Einigungsstelle und Arbeitsgericht - Hans-Böckler

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Einigungsstelle und Arbeitsgericht - Hans-Böckler
Betriebs- und
Dienstvereinbarungen
Hintergrundwissen
www.boeckler.de/betriebsvereinbarungen
Einigungsstelle und
Arbeitsgericht –
Durchsetzung der
Rechte des Betriebsrats
Ralf Heidemann
Inhalt
1 Die Einigungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
2 Das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren . . . . . . . 7
Das Archiv Betriebliche Vereinbarungen der
Hans-Böckler-Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Archiv Betriebliche
Vereinbarungen
 www.boeckler.de/betriebsvereinbarungen
Einigungsstelle und Arbeitsgericht – Durchsetzung der
Rechte des Betriebsrats
Ralf Heidemann
Ralf Heidemann arbeitet als Fachanwalt für Arbeitsrecht und ist ausgebildeter Dipl.Betriebswirt (VWA).
Copyright 2013 by Hans-Böckler-Stiftung
Redaktion:
Kontakt: Produktion:
Stand:
Dr. Manuela Maschke, Hans-Böckler-Stiftung
Hans-Böckler-Str. 39, 40476 Düsseldorf
0211/7778-167, betriebsvereinbarung@boeckler.de
Setzkasten GmbH, Düsseldorf
September 2013
Online-Publikation, download unter:
www.boeckler.de/betriebsvereinbarungen
Alle Rechte vorbehalten. Die Reproduktion für Bildungszwecke und nicht kommerzielle
Nutzung ist gestattet, vorbehaltlich einer namentlichen Nennung der Quelle.
Die juristischen Mittel, mit denen Betriebsräte ihre Rechte durchsetzen können, wenn verhandelte Kompromisse nicht zustande kommen, sind: die Anrufung der Einigungsstelle und
der Gang zum Arbeitsgericht. Man muss unterscheiden, ob eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen oder der Arbeitgeber dazu gebracht werden soll, seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten einzuhalten. Im ersten Fall ist die Einigungsstelle zuständig. Im zweiten Fall
kann es um die Rechte aus Betriebsvereinbarungen, aber auch um die Rechtsstellung des Betriebsrats im Allgemeinen gehen, z. B. bei der Hinzuziehung von Sachverständigen. Hierzu ist
ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren einzuleiten. Im Folgenden werden beide Verfahren erläutert.
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Die Einigungsstelle
1.1 Gegenstand der Einigungsstelle
Die Mittel des Betriebsrats, wenn er den Arbeitgeber dazu bringen will, eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, hängen vom Gegenstand der Regelung ab. Soll eine Frage auf dem Gebiet
der erzwingbaren Mitbestimmung geregelt werden, darf der Arbeitgeber die Regelung nicht
ohne Mitwirkung des Betriebsrates treffen. Der Betriebsrat hat zusätzlich in den meisten dieser Angelegenheiten sogar ein Initiativrecht. Kommt es zu keiner Einigung, ist auf Antrag
bereits einer Betriebspartei die Einigungsstelle einzuberufen. Diese besteht aus Vertretern des
Betriebsrats und des Arbeitgebers sowie einem oder einer unabhängigen Vorsitzenden. Wird
auch hier keine Einigung durch Moderation erzielt, entscheidet die Einigungsstelle über diese
Frage durch Mehrheitsbeschluss, den so genannten Einigungsstellenspruch. Mittels der Einigungsstelle kann der Betriebsrat den Abschluss sowie den Inhalt einer Betriebsvereinbarung
demnach auch gegen den Willen des Arbeitgebers durchsetzen.
Die folgende Übersicht bietet einen Überblick über die wesentlichen gesetzlichen Mitbestimmungsangelegenheiten, bei denen das Einigungsstellenverfahren erzwungen werden kann.
