Ausgabe Nr. 2-2016

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Ausgabe Nr. 2-2016
Ausgabe No 2, Juli 2016
Liebe Leserin, lieber Leser,
die GOÄ-Novelle und das Gesetz zur Bekämpfung der
Korruption im Gesundheitswesen haben Ärzteschaft und
Funktionäre in der letzten Zeit in Atem gehalten.
VISION update bringt Sie in der Juli-Ausgabe auf den
neuesten Stand. Neben Schwerpunktbeiträgen zum
Thema MSK-Diagnostik und zur Nutzung von Artefakten
bei der Bildgebung der Gallenwege befasst sich das
Interview mit den anstehenden Veränderungen der
Versorgungslandschaft in Deutschland.
Kommen Sie gut durch den Sommer.
Ihre bender gruppe
Inhalt
POLITIK
POLITIK
GOÄ-NOVELLE:
QUALITÄT VOR ZEIT
KORRUPTION IM GESUNDHEITSWESEN STEHT NUN IM
STRAFGESETZBUCH
S.3
S.2
ZUSAMMENARBEIT
ZUSAMMENARBEIT
OHNE DIALOG SCHWEBT
DIE RADIOLOGIE IM
UNGEWISSEN
PATIENTEN WIEDER AUF
DIE FÜßE BRINGEN
S.4
S.5
KONTRASTMITTEL
BIG DATA
PARADOX: MANCHMAL
NÜTZEN ARTEFAKTE
BILDGEBENDE DIAGNOSTIK:
„AUTOMATISIERUNG IST DER
SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG
S.6
S.8
INTERVIEW
Terminhinweis
HAT DER KV-SITZ EINE
ZUKUNFT?
10. Petersberger Symposium
Radiologie meets Orthopädie und Unfallchirurgie
MSK Update 2016
23. und 24. September 2016, Gemeinschaftspraxis Bad Honnef
S.9
Impressum
Herausgeber
Dr. Timo Bender
b.e.imaging gmbh
Dr.-Rudolf-Eberle-Str. 8-10
76534, Baden-Baden
Redaktion
European Hospital Verlags GmbH, Essen
www.healthcare-in-europe.com
Layout
Erik Dreifke, Grafikdesign, Köln
Hinweis Der Inhalt des
Informationsservices ist
nach bestem Wissen und
Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und
der ständige Wandel in der
in ihm behandelten Rechtsmaterie machen es jedoch
notwendig, Haftung und
Gewähr auszuschließen.
VISIONupdate® gibt nicht in
jedem Fall die Meinung der
b.e.imaging gmbh wieder.
ISSN 2199-7039
POLITIK
GOÄ-Novelle: Qualität vor Zeit
© shutterstock.com/LisaS.
„Qualität vor Zeit“ lautet die Losung, die der neue Vorsitzende des Gebührenordnungsausschusses, Dr. Klaus Reinhardt,
ausgibt – und das bedeutet vor allem, dass sich alle Beteiligten in Geduld werden üben müssen: Denn in diesem Jahr ist
keinesfalls mehr mit einer Anpassung der Gebührenordnung für
Ärzte (GOÄ) zu rechnen. Als eine seiner ersten Taten im Amt hat
Reinhardt einen „Fahrplan“ aufgestellt, nach dem die Abstimmungsprozesse vorangetrieben werden sollen.
N
ach dem Rücktritt von Dr. Theodor Windhorst steht
nun der Bielefelder Allgemeinmediziner Reinhardt an
der Spitze des GOÄ-Ausschusses. Windhorst war nach
der Ablehnung des ersten Entwurfes der GOÄ-Novelle durch
die BÄK zurückgetreten. Ob Reinhardt, der auch Mitglied des
Vorstandes der BÄK, Vize-Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe und Vorsitzender des Hartmannbundes ist, die
Verhandlungen in ein ruhigeres Fahrwasser führen kann, bleibt
abzuwarten.
An seiner Seite steht der Präsident der Bundesärztekammer,
Prof. Frank Ulrich Montgomery, der die GOÄ-Novelle nach dem
Durchfallen des ersten Entwurfs zur „Chefsache“ erklärt hatte und als Verhandlungsführer die Geschicke nun selbst in die
Hand nehmen will. Montgomery war auf dem Ärztetag Ende
Mai unter Beschuss geraten: Seine Kritiker waren nur knapp mit
einem Antrag auf Amtsenthebung gescheitert. „Wir sind in einer
grundsätzlichen Vertrauenskrise“, musste der BÄK-Präsident einräumen. Schlussendlich wurde der Leitantrag des Vorstands mit
einigen Änderungen angenommen. Mehrere Anträge, die eine
„gemeinsame Kommission“ (GeKo) ausschließen wollten, wurden
abgelehnt.
