Anonymisierter Beitrag des Teams Universität Bayreuth

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Anonymisierter Beitrag des Teams Universität Bayreuth
Bayreuth
Universität Bayreuth
Lehren aus der Finanzkrise
Selbstverpflichtung im Subprime-Sektor
Ethische Relevanz der Prinzipal-Agenten-Theorie am
Beispiel des Beratungsprozesses bei der Kreditvergabe
Betreuender Hochschullehrer:
Prof. Dr. Dr. Alexander Brink
Studentische Teammitglieder:
Malte Dold
Henry Höckendorf
Stephanie Langers
Matthias Nagl
Adrian Wenke
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Selbstverpflichtung im Subprime-Sektor
Ethische Relevanz der Prinzipal-Agenten-Theorie am Beispiel des Beratungsprozesses bei der Kreditvergabe
Wettbewerbsbeitrag zum Postbank Finance Award 2009
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung.......................................................................................................................................... 3
2. Über die Nicht-Wertfreiheit der Ursachen der Finanzkrise ........................................................ 4
2.1
2.2
2.3
Bedeutung des homeownership für den Amerikanischen Traum............................................ 4
US-Subprime-Krise ................................................................................................................. 7
(Fehl-)Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten ............................................... 9
3. Ethik der Finanzmärkte ................................................................................................................ 11
3.1
3.2
3.3
Notwendigkeit einer Ethik der Finanzmärkte........................................................................ 11
Wirtschaftsethische Ansätze zur Verknüpfung von Ethik und Ökonomik............................ 12
Finanzmärkte und Wirtschaftsethik....................................................................................... 16
3.3.1 Finanzmarktfunktionen................................................................................................ 16
3.3.2 Ethische Herausforderungen........................................................................................ 17
3.3.3 Orte der Moralimplementierung .................................................................................. 18
4. Grundlagen und Anwendung des Prinzipal-Agenten-Problems bei der Kreditvergabe......... 20
4.1
4.2
Grundlagen der Prinzipal-Agenten-Theorie .......................................................................... 20
4.1.1 Einordnung des Prinzipal-Agenten-Problems in die Neue Institutionenökonomik..... 20
4.1.2 Skizzierung des Prinzipal-Agenten-Problems ............................................................. 20
4.1.3 Ausprägungen der Informationsasymmetrie................................................................ 21
4.1.4 Agenturkosten und Bemühungen zur Reduzierung des Prinzipal-Agenten-Problems 23
Anwendung der Prinzipal-Agenten-Theorie auf den Kreditmarkt im Subprime-Segment ... 24
4.2.1 Predatory Lending ....................................................................................................... 24
4.2.2 Predatory Borrowing ................................................................................................... 26
4.2.3 Relevanz von Predatory Lending und Predatory Borrowing für die Subprime-Krise 27
4.2.4 Rekonstruktion des Prinzipal-Agenten-Problems........................................................ 28
5. Lösungsoptionen für das Prinzipal-Agenten-Problem bei der Kreditvergabe......................... 31
5.1
5.2
5.3
Regelungskontinuum von hard law und soft law .................................................................. 31
Möglichkeiten zur Lösung des Prinzipal-Agenten-Problems................................................ 32
5.2.1 Die autoritäre Lösung: Gesetz ..................................................................................... 32
5.2.2 Die informelle Lösung: Vertrauen............................................................................... 34
5.2.3 Die freiwillige Lösung: freiwillige Selbstverpflichtungen .......................................... 35
Ethische Aspekte der Prinzipal-Agenten-Theorie ................................................................. 36
5.3.1 Moralische Agentur-Theorie als Erweiterung der Prinzipal-Agenten-Theorie ........... 36
5.3.2 Beratungsqualität als Anwendungsfeld der moralischen Agentur-Theorie ................. 36
6. Lehren aus der Finanzkrise........................................................................................................... 38
6.1
6.2
Freiwillige Selbstverpflichtung für den Kreditgeber im Subprime-Segment........................ 38
Ethische Prinzipien: Freiheit, Autonomie, Transparenz und Angemessenheit ..................... 42
7. Ausblick........................................................................................................................................... 42
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Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
1.
Einleitung
Die Ursachenforschung im Zusammenhang der internationalen Finanzkrise ist bislang zweifelsohne
geprägt durch Beiträge von Wirtschaftswissenschaftlern bzw. -politikern. Ökonomisches Vokabular in
Tageszeitungen machte, verteilt über sämtliche Ressorts, wohl nie einen höheren Anteil aus als in den
letzten Monaten. Gleichzeitig ist aber immer wieder zu beobachten, dass in der Gesellschaft der
Wunsch besteht, die Faktoren und Prozesse der Krise auch im Lichte ethischer Kategorien zu diskutieren. Verbände, Parteien, sogar Kirchen schalteten sich regelmäßig in eine vermeintlich nur den Finanzsektor betreffende Diskussion ein. Man muss wohl eingestehen, dass die Wortmeldungen letzterer
Art die Komplexität der Finanzmärkte häufig stark pauschalisierten und dementsprechend mehr als
moralisierende Appelle denn wirkliche Vorschläge für Verbesserungen zu werten waren. Ebenso ist
aber anzumerken, dass rein technisch-ökonomische Analysen zwar eine gewichtige Dimension der
Probleme aufgreifen, dabei aber sicherlich nicht die einzige. Zu sehr, so hat man bisweilen den Eindruck, versteckt sich hinter den detaillierten und hochkomplexen Ausarbeitungen zu den Unvollkommenheiten und fehlgeleiteten Sachzwängen des „internationalen Finanzsystems“ die implizite Annahme, dass alles lediglich ein Problem falscher Anreizsetzung, ein komplexes Prinzipal-AgentenProblem sei. Dieses Postulat der Wertfreiheit der Wirtschaftswissenschaften und der Versuch einer
wertfreien Aufarbeitung der Finanzkrise, wirken aber in diesem Zusammenhang nicht weniger realitätsfern als manche pauschalisierte Forderungen politischer Sonntagsreden.
Diesen Gedanken aufgreifend, soll im Folgenden gezeigt werden, dass man die Ursachen der Finanzkrise nicht nur mit Begriffen der Ökonomie, sondern auch der Ethik beschreiben kann und muss. Ziel
ist es, den Beleg für das Vorhandensein einer wertebasierten Dimension in den Ursachen der Finanzkrise zu liefern, welche ihrerseits die Notwendigkeit einer Suche nach Lösungen und Lehren wertebasierter Natur begründet.
Ausgehend vom US-Immobilienmarkt, von dem aus sich das Platzen einer Subprime-Blase in eine
Finanz- und Wirtschaftskrise globalen Ausmaßes fortsetzte, wird zunächst in einem historischen Exkurs aufgezeigt, wie sehr die Hintergründe, die den Nährboden dieser Krise bildeten, von Anfang an
von Werten und Idealen bestimmt waren (Kapitel 2.1). Nachdem auf diese Weise versucht wurde, ein
Verständnis für den ideellen Kern des Auslösers der Finanzkrise zu schaffen, werden die ökonomischen Wirkungszusammenhänge erläutert, die zu ihrer Entstehung führten. Ausgehend von der USSubprime-Krise (Kapitel 2.2) werden die (Fehl-)Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten
und deren Auswirkungen beschrieben (Kapitel 2.3). Im Ergebnis zeigt sich, dass eine Analyse, die rein
mit ökonomischer Begrifflichkeit arbeitet, nicht in der Lage ist alle (auch ökonomisch relevanten)
Aspekte eines Sachverhalts abzubilden.
Das dritte Kapitel knüpft an diese Erkenntnis an und hebt die Bedeutung einer wirtschaftsethischen
Reflexion der Finanzkrise hervor. Ziel dieses Kapitels ist es Moral und Wettbewerb wieder in Einklang zu bringen und eine Ethik der Finanzmärkte zu konstituieren. Die ursprünglichen Funktionen
der Finanzmärkte im Sinne der Lebensdienlichkeit (v.a. die effiziente Versorgung der Menschen mit
Kapital) treten auf diese Weise wieder in den Mittelpunkt. Dazu wird zunächst die Notwendigkeit
einer Ethik der Finanzmärkte aufgezeigt (Kapitel 3.1), sodann das Verhältnis von Ethik und Ökonomik beschrieben (Kapitel 3.2), um im nächsten Schritt die ethischen Besonderheiten der Finanzmärkte
zu beleuchten (Kapitel 3.3).
Im vierten Kapitel wird versucht, am spezifischen Problem des Predatory Lending und Predatory
Borrowing anzusetzen. Dieses Problem wird als eine bedeutende Ursache der Finanzkrise gesehen und
im Lichte der Prinzipal-Agenten-Theorie rekonstruiert. Zu Beginn werden in einer kurzen Einführung
wesentliche Annahmen, Elemente und Begriffe der Prinzipal-Agenten-Theorie vorgestellt (Kapitel
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Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
4.1). Im Anschluss werden die Begriffe Predatory Lending und Predatory Borrowing definiert und
genauer charakterisiert (Kapitel 4.2).
Kapitel 5 greift – ausgehend von einem Regelungskontinuum von hard law und soft law drei Lösungsoptionen für das Prinzipal-Agenten-Problem auf (Kapitel 5.1). Während auf der einen Seite des Kontinuums die autoritäre Lösung stark regelorientiert ist, stellt das Vertrauen als informelle Lösung auf der
anderen Seite eine stark integritätsorientierte Variante dar. Die freiwillige Selbstverpflichtung wird vor
diesem Hintergrund als eine hybride und semi-formelle Form verstanden (Kapitel 5.2). Sie wirkt auf die
Prinzipal-Agenten-Theorie zurück und fordert sie ethisch heraus. Fasst man sie als moralische AgenturTheorie und nimmt den Beratungsprozess zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer in den Blick, werden
mögliche Lehren aus der Finanzkrise ökonomisch und ethisch fundiert (Kapitel 5.3).
Diese Lehren werden schließlich in Kapitel 6 gezogen, wobei der vorliegende Beitrag eine freiwillige
Selbstverpflichtung als Hybridform stark macht (Kapitel 6.1). In einem ersten Vorschlag werden
Normen mit Blick auf den Kreditgeber, den Kreditnehmer und die Gesellschaft zur Diskussion gestellt
(Kapitel 6.2). Vier ethische Prinzipien – Freiheit, Autonomie, Transparenz und Angemessenheit –
dienen dabei als handlungsleitende Prinzipien (Kapitel 6.3). Im Ergebnis wird eine freiwillige Selbstverpflichtung für Kreditgeber im Subprime-Segment vorgeschlagen, die von vier ethischen Prinzipen
einer Marktwirtschaft getragen wird.
2.
Über die Nicht-Wertfreiheit der Ursachen der Finanzkrise
2.1
Bedeutung des homeownership für den Amerikanischen Traum
Dort, wo die Ursachen der Finanzkrise diskutiert werden, wird in der Regel zuerst auf den Markt für
US-Hypothekenkredite gezeigt, mit dem Verweis auf eine allzu freizügige Kreditvergabe an Kreditnehmer schlechtester Bonität (so beispielsweise Rudolph 2008). Gerade hierzulande wird die in den
USA scheinbar vorherrschende Bereitschaft, für zusätzlichen Konsum hohe Verschuldung in Kauf zu
nehmen, eher skeptisch betrachtet. Der wirtschaftliche Erfolg und daraus resultierende Wohlstand
zeigt allerdings, dass dieses System, trotz der Fehler, die es zuletzt offenbart hat, ökonomisch wie
ideell gut begründet ist. Sind es doch grundlegende ethische Prinzipien wie Freiheit, Autonomie und
Selbstverwirklichung, die die amerikanische Geschichte begleiteten. Demnach ist es nur konsequent,
dass die Lehren aus diesen Fehlern ökonomische wie ethische Argumente berücksichtigen sollten. Ein
kurzer Rückblick, der die historischen Zusammenhänge, die bis zur Weltwirtschaftskrise der 1930er
und weiter zurückreichen, erläutert, soll diese These belegen.
Wie sehr das eigene Heim zum amerikanischen Selbstverständnis von Unabhängigkeit und Selbständigkeit zählt, mag folgendes Zitat ansatzweise beschreiben:
„The sturdy yeoman of Jeffersonian mythology (the small farmer who owned his land, earned a living
on it by the sweat of his brow, and looked any man squarely in the face) was the hard-working repository of national civic virtue, and became, in twentieth century urban setting, the homeowner.“ (Mitchell
1990b: 39)
Die große Bedeutung der Möglichkeit eines jeden Bürgers Land zu erwerben, um frei und unabhängig
seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, war schon durch den „farmer-philosopher“ (Vidal 2003:
109) Thomas Jefferson und der Unabhängigkeitserklärung zu einer der grundsätzlichen Ideen des jungen Amerika erhoben worden. Den Idealen bürgerlicher Grundrechte folgend, insbesondere der Freiheit von Betätigung und Bewegung sowie der Gleichheit von Anrechts- und Teilnahmechancen (vgl.
Wasser 1995: 23), war das Eigentum von Land eine wichtige Voraussetzung für die Selbst-
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Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
verwirklichung des einzelnen. Gleichzeitig bildete es aber auch die Grundlage des Bürgers, verantwortungsvoll seinen Platz in der Gemeinschaft und Gesellschaft einnehmen zu können. Die Teilnahme des
sesshaften und rechtschaffenen Bürgers am öffentlichen Leben, dem Gemeinwesen, der Politik war
wiederum die Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie, einen handlungsfähigen Staat und
eine stabile Gesellschaft (vgl. Mitchell 1990b: 39). Die Übertragung dieser Idee in das 20. Jahrhundert, vom Landbesitz zum Hausbesitz (homeownership), ist somit leicht nachvollziehbar.
Auch aufgrund rasch steigender Einwohnerzahlen in Amerikas Städten1, wurden schon früh nationale
Programme in Sachen Wohnungsbau angestrengt. Richteten sich diese Anstrengungen vor 1930 bei
stetig steigenden Einwohnerzahlen noch hauptsächlich gegen die schlechte Qualität von Wohnungen
und Maßnahmen gegen die drohende Entstehung von Armutsvierteln (vgl. Mitchell 1990a: 6), stellte
die Große Depression Landes- und Bundespolitiker bald vor neue Herausforderungen. Als eine der
Ursachen für den Great Crash von 1929 wird der Kollaps eines vorherigen Immobilienbooms genannt: Wurden 1925 noch 937.000 Bauten begonnen, waren es 1933 nur noch weniger als 100.000
(vgl. Mitchell 1990a: 7). Die Arbeitslosenquote, auf die nicht zuletzt auch die abgekühlte Baubranche
großen Einfluss nahm, lag 1933 bei fast 25% (vgl. Margo 1988: 326). Im Frühjahr selben Jahres lag
die durchschnittliche Zahl von Zwangsvollstreckungen bei 1.000 Häusern täglich (vgl. Jackson 1985:
193). Hinzu kam eine gängige Kreditvergabepraxis für private Bauvorhaben, die äußerst hohe Bonitäts- und Eigenmittelanforderungen an Kreditnehmer stellte und dementsprechend restriktiv war.2 Der
Wohnungsbau, und damit die Idee des homeownership, war am Boden.
Die Schritte, die der US-Kongress ab 1933 gegen die Probleme der Arbeitslosigkeit in der Baubranche, der institutionell begründeten Schwerfälligkeit des Kreditmarktes für Eigenheime sowie der ungenügend hohen Eigenheimquote unternahm, waren von bleibender Bedeutung (vgl. Gordon 2005:
193): Die Einsetzung von Einlagensicherungssystemen3 minderte das Risiko der Einleger und linderte
den Druck auf die Banken, der sie zu stark restriktiver Kreditvergabe zwang. Mit der Schaffung der
Federal Housing Administration (FHA)4 wurde ein System der Hypothekenversicherung geschaffen,
welches Banken und sonstige Kreditgeber für Bau- und Reparaturvorhaben gegen Kreditausfall versicherte (vgl. Semer et al. 1990: 77). Zusätzlich versuchte man die Liquidität auf dem Hypothekenmarkt
zu erhöhen, indem man einen Zweitmarkt für Hypotheken schaffte. Die Federal National Mortgage
Association (FNMA) wurde 1938 gegründet, um Hypothekenkredite, und damit Kreditrisiken, von
Banken aufzukaufen, was diesen die Vergabe weiterer Kredite ermöglichte. Diese Aufgabe erfüllt die
FNMA, mittlerweile unter der Firmierung Fannie Mae, grundsätzlich heute noch (vgl. Abrahams
2006: 39).
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3
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Zwischen 1850 und 1890 wuchs Chicago von 30.000 auf über 1,1 Millionen Einwohner (vgl. Mitchell 1990a: 5).
Es war gängige Praxis unter Kreditgebern, Kredite für private Bauvorhaben nur für die relativ kurze Laufzeit
von fünf bis sieben Jahren und anschließender voller Rückzahlung zu vergeben. Zudem wurden Hypotheken
nur bis maximal der Hälfte des Gebäudewertes beliehen (mortgage loan-to-value ratio). Dies bedeutete für
den Kreditnehmer entweder eine mindestens hälftige Anzahlung aus eigenen Mitteln zu leisten, oder eine
zweite Hypothek in Höhe der Hälfte der verbleibenden Hälfte des Gebäudewertes aufzunehmen. Auch dann
jedoch war noch immer eine Eigenfinanzierung von mindestens einem Viertel des Hauswertes nötig. Es zeigt
sich, dass nur relativ zahlungskräftige Kreditnehmer in der Lage waren solch hohe Anforderungen an Kapitaldienst und Eigenmittel zu erfüllen und eine Kreditfinanzierung insgesamt ein sehr mühsames Unterfangen
war (vgl. Gordon 2005: 191).
Die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC), hervorgegangen aus dem Glass-Steagall Banking Act
von 1933, existiert bis heute (vgl. Scott 2004: 76). Die Federal Savings and Loan Insurance Corporation
(FSLIC), entstanden aus dem Banking Act von 1934, hatte bis 1989 Bestand (vgl. Schöner 1997: 117).
Seit ihrer Entstehung durch den National Housing Act von 1934 besteht die FHA bis heute fort, jedoch seit
1965 unter dem Dach des Departement of Housing and Urban Development’s Office of Housing (HUD).
http://www.fha.com/hud-fha-01.cfm.
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Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Diese Maßnahmen (und weitere) schafften es größere Vertragssicherheit und damit Liquidität in den
Markt für Immobilienkredite zu bringen, die Baubranche zu beleben und damit auch das Problem der
Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Bedenkt man zusätzlich, dass die Eigenheimquote zwischen 1920 und
1960 von 46% auf 62% stieg (vgl. Gordon 2005: 188), müssen diese aus der Not der Großen Depression
geborenen Initiativen auch im Hinblick auf die Ausweitung des homeownership als großer Erfolg gewertet werden. Gleichzeitig vollzog sich aber auch ein grundlegender Wandel im Selbstverständnis der amerikanischen Gesellschaft: Mit einem stabilisierten Häusermarkt sowie der verbesserten Verfügbarkeit
langfristiger Hypothekendarlehen auch für relativ junge Kreditnehmer5, wurde ein Hauskauf verhältnismäßig früh im Leben (sowohl als Vermögensanlage als auch zur Altersvorsorge) die Regel (vgl. Gordon
2005: 190). Die amerikanische Ideologie um die Tugenden Fleiß und Sparsamkeit musste also gezwungenermaßen erweitert werden und zulassen, dass fleißige und sparsame Bürger gleichzeitig über weite
Teile ihres Lebens beträchtlich verschuldet sein können (vgl. Mitchell 1990b: 43).
Ein zweites historisches Ereignis, neben der Großen Depression, aber war es, welches diese neue
Selbstverständnis erst wirklich in großem Maße Realität werden ließ. Mit dem Zweiten Weltkrieg,
während dessen Verlauf zwischen 1941 und 1945 über 15 Millionen US-Amerikaner eine Uniform
trugen (vgl. Mitchell 1990a: 8) entstand die neue und immens einflussreiche Interessengruppe der
Veteranen. Ihren Wünschen und Nöten nicht uneingeschränkt zu entsprechen stand nicht zur Debatte,
verdienten sie doch die Dankbarkeit der ganzen Nation. Außerdem wären eventuelle Einwände politisch unklug gewesen, wollte man nicht undankbar oder gar unpatriotisch genannt werden (vgl. Lang
et al. 2008: 232). Im Zuge einer möglichst guten Re-Integration der Veteranen, wurden also verschiedene Programme im Zusammenhang mit akademischer sowie beruflicher Ausbildung, Arbeitslosenunterstützung und eben auch Unterstützung beim Eigenheimerwerb eingesetzt (vgl. U.S. President’s
Commission on Veterans’ Pensions 1990: 107). Die Rückkehr der Soldaten brachte damit das seit der
Großen Depression (und aufgrund der Bindung beträchtlicher Kapazitäten durch den Krieg) ohnehin
noch nicht gelöste Problem des Wohnungsmangels zurück auf die politische Agenda (vgl. von Hoffmann 2000: 306). Harry Truman stellte das Wohnungsproblem gar in das Zentrum seines Wahlkampfes im Jahr 1948, mit dessen Hilfe er seinen für viele – vor allem die Republikanische Partei – überraschenden Sieg feiern konnte (vgl. von Hoffman 2000: 308). Schließlich konnte der Housing Act of
1949 verabschiedet werden, auf dessen Grundgedanken seitdem vielfach Bezug genommen wurde
(vgl. Martinez 2000: 467). Sein zentrales Anliegen – „the realization as soon as feasible of the goal of
a decent home and suitable living environment for every American family“ – stärkte die Vision von
der democratization of homeownership (Martinez 2000: 468) und wirkt bis heute nach, so dass manche gar ein „right to housing“ darin begründet sehen (vgl. Hartman 1998). Obwohl die Auswirkungen
des Gesetzes differenziert zu betrachten sind6, ist sein Einfluss auf das gesellschaftliche Selbstverständnis des American Dream nicht zu verleugnen.
Die mit den oben beschriebenen Reformen des New Deal geschaffene Architektur des USHypothekenmarktes existiert – natürlich in wesentlich höherer Komplexität – bis heute fort. Auch die
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Mit Hilfe der FHA war es nunmehr möglich die üblichen Anzahlungen drastisch zu senken (1960 nur mehr
3%) und die Laufzeit auf bis zu 30 Jahre auszudehnen. Damit ging eine vollständige Tilgung der Hypothek
zum Ende der Laufzeit einher, das Haus ging in das Eigentum des Kreditnehmers über. Diese wesentlich einfachere und auch weniger eigenmittelintensive Praxis ermöglichte folglich einen Häuserkauf auch für relativ
jüngere Kreditnehmer (vgl. Gordon 2005: 193).
Eine in den letzten Jahren stabil um 68% schwankende Eigenheimquote (vgl. U.S. Bureau of the Census
2009: 4) nennen manche eine der bedeutendsten nationalen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts (vgl. Martinez 2000: 468). Gleichzeitig förderte das Gesetz u.a. aber auch die Zementierung sozialer Ungleichheit, indem es ethnische Minderheiten und ohnehin Einkommensschwache ungenügend förderte (vgl. von Hoffman
2000; Martinez 2000).
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Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Bedeutung des homeownership, die Vision vom Eigenheim für jede amerikanische Familie, und der
staatlichen Übernahme der gesellschaftlichen Verantwortung diese Vision zum Leben zu erwecken
(wie im Beispiel der Veteranen) ist heute nicht weniger aktuell als vor 80 Jahren. Es zeigt sich, dass
die Grundlage, auf der eine Subprime-Blase entstehen und schließlich zur Finanzkrise wachsen konnte, sowohl ökonomische, als auch wertebasierte Wurzeln hat. Damit sei schließlich der Beleg für die
Notwendigkeit erbracht, dass sich Lehren aus der Finanzkrise nicht nur auf ökonomische, sondern
auch ethische Belange erstrecken müssen.
