Videoüberwachung im Betrieb Video
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Videoüberwachung im Betrieb Video-Überwachung von Arbeitnehmern Gestaltungsfeld für Betriebs- und Personalräte 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 1 Videoüberwachung im Betrieb Einsatzbereiche von Videokameras (Beispiele) ¾ Zutrittskontrolle von Betriebsgeländen und Räumlichkeiten ¾ Überwachung von Produktionsanlagen und -prozessen ¾ Sicherung von gefährdeten Gebäuden und Bereichen ¾ Verhinderung und Aufklärung von Diebstahl und Vandalismus ¾ ... 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 2 1 Videoüberwachung im Betrieb Technische Lösungen: Stand alone ... Kamera Verkabelung Monitor 22.10.2008 evtl. Aufzeichnungsgerät © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 3 Videoüberwachung im Betrieb Technische Lösungen: ... oder (global) vernetzt Kamera(s) Aufnehmen Server Speichern Arbeitsplätze Analysieren „Eine progressive und zukunftsorientierte Form der Videoüberwachung mit dienlichen Vorteilen, wie die globale Ungebundenheit sowie schnelle und einfache Entledigung von jeglicher Kabelverlegung.“ (Herstellerwerbung) 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 4 2 Videoüberwachung im Betrieb Verdeckte Ermittler Minikamera im funktionierenden Rauchmelder Als Bewegungsmelder getarnte, tragbare Kamera Minikamera getarnt in Wanduhr Minikamera getarnt im Feuermelder 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 5 Videoüberwachung im Betrieb Möglichkeiten der Leistungs- und Verhaltenskontrolle ¡ Echtzeit-Beobachtung aktueller Ereignisse 2 Mithören von Gesprächen Aufzeichnung und Ansehen von Aufnahmen / Gezielte Auswertungen zurückliegender Ereignisse mit Hilfe geeigneter Software 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 6 3 Videoüberwachung im Betrieb Technischer Fortschritt: Aufzeichnen und Auswerten Die Aufzeichnungs- und Speicherkapazität ist nur noch durch die eingesetzte Hardware begrenzt Videosysteme können standortübergreifend arbeiten, Zugriffe von außerhalb eines Betriebes sind online (Echtzeit) und rückwirkend über das Intranet auf gespeicherte Daten möglich Über das Internet können alle Daten externen Stellen (Auftraggeber, Dienstleistern ...) zugänglich gemacht werden Zur nachträglichen Auswertung von Aufzeichnungen stehen Technologien der automatisierten Bildanalyse zur Verfügung 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 7 Videoüberwachung im Betrieb Wer sich nichts zuschulden kommen läßt, ... /Wann und wie häufig Mitarbeiter auf die Toilette gehen, /Wer mit wem möglicherweise ein Liebesverhältnis hat, /Wer nach Ansicht der Überwacher unfähig ist ... /... oder einfach nur "introvertiert und naiv wirkt" /Wer mit wem gerne/nicht gerne zusammenarbeitet /Tätowierungen „Marke Eigenbau“ /Anzahl von Zigarettenpausen /Negative Äußerungen über anberaumte Schulungen /Ankündigung, pünktlich Feierabend zu machen /Bekleidung von Mitarbeitern im Urlaub /..... 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 8 4 Videoüberwachung im Betrieb ... braucht auch nichts zu befürchten (?) Wer einem einzelnen Arbeitnehmer kündigen will, sucht nach Fehlern. Manchmal gibt es einen vagen Verdacht auf Untreue, manchmal ein generelles Misstrauen gegenüber allen Angestellten. Nicht selten geht es nur darum, Personalkosten zu senken – so schnell und wirkungsvoll, wie es mit betriebsbedingten Kündigungen nicht möglich wäre, zumal bei langjährigen Mitarbeitern. »Und welcher Mitarbeiter ist schon fehlerfrei?