Die Gaunereien des Scapin

Transcription

Die Gaunereien des Scapin
Jean Baptiste Poqueline
Molière
Die Gaunereien des Scapin
(Les Fourberies de Scapin)
Deutsch von
Jochen Thau
Szenisch eingerichtet von
Alexander Stefi
Personen
Geronte
Argante
Leandre, Sohn von Geronte
Octave, Sohn von Argante
Zerbinette
Hyacinthe
Scapin, Leandres Diener
Sylvestre, Octaves Diener
Nerine, Hyacinthes Amme
Prolog:
Scapin tritt vor den Zwischenvorhang vor das Publikum und sagt:
Sehr verehrte Spectatori, wir präsentieren Ihnen heute ein unvergeßliches
Speltakel im Stile der „Commedia d`el Arte“. Eine moralische Kommödie von
Herrn Molière.
(Über die Bühne geht Argante)
Hier sehen sie Herrn Argante, verheiratet mit seinem Geldbeutel und der
Gicht. Ein hartes Schicksal.
(Über die Bühne geht Geronte)
Und das ist Herr Geronte, rund wie ein Bär, verheiratet mit zwei Frauen
und seinem Geld, also ein ähnliches Schicksal.
(Aus allen Ecken springen Octave, Leandre, Zerbinette und Hyacinthe auf die
Bühne)
Und das sind die „Inamorati“, ohne die kein echtes Stück dieser Art
existieren könnte.
(Über die Bühne kommt Sylvestre)
Und das ist Sylvestre, der Diener des Herrn Octave. Dick wie Zwei und
nicht mit viel Geist gesegnet.
(Bühne ist leer)
Und jetzt geht´s los! Wir wünschen Ihnen einen schönen Abend.
(verschwindet von der Bühne)
=3=
Erster Akt
Erste Szene
Octave, Sylvestre
Octave:
Sylvestre:
Octave:
Sylvestre:
Octave:
Sylvestre:
Octave:
Sylvestre:
Octave:
Sylvestre:
Octave:
Sylvestre:
Octave:
Sylvestre:
Octave:
Sylvestre:
Octave:
Sylvestre:
Octave:
Sylvestre:
Octave:
Sylvestre:
Octave:
Sylvestre:
Octave:
Sylvestre:
Octave:
Sylvestre:
Octave:
Das sind böse Nachrichten für ein liebendes Herz. Ich gerate da in eine
peinliche Lage. Du hast also im Hafen erfahren, daß mein Vater
zurückkommt?
Ja, mein Herr.
Daß er schon heute Morgen ankommt?
Heute Morgen, ja.
Und daß er zurückkommt um mich zu verheiraten?
Ja.
Mit der Tochter des Herrn Geronte?
Des Herrn Geronte.
Und daß er deshalb seine Tochter von Tarent hierher geschickt hat?
Jaaaaa!
Und du hast diese Nachricht von meinem Onkel?
Von Eurem Onkel, ja.
Mein Vater hat sie ihm also in einem Brief...
Mitgeteilt, ja.
Dann weiß mein Onkel also alles über mich und was inzwischen hier
vorgegangen ist?
Alles.
Himmel! Laß Dir doch nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen!
Was soll ich Euch denn weiter sagen? Ihr habt doch alles behalten und wißt
es schon besser als ich.
Dann gib mir wenigstens einen Rat, was ich in dieser ausweglosen Lage jetzt
tun soll!
Leicht gesagt. Ich brauchte selber einen Rat. Ich stecke doch in der
gleichen Klemme.
Diese verteufelte Rückkehr bringt mich um!
Mich genauso.
Wenn mein Vater die ganze Geschichte erfährt, wir ein Unwetter der
schrecklichsten Vorwürfe über mich niedergehen...
Vorwürfe! Vorwürfe! Ich wollte, ich käme auch so glücklich davon. Ich bin da
ein bißchen schlimmer dran Ich werde nämlich Eure leichtsinnigen Torheiten
teuer bezahlen müssen. Eine Wolke von Stockschlägen schwebt über mir, und
sie wird sich fürchterlich entladen...
Oh Himmel! Wüßt` ich nur einen Ausweg!...
Das hättet Ihr vorher bedenken sollen.
Bitte, verschone mich jetzt mit deinen moralischen Weisheiten.
Ja, hättet Ihr mich nur mit Eurem Leichtsinn verschont...
Was soll ich tun?... Wozu soll ich mich entscheiden?... Wer kann mir jetzt
noch helfen?...
=4=
Zweite Szene
Die Vorigen, Scapin
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Sylvestre:
Octave:
Scapin:
Octave:
Hallo! Was ist denn los, Herr Octave? Was gibt´s? Ihr seid ja ganz verstört.
Was ist geschehen?
Ach, mein guter Scapin! Ich bin verloren. Ich bin verzweifelt! Ich bin der
unglücklichste Mensch auf Erden!...
Wieso denn das?
Hast Du noch nicht gehört, was mir bevorsteht?
Nein.
Mein Vater und Herr Geronte kehren zurück und wollen mich verheiraten.
Na und? Ist das so schlimm?
Wenn Du nur wüßtest was mich dabei so beunruhigt
Aber es liegt doch nur an Ihnen daß ich es sogleich erfahre. Ich verstehe
mich ein wenig auf´s Trösten und ich bin immer bereit jungen Leuten bei
ihren Sorgen beizustehen.
Ach, Scapin, könntest Du nur irgendwas erfinden, irgendeinen Plan, eine List
mir aus meiner Not zu helfen, ich würde es Dir ein Leben lang zu danken
wissen!
Um ehrlich zu sein, es gibt so gut wie nichts, das mir nicht möglich wäre,
wenn ich mich damit befasse. Der Himmel hat mir scheinbar die Fähigkeit
verliehen meinen Geist stets beweglich zu halten und Wege und Umwege zu
ersinnen, die der unwissende Pöbel Gaunereien nennt. Lauter Ignoranten. Ich
kann, ohne mich zu loben, sagen, daß sich niemand neben mir so elegant
darauf versteht Intrigen einzufädeln oder Streiche zu erfinden. Niemand
versteht dies edle Gewerbe besser als ich. Aber leider... Undank ist der
Welten Lohn... Seit dieser letzten ärgerlichen Geschichte hab ich mich von
allem zurückgezogen.
Was für eine Geschichte?
Ich bekam es mit dem Gericht zu tun.
Mit dem Gericht?
Wir hatten einen kleinen Streit.
Du, mit dem Gericht?
Ja. Und man hat mich schändlich behandelt und verspottet, so daß ich
beschlossen habe nichts mehr zu tun. Schluß! Aus! Basta! Und nun zu Eurer
Geschichte.
Du weißt, Scapin, daß mein Vater mit Herrn Geronte vor zwei Monaten eine
Seereise antraten um gemeinsame Geschäfte zu regeln.
Ja, das weiß ich.
Und daß Leandre und ich von unseren Vätern zurückgelassen wurden. Ich
unter der Aufsicht Sylvestres...
Ja, ja, ja, ja...
...und Leandre unter Deiner Obhut.
Ja, und ich hab das hervorragend gemacht.
Eines Tages begegnete nun Leandre einer jungen Zigeunerin, in die er sich
sofort verliebte.
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Sylvestre:
=5=
Ja, das weiß ich auch.
Da ich sein bester Freund bin, weihte er mich natürlich in sein Geheimnis ein
und führte mich auch zu ihr um sie zu sehen. Ich fand sie wohl schön, aber
nicht so wie er es sich gewünscht hätte. Er sprach von nichts anderem als
von ihr, von ihrer Schönheit, ihrer Anmut, ihrem Geist, von dem Zauber ihrer
Unterhaltung, die er mir entzückt Wort für Wort wiederholte und wart
enttäuscht, wenn ich nicht mit derselben Begeisterung mit ihm schwärmte,
seine hitzige Leidenschaft nicht teilte und tadelte mich immer wieder, daß
ich so gleichgültig gegen seine Liebe sei.
Noch seh ich nicht auf was das alles hinaus soll.
Als wir eines Tages zu seiner Angebeteten unterwegs waren, hörten wir aus
einem kleinen Haus in einer abgelegenen Straße ein Wimmern und
Schluchzen. Die Neugier trieb mich Leandre zu überreden mit mir
hineinzugehen.
Und weiter? Weiter?
Wir traten in das Zimmer und sahen eine alte Frau die im Sterben lag. Und
bei ihr eine trauernde Dienerin und ein in Tränen zerfließendes junges
Mädchen. Das schönste Geschöpf, daß man sich nur erträumen kann.
Aha!
Sie hatte nichts auf dem Leib als ein kurzes, ärmliches Röckchen und ein
dürftiges Leibchen... Auf dem Kopf eine gelbe Haube unter der ihr
aufgelöstes Haar herabfiel. Jede Anrede hätte in diesem Zustand
erbärmlich ausgesehen, aber sie war wie ein Bild von Anmut und Süße... Von
ganz besonderem Liebreiz...
Langsam merk ich wie das weitergeht.
Wenn Du sie nur gesehen hättest, Scapin, Du wärst ebenso
dahingeschmolzen.
Ich zweifle nicht daran. Auch ohne sie gesehen zu haben glaube ich schon
jetzt daß sie reizend sein muß.
Es war rührend, sie weinen zu sehen. Sie war in ihrem Schmerz fast
überirdisch schön.
Ich sehe das alles vor mir.
Ich war den Tränen nahe, als sie sich über die Sterbende warf, die sie
Mutter nannte. Nie werde ich dieses Bild vergessen. Ich war tief bewegt.
Das klingt alles sehr rührend und ich verstehe, daß ihr dieses beseelte
Geschöpf gleich ins Herz schlosset.
Ach, Scapin, ein Barbar hätte sie lieben müssen...
Ja, wer könnte sich auch dagegen wehren...
Nach einigen tröstenden Worten verließen wir zögernd das Haus. Und als ich
Leandre fragte, wie ihm das Mädchen gefalle, antwortete er nur kalt und
nüchtern, er fände sie recht hübsch. Diese Kälte verletzte mich so sehr, daß
ich nicht wagte ihm zu sagen, wie tief meine Neigung zu ihr war.
So, und wenn Ihr jetzt Eure Erzählung nicht abkürzt, Herr, werden wir
morgen früh noch hier stehen. Laßt sie mich mit zwei Worten beenden. (zu
Scapin) Sein Herz stand also von diesem Augenblick an in Feuer und
Flammen. Er mochte nicht mehr leben, wenn er seinen geliebten Engel nicht
=6=
Scapin:
Sylvestre:
Octave:
Scapin:
Sylvestre:
Octave:
trösten durfte. Seine ständigen Besuche wurden aber von der Dienerin, die
nach dem Tode der Mutter deren Stelle einnahm, zurückgewiesen. Mein Herr
war verzweifelt. Er flehte sie an, beschwor sie, alles umsonst. Sie sagte, das
Mädchen sei zwar arm und hilflos, aber aus gutem Hause, und wenn er sie
nicht heiraten wolle, würde sie seine Besuche nicht mehr dulden. Seine Liebe
wurde dadurch noch heftiger. Er überlegte hin und her, verzweifelte,
schwankte... Kurz, seit drei Tagen ist er mit ihr verheiratet.
Bravo! Was blieb ihm übrig?
Ja. Aber jetzt denke an die unerwartete Rückkehr des Vaters, der erst in
zwei Monaten kommen wollte. Denk an den Onkel, der ihm unsere heimliche
Heirat längst entdeckt hat. Denkt an die geplante andre Heirat mit der
Tochter des Herrn Geronte von dessen zweiter Frau, die er in Tarent
geheiratet haben soll.
Und dazu die Armut meines geliebten Mädchens und meine völlige
Mittellosigkeit, ihr beizustehen...
Ist das alles? Wegen solcher Kleinigkeiten laßt Ihr die Flügel hängen?Seid
ihr denn noch zu retten? (zu Sylvestre) Schämt Du Dich nicht? Pfui, Teufel!
Ein Kerl wie Du hat nicht genügend Witz im Kopf irgendeine kleine List zu
erfinden, eine kleine Finte, um alles in die schönste Ordnung zu bringen? Ich
wünschte, ich hätte schon früher einmal Gelegenheit gefunden unseren
beiden Alten eine kleine Posse zu spielen. Ich war nicht größer als so (zeigt
es) da hab ich schon ganz andre Dinge gedreht...