Mit dem Wissen über die institutionellen und ideellen Grundlagen des US-Immobilienmarktes aus
diesem historischen Exkurs im Hinterkopf, wird nun im Folgenden versucht die Wirkungskette der
Ursachen, die zur gegenwärtigen Finanzkrise führten, darzustellen. Ausgehend von den jüngeren Entwicklungen auf dem US-Immobilienmarkt, wird erläutert, wie Probleme auf einem lokalen Markt
globale Auswirkungen haben können. Zuletzt werden kurz bereits in Politik und Wissenschaft diskutierte Lehren aus der Finanzkrise skizziert.
2.2
US-Subprime-Krise
Trotz der großen Komplexität der Vorgänge im Zusammenhang mit der Finanzkrise, wird als ihr Auslöser einvernehmlich der US-Hypothekenmarkt genannt (Sachverständigenrat zur Begutachtung der
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 2008: 124), dort insbesondere im Subprime-Segment.7 Auf dieser
Einschätzung wird auch folgenden Kapiteln dieses Beitrages angesetzt und aufgebaut werden. Jener
Subprime-Markt, welche hauptsächlich Kreditnehmer schlechtester Bonität bedient, verzeichnete seit
Mitte der 1990er großes Wachstum (mit einer Unterbrechung durch das Platzen der Internet-Blase
2000/2001) und erreichte 2005/2006 mit einem jährlichen Volumen von über $600 Milliarden (über
20% des gesamten Hypothekenmarktes) seinen Höhepunkt. Die Zahl der durch Subprime-Kredite in
den ersten sechs Jahren des neuen Jahrhunderts neu entstandenen Eigenheime kann auf etwa fünf Millionen geschätzt werden (vgl. Jaffee 2008: 9ff).
Die Entstehung dieses Marktsegments wurde überhaupt erst durch verschiedene Gesetzesänderungen
möglich. Bis 1980 war es beispielsweise nicht zulässig das höhere Risiko von Subprime-Krediten in
die Vertragsgestaltung einfließen zu lassen, bzw. den Kredit variabel zu verzinsen, da bundesweite
Obergrenzen für Zinsen und Gebühren bestanden (vgl. Chomsisengphet/Pennington-Cross 2006: 38).
Eine technische Innovation, die das Immobiliengeschäft als ganzes erleichterte, war die verstärkte
Automatisierung der Bonitätsprüfung. Mit Hilfe hochentwickelter ökonometrischer Modelle wurde
nicht nur ein auf Millionen von Datensätzen beruhendes und dementsprechend präzises, sondern auch
sehr kostengünstige Verfahren der Bonitätsprüfung gängige Praxis. Die Fähigkeit Kontrahentenrisiken
sehr detailliert bewerten zu können, eröffnete weiterhin die Möglichkeit Kreditnehmern, die bei traditioneller Prüfung einfach abgelehnt worden wären, individuelle, das zusätzliche Risiko einpreisende,
Angebote zu machen (vgl. Green/Wachter 2007: 35f).8 Spezielle Kreditangebote wurden kreiert, um
diese bislang vernachlässigte Kundengruppe gezielt anzusprechen. Eine unter vielen Varianten solcher
Kreditangebote sicherte beispielsweise eine fixe, unter Marktniveau liegende Verzinsung für die ersten
7
8
Abhängig von deren Kreditrisiko, ist die grundsätzliche Klassifikation von Hypothekenkredite entweder
Prime, Jumbo, Alt-A oder Subprime (vgl. Mizen 2008: 535). Obwohl es mehrere Ansätze zur Abgrenzung
des Subprime-Segments gibt, sei an dieser Stelle eine Definition in Abhängigkeit vom Kreditnehmer gewählt: Dieser hat eine schlechte Bonitätshistorie, weist ein aktuell schlechtes Kredit-Scoring auf und hat ein
Kapitaldienst-Einkommens-Verhältnis von über 50% (vgl. Sengupta/Emmons 2007).
Alan Greenspan, damals noch Vorsitzender der US-Notenbank, nannte diesen Umstand 2005 einen großen
Fortschritt. Insbesondere weißt er darauf hin, dass das Entstehen eines Subprime-Segments erstmals die breite Verfügbarkeit von Hypothekenkrediten für Geringverdiener und Minderheiten ermöglicht (vgl. Greenspan
2005).
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Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
beiden Jahre zu, jedoch eine variable Verzinsung für die folgenden 28 Jahre Laufzeit (vgl. Kiff/Mills
2007: 8). Die Grenze zwischen derartigen Lockangeboten und Verträgen mit unverhältnismäßig hohen
Gebühren und Wucherzinsen, die gezielt die geringe Branchenkenntnis der Zielgruppe ausnutzten
(Predatory Lending), waren bisweilen fließend (vgl. Carr/Kolluri 2001).
Die Frage, wieso es zu einem solch rapiden Wachstum des Subprime-Segments in relativ kurzer Zeit
kommen konnte, muss zunächst mit Hinweis auf das sogenannte originate-to-distribute (O&D) Modell beantwortet werden (vgl. Rudolph/Scholz 2008: 14).
Wie bereits weiter oben beschrieben, war schon in den 1930ern ein Zweitmarkt für Hypothekenkredite
gebildet worden. Staatsnahe und private Hypothekenbanken übernahmen die Kreditrisiken der ursprünglich kreditgebenden Institute oder Makler, und ließen sich dies mit Provisionen vergüten. 1968
begann die Government National Mortgage Association (Ginnie Mae) damit Hypothekenkredite aus
Programmen der FHA und der Veteran Administration in Pools zusammenzufassen, zu verbriefen und
als Wertpapiere an den Zweitmarkt weiterzugeben. Wurde diese Art der durch Immobilienvermögenswert gesicherten Wertpapiere (Mortgage Backed Securities, MBS) noch in „full faith and credit“
der US-Regierung angeboten, traten ab den 1980ern auch private Anbieter von MBS auf, jedoch zunächst nur im Prime-Segment (vgl. Mizen 2008: 536). Mitte der 1990er wurde es auch üblich MBS
aus Subprime-Krediten anzubieten. Deren Ausfallrisiken sind jedoch nicht nur höher, sondern auch
teilweise sehr schwer zu ermitteln, aufgrund der sehr großen Vielfalt an Varianten der Vertragsgestaltungen (vgl. Chomsisengphet/Pennington-Cross 2006: 32).
Das starke Wachstum des Subprime-Segments wird also in diesem Zusammenhang damit erklärt, dass
Investoren verstärkt risikoreiche, dafür renditestarke MBS privater Anbieter nachfragten (vgl. Demyanyk/van Hemert 2008: 24). Dies bewog augenscheinlich zahlreiche Makler dazu ihre Vergabestandards zu senken, da deren Vergütung sich hauptsächlich am Volumen und nicht der Qualität eines
Kreditabschlusses orientierte (vgl. Kiff/Mills 2007: 7).9 Die Qualität der Abschlüsse konnte auch deswegen so stark abnehmen, da von Konsumentenseite ebenso große Nachfrage bestand. Die über das
letzte Jahrzehnt stetig steigenden Häuserpreise führten dazu auch Kredite aufzunehmen, deren Schulddienst man wissentlich nicht bedienen können würde, bestand doch im Zweifel immer die Möglichkeit
das im Preise gestiegene Haus verkaufen (vgl. Green/Wachter 2007: 37).
Flächendeckende Kreditausfälle und Zwangsvollstreckungen, stagnierende und bald danach fallende
Häuserpreise sowie steigende Zinssätze waren ab Anfang 2007 sich gegenseitig verstärkende Faktoren, die das Ende des Booms einläuteten und gleichzeitig den US-Immobilienmarkt in eine bis auf
weiteres nicht überwundene Krise stützten. Dabei waren es vor allem 2006 geschlossene Kreditverträge schlechter Qualität und mit variabler Verzinsung, Lockangebote also, welche diese Negativspirale
hauptsächlich befeuerten (vgl. Kiff/Mills 2007: 8f).
Das Ende dieses Subprime-Booms war jedoch auch mit nur kurzer Verzögerung gefolgt von einer
„schweren systemischen Störung“ des internationalen Finanzsystems im Sommer 2007 (Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 2008: 91). Wie kann es
sein, dass Entwicklungen eines Segments eines spezialisierten nationalen Marktes das gesamte internationale Finanzsystem in Aufruhr versetzen können?
9
Zwar hatten Originatoren Garantien bezüglich der Einhaltung von Mindeststandards der abgeschlossenen
Kredite an den Käufer der MBS abzugeben. Jedoch waren sie keineswegs ausreichend mit Kapital unterlegt,
um diese Garantien im Falle großflächiger Kreditausfälle, auch halten zu können, was aber Investoren offenbar nicht abschrecken konnte (vgl. Green/Wachter 2007: 41).
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Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
2.3
(Fehl-)Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten
Auch die Antwort für diese Frage ist im Zusammenhang mit dem bereits oben beschriebenen O&DModells zu suchen: Die Organisation des modernen Verbriefungsprozesses umfasst, vereinfacht dargestellt, zunächst einen Originator, der Hypothekenkredite generiert, ordnet und in Pools zusammenfasst. Dieser Forderungspools werden an eine eigens dafür eingerichtete Zweckgesellschaft (Special
Purpose Vehicle, SPV) verkauft, so dass eine eventuelle Insolvenz des rechtlich unabhängigen SVP
den Originator nicht belasten kann. Die Forderungen werden daraufhin verbrieft, ihre Qualität von
Rating Agenturen bewertet und schließlich über ein Bankenkonsortium als MBS an den Markt gebracht (vgl. Rudolph et al. 2007: 40ff). Um den Ansprüchen unterschiedlicher Investoren gerecht zu
werden, werden diese MBS wiederum in verschiedene Tranchen gegliedert, welche sich nach dem
Rating des unterliegenden Forderungspools richten. Je besser das Rating der Tranche, desto sicherer
kann der Käufer sein auch bei Forderungsausfällen noch bedient zu werden. Da jedoch schlecht gerankte Tranchen von MBS kaum Absatz finden, werden diese risikoreicheren Stücke zusammen mit
anderen forderungsbesicherten Wertpapieren gepoolt, mit Mitteln des Sicherheitsverstärkung10 zusätzlich abgesichert, und (im Fall von Subprime-MBS) sehr häufig als Teile von Collateralized Dept Obligations (CDO) abermals verbrieft. Durch die Mischung von Elementen unterschiedlicher Bonität und
Herkunft (Diversifikation) und Mitteln der Sicherheitsverstärkung ist es so entstandenen CDOs möglich auch wieder bestmögliche Ratings aufzuweisen. Da sich auch hier zwangsläufig Tranchen
schlechterer Bonität ergeben, können weitere Umstrukturierungen und Verpackungen zu CDO² oder
gar CDO³ erfolgen (vgl. Kiff/Mills 2007: 5). Zusätzlich ist zu bedenken, dass derartige CDOs nicht
nur aus MBS bestehen, sondern auch andere verbriefte Forderungen aus z.B. Kreditkartengeschäften,
oder Autofinanzierungen enthalten, welche ihrerseits bereits verschiedene Stufen der Restrukturierung
und Verbriefung durchlaufen haben können, wodurch die Komplexität abermals erhöht wird.11
Nahezu alle Subprime-Kredite aus den Jahren 2004 bis 2007 wurde auf diese Weise verbrieft und ein
großer Anteil davon wurde von Managern von CDOs aufgekauft, welche wiederum regen Absatz bei
nationalen wie internationalen Investoren fanden.12 Diese schienen jedoch in Folge der zuletzt sehr
günstigen Marktbedingungen eine gewisse „Selbstgefälligkeit“ in Sachen Risikobewertung entwickelt
zu haben, so dass sie an der zunehmenden Undurchschaubarkeit der von ihnen gehandelten Produkte
keinen Anstoß nahmen und blind auf das Urteil der Rating Agenturen vertrauten (vgl. The President’s
Working Group on Financial Markets 2008a: 8).13 Das Financial Stability Forum vertritt eine ähnliche
Position und argumentiert, dass die Entwicklungen im Handel innovativer Produkte wesentlich schneller verlief, als die Entwicklung von Ansätzen zum Management der damit verbundenen Risiken folgen
konnte (vgl. Financial Stability Forum 2008: 5).
10
11
12
13
Ein Mittel der Sicherheitsverstärkung (credit enhancement) ist z.B. Übersicherung (vgl. Rudolph et al. 2007:
46; Kiff/Mills 2007: 5).
Es leicht nachzuvollziehen, dass Potential und Risiken derart komplex strukturierter Produkte, bei dem keines dem anderen gleicht, schwer zu bewerten sind. Selbst die Zusammensetzung ist nicht immer nachzuvollziehen, so dass ironischerweise die Käufer solcher Produkte nicht selten die SPVs jener Originatoren sind,
welche ursprünglich die zugrundeliegenden Kreditrisiken verkauft haben (vgl. Mizen 2008: 538).
Der Bedarf nach rentablen, innovativen Produkten war hoch, was King (2007) mit einem historisch niedrigen
Zinsniveau begründet. Dies führt er auf zuletzt hohe Sparquoten v.a. asiatischer Staaten zurück (unter dem
Stichwort „Global Saving Glut“, s. Bernanke 2005).
Jaffe (2008: 25) widerspricht dieser Einschätzung mit dem Einwand, dass unter den betreffenden Anlegern
ausschließlich die größten und professionellsten institutionellen Investoren zu finden waren. Daher hält er die
Annahme, betreffende Akteure hätten sich blenden lassen oder wären nachlässig gewesen, für wenig plausibel.
9
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Der Beginn großflächiger Ausfälle von Subprime-Krediten machte sich Mitte 2007 bei den Anlegern
oben beschriebener strukturierter Produkte bemerkbar und das Mistrauen über deren korrekte Bewertung veranlasste sie, sich in großem Umfang aus dem Handel dieser Produkte zurückzuziehen.14 Der
zuletzt sehr große Risikoappetit der Marktteilnehmer nahm radikal ab und die Nachfrage nach forderungsbesicherten Wertpapieren und sonstigen strukturierten Produkten nahm drastisch ab (vgl. Financial Stability Forum 2008: 6). Daraufhin gerieten nicht nur Kreditinstitute, die sehr intensiv und mit
hohem kurzfristigem Fremdfinanzierungsanteil (vgl. Jaffee 2008: 27) an Subprime-Krediten beteiligt
waren, in erhebliche Refinanzierungs- und Liquiditätsprobleme (z.B. die Investmentbank Bear
Stearns). Auch bei Kreditinstituten, die in strukturierte Produkte (wie CDOs) investiert hatten, verhinderte deren Komplexität sowie die faktische Abwesenheit eines aktuellen Marktpreises eine verlässliche Bewertung. Dies führte zu Zweifeln an der Adäquatheit der Eigenmittelunterlegung der Risikopositionen sowohl im eigenen Haus, als auch bei anderen Banken, bei denen man Anlagen mit Subprime-Beteiligung vermutete (vgl. The President’s Working Group on Financial Markets 2008a: 9). Es
wuchsen somit Zweifel an Bonität und Zahlungsfähigkeit der Kreditinstitute, denen man selbst Kredite
gewährt hatte. Da aber alle großen Geschäfts- und Investmentbanken gegenseitige Kreditbeziehungen
unterhielten, ohne die ihre Refinanzierbarkeit gefährdet gewesen wäre, stellte dieses Misstrauen ein
erhebliches systemgefährdendes Element dar (vgl. Jaffee 2008: 6). Noch wesentlich bedrohlicher war,
aus den selben Grund, der völlige Ausfall eines solchen vernetzten, „systemrelevanten“ Instituts. Dies
wurde durch die Insolvenz von Lehman Brothers September 2008 in vollem Umfang unter Beweis
gestellt (vgl. Deutsche Bank Research 2008: 26).
Die daraus entstehenden Trends (zunehmende Risikoaversion bei Anlageentscheidungen, verringerte
Liquidität im eigenen Institut, Ungewissheit über die Stabilität anderer Finanzinstitute, Ungewissheit
über den fundamentalen Wert strukturierter Produkte im eigenen Portfolio, sich täglich verschlechternde Prognosen über die makroökonomischen Auswirkungen der sich anbahnenden Krise) verstärkten sich im Folgenden gegenseitig und wirkten sich zunehmend auch auf produzierende Unternehmen
aus, deren Finanzierungsmöglichkeiten, in einem Umfeld geprägt von restriktiver Kreditvergabe und
unberechenbaren Kapitalmärkte, erheblich eingeschränkt wurden (vgl. Financial Stability Report
2008: 6). Auf diese Weise war also nicht nur eine Finanzkrise internationalen Ausmaßes entstanden,
sondern auch ein Problem für die globalisierte Realwirtschaft geschaffen worden.
Diese Geschehnisse zogen zum Teil extreme Reaktion von Notenbanken und Regierungen nach sich,
die auch zum jetzigen Zeitpunkt noch das Tagesgeschehen unangefochten dominieren. Auch ist mittlerweile die Ursachenanalyse zur internationalen Finanzkrise so weit fortgeschritten, dass in Politik
und Wissenschaft bereits einige Lehren diskutiert werden. Nur einige Beiträge sollen im Folgenden
kurz skizziert werden.
The President’s Working Group on Financial Markets (2008a/b) hält es für unerlässlich, den Originationsprozess für Hypothekenkredite zu reformieren. Sie stellen die Probleme falscher Anreizsetzung im O&D-Modell heraus, namentlich die rein abschlussorientierte Vergütung originierender
Makler. In dem Wissen, den Kredit ohnehin sofort verbriefen und weiterverkaufen zu können,
wurde die Bonitätsprüfung nicht immer mit der nötigen Sorgfalt durchgeführt. In diesem Zusammenhang werden aber auch Investoren kritisiert, welche es versäumt haben, das Einschleichen
schwächerer Vergabestandards zu verhindern und auch sonst nicht ausreichend Anstrengungen unternommen haben, um die Risiken der von ihnen erworbenen Wertpapiere zu bewerten. Kritik wird
14
Allein im letzten Quartal 2007 sank das Volumen gehandelter forderungsbesicherter Wertpapiere um $370
Milliarden, ein Drittel des Gesamtvolumens (vgl. The President’s Working Group on Financial Markets
2008a: 9).
10
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
zudem geübt an Rating-Agenturen, deren Bewertungsmethoden für strukturierte Produkte sich als
höchst ungenügend entpuppten.
Rudolph und Scholz (2008) betonen, dass nicht einzelnen Aspekten die Schuld für die Krise zu
geben ist, sondern es vielmehr ein unheilvolles Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren war.
Dennoch heben auch sie die Mängel im O&D-Modell sowie den methodologischen Unzulänglichkeiten bei der Bewertung strukturierter Wertpapiere durch Rating-Agenturen hervor.
Eine ähnliche Richtung schlagen Franke und Krahnen (2008) ein, wenn sie die Frage nach der Zukunft von Verbriefungen stellen und dessen Mangel an Transparenz kritisieren. Zusätzlich bringen
sie die Komponente der Verantwortlichkeit von Entscheidungsträgern in Finanzinstituten in die
Diskussion mit ein, deren Vergütungspakete sich stärker an langfristigen Zielen zu orientieren hätten und systemgefährdendes Verhalten sanktionieren sollten.
Das Financial Stability Forum (2008) erwähnt zusätzlich eine notwendige Anpassung von Risikomanagementtechniken sowie Mindesteigenkapitalanforderungen für Kreditinstitute im Zusammenhang mit strukturierten Produkten. Auch Regulierung, Berichterstattung und Management von
Zweckgesellschaften im Zusammenhang mit forderungsbesicherten Wertpapieren wird angesprochen. In Sachen Aufsicht wird zudem ein stärkeres Augenmerk auf drohende Liquiditätsrisiken
empfohlen.
Schließlich fügt Mizen (2008: 563) zu den bereits genannten Punkten noch hinzu, dass es notwendig sei auch Belange von Rechnungslegung im Zusammenhang mit aufsichtsrechtlich festgelegten
Mindesteigenkapitalanforderungen zu überdenken, wobei er insbesondere auf die Nachteile des
Fair -Value Grundsatzes in turbulenten oder gar illiquiden Märkten hinweist.
Wie erwähnt, soll diese Aufstellung bereits diskutierte Lehren aus der Finanzkrise lediglich anreißen.
Sie hatte den Zweck zu verdeutlichen, wie viele verschiedene Aspekte und Akteure umfassend, wie
breit gefächert und divers mögliche Lehren sind, die aus der internationalen Finanzkrise gezogen werden können.
3.
Ethik der Finanzmärkte
3.1
Notwendigkeit einer Ethik der Finanzmärkte
Durch das Zusammenwachsen der internationalen Finanzmärkte hat auch deren Einfluss auf Wirtschaft
und Gesellschaft stark zugenommen, wie im zweiten Kapitel deutlich wurde. Die Finanzwirtschaft dominiert die Vorgänge der Realwirtschaft zunehmend, da mit Finanztransaktionen in den letzten Jahren
sehr viel höhere Erträge zu erzielen waren als mit dem Handel von realen Gütern. Anfang dieses Jahrhunderts erreichte die Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte ihren vorläufigen Höhepunkt
(vgl. Scherer 2003: 15). Kapitalverkehrskontrollen fielen nach und nach weg und einzelne Staaten waren
immer weniger im Stande den internationalen Kapitalverkehr zu überwachen. Globale Finanztransaktionen unterwanderten nationalstaatliche Regulierungen, ohne dass supranationale Steuerungsinstitutionen
diese Lücke füllen konnten.
Unterstützt wurde diese Tendenz durch die standardökonomische Annahme, dass solch ein freier Kapitalverkehr den Akteuren erlaube, ihre Risiken zu minimieren und ihr Portfolio an Investitionen zu
optimieren. Das verfügbare Kapital sollte so der produktivsten Verwendung zugeführt werden. Die
Politik versuchte dabei lokale Kapitalmärkte für internationale Anleger zu öffnen und möglichst attraktiv zu machen, um nicht einem Wettbewerbsnachteil im globalen Finanzmarkt ausgesetzt zu sein.
Die Vernetzung der Finanzmärkte hat hierbei zu schwer durchschaubaren Wechselbeziehungen und
Abhängigkeiten geführt. Gerade in der aktuellen Finanzkrise zeigt sich, dass damit eine starke Ver-
11
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
wundbarkeit des internationalen Finanzsystems einhergeht.
In der Literatur findet sich aber nur relativ wenig zum Thema Ethik der Finanzmärkte (vgl. Koslowski
1998; Scherer 2003; Prinz Nikolaus/Mahari 2003; im Englischen Boatright 1999 und Bonvin/Dembinski
2002). Der Grund hierfür liegt wohl in der Trennung von ökonomischer und ethischer Analyse. In der neoklassischen Theorie wird das ökonomische Gut der Effizienz unabhängig vom ethischen Gut der Gerechtigkeit bestimmt. Die Standardannahme der letzten Jahre war, dass auf den Finanzmärkten effiziente Ergebnisse ohne Bezugnahme auf Ethik erreicht werden. Erfahrungen der letzten Monate zeigen jedoch, dass
diese Annahme falsch ist. Finanzmärkte sind auf eine Wirtschaftsethik angewiesen, um Krisen vorzubeugen bzw. um Sicherheit und gegenseitiges Vertrauen der Marktakteure zu gewährleisten.