BetrVG
Angelegenheit/Thema
§ 85 Abs. 2
Behandlung von Beschwerden von Arbeitnehmern durch den Betriebsrat
§ 87 Abs. 1
Alle dort genannten 13 sozialen Angelegenheiten
§ 91 Satz 2
Menschengerechte Arbeitsplatzgestaltung
§ 94
Personalfragebogen sowie Beurteilungsgrundsätze
§ 95 Abs. 2
Auswahlrichtlinien bei Einstellung, Versetzung, Umgruppierung und Kündigung
§ 97 Abs. 2
Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung bei Veränderung der Arbeitsplätze
§ 98 Abs. 1, 3 Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung; Teilnahme
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von Beschäftigten; sonstige Bildungsmaßnahmen im Betrieb
§ 109
Auskunft an Wirtschaftsausschuss in wirtschaftlichen Angelegenheiten
§ 112 Abs. 2, 4
Interessenausgleich und Sozialplan bei Betriebsänderungen
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Tarifverträge können diesen Katalog erweitern. Außerdem ist die Einigungsstelle in einigen
Fragen zur Wahrung der Organisationsrechte des Betriebsrats das zuständige Schlichtungsgremium (siehe insbesondere § 37 Abs. 6, § 38 Abs. 2, § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 6 BetrVG).
Eine Einigungsstelle kann auch in Fragen, in denen der Betriebsrat zwar Beteiligungsrechte
hat, aber keine zwingende Mitbestimmung besteht, gebildet werden (freiwilliges Einigungsstellenverfahren). Dies setzt die Zustimmung des Arbeitgebers voraus. Der Betriebsrat kann
die Einrichtung einer Einigungsstelle in diesem Fall demnach nicht erzwingen. Ein Beispiel
hierfür ist § 102 Abs. 6 BetrVG. Im Folgenden wird das Verfahren für Fragen der zwingenden
Mitbestimmung näher erläutert.
1.2 Das Verfahren vor der Einigungsstelle
Nach § 74 BetrVG sind Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vorrangig gütlich beizulegen. Die Einigungsstelle soll erst angerufen werden, wenn die
Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber gescheitert sind. Das Scheitern setzt
ernsthafte Einigungsbemühungen voraus, die von zumindest einer Seite nicht mehr als Erfolg
versprechend angesehen werden. Nur wenn sich eine Betriebspartei Gesprächen verweigert,
kann die Einigungsstelle direkt angerufen werden. Die Einigungsstelle ist keine Dauereinrichtung, sondern nur bei Bedarf zu bilden. Die Errichtung einer ständigen Einigungsstelle
kommt in der Praxis sehr selten vor.
Nach § 76 Absatz 5 Satz 1 BetrVG wird die Einigungsstelle auf Antrag einer Seite eingesetzt.
In fast allen Fällen ist auch der Betriebsrat antragsberechtigt. Will der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen, muss er einen ordentlichen Beschluss fassen, in dem das Scheitern der
Verhandlungen über die konkret bestimmte Angelegenheit festgestellt und die Einigungsstelle
angerufen wird. Dieser Beschluss ist dem Arbeitgeber zuzuleiten. In der Regel wird bereits
jetzt ein Vorschlag über die Person, die den Vorsitz führen soll, und die Größe der Einigungsstelle gemacht. Jede Seite entsendet in die Einigungsstelle die gleiche Anzahl von Mitgliedern
(Beisitzer). Das sind in der Praxis je nach Komplexität des Sachverhaltes ein bis vier Vertreter
bzw. Vertreterinnen. Arbeitgeber und Betriebsrat müssen sich zudem auf eine neutrale Person
als Vorsitzende bzw. Vorsitzenden einigen. Der Betriebsrat bestimmt die von ihm entsandten
Beisitzer per ordnungsgemäßen Beschluss. Er kann auch Ersatzmitglieder bestellen. Bei den
Beisitzern muss es sich nicht um Betriebsangehörige handeln. Die Beisitzer sind zwar unabhängig und an Aufträge und Weisungen der entsendenden Betriebspartei nicht gebunden. Die
Betriebsparteien sind aber jederzeit berechtigt, Beisitzer abzuberufen und durch andere zu
ersetzen. Darüber hinaus sind sowohl die bzw. der Vorsitzende als auch die Beisitzer zu jedem
Zeitpunkt berechtigt, ihr Amt niederzulegen.