Ich gebe zu, daß mir der Himmel nicht Deine Gaben verliehen hat und das ich
nicht den Witz habe wie du, mich mit der Justiz einzulassen.
Da kommt meine reizende Hyacinthe!
Dritte Szene
Die Vorigen, Hyacinthe
Hyacinthe
Octave:
Hyacinthe
Octave:
Hyacinthe
Octave:
Hyacinthe
Octave:
Hyacinthe
Octave:
Ach, Octave, ist es denn wahr was Sylvestre vorhin erzählte? Ihr Vater sei
auf der Heimfahrt und er will Euch verheiraten?
Ja, schönste Hyacinthe. Und diese Nachricht hat mich sehr betrübt.
Octave!
Ihr weint? Warum die Tränen? Mißtraut Ihr mir? Sprecht! Seid Ihr von
meiner Liebe nicht überzeugt?
Ja, Octave, ich bin es. Aber werdet Ihr mich auch immer lieben?
Kann man Euch lieben ohne es für ein ganzes Leben zu tun?
Es heißt aber, Ihr Männer seid aber nicht so beständig wie wir. Eure
Leidenschaft ist nur wie eine Flamme, die auflodert, aber auch genauso
schnell wieder erlischt.
Geliebte Hyacinthe, dann gleicht mein Herz nicht diesen Männern. Ich fühle
in mir, daß ich Euch ewig lieben werde.
Ich will es glauben. Ich zweifle nicht, daß Eure Wirte aufrichtig sind. Aber
Ihr seid abhängig von Eurem Vater, der Euch mit einer Anderen vermählen
will. Ich würde sterben, wenn ich das erleben müßte.
Hyacinthe, meine schöne Hyacinthe! Es gibt keinen Vater der mich zwingen
=7=
Hyacinthe
Octave:
Hyacinthe
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Hyacinthe:
Scapin:
Octave:
Scapin:
könnte mein Wort zu brechen, das ich gab. Lieber verlaß ich mein
Heimatland. Und jene Andere... Ohne sie gesehen zu haben, hasse ich sie
schon. Und ohne grausam sein zu wollen, wünschte ich, daß das Meer sie für
ewig von uns trennt. Denn ich kann Eure Tränen nicht sehen, ohne daß sie
mein Herz zerreißen.
Wie es auch kommen mag, ich will heiteren Sinnes mein Schicksal erwarten
das mir der Himmel bestimmt.
Der Himmel ist mit uns.
Wenn Ihr mir treu seid, kann er nicht gegen mich sein.
(a pas) Das Mädchen ist nicht dumm. Und auch sonst ganz passable.
Der Mann hier könnte uns schon helfen. Wenn er nur wollte.
Ich hab geschworen, mich mit der Welt so abzufinden, wie sie eben ist.
Aber... wenn Ihr beide mich schön bittet... Ich könnte schwach werden...
Komm, ziere dich nicht! Also schön, ich bitte Dich mit meinem ganzen
Herzen, das Steuer von unserem kleinen Schiff zu übernehmen!
(zu Hyacinthe) Und Ihr sagt nichts?
Bei allem, was Euch teuer ist, beschwör ich Euch unserer Liebe beizustehen!
Na ja, da kann ich gar nicht anders. Ich stehe zu Euren Diensten.
(jubelt) Scapin!!!
Still jetzt! (zu Hyacinthe) Ihr geht und seid beruhigt. Die Sache hab ich
schnell im Griff. (Hyacinthe ab)
Vierte Szene
Die Vorigen, ohne Hyacinthe
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Und Ihr nehmt Euch jetzt zusammen. Ihr müßt dem Vater ruhig und sicher
entgegentreten.
Gut gesagt. Ich zittere schon bei dem Gedanken ihm gegenüber zu stehen.
Wie soll ich nur meine angeborene Schüchternheit überwinden?
Wenn Ihr den ersten Stoß nicht mutig pariert, seid Ihr schon verloren. Er
spürt Eure Schwäche und behandelt Euch wie ein Kind. Seid vor allem kühn.
Kühn... Aber wie?
Üben!
Üben?
Ja, üben. Wir wollen es gleich mal versuchen.
Ich will mein Möglichstes tun.
Recht so. Gehen wir Eure Rolle einmal durch. Als Erstes eine entschlossene
Miene. Den Kopf hoch.
So?
Noch etwas kühner.
So?
Ja, gut, gut. Das ist gut. Und nun stellt Euch vor, ich sei Euer Vater und
antwortet mir mutig, als ob es zu ihm selbst wäre. (verstellt seine Stimme,
macht Argante nach) „Was, Du Galgenvogel, Du Taugenichts, mißratener,
unwürdiger Sohn eines solchen Vaters wie mich! Du wagst es noch mir unter
die Augen zu treten, nach einem solchen Streich, den Du mir in meiner
=8=
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Sylvestre:
Abwesenheit gespielt hast? Ist das die Frucht meiner Mühen, Lumpenkerl?
Ist das der Gehorsam den Du mir schuldig bist?“ (zu Octave, normal) Na los,
los! (wieder verstellte Stimme) „Du hast die Unverschämtheit, Du Halunke,
Dich ohne die Einwilligung Deines Vaters zu verheiraten? Hinter meinem
Rücken? Antworte, Du Schuft! Antworte, sag ich Dir! Ich will Deine sauberen
Entschuldigungen hören!“ (normal) Aber was ist denn los, zum Teufel? Ihr
macht den Mund ja gar nicht auf!
Mir war, als hört ich meinen Vater selbst!
Eben! Deshalb sollt Ihr ja nicht wie ein dummer Junge dastehen.
Ich wird mich jetzt zusammennehmen.
Wirklich?
Ja, wirklich. Noch mal.
Da kommt Euer Vater.
Himmel! Ich bin verloren! (Läuft davon, ab)
He, Herr Octave! Bleibt doch! Herr Octave! (zu Sylvestre) Weg ist er. Eine
seltene Art von Mut. Nun schön, empfangen wir den Alten.
Was soll ich ihm jetzt sagen?
Am besten gar nichts. Laß mich reden. (beide ziehen sich zurück)
Fünfte Szene
Argante, Scapin, Sylvestre im Hintergrund
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Sca pin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Sylvestre:
Argante:
Scapin:
Argante:
Hat man so was schon erlebt!
Er weiß schon Bescheid und die Sache regt ihn so auf, daß er mit sich selber
schimpft.
So eine Frechheit! Ich möchte wissen, was er mir über diese saubere
Hochzeit erzählen wird.
Wir haben schon darüber nachgedacht.
Ob sie wohl wagen, es zu leugnen...
Wir denken gar nicht daran.
Oder sich zu entschuldigen...
Das könnte eher zutreffen.
Oder werden sie mich mit leeren Reden abspeisen...
Man wird sehen. Durchaus möglich.
Aber alle Reden werden ihnen nicht helfen.
Warten wir`s ab,
Ich lasse mir nichts vormachen.
Das würde ich nicht beschwören.
Ich werde diesen Taugenichts von Sohn einfach erst mal in Sicherheit
bringen.
Das soll unsere Sorge sein.
Und diesen Gauner Sylvestre, den prügle ich erst mal richtig durch!
Ich wußte es doch, daß er mich nicht vergißt...
Aha, da bist Du ja! Ich habe Dir Leandre anvertraut!
Sieh da, der Herr Argante! Ich bin erfreut, daß Ihr zurück seid!
Guten Tag, Scapin. (zu Sylvestre) Aber scheinbar hab ich den Bock zum
=9=
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Gärtner gemacht! Was geht hier vor?
Es geht Euch gut, wie ich sehe!
(beachtet ihn nicht) Du sagst kein Wort, Bursche? Kein Wort?
Und die Reise? Ist sie gut verlaufen?
Mein Gott, sehr gut1 Laß mich doch erst mal diesen Kerl hier beschimpfen...
Ihr wollt schimpfen?
Ja, schimpfen.
Schimpfen! Ja, mit wem denn?
Mit diesem Taugenichts!
Warum?
Hast Du nicht gehört, was sich nach meiner Abreise hier zugetragen hat?
Nun ja, von einer kleinen unwichtigen Geschichte habe ich schon gehört.
Unwichtige Geschichte? Eine derartige Schamlosigkeit!
Ihr habt nicht ganz Unrecht.
Eine bodenlose Frechheit!
Das läßt sich nicht leugnen.
Ein Sohn verheiratet sich ohne die Einwilligung seines Vaters! Ein Skandal!
Darüber läßt sich vieles sagen. Ihr tätet wirklich besser, keinen Lärm zu
schlagen.
Der Ansicht bin ich ganz und gar nicht!Im Gegenteil. Ich werde so laut Lärm
schlagen, daß es jeder hören soll! Habe ich nicht alle Ursache zornig zu sein?
Ja, das habt Ihr. Auch ich war es anfangs, als ich von der Geschichte erfuhr.
Ich war völlig auf Ihrer Seite und habe Eurem Sohn gehörig die Leviten
gelesen. Fragt ihn nur, was für Vorwürfe ich ihm gemacht habe, wie ich ihn
heruntergeputzt habe, weil er seinem Vater so wenig Respekt erweise. Und
daß er ihm eher die Füße küssen müsse. Ihr selber hattet ihn nicht besser
herabkanzeln können. Aber dann sagte er mir, daß er im Grunde wohl gar
nicht so Unrecht hat, wie man es gerne glauben möchte.
Was erzählst Du mir da? Er hat gar nicht so Unrecht, sich mit der
Erstbesten zu verheiraten?
Was wollt Ihr? Das Schicksal trieb ihn dazu.
Aha! Ein schöner Grund. Auf diese Weise kann also einer alle möglichen
Verbrechen begehen, betrügen, stehlen, morden und sagen, das Schicksal
habe ihn dazu getrieben!
Mein Gott, Ihr nehmt meine Worte viel zu philosophisch. Ich meine, er
wurde durch die Macht der Umstände in diese Geschichte gezogen...
Und warum hat er sich hineinziehen lassen?
Soll er schon so klug sein wie Ihr? Er ist noch jung und die Jugend die ist
ungestüm. Das beste Beispiel ist unser Leandre, der es trotz meiner guten
Lehren und Ermahnungen noch ärger trieb als Euer Sohn. Ich möchte
wetten, daß Ihr in Eurer Jugend auch kein Engel wart. Es geht die Runde, daß
Ihr kein Kostverächter bei den Damen gewesen seid und schnell mit einer
Schönen einig wart. Heute Die und morgen die Andere.
Nun ja, ich gebe es zu. Aber ich habe nie die Grenzen überschritten! Galante
Abenteuer ja, aber nie bin ich so weit gegangen wie er.
Was soll er denn tun? Er sieht ein junges Ding, sie will ihn wohl, denn daß er
= 10 =
Argante:
Scapin:
Argante:
Sylvestre:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
von allen Frauen geliebt wird, hat er von Euch. Er findet sie reizend, macht
ihr Besuche, sagt ihr Schmeicheleien, seufzt und ist ein glühender Verehrer.
Sie ergibt sich seinem Werben. Er treibt sein Glück weiter und die
Verwandten überraschen ihn in flagranti. Und zwingen ihn gewaltsam und
bewaffnet, sie zu heiraten. (Pause; Sylvestre pfeift leise bewundernd durch
die Zähne) Wär`s Euch lieber gewesen, er hätte sich umbringen lassen? Es
ist noch immer besser verheiratet zu sein als tot!
Man hat mir die Sache ganz anders erzählt.
Fragt nur den da. (zeigt auf Sylvestre) Er wird das selbe sagen.
(zu Sylvestre) Er ist zum Heiraten gezwungen worden?!
Gezwungen, so ist es.
Warum sollt ich Euch belügen?
Er hätte gleich zu einem Notar gehen und protestieren müssen.
Das wollte er nicht tun.
Es wäre mir durchaus jetzt leichter die Ehe aufzulösen.
Die Ehe aufzulösen?
Natürlich.
Das werdet Ihr nicht tun.
Das werde ich nicht tun?
Nein, sag ich.