Ein Ansatz, der ethische Überlegungen mit wirtschaftswissenschaftlichen Analysen systematisch verknüpft, ist eine mögliche Antwort auf die momentan in der Literatur kursierenden, oft zu wenig interdisziplinär gedachten Analysen zur Finanzkrise. Klar ist, dass sich die Akteure auf den Finanzmärkten an ihren
Gewinninteressen orientieren. Nur so kann gewährleistet werden, dass der Markt seine Allokationsfunktion
erfüllt sowie Fehlsteuerungen und Ineffizienzen vermieden werden (vgl. Scherer 2003: 21). Andererseits ist
ebenso einleuchtend, dass Finanzmärkte nicht per se funktionieren, sondern der Regulierung bedürfen.
Spätestens hier ist eine ethische Orientierung unerlässlich, da es nicht nur um die Durchsetzung individueller Interessen, sondern um Ziele politischer Gemeinschaften geht. Aufgabe der Wirtschaftsethik ist es, die
individuellen Interessen zu transzendieren, um zu einer gemeinschaftlichen Ausrichtung des Marktergebnisses zu gelangen. Es geht zum einen darum, welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten sollen, innerhalb derer sich marktliche Beziehungen entfalten. Wirtschaftsethik schafft den Raum, in dem die Akteure auf den Finanzmärkten ihren Interessen nachgehen können. Sie ist die notwendige Bedingung für das
effiziente Funktionieren des Finanzmarktes (vgl. Scherer 2003: 22). Zum anderen will Wirtschaftsethik
durch aufgeklärtes Eigeninteresse und individuelle Selbstbindung die hinreichende Bedingung für ein stabiles Finanzsystem schaffen. Die Deregulierungen der letzten Jahre funktionieren nur, wenn die mit größeren
Freiheiten ausgestatteten Akteure auf den Finanzmärkten auch bereit sind, die damit verbundene größere
Verantwortung zu übernehmen.
Viele Ökonomen argumentieren, dass Krisen als Strukturprinzip dynamischer Finanzmärkte wichtig
seien. Dazu kann man sagen, dass dies ex post vielleicht plausibel ist. In Krisen fallen jedoch auch
erhebliche Kosten für den Steuerzahler an. Schulden werden zu Lasten zukünftiger Generationen gemacht und geringere Wachstumsraten führen zu erhöhter Arbeitslosigkeit. Deswegen ist es womöglich
besser ein funktionierendes, stabiles Wirtschaftssystem zu etablieren, das zukünftige Finanzkrisen
verhindern oder zumindest abschwächen kann, als sich auf die Selbstheilungskräfte des Marktes zu
verlassen. So merkt Weder di Mauro an, dass es eine falsche Vorstellung sei, „dass es letztlich einfacher und billiger sei, auf das Platzen einer Spekulationsblase im Nachhinein zu reagieren, statt das
Entstehen der Blase zu verhindern“ (Weder di Mauro 2009: 15).
Um die Feststellung der Notwendigkeit einer Ethik der Finanzmärkte weiter zu untersuchen, ist es
zunächst einmal wichtig, die abstrakte Frage zu klären, wie das Verhältnis von Ökonomik und Ethik in
der wirtschaftsethischen Theorie aussehen kann.
3.2
Wirtschaftsethische Ansätze zur Verknüpfung von Ethik und Ökonomik
Die ökonomische Theorie untersucht im Allgemeinen, wie über preisbildende Koordinationsmechanismen möglichst effiziente Markttransaktionsergebnisse erreicht werden können. Die Ethik
versucht hingegen die Koordiniertheit der Gesellschaft über das Entscheidungsverhalten der Individuen und die richtige Rahmenordnung möglichst positiv im Sinne des Gemeinwohls zu gestalten (vgl.
12
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Koslowski 1998: 15). Die Notwendigkeit einer Ethik der Finanzmärkte ergibt sich letztendlich aus
dem Interesse an einer interdisziplinär optimalen Gesellschaftskoordination.
Als gemeinsamer Ursprung von Ethik und Ökonomik kann der Wunsch nach Befriedigung der
menschlichen Bedürfnisse und nach der Verbesserung des sozialen Miteinanders angesehen werden.
Die Emanzipation der Wirtschaftswissenschaften von der Moralphilosophie im 19. Jahrhundert hat zur
Ausdifferenzierung in zwei unterschiedliche Wissenschaften mit zwei verschiedenen Rationalitätskonzeptionen geführt. Die Ökonomik stützt sich auf eine ausschließlich am Effizienzkriterium bzw. am
formalen Prinzip der Zweck-Mittel-Optimierung ausgerichtete ökonomische Rationalität, während die
(normative) Ethik das moralisch Vernünftige als erstrebenswert erachtet.
Die Begriffe Ethik und Moral werden oftmals unterschieden. Während die Moral die Gesamtheit der gemeinhin akzeptierten Verhaltensnormen einer Gesellschaft oder die in einer Gruppe oder Organisation
tatsächlich geltenden Normen bezeichnet, stellt die Ethik die Reflexionstheorie der Moral dar (vgl. Luhmann 1989). Man verbindet mit der Ethik üblicherweise Fragen wie „Was soll ich tun?“ oder „Wie handle
ich moralisch legitim?“.15 Eine für die Wirtschaftsethik wesentliche Unterscheidung ist die nach Individual- und Institutionenethik. Unter Individualethik versteht man eine Ethik der Person. Man stellt z.B. die
Frage, unter welchen Bedingungen Individuen moralisch handeln. Das Gewissen und die Verantwortung
des Einzelnen sind dabei typische Untersuchungsgegenstände. Der systematische Ort der Moral ist das
Individuum. Die Institutionenethik hingegen beschäftigt sich z.B. mit der Frage, unter welchen Bedingungen Institutionen, also Normen, Sitten, Recht oder Verträge, eine moralische Wirkung entfalten können.
Systematischer Ort der Moral ist hierbei die Rahmenordnung. Institutionenethik sucht nach den ethischen
Rahmenbedingungen individuellen Handelns, die dem gerechten Zusammenleben aller dienen (vgl. Suchanek 2000: 50ff). Eine entscheidende Frage ist in diesem Zusammenhang, was als gerecht und ethisch vernünftig angesehen werden kann. Hierzu bedarf es neben der Frage nach dem Ort der Moral der Moralbegründung durch axiomatisch abgesicherte ethische Theorien.16
Im Vergleich zur Ethik ist die Ökonomik eine vergleichsweise junge Wissenschaft. Adam Smith wird häufig als der Begründer der modernen, einzelwissenschaftlichen Ökonomik genannt. Im Zentrum seiner Betrachtung stand die Koordination von Transaktionen über Märkte durch die „unsichtbare Hand“. Diese
stellt nach Smith die beste Möglichkeit dar, den Wohlstand aller zu fördern, da das Verfolgen des Eigeninteresses eines jeden zu einem optimalen gesamtgesellschaftlichen Output führt (vgl. Smith 1776: 371). In
der Weiterentwicklung wurde die Ökonomik zu einer Theorie der effizienten Allokation von knappen Ressourcen über preisbildende Märkte. Seit Mitte der 1960er Jahre kam es zu theoretischen Weiterentwicklungen, welche die Ökonomik zu einer allgemeinen Theorie sozialer Handlungszusammenhänge werden ließen. Eine daraus entstandene neue Form kann als Interaktionsökonomik bezeichnet werden, welche sich
von der speziellen Problemstellung und der entsprechenden Methode her definiert (vgl. Homann 2005:
411). Die Ökonomik ist damit nicht mehr alleine über den Gegenstandsbereich Wirtschaft und die Funktion
der optimalen Güterversorgung definiert, sondern über eine bestimmte zweckrationale Art des Denkens in
Alternativen, in Restriktionen und in Input-Output-Relationen (vgl. Göbel 2006: 46). Ökonomik kann so
als die Wissenschaft zur Erklärung und Gestaltung der Bedingungen und Folgen menschlicher Interaktionen auf der Basis individueller Vorteils-/Nachteils-Kalkulationen unter Knappheit bezeichnet werden (vgl.
Homann 2005: 412). Das einzelne Individuum bestimmt somit für sich selbst, was es als erstrebenswert
15
16
Im Folgenden wird der Begriff „ethisch“ als Synonym für „moralisch“ verwendet. Grundsätzlich wird „moralisch“ als Begriff eher praxisbezogen gebraucht und „ethisch“ weist mehr auf eine reflexiv-theoretische
Dimension hin.
Eine explizite Darstellung dieser Theorien dient an dieser Stelle nicht dem weiteren Verständnis des Papers,
da es im Kontext einer Ethik der Finanzmärkte mehr um die Frage der Moralimplementierung als der Moralbegründung geht.
13
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
erachtet. Es geht der Ökonomik um die subjektiv beste Verwendung knapper Mittel zur optimalen Erreichung individueller Ziele.
Eine heute noch sehr verbreitete Ansicht ist, dass die Ökonomik als wissenschaftliche Disziplin von der
Ethik zu trennen sei, also wertfrei sein sollte. Die Debatte um die Wertfreiheit der Ökonomik geht im
deutschsprachigen Raum auf Max Weber zurück. Dieser behauptete, „es könne niemals Aufgabe einer
Erfahrungswissenschaft sein […], bindende Normen und Ideale zu ermitteln, um daraus für die Praxis Rezepte ableiten zu können“ (Weber 1904: 149). Weber trat für eine strikte Trennung von wissenschaftlicher
Methodik und normativen Postulaten ein. Vor allem Vertreter der Neoklassik strebten in diesem Sinne eine
reine Ökonomik an, welche dem naturwissenschaftlichen Vorbild einer wertfreien Wissenschaft entsprechen sollte (vgl. Schumpeter 1908: 23ff). Die Debatte fand ihren Fortgang als „zweiter Werturteilsstreit“
während der 1960er Jahre zwischen den Vertretern der Kritischen Theorie und des Kritischen Rationalismus (Positivismusstreit).17 Während der Kritische Rationalismus die Position vertritt, das Ziel der Sozialwissenschaft sei der Versuch, gesellschaftliche Missstände zu beseitigen, ist die Frankfurter Schule der
Auffassung, dass die Methode darin besteht, die der Gesellschaft zugrunde liegende Totalität auszumachen,
die diese Probleme und Missstände verursacht (vgl Dahms 1994).
Die Wirtschaftsethik will nun explizit die Werte wieder in die Ökonomik integrieren und damit Ethik und
Ökonomik zusammenführen. Moralische Werte in die Wirtschaftswissenschaften zu integrieren, ist historisch sehr alt. So waren beispielsweise in der Antike Ethik, Ökonomie und Politik in der aristotelischen
Trias zusammengefasst. Aufgrund zunehmender Arbeitsteilung und der Ausdifferenzierung akademischer
Reflexion hat sich jedoch im Laufe der Jahrhunderte diese Einheit aufgespaltet. Eine Zusammenführung
der stark spezialisierten Einzelwissenschaften zur Interdisziplinarität scheint nicht nur aus wissenschaftlicher Perspektive dringend geboten, sondern gerade auch deshalb, weil gegenwärtige ökonomische Probleme immer komplexere gesellschaftspolitische Dimensionen annehmen. Als wissenschaftliche Disziplin
versucht die Wirtschaftsethik, dieser Herausforderung gerecht zu werden.
Zwei in Deutschland innerhalb der letzten zwanzig Jahre viel diskutierte wirtschaftsethische Konzeptionen
sind die Ansätze von Karl Homann und Peter Ulrich. In der Feststellung der negativen Auswirkungen unkontrollierten wirtschaftlichen Handelns sind sich die genannten Autoren weitgehend einig. Unterschiedlich bewerten die beiden aber, wie ökonomische Rationalität und ethische Vernunft zueinander stehen.
Ausgangspunkt des wirtschaftsethischen Ansatzes Karl Homanns ist, dass Moral nicht „gegen, sondern nur in der und durch die Wirtschaft geltend gemacht werden kann“ (Homann/Pies 1994: 11).
Nach Homann befasst sich die Wirtschaftsethik mit der Frage, welche moralischen Normen und Ideale
unter den Bedingungen der modernen Wirtschaft und Gesellschaft zur Geltung gebracht werden können. Die traditionellen Ethiken tragen nach Homann zur Lösung der komplexen Probleme in der
postmodernen Gesellschaft nur bedingt bei, da sie deren systemische Ausdifferenziertheit nicht erfassen können. Homann geht davon aus, dass wirtschaftlich rational handelnde Individuen sich von ihrem
eigenen Vorteil leiten lassen, sodass die Grundlage ihres Handelns stets eine individuelle Vorteils/Nachteils-Kalkulation bleibt. Eine Durchsetzung von Normen in der Gesamtgesellschaft lässt sich
somit nur über das Setzen von Anreizen durch Regeln bzw. Institutionen erreichen. Dieser ordnungsethische Ansatz läuft auf das Ziel hinaus, die Institutionen so zu gestalten, dass moralisches Verhalten
der Akteure möglich wird. Moral und Ethik werden zweckrational für das Erreichen des größtmöglichen, gesellschaftlichen Wohlstands eingesetzt. Homanns Ansatz weist auf die negativen Folgen für
17
Hierbei standen auf der einen Seite die Vertreter des Kritischen Rationalismus (v.a. Karl Popper und Hans Albert)
und auf der Gegenseite die Vertreter der Frankfurter Schule (v.a. Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas).
14
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
die Implementierung von ethischen Forderungen hin, wenn diese nicht mit dem Eigeninteresse der
Individuen in Einklang gebracht werden können.18
Bei Homanns Ansatz wird Moral nicht auf der individuellen Handlungsebene (Spielzüge) sondern auf
der Ebene der Rahmenordnung (Spielregeln) angesiedelt. Der einzelne Wirtschaftsakteur hat dabei die
moralische Pflicht die Regeln der Rahmenordnung zu befolgen. Wirtschaftsethik wird bei solch einem
Ansatz als institutionelle Ordnungs- bzw. Anreizethik konzipiert und ist so anzulegen, dass der Widerspruch zwischen moralischen und ökonomischen Forderungen auf der Ebene der Regelsetzung überwunden wird. Moralische Regeln wiederum werden selbst durch die Vorteilserwartungen der Individuen begründet (vgl. Homann/Suchanek 2005: 412).
Die von Peter Ulrich vertretene integrative Wirtschaftsethik setzt als „kritische Grundlagenreflexion
der normativen ‚Bedingungen‘ der ökonomischen Vernunft“ (Ulrich 2008: 125) an. Sie versteht sich
als Vernunftethik des Wirtschaftens, in welcher der ethische Vernunftanspruch und der ökonomische
Rationalitätsanspruch „zusammengedacht“ werden. Dies bedeutet, dass der Kern des Wirtschaftens als
nutzenstiftendes Medium in seiner Lebensdienlichkeit hervorgehoben wird. Ulrichs Ziel ist es, die
Trennung zwischen ökonomischer Rationalität und ethischer Vernunft aufzuheben. Menschlichkeit
und humanen Bedürfnissen wird Vorrang vor einer „abstrakten Funktionslogik des marktwirtschaftlichen Systems“ (Ulrich 2008: 11) gewährt. Da die Ökonomie ein vom Menschen geschaffenes, ihm
dienliches Instrument ist, sollten moralische Überlegungen das ökonomische Prinzip der individuellen
Nutzenmaximierung nicht als unumstößliche Prämisse postulieren. Ausgangspunkt im Ansatz der
integrativen Wirtschaftethik ist der vernunftbegabte, nicht der zweckrational handelnde Mensch.19 Als
systematischer Ort der Moral wird die kritische Öffentlichkeit aller Wirtschaftsbürger verstanden.
Im Unterschied zum ordnungsethischen Ansatz spricht Ulrich dem Gewinnprinzip nicht die normative
Kraft des Faktischen zu. Der Ansatz der integrativen Wirtschaftsethik will die Ökonomie im ursprünglichsten Verständnis wie bei Aristoteles sehen, wobei das ethische Ziel der Wirtschaft die Versorgung
der Menschen mit Gütern bzw. die Sicherung des Wohlstandes ist. Die Ökonomie ist nach Ulrich kein
von Ethik unberührter Bereich, in den man Moral von außen als Korrektiv hineinbringen muss.
Fasst man die beiden Ansätze zusammen, so lassen sich für die Wirtschaftsethik folgende vier konstituierende Prinzipien festhalten:
Freiheit: Für Homann ist die Freiheit des Einzelnen innerhalb der Rahmenordnung das zentrale
Ziel. Nicht die Institution schreibt dem Individuum seine Spielzüge vor, sondern es kann frei entscheiden, was für ihn am besten ist. Wie schon Smith geht Homann davon aus, dass die Selbstorganisation durch den regelgeleiteten Markt dafür sorgt, dass jeder Marktteilnehmer durch Verfolgen seines Eigeninteresses zum Wohl der gesamten Gesellschaft beiträgt. Innerhalb der Rahmenordnung bestimmen die „betroffenen Menschen selbst und gemeinsam, wie sie ihr Zusammenleben
gestalten wollen“ (Homann/Blome-Drees 1992: 55). In der Wirtschaftsethik gilt das Wollen der Individuen als einzige Quelle von Werten und die Vereinbarungen der Menschen stellen die Legitimation der institutionellen Rahmenordnung dar.
Autonomie: Eng verwandt mit dem Begriff der Freiheit ist der der Autonomie. Dieser in der Philosophie der Neuzeit auf Kant zurückgehende Begriff beschreibt die Freiheit des Menschen zur prak-
18
19
Homann versteht somit die Wirtschaftsethik ganz im Sinne der ordoliberalen Auffassung Walter Euckens:
„Von Menschen darf nicht gefordert werden, was alleine die Wirtschaftsordnung leisten kann: ein harmonisches Verhältnis zwischen Einzelinteresse und Gesamtinteresse herzustellen.“ (Eucken 2004: 368)
„Es gehört zu den prägenden Merkmalen des integrativen Ansatzes, dass er in diesem Sinne Wirtschaftsethik
als ein Stück politische Ethik der „zivilisierenden“ Einbettung der Marktwirtschaft in eine wohlgeordnete
Gesellschaft freier Menschen versteht“ (Ulrich 2008: 17).
15
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
tischen Selbstbestimmung. Die Wirtschaftsethik will ethisch-vernünftige Orientierung im ökonomischen Denken liefern (vgl. Ulrich 2008: 13). Es geht darum, “to produce a kantian person – a rational, autonomous, moral agent who can take his or her place in a moral community” (Bowie
1991: 31). Der kantianische Weg zur moralisch autonomen, verantwortungsfähigen Person liegt
somit auch dem Selbstverständnis einer kritischen Wirtschaftsethik zu Grunde.
Transparenz: Eine lebensdienliche Ökonomie wird stets nur funktionieren, wenn bestimmte strukturelle Voraussetzungen ordnungspolitisch geschaffen werden. Aus Gründen der Koordination sowie der Effizienz ist die Schaffung von Transparenz in den Institutionen ein weiteres Anliegen der
Wirtschaftsethik. So schreibt Homann, dass Institutionen dazu dienen „über gegenwärtige Zustände
und künftig zu erwartende Entwicklungen – und vor allem: über das zu erwartende Verhalten anderer – zu informieren“ (Homann/Suchanek 2000: 104). Individuelle Freiheit und Autonomie sind
leere Begriffe, wenn nicht durch Transparenz den Individuen die notwendige Information für ihre
Entscheidungen geliefert wird.
Angemessenheit: Ulrichs weist darauf hin, dass Gewinnmaximierung nicht unreflektiert als Imperativ
des Marktes verfolgt werden darf. Die Wirtschaftsethik ist „getragen von der Idee, nicht den Markt,
sondern die Menschen frei zu machen“ (Ulrich 2008: 215). Hinter dieser Überlegung steht der Gedanke des „Genug-haben-Könnens“, welcher auf Aristoteles’ Mesotes-Prinzip zurückgeht (mesotes,
griech.: Mitte). Aristoteles wies in der Nikomachischen Ethik darauf hin, dass das moralisch Richtige
für den Einzelnen darin besteht „die Mitte zu finden und zu wählen. Darum ist die Tugend hinsichtlich ihres Wesens und der Bestimmung ihres Was-Seins eine Mitte, nach der Vorzüglichkeit und
Vollkommenheit aber das Höchste.“ (Aristoteles 2004: 1106 b30) Die Tugend wird nach Aristoteles
somit zwischen zwei einander entgegengesetzten Untugenden, dem „Zuviel“ und dem „Zuwenig“,
angesiedelt. So entspricht die Mitte dem Ideal des Maßvollen. Sie beschreibt nicht eine arithmetische
Mitte, sondern wird vielmehr subjektiv durch die Vernunft des Einzelnen bestimmt.
Diese vier Prinzipien – Freiheit, Autonomie, Transparenz und Angemessenheit – sind grundlegend
für die Ausführungen in Kapitel 6, in dem eine freiwillige Selbstverpflichtung für Kreditgeber auf
dem US-Subprime Markt zur Diskussion gestellt wird.
3.3
Finanzmärkte und Wirtschaftsethik
3.3.1 Finanzmarktfunktionen
Bevor die Frage nach den ethischen Herausforderungen auf Finanzmärkten gestellt wird, ist es zunächst
wichtig, die grundlegenden Funktionen der Finanzmärkte zu verstehen. Neben realwirtschaftlichen Prozessen sind unsere heutigen Volkswirtschaften maßgeblich durch einen starken Finanzsektor gekennzeichnet
(vgl. Gischer et al. 2005: 2). Die Qualität der Finanzmärkte bestimmt die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft, da jede wirtschaftliche Entscheidung auch eine finanzielle Dimension hat. „Finanzmärkte“ ist
dabei ein Oberbegriff für alle Märkte oder marktnahen Organisationen, auf denen mit Kapital gehandelt
wird (vgl. Spremann 2005: 15). Der Handel von Kapital bedeutet die Weitergabe von Finanzkontrakten der
verschiedensten Art (Geld, Wertpapiere etc.). Kapitalnehmer (Schuldner) fragen Zahlungsmittel nach, welche von Kapitalgebern (Sparer) als Zahlungsmittelüberschüsse zur Anlage bereitgestellt werden. Auf diese
Weise bringen Finanzmärkte Kapitalnehmer und Kapitalgeber direkt oder auch indirekt über Finanzintermediäre in Kontakt. Finanzmärkte lassen sich in nationale sowie internationale Finanzmärkte gliedern. Sie
vereinen (1) Geld-, (2) Kredit- und Kapitalmärkte sowie (3) den Devisenmarkt für den Austausch von
Währungen. Im Wesentlichen leisten Finanzmärkte drei Grundfunktionen, welche ihre immense Bedeutung im gesamten Wirtschaftssystem begründen (vgl. Gischer 2005: 13ff). Dies sind
die Liquiditätsfunktion, worunter die Bereitstellung der Finanzmittel für Investitionen fällt und
16
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
durch die Informations- und Transaktionskosten reduziert werden,
die Allokationsfunktion, welche produktives Sparen der Anleger ermöglicht und zugleich die Kapitalproduktivität erhöht sowie
die Versicherungsfunktion, worunter man den Absicherungsmechanismus gegen Unsicherheiten
versteht und durch die Transaktionsrisiken gemindert werden.
Der Funktion der effizienten Allokation20 von Kapital für investive Zwecke kommt die bedeutendste
Rolle zu (vgl. Gischer 2005: 12). Die ungehinderte Mobilität des Kapitals, welche zur Erfüllung der
Allokationsfunktion notwendig ist, steht jedoch mit dem Wunsch nach Stabilität und Liquidität, welcher den anderen beiden Funktionen zugrunde liegt, in einem Spannungsverhältnis (vgl. Koslowski
2003: 47).21 Die spekulative Beweglichkeit des Kapitals verursacht negative externe Effekte, die die
Finanzmarktstabilität reduzieren, indem sie Unsicherheit bei Sparern und Investoren stiftet.