Sind sich die Parteien über die Bildung der Einigungsstelle, deren Zuständigkeit, deren Größe oder über die Person, die den Vorsitz führen soll, uneinig, ist ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren einzuleiten. Das Arbeitsgericht führt dann ein „Einigungsverfahren zur Bildung der Einigungsstelle“ durch. Dieses arbeitsgerichtliche Verfahren ist stark beschleunigt.
So gelten nach § 98 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) innerhalb des Verfahrens für Einlassungen und Ladungen Fristen von nur 48 Stunden. Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts
zur Bildung und Besetzung der Einigungsstelle kann nur binnen 2 Wochen Beschwerde beim
Landesarbeitsgericht eingelegt werden.
Einmal gebildet hat die Einigungsstelle gemäß § 76 Abs. 3 BetrVG ihre Tätigkeit unverzüglich
aufzunehmen. Sie prüft ihre Zuständigkeit, die Voraussetzung für das weitere Vorgehen ist.
Die Sitzungen der Einigungsstelle sind nicht öffentlich. Die neutrale Person, die den Vorsitz
führt, leitet die Verhandlungen der Einigungsstelle. In der Regel findet zunächst eine mündli-
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che Erörterung statt. Im Gegensatz zum abschließenden Einigungsstellenspruch werden Zwischenbeschlüsse über Verfahrensfragen im einstufigen Abstimmungsverfahren gefasst, z. B.
Beweisbeschlüsse oder Beschlüsse zur Vertagung der Sitzung. Alle stimmberechtigten Mitglieder der Einigungsstelle, also auch die bzw. der Vorsitzende, nehmen an dieser Abstimmung
teil. Ein Zwischenbeschluss erfordert die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wobei eine
Enthaltung als nicht zu berücksichtigende Stimme zu werten ist. Zwischenbeschlüsse können
nicht angefochten werden.
Das Ziel der Einigungsstelle ist die Einigung. Diese kann zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens
erzielt werden. Dazu sind die üblichen Formvorschriften zu beachten, z. B. Schriftform der
Betriebsvereinbarung. Kommt es nicht zu einer Einigung und erledigt sich das Einigungsstellenverfahren auch nicht auf andere Weise, muss die Einigungsstelle eine Entscheidung in der
Sache treffen. Sie fällt dann den so genannten Einigungsstellenspruch. Dann wird gemäß § 76
Abs. 3 S. 2 BetrVG nach dem Scheitern der Einigungsbemühungen eine mündliche Beratung
durchgeführt, in deren Rahmen zur Aufklärung des Sachverhaltes z. B. Zeugen zu vernehmen
oder Sachverständige hinzuzuziehen sind. Am Ende der Beratung wird über die Anträge zur
Regelung der streitigen Angelegenheit abgestimmt. Die Anträge müssen nicht den Vorgaben
der Betriebsparteien entsprechen. Vielmehr können die Mitglieder der Einigungsstelle im
Rahmen des vorgegebenen Verfahrensgegenstands eigene Lösungsvorschläge zur Beilegung
der Meinungsverschiedenheit zur Abstimmung stellen. Die Beschlüsse müssen sich jedoch
auf den Gegenstand beziehen, aufgrund dessen die Einigungsstelle angerufen wurde.