Warum nicht? Habe ich als Vater nicht das Recht auf meiner Seite? Allein
schon aus dem Grund, daß man meinen Sohn mit Gewalt gezwungen hat!
Das wird er niemals eingestehen.
Nicht eingestehen?
Nein.
Mein Sohn?
Euer Sohn. Soll er etwa sagen, er sei aus Furcht der Gewalt gewichen und
habe sich zwingen lassen? Das wäre eine Schande für ihn. Er würde sich
eines Vaters, wie Ihr es seid, eines solchen Mannes, unwürdig erweisen.
Das sind doch Possen.
Er ist es seiner und Eurer Ehre schuldig, vor aller Welt zu erklären, daß er
freiwillig geheiratet habe.
Und ich bestehe darauf, daß er um meiner und seiner Ehre Willen das
Gegenteil sagt!
Ucd bin sicher, daß er es nicht tun wird.
Ich werde ihn dazu zwingen.
Er tut`s nicht, sag ich Euch.
Er wird es tun, oder ich enterbe ihn!
Ihr?
Ja, ich!
Ach, geht doch!
Wieso?
Ihr enterbt ihn doch nicht!
Ich enterbe ihn nicht?
Nein.
Nein?
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
= 11 =
Nein!
Das wäre ja noch schöner, wenn ich meinen Sohn nicht enterben könnte!
Ich sage Euch, Ihr tut es nicht!
Wer soll mich daran hindern?
Ihr selber.
Ich?
Ihr habt doch nicht das Herz dazu.
Das hab ich wohl!
Ihr scherzt.
Ich scherze nicht!
Die väterliche Liebe wird für Euren Sohn sprechen.
Das wird sie nicht!
O doch!
Nein, sag ich Dir!
Ihr seid doch von Natur aus viel zu gut.
Ich bin nicht gut! Ich bin sogar sehr böse, wenn ich will! Brechen wir ab. Mir
läuft die Galle über. (zu Sylvester) Und Du hol mir jetzt meinen Sohn, Du
schuft! Ich geh inzwischen zu Herrn Geronte, um ihm mein Mißgeschick zu
klagen.
Wenn ich Euch irgendwie nützlich sein kann, Ihr habt nur zu befehlen, mein
Herr!
Ich danke Dir. (im abgehen) Warum hab ich nur diesen einen Sohn? Die
Tochter, die mir der Himmel nahm, würde ich jetzt sofort zu meiner Erbin
machen... (ab)
Sechste Szene
Scapin, Sylbvestre
Sylvestre:
Scapin:
Du bist ein Teufelskerl, Scapin, das muß ich gestehen. Die Sache hast Du
hübsch eingefädelt. Und wir sind schon halb auf dem Weg. Jetzt fehlt uns
nur das Geld, denn wir haben Gläubiger, die darauf warten.
Laß mich nur machen. Ich bringe den Karren schon zu laufen. Laß mich
überlegen. Vor allem brauche ich einen begabten jungen Mann, der dabei eine
Rolle spielen soll. Moment, Sylvestre!... Zieh Dir mal die Mütze ins Gesicht!
Steh gerade. Einen Fuß vor. Geh auf und ab. Nicht latschen, schreiten. So
wie ein König auf dem Theater etwa. Roll mal die Augen. Brüll. (Sylvestre tut
alles was von ihm verlangt wird) Ach was, ich kenne Mittel dein Gesicht und
deine Stimme zu verwandeln. Komm. (beide ab)
VORHANG
= 12 =
Zweiter Akt
Erste Szene
Geronte, Argante
Geronte:
Argante:
Geronte:
Argante:
Geronte:
Argante:
Geronte:
Argante:
Geronte:
Argante:
Geronte:
Argante:
Geronte:
Argante:
Geronte:
Argante:
Geronte:
Argante:
Geronte:
Argante:
Geronte:
Argante:
Ganz gewiß, bei gutem Wind werden unsere Leute schon heute hier
eintreffen. Aber wenn meine Tochter nun ankommt, wird sie die Lage
weniger erfreulich vorfinden als wir sie geplant hatten, denn was Ihr mir von
Eurem Sohn erzählt habt wirft alle unsere Pläne uber´n Haufen.
Macht Euch darum keine Sorgen. Ich verspreche Euch, jedes Hindernis aus
dem Weg zu räumen. Und ich bin auch schon auf dem besten Wege dazu.
Wenn Ihr meine Meinung wissen wollt, Herr Argante: die Erziehung der
Kinder ist ein Geschäft, das sehr ernsthaft betrieben sein will.
Ohne Zweifel. Aber was soll das heißen?
Das soll heißen daß das schlechte verhalten der jungen Leute meist in der
Erziehung liegt, die ihre Väter ihnen gaben.
Ja, da sind wir völlig gleicher Meinung. Aber was wollt Ihr damit sagen?
Was ich damit sagen will?
Ja.
Nun, wenn Ihr, als rechtschaffener Vater, Euren Sohn öfters mal tüchtig
bei den Ohren genommen hättet, würde er Euch heut nicht solche Streiche
spielen.
Schön. Habt Ihr es denn auch so bei Eurem Sohn gehalten?
Natürlich. Ich stehe dafür daß mir sowas bei ihm nicht passieren kann.
Und wenn nun dieser Sohn, den Ihr so rechtschaffen bei den Ohren
genommen habt, es heute ärger triebe als meiner?
Wieso?
Wieso?
Was soll das heißen?
Das soll heißen, daß man nicht gleich damit beginnt die Fehler der Anderen
zu verdammen und lieber erst mal damit beginnt vor seiner eigenen Tür zu
kehren.
Ich verstehe diese Reden nicht.
Man wird sie Euch schon noch erklären.
Habt Ihr vielleicht etwas über meinen Sohn gehört?
Das könnte schon sein.
Habt Ihr etwas erfahren?
Scapin hat mir die ganze Sache nur angedeutet. Ihr könnt ihn ja näher
befragen. Was mich betrifft, ich muß jetzt zum Notar um Rat zu holen und
alles Erforderliche in die Wege zu leiten. Lebt wohl. (ab)
Zweite Szene
Geronte, dann Leandre
Geronte:
Was mag das sein, mein Sohn triebe es ärger als sein Sohn? Was kann er
ärgeres treiben? Ich denke, ohne die Einwilligung des Vaters zu heiraten
= 13 =
Leandre:
Geronte:
Leandre:
Geronte:
Leandre:
Geronte:
Leandre:
Geronte:
Leandre:
Geronte:
Leandre:
Geronte:
Leandre:
Geronte:
Leandre:
Geronte:
Leandre:
Geronte:
Leandre:
Geronte:
Leandre:
Geronte:
Leandre:
Geronte:
Leandre:
Geronte:
Leandre:
Geronte:
Leandre:
übertrifft alles, was man sich vorstellen kann!
Mein Vater!
Ah, da bist Du ja!
Welche Freude, Euch wieder zu sehen!
Sachte, sachte! Wir wollen erst von Dingen reden die mir wichtiger
erscheinen.
Nein, laßt Euch erst umarmen und...
Sachte, sachte, sag ich! Sachte!
Wie, mein Vater, Ihr wollt nicht daß ich Euch vor Freude umarme?
Nun, ich glaube, wir haben noch zusammen noch ein Hühnchen zu rupfen.
Und das wäre?
Sieh mir in die Augen.
Wie?
Sieh mir fest ins Gesicht!
Nun, und?
Was ist hier vorgegangen.
Was hier vorgegangen ist?
Ja, was hast Du während meiner Abwesenheit getan.
Was soll ich getan haben, Vater?
Ich will nicht, daß Du etwas getan haben sollst, ich frage, was Du getan hast!
Ich habe nichts getan, worüber Ihr Grund hättet zu klagen.
Nichts?
Nein.
Du bist sehr selbstsicher.
Weil ich ganz unschuldig bin.
Scapin hat mir aber von dir erzählt.
Scapin!!!
Aha! Das Wort läßt Dich erröten!
Er hat Euch etwas von mir erzählt?
Hier ist nicht der Ort die Sache zu verhandeln. Wir werden sie später
untersuchen. Mach, daß Du nach Hause kommst. Ich komme gleich nach. Oh,
Kerl, wenn Du mir Schande machst, verleugne ich Dich als meinen Sohn! Und
wage es nie wieder, mir unter die Augen zu treten! (ab)
Oh, dieser Schuft von einem Diener! Mich zu verraten! Dieser Gauner, der
selber das größte Interesse daran haben sollte, alles zu verheimlichen, was
ich ihm anvertraut habe! Geht hin und plaudert alles meinem Vater aus! Aber
ich schwöre beim Himmel, diese blöde Posse soll nicht ungestraft bleiben!
Dritte Szene
Leandre, Octave, Scapin
Octave:
Leandre:
Scapin:
Scapin, wie soll ich Dir nur danken für alle Deine Bemühungen! Was wäre aus
mir geworden ohne Deine Hilfe? Der Himmel hat Dich geschickt. Du bist ein
echter Schatz, Scapin!
Da bist Du ja! Halunke! Gut, daß ich Dich hier treffe!
Danke, danke! Zuviel der Ehre.
Leandre:
Scapin:
Octave:
Leandre:
Scapin:
Octave:
Leandre:
Octave:
Scapin:
Leandre:
Octave:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Octave:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Octave:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
= 14 =
Du machst noch schlechte Witze? Das wird Dir gleich vergehen. (zieht den
Degen)
(auf Knien) Herr!
Leandre! (springt dazwischen)
Nein! Haltet mich nicht zurück!
Mein Herr!
Was wollt Ihr tun?
Ihm geschieht nur recht! Laßt mich! Ich ersticke an meinem Zorn!
Bei unserer Freundschaft, Leandre, tut es nicht!
Was hab ich Ihnen denn getan, mein Herr?
Was Du mir getan hast, Schurke?
Ruhe! Ruhe! (hält ihn)
Nein, Octave! Auf der Stelle soll er seinen Verrat eingestehen! Und daß er
ein elender Schuft ist! Er hat mir einen bösen Streich gespielt! (zu Scapin)
Du hast wohl geglaubt daß Deine Schandtat nicht ans Tageslicht kommt?
Aber jetzt sollst Du sie mit eigenen Worten hier bekennen! Oder ich stoße
Dir den Degen durch den Leib!
Ach, Herr, könntet Ihr das wirklich übers Herz bringen?
So sprich!
Ich sollt Euch was getan haben, Herr?
Ja, Du Schuft! Und Du weißt nur zu gut, was!
Ich versichere, Herr, ich weiß von nichts!
Du weißt von nichts? (zieht wieder den Degen)
Leandre! (hält ihn wieder zurück)
Nun, so will ich Euch gestehen, daß ich mit ein paar lustigen Freunden das
Fäßchen spanischen Wein ausgetrunken habe, das Ihr vor ein paar Tagen zum
Geschenk bekamt. Ich bohrte ein Loch in das Faß und goß Wasser
rundherum, damit Ihr glauben solltet, es sei ausgelaufen.
Du warst also dieser Lump!
Ja, zu dienen...
Und ich hatte deshalb einen ärgerlichen Streit mit der Magd!
Ich bitte Euch recht sehr um Verzeihung.
Nur gut, daß ich das jetzt erfahre. Doch darum geht es nicht im Augenblick.
Nicht darum?
Nein. Etwas anderes, weit schlimmeres. Das weißt Du ganz genau.
An etwas schlimmeres erinnere ich mich nicht.
Du willst also nicht reden! (zieht)
Leandre, bitte!
Halt! Da fällt mir doch etwas ein! Als Ihr mich vor drei Wochen am Abend zu
der schönen Zigeunerin schicktet, die Ihr liebt, um ihr eine kleine Uhr zu
bringen, ich erinnere mich... Ich kam wieder, die Kleider voller Schmutz, mit
blutiger Nase und sagte Euch, mich hätten Räuber überfallen, mich
verprügelt und mir die Uhr gestohlen. Ich... äh... ich... hatte sie aber selbst
behalten, Herr...
Meine Uhr? Du hast meine Uhr behalten?
Nur um Euch zu dienen! Ich weiß doch nie wie spät es ist!
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
= 15 =
Aha, nette Geschichten erfahre ich da. Ich habe einen seltsam treuen
Diener, das muß ich sagen. Aber noch immer ist es das nicht, was ich wissen
will!