Kennzeichnend für Finanzmärkte ist des Weiteren ein häufig auftretender Trade-off zwischen Fairness und Effizienz, d.h. das Effizienzkriterium konfligiert mit den Prinzipien der Gerechtigkeit (vgl.
Boatright 2008: 31). Deregulierungen und Risikotransformationen, welche dazu gedacht sind Effizienzsteigerungen herbeizuführen, lösen mitunter eine Erosion der Marktdisziplin aus, d.h. es kommt
zu Betrug und Manipulation, zu unfrei geschlossenen Verträgen und unfairen Preisen.22
Ein optimales Marktergebnis im Sinne eines funktionierenden Finanzmarktes und der Erfüllung aller
seiner Funktionen verlangt die Auflösung dieses Trade-offs. Diesen zu analysieren, um ihn dann aufzulösen ist die Herausforderung, welche eine Ethik der Finanzmärkte meistern sollte.
3.3.2 Ethische Herausforderungen
Die in der Literatur üblicherweise besprochenen ethischen Herausforderungen auf Finanzmärkten wie Insider- und Program-Trading, Insolvenzen und feindliche Übernahmen (vgl. Boatright 2008: 142ff) werden
im Folgenden nicht behandelt, da diese in der Erklärung der Krise nahezu keine Rolle spielen. Vielmehr
werden die Ursachen dafür betrachet, dass sich die Akteure auf den Finanzmärkten nicht optimal, d.h. nicht
ökonomisch effizient und sozial gerecht zugleich, verhalten. Mit dem Aufzeigen der Herausforderungen
werden an dieser Stelle die theoretischen Vorüberlegungen für das hierauf folgende Kapitel 4 angedeutet.
Wie gezeigt wurde, entsteht auf Finanzmärkten durch das Verhalten der Finanzmarktakteure ein Trade-off
zwischen ökonomischen Effizienzüberlegungen und Fairness-Prinzipen. Gründe, die zu einem solchen
Verhalten führen, sind im Wesentlichen die folgenden (vgl. Koslowski 1998: 99; Boatright 2008: 10):
20
21
22
Effizienz wird dabei verstanden als möglichst ungehinderte Beweglichkeit des Kapitals.
Neben dem Wert der Mehrung des Barwertes von Investitionen durch effiziente Allokation gewinnen deshalb
auch moralische Werte wie Verlässlichkeit und Fairness im Hinblick auf Garantien für die Stabilität des Finanzsystems an Bedeutung (vgl. Koslowski 2003: 46).
Freier Wettbewerb und der Wunsch nach immer effizienteren Methoden zwingen die Akteure zum Eingehen
unkalkulierbarer Risiken. Das Problem ist nun, dass die Weitergabe von faulen Krediten durch Spekulationen
mit undurchsichtigen Finanzinnovationen aus Effizienzgründen zu einer Erosion der Gerechtigkeit führt, da
einzelne Finanzakteure auf Kosten von anderen Geschäfte machen, d.h. Gewinne werden privatisiert und
Kosten externalisiert.
17
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Gründe
Erklärung
Ethische Herausforderung
Beschränkte Rationalität
Darunter versteht man das unvollständig erfolgreiche Bemühen sich
rational und eigennutzenmaximierend zu verhalten. Aufgrund von
begrenzter Wahrnehmung, hohen Informationsbeschaffungs- und
Verarbeitungskosten sind Finanzakteure nicht in der Lage, vollständig rational zu Handeln.
Beseitigung von
Informationsasymmetrien
durch Transparenz
Unsicherheit und Risiko
Gerade auf den Finanzmärkten können zukünftige Ereignisse (Unternehmenserträge, Kursentwicklungen) und Verhaltensweisen der
anderen Marktteilnehmer nur schwer antizipiert werden. Eine Zukunftsunsicherheit ist für Finanzmarktakteure allgegenwärtig und
grundlegend für alle Markttransaktionen.
Zusammenbringen von
Handlung und Haftung
Unvollständige Verträge
und
Informationsasymmetrien
Verträge sind naturgemäß unvollständig, d.h. auch bei Finanzkontrakten zwischen Marktteilnehmern können nie alle Eventualitäten
ex ante vertraglich berücksichtigt werden. Vertragliche Beziehungen
auf Finanzmärkten werden von Informationsasymmetrien, unterschiedlicher Verhandlungsmacht und verschiedener Ressourcenausstattung begleitet.
Reputations- und
Vertrauensschaffung durch
Selbstverpflichtung
Interessenkonflikte
Aus dem letzten Punkt ergibt sich das Problem, dass die Akteure
besonders bei asymmetrischer Information ausschließlich eigeninteressiert handeln und sich daraus Konflikte ergeben können.
Aufgeklärtes Eigeninteresse
durch Ethik-Trainings schaffen
sowie Anreize für Zielkompatibilität setzen
Große externe Effekte
Aufgrund der hohen Interdependenz von Finanz- und Realwirtschaft
und der bedeutenden Stellung der Finanzmärkte im gesamten Wirtschaftssystem, kommt es bei Finanzkontrakten zwangsläufig zu
externen Effekten.23
Internalisieren externer Effekte
über institutionelle Vorkehrungen
Abstrakter Charakter der
gehandelten „Güter“
Auf Finanzmärkten ist ein Urteil über die Qualität bestimmter Finanztitel viel schwieriger als auf Märkten mit physisch greifbaren
Gütern. Die Ungreifbarkeit der Finanzmittel schließt die einfache
Kontrolle der immateriell gehandelten Güter aus.24
Hohe Komplexität und
Dynamik
Einzelne Individuen können selbst nur schwer die Komplexität und
Verflechtungen des Finanzsystems überblicken.
Abbildung 1:
Objektivität der
verantwortlichen Akteure
Effiziente Regulierungen
schaffen, um Eigendynamik
des Marktes zu beschränken
Ethische Herausforderungen auf Finanzmärkten (eigene Abbildung)
Grundlegend spricht man bei den genannten ethischen Herausforderungen von einer PrinzipalAgenten-Problematik, welche im Kern unserer Ausführungen von 4 stehen wird. Eine Ethik der Finanzmärkte bezieht sich auf die moralischen Normen und Erwartungen, welche die Finanzaktivitäten
begleiten. Sie schafft Vertrauen sowie Reputation und spielt dabei eine entscheidende Rolle bei der
Lösung der PA-Problematik.
3.3.3 Orte der Moralimplementierung
Im Wirtschaftsteil der ZEIT vom 15.01.2009 spricht Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt die doppelte
Bedeutung der wirtschaftsethischen Reflexion auf Finanzmärkten an. Zunächst weist er darauf hin,
dass die aktuelle Krise geprägt ist durch eine
23
24
„Power brings obligations, omissions are more serious and a bad example may have disastrous consequences.“ (Cowley 2006: 117)
Der Kunde ist daher der Gefahr ausgesetzt ein Gefühl der Ohnmächtigkeit gegenüber Banken und Finanzinstitutionen zu entwickeln. Dies kann schließlich zu irrationalen Ängsten und panischem Verhalten führen
(vgl. Koslowski 1998: 100).
18
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
„Kombination von hoher Intelligenz samt mathematischer Begabung, extremer Selbstsucht und Selbstbereicherung bei Abwesenheit von ausreichender Urteilskraft und von Verantwortungsbewusstsein.
Man kann dieser Krankheit einen Namen geben: hemmungslose Habgier.“ (Schmidt 2009)
Zugleich betont er aber auch, dass
„eine nonchalante Ignoranz der Regierungen und Behörden in Erscheinung getreten [ist], eine unerhörte
Fahrlässigkeit der politischen Klasse insgesamt, die sich leichtfertig auf die Illusion einer selbsttätigen
Heilungskraft der Finanzmärkte verlassen hat, statt rechtzeitig einzugreifen. […] Man kann diese politische Krankheit benennen und vom Irrglauben des Marktradikalismus sprechen.“ (Schmidt 2009)
Die daraus resultierende Konsequenz ist, dass die Wirtschaftsethik eine auf zwei Ebenen angesiedelte
Antwort liefert: Auf der Ebene der Regulierungen und staatlichen Aufsichtsbehörden greift die Institutionenethik, auf der Ebene einzelner Akteure die Individualethik.
Betrachtet wird zunächst die Ebene der Institutionenethik. Regeln und Institutionen bilden die Ordnung der Finanzmärkte. Geht man davon aus, dass sich viele Probleme der Finanzmärkte auf eine ineffiziente Durchsetzung bestehender Gesetze zurückführen lassen, so wird als systematischer Ort der
Moral das Anreizsystem der Wirtschaftsordnung angesprochen. Aufgabe ist es, durch eine institutionelle Rahmenordnung mit Gesetzen und Regulierungen Banker und andere Finanzmarktakteure zu
ethischem Handeln zu bringen. Wie Homann darauf hinweist, führt „[d]er scharfe Wettbewerb unter
unzureichenden Regeln […] in die kollektive Irrationalität, zum Zusammenbruch des Systems“ (Homann 2009).
Die Neuordnung der internationalen Finanzmärkte ist zur Vermeidung künftiger Krisen unerlässlich,
um Stabilität, Verlässlichkeit und Integrität zu sichern. Im Geschäftsalltag auf den Finanzmärkten
führt ein individualethischer Ansatz alleine zu Dilemmata mit anschließender Resignation. Wenn versucht wird individualethisch einen ökonomischen Konfliktfall zu lösen, können moralische und ökonomische Ziele konfligieren. Die Folge ist, dass häufig der ökonomischen Rationalität Vorrang vor
moralischer Vernunft gewährt wird. Hier bietet sich nun die ordnungspolitische Strategie einer Institutionenethik an, um den ökonomischen Konfliktfall positiv zugunsten ethischen Handelns aufzulösen.
Dadurch, dass Institutionen geschaffen werden, welche ethisches Verhalten belohnen (Gewinne schaffen) und unmoralisches Handeln sanktionieren (verteuern), wird aus dem ökonomischen Konfliktfall
ein positiver Kompatibilitätsfall. Moralische Ziele werden, wie von Homann in seinem ordnungsethischen Ansatz gefordert, mit ökonomischer Markt- und Wettbewerbsrationalität in Einklang gebracht.
Wird dieser ordnungspolitische Eingriff nicht vollzogen, so ist zu erwarten, dass moralisches Verhalten gegenüber unmoralischem Handeln langfristig bestraft wird.
Grundsätzlich zeigen die Erfahrungen, dass Appelle an die Individualethik der Akteure auf den Märkten alleine zu kurz greifen. So schreibt Karl Homann in der Financial Times Deutschland, dass „Ethik
in der Wirtschaft heute primär ein Organisationsproblem, kein individuelles Problem [ist]“ (Homann
2008). Unverantwortliches Management, übertriebene Spekulation und falsche Geldpolitik wird es
immer wieder gegeben, da Eigennutzmaximierung inhärenter Bestandteil eines freiheitlichen Marktsystems bleiben wird. Eine Erkenntnis aus der Finanzkrise ist, dass die Verluste dort am geringsten
waren, wo sich unternehmerische Entscheidung und persönliche Haftung gedeckt haben. Deshalb ist
es wichtig, systemische Veränderungen durch ordnungspolitische Maßnahmen herbeizuführen, sodass
Einzelinteresse und Gesamtinteresse in Einklang gebracht werden. Auf diese Weise werden ethische
Vernunft und ökonomische Rationalität miteinander verbunden. Einfacher und schneller als der
Mensch lassen sich die Regeln ändern, nach denen das Geschehen auf den Finanzmärkten abläuft.
Ganz im Sinne Euckens könnte das oberste Prinzip einer Institutionenethik im Bezug auf die Finanz-
19
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
krise lauten: „Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen“, d.h., institutionenethisch gesprochen, dass Risiko und Haftung wieder zusammengebracht werden müssen.
Die Integration von Ethik und Ökonomik auf den Finanzmärkten kann jedoch nicht alleine durch institutionelle Rahmenbedingungen und die freien, eigennützigen Handlungen der Akteure innerhalb dieser
gewährleistet werden. Das politische System ist nicht in der Lage, die Integrationsaufgabe von Ethik und
Ökonomik alleine zu leisten und sämtliche Wirkungen des Marktes zu antizipieren. Da formale Institutionen und Regeln der Komplexität der Finanzmärkte nicht hinreichend gerecht werden können und zeitlich der Dynamik der Problementwicklungen hinterher hinken, muss die so entstehende Steuerungslücke
durch die betroffenen Akteure selbst geschlossen werden. Damit diese Lücke nicht durch eigennütziges
Verhalten der Akteure geschlossen wird, bedarf es zusätzlich einer Individualethik, welche eine freiwillige Selbstbeschränkung der eigenen Interessen beinhaltet. (vgl. Scherer 2003: 23).
Es zeigt sich, dass eine Individualethik die Gesetzgebung durch das Wirtschaftsrecht nicht ersetzen
kann, sondern dass Ethik und Recht in einem komplementären Verhältnis stehen. Eine Wirtschaftsethik, die sich auf die Tugenden des Einzelnen verlässt, greift genau so zu kurz, wie ein Ansatz, der
den Ort der moralischen Verantwortung auf den Finanzmärkten nur in deren angemessenen Regulierung sieht. Um künftige Krisen auf den Finanzmärkten zu verhindern, sollte Moral sowohl in die Institutionen der Finanzmärkte als auch auf der Individualebene im Finanzdienstleistungssektor implementiert werden. Eine Ethik der Finanzmärkte will nicht die Koordination durch Marktprozesse und die
Gewinnorientierung der Akteure ersetzen. In modernen Gesellschaften ist die Koordination der Markttransaktionen durch freie Preisbildung im Wettbewerb die beste Wirtschaftsform (vgl. Scherer 2003:
24). Da die Finanzmärkte aber nicht perfekt funktionieren, d.h. vollständig effizient sind (Informationsasymmetrien, Vermachtungstendenzen oder externen Effekten) und staatliche Institutionen eine
Regulierungslücke entstehen lassen, ist eine Ethik der Finanzmärkte ohne Alternative.25
4.
Grundlagen und Anwendung des Prinzipal-Agenten-Problems bei der Kreditvergabe
4.1
Grundlagen der Prinzipal-Agenten-Theorie
4.1.1 Einordnung des Prinzipal-Agenten-Problems in die Neue Institutionenökonomik
Die Prinzipal-Agenten-Theorie, ein Teilbereich der Neuen Institutionenökonomik, dient als theoretisches Fundament der nachfolgenden Ausführungen. Die Neue Institutionenökonomik umfasst im
Wesentlichen drei Forschungsbereiche: (1) die Transaktionskostentheorie (vgl. Coase 1937; Williamson 1979, 1985, 1998), (2) die Property-Rights-Theorie (vgl. Coase 1960; Alchian/Demsetz 1972;
Hart 1995) und (3) die Prinzipal-Agenten-Theorie (vgl. Ross 1987; Jensen/Meckling 1976). Die Prinzipal-Agenten-Theorie oder auch Agentur-Theorie gehört heute innerhalb der Wirtschaftswissenschaften zu einem der führenden Erklärungsansätze. Auch über die Grenzen der Wirtschaftswissenschaften hinaus konnte sie in anderen Sozialwissenschaften wie Soziologie und Politologie einen nennenswerten Einfluss entfalten (vgl. Eisenhardt 1989).
4.1.2 Skizzierung des Prinzipal-Agenten-Problems
In unserer modernen Gesellschaft ist eine Ökonomie ohne Arbeitsteilung nicht mehr vorstellbar. So
schließen sich Menschen in Organisationen zusammen, um z.B. in einer gemeinsamen Unternehmung
25
Sicherlich sind hierbei die in diesem Kapitel aufgezeigten, wirtschaftsethischen Ideen für Finanzmärkte nicht
absolut zu verstehen, sondern sie sind eher ein ideelles Anliegen, das „autonomes Selberdenken und gelegentlich den Mut zum Widerspruch gegen den Zeitgeist verlangt“ (Ulrich 2008, 19).
20
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
von den Fähigkeiten der Anderen wechselseitig zu profitieren. Um diese Zusammenarbeit zu koordinieren, sind in Organisationen komplexe Hierarchiesysteme notwendig (vgl. Erlei et al. 2007: 66). So werden über hierarchische Systeme z.B. Weisungen an untergeordnete Einheiten delegiert, etwa wenn das
Management Aufgaben an die untergeordneten Arbeitnehmer vergibt. Ein wesentliches Merkmal dieser
hierarchischen Systeme ist die Trennung von Ownership und Control (vgl. Berle/Means 1932; Fama/Jensen 1983), welche eine häufige Quelle für die Entstehung der Prinzipal-Agenten-Problematik ist.
Wirtschaftliche Akteure, die in einer solchen Beziehung als Auftraggeber auftreten, bezeichnet man
als Prinzipale, während diejenigen Wirtschaftssubjekte, die diese Aufträge erfüllen, als Agenten bezeichnet werden. Folgt man der Definition von Jensen/Meckling, die das Prinzipal-Agenten-Verhältnis
bezeichnen als „contract [sic!] under which one or more persons (the principal[s]) engage another person
(the agent) to perform some service on their behalf which involves delegating some decision making
authority to the agent“ (Jensen/Meckling 1976: 308), so ergeben sich besondere Probleme bei einer solchen Vertragsgestaltung. Die Prinzipal-Agenten-Theorie geht davon aus, dass Informationsasymmetrien
bestehen oder, anders ausgedrückt, dass das Wissen zwischen Prinzipal und Agent ungleich verteilt ist
(vgl. Erlei et al. 2007: 109). Welche Typen von Informationsasymmetrien im Detail zu unterscheiden
sind, wird im nächsten Abschnitt 3.1.3 behandelt. Eine weitere zentrale Annahme der Prinzipal-AgentenTheorie ist, dass die beiden Akteure fast nie vollständig deckungsgleiche Interessen haben (vgl. Erlei et
al. 2007: 74). Entscheidend ist am Verhältnis zwischen Prinzipal und Agent also, dass der Agent sich in
der Regel nicht so verhalten wird, wie vom Prinzipal gewünscht. Durch diese Zielkonflikte entstehen
Ineffizienzen, die in der Regel für alle Beteiligten nachteilig sind (vgl. Erlei et al. 2007: 75).
Als Lösungen bieten sich demnach vor allem zwei allgemeine Ansätze an: Es werden Maßnahmen zur
Reduzierung der Informationsasymmetrien ergriffen (siehe Abschnitt 3.1.4) und/oder es wird eine
Harmonisierung der Ziele von Prinzipal und Agent angestrebt (vgl. Alparslan 2006: 28). Ein weiterer
Lösungsansatz ist schließlich der Aufbau von Vertrauen.
Ein typisches Beispiel eines Prinzipal-Agenten-Problems ist die Beziehung zwischen Manager und Arbeitnehmer. Der Manager beauftragt als Prinzipal den Arbeitnehmer mit einer bestimmten Aufgabe und
erwartet von diesem höchstmögliches Engagement bei deren Erfüllung. Der Arbeitnehmer hat als Agent
einen Anreiz, seinen Arbeitseinsatz zu minimieren, und zwar immer dann, wenn sein Verhalten für den
Prinzipal nicht beobachtbar ist und er schlechte Ergebnisse z.B. durch äußere Faktoren rechtfertigen
kann. Der Prinzipal antizipiert dieses Anreizproblem und ist daher nicht zu einer vollen Entlohnung der
von ihm gewünschten Leistung bereit, sondern entlohnt den Agenten nur in jenen Bereichen, in denen er
die Umsetzung auch kontrollieren und sicherstellen kann. Der Umfang des Auftrags wird von vornherein
entsprechend reduziert, wodurch der Gesamtnutzen von Prinzipal und Agent verringert wird.
4.1.3 Ausprägungen der Informationsasymmetrie
Im Rahmen der Prinzipal-Agenten-Theorie wird zwischen verschiedenen Arten von Informationsasymmetrien differenziert. Die systematische Unterscheidung erfolgt dabei auf der Ebene des Auftretens
der Informationsasymmetrie im Zeitverlauf der Prinzipal-Agenten-Beziehung. Eine Informationsasymmetrie, die vor Vertragsabschluss auftritt, nennt man ex-ante-Informationsasymmetrie. Bezieht
sie sich hingegen auf den Zeitpunkt nach Vertragsabschluss, spricht man von einer ex-postInformationsasymmetrie.
Vor Vertragsabschluss kann das Problem der Hidden Characteristics (verborgene Eigenschaften) auftreten. In diesem Fall hat der Agent bzw. das Produkt oder die Dienstleistung, die er anbietet, eine Eigenschaft, die der Prinzipal nicht beobachten kann. Beispiele sind Eigenschaften wie Bildungsgrad, Intelligenz und Produktivität des Agenten oder auch die Qualität eines vom Agenten angebotenen Gebraucht-
21
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
wagens (vgl. Erlei et al. 2007: 110). Als Folge der Hidden Characteristics kann für den Prinzipal ein
systematisches Risiko entstehen, unerwünschte Vertragspartner auszuwählen. Diese Ineffizienz im Auswahlprozess der Agenten wird auch als adverse Selektion bezeichnet (vgl. Alparslan 2006: 26).
Eine weitere Form der Informationsasymmetrie, die ex ante auftritt, ist die Hidden Intention (verborgene Absicht), bei der der Prinzipal nicht die (wahren) Motive des Agenten, die hinter dessen Eingehen der Vertragsbeziehung stehen, beobachten kann. Die Hidden Intention führt nur unter bestimmten
Bedingungen zu einem Problem, nämlich wenn der Prinzipal eine irreversible spezifische Investition
(sunk costs) tätigt, um eine Transaktion mit dem Agenten zu realisieren. Ein Beispiel für eine solche
spezifische Investition ist die Anschaffung einer Maschine, mit der ein Produkt hergestellt werden
kann, das sehr stark auf die spezifischen Bedürfnisse eines bestimmten Kunden zugeschnitten ist und
beim Verkauf an einen anderen Abnehmer einen deutlich geringeren Erlös erbringt (vgl. Erlei et al.
2007: 204f). Eine weitere Bedingung, die erfüllt sein muss, ist die Unvollständigkeit des Vertrags (vgl.
Aghion/Bolton 1992; Tirole 1999). So kann z.B. die Vereinbarung, dass der Agent das oben genannte
Produkt auch zu einem bestimmten Preis abnimmt ein impliziter Bestandteil des Vertrages bleiben
(vgl. Erlei et al. 2007: 202, 206). Der Prinzipal gerät unter diesen beiden Bedingungen in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Agenten, sodass sich für letzteren die Möglichkeit ergibt, den Prinzipal auszubeuten, indem er einen deutlich niedrigeren Preis zahlt als ex ante vereinbart (Umsetzung der Hidden
Intention). Ein solcher Ausbeutungsversuch wird auch als Hold-up bezeichnet (vgl. Erlei et al. 2007:
206f). Antizipiert der Prinzipal den Hold-up, bevor er sich auf den Vertrag einlässt, wird er sich gegen
die Transaktion entscheiden, wodurch auch der Agent schlechter gestellt wird, weil er dann die gewünschte Leistung nicht erhält. Dieser Wohlfahrtsverlust ist allerdings keine unmittelbare Folge der
Hidden Intention, sondern erfordert – wie gezeigt wurde – das Vorliegen weiterer Bedingungen. Wäre
der Vertrag über die Abnahme des Produkts explizit und verbindlich geregelt, dann hätte der Agent
auch keine Möglichkeit zum Hold-up.