Beschlussfähig ist die Einigungsstelle grundsätzlich nur bei Anwesenheit aller Mitglieder. Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine Seite die Mitarbeit in der Einigungsstelle verweigert oder
ein Mitglied aus unvorhersehbaren Gründen kurzfristig ausfällt und ein Ersatzmitglied nicht
zur Verfügung steht. Zulässig ist auch eine einvernehmlich getroffene so genannte PairingAbsprache: Dieser zufolge enthält sich ein Beisitzer jener Seite, der das verhinderte Mitglied
nicht angehört, der Stimme. Die Stimmabgabe erfolgt üblicherweise offen, wobei auf Antrag
durch Zwischenbeschluss im einstufigen Verfahren die geheime Stimmabgabe beschlossen
werden kann.
Im ersten Abstimmungsgang muss sich die bzw. der Vorsitzende gemäß § 76 Abs. 2 BetrVG
der Stimme enthalten. Erhält einer der Vorschläge eine Mehrheit, ist das Verfahren damit
abgeschlossen. Kommt keine Mehrheit für einen der Vorschläge zustande, findet ein zweiter Abstimmungsgang statt. Die Anträge sind völlig unverändert erneut zur Abstimmung zu
stellen. Wird der Antrag nach der ersten streitigen Abstimmung auch nur geringfügig verändert, ist wiederum eine erste Abstimmung über den geänderten Antrag durchzuführen. In der
zweiten Abstimmungsrunde muss die bzw. der Vorsitzende mitstimmen und darf sich nicht
der Stimme enthalten. Findet gleichwohl keiner der Vorschläge eine Mehrheit, etwa weil sich
ein Beisitzer enthalten hat oder weil die bzw. der Vorsitzende gegen alle zur Abstimmung
gestellten Anträge stimmt, liegt keine verfahrensbeendende Sachentscheidung vor und das
Verfahren ist fortzusetzen.
Nach § 76 Abs. 4 BetrVG sind die Beschlüsse der Einigungsstelle schriftlich niederzulegen und
von der bzw. dem Vorsitzenden zu unterzeichnen. Die Unterschrift der bzw. des Vorsitzenden
beurkundet und dokumentiert den Willen der Einigungsstellenmitglieder. Die Einhaltung
der gesetzlichen Schriftform ist Wirksamkeitsvoraussetzung des Spruchs. Der Spruch der Einigungsstelle ist verbindlich, aber kein Vollstreckungstitel. Er kann auf Rechtsverstöße hin
gerichtlich überprüft werden, gilt dann aber bereits für die Dauer eines eventuell eingeleiteten
arbeitsgerichtlichen Verfahrens, in dem seine Wirksamkeit überprüft wird.
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1.3 Rechtliche Unterstützung
Weil Mitglieder des Betriebsrats in rechtlichen Fragen meist unerfahren sind, muss der Arbeitgeber gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG die Kosten einer erforderlichen juristischen Beratung
oder Vertretung der vom Betriebsrat entsandten Mitglieder in der Einigungsstelle übernehmen. Dem Betriebsrat ist ein relativ weiter Spielraum eingeräumt zu beurteilen, wann rechtliche Unterstützung erforderlich ist. Dies ist zu bejahen, wenn die Streitigkeit voraussichtlich
gewisse Schwierigkeiten aufweisen wird oder sich dem Betriebsrat aus anderen Gründen Unsicherheiten mit Blick auf die Sach- oder Rechtslage ergeben. Dies wird zu bejahen sein, wenn
der Arbeitgeber anwaltliche Hilfe hat, aber nicht nur dann. Zu beachten ist der Grundsatz der
Kostenschonung. Daher sind Fahrtkosten eines Rechtsanwaltes von einem entfernten Ortes
nicht erforderlich. Es kann auch vorrangig geboten sein, einen juristisch sachkundigen Beisitzer als Mitglied der Einigungsstelle zu berufen. Vor der Beauftragung von Rechtsanwälten ist
in jedem Fall ein ordnungsgemäßer Beschluss des Betriebsrats erforderlich. Das gleiche gilt
sinngemäß für Angestellte von Gewerkschaften.