Immer noch nicht?
Nein, Schuft! Nein! Bist Du zu feige es zu erzählen?
Verdammt!
Ich warte nicht mehr lange!
Ich habe weiter nichts getan! Ich wüßte nicht...
Meine Geduld ist am Ende! (zieht wieder den Degen)
Halt! (schlägt sich vor den Kopf) Wie konnte ich das vergessen! Da ist noch
was. Besinnt Ihr Euch noch auf den Wegelagerer der Euch vor einem halben
Jahr nachts verprügelte und wie Ihr auf der Flucht dann in ein Kellerloch
gefallen seid und Euch fast den Hals gebrochen habt?
Und ob ich mich erinnere.
Das Schreckgespenst, Herr... war ich...
Warst Du?... Was?... (will auf ihn los)
(schnell) Ja, Herr! Aber nur um Euch einen kleinen Schreck einzujagen!
Damit Euch die Lust vergeht, uns Nacht für Nacht herumzuhetzen, wie´s
Eure Art ist. Damit Ihr einmal selber spürt, wie einem da zu mute ist...
Ich werde mich zur rechten Zeit an Deine Gaunereien erinnern, verlaß Dich
darauf. Doch jetzt wirst Du mir endlich gestehen, was Du meinem Vater
erzählt hast!
Eurem Vater?
Ja, meinem Vater, Du Verräter!
Aber den hab ich seit er zurück ist noch gar nicht gesehen!
Lügst Du mich auch nicht an? Du hast ihn nicht gesehen?
Ganz bestimmt nicht!
Ganz bestimmt nicht?
Er wird es selbst bezeugen können!
Ich habe es aber doch aus seinem Munde!
Dann hart er - es tut mir leid - nicht die Wahrheit gesagt.
Vierte Szene
Die Vorigen, Sylvestre
Sylvestre:
Leandre:
Sylvestre:
Leandre:
Sylvestre:
Gnädiger Herr, ich bringe eine schlechte Nachricht für Euch.
Wie? Welche Nachricht?
Die Zigeuner sind gerade dabei, Zerbinette zu entführen. Sie selbst hat
mich mit Tränen in den Augen gebeten, es Euch zu sagen. Und wenn Ihr nicht
in zwei Stunden das geforderte Geld für sie bringt, ist sie Euch für immer
verloren.
In zwei Stunden, sagst Du?
Jawohl, in zwei Stunden. (zögernd ab)
= 16 =
Fünfte Szene
Leandre, Scapin, Octave
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Octave:
Scapin:
Leandre:
Octave:
Scapin:
Octave:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Octave:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Mein lieber Scapin, hast Du gehört? Du mußt mir helfen!
Mein lieber Scapin! Plötzlich bin ich wieder der liebe Scapin. Jetzt, wo man
mich braucht.
Komm, Scapin! Ich will Dir auch alles verzeihen, was Du mir soeben
gestanden hast. Selbst wenn mich noch Ärgeres erwartet, es ist schon
verziehen.
Nein, nein! Verzeiht mir gar nichts! Stoßt mir den Degen durch den Leib, wie
Ihr es eben wolltet! Stoßt zu! Das befreit mich von aller Schuld!
Scapin, ich beschwöre Dich! Du rettest mir mein Leben, wenn Du mir hilfst!
Du rettest meine Liebe!
Nein, nein! Macht es nur kurz. Erstecht mich.
Erstechen, Unsinn! Dafür bist Du mir viel zu teuer. Ich brauche Deine
Dienste, Dein Genie, diese wunderbare Gabe mit der Du jede Schwierigkeit
erledigst!
Erstecht mich lieber, das ist besser.
Ich flehe Dich an!...
Es muß etwas für ihn geschehen, Scapin!
Nach dieser Beschimpfung?
Vergiß meine Heftigkeit, bitte!
Auch ich bitte Dich.
Nein, der Schmerz sitzt zu tief in mir.
Überwinde Deinen Groll.
Kannst Du mich in dieser grausamen Lage verlassen?
Mir solche Schmach anzutun.
Ich habe Unrecht, ich gestehe es.
Mich einen Schuft, Galgenvogel, Spitzbuben, Schurken zu nennen.
Es tut mir herzlich leid.
Mir den Degen durch den Leib rennen zu wollen...
Ich bitte Dich herzlich um Verzeihung! Wenn ich es zu Deinen Füßen
abbitten soll, so werfe ich mich hier vor Dir auf die Knie und beschwöre Dich
noch einmal: verlaß mich nicht!
(kniet gleichfalls) Scapin, laß Dich erweichen!
Steht auf. Ein andermal seid nicht so fix.
Versprichst Du mir jetzt beizustehen?
Ich will´s versuchen.
Wir dürfen keine Zeit verlieren.
Keine Sorge. Wieviel braucht Ihr?
Fünfhundert Taler.
(zu Octave) Und Ihr?
Zweihundert Pistolen.
Ich werde dieses Geld Euren Väter abknöpfen. (zu Octave) Was den Euren
betrifft, so ist die Sache schon vorbereitet. (zu Leandre) Und bei Eurem
werde ich, trotz seines Geizes, noch schneller ans Ziel kommen. Denn Ihr
= 17 =
Leandre:
Scapin:
wißt, der Mann hat, Gott sei Dank, kein Überfluß an Verstand. Und solche
Fälle bringt man schnell zur Strecke. Das darf Euch nicht kränken, denn Ihr
seid ihm überhaupt nicht ähnlich. Und obendrein wird überall gemunkelt daß
er nur pro forma Euer Vater ist.
Scapin, ich bitte Dich!
Ich weiß, ich weiß! Doch wer macht sich heutzutage noch daraus ein
Gewissen?... (zu Octave) Doch da sehe ich Euren Vater kommen. Mit dem
wollen wir den Anfang machen. (zu beiden) Laßt mich jetzt allein. (zu Octave)
Und Ihr schickt mir den Sylvestre her. Er soll jetzt seine Rolle spielen.
(Beide ab)
Sechste Szene
Scapin, Argante
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
(zu sich) Er scheint in Gedanken versunken
(Zu sich) Keine Rücksicht, keine Überlegung! Sich in eine solche Heirat
einzulassen1Diese leichtsinnige Jugend...
Ihr Diener, mein Herr!
Guten Tag, Scapin.
Ich sehe, die Geschichte mit Eurem Sohn macht Euch viel Kummer.
Kummer?! Sie macht mich wütend!
Ja, so ist das Leben. Widerstände und Widrigkeiten. Man muß immer damit
rechnen. Mir fallen da die Lehren eines alten Philosophen ein, die ich vor
langer Zeit einmal hörte.
Lehren? Was für Lehren?
Ja. Ein Familienvater sollte, sooft er sich seines Hauses entfernt, sobald er
wiederkehrt, auf alle Widrigkeiten gefaßt sein. Er soll glauben, sein Haus sei
Abgebrannt, sein Geld gestohlen, sein Weib sei tot, sein Sohn zum Krüppel
geschlagen und seine Tochter entehrt. Und wenn er dann bei seiner
Heimkehr sieht, daß nichts von all dem geschehen, sollte er sein Glück
preisen. Ich hab mir diese Regel wohl gemerkt und danke meinem Schöpfer
wenn ich bei meiner Heimkehr von meinem Herren nicht mit Vorwürfen und
Schimpfworten empfangen werde, mit Stockschlägen, Fußtritten und
Peitschenhiebe.
Ja, aber diese unerwünschte Heirat durchkreuzt all meine Pläne. Und ich hab
auch schon einen Advokaten zu Rate gezogen um diese Ehe aufzulösen.
Um Himmelswillen! Keine Advokaten! Ihr stecht da in ein Wespennest! Ihr
wißt doch was es hierzulande mit Prozessen auf sich hat. Ich rate Euch, die
Sache anders anzupacken.
Du hast ja recht. Aber auf welche Weise?
Ich wüßte schon wie. Als ich Euch vorhin in Eurem Kummer sah, empfand ich
ein tiefes Mitleid und dachte an ein Mittel, wie dem abzuhelfen sei. Es ist
wirklich ein Jammer mit anzusehen wie rechtschaffene Väter von ihren
Kindern betrübt werden. Ich hatte immer schon eine besondere Zuneigung
für Euch.
Ich bin Dir sehr verbunden.
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
= 18 =
Hört zu. Ich suchte kurz den Bruder des Mädchens auf, welches Euer Sohn
geheiratet hat. Das ist ein Raufbold von Beruf. Einer von den Leuten, die
stets den Degen in der Hand, vom Töten reden und gewissenlos einen
Menschen abstechen, so wie man ein Glas Wein hinunter gießt. Ich brachte
also das Gespräch auf diese Heirat und ich erklärte ihm, wie leicht diese –
mit Gewalt geschlossene – Heirat zu lösen wäre. Und daß Euer väterliches
Recht und Euer Geld und Eure freunde bei der Justiz ein großer Vorteil für
Euch wären. Ich redete und redete, bis er schließlich bereit war, gegen ein
kleines Sümmchen zu der Lösung dieser Heirat zuzustimmen. Er wird sich
also leicht abfinden lassen.
So. Wieviel verlangt er denn?
Nun ja, viel, viel zu viel!
Wieviel denn?
Ungeheuer hoch.
Nun?...
Er sprach von fünf- bis sechshundert Pistolen.
Fünf- bis sechshundert Stockschläge kann er haben. Der Kerl macht sich
wohl lustig?!
Das hab ich auch gesagt. Ich wies die Forderung natürlich zurück und gab
ihm deutlich zu verstehen, daß Ihr kein solcher Narr sein würdet, dem man
einfach so fünf oder sechshundert Pistolen aus der Tasche mogeln könnte.
Nach vielem hin und her kamen wir schließlich zu folgender Lösung: er müsse
zur Armee und brauchte, um sich auszurüsten, etwas Geld. Er wäre also quasi
gezwungen anzunehmen was man ihm böte. Kurz, er brauchte ein Reitpferd.
Ein etwa taugliches kostet um die sechzig Pistolen.
Gut, das soll er haben.
Dazu Sattel, Zaumzeug und Gewehr, das kommt nochmal auf gut zwanzig
Pistolen.
Zwanzig und sechzig sind achtzig.
Richtig.
Viel Geld. Doch einverstanden.
Dann braucht er auch ein Pferd für seinen Burschen, was nochmals dreißig
Pistolen kostet.
Ach was, er soll zum Teufel gehen! Keinen Heller kriegt er! Gar nichts!
Überhaupt nichts!
Aber mein Herr!
Nein, nein! Der Kerl ist unverschämt!
Soll denn der Bursche hinterherlaufen?
Was schert mich das? Er kann gehen wie und wohin er will und sein Herr
hinterher.
Mein Gott, wie kann man sich an so einer Kleinigkeit stoßen! Laßt Euch nur
nicht auf einen Prozeß ein! Zahlt lieber was er will, um nicht in die Hände der
Justiz zu fallen!
Gut! Soll er auch noch die dreißig Pistolen haben.
Dann, meinte er, fehlt noch ein Maultier für das Gepäck.
Der Teufel soll ihn holen samt seinem Maultier! Was zu viel ist, ist zu viel!
= 19 =
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Ich gehe vor Gericht!
Gnädiger Herr!...
Nein, so laß ich mich nicht rupfen.
Herr, so ein Mauleselchen!...
Nicht mal auf einen Esel laß ich mich ein!
Bedenkt, mein Herr...
Nein, lieber prozssiere ich!
Ach, Herr, bedenkt doch nur die Kniffe und Ränke der Justiz! Betrachtet
nur die Ämter und Instanzen, diese langweiligen Verhandlungen! Wollt Ihr
Euch wirklich in die Klauen dieser gierigen Raubtiere begeben?
Gerichtsdiener, Prokuratoren, Anwälte, Advokaten, Schreiber, Referendare,
Richter, Kopisten!... Keiner von diesen macht sich ein Gewissen daraus dem
besten Recht dieser Welt ins Gesicht zu schlagen. Da bringt ein
Gerichtsdiener Euch falsche Vorladungen und Ihr werdet daraufhin
verurteilt und wißt nicht einmal, warum! Ihr Verteidiger verständigt sich mit
der Gegenpartei um Euch für ein hübsches Stück Geld sitzenzulassen! Ihr
Advokat, gleichfalls bestochen, wird sich nicht einfinden! Der
Protokollführer unterschlägt Akten! Nein, Herr Argante, Ihr tätet gut vor
dieser Hölle zu fliehen! Der bloße Gedanke eines Prozesses könnte mich
schon bis nach Indien jagen!