«, sagt Weigelt. ZEIT ONLINE 16/2008 S. 23 [http://www.zeit.de/2008/16/Was-weiss-mein-Chef] 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 9 Videoüberwachung im Betrieb Vertrauen ist gut, Kontrolle ... Hier offenbart sich ein grundlegendes Misstrauen gegenüber den Beschäftigten. Wer seine Mitarbeiter wie Gegner behandelt, wird ihnen kaum Loyalität unterstellen. Mangel an Vertrauen erzeugt einen erhöhten Bedarf an Kontrolle. ... Man kann kontrollieren, wann die Beschäftigten stempeln, wann sie ihren Computer einoder ausschalten, ob sie privat telefonieren. Aber nicht, wann sie lächeln, verständnisvoll nachfragen, engagiert beraten - eben das entscheidende Bisschen mehr leisten, zu dem man bereit ist, wenn man Spaß an der Arbeit hat und sich geschätzt fühlt. Durch Druck und Kontrolle kann man nur die Einhaltung vertraglicher Mindeststandards erzwingen, um den Preis großer Fluktuation und hoher Krankenstände. (WK 5.4.2008) 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 10 5 Videoüberwachung im Betrieb Das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 2: (1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 11 Videoüberwachung im Betrieb Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Aus der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgericht zum „Volkszählungsurteil” vom 15.12.1983: „Die freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus” Das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit umfaßt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung: Jeder einzelne hat das Recht, über die Preisgabe und Verwendung seiner Daten zu bestimmen. 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 12 6 Videoüberwachung im Betrieb Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Aus der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgericht zum „Volkszählungsurteil” vom 15.12.1983: „Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffende Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden.“ „Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen“ 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 13 Videoüberwachung im Betrieb § 75 Betriebsverfassungsgesetz vom 22. Juni 2001 Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern. 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 14 7 Videoüberwachung im Betrieb Rechtsprechung: BAG (1) 27. März 2003 (2 ABR 51/02) Überwachung eines Arbeitnehmers Nachdem die Gründe steigender Inventurdifferenzen eines Getränkemarktes nicht gefunden werden konnten, installierte der AG zwei Videokameras. Aufgrund der Aufnahmen erhärtete sich der Verdacht gegenüber einer AN. Der BR gab nachträglich seine Zustimmung zur Auswertung. Der AN wurde gekündigt, die AN klagte auf Wiedereinstellung. 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 15 Videoüberwachung im Betrieb Rechtsprechung: BAG (2) 27. März 2003 (2 ABR 51/02) Überwachung eines Arbeitnehmers Die Klage wurde abgewiesen. Begründung: Zwar stelle die Maßnahme einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen dar, doch lägen besondere Umstände vor, die diesen rechtfertigten. Es bestand ein konkreter hinreichender Tatverdacht gegen die AN, der nicht oder nur schwer mit anderen Mitteln hätte geklärt werden können. 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 16 8 Videoüberwachung im Betrieb Rechtsprechung: LAG Hamm (1) 24. Juli 2001 (11 Sa 1524/00) Beweismittel für Kündigungen Eine Kassiererin hatte ihren Arbeitsplatz – entgegen den üblichen Arbeitsanweisungen – kurzzeitig verlassen um ihre private Geldbörse zu holen. Der Arbeitgeber, der dies auf einer heimlich gemachten Videoaufzeichnung feststellte, hatte daraufhin die Kassiererin wegen ›erheblicher Vertragsverletzung‹ außerordentlich und zugleich auch ordentlich gekündigt. Der Betriebsrat hatte den heimlichen Videoaufnahmen im Kassenbereich zugestimmt. Die AN klagte gegen die Kündigung. 