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Das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren
Während es vor der Einigungsstelle darum geht, eine Angelegenheit inhaltlich zu regeln, kann
die Einhaltung bestehender betrieblicher Regelungen durch gerichtliche Verfahren überprüft
werden. Der Betriebsrat ist in verschiedenen Angelegenheiten Beteiligter von Verfahren vor
dem Arbeitsgericht. Verweigert er etwa nach § 99 Abs. 2 BetrVG seine Zustimmung zu einer
Einstellung, Versetzung oder Umgruppierung, so kann der Arbeitgeber versuchen, die fehlende Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzen lassen.
In vielen Fällen kann auch der Betriebsrat ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren einleiten, um die Einhaltung seiner Rechte zu sichern und vom Arbeitgeber verlangen, Verstöße
gegen dessen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten zu unterlassen. Da der Betriebsrat kein
eigenes Vermögen hat, übernimmt der Arbeitgeber die Kosten eines solchen Verfahrens auch
im Falle des Unterliegens. Dies betrifft auch die erforderlichen Kosten einer rechtlichen Beratung und Vertretung, etwa durch eine Rechtsanwaltskanzlei. Voraussetzung dafür ist selbstverständlich, dass das Arbeitsgericht nicht missbräuchlich angerufen wird. Das bedeutet, dass
aus Sicht des Betriebsrats eine gewisse Aussicht auf Erfolg besteht.
Außerdem besteht die Möglichkeit von Feststellungsklagen, wenn Streit darüber herrscht, wie
weit ein Mitbestimmungsrecht reicht oder welche Rechte und Pflichten sich aus einer Betriebsvereinbarung ergeben.
2.1 Unterlassungsanspruch
Verstößt der Arbeitgeber grob gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten, kann der Betriebsrat gemäß § 23 Abs. 3 BetrVG Unterlassung verlangen und dies auch arbeitsgerichtlich
klären lassen. Erhält der Betriebsrat Recht, muss der Arbeitgeber bei weiteren Verstößen empfindliche Ordnungsgelder zahlen. Grobe Verstöße werden beispielsweise bei einer beharrlichen Missachtung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates oder bei der Drohung mit
Gehaltseinbußen für freigestellte Mitglieder des Betriebsrats bejaht.
Unabhängig davon, ob dem Arbeitgeber ein grober Verstoß vorzuwerfen ist, hat der Betriebsrat zudem einen Unterlassungsanspruch, wenn der Arbeitgeber gegen Mitbestimmungsrechte
nach § 87 Abs. 1 BetrVG verstößt, ohne den Betriebsrat ordnungsgemäß zu beteiligen. Diese
Vorschrift gibt dem Betriebsrat das Recht, vom Arbeitgeber zu verlangen, einseitige Maßnahmen zu unterlassen und auch die Auswirkungen bereits durchgeführter mitbestimmungswidriger Maßnahmen zu beseitigen. Erlässt der Arbeitgeber z. B. einen Dienstplan, ohne den
Betriebsrat ordnungsgemäß zu beteiligen und seine Zustimmung einzuholen, kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangen, es zu unterlassen, Arbeitnehmer entsprechend dieses
Schichtplans einzusetzen.
2.2 Einstweilige Verfügung
Der Abschluss eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens kann mehrere Monate dauern
– oder sogar noch länger, wenn es über mehrere Instanzen geht. In der Zeit des laufenden Verfahrens kann der Betriebsrat unter Umständen zum Mittel des einstweiligen Rechtsschutzes
greifen. Nach § 85 Abs. 2 ArbGG ist auch im Beschlussverfahren der Erlass einer einstweiligen
Verfügung zulässig. Das ist ein schneller und effektiver Weg, die betriebsverfassungsrechtlichen Rechte zu sichern.
Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt allerdings voraus, dass dem Betriebsrat nicht
nur ein betriebsverfassungsrechtliches Recht zusteht (Verfügungsanspruch), sondern die
Durchsetzung objektiv eilbedürftig ist (Verfügungsgrund). Verfügungsanspruch kann jeder
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betriebsverfassungsrechtliche Anspruch sein, insbesondere Beteiligungs- und Beratungsrechte. Der Verfügungsgrund umschreibt die Dringlichkeit der Entscheidung im Eilverfahren, d.
h. die Gefahr, dass ohne Erlass der einstweiligen Verfügung die Durchsetzung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Beides muss vom Antragsteller glaubhaft gemacht
werden, beispielsweise durch eine eidesstattliche Versicherung.
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Das Archiv Betriebliche Vereinbarungen der Hans-Böckler-Stiftung
Die Hans-Böckler-Stiftung verfügt über die bundesweit einzige bedeutsame Sammlung
betrieblicher Vereinbarungen, die zwischen Unternehmensleitungen und Belegschaftsvertretungen abgeschlossen werden. Derzeit enthält unser Archiv etwa 14.000 Vereinbarungen zu ausgewählten betrieblichen Gestaltungsfeldern.
Unsere breite Materialgrundlage erlaubt Analysen zu betrieblichen Gestaltungspolitiken
und ermöglicht Aussagen zu Trendentwicklungen der Arbeitsbeziehungen in deutschen
Betrieben.
Regelmäßig werten wir betriebliche Vereinbarungen in einzelnen Gebieten aus. Leitende
Fragen dieser Analysen sind: Wie haben die Akteure die wichtigsten Aspekte geregelt?
Welche Anregungen geben die Vereinbarungen für die Praxis? Wie ändern sich Prozeduren und Instrumente der Mitbestimmung? Existieren ungelöste Probleme und offene
Fragen? Die Analysen betrieblicher Vereinbarungen zeigen, welche Regelungsweisen und
-verfahren in Betrieben bestehen. Die Auswertungen verfolgen dabei nicht das Ziel, Vereinbarungen zu bewerten, denn die Hintergründe und Strukturen in den Betrieben und
Verwaltungen sind uns nicht bekannt. Ziel ist es, betriebliche Regelungspraxis abzubilden, Trends aufzuzeigen und Gestaltungshinweise zu geben.
Bei Auswertungen und Zitaten aus Vereinbarungen wird streng auf Anonymität geachtet. Die Kodierung am Ende eines Zitats bezeichnet den Standort der Vereinbarung in
unserem Archiv und das Jahr des Abschlusses. Zum Text der Vereinbarungen haben nur
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Archivs und Autorinnen und Autoren Zugang.
Zusätzlich zu diesen Auswertungen werden vielfältige anonymisierte Auszüge aus den
Vereinbarungen auf der beiliegenden CD-ROM und der Online-Datenbank im Internetauftritt der Hans-Böckler-Stiftung zusammengestellt. Damit bieten wir anschauliche
Einblicke in die Regelungspraxis, um eigene Vorgehensweisen und Formulierungen anzuregen. Darüber hinaus gehen wir in betrieblichen Fallstudien gezielt Fragen nach, wie
die abgeschlossenen Vereinbarungen umgesetzt werden und wie die getroffenen Regelungen in der Praxis wirken.
Das Internetangebot des Archivs Betriebliche Vereinbarungen ist unmittelbar zu erreichen unter www.boeckler.de/betriebsvereinbarungen. Anfragen und Rückmeldungen
richten Sie bitte an betriebsvereinbarung@boeckler.de oder direkt an
Dr. Manuela Maschke
0211-7778-224, E-Mail: Manuela-Maschke@boeckler.de
Jutta Poesche
0211-7778-288, E-Mail: Jutta-Poesche@boeckler.de
Henriette Pohler
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Nils Werner
0211-7778-129, E-Mail: Nils-Werner@boeckler.de
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