I 26 I - Schuchmann
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I 26 I - Schuchmann
I 26 I FOTOS: CORBIS/KEREN SU; HUBER IMAGES/ JÜRGEN RITTERBACH; SABINE WULFFERT; XENOS COMM PR I im fokus I Das Weinland Georgien hat sich auf den Weg in die Zukunft gemacht – mit einer sehr eigenständigen Mischung aus Tradition und Moderne Hand aufs Herz: Schon mal was von der Rebsorte Kindzmarauli gehört? Von Khvanchkara, Qvevri, Kisi, Kikhvi? Von Tsitska, Tsolikauri, Tsinandali oder dem Zungenbrecher Tschurtschchela? – Falls nicht, sollten Sie vielleicht mal nach Georgien fahren … Das Land am östlichsten Rande Europas gilt als Wiege des Weinbaus. 8 000 Jahre Geschichte, ganz eigene Kultur, eigene Sprache, eigenes Alphabet, mehr als 500 autochthone Rebsorten, von denen etwa 30 zur Weinerzeugung genutzt werden. Dazu die großartige Gebirgslandschaft des Kaukasus, die Weinfelder von Kachetien im Osten, subtropisches Klima am Schwarzen Meer im Westen, uralte Kirchen und Klöster sowie eine geologische I 27 I Die Stadt Sighnaghi liegt malerisch in den Gombori-Bergen Typische Architektur in der Hauptstadt Tiflis Die Friedensbrücke in Tiflis Die althergebrachte Art, das wohlschmeckende georgische Brot herzustellen Ein Festmahl im traditionellen Gewand I 28 I I Vielfalt, die man anderswo auf 69 700 Quadratkilometern kaum findet. Übrigens: Das Wort Wein stammt der Überlieferung zufolge auch aus dem Georgischen und kommt von „Ghwino“. Wenn die Tochter heiratet, so will es die Tradition, hat der Brautvater für mindestens 1 000 Liter Wein zu sorgen – und für eine Festtafel, die keiner der Gäste so schnell vergisst. Über Jahrhunderte hat sich in Georgien eine sehr ausgeprägte Tafeltradition entwickelt. Die Sitten folgen dabei festen Ritualen: der „Tamada“, der Tischvorsteher, leitet die Tafel mit einem Toast auf die Freundschaft, die Frauen, den Wein oder sonst etwas Lobenswertem ein, der Reihe nach kommt jeder Gast mal dran. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Was ihr Nationalgetränk betrifft, setzen die Georgier voll und ganz auf die Tradition. Auch wenn heute nur noch rund ein Zehntel der Gesamtproduktion in den Qvevris, in die Erde eingelassenen Tonamphoren, vergoren wird: Bei den Rebsorten regiert „König“ Saperavi auf Seiten der Roten beinahe uneingeschränkt, bei den Weißen sind Rkatsiteli, Mtsvane, Tsolikauri, Tsitska, Kisi, Khikhvi und Krakhuna die Favoriten. Die internationalen Modesorten Chardonnay, Merlot, Cabernet & Co. spielen nur eine Nebenrolle. Als Georgien noch zur Sowjetunion gehörte, galt der Wein aus „Grusinien“ (so der russische Name) als der beste im Riesenreich. Seitdem sich die Georgier nach der Wende in Richtung Westen aufgemacht haben, ist die alte Liebe erkaltet. Der amtierende Präsident Michail Saakaschwili bezahlte im August 2008 gar einen bewaffneten Konflikt um das abtrünnige Südossetien, mit dem kurzfristigen Einmarsch der russischen Armee, die bis zur Stadt Gori im Herzen des Landes vorrückte. Fast wie ein Stück ausgleichende Gerechtigkeit mutet da an, dass ausgerechnet der verhasste SowjetDiktator Stalin eigentlich Georgier war … Angst vor den Soldaten braucht heute niemand zu haben bei einer Reise ins älteste Weinland der Welt. Vor allem in Kachetien, gut zwei Fahrstunden von der Hauptstadt Tiflis entfernt, entwickelt sich so langsam der internationale Weintourismus. Im kleinen Dorf Kisiskhevi unweit der „Weinhauptstadt“ Telavi hat der Deutsche Burkhard Schuchmann, zuvor CEO eines M-Dax-Unternehmens, 2006 sein kleines Paradies auf Erden gefunden, 60 Hektar Weinberge gekauft und mit Giorgi Dakishvili einen der talentiertesten Oenologen des Landes als Weinmacher auf Lebenszeit engagiert. Dakishvili, den alle nur „Gogi“ nennen, hat über den traditionellen kachetischen Weinausbau in Qvevris promoviert. Ihm zur Seite steht im Keller der junge Roland Burdiashvili, der sein praktisches Rüstzeug an der Weinbauschule im schwäbischen Weinsberg erhalten hat. Schuchmann Wines Georgia ist inzwischen ein florierender Betrieb mit modernster Kel- im fokus I lerei, einer Gesamtproduktion von 250 000 Flaschen im Jahr (80 Prozent Export) und einem kleinen Weinhotel samt Restaurant. 