
Jahr unabhängige Uhrenprofis
zum Kollektiv zusammenfinden,
um radikale Horological Machi­
nes entstehen zu lassen“.
Eines ist dabei sicher: MB&F
wird auf jeden Fall ein Exot
bleiben, dessen Uhren man
nur äußerst selten in freier Wild­
bahn sehen wird. Mit Preisen
von teils mehr als 200 000 Euro
ist Exklusivität völlig automa­
tisch garantiert. n
Die Watchstars
Awards sind
eine unabhängige
internationale
Preisverleihung
für Luxusuhren.
Die Modelle
werden von einer
rund 60-köpfigen
Jury aus Uhrenspezialisten,
Bloggern und
Journalisten
aus mehr als 20
Ländern gewählt.
Der Preis wird
jährlich in den
fünf Kategorien
Classic Stars,
Technical Stars,
Design Stars,
Stars of a Lifetime und New
Stars vergeben.
Ins Leben gerufen wurde er
von den renommierten Uhrenjournalisten
Tom Wanka
(Executive) und
Gisbert Brunner
(President).
In der Kategorie
New Stars gewann
dieses Jahr die
„Sistem51“ von
Swatch, bei der
die Produktion
mechanischer
Werke revolu­
tioniert wurde.
Dieses Jahr
wurde FOCUS-Redakteur Andreas
Körner in die
Watchstars-Jury
berufen.
Andreas Körner
35
Reise
Im Designer-Paradies
Kann ein Stranddorf so stylish sein wie Paris oder Mailand?
Dieses ist es: Tulum in Mexiko macht nicht nur die Mode-Hautevolee glücklich
1 Besitzerin
Francesca Bonato
am Eingang ihres
Hotels „Coqui Coqui“.
2 Die Lobby des
„Coqui Coqui“ ist ein
Designer-Traum, die
hoteleigene Modeboutique ebenso.
3 Im „Hartwood“
kommt der Fisch
ohne KühlschrankUmwege vom
Meer auf den Teller.
4 Das „Gitano“ ist
die beste Bar für
Tacos, Tapas und
Mezcal, Mexikos
Nationalschnaps
aus Agaven
Das alte Tulum ist
die einzige MayaStadt direkt am
Meer. Im Hintergrund der „Tempel
des Windes“
Focus 40/2015
1
2
E
in honiggoldener Morgen,
nur ein paar grüne Riesenleguane, Pelikane und Wasserschildkrötenbabys am puderzuckrigen Strand sehen den
frühen Badenden beim Umkleiden zu. Drüben an der Straße
am Dschungelrand bereitet sich
das Restaurant „Hartwood“ auf
den Tag vor. Es hat keinen Kühlschrank, keinen Strom. Hier wird
frisches Meeresgetier täglich bei
den Fischern eingekauft und auf
dem Holzofen gegrillt. Nebenan das schicke Boutique-Hotel
„Coqui Coqui“. Minibar? Nein.
WLAN im Zimmer? Mitnichten.
Air Conditioning? Vergiss es.
In Tulum, dem pittoresken
Strandort auf der mexikanischen
Halbinsel Yucatán, gibt es weder
einen Jachthafen für schwimmende Statussymbole noch eine
Landebahn. Statt in Luxusautos
bewegen sich die Urlaubenden auf
Fahrrädern oder zu Fuß über die
Schotterpisten. High Heels sind
ebenso verpönt wie der Hitze
abträgliches Make-up. Zwischen
tausend Jahre alten Maya-Ruinen
und chilligen Beach-Hängematten
lädt Tulum ein zum Ferien-Feeling
in behaglicher Ereignislosigkeit,
fernab der klischeehaft mexikanischen Mariachi-Sombrero-Guacamole-Folklore.
Und dennoch ist das einst schläfrige Fischerdörfchen – ein Mix aus
Goa, Mykonos und dem SaintTropez Brigitte Bardots – einer der
aktuell beliebtesten Treffpunkte
der weltweiten Fashion-Szene.
Vor allem nach den hysterischhektischen Laufstegwochen in
3
F otos: Louise Desrosiers (4), www.gitanotulum.com
Kein
WLAN,
keine
Klimaanlage.
Aber
echt
große
Fische
4
37
Reise
New York, London, Mailand und
Paris zieht es die internationale Modekarawane nach Tulum.
Da planscht Couturier Tom Ford
im türkisfarbenen Wasser neben
Lady-Gaga-Berater und DieselChefdesigner Nicola Formichetti, Verlagserbin Amanda Hearst
oder dem schwedischen Erfolgsdesigner Johan Lindeberg. Die
Ex-„Vogue“-Chefin und mächtige Designermuse Carine Roitfeld
schlürft ihre Virgin Margaritas
neben den Kreativteams von
Ralph Lauren, Calvin Klein,
Donna Karan und Givenchy oder
dem Fashion Director der amerikanischen „Vanity Fair“.