In Bezug auf den Zeitpunkt nach Vertragsabschluss gilt es zwei Arten von Informationsasymmetrien zu
unterscheiden. Es wird dabei angenommen, dass das vom Agenten abgelieferte Ergebnis einerseits von
dessen Handlung bzw. dessen Engagement abhängt und andererseits von äußeren Umweltfaktoren, auf
die der Agent keinen Einfluss hat. Zum einen kann es vorkommen, dass der Prinzipal die Handlungen
des Agenten, also dessen Engagement zur Lieferung der vertraglich vereinbarten Leistung, nicht (vollständig) beobachten kann. In einem solchen Fall spricht man von einer Hidden Action (verborgene
Handlung) (vgl. Erlei et al. 2007: 109f). Zum anderen ist denkbar, dass der Prinzipal zwar die Handlung
des Agenten beobachten kann, aber nicht den Einfluss der Umweltfaktoren auf das Ergebnis. In diesem
Fall liegt eine Hidden Information vor (vgl. Erlei et al. 2007: 110). In beiden Fällen kann der Prinzipal
also nicht beurteilen, ob das Ergebnis von der Handlung des Agenten und von dessen Engagement oder
von anderen äußeren Einflussfaktoren bestimmt wird. Es gelingt ihm nicht, eine direkte Beziehung zwischen der Handlung des Agenten und dem Ergebnis herzustellen. In beiden Fällen besteht für den Agenten demnach die Möglichkeit, ein schlechtes Ergebnis durch Rahmenbedingungen und Umwelteinflüsse
zu rechtfertigen, ohne dabei ernsthafte Sanktionen zu erwarten. Es besteht aufgrund dieser Option für
den Agenten ein Anreiz, den Auftrag des Prinzipals von vornherein nicht mit vollem Einsatz zu erfüllen.
Ein solches Verhalten, bei dem der Agent nach Vertragsabschluss von den vereinbarten Leistungen abweicht, wird als Moral Hazard bezeichnet (vgl. Alparslan 2006: 27f). Es tritt z.B. in Unternehmen auf,
wenn Arbeitnehmer aufgrund mangelnder Kontrollierbarkeit durch ihre Vorgesetzten ihren Aufgaben
nicht adäquat nachkommen, weil sie im Zweifelsfall äußere Faktoren als Rechtfertigung anführen können, ohne dass ihr Vorgesetzter sie für das Ergebnis verantwortlich machen kann.
22
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
4.1.4 Agenturkosten und Bemühungen zur Reduzierung des Prinzipal-Agenten-Problems
Das Prinzipal-Agenten-Problem verursacht eine Reihe von Kosten, die Agenturkosten. In einer Welt
ohne Informationsasymmetrien und Interessenkonflikte ist es möglich, ein theoretisch optimales Ergebnis (First Best) zu erzielen. Gibt es beide hingegen, so wird der Gesamtnutzen von Prinzipal und
Agent entsprechend verringert (Third Best). Wie oben angedeutet ist es aber möglich, diesen Nutzenverlust einzudämmen, indem man Maßnahmen ergreift, die eine Harmonisierung der Interessen von
Prinzipal und Agent bewirken oder die dazu beitragen, die Informationsasymmetrien zu verringern.
Praktikabel und verhältnismäßig gut implementierbar sind in erster Linie die Bemühungen zur Reduzierung der Informationsasymmetrien. Es sind dabei allerdings die teils sehr hohen Kosten dieser
Maßnahmen zu berücksichtigen.
Um das ex ante auftretende Problem der adversen Selektion einzudämmen, kann vonseiten des Prinzipals ein Screening betrieben werden, bei dem eine genaue Untersuchung der potentiellen Agenten und
derer möglicherweise verborgenen Eigenschaften vorgenommen wird (vgl. Alparslan 2006: 29). Ein
Beispiel für ein solches Screening wäre ein Assessment-Center, das zur genauen Einschätzung der
Qualität der Bewerber durchgeführt wird. Auf der Seite des Agenten kann es zur Reduktion der Informationsasymmetrien ex ante sinnvoll sein, Maßnahmen zu ergreifen, die eine glaubhafte Bindung an
das vom Prinzipal gewünschte Verhalten bewirken, die also Vertrauen schaffen. Ein solches Verhalten
wird Signalling genannt und dient einem Agenten mit überdurchschnittlichen, aber verborgenen Qualitäten dazu, auch als solcher erkannt zu werden und eine entsprechend überdurchschnittliche Entlohnung zu erhalten (vgl. Alparslan 2006: 30f). Um dem Prinzipal gegenüber glaubhaft zu vermitteln,
dass diese verborgenen Qualitäten auch tatsächlich vorhanden sind, kann der Agent auf andere seiner
Eigenschaften verweisen, die mit den verborgenen Eigenschaften in enger Korrelation stehen. Es besteht allerdings die Gefahr, dass diese korrelierten Eigenschaften von durchschnittlichen Agenten imitiert werden, die versuchen, sich als Agenten mit guten Eigenschaften auszugeben. Ein solches Signal
ist daher nur dann glaubwürdig, wenn die Imitation der korrelierten Eigenschaft bei nicht vorliegender
verborgener Eigenschaft nur unter prohibitiv hohen Kosten möglich ist. Ein einfaches Beispiel für
Signalling sind das Hochschuldiplom oder ähnliche Zertifizierungsanstrengungen des Agenten. So
erfordert ein Hochschuldiplom mit außergewöhnlich guten Noten in der Regel ein gewisses Maß an
Eigenschaften wie Intelligenz, Fleiß und Durchhaltevermögen. Die Erlangung eines überdurchschnittlichen Hochschuldiploms ohne das Vorliegen solcher Eigenschaften lässt sich im Normalfall ausschließen.
Um die Missbrauchsmöglichkeiten des Agenten ex post und den Anreiz zum Moral Hazard zu reduzieren, kann es sich für den Prinzipal lohnen, Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen umzusetzen
(vgl. Erlei et al. 2007: 75), welche als Monitoring bezeichnet werden. So ist z.B. denkbar, dass der
Prinzipal eine dritte Instanz beauftragt, ein vertraglich festgelegtes Verhalten zu überwachen und Verstöße durch Sanktionen zu ahnden (vgl. Alparslan 2006: 33). Der Agent kann zum Abbau von ex-postInformationsasymmetrien Rechenschaft geben bzw. Maßnahmen zur Berichterstattung ergreifen und
damit dem Prinzipal nachprüfbares Wissen über die Erfüllung von Aufgaben zur Verfügung stellen
(Reporting) (vgl. Schneider 1993, 48ff).
Durch all diese Maßnahmen zur Verringerung der Informationsasymmetrien kann die Situation unter
Aufwendung der entsprechenden Kosten im Vergleich zur Third-Best-Lösung verbessert werden (Second Best), ohne jedoch ein Ergebnis zu erhalten, dass in einer Welt ohne Informationsasymmetrien
und Interessenkonflikte denkbar wäre. Die verbleibende Differenz zwischen First-Best- und SecondBest-Lösung entspricht der letzten Form der Agenturkosten, dem residualen Verlust (Residual Loss),
der in erster Linie dadurch bestehen bleibt, dass der Prinzipal den Agent zwar besser, nie jedoch voll-
23
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
ständig wird beobachten können (vgl. Erlei et al. 2007: 75). Ist der Residual Loss von vornherein größer als die Summe der Kosten zur Verringerung der Informationsasymmetrien, dann ist das SecondBest-Ergebnis ineffizient, sodass man es beim Third-Best-Ergebnis belassen kann.
4.2
Anwendung der Prinzipal-Agenten-Theorie auf den Kreditmarkt im Subprime-Segment
4.2.1 Predatory Lending
Als Predatory Lending bezeichnet man ein Verhalten eines Kreditgebers26, das auf eine Kreditvergabe
mit unfairen, manipulativen und betrügerischen Mitteln gerichtet ist, welche in Vertragsbedingungen
resultiert, die nicht im Interesse des Kreditnehmers sind, sondern einen möglichst hohen Gewinn des
Kreditgebers ermöglichen (vgl. U.S. General Accounting Office 2004: 18).27 Potentielle Opfer des
Predatory Lending sind im Wesentlichen Menschen aus einkommens- und bildungsschwachen Hintergrund, aus Minderheiten sowie insbesondere alte Menschen. Eine engere Definition fasst Predatory
Lending als wohlfahrtsökonomisch ineffiziente Kreditvergabe auf, also als Kreditvergabe, durch die
der Kreditnehmer schlechter gestellt wird, als wenn er den Kredit nie abgeschlossen hätte (vgl. Ashcraft/Schuermann 2008: 70).
Eine einheitliche Definition von Predatory Lending gibt es nicht. Im Folgenden werden einige Eigenschaften aufgezählt, die typischerweise mit Predatory Lending bei Immobilienkrediten28 in Verbindung gebracht werden:
Fragwürdige Auswahl der Kunden: Die potentiellen Kunden werden nicht nach dem Kriterium der
Kreditwürdigkeit ausgewählt, sondern gezielt nach Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Bildungshintergrund sowie sozialer und ethnischer Herkunft. Es geht dabei darum, Kunden herauszufiltern, die
finanziell besonders ungebildet und angreifbar sind. Als Marketingtechniken werden in der Praxis
häufig direkte Kontakte per Mail, Telefon oder an der Haustür eingesetzt (vgl. Carr/Kolluri 2001: 2f).
Überhöhtes Kreditvolumen und bewusst in Kauf genommene Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers: Der Umfang des Darlehens ist nicht an die erwartete Höhe des zukünftigen Einkommens und
somit die tatsächliche Rückzahlungsfähigkeit, sondern an das Vermögen und den oft nichtmonetären Besitzstand des Kreditnehmers gekoppelt (vgl. Ashcraft/Schuermann 2008: 70). Da das
Vermögen des Schuldners im Fall der Zahlungsunfähigkeit dem Predatory Lender als Sicherheit
zur Verfügung steht, werden häufig gezielt Kredite vergeben, deren tatsächliche Rückzahlbarkeit
von vornherein eher unrealistisch ist und die so den finanziellen Ruin des Kreditnehmers besiegeln.
So werden gezielt Haushalte ausgesucht, die über ein geringes Einkommen, aber einen hohen
nicht-monetären Besitzstand (z.B. Einrichtungsgegenstände) als Sicherheiten verfügen (vgl.
Carr/Kolluri 2001: 2). Typisch sind weiterhin loan-to-value (LTV) ratios von über 100% (z.B.
26
27
28
An dieser Stelle muss unterschieden werden zwischen den Akteuren Kreditvermittler (auch: Makler oder
broker) und Kreditgeber (Originator des Kredits). Zur Vereinfachung wird hier angenommen, dass beide
Funktionen der selbe Akteur annimmt, der als Kreditgeber bezeichnet werde. Die Konsequenzen dieser Vereinfachung bzw. die damit vernachlässigten Beziehungen und Probleme werden im Abschnitt 3.2.4 noch
einmal skizziert.
Es sei angemerkt, dass es sich beim Predatory Lending um ein spezifisch amerikanisches Phänomen handelt.
Die globale Relevanz ist aber trotzdem nicht zu unterschätzen, wie weiter unten in Bezugnahme auf Kapitel 1
gezeigt werden wird. Weiterhin sei verdeutlicht, dass das Geschäftsmodell des Predatory Lending hauptsächlich von im Subprime-Segment aktiven Spezialinstituten praktiziert wird und weniger bei klassischen Kreditinstituten auftritt (vgl. Kiff/Mills 2007: 4, 12).
Das Phänomen des Predatory Lending ist prinzipiell natürlich auch bei Konsumentenkrediten und anderen
Formen der Kreditvergabe denkbar. Im Wesentlichen tritt es aber vor allem auf Immobilienmärkten auf, und
zwar genauer im Subprime-Segment. Hier sei also gesondert darauf hingewiesen, dass sich die folgenden
Ausführungen explizit auf den Immobilienmarkt beziehen.
24
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
durch zusätzliche Konsumkredite), womit die Refinanzierung des Kredits oder sofortige Tilgung
durch den Verkauf der Immobilie verhindert wird.
Exzessive Gebühren: Neben außergewöhnlich hohen Zinssätzen fallen exorbitant hohe Verwaltungs- und Vorauszahlungsgebühren an. Letztere verhindern gezielt, dass ein Kreditnehmer, dessen
Kreditwürdigkeit sich erhöht hat, seinen Kredit zu besseren Bedingungen umschichtet (vgl.
Carr/Kolluri 2001: 3).
Bindung des Kreditnehmers an den Subprime-Sektor: Neben den bereits erwähnten überhöhten
loan-to-value ratios sowie exorbitant hohen Vorauszahlungsgebühren, durch die ein Umschichten
des Kredits unattraktiv bis unmöglich gemacht wird, ergreifen Predatory Lenders weitere Methoden, um einen Wechsel der Kreditnehmer in den Prime-Sektor zu verhindern. So werden potentielle Kunden gezielt in den Subprime-Sektor gedrängt. Studien von Freddie Mac ergaben, dass sich
etwa 35% der Subprime-Kunden auch für den Prime-Sektor hätten qualifizieren können. Fannie
Mae schätzt diesen Anteil sogar auf bis zu 50% (vgl. Carr/Kolluri 2001: 7; Ashcraft/Schuermann
2008: 71). Der Grund für diese Zahlen ist eine vorsätzlich schlechte Beratungsleistung durch Predatory Lenders. Als weiteres Mittel zur Bindung des Kunden an den Subprime-Sektor werden von
manchen Predatory Lenders schon kleine Vergehen penibel gemeldet, um eine Hochstufung ihrer
Kunden auf Prime-Niveau gezielt zu verhindern (vgl. Carr/Kolluri 2001: 8).
Mehrfache Refinanzierung: Der Kreditnehmer wird mehrmals im Verlauf der Vertragsbeziehung
zur Refinanzierung des ausstehenden Kreditbetrags („loan flipping“) angeregt, zu angeblich niedrigeren Raten und Zinsen. Die Intention des Predatory Lender ist hierbei die Erhebung hoher Gebühren bei jeder Refinanzierung (vgl. Ashcraft/Schuermann 2008: 70). Weiterhin sehen viele Verträge exorbitant hohe Schlussraten vor, die den Kreditnehmer zur Refinanzierung zu noch höheren
Zinssätzen zwingen (vgl. Carr/Kolluri 2001: 4).
Betrügerische Beratungsmethoden: Der Kreditnehmer wird vom Kreditgeber vorsätzlich getäuscht
und über den Kreditvertrag nicht hinreichend aufgeklärt. So werden etwa im Gespräch Gebühren
oder hohe Schlussraten verschwiegen. Die skrupellosen Methoden bei der Beratung und Betreuung
des Kreditnehmers gehen bis hin zu belästigenden Telefonanrufen, Briefen und Drohungen im Fall
von Zahlungsverzug (vgl. Carr/Kolluri 2001: 4).
Eine einheitliche Definition von Predatory Lending gibt es insbesondere deshalb nicht, weil umstritten
ist, wann z.B. erhöhte Zinssätze schon als Predatory Lending oder noch als legitimer Risikoaufschlag
bewertet werden sollten. Fast ausschließlich tritt Predatory Lending nämlich im Subprime-Segment29
auf, das allgemein durch schlechtere Konditionen gekennzeichnet ist, weil die Kreditwürdigkeit der
Schuldner geringer ist als im Prime-Segment (vgl. Carr/Kolluri 2001: 5). Es ist aber hervorzuheben,
dass eine Subprime-Kreditbeziehung nicht zwangsweise durch Predatory Lending gekennzeichnet
sein muss, also keinesfalls ein untrennbarer Zusammenhang zwischen beiden Begriffen besteht.
Es stellt sich die Frage, worin die Gründe für das überwiegende Vorkommen von Predatory Lending
auf dem Subprime-Markt liegen. Zunächst einmal werden auf dem Subprime-Markt in höherem Maße
Akteure mit einem geringeren Bildungsstand und einer geringeren finanziellen Stabilität mit Krediten
versorgt. Diese Kundengruppen sind wesentlich anfälliger für Predatory Lending, weil sie in geringerem Maße die Fähigkeit haben, sich über die Qualität der Kreditgeber zu informieren und den Markt
auf bessere Angebote hin zu überprüfen. Neben den zahlreichen oben erwähnten Methoden, den Kunden durch Gebühren u.ä. an den ursprünglichen Kredit zu binden, wird so der Wettbewerb im Subprime-Sektor, der Predatory Lending vermindern könnte, nicht nur während, sondern bereits im Vorfeld
der Kreditvergabe eingeschränkt.
29
Zur Definition des Subprime-Segments, siehe Abschnitt 1.2.1.
25
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
4.2.2 Predatory Borrowing
Andersherum kann es auch zu einer Ausbeutung des Kreditgebers durch den Kreditnehmer kommen,
die auf der willentlichen Falschdarstellung materieller Fakten während einer Immobilienmarkttransaktion beruht. Ein solches Verhalten des Kreditnehmers bezeichnet man als Predatory Borrowing. Typische Phänomene, die bei Predatory Borrowing auftreten, sind falsche Angaben des Kreditnehmers
bezüglich seines Einkommens, seines Arbeitsverhältnisses, seiner Bonitätsgeschichte sowie der Bezugsquelle der Abschlagszahlung (vgl. Ashcraft/Schuermann 2008: 72).
Besonders bei in Relation zum Einkommen hohen Immobilienpreisen ist die Versuchung für potentielle Kreditnehmer, die sich einen höheren Lebensstandard wünschen, hoch, durch bewusste Hintergehung des Kreditgebers oder sogar Betrug, einen Kredit zu bekommen. Mit den Immobilienpreisen
steigt für die Kreditnehmer der erwartete Gewinn des Betrugs, während eventuelle Totalverluste durch
Kreditausfall durch den steigenden Wert der Immobilie als Sicherheit zunehmend unwahrscheinlich
werden (vgl. Ashcraft/Schuermann 2008: 72). Gestützt wird diese Behauptung durch Daten der IRS
(Internal Revenue Service), die belegen, dass sich die Zahl der Ermittlungen wegen Kreditbetrugs von
2002 bis 2006 verdoppelte. Aus Statistiken des FBI sowie des „Financial Crimes Network“ (FINCEN)
geht hervor, dass die Zahl der so genannten „suspicious activity reports“ (SARs) in Bezug zu Kreditbetrug von nur 3.500 im Jahr 2000 auf 28.000 im Jahr 2006 angestiegen ist. Vom Mortgage Asset
Research Institute wird geschätzt, dass sich der direkte Verlust aus Kreditbetrug im Jahr 2006 auf über
1 Mrd. beläuft, doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Durch die rasante Abnahme der Immobilienpreise
war es den Kreditnehmers nicht mehr möglich, die Häuser innerhalb kurzer Frist mit Gewinn zu verkaufen (vgl. Ashcraft/Schuermann 2008: 72).
Beim Predatory Borrowing muss es dem Kreditnehmer nicht zwangsläufig um die Finanzierung des
Erwerbs einer Immobilie gehen. Aus einem Bericht veröffentlicht durch Moody’s (vgl. Ashcraft/Schuermann 2008: 72) geht hervor, dass extrem frühe Zahlungsausfälle (weniger als 90 Tage
nach Kreditabschluss) vor allem bei Kreditnehmern vorkamen, die den Kredit zur Finanzierung von
Investitionen oder auch Konsum und nicht zur Finanzierung eines Eigenheims nutzten.
Das Vorkommen von Predatory Borrowing erstreckt sich besonders auf den Subprime-Sektor, wo es
finanziell schlecht gestellten Personen unter Vortäuschung falscher Tatsachen (vgl. Kiff/Mills 2007: 7)
ermöglicht wird Kredite aufzunehmen, da eine umfassende Bonitätsprüfung oft entfällt. Beispiele hierfür
sind NIJNA-Kredite (no income, no job, no assets) (vgl. Mizen 2008: 551). Bei den NIJNA-Krediten
wird weder ein festes Einkommen noch eine Arbeit noch Vermögen anderer Form als Sicherheit verlangt. Dementsprechend hoch sind die Zinsen, um das Ausfallrisiko abzusichern. Diese geringen Anforderungen an den Kreditnehmer gestalten die Kreditformen im Subprime-Sektor besonders attraktiv für
Personen ohne jegliche Sicherheiten, die keine Möglichkeit haben, andere Kredite in Anspruch zu nehmen. So war das Vorkommen von Subprime-Krediten in Regionen mit einem niedrigen durchschnittlichen Einkommen drei Mal höher als in Regionen mit einem höheren Durchschnittseinkommen (vgl.
Carr/Kolluri 2001: 6). Ein typischer Subprime-Hypothekenschuldner ist gekennzeichnet durch eine oder
mehr der folgenden Risikocharacterisika (vgl. Ashcraft/Schuermann 2008: 20):
Zwei oder mehr Zahlungsversäumnisse während der letzten zwölf Monate,
Zwangsvollstreckung während der letzen zwei Jahre,
Insolvenz während der letzten fünf Jahre,
hohes Ausfallrisiko sowie
schlechtes Schuldenstands-Einkommens-Verhältnis.
Die Gründe, warum Kreditnehmer mit einem hohen Ausfallrisiko sich entschließen, bei der Kreditvergabe über ihre finanzielle Situation unrichtige Angaben zu machen oder Kredite trotz schlechter
26
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Konditionen abzuschließen, sind vielfältig und basieren oftmals auf individueller Ebene. Das ideologische Versprechen des „American Dream“, jeder solle als „Bürgerrecht“ ein Eigenheim besitzen,
verleitete viele Personen einerseits zur Selbstüberschätzung und andererseits zur Unterschätzung der
eingegangenen Risiken (vgl. Ashcraft/Schuermann 2008: 78). Die Gier nach persönlicher Nutzenmaximierung überstieg besonders im Falle der Subprime-Kredite oft das realistische Selbstbild. Die
Einkommenssituation wurde individuell als zu positiv betrachtet, auch wenn nach objektiven Maßstäben abgesehen werden konnte, dass die Kreditzahlungen nicht dauerhaft gedeckt werden können
(vgl. Kiff/Mills: 7). Das Fehlen von angemessenen Bonitätsprüfungen durch die Kreditgeber, einerseits bewusst und willentlich im Falle des Predatory Lending, andererseits durch Fehleinschätzung
von Risiken, ließ diese verhängnisvolle Selbstüberschätzung zum Zeitpunkt der Kreditvergabe zu.
Die Benachteiligten durch das daraus resultierende immense Risiko sind einerseits die Kreditgeber,
die eine hohe Ausfallrate wegen zahlungsunfähigen Schuldnern zu verbuchen haben, und andere Kreditnehmer, die durch höhere Zinsen das Ausfallrisiko anderer mitfinanzieren. Jedoch besteht noch eine
weitere Beziehung der Kreditnehmer zu einer dritten Partei, nämlich der Anleger auf dem Kapitalmarkt. Durch die stetig wachsende Nachfrage nach Immobilien auf dem US-Markt versprachen sich
in- und ausländische Investoren renditeträchtige Kapitalanlagen (vgl. Jaffee 2008: 2). Durch die allgemeine Annahme, der positive Nachfragetrend nach Immobilien würde sich auch in Zukunft noch
lange fortsetzen, schätzten Anleger, Anlageberater und Rating-Agenturen das Risiko viel zu gering ein
(vgl. Mizen 2008: 532). Wie konnte es zu einer Fehleinschätzung diesen Ausmaßes kommen und welche Rolle spielte in diesem Kontext die Beratung der Anleger?