2011 wurde das Unternehmen mit dem Titel „Best Medium Enterprise of Georgia“ geadelt. Dem Philantrophen Schuchmann geht es vor allem darum, „dem Land etwas von dem zurück zu geben, was ich an Unterstützung und Freundschaft erfahren durfte“. Nur wenige Kilometer entfernt keltert ein anderer Großer der georgischen Weinbereitungskunst, der Oenologe David Maisuradze, tiefgründige, festfleischige Saperavi-Tropfen aus der renommierten Lage Mukuzani, mit fast violetter Farbe. Mehr aus Spaß an der Freud’ produziert der 51jährige obendrein einen exzellenten Tsolikauri-Eiswein aus den kühlen Bergen Swanetiens im Westen. Daneben berät er Unternehmen wie den „Aufsteiger“ Wine Man. Bereits Ende der neunziger Jahre hatte der Tausendsassa den 1915 gegründeten Telavi Wine Cellar nach dem Ende des Sozialismus neu aufgebaut. Wer bei Maisuradze zu Gast ist, braucht in der Regel die beiden nächsten Tage nichts mehr zum Essen. „Was, Ihr seid schon satt?“, fragt er mit breitem Grinsen nach einem Festmahl mit fünf verschiedenen Vorspeisen, Chatschapouri, Auberginen mit Walnuss-Füllung, Chinkali-Teigtaschen, Schaschlik vom Grill, reichlich Salat und Tschurtschchela, eingedicktem Traubensaft mit Nüssen in Form einer langen Wurst, als Nachtisch. „Dabei wollte ich Euch heute noch ins Restaurant einladen …“ Gastfreundschaft auf Georgisch. Auf den Märkten sieht und schmeckt man das wahre Georgien Schafzucht hat in Kachetien Tradition ... Wer in Kachetien unterwegs ist, sollte unbedingt neben den Weinkellern die Klöster Gremi, Nekresi und vor allem Alawerdi besuchen, wo die Mönche nach alter Väter Sitte bemerkenswert guten Qvevri-Wein keltern. Nach der alkoholischen Gärung mit einem Teil der Kämme und Beerenhäute – sie kann mehrere Monate dauern – wird die Amphore luftdicht mit Lehm und einer Steinplatte verschlossen und manchmal erst nach zwei Jahren wieder geöffnet. Das Resultat sind tanninbetonte, tiefdunkle Rote abseits des Mainstreams, oft sehr erdig, mit Aromen von schwarzen Johannisbeeren, gerösteten Mandeln und mitunter einer pflanzlichen Note. Werden weiße Trauben auf dieselbe Art behandelt, entstehen fast noch ungewöhnlichere Tropfen: goldgelb bis roséfarben, gerbstoffhaltig, mit einem Bouquet von Trockenfrüchten, Pfirsich, Aprikosen und Gewürzen, mit großer Länge und Lebendigkeit. Freilich: nicht jeder Qvevri-Wein gelingt, mikrobiologisch ist der „Traditional Kachetian Style“ mitunter ein Ritt auf des Messers Schneide. Wer die Seele eines Landes entdecken will, muss auf die Märkte gehen – zum Beispiel auf den von Telavi: frisches Obst und Gemüse in bester Bio-Qualität, viel Selbsteingelegtes und Wiederverwertbares, daneben der Metzger, der I 29 I I im fokus I mit dem Wedel die Fliegen vom ausgehängten Fleisch vertreibt – man fühlt sich in eine andere Zeit, in einen anderen Raum versetzt. Jeder versucht zu verkaufen, was er hat, um ein paar Lari zu verdienen. Die Armut im Land ist überall sichtbar. Besserung erhoffen sich die Georgier durch den Wein, der bereits das zweitwichtigste Exportprodukt ist, und den Tourismus. Nur wenige Länder auf der Welt haben eine solche landschaftliche Vielfalt auf engem Raum zu bieten. Das berühmte Kloster Gremi in Kachetien Weinernte auf Georgisch Das Weinhotel des Weingutes Schuchmann, ... ... und die Arbeiter bei der Traubenselektion Lado Uzunashvili vom