Was soll das Maultier kosten?
Für das Maultier, für sein Pferd und das des Burschen, für das Sattelzeug
und die Waffen und für eine Kleinigkeit, die er seiner Wirtin schuldet,
verlangt er alles in allem zweihundert Pistolen.
Zweihundert Pistolen?!
Ja.
Ich prozessiere.
Überlegt doch...
Ich gehe zum Gericht.
Ihr stürzt Euch in...
Ich prozessiere! Basta!
Aber auch zum prozessieren braucht man Geld! Ihr braucht es für die
Vorladung, für die Kontrolle, für den Prokurator, für die Gerichtsräte und
Bevollmächtigten! Ihr braucht es für die Zeugenaussagen und die Plädoyers
der Advokaten, für das Recht, die Aktenstücke zurückzufordern und für die
gerichtlichen Abschriften, für die Unterschrift und Ausfertigung der
Kopisten und die Beglaubigungen! Ohne von all den Geschenken zu sprechen
die man auf allen Seiten von Euch erwartet! Ich rate Euch, gebt diesem
Mann sein Geld und alles ist ausgestanden!
Wieviel...? Zweihundert Pistolen?
Glaubt mir, Ihr kommt dabei noch gut weg. Ich hab das alles einmal
durchgerechnet. Wenn Ihr dem Menschen zweihundert Pistolen gebt, habt
Ihr am Ende hundertfünfzig gespart. Und obendrein habt Ihr die ganzen
Mühen, Laufereien und Sorgen nicht. Ich kenne die Advokaten. Die haben ein
loses Maul und machen sich noch lustig über Euch. Ich zahlte lieber die
dreihundert Pistolen als zu ertragen daß man hinter meinem Rücken gemeine
= 20 =
Argante:
Scapin:
Witze macht.
Das kümmert mich überhaupt nicht!
Tut, was Ihr wollt. Aber an Ihrer Stelle würde ich niemals prozessieren.
Und ich zahle keine zweihundert Pistolen! (hinter der Bühne hört man
Sylvestre: „He! Holla! He!“ brüllen)
Ah, da kommt der Mann selber von dem wir reden!
Siebente Szene
Die Vorigen, Sylvestre (verkleidet)
Sylvestre:
Scapin:
Sylvestre:
Scapin:
Sylvestre:
Scapin:
Sylvestre:
Scapin:
Sylvestre:
Scapin:
Sylvestre:
Scapin:
Sylvestre:
Scapin:
Sylvestre:
Scapin:
Sylvestre:
Scapin:
Sylvestre:
He, Du, Scapin! Führ mich mal zu Argante, dem Vater von Octave!
Warum, mein Herr?
Ich hab gehört, er will prozessieren, um die Heirat meiner Schwester für
Null und Nichtig zu erklären!
Ich weiß nicht, ob er das will, aber er will auf keinen Fall die zweihundert
Pistolen zahlen, die Ihr fordert. Das sei zuviel, sagt er.
Kreuzhimmerdonnerwetter! Dem Kerl zerbrech ich alle Knochen, wenn ich ihn
erwische! Ich schlag ihn kurz und klein!
Oh, mein Herr, Ihr werdet einen Mann finden, der keine Furcht kennt!
(lacht dröhnend) Alle Wetter, das wollen wir doch erst mal sehen! Dem renn
ich gleich den Säbel durch den Leib! (zeigt auf Argante) Wer ist der Mann
da?
Der ist es nicht, Herr. Der ist es nicht.
Ist er etwa ein Freund von ihm?
Im Gegenteil! Er ist sein ärgster Feind!
Sein ärgster Feind?
Ja.
Alle Wetter, das ist mir lieb! (zu Argante) Ihr seid also auch ein Feind von
diesem Argast?
Ich verbürge mich dafür.
Schlagt ein, schlagt ein! (reicht Argante die Hand) Ich gebe Euch mein Wort
und schwör bei meiner Ehre, bei meinem Säbel, bei allen Flüchen die noch
über meine Lippen kommen: noch vor Sonnenuntergang werde ich diesen
Schuft Argante aus der Welt geschafft haben. Verlaßt Euch nur auf mich!
Mein Herr, Gewalttätigkeiten werden hier im Lande nicht geduldet.
Das ist mir gleich! Ich habe nichts zu verlieren!
Aber er steht nicht allein! Er hat Freunde, Verwandte, Diener die ihm bei
jedem Angriff zur Seite stehen!
Das ist mir gerade recht! (zieht) Hölle und Teufel! Wäre er doch schon hier,
mit seiner ganzen feigen Sippschaft! Und wären es ihrer dreißig! Was, ihr
Halunken? Ihr habt die Kühnheit mit mir anzubinden? Ich will Euch Mores
lehren! (sticht nach allen Seiten) Da und da und da! Drauf! Zugestoßen!
Pardon wird nicht gegeben! Steht, Halunken, steht! Ihr Kanaillen! Da habt
Ihr Euren Teil! Ihr wollt es ja nicht anders! (auf die beiden zu) Da, pariert
mir dieses noch! Und den! Und diesen! Hasenfüße! Ihr reißt ja aus! Steht,
zum Henker! Steht!
Scapin:
Sylvestre:
= 21 =
Herr, wir gehören doch nicht dazu!
Das sollte jeden warnen, der Streit mit mir sucht! (ab)
Achte Szene
Argante, Scapin
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Argante:
Scapin:
Da seht Ihr wieviel Menschen der Kerl allein wegen zweihundert Pistolen
umbringen würde. Der kennt kein Erbarmen.
Scapin!
Ich höre.
Ich will die zweihundert Pistolen geben
Das freut mich für Euch.
Führe mich zu ihm hin. Ich hab das Geld bei mir.
Gebt es nur mir. Die Ehre verbietet Euch jetzt vor ihm zu erscheinen,
nachdem Ihr ihn so getäuscht habt. Es könnte sein daß er Euch erkennt. Und
dann, fürchte ich, würde er noch mehr verlangen.
Ja, aber ich wäre sehr gerne dabei, wenn er mein Geld einstreicht.
Ihr traut mir nicht?
Doch, doch, aber...
Beim Himmel! Bin ich ein Spitzbube oder ein ehrlicher Mann? Es geht nur
eins von beiden! Warum sollte ich Euch betrügen? Habe ich an der Sache ein
anderes Interesse als das Eure und das Eures Sohnes? Wenn Ihr mir nicht
mehr vertraut, mach ich gar nichts mehr. Und Ihr könnt Euch einen anderen
suchen der bereit ist, Eure Angelegenheiten durchzufechten!
Na gut, nimm`s!
Nein, Herr! Vertraut mir Euer Geld nicht an! Es ist besser, Ihr sucht Euch
einen anderen.
Mein Gott, so nimm schon!
Nein, sag ich Euch! Traut mir nicht! Wer weiß, ob ich Euch nicht um Euer
teures Geld prellen will!
Nimm, sag ich, und laß uns nicht länger streiten. Aber laß dir eine Quittung
geben!
Versteht sich! Der Kerl hat`s doch nicht mit einem Dummkopf zu tun!
Ich erwarte Dich bei mir zu Hause.
Seid unbesorgt! Ich komme! (Argante ab) So, einen hätten wir. Jetzt kommt
der andere dran. (man hört Geronte kommen) Kaum zu glauben! Da kommt er
schon! Es scheint, der Himmel treibt mir einen nach dem anderen in mein
Netz!
Neunte Szene
Scapin, Geronte
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
(lamentiert) Oh Himmel, welches Unglück! Der arme Vater! Der unglückselige
Geronte! Was wird er nun tun?
(zu sich) Was spricht er da von mir?
Wenn ich nur wüßte, wo ich Herrn Geronte jetzt finde!
Was gibt es denn, Scapin?
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
= 22 =
Ich such und such ihn. Alles vergebens.
Hier bin ich ja! Bist Du denn blind daß Du mich nicht siehst?
Ach, gnädiger Herr...
Was ist?
Herr, Euer Sohn...
Nun? Mein Sohn...?
Ein seltsamen Mißgeschick hat ihn betroffen.
Was für ein Mißgeschick?
Ich fand ihn vorhin ganz traurig über irgendwas, was Ihr ihm gesagt hattet.
Ich weiß nicht was, ich weiß nur, daß Ihr mich unglücklicher Weise da mit
hineingezogen habt. Um auf andere Gedanken zu kommen gingen wir am
Hafen spazieren. Dort fielen unsere Augen auf eine prächtige Galeere und
ein junger, hübscher Türke lud uns ein sie zu besichtigen. Also stiegen wir
hinauf. Er war voller Liebenswertigkeit und ließ uns Erfrischungen reichen,
herrliches Obst und den köstlichsten Wein den man sich denken kann...
Und? Was ist daran so betrüblich?
Wartet nur ab. Während wir aßen, ließ er die Anker lichten und wir waren
bald auf offener See. Dort ließ er mich in ein Boot steigen und schickte mich
hierher um Euch zu sagen daß, wenn Ihr ihm nicht auf der Stelle durch mich
fünfhundert Taler schickt, er Euren Sohn als Sklaven mit nach Algier
schleppt. Es ist ein Jammer! So ein Jammer!
Fünfhundert Taler... F ü n f h u n d e r t T a l e r ? ? ?
Ja, gnädiger Herr. Und er hat mir nur zwei Stunden Zeit dafür gegeben.
Oh, der verdammte Türke bringt mich um!
Es liegt an Ihnen, Herr, jetzt keine Zeit zu verlieren, um Euren Sohn, den
Ihr so zärtlich liebt, aus der Sklaverei zu erretten!
Was, Teufel, hatte er denn aber auch auf der Galeere zu suchen!
Darauf war er wohl nicht gefaßt.
Lauf, Scapin, lauf und sag dem Hund von einem Türken daß ich ihm die Justiz
auf den Hals hetze!
Die Justiz? Auf offener See? Macht Ihr Euch lustig?
Was, Teufel, hatte er denn aber auch auf der Galeere zu suchen!
Manchmal lenkt ein blindes Schicksal unseren Weg...
Scapin, jetzt mußt Du zeigen, daß du ein treuer Diener bist!
Wie, mein Herr?
Geh einfach hin und sag dem Türken, er soll meinen Sohn herausgeben und
Dich an seiner Stelle behalten, bis ich das Geld zusammen habe, das er
fordert!...
Herr, was bildet Ihr Euch ein? Glaubt Ihr im Ernst, der Türke ist so dumm,
einen armen Teufel wie mich gegen Ihren Sohn zu tauschen?
Was, Teufel, hatte er denn aber auch auf der Galeere zu suchen!
Meine Güte, er hatte doch keine Ahnung von dem Unglück, das ihm
bevorstand. Bedenkt bitte, die Zeit ist bald um!
(zögernd) Du sagst er verlangt...
Fünfhundert Taler!
Fünfhundert Taler... Hat der Kerl denn kein Gewissen?
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
= 23 =
Ein Gewissen schon. Das Gewissen eines Türken.
Weiß er denn nicht wieviel das ist, fünfhundert Taler?
Ja, Herr, er weiß, daß das eintausendfünfhundert Livre sind.
Glaubt denn der Halunke daß eintausendfünfhundert Livre so einfach auf der
Straße liegen?
Solche Leute urteilen nicht nach Vernunft.
Was, Teufel, hatte er denn aber auch auf der Galeere zu suchen!
Ja, ja, mein Herr, Aber wer konnte das voraussehen? Um Himmelswillen, eilt
Euch!
Da, hier ist der Schlüssel zu meinem Schrank.
Schön.
Du öffnest ihn...
Ich öffne ihn...
Links findest Du einen großen Schlüssel zu meiner Bodenkammer.
Ja. Weiter, weiter.