4.2.3 Relevanz von Predatory Lending und Predatory Borrowing für die Subprime-Krise
Um die Relevanz von Predatory Lending und Borrowing für die Subprime-Krise zu analysieren, ist
das Augenmerk darauf zu richten, wie der Subprime-Markt ursprünglich zustande kam und wieso die
Subprime-Kredite einen immer größeren Anteil am Kreditvolumen ausmachten. Wie bereits in Kapital
1.2.2 erörtert wurde, werden als Gründe für die rasante Ausbreitung des Subprime-Sektors vielfältige
makro- und mikroökonomische, sowie regulatorische Ursachen genannt. Betont werden in diesem
Zusammenhang zumeist Gesetzesänderungen, die hohe Zinssätze und Gebühren bei der Kreditvergabe
legalisierten sowie Steuervergünstigungen für verbriefte Kredite generierten. Zusätzlich erhofften sich
viele Kreditgeber die Erschließung neuer Märkte, auf denen noch wenig Konkurrenz herrschte. Diese
waren durch eine geringe Hauseigentümerrate und ökonomische Schwierigkeiten gekennzeichnet (vgl.
Mizen 2008: 536; Carr/Kolluri 2001: 6). Da sich die Kreditnehmer in diesen Gegenden für PrimeKredite in der Regel nicht qualifizierten, wurden vermehrt Subprime-Kredite angeboten. Dies wurde
vor allem durch die Verbriefung der Kredite (securitization) ermöglicht. Kredite mit hohem Ausfallrisiko wurden durch die Externalisierung des Risikos durch deren Verbriefung angeboten. Diese Kredite
wurden an Personengruppen vergeben, die ohne die Möglichkeit der Verbriefung als zu risikobehaftet
angesehen worden wären (vgl. Kiff/Mills 2007: 4). Die Möglichkeit zur Weitergabe der Risiken war
also eine wesentliche Grundlage des Predatory Lending mit der einhergehenden Vernachlässigung der
Bonitätsprüfungen auf dem Subprime-Markt.
Das starke Wachstum des Sektors, sowie die Entstehung der Finanzkrise sind mit Verweis auf die
Kapitel 2.2.1 bis 2.2.3 mit den Anreizstrukturen des O&D-Modells und der erhöhten Nachfrage nach
renditestarken, aber risikoreichen MBS privater Anbieter seitens der Investoren zu erklären. Der Zusammenhang zwischen dem Ausfallrisiko der Produkte und den Immobilienpreisen wurde von Investoren, die sich auf diesem Markt eine hohe Rendite versprachen, nicht hinreichend wahrgenommen
(vgl. Mizen 2008: 538). Dieser Zusammenhang wurde zeitgleich von den Rating-Agenturen unterschätzt, sodass die Ratings allgemein zu positiv ausfielen (vgl. Jaffe 2008: 28).
27
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Durch zu positive Prognosen bezüglich der Preisentwicklung auf dem US-Immobilienmarkt (vgl. Mizen 2008: 535) kalkulierten auch viele Kreditnehmer nicht das Risiko ein, dass die Hypothekenschuld
den Wert der Immobilie übersteigen könnte und im Falle der Zahlungsunfähigkeit das Eigenheim
nicht schuldendeckend weiterverkauft werden könne. Der Wunsch nach „kurzfristigem Gewinn“ in
Form eines Eigenheims ließ die Hypothekenschuldner die Unsicherheit über diese langfristigen Entwicklungen außer Acht lassen und veranlasste viele zu Verhaltensweisen, die mit Predatory Borrowing in Verbindung stehen. Durch die Methoden des Predatory Lending entfiel zeitgleich jegliche
Instanz zur hinreichenden Überprüfung der potentiellen Kreditnehmer sowie Beratungsstrukturen für
die Kreditnehmer, die das Eingehen zu hoher Risiken hätte verhindern können.
Die Finanzkrise wurde ausgelöst, als 2006 die Immobilienpreise sanken und die Zinsniveaus anstiegen. Als zahlreiche Kreditnehmer ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen konnten
und ihre Häuser als Sicherheit an Wert verloren, standen ihnen keine weiteren Refinanzierungsmethoden zur Verfügung. Als Konsequenz waren vor allem auf dem Subprime-Markt hohe Ausfallraten zu
verbuchen (vgl. Kiff/Mills 2007: 7f). Dies wurde durch die Verbriefung dieser Kredite und den internationalen Verkauf der dadurch generierten MBS (mortgage backed securities) an Investoren, die nur
über wenig Wissen über den amerikanischen Immobilienmarkt verfügten, schließlich zum globalen
Problem (vgl. Mizen 2008: 540).
4.2.4 Rekonstruktion des Prinzipal-Agenten-Problems
Die Phänomene des Predatory Lending und Predatory Borrowing lassen sich innerhalb der PrinzipalAgenten-Theorie genauer charakterisieren und analysieren sowie in einen Gesamtkontext einordnen.
Zunächst einmal sei auf eine Unterscheidung zwischen den Akteuren Kreditvermittler (auch: Makler
oder broker) und Kreditgeber (Originator des Kredits) hingewiesen. Der Kreditgeber tritt in der Praxis
häufig nicht direkt mit dem Kreditnehmer in Kontakt. Stattdessen leistet der Kreditvermittler (Prinzipal) die Akquise des Kreditnehmers (Agent) und erhält dafür vom Kreditgeber (wiederum Prinipal des
Kreditvermittlers) eine Provision. Dabei kann es zu einer Hidden-CharacteristicsInformationsasymmetrie kommen, indem der Kreditvermittler dem Kreditgeber z.B. eine schlechte
Bonität und damit Ausfallrisiken des Kreditnehmers verschweigt (vgl. Engel/McCoy 2002: 1286).
Dieses Problem lässt sich aber – wenn es überhaupt auftritt – durch eine Harmonisierung der Interessen von Kreditgeber und Kreditvermittler lösen. Außerdem hat es für die Analyse des Pre-datory Lending keine größere Bedeutung, weil die schlechte Bonität, die der Kreditvermittler in Kauf nimmt,
sogar im Interesse des Predatory Lender ist (vgl. Engel/McCoy 2002: 1287). Deshalb wird in der folgenden verbalen Analyse angenommen, dass die Prinzipal-Agenten-Beziehung direkt zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer besteht, ohne den Umweg über den Kreditvermittler zu gehen.
28
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Anlageberater
A
Vermittlung
gegen Provision
Verkauf
beauftragt zu
guter Beratung
P
P
Bank
Globaler
Finanzmarkt
Investor
Verbriefung
Kredit- A
geber P
Predatory Borrowing
Predatory Lending
P
A
P
Kreditnehmer
P
Vermittlung
gegen Provision
Verkauf
US-Immobilienmarkt
beauftragt zu
guter Beratung
A
Kreditvermittler
Abbildung 2:
Rekonstuktion in der Prinzipal-Agenten-Theorie (eigene Abbildung)
Betrachtet man das Vertragsverhältnis etwas genauer im zeitlichen Verlauf, dann handelt es sich bei der
Einhaltung des Vertrages nach Vertragsabschluss eigentlich um zwei Teilverträge. Zunächst beauftragt
der Kreditnehmer (Agent) den Kreditgeber (Prinzipal), ihm einen Kredit zu geben, und sodann beauftragt der Kreditgeber (Prinzipal) den Kreditnehmer (Agent), ihm den Kredit zurückzuzahlen.
Prinzipal-Agenten-Verhältnis
Kreditgeber
Kreditnehmer
1. Teilvertrag: Kreditnehmer fragt Kredit nach
Agent
Prinzipal
2. Teilvertrag: Kreditgeber fragt Kreditrückzahlung nach
Prinzipal
Agent
Abbildung 3:
Zwei Teile eines Vertrages (eigene Abbildung)
Es wird also zunächst der potentielle Kreditnehmer als Prinzipal angenommen und der Kreditgeber als
dessen Agent, wobei der Kreditnehmer den Kreditgeber beauftragt, ihm einen Kredit zu geben und
dazu eine möglichst gute Beratungsleistung zu erbringen. Die in dieser Prinzipal-Agenten-Beziehung
auftretenden Informationsasymmetrien zugunsten des Kreditgebers sind die Grundlage für das Predatory Lending.
Durch eine häufig vorsätzlich schlechte Beratung wird der Kreditnehmer im Fall des Predatory Len-
29
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
ding über entscheidende Bestandteile des Kreditvertrags getäuscht, wie etwa hohe Abschlussraten,
Gebühren oder deutlich variable Zinssätze. Der Kreditgeber schafft so bewusst eine HiddenCharacteristics-Informationsasymmetrie und sucht bei der Auswahl seiner Kunden gezielt nach solchen, die für diese Strategie besonders anfällig sind. Da jene Kreditnehmer mangels Fachwissen nicht
beurteilen können, welche ihnen offenen Kreditvertragsbedingungen (denkbar auch im PrimeSegment) sie möglicherweise besser stellen als andere, kommt es zu einer ineffizienten Auswahl der
Agenten (adverse Selektion), die einen Wettbewerb zwischen den Kreditgebern um die für die Prinzipale vorteilhaftesten Vertragsbedingungen unterbindet.
Weiterhin antizipiert der Kreditnehmer vor Vertragsabschluss oft nicht die verborgenen Motive (Hidden Intention) des Kreditgebers. Dieser versucht, den Kreditnehmer durch eine durchdachte Gestaltung der Verträge (z.B. besonders hohe loan-to-value-ratios sowie exorbitante Vorauszahlungsgebühren) möglichst eng an den eigenen Kredit zu binden und dessen Ausstiegsmöglichkeiten durch Hausverkauf oder durch Refinanzierung über einen anderen Kredit zu minimieren. Im Prinzip kann man
daher von einer Art spezifischen Investition sprechen, die der Prinzipal tätigt, ohne sich dessen bewusst zu sein. Im Anschluss kann der Kreditgeber gemäß seinen wahren Motiven den Kreditnehmer
z.B. durch exorbitant hohe Schlussraten zur ständigen Refinanzierung zwingen und dabei hohe Gebühren verlangen. Es kommt zum Ausbeutungsversuch oder Hold-up, der auch sehr häufig gelingt. Im
schlimmsten Fall resultieren die Vertragsbedingungen in einer vom Kreditgeber bewusst herbeigeführten Rückzahlungsunfähigkeit (Hidden Intention), sodass sich der Kreditgeber (komplett oder teilweise) den nicht-monetären Besitzstand des Kreditnehmers aneignen kann, der ihm als Sicherheit im Zahlungsausfall zusteht.
Die Prinzipal-Agenten-Beziehung zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber lässt sich auch umkehren.
In diesem Fall ergibt sich die Situation des Kreditgebers als Prinzipal, der den Kreditnehmer als Agenten dazu beauftragt, seinen aus dem Kreditvertrag hervorgehenden Verpflichtungen vertragsgemäß
nachzukommen. Die Differenzierung zwischen Kreditgeber und Kreditvermittler ist in diesem Kontext
auch nicht mehr erforderlich, weil der Kreditvermittler kein individuelles Interesse an der Rückzahlung des Kredits hat.
Es herrscht in diesem Fall eine Informationsasymmetrie zugunsten des Kreditnehmers, die dem Predatory Borrowing zu Grunde liegt. Der Informationsvorteil des Kreditnehmers besteht zum einen aus
dem Kreditgeber ex ante nicht unmittelbar zugänglichem Wissen über die persönliche finanzielle Situation (Hidden Characteristics). So kann der Kreditnehmer dem Kreditgeber bewusst falsche oder geschönte Angaben bezüglich seines Vermögens oder seines Arbeitsverhältnisses machen. Es kommt zur
adversen Selektion. Zum anderen fehlt dem Kreditgeber oft das Wissen über die wahren Motive (Hidden Intention) für die Kreditaufnahme. So kann der Kreditnehmer beabsichtigen, den Kredit für Investitionen zu verwenden, die unabhängig vom Hauskauf sind. Ex post besteht die Gefahr einer Hidden
Action seitens des Kreditnehmers. Er könnte z.B. die durch den Kredit zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel, anders als bei Vertragsabschluss versprochen, in etwa für Konsum anstatt der Investition in das Eigenheim verwenden. Bei Letzterem entfällt für den Kreditgeber oft die Absicherung der
noch fälligen Restschuld in Form der Immobilie, falls der Kreditnehmer zahlungsunfähig wird.
Zur groben Einbettung in einen allgemeineren Gesamtzusammenhang wurden die beiden oben dargestellten Prinzipal-Agenten-Probleme des Predatory Lending und Predatory Borrowing durch den oberen Teil der Abbildung 2 ergänzt. Im Folgenden wird der Fokus insofern erweitert, als nun die Situation skizziert wird, welche aus der Verbriefung und Weitergabe des Kredits auf die Sekundärmärkte
hervorgeht. Als erster Sekundärmarktakteur wird die Bank betrachtet, die die Kreditverträge dann über
30
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
einen Anlageberater meist in Form strukturierter Produkte an Investoren weitergibt.30
Die Anlageberater agieren im Rahmen der Prinzipal-Agenten-Theorie als Agenten der Investoren. Von
diesen werden sie zur umfassenden und objektiven Beratung über potentielle Anlageformen beauftragt. Diesem Auftrag kommen die Berater jedoch häufig nicht vollständig nach. Sie stehen nämlich
zumeist in einer weiteren Prinzipal-Agenten-Beziehung zu ihren Arbeitgebern – wie im Falle eines
Bankberaters der Bank. Die Bank als Prinzipal beauftragt den Anlageberater als Agenten ein möglichst hohes Pensum an Verträgen abzuschließen. Um die hierfür notwendigen Anreize zu generieren,
erhält der Berater meist eine Provision für die verkauften Anlageprodukte.
Unterstellt man dem Berater realistischerweise den Wunsch nach persönlicher Gewinnmaximierung,
ergibt sich ein Dilemma aus den zwei verschiedenen Prinzipal-Agenten-Beziehungen. Die von der
Bank generierten Anreizsysteme für den Anlageberater stehen im Gegensatz zu den Interessen des
Anlegers. Als Agent der Bank soll der Anlageberater ein möglichst großes Volumen an möglichst
risikoreichen Anlageprodukten verkaufen. Als Agent des potentiellen Anlegers soll der Anlageberater
dagegen eine neutrale Empfehlung abgeben. Der Berater steht also inmitten der Prinzipale Anleger
und Bank im Zielkonflikt zwischen Verkaufsmaximierung und objektiver Beratung. Da das Interesse
des Prinzipals „Bank“, Verkaufsmaximierung, durch die Anreizstrukturen im Einklang mit dem Interesse des Anlageberaters, Provisions- und damit Einkommensmaximierung, steht, ist der Anleger in
dieser Situation oft der Benachteiligte. Dieses Dilemma kommt zu Stande durch eine Informationsasymmetrie zwischen dem Anleger und dem Berater. Der Anleger besitzt eine geringere Kenntnis über
die Risiken und Gewinnchancen der verschiedenen Finanzprodukte als der Berater (Hidden Characteristics). Letzterer wird auf Grund der bereits beschriebenen Anreizstrukturen dazu tendieren, risikoreiche Produkte zu verkaufen. Durch bestehende Anreizstrukturen wird also keine gute Beratung, die von
Neutralität gekennzeichnet ist, gewährleistet.
5.
Lösungsoptionen für das Prinzipal-Agenten-Problem bei der Kreditvergabe
5.1
Regelungskontinuum von hard law und soft law
Kreditgeber und Kreditnehmer stehen in einer vertraglich problematischen Beziehung zueinander (vgl. Jensen/Meckling 1976). Die Ursache des Problems liegt in der Unvollständigkeit der Verträge, die wiederum das
Ergebnis einer asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Prinzipal und Agent ist (vgl. Coase 1937,
1960). Unvollständige Verträge könnten theoretisch bei prohibitiv hohen Agenturkosten vervollständigt werden. Betrachtet man das Vertragsverhältnis zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer aber genauer, so fällt
auf, dass zusätzlich implizite Bestandteile vorliegen. Aufgrund der mangelnden Explizierbarkeit führt dies
zwangsläufig zu einer eingeschränkten Rechtsverbindlichkeit, so dass Vertragstreue rechtlich nicht erzwungen werden kann. Es geht nun vor allem darum, dass die Informationsasymmetrien nicht zu Lasten der einen
oder anderen Seite ausgenutzt werden. Im Subprime-Sektor ist aber genau dies beim Predatory Lending geschehen. Das Vertragsverhältnis zwischen Prinzipal und Agent muss daher besonders geregelt werden.
Wir schlagen auf einem Regelungskontinuum von hard law und soft law nunmehr drei verschiedene Lösungsoptionen vor, die sich vor dem Hintergrund eines umfassenden Katalogs zur Implementierung von
Normen diskutieren lassen (vgl. Brink 2009). Darunter fallen auf der einen Seite gesetzliche Bestimmungen, die justiziabel sind (hard law) auf der anderen Seite Normen und Werte, deren rechtliche Umsetzung
sich schwieriger gestaltet (soft law) (vgl. auch Ehrike 1989). Vertrauen schließlich, weist keinerlei Justizia30
Diese Wiedergabe ist natürlich eine starke Vereinfachung dessen, was in der Realität zu beobachten ist. Für
eine detaillierte Differenzierung, siehe z.B. Ashcraft/Schuermann 2008: 3.
31
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
bilität auf. Ordnet man die drei möglichen Steuerungsoptionen auf einer Skala bezüglicher ihres Formalitätsgrades, bildet das Gesetz mit Strafandrohung bei Missachtung als formeller Steuerungsmechanismus
auf der einen Seite und das Vertrauen als informeller Steuerungsmechanismus auf der anderen Seite die
Endpunkte einer solchen Skala. Auf dem Regelungskontinuum von hard law über soft law nimmt der Grad
der Formalität und der Justiziabilität systematisch ab. Hinsichtlich der Agenturkosten ist festzustellen, dass
mit steigendem Formalisierungsgrad die Kosten aus Gesetzesformulierung und -durchsetzung sowie durch
Vernachlässigung des Einzelfalls steigen. Mit sinkendem Formalisierungsgrad steigen hingegen die Kosten
des Vertrauensmissbrauchs. Bei der Wahl der Lösungsoption muss jeder Entscheidungsträger, ob Gesetzgeber, Bank oder Kreditgeber, die Kostensituation genau prüfen. In der Wirtschafts- und Unternehmensethik wurde der Streit zwischen Regelkonformität (Compliance) und Integritätskonformität (Integrity)
erstmals von Lynn Sh. Paine in die Diskussion getragen (vgl. Paine 1994).
Lösungsoption
Steuerungsmechanismus
Formalitätsgrad
Autoritär
Gesetz
Compliance
Formell
Freiwillig
Selbstverpflichtung
Compliance/Integrity
Semi-formell
Informell
Vertrauen
Integrity
Informell
Abbildung 4:
5.2
Maßnahme
Lösungsoptionen: autoritär, freiwillig und informell (eigene Abbildung)
Möglichkeiten zur Lösung des Prinzipal-Agenten-Problems
5.2.1 Die autoritäre Lösung: Gesetz
Die erste Option ist eine autoritäre Lösung, da gesetzliche Bestimmungen und rechtliche Rahmenbedingungen auf der Autorität eines externen Dritten, dem Gesetzgeber, basieren. Anders als bei der
unternehmerischen Weisungsbefugnis ist im Falle von Gesetzen richtiges und falsches Verhalten sowie der Umgang mit Verstößen ex ante genau vorgeschrieben. Wenn es darum geht, rechtliche Rahmenbedingungen zu setzen, die in jedem Fall gelten und durchsetzbar sein sollen, ist mangelnde Flexibilität bzw. ein geringer interpretativer Gestaltungsspielraum geradezu gewünscht. Die gesetzliche
Lösung besitzt den höchsten Formalisierungsgrad und durch Freiheits- und Geldstrafen das stärkste
Sanktionspotential.
Intuitiv scheint der Gesetzgeber auch als Lösung der Prinzipal-Agenten-Problematik auf dem Kreditmarkt in Betracht zu kommen. Es bieten sich zahlreiche Methoden zur Regulierung des Marktes an.
Generell zu unterscheiden sind Palliativmaßnahmen für bereits bestehende Problemherde wie staatliche Zuschüsse für zahlungsunfähige Schuldner sowie künftige Reformen (vgl. Kiff/Mills 2007: 13).
Eine langfristige Lösung des Prinzipal-Agenten-Problems zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber
stellen Palliativmaßnahmen nicht dar, da sie nur dessen Symptome (Kreditausfälle), nicht aber dessen
grundlegende Ursachen (Informationsasymmetrien) bekämpfen. Vorschläge für künftige Reformen
beinhalten das Verbot für Kreditgeber, Kredite unabhängig von der Fähigkeit des Kreditnehmers zur
Rückzahlung mit seinem Einkommen oder Vermögen außer der Immobilie zu vergeben sowie die
Pflicht zur Verifizierung der Angaben über Einkommen und Vermögen (vgl. Mizen 2008: 560, vgl.
auch Kapitel 6).
Anhand dieser Beispiele lässt sich demonstrieren, dass nicht zu erwarten ist, dass durch die Verabschiedung derartiger Gesetze das grundlegende Problem des Predatory Lending auf dem SubprimeMarkt gelöst werden kann. Da die Fähigkeit zu Rückzahlung mit Einkommen oder Vermögen nicht
weiter definiert wird und auf Grund individueller Umweltbedingungen vom Gesetzgeber auch nicht
weiter definiert werden kann, wird ein Kreditgeber weiterhin an jede beliebige Person einen Kredit
32
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
vergeben können. Auch die Pflicht zur Verifizierung der Angaben wird die Informationsasymmetrie
beim Predatory Lending nicht verringern, da sie zu Gunsten des Kreditgebers ausfällt und für diesen
die Angaben des potentiellen Kreditnehmers bezüglich dessen Vermögenssituation nicht von Belang
sind (vgl. Engel/McCoy 2002: 1293). Da vor allem der vom Predatory Lending gekennzeichnete Subprime-Sektor auffällig hohe Ausfallraten aufwies, ist nicht zu erwarten, dass sich die dortige Situation
durch diese Regelungen verbessert (vgl. Kiff/Mills 2007: 7).
Anhand des Beispiels der „balloon payments“ soll nun aufgezeigt werden, dass gesetzliche Regelungen auch negative Auswirkungen auf den Markt haben können, nämlich durch Überregulierung, sowie
ungewollte Auswirkungen auf andere Kreditmärkte möglich sind (vgl. Carr/Kolluri 2001: 10). Während „balloon payments“ für einige Kreditnehmer eine große finanzielle Last darstellen und sie zur
Aufnahme weiterer Kredite zwingen, sind sie für manche Kreditnehmer, die zu Recht künftige Einkommensänderungen erwarten, die finanziell effizienteste Lösung. Eine strikte Regulierung, oder sogar ein Verbot würde zu größeren Wohlfahrtsverlusten führen. Ebenfalls ist durch eine erhöhte Regulierung und strengere Vorschriften zu erwarten, dass die Kreditnehmer im Subprime-Segment davon
am härtesten getroffen werden, da der Kreditfluss durch diese Maßnahmen dort am stärksten gehemmt
wird und keine oftmals Ausweichmöglichkeiten auf das Prime-Segment bestehen (vgl. Engel/McCoy
2002: 1313f).