Chateau Mukhrani I 30 I Das Städtchen Sighnaghi, malerisch auf einem Höhenrücken der Gombori-Berge mit weitem Blick über das Alazani-Tal hinüber zum meist schneebedeckten Kaukasus gelegen und von einer kilometerlangen Festungsmauer mit 23 Türmen umgeben, könnte zur Blaupause für die Entwicklung des Weintourismus in Georgien werden. Es gibt mehrere familiäre Hotels und Restaurants, die traditionellen Häuser wurden auch mit staatlichem Geld größtenteils saniert, in mehrere sind Künstler eingezogen. Einer von ihnen, der Maler John H. Wurdeman aus Baltimore, kam 1995 das erste Mal nach Georgien, auf der Suche nach Sängern, die noch die alten polyphonen Gesänge des Kaukasusvolkes beherrschen. Ein Jahr später kaufte er ein Haus in Sighnaghi, danach gründete er gemeinsam mit dem Weinmacher Gela Patalishvili eine Winery – und wenig später eine Familie. Gemeinsam mit seiner Frau Ketevan und den Kindern Lazare und Gvantsa lebt er inzwischen fest in Sighnaghi. „Pheasant’s Tears“ ist das Weingut benannt, nach einem alten georgischen Märchen; produziert werden ausschließlich Qvevri-Weine. Weitaus moderner geht es im ehemaligen Königsgut Chateau Mukhrani 45 Autominuten westlich der Hauptstadt Tbilisi in der Region Kartli zu. Seit der Neugründung 2002 wurde viel Kapital in den Aufbau einer Kellerei auf technologisch neuestem Stand investiert, Chef-Weinmacher Lado Uzunashvili (49) hat lange in Australien und anderen Ländern gearbeitet; er ist stolz darauf, dass sämtliche Trauben nach der Lese innerhalb von sieben bis zwölf Minuten an der Kelter sind und dort sogleich schonend abgepresst werden können. Trotz moderner Technik setzt auch Uzunashvili bei den Traubensorten auf die Tradition. Sein weißer Goruli Mtsvane, der frische Rosé aus der Sorte Tavkveri und der rote Chateau Mukhrani Shavkapito, ein „Autochthoner“ auch er, stehen modellhaft für die Umorientierung des georgischen Weinbaues seit dem russischen Embargo 2006 hin zu neuen Märkten. Etwa die Hälfte der Jahresproduktion von 250 000 Flaschen wird im Land getrunken, bereits 60 000 Flaschen gehen in die EU, weitere 15 000 in die USA – Tendenz steigend. Für die Zukunft hegt man bei Chateau Mukhrani große Pläne: Das Schloss der einstigen Prinzen Bagrationi, zu Sowjetzeiten zur Ruine verfallen, soll in den nächsten Jahren komplett zu einem Luxushotel umgebaut werden, hinzu kommen Pferdestallungen und ein Golfplatz. In der Hauptstadt Tiflis, deren Name „heiße Schwefelquellen“ bedeutet, gehen alte Holzhäuser, die sich an die steilen Hänge hinauf zur Narikala-Festung schmiegen, eine spannende Liaison ein mit russischem Klassizismus, Kirchenkuppeln, Jugendstil, Barock, islamischem Dekor und sozialistischer Monumentalität. Am Rande der Stadt stoßen wir erneut auf den Namen Bagrationi: Die 1882 gegründete Sektkellerei ist die Nr. 1 bei Schaumweinen in Georgien und produziert nur mit einheimischen Sorten etwa 2,5 Millionen Flaschen im Jahr, davon eine Million „Gogi“ Dakishvili ist bei Schuchmann für die Weine verantwortlich nach der klassischen Methode. An der Spitze von Außenwirtschaft und Kellerbetrieb steht seit 2005 (wer hätt’s beim Thema Sekt gedacht?) ein Deutscher: Hilarius Pütz (60). Der aus Wiltingen an der Saar stammende Winzer und Oenologe kam 2007 mit einem Vertrag für sechs Monate nach Georgien – und ist hängen geblieben. Zuvor war er in Deutschland, Luxemburg, der Schweiz und Moldawien als Betriebsleiter tätig. Was ihn an Georgien so fasziniert? „Das Land verfügt mit seinen Traditionen und der Vielzahl autochthoner Rebsorten über großes Zukunftspotenzial und herrliche Landschaften vom Hochgebirge bis zur Steppe. Aber das Wichtigste ist für mich die Herzenswärme und die Gastfreundschaft gerade der einfachen Menschen. Ich fühle mich hier sehr wohl und geborgen.