Du raffst all die alten Kleider zusammen die dort in dem großen Korb sind,
verkaufst sie an den Trödler und Du hast das Lösegeld für meinen Sohn
Aber gnädiger Herr, wo denkt Ihr hin? Keine hundert Franken kriege ich
dafür. Und außerdem haben wir auch nicht die Zeit dazu.
Was, Teufel, hatte er denn aber auch auf der Galeere zu suchen!
Wieviel unnützes Gerede. Laßt doch endlich die Galeere und bedenkt daß die
Zeit drängt! Ihr lauft Gefahr Euren Sohn zu verlieren! (jammert, zu sich)
Ach, mein armer junger Herr! Wer weiß, ob ich Euch jemals wiedersehe! Und
ob man Euch nicht vielleicht jetzt schon nach Algier schleppt! Der Himmel
ist mein Zeige daß ich alles für Euch getan habe! Und wenn Ihr nicht frei
kommt, ist einzig und allein die Hartherzigkeit Eures Vaters daran Schuld...
(tut als wolle er abgehen)
(schweren Herzens ruft ihm nach) Warte, Scapin...Ich will das Geld holen...
Aber eilt Euch! Schnell, ehe es zu spät ist!
(unschuldig) Vierhundert, sagtest Du doch...?
Nein, fünfhundert Taler!
Fünfhundert Taler...
Jaaa!!!
Was, Teufel, hatte er denn aber auch auf der Galeere zu suchen!
Ihr habt recht, aber macht nur schnell!
Konntet Ihr denn nicht woanders spazieren gehen?
Freilich. Aber macht nur, macht!
Ach, diese verwünschte Galeere...
(a pas) Die Galeere hat´s ihm angetan.
Da, Scapin... Ich dachte nicht daran, aber ich habe die Summe in Gold gerade
heute erhalten. Ich ahnte nicht, wie schnell ich sie wieder los werde... Nimm
und kaufe meinen Sohn frei. (reicht ihm einen Beutel, den er im Folgenden
immer wieder zurückzieht)
Ja, gnädiger Herr.
Sag aber dem Türkenhund, er sei ein Leuteschinder!
Ja!
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
= 24 =
Ein Straßenräuber!
Laßt mich nur machen!
Der mich um fünfhundert Taler prellt!
Ja, ich sage es ihm.
Daß ich sie ihm widerwillig gebe.
Schon recht.
Daß er es mir büßen wird, wenn ich ihn kriege!
Ja!...
So, (steckt den Beutel wieder ein) und jetzt gehe und befreie meinen Sohn.
(will abgehen)
He! Holla! Gnädiger Herr!
Was ist?
Wo ist denn das Geld?
Hab ich es Dir nicht gegeben?
Nein, Ihr habt es wieder eingesteckt!
Ach so, der Kummer macht mich ganz verdreht.
Das merkt man.
(gibt ihm endgültig den Beutel; im Abgang) Was, Teufel, hatte er denn aber
auch auf der Galeere zu suchen! Oh, diese verwünschte Galeere!... Hol doch
der Teufel diesen Türkenhund... (ab)
Er kann die fünfhundert Taler nicht verschmerzen die ich ihm abgeluchst
habe. Aber wir sind noch nicht quitt. Er soll mir mit anderer Münze dafür
zahlen daß er mich bei Leandre angeschwärzt hat.
Zehnte Szene
Scapin, Octave, Leandre
Octave:
Leandre:
Scapin:
Octave:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Scapin:
Leandre:
Nun, Scapin, hast Du gute Nachrichten für uns?
Gibt es für meine Liebe noch Hoffnung?
Hier sind zweihundert Pistolen, die ich Eurem Vater aus der Tasche locken
konnte.
Scapin, Du machst mich überglücklich!
Für Euch hab ich nichts tun können.
Dann ist alles für mich verloren. Ich mag nicht leben, wenn mir Zerbinette
genommen wird. (will ab)
He! Halt! Warum denn diese Eile?
Was bleibt mir noch übrig?
Noch hab ich alles in der Hand.
Siehst Du noch einen Weg?
Nur, wenn Ihr mir erlaubt, eine kleine Rache an Eurem Vater zu nehmen, und
zwar für einen Streich den er mir gespielt hat.
Alles, was Du willst!
Ich versprecht es mir vor Zeugen!
Ja.
Da sind die fünfhundert Taler.
Scapin, Du bist ein Engel.
= 25 =
Scapin:
Leandre:
Octave:
(bescheiden) Ja, das weiß ich.
Leandre:
Pause!
Komm rasch, Octave, ich kann es kaum erwarten!
Mir geht´s genauso. Kommt. (beide rennen ab; Leandre steckt den Kopf
wieder rein und kündigt an)
V O R H A N G
= 26 =
Dritter Akt
Erste Szene
Zerbinette, Hyacinthe, Scapin, Sylvestre
Sylvestre:
Scapin:
Hyacinthe:
Zerbinette:
Scapin:
Zerbinette:
Scapin:
Zerbinette:
Scapin:
Scapin:
Hyacinthe:
Zerbinette:
Hyacinthe:
Zerbinette:
Hyacinthe:
Es ist der Wunsch der jungen Herren daß Ihr Euch nahe und beisammen
seid.
Und wir haben Anweisung es so einzufädeln daß Ihr Euch ganz zufällig hier
trefft.
Eine hübsche Anweisung. Sie findet meinen Beifall. Und ich würde mich
freuen wenn die Freundschaft zwischen den Männern, die uns lieben, auch
uns verbindet.
Oh, ich bin gern dabei. Und ich weise es nicht zurück, wenn die Freundschaft
mich so liebevoll bestürmt.
Und wenn man Euch mit Liebe bestürmt?
Mit der Liebe, das ist eine andere Sache. Man muß da mehr riskieren und ich
bin nicht sehr mutig.
Aber bei meinem Herrn, da werdet Ihr es doch wohl sein. Denn was er für
Euch getan hat, das müßte Euch doch mutig machen, seine Liebe ebenso zu
erwidern.
Nun, ganz trau ich ihm deshalb doch nicht. Ich bin von Natur aus heiter. Ich
lache gern. Aber bei all dem nehme ich gewisse Punkte sehr ernst. Dein Herr
täuscht sich, wenn er glaubt, er brauche mich nur losgekauft zu haben und
daß ich ihm damit dann ganz gehöre. Da müßte er schon mit anderen Dingen
kommen. Geld ist nicht alles. Und wenn ich seine Liebe erwidern soll, wie er
sie wünscht, muß er mir erst seine Treue schenken. Ich brauche ein Pfand
und gewisse feierliche Bräuche, die dabei unumgänglich sind.
Genauso denkt er auch. Und ich wäre nicht der Mann sich mit dieser Sache
abzugeben, wenn er anders dächte.
Wenn Du es sagst, will ich es glauben. Doch sehe ich von der Seite des
Vaters gewisse Hindernisse.
Die werden wir beseitigen.
Ihr Schicksal ist dem meinen ähnlich. Wie schön daß uns Freundschaft jetzt
verbindet. Wir teilen gleiches Mißgeschick und gleiche Sorgen.
Ihr habt wenigstens den Vorteil daß Ihr wißt wer Eure Eltern sind. Mir geht
es nicht so gut. Keiner nimmt sich meiner an und ich weiß nicht, wie ich auf
den Willen eines Vaters einwirken kann, dem Reichtum alles auf der Welt
bedeutet.
Dafür habt Ihr den Vorteil daß man Euren Geliebten nicht zur Hochzeit mit
einer anderen zwingen will.
Ach, Wankelmut bei dem Geliebten wäre mir die geringste Sorge. Die Natur
hat uns so reich beschenkt, ihn immer wieder zu erobern und zu fesseln.
Aber was mir unerträglich scheint ist die väterliche Gewalt, gegen die all
unsere Vorzüge nichts ausrichten können.
Ach, warum muß der zärtlichsten Neigung soviel Widerstand begegnen! Wie
süß ist die Liebe wenn sie fessellos dem Zuge des Herzens folgen darf...
Scapin:
Zerbinette:
Scapin:
Sylvestre:
Scapin:
Sylvestre:
Scapin:
Sylvestre:
Scapin:
Sylvestre:
Scapin:
Zerbinette:
Scapin:
= 27 =
Ach geht! Ruhe in der Liebe ist wie Windstille. Ist gefüllt mit Langeweile.
Das Leben muß Höhen und Tiefen haben und die Schwierigkeiten, die sich
überall einschieben, fachen das Feuer an und erhöhen die Freuden.
Ach, bitte, Scapin, erzähl und nochmal wie Du es angefangen hast dem alten
Geizhals das Geld abzulocken. Du weißt wieviel Freude ich an solchen Dingen
habe.
Da ist Sylvestre. Er kann es ebenso gut wie ich erzählen. Er war ja dabei.
Mir geht jetzt eine kleine Rache im Kopf herum die mir Spaß machen soll.
Warum willst Du dir, aus bloßem Übermut, das aufladen?
Was kann ich tun? Die Sache reizt mich!
Wenn Du meinem Rat folgst...
Ich folge aber meinem.
Was, zum Teufel, kann Dir daran Spaß machen?
Und was, zum Teufel, treibt Dich mich daran zu hindern?
Weil ich Dir eine Tracht Prügel ersparen möchte.
Die geht auf meinen Rücken, nicht auf Deinen.. Gefahren haben mich nie
abschrecken können. Wer nicht wagt, kann nicht gewinnen. Geht jetzt. Ich
komme bald nach.
(im Abgehen mit den anderen) Wir werden Dich noch nötig haben, Scapin!
(alle ab)
Man soll mir nicht ungestraft sagen ich hätte Geheimnisse ausgeplaudert,
die besser verborgen geblieben wären.
Zweite Szene
Scapin, Geronte
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Nun, Scapin, was ist mit meinem Sohn?
Er ist in Sicherheit, Herr. Aber Ihr schwebt jetzt in der allergrößten
Gefahr und ich wäre ruhiger, wenn Ihr jetzt bei Euch zu Hause wäret.
Aber warum denn?
Der Bruder des Mädchens das Octave geheiratet hat! Er glaubt, daß Ihr nur
die Absicht habt Eure Tochter an die Stelle seiner Schwester zu setzen.
Nur das sei der Grund diese Ehe zu lösen. Nun tobt er und hat fest
beschlossen seine Wut an Euch auszulassen und Euch zu töten...
Töten?...
...Um seine Ehre zu retten. Alle seine Freunde sind unterwegs um Euch zu
finden. Durchweg Haudegen und Raufbolde. Ich selber habe schon Leute aus
seiner Kompanie gesehen, die sich bei jedermann nach Euch erkundigten. In
Rotten haben sie Euer Haus besetzt. Ihr könnt keinen Schritt weder nach
rechts noch nach links tun ohne in ihre Hände zu fallen.
(zitternd) Lieber Scapin, was soll ich jetzt tun?
Bei Gott, ich weiß es nicht! Ich zittere für Euch an allen Gliedern und...
Moment... Da... da... da...
Was ist?...
Ich dachte nur... nein, es war nichts.
Weißt Du denn kein Mittel mich aus dieser Not zu befreien?
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
= 28 =
Ich habe schon an eines gedacht, aber ich riskiere den Hals dabei.
Zeig Dich jetzt als treuer Diener! Verlaß mich nicht!! Bitte!!!
Wenn ich auch wollte, ich brächte es nicht fertig, Euch jetzt zu verlassen...
Du sollst dafür auch belohnt werden! Für`s erste schenke ich Dir diesen
Rock hier, wenn ich ihn noch eine Weile getragen habe.
Halt! Da fällt mir ein, was Euch retten könnte. Ihr kriecht da in diesen Sack
und dann...
(in Panik) Da! Da ist jemand!!
Nein, nein, niemand. Da mußt Ihr hineinkriechen und Euch mäuschenstill
verhalten. Ich bringe Euch dann wie ein Wäschebündel auf dem Rücken
mitten durch die Feinde bis in Euer Haus. Und sind wir erst mal drin, dann
können wir uns verbarikadieren bis Hilfe kommt.
Ein guter Einfall. (kriecht in den Sack)
Das denk ich auch. Wartet nur ab. (à pas) Du sollst mir Dein Geschwätz noch
bezahlen, Kerl.
(streckt den Kopf aus dem Sack) Was sagst Du da?