Die Urlauberzahl reputierter Modeschaffender in dem
20 000-Seelen-Ort ist in der
Hochsaison zwischen Oktober
und Februar so stattlich, dass der
französische Createur Jean Paul
Gaultier unlängst leicht genervt
konstatierte, in seinen TulumFerien habe er „mehr Bekannte
getroffen als das Jahr über zu
Hause in Paris“.
Für seinen Berliner Kollegen
Michael Michalsky ist das einstige Hippie-Örtchen trotz des
Hypes genau „so, wie man sich
als Designer das Paradies vorstellt“. Michalsky, der hier schon
Silvesterpartys mit Kumpels wie
DJ Hell feierte, schwärmt von
„unberührter Natur, endlosen
weißen Stränden und „freundlichen Menschen aus aller Welt“.
Die sehen nämlich, so weiß die
Münchner Fashion-PR-Unternehmerin Ala Zander, „alle so
aus, als kämen sie gerade aus
einem Mode-Shooting“. Kaftane von Melissa Odabash, Bikinis
Catch of
the day:
Was diese
Jungs
fangen,
landet
gleich
auf dem
Grill
von Miu Miu oder Taschen von
Nancy Gonzalez müssen schon
sein. Immerhin hat sich hier Starfotograf Mario Testino ein Haus
gekauft und mit „Vogue“-FotoShootings den Ton in Sachen
Style vorgegeben. Die „Coqui
Coqui“-Hotelstammgäste Jade
Jagger und Sienna Miller in
ihren teuren Hippiekleidchen
legen die Messlatte ebenso hoch.
Viel wichtiger noch ist für die
nach Ursprünglichkeit suchenden Tulum-Besucher allerdings
die Abwesenheit von allem, was
mit Internet zu tun hat – denn
gerade in der Modebranche wird
sonst getwittert und gepostet, bis
die Finger schmerzen. „Tulum
dagegen ist Digital Detox“, sagt
Vielarbeiter Michalsky.
Das ist noch untertrieben – in
vielen Restaurants und Hotels
funktionieren nicht mal elektronische Kreditkartenmaschinen, bare Dollars und Pesos sind
angesagt. Solarpanels und Windturbinen liefern Energie, nach 22
Uhr bescheren in etlichen Hotelzimmern nur mehr Kerzen Licht.
Günstig ist das entschleunigte Sonnendasein in Tulum indes
keineswegs. Ceviche, gegrillter
Oktopus oder Maya-Curry werden zu den beinahe gleichen
Preisen serviert wie in New York.
Eine Beach-Villa ist mittlerweile
gut drei Millionen Euro wert.
Tulum lässt sich sein Image
als Öko-Chic-Enklave für übersättigte Szenegänger gut bezahlen. Und die Fashion-Trendsetter zahlen gern. Zum Beispiel
für „ganzheitliches Kartenlesen
zum Finden innerer Weisheit“
als 100-Dollar-Zimmerservice im
„Be Tulum“-Resort, das eine beinahe revolutionäre Klimaanlage
aufweisen kann. Oder für schamanische Entspannungskurse
und Yoga-Stunden am Strand.
Zugegeben: Auch Tulum hat
seit 2014 einen Starbucks. Ausgerechnet bei den Maya-Ruinen.
Dennoch, so Michalsky, wirkt
der Strandort neben dem restlichen von Kriminalität gebeutelten Mexiko „wie eine abgeschottete Öko-Luxus-Utopie“.
Dies wird einem erst recht
bewusst, wenn man die „Casa
Magna“ besucht, ein Resort
mit luxuriösen Beach-Villen.
Der legendäre kolumbianische
Drogenmilliardär Pablo Escobar hatte es einst bauen lassen. Durch seinen Wohnsalon
schallen heute die „Oms“ der
Yoga-Schüler. Im früheren Disco-Raum wird gechillt, in der
Eingangshalle ultragesunder
Weizengrassaft ausgeschenkt.
Koks-Baron Escobar dreht sich
wohl im Grabe um.
n
Marika Schaertl
Tulum-Tipps:
Mérida Cancún
Playa del Carmen
Tulum
MEXIKO
BELIZE
38
Doppelzimmer im Designer-Traum ab
ca. 300 Euro. www.coquicoqui.com
Papaya Playa:
„Hartwood“:
Selbst Promis stehen hier zwei Stunden
für frischen Fisch an.
www.hartwoodtulum.com
so ziemlich der perfekteste Strand der Welt
samt Öko-Yoga-Hotelresort. Bungalows ab
ca. 100 Euro. www.papayaplayaproject.com.
„Posada Margherita“:
„Be Tulum“:
Hacienda Montaecristo:
eines der luxuriösesten Hotels im Urlaubsort
mit privaten Pools und Jacuzzi. Doppelzimmer
ca. 500 Euro. www.betulum.com
Insider lieben die Hummer-Pasta.
www.posadamargherita.com
Boutique für feinste Schals, Schmuck, Lederwaren mit mexikanischem Twist.
www.haciendamontaecristo.com
Focus 40/2015
F oto: Orlando
„Coqui Coqui“-Hotel:
SELECT
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