“ Kann man einem Land ein schöneres Kompliment machen? Thomas Brandl I im fokus I Das Weinland Georgien Die Kaukasus-Republik verfügt über ca. 45 000 Hektar Rebfläche – zu Sowjetzeiten waren es mehr als doppelt so viel. Dafür werden heute qualitativ hochwertige Weine produziert, die auch auf den Weltmärkten immer mehr Anklang finden. Die Georgian Wine Association (www.gwa.ge) ist seit 2010 das Sprachrohr des georgischen Weinbaus; 30 vor allem große und mittlere Betriebe gehören ihr an. Die GWA unterstützt die Erzeuger bei der weiteren Qualitätsverbesserung und hilft ihnen beim Exportmarketing, zum Beispiel durch Messeauftritte auf der Düsseldorfer ProWein, wo sich dieses Jahr eine Rekordzahl von 16 Betrieben präsentierte. Im September 2011 organisierte die GWA in Tbilisi mit Unterstützung von USAID das 1. Internationale Qvevri-Symposium mit 60 Experten aus der ganzen Welt. Das mit Abstand wichtigste Anbaugebiet ist das sonnenverwöhnte Kachetien im Osten; aber auch im Zentrum und im kühleren Westen entstehen in Kartli, Imeretien, RatschaLetschchumi und Niederswanetien interessante Tropfen. Aus den subtropischen Regionen am Schwarzen Meer kommen hauptsächlich Süßweine. Georgischer Brandy genießt seit langer Zeit einen guten Ruf. Bester Erzeuger ist Sarajishvili (www.sarajishvili.ge). Maisuradze Wines, www.maisuradzewines.com Schuchmann Wines, www.schuchmann-wines.com Tbilvino, www.tbilvino.com.ge Telavi Cellar, www.tewincel.com Teliani Valley, www.telianivalley.com Tiflisi Marani, www.tmarani.ge Winery Khareba, www.winerykhareba.com voll auf einem Felsen thronende Wehrkirche von Gremi, die Dschwari-Kirche in Mzechta (beides Unesco-Weltkulturerbe), das Alaverdi-Kloster, die Altstadt von Tbilisi und das pittoreske Städtchen Sighnaghi. Die achttägige Reise zur Wiege des Weines kostet 1 775 Euro. Weitere Informationen: www.karawane.de Weintouren-Vorschläge des Tourismusinstituts: www.winetours.ge Das Kochbuch zur Region Wein- und Kulturreise nach Georgien Der Veranstalter Karawane Reisen organisiert unter dem Motto „Kulturelle Highlights und Weinkultur am Fuße des Kaukasus“ vom 29.9. bis 6.10.2012 erstmals eine Exkursion nach Georgien. Zum Programm gehören Einblicke in die Qvevri-Kultur Kachetiens, Besuche in Kellereien wie Chateau Mukhrani, Kindzmarauli, Pheasant’s Tears und Vinoterra / Schuchmann Wines, gemeinsames Brotbacken und die Herstellung von „Tschurtschchela“. Außerdem die eindrucks- Das gerade erschienene Kochbuch „Die georgische Tafel“ glänzt nicht nur mit 151 landes-typischen, hervorragend beschriebenen Rezepten, sondern gibt auch einen kleinen Einblick in Geografie, Sprache und Kultur. Die Rezepte sind nicht bebildert, dafür sind schöne Ansichten vom Leben in Georgien enthalten. Von Nana Ansari, Mandelbaum Verlag, ISBN: 9783854762683, 22,90 Euro. Die wichtigsten Weinproduzenten Georgiens Bagrationi, www.bagrationi.ge Besini, www.besiniwine.ge Binekhi, www.binekhi.ge Chateau Mukhrani, www.mukhrani.com Chelti Wines, www.chelti.com Corporation Georgian Wine, www.cgw.ge Kakhetian Traditional Winemaking, www.ktw.ge Kakhuri, www.kakhuri.com Kindzmarauli Corporation, www.kindzmaraulicorporation.ge Informationen zum Programm und Ticket-Vorverkauf unter www.vdp.de „Große Weine – Große Kunst“ Die Prädikatsweingüter zu Gast in der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin Gemäldegalerie im Kulturforum Potsdamer Platz Matthäikirchplatz | 10785 Berlin 3. September 2012 | 18–22 Uhr | Eintritt 25 Euro Copyright: Staatliche Museen zu Berlin – Gemäldegalerie; Einrichtung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz; Alle Fotos: Jörg P. Anders; Alle Etiketten: VDP. Die Prädikatsweingüter VDP, Weinlager am Zollhafen, Taunusstraße 61, 55120 Mainz www.vdp.de