Wir wollen Eure Feinde schön hinters Licht führen. So, nun kriecht tief
hinein, so tief, daß man Euch nicht sieht. Und vor allem rührt Euch nicht, was
auch geschehen mag.
(streckt wieder den Kopf aus dem Sack) Verlaß Dich nur auf mich. Ich gebe
keinen Muks. (verschwindet endgültig im Sack)
Jetzt still! Da kommt schon so ein Kerl. Himmel! Schrecklich, wie der
aussieht! (mit verstellter Stimme) Geronte! Geronte!! Wo steckt denn
dieser Saukerl? Wenn ich ihn finde, wird ich ihn auf der Stelle
aufschlitzen! (zu Geronte im Sack, mit „seiner“ Stimme) Rührt Euch nicht!
Keinen Laut! (verstellter Stimme) Ich werde ihn schon packen diesen Hund!
Und wenn er sich in die Erde verkrochen hat! He! Du da! (immer
abwechselnd „seine Stimme“ und die „verstellte Stimme) Zeigt Euch nicht!
Wo steckt er denn, dieser Schubiak? Zeig Dich! Ihr sucht den Herrn
Geronte? Ja, beim Teufel! Ja! Und warum, mein Herr? (brüllt und der Sack
bewegt sich) Weshalb??? Ja, weshalb? Ich will ihn mit dem Knüppel hier
zu Tode prügeln! He, hola, Leute wie meinen Herrn prügelt man nicht so
einfach! Er ist ein Ehrenmann! Was? Dieser Medchenjäger, dieser
Dreckskerl, dieser Schurke? (lacht dröhnend) Er ist weder ein Dreckskerl
noch ein Schurke! Ihr solltet mit mehr Anstand von ihm sprechen! Halt Dein
schiefes Maul, Du Schwachkopf! Ich lasse es nicht zu, daß mein Freund hier
so grausam beschimpft wird! Was? Du bist sein Freund? Ja, das bin ich!
Wunderbar! Da hast Du was für Deine Freundschaft! (schlägt auf den Sack
und schreit, als ob er selbst getroffen sein würde) Au! Au!! Au!!! Hört auf!
Genug! Au! Au!! Er bringt mich um!... So, bring ihm das mit schönen Grüßen
von mir! Der Teufel soll diesen Burschen holen...
(schaut zaghaft aus dem Sack) Ach, Scapin, ich kann nicht mehr...
Und ich, gnädiger Herr, bin wie gerädert... Mein armer Rücken...
Was jammerst Du denn? Er hat doch mich geschlagen...
Ja, und mich getroffen. Grün und blau bin ich...
Aber ich habe die Schläge doch gespürt! Und spüre sie noch immer...
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
= 29 =
Ihr habt nur das Ende des Stockes abbekommen. Getroffen hat er mich.
Dann hättest Du wenigstens ein bißchen weiter weg treten können und mir
die Schläge ersparen...
Achtung, da kommt wieder einer! Oh je, der sieht aus wie der leibhaftige
Satan! (schiebt Geronte wieder rein in den Sack und das Spiel geht wieder
los) Überall bin ich herumgesucht. Kein Menschenkerl zu finden! Hört ihr?
Um Himmelswillen! Rührt Euch nicht! Und keinen Muks! He! Du! Ja, Du! Guck
nicht so blöd aus Dein gesicht! Du wissen Wo Scheronk steckt,
bittscheen! Geronte? Weiß ich nicht, kenn ich nicht!... Ich ihm nix tun, er
nix braucht zu firchten. Nu a klein Bißl Priegel. Und zwei drei Mal
stechen in Bauch. (brüllt vor Lachen) Aber ich versichere Euch, mein Herr,
ich weiß nicht wo er ist!... Ach, Sack sein lebendig. Was sein in Sack? Eine
Schweine? Nein, nein! Durchaus nicht! Ich will stechen von alle Seiten!
Halt, halt! Nicht stechen! Dann Du zeigen was sein drin! Ich sehen willen!
Es sind nur Kleider, die mir gehören. Du Liegner passen auf! Ich Dir
schneid ab Zunge! Ich schwöre!!! Ausschitteln, Du Hund Du! Ihr habt nicht
nachzusehen, was da drin ist! Daß Dich die Pest! Ausschitteln! Nein, es geht
um meine Ehre! Scheen. Dann ich Dich werden priegeln. Hahaha! Prügeln?
Ich lach mich schief! Au! Au! Au! Au! Hör doch auf!... Au! Au! Aufhören! Das
tut doch weh! Jetzt meechtest Du haben genug, Du Schubiak! Ich werde
schon finden wo sich der Scheronk verstecken. Und wenn sein in sieben
Himmel! (Brüllt) Scheronk! (geht rasch ab) Scheronk! (Taucht rasch wieder
auf)
(steckt noch zaghafter den Kopf aus dem Sack) Aaaach, ich kann nicht mehr,
Scapin!
Ich glaub, ich brauche einen Arzt...
Warum schlagen sie nur alle so auf meinen Buckel herum?
Still! Ich glaub, da kommt ein halbes Dutzend angeschlichen. (steckt ihn
wieder tief rein in den Sack und beginnt das Spiel noch heftiger, mit
verschiedenen Stimmen oder Akzenten) Vorwärts, folgt mir! – Der Kerl
muß doch zu finne sei! – Schont Eure Beine nicht! – Wir müssen überall
suchen! – Wohin gehen wir jetzt? - Nach rechts! – Nein, nach links! –
Nein, hier lang! (zu Geronte) Haltet Euch um Gottes Willen gut versteckt! –
He, da ist sein Diener! – Spitzbube Du, wo steckt Dein Herr? – Oh, meine
Herren, laßt mich ganz ruhig meines Weges gehen! – Sag uns sofort, wo er
steckt! – Schnell, halt uns nicht auf! – Nur langsam, meine Herren!
(Geronte kommt sehr langsam aus dem Sack und schaut der weiteren Szene
zu) Wenn Du uns nicht gleich sagst wo der Geronte ist, der Schuft, der
Geronte:
Mädchenhändler, dann wird ein Hagelwetter von Stockschlägen auf Dich
niederregnen! – Lieber will ich alles ertragen, als meinem Herren untreu
werden! – Gut, Du willst also geprügelt werden. (Scapin dreht sich um und
will losprügeln; sieht Geronte, erstarrt und läuft dann davon) Ohje! Da!
Ohje!... (ab)
Dieser Halunke!... Dieser Verbrecher!... Wollte mich umbringen... Aber das
soll er mich bezahlen! Das schwör ich! (kurz ab)
= 29 =
Dritte Szene
Geronte, Zerbinette
Zerbinette:
Geronte:
Zerbinette:
Geronte:
Zerbinette:
Geronte:
Zerbinette:
Geronte:
Zerbinette:
Geronte:
Zerbinette:
Geronte:
Zerbinette:
(lachend, atemlos) Ich kann nicht mehr! Ich muß ein bißchen Luft schnappen!
Was ist der Alte doch für ein Narr! Läßt sich so auf den Arm nehmen und
verspotten!... (lacht sich kaputt)
Da gibt es nichts zu lachen! Die Geschichte ist überhaupt nicht lustig!
Was meint ihr, mein Herr?
Ich meine, daß man sich nicht über mich lustig machen soll?
Über Euch?
Ja, über mich!
Wer macht sich denn über Euch lustig?
Warum lacht Ihr mir dann ins Gesicht?
Ich lache nicht über Euch, sondern über eine Geschickte die ich eben gehört
habe. Es geht um einen Streich den ein Sohn seinem Vater gespielt hat.
(lacht wieder) Einen Spaß, um ihm Geld aus der Tasche zu locken... (lacht
weiter)
Ein Sohn seinem Vater?
Ja! Eine tolle Geschichte! Ihr müßt sie hören! Sie ist wirklich saukomisch und
sie wird auch nicht lange geheim bleiben. Also hört zu. Mein Schicksal hat es
so gewollt, daß ich unter Zigeuner lebte, also unter Leuten die von Provinz zu
Provinz ziehen und sich mit vagabundieren, wahrsagen und ähnlichen Dingen
beschäftigen. Und als wir vor Wochen in diese Stadt kamen, sah mich ein
junger Mann und verliebte sich in mich. Und von diesem Augenblick an
verfolgte er mich auf Schritt und Tritt. Er glaubte wohl, wie alle jungen
Männer, er brauchte nur den Mund auftun, ein Wörtchen sagen und alles sei
geregelt. Aber er stieß auf meinen Stolz und merkte, daß ich so schnell nicht
zu gewinnen war. Also ließ er die Leute, die über mich wachten, von seiner
Leidenschaft wissen und sie waren auch nicht abgeneigt mich ihm für eine
gewisse Summe Geld zu überlassen. Das Unglück wollte nun aber daß mein
Liebhaber sich in einer Lage befand in der man Söhne aus guten Häusern
häufig sieht. Er war schlecht bei Kasse. Sein Vater war zwar reich, aber ein
schrecklicher Geizhals. Der ekelhafteste Kerl den man sich denken kann.
Sein Name ist... Vielleicht könnt Ihr mir helfen. Kennt Ihr einen Menschen
von dieser Art hier in der Gegend?
Nein. Aber weiter.
Irgendwas mit ro... ront... nein, Geronte! Ja, so heißt dieser Geldsack. Aber
weiter. Jetzt wird´s nämlich lustig. Die Zigeuner wollten heut nämlich die
Stadt verlassen und ich wäre meinem Anbeter für immer verloren gewesen,
wenn nicht der Diener in seinem Haus dem lieben, lieben Vater das Geld aus
der Tasche geluchst hätte. Den Namen weiß ich nun genau. Er heißt Scapin.
Ein Schatz an Klugheit und List. Ein ganz unvergleichlicher Mensch. Man
sollte ihm ein Denkmal setzen. Hört nur weiter. Ich muß schon wieder lachen.
(lacht) Hört wie er es angestellt hat. Er sucht also diesen Geldsack auf und
erzählt ihm, er wäre mit seinem Sohn im Hafen spazierengegangen. (lacht
wieder) Sie hätten da eine türkische Galeere gesehen und ein junger Türke
= 30 =
Geronte:
hätte sie zu einem köstlichen Frühstück auf das Schiff eingeladen. Doch
während sie speisten wurden die Anker gelichtet und sie befanden sich
schnell auf offener See. Nun hätte der Türke ihn mit einem Boot
zurückgeschickt mit dem Auftrag, dem Vater seines Herren zu sagen, er
würde seinen Sohn nach Algier entführen, wenn er ihm nicht auf der Stelle
fünfhundert Taler schickte. (lacht wieder) Nun sagt, ist das nicht ein toller
Streich?? Stellt Euch die Angst des alten Knausers vor, den Kampf zwischen
der väterliche Liebe und den fünfhundert Taler, die ihn wie Messerstiche in
seinem Leib schmerzten... Er erfindet lächerliche Ausflüchte, will die Justiz
auf´s offene Meer hinterherschicken. Er bittet Scapin sich an der Stelle
des Sohnes auszuliefern. Er bietet fünf abgetragene Anzüge an, die keinen
Heller mehr wert waren. Und nach allen Ausreden und stöhnen... Aber Ihr
lacht ja gar nicht über meine Geschichte. Was sagt Ihr dazu?
Ich sage daß der junge Mann ein Galgenvogel, ein Halunke ist, den sein Vater
für diesen bösen Streich den er ihm gespielt hat gehörig bestrafen wird.
Und das diese Zigeunerin eine leichtfertige Person ist, die einen Ehrenmann
frech beleidigt. Aber er wird ihr schon beibringen was es heißt, Söhne aus
achtbaren Familien zu verführen. Und daß der Diener ein Schuft ist, den
Geronte noch heute an den Galgen bringen wird! (rasch ab)
Vierte Szene
Zerbinette, Sylvestre, dann Argante
Sylvestre:
Zerbinette:
Sylvestre:
Zerbinette:
Sylvestre:
Zerbinette:
Sylvestre:
Argante:
Sylvestre:
Argante:
Sylvestre:
Argante:
Um Himmelswillen! Ihr seid uns so rasch entwischt! Wißt Ihr denn nicht, daß
Ihr soeben mit dem Vater Eures Geliebten gesprochen habt?