Voraussetzung für eine gesetzliche Lösung ist ferner, dass sich der gesetzeswidrige Tatbestand ex ante
weitgehend festlegen lässt. Treten häufig individuelle Fälle auf, d.h. solche, in denen die allgemein
formulierte Regel nicht greift, verursacht die autoritäre Lösung Kosten durch schwierige Überprüfbarkeit und durch die Verfehlung des gewünschten Resultats. Es treten auf der Gesetzgeberseite Kosten
bei der Gesetzesgestaltung, der Überwachung der Gesetzeseinhaltung, sowie der Sanktionierung von
Gesetzesübertretungen auf. Den Banken entstehen Agenturkosten durch zusätzliche Arbeit für die
Compliance-Abteilungen. Anstatt die Kosten des Predatory Lending zu internalisieren und den tatsächlichen Vertragspartnern aufzuerlegen, werden sie als Externalität größtenteils von der Allgemeinheit getragen. Ein weiteres Problem mit Blick auf die Kosten ergibt sich für den Gesetzgeber aus der
Tatsache, dass die bei der Kreditvergabe geschlossenen Verträge aufgrund der asymmetrischen Informationsasymmetrien unvollständig sind, deren Lösung nur zu prohibitiv hohen Kosten zu verhindern
wäre (vgl. Erlei et al. 2007: 190). Die Implizität der Verträge bewirkt auf Gesetzgeberseite sogar die
Unmöglichkeit zur umfassenden Regulierung.
Rechtliche Maßnahmen sind auf Grund ihres hohen Sanktionspotentials also auf der einen Seite sehr
bedeutsam, auf der anderen Seite können sie allein die Probleme, die sich aus der asymmetrischen Informationsverteilung ergeben, nicht hinreichend eindämmen. Im Gegenteil, es scheint als ob die rechtlichen Maßnahmen sogar unter bestimmten Umständen durch eine Überregulierung einen Verdrängungseffekt auf effiziente Lösungen sowie auf ethisches Verhalten auslösen können. Was nicht explizit verboten ist, wird erlaubt: Moral wird in der gesetzlichen Rahmenordnung verortet – der Markt selbst bleibt
moralfrei (vgl. Homann 1994 sowie Werturteilsfreiheit in den Wirtschaftswissenschaften in Kapitel 4).
Dieser Umstand einer zu starken Fokussierung auf die autoritäre Lösung kann zum einem Moralvakuum
führen, so dass der einzelne nicht mehr über sein Verhalten reflektiert: So wurden dem Kreditnehmer
ungünstige und kurzfristige Kredite mit schlechten, langfristig ansteigenden Zinskonditionen angeboten.
Ferner haben Kreditgeber bewusst relevante Informationen verschwiegen oder stellten dem unwissenden
Kreditnehmer durch die permanente Refinanzierung überhöhte Gebühren in Rechnung bzw. es fielen die
besagten hohen Abschlusszahlungen an. Die wechselseitigen Erwartungen wurden also nicht hinreichend
expliziert, sondern – ganz im Gegenteil – die Implizität und Unvollständigkeit der Verträge wurde zu
Lasten des Kreditnehmers vom Kreditgeber ausgenutzt. Tatsächliche „Nachverhandlungen“ und damit
Versuche des Abbaus von unvollständigen Verträgen bzw. Bemühungen, implizite Verträge zu explizie-
33
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
ren, kamen zu spät, also erst, nachdem die Rückzahlung der Kredite nicht mehr gewährleistet werden
konnte und es zum Kreditausfall kam. Durch den Abschluss immer neuer Verträge wurde der Moral
Hazard nicht verhindert, sondern weiter verschärft und der Kreditnehmer somit in eine Abhängigkeitsbeziehung gebracht (Hold-up), die seine autonome Handlungs- und Entscheidungsfreiheit stark einschränkte und eine freie Selbstentfaltung verhinderte.
5.2.2 Die informelle Lösung: Vertrauen
Betrachtet man das andere Ende der Skala, so sind individualethische und damit in der Regel nicht
kodifizierte Werte wie Vertrauen entscheidend für die Verhaltenssteuerung und stellen damit eine
zweite Regulierungsinstanz dar. Paine und Bruner analysierten die Wirksamkeit von legal complianceProgrammen im Gegensatz zu wertebasierten Strukturen wie z.B. das Gewissen, um gutes Verhalten
im Unternehmen zu steuern (vgl. Paine/Bruner 2006: 4). Den Autoren zufolge kommt eine Studie zu
dem Ergebnis, dass
„(…) employee perception of an emphasis on values, as opposed to just legal compliance, was associated with positive outcomes such as employees’ awareness of ethics at work, their integrity, their willingness to seek ethical advice, lower observed unethical conduct, commitment to the organization, employees’ willingness to deliver bad news to supervisors, and the perception that better decisions are
made because of the program.” (Paine/Bruner 2006: 4)
Ein sehr erfolgreiches Beispiel für solch eine starke Compliance-Orientierung stellt der Österreichische Standard Compliance Code im Kapitalmarktbereich dar, bei dem Kunden- und Mitarbeiterinteressen vor kriminellen Handlungen geschützt werden sollen. Allerdings bleiben hier flankierende Integrity-Maßnahmen aus (vgl. Lucius 2000: 264).
Es mag intuitiv betrachtet seltsam anmuten, dass Vertrauen ein Steuerungsmechanismus sei und verhaltenssteuernde bis hin zu motivationaler Wirkung entfaltet. Scheint doch das Vertrauen gerade darin
zu bestehen, dass man sein Gegenüber nicht steuert bzw. versucht, Kontrolle über ihn auszuüben.
Dennoch, institutionenökonomisch lässt sich Vertrauen als Komplexität und Transaktionskosten reduzierender Mechanismus erklären, der wechselseitige Informationsasymmetrien zwar nicht vollständig
abbaut, aber deren Brisanz (also z.B. die Gefahr eines Moral Hazards) reduziert. Begrenzt rationale
Akteure setzen auf Vertrauen, um handlungs- und entscheidungsfähig zu bleiben (vgl. Ripperger 1998:
27). Missbrauch von Vertrauen wird mit Vertrauensentzug bzw. sozialen Sanktionen bestraft. Die
bloße Gefahr, das Vertrauen des Gegenübers zu verlieren, fungiert als sozialer Kontrollemechanismus.
Übertragen auf die Kreditgeber-Kreditnehmer-Beziehung belegen unvollständige und implizite Verträge, dass auch ohne rechtliches Sanktionspotential hohe Anreize für vertrauensbildende Maßnahmen
und deren Einhaltung existieren. Zwar legt auch die Sozialpsychologie (Tit-for-Tat-Strategie) und die
experimentelle Ökonomik (Vertrauensspiel) ein vertrauensvolles Verhältnis der Marktakteure nahe
(vgl. Axelrod 1984; Schwartz 1995). Dennoch handelt es sich bei der Kreditvergabe in der Regel nicht
um „mehrere Spielrunden“, so dass kein großer Anreiz zum Reputationsaufbau besteht. Außerdem
sind die Kreditmärkte anonym und erschweren sozialen Sanktionen (vgl. Lucius 2000; Wagner 1999).
Kritisch muss man ferner entgegenhalten, dass es in vielen Fällen an einer vertrauenswürdigen Beziehung zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer mangelte. Der Kreditgeber hatte kein ausgeprägtes
moralisches Bewusstsein und der Einfluss der sozialen Kontrolle ist zwar grundsätzlich in Kleingruppen möglich, die hier vorliegende Kreditgeber-Kreditnehmer-Beziehung stellt aber nur im Beratungsprozess selbst eine solche Face-to-Face-Situation dar, nach Vertragsabschluss existieren Anreize zum
Moral Hazard auf beiden Seiten. Dennoch können auch schon vor Vertragsabschluss Hidden Intentions vorliegen, so dass eine Ausbeutung vor Vertragsabschluss geplant werden kann. Die Ursache liegt
34
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
in der Besonderheit, dass der Vertrag zwar Face-to-Face geschlossen, nicht aber erfüllt wird.
5.2.3 Die freiwillige Lösung: freiwillige Selbstverpflichtungen
Als dritte Variante zur Lösung des Prinzipal-Agenten-Problems wird die freiwillige Selbstverpflichtung vorgeschlagen. Vertrauen wird nunmehr weniger auf das zwischenmenschliche Verhältnis
zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer bezogen, sondern auf die institutionelle Überwindung der
Informationsasymmetrien durch vorvertragliches Engagement seitens des Agenten, hier also des Kreditgebers, über das Signalling, der Ergreifung von Maßnahmen, die die tatsächliche Bindung an den
Vertrag im Interesse des Prinzipals glaubhaft machen und das Entgegenbringen von Vertrauen rechtfertigen (vgl. Kapitel 5.1.4).
Freiwillige Selbstverpflichtungen sind dauerhafte, verbindliche Normensysteme in Unternehmen, die
in der Regel schriftlich fixiert sind. Ziel ist es, dass sich der Einzelne oder die Institution aus freien
Stücken eine Norm unterwirft und entsprechende Sanktionen anerkennt. Sie sollen das individuelle
ethische Bewusstsein und Gewissen stärken und helfen, Vertrauensmissbrauch zu senken.
„Unter einem Kodex versteht man „schriftlich fixierte, also explizite Sollensvorschriften bzw. freiwillige Selbstverpflichtungen, an die sich Institutionen sowie Individuen binden können.“ (Brink/Tiberius
2005: 15)
Generell spricht man von institutionenethischen und individualethischen freiwilligen Selbstverpflichtungen, d.h. sowohl Institutionen als auch Individuen können sich der Norm unterwerfen. Der entscheidende Aspekt aller Selbstverpflichtungen ist die Freiwilligkeit. Damit liegt die finale Entscheidung, sich einer Norm freiwillig zu unterwerfen oder es eben nicht zu tun, beim Individuum – seine
Autonomie bleibt – im Gegensatz z.B. zu der autoritären Lösung – gewahrt. Der Einzelne setzt aus
freiem Willen Regeln, denen er sich dann anschließend unterwirft.
Bei den freiwilligen Selbstverpflichtungen können Ethik-Kodizes von den Codes of Conduct unterschieden werden, wobei letztere eher allgemein gehalten sind und langfristige Orientierung durch
grundsätzliche Prinzipien geben. Ein freiwillig implementierter Ethik-Kodex würde anders als die
zuvor behandelten gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen eine höhere Signalwirkung und Reputation erzielen und somit Unsicherheiten reduzieren, die durch unvollständige und implizite Verträge
sowie durch Informationsasymmetrien entstehen (vgl. Talaulicar 2006, 2007).
Ebenso wird das Gewissen durch die Pflicht zur Einhaltung der freiwilligen Selbstverpflichtung gestärkt, also durch einen Steuerungsmechanismus sich selbst gegenüber. Von außen betrachtet hat das
Gewissen den höchsten Grad an Informalität, da es allein auf intrinsischer Motivation beruht, aus der
Überzeugung des Einzelnen, sich ethisch richtig zu verhalten (vgl. zur Theorie der objektiven Selbstaufmerksamkeit Frey et al. 1978). Kreditgeber sollten also auch innerlich von der Integrität gegenüber
ihren Kreditnehmern überzeugt sein (Lucius 2000: 264).
Freiwillige Lösungen verursachen keine Kosten für die Vergesetzlichung und Überprüfung sowie
durch Vernachlässigung der unternehmensspezifischen Situationen. Auf der Prinzipalseite wird es
jedoch schwierig, die unterschiedlichen freiwilligen Kodizes vergleichen zu können. Kreditgeber in
Vorreiterrolle müssen ihr Engagement über geeignete Maßnahmen öffentlich kommunizieren und die
dadurch entstehenden Kosten übernehmen. Auch aus Sicht des Gesetzgebers scheint die freiwillige
Lösung günstig, da keine Kosten für die Vergesetzlichung und Durchsetzung anfallen. Gleichzeitig
kann es aber auch ein Nachteil sein, wenn keine festen Standards existieren. Kodizes entfalten nur
dann eine reputationsfördernde Wirkung, wenn Kreditgeber und Kreditnehmer den Inhalt eines Kodex
und seine Umsetzung nachvollziehen können. Bei einer großen Anzahl nebeneinander bestehender
Kodizes ist es den Beteiligten jedoch nur schwer möglich, alle Kodizes für jeden Kreditgeber einzeln
35
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
zu bewerten und zu vergleichen. Bei den Kreditgebern fallen Kosten für den erhöhten Kommunikationsbedarf an. In diesem Falle wäre ein branchenübergeifender, verpflichtender Kodex sowohl aus
Gesellschafts- als auch aus Bankenperspektive günstiger.
Derzeit gibt es noch zu wenig Erfahrung mit freiwilligen Selbstverpflichtungen, um abschätzen zu
können, ob vereinzelter Vertrauensmissbrauch von Seiten der Kreditgeber die Vorteile aufwiegen. Je
mehr die Kreditnehmer freiwillige Selbstverpflichtungen mit Loyalität honorieren und je stärker sie
die Nichteinhaltung freiwilliger Selbstverpflichtungen sanktionieren umso mehr wird dieser Steuerungsmechanismus an Bedeutung gewinnen. Ethisches Verhalten hat also durchaus positive ökonomische Konsequenzen. Der Signalling-Effekt von freiwilligen Selbstverpflichtungen ist bedeutsam für
den Abbau von Informationsasymmetrien. Im vorliegenden Fall des Predatory Lending scheinen sich
vor diesem Hintergrund völlig neue Handlungsoptionen zu ergeben, auf die im weiteren Verlauf des
vorliegenden Beitrags hingewiesen werden soll.
5.3
Ethische Aspekte der Prinzipal-Agenten-Theorie
5.3.1 Moralische Agentur-Theorie als Erweiterung der Prinzipal-Agenten-Theorie
Sumantra Ghoshal wendet sich in seinem berühmten Aufsatz in der Zeitschrift Academy of Management: Learning & Education gegen eine einseitig ausgerichtete Prinzipal-Agenten-Theorie und warnt
vor negativen Konsequenzen für die Managementpraxis (vgl. Ghoshal 2005 sowie Ghoshal/Moran
1996). Dabei greift er indirekt den Werturteilsstreit auf:
“Management theories at present are overwhelmingly causal or functional in their mode of explanations. Ethics, or morality at least are mental phenomena. As a result, they have to be excluded from our
theory, and from the practices that such theories have shaped.” (Ghoshal 2005: 79)
Wir möchten diesen Kritikpunkt Ghoshals ernst nehmen und die Prinzipal-Agenten-Beziehung nicht
nur als ein rein vertragliches Verhältnis betrachten. Zwischen den beiden Vertragspartnern besteht
darüber hinaus auch eine moralische Beziehung, die sich aus der dem Vertrag zugrunde liegenden
Kommunikation ergibt. Die so genannte Moral Agency Theory rückt die Bedeutung ethischer Aspekte
ökonomischer Theorien, insbesondere der Prinzipal-Agenten-Theorie in den Vordergrund (vgl. Carson
1994; Dobson/Dorsey 1989; French 1984; Werhane 1984).
Die Moral Agency Theory würde vier verschiedene Verantwortungsfälle unterscheiden, da bei der
Abwicklung der beiden Teilverträge sowohl der Agent als auch der Prinzipal in die Verantwortung
gegenüber ihren Vertragspartnern gezogen werden (vgl. Kapitel 4.1.3). Im Folgenden soll nur die Verantwortung des Agenten gegenüber dem Prinzipal bezüglich des ersten Teilvertrages untersucht werden, also die moralische Verpflichtung des Kreditgebers gegenüber dem Kreditnehmer im Beratungsgespräch. Umgekehrt könnte man sich vorstellen, dass ein Kreditnehmer auch Pflichten gegenüber
dem Kreditgeber hat, auch dies ließe sich agenturtheoretisch rekonstruieren. Darunter fiele die Pflicht
sich zu informieren, die Pflicht bei komplexen Produkten nachzufragen („Kaufe nichts, was Du nicht
verstehst“) oder aber die Pflicht, keine übertriebenen Erwartungen zu haben, also einzusehen, dass
eine höhere Rendite in der Regel nur mit einem höheren Risiko zu erkaufen ist. „Gute Beratung“ soll
den Verantwortungsbereich definieren, der sich aus dem Beratungsgespräch zwischen Kreditgeber und
Kreditnehmer für den Kreditgeber ergibt.
5.3.2 Beratungsqualität als Anwendungsfeld der moralischen Agentur-Theorie
Aufgrund der Unvollständigkeit der Verträge (ein vollkommener Vertrag ist nur unter exorbitant hohen Kosten möglich) und ihrer Implizität (ein vollkommener Vertag ist gar nicht möglich) kommt der
Beratungsqualität eine herausragende Stellung zu. Im Beratungsgespräch werden wechselseitig Erwar-
36
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
tungen zwischen Prinzipal und Agent aufgebaut, es werden Versprechen gegeben und implizite Vereinbarungen getroffen. Zugleich findet sich im Beratungsgespräch der Nährboden für späteres Moral
Hazard.
Es stellt sich also nunmehr die Frage, über welche (Kombination) der hier vorgestellten drei Lösungsmechanismen sich „gute Beratung“ verwirklichen lässt, die zur Lösung des Problems beiträgt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die mit dem Lösungsmechanismus verbundenen Kosten zu
berücksichtigen und miteinander zu vergleichen. Zugleich sind aber auch die Kosten in Betracht zu
ziehen, die entstehen, wenn keine Entscheidung getroffen wird. Dieser Aspekt wurde bei der Finanzkrise bislang stark vernachlässigt. Entweder wurde der Kreditnehmer stark mit den Kosten belastet,
z.B. wenn er zur Tilgung des Kredits seine Immobilien verkaufen musste, oder aber die Risiken wurden auf Dritte verschoben, indem der Kreditgeber sein Kreditausfallrisiko an Banken weiterveräußerte, diese eine Stückelung der Risiken vornahmen und sich die gebündelten Risiken von RatingAgenturen bewerten ließen (vgl. auch die Rolle des Anlageberaters in Kapitel 4.2). Am Ende dieser
Kette stand der Steuerzahler, der über die Milliardenkredite, über Bürgschaften und über TeilVerstaatlichungen in die Verantwortung gezogen wurde und damit die Kosten der Nichtexistenz einer
Lösungsoption trägt.
Hinsichtlich der Steigerung der Beratungsqualität ist also zu klären, bis zu welchem Grad sich dieser
Bereich kostengünstiger durch Compliance- oder durch Integrity-Maßnahmen regeln lässt. Bei der
gesetzlichen Lösung entstehen – wie bereits herausgearbeitet wurde – hauptsächlich Agenturkosten
auf Grund der Vernachlässigung der unternehmensspezifischen Situationen sowie durch Gesetzesformulierung und -durchsetzung. Bei freiwilligen Selbstverpflichtungen entstehen Kosten vor allem
durch Vertrauensmissbrauch, also durch die fehlende Bindung mit der Norm bzw. durch fehlende
Durchschlagskraft und Sanktionsmöglichkeiten. Keiner der beiden Implementierungsmechanismen für
sich alleine führt zu einer effizienten Lösung des Prinzipal-Agenten-Problems im Beratungsgespräch.
Die Kosten beider Implementierungsformen müssen also fallweise gegeneinander abgewogen werden.
Im vorliegenden Falle des Predatory Lending sollte die Lösung auf Grund der sich ständig ändernden
Rahmenbedingungen grundsätzlich flexibel gehandhabt werden, so dass der Urteilskraft von Managern, Bankern und Politikern eine entscheidende Bedeutung zukommt. Besonderes Gespür verlangt
die Beachtung der Verdrängungseffekte autoritärer Lösungen. So ist z.B. bei der gesetzlichen Lösung
zu beachten, dass sich die für „gute Beratung“ zentralen ethischen Normen – wie gezeigt wurde – oftmals nicht per Gesetz verordnen lassen (vgl. Kapitel 5.2.1). Gerade dieser Umstand macht sie zu ethischen Normen. Wären alle ethischen Normen justiziabel, dann bräuchte man keine Ethik mehr. Auch
im Beratungsgespräch sind Fälle denkbar, in denen eine gesetzliche Regelung die Befolgung einer
Norm stark beeinträchtigt. Die intrinsische Motivation, das ethisch Richtige für den Kreditnehmer zu
tun, kann durch die extrinsische Motivation Strafen zu entgehen, verdrängt werden (vgl.
Frey/Oberholzer-Gee 1997). Fällt diese extrinsische Motivation weg, etwa dadurch, dass die Strafen
nicht durchsetzbar sind, kann die Vergesetzlichung von Normen sogar ethisches Fehlverhalten verstärken (vgl. Paine 1994). Verdrängungseffekte sind im Einzelfall zu prüfen: So wäre sehr gut denkbar, dass ein moralisch integerer, gut ausgebildeter und finanziell unabhängig lebender Kreditgeber für
ein Crowding-Out möglicherweise stärker anfällig ist als ein böswilliger, schlecht ausgebildeter und
finanziell angeschlagener Kreditgeber. Wie dem auch sei, Tatsache ist, dass gerade die finanzwissenschaftliche und betriebswirtschaftliche Theorie primär auf extrinsischer Motivation fundiert ist. Es
geht zu großen Teilen um monetäre Größen und finanzielle Anreize statt intrinsische Motivation oder
Vertrauen bzw. vertrauensbildende Maßnahmen wie freiwillige Selbstverpflichtungen in den Blick zu
nehmen (vgl. Ripperger 1998). Dem Crowding-Out-Effekt kann man gerade mit der freiwilligen
Selbstverpflichtung als Hybridform zwischen formeller und informeller Lösungsoption entgegenwir-
37
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
ken, sofern sie von ethischen Prinzipien geleitet werden. Hieraus leiten sich die wesentlichen Lehren
aus der Finanzkrise ab.
6.
Lehren aus der Finanzkrise
6.1
Freiwillige Selbstverpflichtung für den Kreditgeber im Subprime-Segment
Selbstregulierungen sind in der Vermittlerbranche nicht unüblich. So gibt es z.B. eine freiwillige
Selbstverpflichtung des Bundesverbandes der Finanz-Planer e.V. (BFP), einen Ehrenkodex des Verbandes unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e.V. (VOTUM) sowie einen Kodex des Verband Verbraucherorientierter Versicherungs- und Finanzmakler e.V. (VVV). Für die Hypothekenkredite im Besonderen hat die Europäische Kommission im Jahre 2002 einen freiwilligen
Verhaltenskodex für vorvertragliche Informationen über wohnungswirtschaftliche Kredite (Hypothekarkredite) veröffentlicht. Wie aber nun könnte eine freiwillige Selbstverpflichtung für Kreditgeber im
Subprime-Segment grundsätzlich aussehen, wenn er sich auf Basis einer Zusammenführung von ökonomischen und ethischen Ansprüchen versteht und von ethischen Prinzipen der Marktwirtschaft getragen sein soll? Wenn man bedenkt, dass die deutsche Rechtssprechung einer Beratungspflicht von Kreditgebern gegenüber ihren Kunden bei der Kreditvergabe reserviert gegenübersteht (vgl. Habschick/Evers 2008), welche ethischen Normen sollten dann Kreditgeber verfolgen, die Kreditnehmer
mit Krediten versorgen, die auf dem regulären Kreditmarkt keine Aussicht auf einen Kredit haben?
Dies scheint ein riskantes, aber dennoch notwendiges Unterfangen zu sein, zumal wenn die Normen
von ethischen Prinzipien getragen werden sollen.
Auch wenn hier sicherlich keine endgültigen Vorschläge ausgearbeitet werden können (dies wäre
nicht nur überheblich vor dem Hintergrund der aktuellen Lage, sondern aufgrund der fehlenden Teilhabe der betroffenen Kreditgeber auch unklug), werden im Folgenden drei grundsätzliche Ebenen
vorschlagen, auf denen Normen implementiert werden können: Zunächst wären die Normen mit Blick
auf den Kreditgeber zu nennen. Diese beziehen sich auf das Binnenverhältnis, also die Beziehung des
Kreditgebers sozusagen zu sich selbst. Ferner wären Normen mit Blick auf den Kreditnehmer aufzuführen, die ausdrücklich auf den Beratungsprozess in der Interaktion zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer abzielen. Schließlich könnte man Normen mit Blick auf die Gesellschaft einfordern, um die
gesellschaftliche Relevanz des Kreditgebers im Besonderen (aber auch des Kreditmarktes im Allgemeinen) zu dokumentieren.