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 17 Videoüberwachung im Betrieb Rechtsprechung: LAG Hamm (2) 24. Juli 2001 (11 Sa 1524/00) Beweismittel für Kündigungen Der Klage wurde stattgegeben. Im Kündigungsschutzprozess stellte das LAG fest, dass die unrechtmäßig zustande gekommene Videoaufnahme nicht als Beweismittel zugelassen werden könne: „Die Unantastbarkeit der Persönlichkeit würde erheblich geschmälert, dürften andere ohne oder gar gegen den Willen des Betroffenen über die Videoaufnahmen nach Belieben verfügen.“ Die LAG-Richter stellten unmissverständlich fest, dass auch die Zustimmung des Betriebsrats nichts an der Unrechtmäßigkeit der Videoaufzeichnung ändere. 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 18 9 Videoüberwachung im Betrieb Rechtsprechung: BAG (3) 29. Juni 2004 (1 ABR 21/03) Videoüberwachung am Arbeitsplatz Durch Spruch einer Einigungsstelle sollte in einem Briefverteilzentrum eine dauerhafte, sichtbare Videoüberwachungsanlage installiert werden. Für die AN nicht erkennbar sollten wöchentlich 50 Stunden aufgezeichnet und ausgewertet werden, um laufende Verluste von Sendungen aufklären zu können. Der BR hat den Einigungsstellenspruch gerichtlich angefochten. 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 19 Videoüberwachung im Betrieb Rechtsprechung: BAG (4) 29. Juni 2004 (1 ABR 21/03) Videoüberwachung am Arbeitsplatz Der Klage wurde stattgegeben. Begründung: Einerseits hat der AG die Pflicht, für die Sicherheit des Briefverkehrs und des grundrechtlich geschützten Postgeheimnisses zu sorgen. Andererseits wird durch die Videoüberwachung erheblich in das ebenfalls grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht der AN eingegriffen. Keiner dieser beiden Rechtspositionen gebührt Vorrang. Daher ist eine einzelfallbezogenen Abwägung erforderlich. Danach ist die dauerhafte, verdachtsunabhängige Überwachung der AN unter den vorliegenden Umständen unverhältnismäßig und daher unzulässig. 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 20 10 Videoüberwachung im Betrieb § 4/4a Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) § 4a Einwilligung § 4 Zulässigkeit der Datenerhebung, -verarbeitung (1) Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie auf der und -nutzung freien Entscheidung des (1) Die Erhebung, Verarbeitung Betroffenen beruht. Er ist auf und Nutzung personenden vorgesehenen Zweck der bezogener Daten sind nur Erhebung, Verarbeitung oder zulässig, soweit dieses Nutzung sowie, soweit nach Gesetz oder eine andere den Umständen des Rechtsvorschrift dies erlaubt Einzelfalles erforderlich oder auf Verlangen, auf die Folgen oder anordnet oder der der Verweigerung der Betroffene eingewilligt hat. Einwilligung hinzuweisen. 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 21 Videoüberwachung im Betrieb § 28 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) Erforderlichkeit und Interessenabwägung (1) Das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke ist zulässig 1. wenn es der Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisses oder vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses mit dem Betroffenen dient, 2. soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, daß das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluß der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt, ... § 28 (1) Satz 1 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 22 11 Videoüberwachung im Betrieb § 6b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optischelektronischen Einrichtungen (1) Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optischelektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, soweit sie 1. zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, 2. zur Wahrnehmung des Hausrechts oder 3. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. § 6b (1) 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 23 Videoüberwachung im Betrieb BDSG: Verbot mit Erlaubnisvorbehalt Grundsatz: Verboten ist, was nicht ausdrücklich erlaubt ist. Erlaubnisgründe: 1) Freiwillige Einwilligung des Betroffenen 2) Vom BSDG oder einer anderen Rechtsvorschrift erlaubt 3) Wenn zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich und Interesse des Betroffenen nicht überwiegt 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 24 12 Videoüberwachung im Betrieb Prüfung auf „hinreichende Rechtfertigung“ für einschränkende Maßnahmen Prüfschritte: Einwilligung der Arbeitnehmer ? Ausdrücklich vom Gesetz gestattet ? Überwiegende schutzwürdige Interessen anderer Grundrechtsträger ? • rechtlich geschütztes Interesse ? • Eignung des Mittels ? • Erforderlichkeit ? • Verhältnismäßigkeit ? 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 25 Videoüberwachung im Betrieb Höchstrichterliche Grenzen Was nie sein darf: Durch die Verarbeitung personenbezogener Daten darf kein ständiger Überwachungsdruck und kein vollständiges Abbild der Persönlichkeit erzeugt werden ! Aus der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgericht zum „Volkszählungsurteil” vom 15.12.1983 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 26 13 Videoüberwachung im Betrieb „Freiwillige“ Zustimmung (1) Aus dem 22. Jahresbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz der Freien Hansestadt Bremen vom 31. März 2000, S. 83 - 84 : 16.2. Mithören und Aufzeichnen von Telefongesprächen in Call-Centern „Auch eine vertragliche Einwilligungserklärung der Beschäftigten könnte unwirksam sein, weil die Einwilligung offensichtlich aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses des Mitarbeiters zu seinem Arbeitgeber unter faktischem Zwang und demnach nicht ohne jeden Zweifel erteilt wird.“ 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 27 Videoüberwachung im Betrieb „Freiwillige“ Zustimmung (2) Grundsatz: Kein Grundrechtsverzicht durch freiwillige Zustimmung! Anforderungen an die Einwilligung in die Aufzeichnung: Allgemein: „Eine wirksame Einwilligung setzt neben der Freiwilligkeit Kenntnis des für die Aufzeichnung Verantwortlichen,der Aufzeichnungsanlässe bzw. –auswertungen, des konkreten Aufzeichnungsfalls sowie der Dauer der Speicherung voraus..“ (P. Gola, Datenschutz im Call Center, S.55) 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 28 14 Videoüberwachung im Betrieb Betriebliche Regelungen und höheres Recht: Schranken für die Regelungsbefugnis (1) Grundsatz: Kein Grundrechtsverzicht durch Betriebsvereinbarung! Eine Betriebsvereinbarung kann eine „sonstige Rechtsvorschrift“ im Sinne des BDSG sein (Ständige Rechtsprechung des BAG). Aber: „Der Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts kann in Anbetracht des Schutzauftrags des §75 Abs. 2 BetrVG betriebsspezifisch präzisiert und ausgebaut, nicht jedoch verdrängt werden.“ (P. Gola, Datenschutz im Call Center, S.77) 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 29 Videoüberwachung im Betrieb Betriebliche Regelungen und höheres Recht Verhältnismäßigkeit Höherrangiges Recht Güterabwägung Grundrechte Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung Einzelfallprüfung Gesetze; Belange anderer Grundrechtsträger Schranken für die Regelungsbefugnis Erlaubte Eingriffe Betriebliche Regelung (BV, DV, Einigungsstelle) 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 30 15 Videoüberwachung im Betrieb Bestandteile einer Güterabwägung Das zulässige Maß einer Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bestimmt sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eine Regelung ist... Geeignet wenn mit ihrer Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann Erforderlich wenn kein anderes, gleich wirksames, aber das Persönlichkeitsrecht weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht 22.10.2008 Angemessen wenn verhältnismäßig im engeren Sinn. Gesamtabwägung zwischen Intensität des Eingriffs und Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 31 Videoüberwachung im Betrieb Maßstab für die „Intensität“ einer grundrechtsbeschränkenden Maßnahme (1) Für die Angemessenheit ist die Eingriffsintensität mitentscheidend. Daher ist bedeutsam (welche PERSONEN?) • • • • wie viele Personen ob diese Personen hierfür einen Anlass gegeben haben ob die Betroffenen als Personen anonym bleiben ob und in welcher Zahl unverdächtige Dritte mitbetroffen sind 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 32 16 Videoüberwachung im Betrieb Maßstab für die „Intensität“ einer grundrechtsbeschränkenden Maßnahme (2) Für die Angemessenheit ist die Eingriffsintensität mitentscheidend. Daher ist bedeutsam (Welche FOLGEN) • • welche Nachteile aus der Überwachungsmaßnahme drohen wie intensive Beeinträchtigungen 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 33 Videoüberwachung im Betrieb Maßstab für die „Intensität“ einer grundrechtsbeschränkenden Maßnahme (3) Für die Angemessenheit ist die Eingriffsintensität mitentscheidend. Daher ist bedeutsam (welche METHODEN) • • • • welche Umstände und Inhalte der Kommunikation erfasst werden ob die Überwachungsmaßnahmen in einer Privatwohnung oder in Betriebs- und Geschäftsräumen stattfinden Intensität der Beeinträchtigung hängt maßgeblich von der Dauer... ... und der Art der Überwachungsmaßnahme ab (z.B. welche Technik). 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 34 17 Videoüberwachung im Betrieb Prüfung auf „hinreichende Rechtfertigung“ für einschränkende Maßnahmen Prüfschritte: liegt nicht vor/ist u.U. nicht wirksam Einwilligung der Arbeitnehmer ? Ausdrücklich vom Gesetz gestattet ? Nein Überwiegende schutzwürdige Interessen anderer Grundrechtsträger ? Ja Ja Fraglich Nein - rechtlich geschütztes Interesse ? - Eignung des Mittels ? - Erforderlichkeit ? - Verhältnismäßigkeit ? Ergebnis: Hinreichende Rechtfertigung ? 22.10.2008 NEIN ! © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 35 Videoüberwachung im Betrieb Anleitung zum Zulässigkeitscheck ¾ Zur Zulässigkeit der Video-Überwachung von AN liegen unterschiedliche Urteile vor ¾ Ein eindeutiges Verbot solcher Maßnahmen liegt ebensowenig vor wie eine generelle Erlaubnis ¾ Es lohnt sich, in jedem Einzelfall um die Zulässigkeit und das Ausmaß der Überwachung zu streiten 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 36 18 Videoüberwachung im Betrieb § 87(1) 6 Betriebsverfassungsgesetz vom 22. Juni 2001 Mitbestimmungsrechte (1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: .... 6. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen; .... 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 37 Videoüberwachung im Betrieb Überwachung am Arbeitsplatz bedroht Gesundheit „Ein neuer Bericht zum Thema Überwachung und Privatsphäre am Arbeitsplatz, herausgegeben vom britischen Institut für die Rechte der Arbeitnehmer, behauptet, daß der zunehmend weitverbreitete Gebrauch von Technologien zur Beobachtung von Arbeitnehmern deren psychische und physische Gesundheit beeinträchtigt. Intensive Telephon- und Videoüberwachung, das Abfangen von E-mails und die Kontrolle von Internetzugängen, sowie ständige Updates der Leistungsberichte können von simpler Unzufriedenheit zu Streß und Depressionen führen, ebenso wie zu zahlreichen physischen Problemen wie RSI (repetitive strain injuries) und chronischen Kopfschmerzen.“ Heise online, http://www.heise.de 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 38 19 Videoüberwachung im Betrieb Bildschirmarbeitsverordnung Anhang Anhang über an Bildschirmarbeitsplätze zu stellende Anforderungen Zusammenwirken Mensch - Arbeitsmittel 22. Ohne Wissen der Benutzer darf keine Vorrichtung zur qualitativen oder quantitativen Kontrolle verwendet werden. Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bildschirmgeräten (BildscharbV) vom 4. Dezember 1996 (BGBl. I S. 1841) 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 39 Videoüberwachung im Betrieb Gesetzliche Grundlagen für die Mitbestimmung Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (auch im Betrieb) Durch die Verarbeitung personenbezogener Daten darf kein ständiger Überwachungsdruck und kein vollständiges Abbild der Persönlichkeit erzeugt werden Schutz vor übermäßiger Leistungs- und Verhaltenskontrolle GG Art. 2 BVerfG Volkszählungsurteil BDSG BetrVG § 75 BetrVG § 87 (1) Nr.6 Mitbestimmung bei technischen Einrichtungen, die Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer überwachen Arbeits- und Gesundheitsschutz BildscharbV Anhang Nr.22 Keine Vorrichtung zur Kontrolle ohne Wissen der Benutzer Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume BDSG § 6b ist unter bestimmten Voraussetzungen zulässig Recht am eigenen Bild Unbefugtes Herstellen und Weitergeben von Aufnahmen ist strafbar 22.10.2008 Strafgesetzbuch § 201a (StGB) © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 40 20 Videoüberwachung im Betrieb § 28 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) Zweckbindung Bei der Erhebung personenbezogener Daten sind die Zwecke, für die die Daten verarbeitet oder genutzt werden sollen, konkret festzulegen. § 28 (1) Satz 2 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 41 Videoüberwachung im Betrieb „Stellschrauben“ für betriebliche Regelungen (I) Inhaltliche Begrenzungen: • Zweckbindung von Datenerhebung und -verarbeitung festlegen (Verhinderung/Aufklärung von Diebstahl, Schutz der Beschäftigten, Überwachung gefährlicher Materialien/Prozesse,... ) • Anlässe für Aufzeichnungen/Auswertungen definieren • Wenn Mitarbeiterverhalten kontrolliert wird: Konsequenzen aus Erkenntnissen festlegen (Katalog zulässiger Maßnahmen): Information der Beschäftigten, Anspruch auf Qualifizierungsmaßnahmen, geeignete Software, bessere Arbeitsbedingungen , ...) 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 42 21 Videoüberwachung im Betrieb „Stellschrauben“ für betriebliche Regelungen (II) • Technische Begrenzungen Insbesondere erlaubte/untersagte Verfahren und Technologien • Personelle Begrenzungen Funktionstrennung: Systemadministration – Echtzeit-Beobachtung – nachträgliche Auswertung, 4-Augen-Prinzip, ... • Begrenzung der Datenbasis Zahl der Kameras, Aufnahmebereich, Bildfrequenz, Auflösung, kein Ton • Zeitliche Begrenzungen Beginn/Ende, Auslöseereignis, Dauer, Nachlaufzeit, Häufigkeit; Frist für Vorankündigung, Speicher-/Löschfristen • Zugriffs- und Verwertungsbeschränkungen z.B. Anwesenheit des Betroffenen bei Auswertung, Hinzuziehung eines BR-Mitglieds, Verbot nicht vereinbarter Auswertungen 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 43 Videoüberwachung im Betrieb Regelungspunkte einer Vereinbarung ¾ Einsatzzwecke ¾ die zu speichernden Daten ¾ erlaubte Auswertungen ¾ Löschungsfristen ¾ Zugriffsberechtigungen ¾ Datensicherheitsmaßnahmen ¾ Rechte des Betriebs-/ Personalrates ¾ Rechte und Pflichten der Beschäftigten ¾ Beweisverwertungsverbot (bei Verstoß gegen die BV) 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 44 22 Videoüberwachung im Betrieb Information und Beratung: Gerd Schweizer Arbeitnehmerkammer Bremen Mitbestimmung undTechnologieberatung Bürgerstr. 1 28195 Bremen Tel. : 0421 - 36301 959 Fax : 0421 - 36301 999 Mail : gerd.schweizer@arbeitnehmerkammer.de Web : http://www.arbeitnehmerkammer.de/mitbestimmung http://www.arbeitnehmerkammer.de/tbs http://www.tbs-netz.de 22.10.2008 © Arbeitnehmerkammer Bremen S. 45 23