Es muß wohl so sein. Wie konnte ich auch ahnen... Ich habe ihm die ganze
Geschichte erzählt.
Wie? Seine Geschichte?
Ja. Ich war so hingerissen davon, daß ich darauf brannte, sie
weiterzuerzählen.
Ihr seid sehr schwatzhaft.
Was tut´s? Nun weiß er´s eben. Um so schlimmer für ihn. Er hätte es so und
so erfahren. Uns mag das doch egal sein.
Trotzdem. Man sollte seine Zunge schon im Zaum halten. Vor allem, wenn man
von seinen eigenen Angelegenheiten spricht.
(off) Sylvestre!
Geht jetzt. Mein Herr ruft mich. (Zerbinette ab)
Ihr Schurken seid also alle miteinander verschworen, mich zu betrügen! Und
Ihr glaubt, das wird Euch gelingen?
Für Scapin kann ich nicht bürgen, gnädiger Herr, wenn er Euch einen Streich
spielt. Aber ich wasche meine Hände in Unschuld. Ich habe nichts damit zu
tun!
Das wird sich schon zeigen. Ihr glaubt wohl, Ihr könnt mich zum Narren
halten?
= 31 =
Fünfte Szene
Sylvestre, Argante, Geronte
Geronte:
Argante:
Geronte:
Argante:
Geronte:
Argante:
Geronte:
Sylvestre:
Geronte:
Argante:
Ach, Herr Argante, ich bin ein geschlagener Mann. Man hat mir böse
mitgespielt.
Mir geht es nicht anders, Herr Geronte. Auch mich hat fast der Schlag
getroffen.
Dieser Scapin, der Teufel soll ihn holen, hat mir durch Lug und Trug glatt
fünfhundert Taler abgejagt.
Und mich hat dieser Strolch durch einen Gaunerstreich um zweihundert
Pistolen geprellt.
Doch das hat ihm nicht genügt. Er hat mich auf eine Weise behandelt, daß
ich mich schäme es zu erzählen. Aber das soll mir der Bursche bitter büßen!
Ganz recht! Genauso soll er mir entgelten, was er mir angetan hat.
Ich werde exemplarisch an ihm Rache nehmen!
(a pás) Gebe der Himmel daß ich dabei mit heiler Haut davon komme!...
Aber das ist noch nicht alles, Herr Argante. Ein Unglück kommt selten allein.
Ich freute mich schon auf meine Tochter, auf die ich meine ganze Hoffnung
setzte, und soeben erfahre ich daß sie schon lange von Tarent abgereist ist
und wahrscheinlich mit dem Schiff, mit dem sie reiste, verunglückt ist...
Aber warum habt Ihr sie auch in Tarent zurückgelassen und Euch so um die
Freude gebracht, sie um Euch zu haben?
Ich hatte dafür gute Gründe. Familienangelegenheiten zwangen mich bis
jetzt meine zweite Heirat geheimzuhalten... (inzwischen ist Nerine
aufgetaucht) Aber was sehe ich? (geht auf sie zu) Nerine!
Sechste Szene
Die Vorigen, Nerine
Nerine:
Geronte:
Nerine:
Geronte:
Nerine:
Geronte:
Nerine:
Geronte:
Nerine:
Geronte:
Nerine:
Geronte:
Ach, Herr Pandolph...!
Nenne mich Geronte und nicht mehr mit jenem Namen den ich gezwungen
war in Tarent anzunehmen.
Ach, wieviel Sorge hat uns gerade dieser Namenswechsel gebracht, bis wir
Euch endlich hier aufgefunden haben...
Wo ist meine Tochter und ihre Mutter?
Eure Tochter ist hier ganz in der Nähe, gnädiger Herr.
Schnell, hin zu ihr!
Aber ehe Ihr sie trefft, muß ich Euch um Vergebung bitten. In unserer Not
in der wir lebten – wir konnten Euch ja nicht finden – habe ich ihrer Heirat
zugestimmt.
Meine Tochter verheiratet?
Ja, Herr.
Und mit wem?
Mit einem jungen Mann. Er heißt Octave, der Sohn eines gewissen Herrn
Argante.
Oh, Himmel!...
Argante:
Geronte:
Argante:
Sylvestre:
= 32 =
Welcher Zufall!...
Schnell, führe uns schnell zu ihr! (zu Argante) Folgt uns, Herr Argante! (mit
Nerine ab)
Wer hätte das gedacht! (auch ab)
Da sag noch einer, es gäbe keine Wunder!
Siebente Szene
Sylvestre, Scapin
Scapin:
Sylvestre:
Scapin:
Sylvestre:
Scapin:
Sylvestre:
Scapin:
Sylvestre:
Nun, Sylvestre, wie läuft die Sache?
Komm nur, ich habe Neuigkeiten für Dich. Die Geschichte mit Octave hat
sich erledigt. Es hat sich nämlich herausgestellt daß unsere Hyacinthe die
Tochter des Herren Geronte ist.
Die Tochter des Herrn Geronte??
Ja. Der Zufall hat erfüllt was in der Weisheit der Väter beschlossen war.
Und die zweite Neuigkeit. Die beiden Alten haben sich in fürchterlichen
Drohungen gegen Dich Luft gemacht. Besonders der Herr Geronte.
Na und? Drohungen haben mir noch nie weh getan. Es sind Wolken die über
unseren Köpfen dahinziehen.
Ich will Dich nur warnen. Wenn sich am Ende Väter und Söhne in den Armen
lägen, säßest Du ganz schön in der Patsche.
Laß mich nur machen. Ich finde schon Mittel ihren Zorn zu dämpfen.
Da kommen sie. Mach Dich aus dem Staube. (Scapin ab)
Achte Szene
Sylvestre, Geronte, Argante, Hyacinthe, Zerbinette, Nerine, dann
Octave
Geronte:
Argante:
Octave:
Argante:
Octave:
Argante:
Octave:
Geronte:
Octave:
Geronte:
Octave:
Argante:
Octave:
Komm, mein Töchterchen, komm zu mir! Meine Freude wäre noch größer wen
ich Deine Mutter bei dir sehen könnte...
Da kommt Octave ja wie gerufen. (zu Octave, der auftritt) Komm, mein
Sohn. Komm, freue Dich mit mir über Deine glückliche Heirat. Der Himmel...
Nein, mein Vater. Eure Heiratspläne sind jetzt nicht mehr möglich. Ich kann
mein Einverständnis Euch zu liebe einfach nicht heucheln. Man hat Euch
sicherlich schon wissen lassen daß ich mich schon gebunden habe.
Ja, ja, doch weißt Du nicht...
Ich weiß alles was ich wissen muß.
Die Tochter des Herrn Geronte...
Die Tochter des Herrn Geronte wird mir nie etwas bedeuten.
Sie ist ja...
Nein, Herr, verzeiht, aber mein Entschluß steht fest.
So höre doch zu!...
Nein, schweigt! Ich höre nichts!
(beendet den Satz den Geronte begann) Deine Frau!
Nein, sag ich Euch! Ich sterbe eher als meine geliebte Hyacinteh zu
verlassen! Ja, Ihr könnt machen was Ihr wollt, aber dieser hier habe ich
= 33 =
Argante:
Hyacinthe:
Geronte:
Hyacinthe:
Geronte:
Zerbinette:
Geronte:
Hyacinthe:
Geronte:
mein Herz versprochen. Ich werde sie immer lieben und ich will keine andere
zur Frau!
Du sollst sie ja auch haben! Ja, bist Du denn ganz verbohrt?
Ja, Octave! Dies ist mein Vater den ich wiedergefunden habe. Wir sind jetzt
aus aller Not!
Kommt zu mir in mein Haus. Da können wir in Ruhe über alles sprechen.
Ach, Vater! Trennt mich nicht von meiner lieben Freundin. Ihr werdet sie
genauso lieben wie ich, wenn Ihr sie kennen lernt.
Wie? Ich soll diese Person bei mir aufnehmen, die dein Bruder Leandre liebt
und die mir vorhin soviel Frechheiten gesagt hat...?
Ich bitte, seid so gut, mein Herr, mich zu entschuldigen. Ich wußte doch
nicht, wer Ihr seid. Ich kannte Euch wirklich nur vom Hörensagen.
Vom Hörensagen?...
Vater, die Liebe von Leandre zu ihr hat doch nichts Sträfliches. Und für
ihre Tugend stehe ich ein.
Nun, das wäre nicht übel! Am Ende soll ich noch meinen Sohn mit ihr
verheiraten, mit einem wildfremden Mädchen, einer Landstreicherin...
Neunte Szene
Die Vorigen, Leandre
Leandre:
Argante:
Hyacinthe:
Beklagt Euch nicht, mein Vater, daß ich eine Unbekannte liebe, von dunkler
Herkunft und ohne Vermögen. Die Leute von denen ich sie freigekauft habe
entdeckten mir soeben, sie sei aus dieser Stadt. Sie haben sie als
vierjähriges Kind geraubt. Und dieses Armband, das sie mir gegeben haben,
kann uns vielleicht gar Aufschluß geben über ihre Herkunft.
Dies Armband... Zeigt es mir... Gebt her... Bei Gott, welch wunderbare
Fügung! Ja, es ist das Armband das der Goldschmied mir damals für sie
angefertigt hat! Daran erkenne ich, es ist meine Tochter, die ich genau in
jenem vierten Jahr verlor!... Ja, sie ist es? Jeder ihrer Züge sagt es mir!
Mein liebes Kind!...
Beim Himmel, welch ein Wunder!
Zehnte Szene
Die Vorigen, Sylvestre, dann Scapin
Sylvestre:
Geronte:
Sylvestre:
Geronte:
Sylvestre:
Scapin:
Ach, meine Herren, ich bringe eine schlechte Nachricht!
Was ist geschehen?
Der arme Scapin...
...ist ein gauner, den ich hängen lasse.
Die Mühe könnt Ihr Euch sparen. Als er an einem Neubau vorbeiging, ist ihm
der Hammer eines Maurers auf den Kopf gefallen und hat ihm den Schädel
halb zerschlagen. Er ist nur schwach verbunden und hat sich mühsam hierher
geschlagen. (Scapin stöhnt im OFF) Da ist er.
(schwankt herein, den Kopf verbunden) Ach... ach... liebe Herren... Ach, Ihr
seht mich in einem schlimmen Zustand. Aber ich wollte nicht sterben ohne
vorher alle die um Verzeihung zu bitten, die ich vielleicht gekränkt habe. Ja,
= 34 =
Argante:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Scapin:
Geronte:
Argante:
Geronte:
Argante:
Scapin:
liebe Herren, ehe ich aus der Welt gehe, beschwör ich Euch mit ganzem
Herzen mir alles zu vergeben, was ich Euch angetan habe. Und ganz
besonders Herrn Argante und Herrn Geronte... Aaaaa...
Ich vergebe Dir. Geh hin in Frieden.
(zu Geronte) Aber Euch, gnädiger Herr, Euch habe ich am schlimmsten
mitgespielt durch die Schläge...
Sprich nicht mehr davon. Ich verzeihe Dir.
Jaja, es war doch eine große Frechheit, Euch mit dem Stock...
Laß gut sein!...
Noch sterbend finde ich große Reue, daß ich Euch mit dem Stock...
Mein Gott, schweig doch!...
Nein, diese Stockschläge, die ich Euch...
Schweig doch, sag ich Dir! Es ist alles vergessen!
Ach, welche Güte! Vergebt Ihr mir auch von Herzen die Stockschläge, die
ich Euch...?
Ja doch! Sprich nicht mehr davon! Es ist alles vergeben und vergessen!
Ach, Herr, ich fühle mich erleichtert durch diese Worte.
Ja. Aber ich verzeihe Dir nur unter der Bedingung daß Du stirbst!
Wie, gnädiger Herr?
Wenn Du nicht stirbst, nehme ich mein Wort zurück.
Ach, da wird ich schon wieder ohnmächtig.
Herr Geronte, um unserer Freude willen, müßt Ihr ihm ohne Bedingungen
vergeben!
Meinetwegen...
Und jetzt wollen wir zu Abend essen, um unser Glück von Herzen zu
genießen.
Mich tragt ans Ende Eurer Tafel. Da will ich meinen Tod erwarten.
VORHANG