Normen mit Blick auf den Kreditgeber
Professionalisierung: Nach § 34c GewO werden hohe Anforderungen an Kreditgeber gestellt, allerdings werden keine spezifischen Ausbildungsarten eingefordert. Kreditgeber sollten sich daher
darüber hinaus verpflichten, Weiterbildungsangebote in Anspruch zu nehmen, die nicht nur in die
Tiefe gehen, also dem Erwerb von Fachwissen dienen, sondern auch die grundlegende Reflexion
ihrer eigener Beratungsqualität explizit einschließen. So könnte man „Auszeiten“ nehmen, in denen
sich der Kreditgeber auch mit ethischen und gesellschaftlich relevanten Fragen auseinandersetzt.
Dabei soll es ausdrücklich darum gehen, über das „Alltagsgeschäft“ hinauszublicken und für interund transdisziplinäre Probleme sensibilisiert zu werden. Ethik-Trainings, Rollenspiele oder computergestützte Simulationen und Fallstudien wären hier geeignete Instrumente der Personalentwicklung.
Offenlegung von Interessenkonflikten: Das Beratungsgespräch sollte verhältnismäßig frei von eigenen Interessen sein. Interne Anreizsysteme scheinen einer der Gründe zu sein, warum viele Kredit-
38
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
geber „unter Druck“ agieren und damit die Qualität der Kreditvermittlung außer Acht gelassen
wird. Daher sollten auch umfasst individuelle Anreizsysteme und Provisionen des Kreditgebers offengelegt werden, die gegebenenfalls über die Vorschriften des §§ 655b BGB hinausgehen. Diese
Vorschriften schreiben die Offenlegung der Vergütung des Kreditgebers als Prozentsatz des Darlehens vor. Ferner wäre in diesem Zusammenhang über eine „Honorarberatung“ nachzudenken, bei
der der Kunde für die Beratungsleistung des Kreditgebers auf Stundenbasis zahlt, die Zahlung wird
damit von dem Verkaufsabschluss entkoppelt und Interessenkonflikte reduziert.
Einheit von Haftung und Risiko: Um den Eindruck zu verhindern, dass die Kreditgeber lediglich
nach einer Maximierung der verkauften Kredite streben und dabei das Risiko für die Bank außer
Acht lassen, könnte man an einen Selbstbehalt denken. Hierdurch wird eine zu hohe Risikobereitschaft eingedämmt und Moral Hazard verhindert. Bislang gibt es nach § 34c GewO keinerlei
Haftungsübernahmeerfordernisse.
Normen mit Blick auf den Kreditnehmer
Orientierung an den Bedürfnissen des Kreditnehmers: Ziel des Beratungsgesprächs sollte der Abschluss eines Vertrags sein, dessen expliziten (und impliziten) Inhalten beide Vertragspartner ausdrücklich zustimmen können. Die Qualität der Kreditvermittlung soll nicht nur durch fachliche
Kompetenz, sondern auch soziale Fähigkeiten wie etwa Sensibilität für Risikoneigung oder die Fähigkeit, den Kreditnehmer als Kunden die Möglichkeit zu geben, sich auf Augenhöhe mit dem
Kreditgeber zu unterhalten. Dabei soll der Autonomie und Entscheidungsfähigkeit des Kreditnehmers besonderes Augenmerk geschenkt werden, seine Individualität steht im Zentrum. In diesem
Zusammenhang bieten sich kreditnehmerorientierte Verkaufsstrategien an, die explizit die persönlichen Bedürfnisse und Entfaltungsmöglichkeiten des Prinzipals in den Blick nehmen. Im Zentrum
dürfte gerade im Subprime-Segment die finanzielle Lebenssituation des Kreditnehmers stehen, d.h.
es sollte eine ausführliche Vermögensbilanz erstellt werden. Produktorientierte Strategien hingegen
(maximiere das Kreditvolumen!) sollten nicht im Vordergrund stehen. Entsprechend könnten auch
die Anreizsysteme von Output-Orientierung (verkauftes Kreditvolumen) auf Outcome-Orientierung
(Wirkung/Zufriedenheit beim Kreditnehmer) umgestellt werden. Dazu können gängige Instrumente
der Kundenbefragung, aber auch EDV-Tools eingesetzt werden.
Aufklärung des Kreditnehmers über Risiken: Kreditgeber sollten den Kreditnehmer über mögliche
Risiken aufklären. Es ist anzustreben, dass die Zustimmung des Kreditnehmers zum Vertrag nur
nach umfassender Aufklärung erfolgt (informed consent). Dabei sollte die Sprache des Beraters den
Fähigkeiten des Kreditnehmers angemessen sein, d.h. verständlich und nachvollziehbar, so dass der
Kreditnehmer nicht durch verwirrende Fachtermini in seiner Meinungsbildung behindert wird.
Wichtige Vertragsbedingungen dürfen nicht verschleiert werden, wobei sich insbesondere transparente und einfache Produkte anbieten. Außerdem sollte die Risikoneigung des Kreditnehmers geprüft werden, im Zweifel sollte dem Vorsichtsprinzip hohe Bedeutung zugemessen werden.31 Ziel
sollte es sein, dass der Kreditnehmer sich nicht mit Blick auf das (Kreditausfall-)Risiko übernimmt.
Daher sollte der Kreditgeber auch die Kreditwürdigkeit des Kunden überprüfen. Mit Blick auf die
Prinzipal-Agenten-Theorie dürfen bestehende Informationsasymmetrien nicht zum Nachteil des
Agenten ausgenutzt werden. Der Kunde sollte seine Entscheidung ohne Zeitdruck treffen können
und damit eine an seinen Bedürfnissen zugeschneiderte Lösung erhalten.
Verkauf einfacher Produkte und transparente Beratung: Hierunter versteht man im Allgemeinen
31
Zu denken wäre hier etwa an kulturspezifisch divergierende Risikoneigungen. Während in den USA die
Kreditnehmer eher risikofreudig sind, mangelt es in Deutschland an solchen Akteuren (vgl. „German Angst“,
Dückers 2008).
39
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Produkt-, Preis- und Provisionstransparenz (Informationstrias). Kreditnehmer sollten alle nötigen
Kenntnisse über die Kreditkonditionen haben, also hinreichend und angemessen aufgeklärt werden,
um zu einer eigenständigen und richtigen Beurteilung zu kommen. Darunter fallen auch Informationen über Risiken, über staatliche Alternativen, Provisionen und Nebenkosten oder über mögliche
Zinsanpassungen. Es muss verdeutlicht werden, was sich alles hinter dem Produkt verbirgt – mit
dem Verkauf des Produktes gibt der Kreditgeber schließlich ein Versprechen ab, das auf wechselseitigen Erwartungen basiert. Es entstehen implizite Vertragsbestandteile zwischen Prinzipal und
Agent. Gegebenenfalls sollten auch Alternativangebote in Aussicht gestellt werden, so dass der
Kreditnehmer nach einer ausgewogenen Chancen-Risiko-Betrachtung vernünftig zwischen den
verschiedenen Angeboten wählen kann. Die Beratung sollte mit der notwendigen Diskretion erfolgen, d.h. auftragsbezogene Unterlagen werden nicht an Dritte weitergeleitet. Ferner müssen die
Vorschriften des Datenschutzgesetzes eingehalten werden.
Protokollierung des Beratungsgesprächs: Vor Vertragsabschluss werden die Dokumente mit dem
Kreditnehmer ausführlich durchgesprochen, gerade wenn es sich um komplexe oder um eine Kombination verschiedener Teilprodukte (Kombinationskredite) handelt. Das Beratungsgespräch sollte
verschriftlicht und eine Kopie des Protokolls vom Kreditnehmer unterschrieben und an diesen ausgehändigt werden. Der Kunde sollte ferner einen einklagbaren Anspruch auf die Aushändigung eines solchen Beratungsprotokolls haben. Dies vereinfacht eine mögliche Nachverhandlungssituation, bei der implizite Verträge im Krisenfall expliziert werden müssen (Was wurde „versprochen“?
Welche Erwartungen wurden geweckt? Wie wurde über Risiken aufgeklärt?). Besonders zu empfehlen sind Feedback- bzw. after sales-Gespräche. Für Problemfälle sollten Ombudsstellen eingerichtet werden, die als unabhängige Schiedsinstanz eine Anlaufstelle für Problemfälle darstellen.
Hier wären auch „Nachverhandlungen“ zu führen, d.h. dass die Ombudsfrau bzw. der Ombudsmann untersucht die Implizität von Verträgen und hilft bei der Explizierung der wechselseitigen
Erwartungen.
Normen mit Blick auf die Gesellschaft
Verantwortung für die Beratungsleistung: Kreditgeber sollten auch über die Beraterperspektive
hinaus gesellschaftliche Konsequenzen ihrer Arbeit berücksichtigen. Dies können z.B. negative externer Effekte sein. Ferner wird angestrebt, dass unternehmerische und soziale Risiken fair bewertet
werden (z.B. Mortgage Backed Securities). So sollte der Kreditgeber keine schwer kalkulierbare
Risiken eingehen bzw. Informationen zur Einschätzung des Kreditausfallrisikos von Kunden einholen.
Hinweispflicht auf Systemdefizite: Aus der Verantwortung für die Beratungsleistung ergibt sich die
Pflicht, in moralischen oder ökonomischen Konfliktfällen Hinweise an den Gesetzgeber oder die
Unternehmensleitung zu geben (vgl. Homann 1994). Wenn Kreditgeber sich auch als gesellschaftliche Akteure verstehen, werden sie frühzeitig kritisch auf die Arbeit von Rating-Agenturen schauen oder die Gefahr der Externalisierung von Kosten beachten. Entsprechende WhistleblowingSysteme sollten zur Prävention moralischer Defektion initiiert werden.
Die oben genannten Normen sind lediglich als Beispiele zu verstehen. Diese Standards sollten mit den
Kreditgebern gemeinsam entwickelt und dann kontinuierlich verbessert und weiterentwickelt werden.
Dazu bieten sich Kunden- und Mitarbeiterfeedbacks und -zufriedenheitsstudien, kontinuierliche Verbesserungsprozesse sowie Mystery-Analysen an. So wäre es denkbar, dass in bestimmten Abständen
Testanrufe oder Testberatungen vorgenommen werden, um die Beratungsqualität hinsichtlich der ethischen Aspekte stichprobenartig zu evaluieren.
Freiwillige Selbstverpflichtungen ziehen eine Reihe von Anschlussfragen mit sich. Erstens ist zu prü-
40
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
fen, wer der Adressat der freiwilligen Selbstverpflichtung sein soll. Zunächst sollte er sich nur an den
Kreditgeber richten, der die Erklärung z.B. durch seine Unterschrift dokumentiert. Selbstverständlich
ist es auch möglich, sich an die Inhalte zu halten, ohne die Erklärung formell anzuerkennen, doch gerade mit der formellen Anerkennung gibt der Kreditgeber Externen zu verstehen, dass er freiwillig
sein Handeln an einem Idealmaßstab messen lassen will. Der Kreditgeber kann seine Erklärung jederzeit widerrufen.
Zum Zweiten ist zu klären, welche Instanz die Einhaltung des Kodex gewährleisten kann. Die freiwillige Selbstverpflichtungserklärung sollte sanktionsbewährt sein, das heißt, dass der Kreditgeber sich
auch möglichen Sanktionierungen seiner Handlungen unterwirft. Um Beschwerden über Fehlverhalten
entgegenzunehmen, den Sachverhalt zu eruieren, die Sanktion ggf. zu verhängen und durchzuführen,
bedarf es einer Organisation, die diese Aufgaben übernimmt. Für die Organisation der Kontrollinstanz
für die freiwillige Selbstverpflichtung sind grundsätzlich zwei Wege denkbar. Eine zentrale Organisation würde sich den beschriebenen Aufgaben im doppelten Sinne exklusiv widmen, d.h., keine andere
Organisation würde sich diesen Aufgaben widmen, und die Organisation würde (vorzugsweise) keine
anderen Aufgaben übernehmen. Die dezentrale Lösung könnte so aussehen, dass mehrere bestehende
Organisationen die Einhaltung der freiwilligen Selbstverpflichtung parallel kontrollieren wie z.B.
Branchenverbände.
Drittens stellt sich die Frage nach den Sanktionen, sowohl Strafen als aber auch Belohnungen für besonders vorbildliches Verhalten umfassen. Welche Sanktionen im Einzelnen verhängt werden, muss
die Organisation beschließen, die auch die Einhaltung des Kodex überwacht. Dabei muss sie im Blick
haben, dass zu strenge Sanktionen möglicherweise abschreckend wirken und zu weiche Sanktionen
den Eindruck erwecken können, dass die Umsetzung nicht ernsthaft überwacht wird. Auf der anderen
Seite sollten sie so wirksam sein, dass sie das vorliegende Prinzipal-Agenten-Problem hinreichen eindämmen kann. Als Obergrenze für Sanktionen muss die Organisation bedenken, dass sie kein Ersatz
für die autoritäre Lösung sein kann und will und zugleich noch Spielraum für die individuelle Lösung
lässt. Es bietet sich an, negative Sanktionen nach der Schwere des Fehlverhaltens in einer differenzierten Abstufung zu verhängen. Ferner sollte die Überwachungsorganisation auch positive Anreize erwägen. Der Fantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt, und Inspiration kann man sich aus dem Personalmanagement holen, das auf einen reichen Erfahrungsschatz bei der Vergabe von Anreizen verfügt.
Das Hauptinstrument könnte die öffentliche Auszeichnung besonders vorbildhaften Verhaltens sein.
Zum vierten dürfte eine Zertifizierung in Betracht zu ziehen sein. Eine Studie des Bundesministeriums
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Zusammenarbeit mit dem Forschungs- und
Beratungsunternehmen Evers Jung formuliert die Stärkung der Aufsicht und die Zulassung von Zertifizierungen als eine der zentralen sechs Vorschläge zur Verbesserung der Anforderungen an Finanzvermittler (vgl. Habschick/Evers 2008: 10). Diese könnte zum einen durch eine übergeordnete Institution erfolgen wie z.B. auf Branchenebene oder im Rahmen berufsständischer Organisationen. Zum
anderen wäre an eine unabhängige Drittinstanz (z.B. der TÜV) zu denken. Was letztlich zertifiziert
wird, liegt im Ermessen der Kreditgebers: So wäre z.B. denkbar, dass man die Beratungsqualität insgesamt bewerten und zertifizieren lässt, aber auch nur Teilbereiche wie pre sales (etwa Bedarfsanalyse
und Angebotserstellung) oder after sales (etwa Dokumentation und Anschlussverkäufe) oder die Einhaltung bestimmter ethischer Standards.
Die Zertifizierung kann in zwei Phasen erfolgen: Zu Beginn erfolgt ein Gespräch mit dem Kreditgeber
zur Abstimmung des Zertifizierungsprozesses. Sodann beginnt die Evaluierung des Status-Quo (Dokumentenanalyse, Fragebögen, Einzelinterviews, Audits, Mystery Analysen. Das Ergebnis der Zertifizierung wird in einem Abschlussbericht zusammengefasst. Hier wird die theoretische Fundierung
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Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
offen gelegt, die Vorgehensweise erläutert und einzelne Ergebnisse festgehalten. Gegebenenfalls kann
der Abschlussbericht auch Auflagen enthalten. Darüber hinaus wird nach sorgfältiger Prüfung die
Ethik-Zertifikatsurkunde an den Kreditgeber überreicht. Jährliche Revisionsaudits stellen die EthikStandards sicher. Die Vorteile einer solchen Zertifizierung liegen auf der Hand: Zunächst ist anzunehmen, dass eine Zertifizierung zur Steigerung der Effektivität des (Privat-)Kundengeschäfts sowie
zu einer Verbesserung der Neukundengewinnung führt. Bestandskunden könnten stärker an den Kreditgeber gebunden werden (customer retention), das Qualitätsmanagement und die Qualitätssicherung
wird gestärkt und letztlich kommt es zu Reputations- und Imagegewinnen für die Kreditgeber.
6.2
Ethische Prinzipien: Freiheit, Autonomie, Transparenz und Angemessenheit
Im dritten Kapitel wurden vier ethische Prinzipien aus den führenden deutschsprachigen Ansätzen
erarbeitet, die für eine Marktwirtschaft leitend sind, die Kosten nicht externalisiert. Die Frage lässt
sich wie folgt formulieren: „Wie lässt sich das System so gestalten, dass auch die ethischen Grundsätze unserer Gesellschaft zur Geltung kommen?“ (Homann 2009) Die Normen guter Beratung, die über
eine freiwillige Selbstverpflichtung umgesetzt werden, sind durch vier leitende ethische Prinzipien
ergänzbar. Überträgt man diese vier Prinzipien nunmehr auf die verschiedenen Normen, die die Prinzipal-Agenten-Beziehung regeln, so kann man eine erste Zuweisung wie folgt darstellen.
Ethische
Prinzipien
Anwendung des Prinzips
Relevanz für die
freiwillige Selbstverspflichtung
Freiheit
American Dream, Verantwortung als Preis der Freiheit,
Vertragsfreiheit, Wahl-/Entscheidungsfreiheit
Verantwortung für die Beratungsleistung und
Risiko, Hinweispflicht auf Systemdefizite
Autonomie
American Dream, informed consent,
Wahl-/Entscheidungsfreiheit, Eigenverantwortung als
Preis der Autonomie
Orientierung an den Bedürfnissen
des Kreditnehmers
Transparenz
Interessenkonflikten, Offenlegung von Entlohnungsstruktur, Transparenz der Produkte, Werbung,
Offenheit in der Beratung über Risiken, Abbau von
Infoasymmetrien
Professionalisierung, Aufklärung des
Kreditnehmers über Risiken, Offenlegung von
Interessenkonflikten, Verkauf einfacher Produkte
und transparente Beratung, Protokollierung des
Beratungsgesprächs
Angemessenheit
Mäßigung, Abschwächung von Eigeninteressen/Gier,
keine überzogene Erwartungen, Nachhaltigkeit, Langfristigkeit, optimizer/satisficer-Modelle
Einheit von Haftung
Abbildung 5:
7.
Ethische Prinzipien, Anwendung der Prinzipien und Relevanz bei der
freiwilligen Selbstverpflichtung (eigene Abbildung)
Ausblick
Die Finanzkrise nahm ihren Ausgang auf dem US-amerikanischen Häusermarkt. Der Versuch aber
diesen Markt mit rein ökonomischer Vernunft zu verstehen, greift zu kurz und lässt zu viele Elemente
unbeachtet. Zu sehr hat sich die Bedeutung des homeownerships im Selbstverständnis der USGesellschaft verankert und zum eigenständigen Teil des American Dream etabliert. Ein Traum ist
rational-ökonomisch nicht fassbar, im Gegenteil: er vermittelt eine Vision. Dennoch werden auf seiner
Basis Verträge geschlossen. Er bietet die Grundlage für einen Markt, dessen jährliches Volumen Billionen von Dollar ausmacht. In diesem Zusammenhang ist es somit dringend nötig, auch dem ideellen
42
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Kern des Auslösers der Finanzkrise Beachtung zu schenken. Wie die Risiken von Kreditverträgen, die
eigentlich nie hätten geschlossen werden sollen, verbrieft, gepoolt, tranchiert, gemixt, wiederum tranchiert und schließlich so verpackt wurden, dass sie in Finanzinstituten in aller Welt reißenden Absatz
fanden, wurde und wird ausgiebig diskutiert. Welche Mängel im Verbriefungsprozess, beispielsweise
in Rating-Methodologien, in Aufsicht und Regulierung und in der Rechnungslegung zu finden waren,
ist bereits Teil eines umfassenden Überprüfungs- und Reformprozesses.
All diese Anstrengungen werden jedoch unternommen mit der einer Annahme im Hinterkopf, namentlich der Wertfreiheit der Ökonomik. Dass jedoch gerade der Markt für Subprime-Kredite in den USA,
der Auslöser der Finanzkrise, keinesfalls ausreichend unter dieser Annahme beschrieben werden kann,
wurde in Kapitel 2 begründet. Dies wurde zum Anlass genommen, die Finanzkrise auch im Lichte
wirtschafts- und unternehmensethischer Begrifflichkeiten zu beleuchten, deren Grundlagen in Kapitel 3 gelegt wurden. Eine der allgemein anerkannten Ursachen der Finanzkrise, das dramatische Fallen
von Kreditvergabestandards auf dem US-Subprime Markt, wurde aufgegriffen und in den Kontext von
wirtschafts- und Unternehmensethik analysiert. Als beispielhaft zugespitzte Form dieser abnehmenden
Vergabestandards wurde in Kapitel 4 das Phänomen des Predatory Lending vorgestellt. Es wurde
vorgeschlagen, die Kreditgeber-Kreditnehmer-Beziehung im Predatory Lending in der PrinzipalAgenten-Theorie zu rekonstruieren und Informationsasymmetrien, Moral Hazard und Hold-upPhänomene mittels eines wirtschafts- und unternehmensethisch motivierten Ansatzes für freiwillige
Selbstverpflichtung in Beratungssituationen abzubauen. Diese, auf der in Kapitel 5 dargestellte moralische Agentur-Theorie, basierenden Erkenntnisse wurde schließlich in Kapitel 6 zu einem konkreten
Vorschlag zugespitzt, wie Kundenberatung im allgemeinen und Kreditkundenberatung im speziellen
aufgebaut sein kann, um typische Prinzipal-Agenten-Probleme abzubauen. Die Aktualität und Relevanz dieses Ansatzes wird nicht zuletzt auch durch das Bundesministeriums für (Ernährung, Landwirtschaft und) Verbraucherschutz belegt, welche im selben Lichte eine Vision für bessere „Beratungsqualität im Finanzdienstsektor“ formuliert haben (Habschick/Evers 2008: 139).
Hätte mehr Wirtschafts- und Unternehmensethik die Finanzkrise verhindern können? Wohl kaum.
Jedoch sollte man sich in ihrer Analyse und dementsprechend auch bei der Suche nach Lehren, die aus
ihr gezogen werden können, aller Mittel und Ansätze bedienen, die zur Verfügung stehen. Die ökonomische Theorie leistet diesbezüglich natürlich einen großen Beitrag. Allerdings stellt die Realität
häufig Problemstellungen, die mit dem Instrumentarium der Ökonomik allein nicht zu erfassen ist.
Gerade im Zusammenhang mit einer Finanzkrise, die ihren Ausgang nahm in einem Bereich bzw. nun
auch beginnt sich auf Bereiche auszuwirken, zu denen Finanz- oder auch Wirtschaftswissenschaftler
für gewöhnlich nichts beizutragen haben, können Ansätze der Wirtschafts- und Unternehmensethik
zur Analyse herangezogen werden. Aber auch um Ideen zu entwickeln, die helfen können, zukünftigen
Krisen vorzubeugen. Dies kann jedoch nur funktionieren, wenn es nicht nebeneinander, sondern miteinander geschieht:
„In der aktuellen Finanzkrise kann die Ethik also zur genaueren Problembestimmung und damit vielleicht auch zur Problemlösung beitragen; sie muss sich allerdings über weite Strecken der ökonomischen Logik bedienen.“ (Homann 2009)
43
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
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