An der GeKo hatte sich immer wieder Streit entzündet. Diese
Kommission aus Vertretern des PKV-Verbandes, der Beihilfe und
der Ärzte soll zur zentralen Institution zur Pflege und Weiterentwicklung der GOÄ werden, was Kritiker als alleinige Aufgabe
der ärztlichen Selbstverwaltung sehen. „Die GeKo ist kein Horrorszenario, sondern ein Fortschritt“, betonte Reinhardt auf dem
Ärztetag und machte deutlich, dass er ein Vorankommen in den
Verhandlungen nur bei einer Akzeptanz der gemeinschaftlichen
Institution sieht.
Dass Handlungsbedarf besteht, machte der Ombudsmann der
PKV, Heinz Lanfermann, in seinem kürzlich erschienen Bericht
deutlich. Trotz einem generellen Rückgang der Beschwerden
ist die Anzahl der Auseinandersetzungen um die GOÄ eher
steigend. „Die Versicherten geraten zwischen diese Fronten und
sind bisweilen nicht in der Lage, die oftmals komplizierten Regelungen einzuschätzen und zu bewerten“, schreibt Lanfermann.
,Eine Zusammenfassung der Entwicklung der
Verhandlungen samt Ausblick ist zu finden unter:
http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/119.DAET/119DaetTop1GoaeneuReinhard03.pdf
Abbildung 1: Der neue Zeitplan für die GOÄ-Novelle stellt Qualität vor Zeit. (Aus dem Tätigkeitsbericht Sachstand GOÄneu des 119.
Deutschen Ärztetags der Bundesärztekammer vom 24. Mai 2016.)
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POLITIK
Korruption im Gesundheitswesen
steht nun im Strafgesetzbuch
Bereits für den Jahresbeginn geplant, ist es nun endlich so weit: Seit dem 4. Juni dieses Jahres ist das
sogenannte Antikorruptionsgesetz rechtsgültig, nachdem der Deutsche Bundestag das Gesetz am 14. April
in zweiter und dritter Lesung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gebilligt und es am 13. Mai den
Bundesrat passiert hat.
D
Die gute Nachricht ist: Generell gilt, was heute schon zulässig
ist, bleibt zulässig. Alles, was heute verboten ist, bleibt verboten. Allerdings drohen andere strafrechtliche Konsequenzen. Deshalb ist die Frage der Trennschärfe von erheblicher
Bedeutung, die mancherorts für Verunsicherung sorgt: Was
ist erlaubt und wann beginnt die Strafbarkeit? Grundsätzlich
gilt, dass heilberufliche Verordnungs-, Abgabe- und Zuführungsentscheidungen ausschließlich im Interesse des Patienten
getroffen werden dürfen. Besonderes Augenmerk liegt folglich
auf den Schnittstellen zwischen den einzelnen Versorgungsstationen.
Kooperation – ja oder nein?
Das Gesundheitswesen ist durch vielfältige und gesundheitspolitisch erwünschte Kooperationsformen zwischen Leistungserbringern geprägt (zum Beispiel die integrierte Versorgung
gemäß §§ 140a–d SGB V), die natürlich auch vergütet werden
dürfen. Der weit ausgelegte Vorteilsbegriff könnte jedoch dazu
führen, dass viele Kooperationsformen zwischen Leistungserbringern Gefahr laufen, wegen einer Zuführung von Patienten
strafrechtlich verfolgt zu werden. Darunter versteht man jede
Einwirkung auf den Patienten mit der Absicht, dessen Auswahl
eines Arztes oder eines anderen Leistungserbringers zu beeinflussen.
Vorsicht ist also bereits dann geboten, wenn ein Praxisinhaber beispielsweise Visitenkarten eines Physiotherapeuten an
der Theke auslegt. Das Auslegen ist als Empfehlung zu sehen
und diese darf grundsätzlich nicht erteilt werden. Ausnahmen
bestehen etwa, wenn die Empfehlung auf Bitte des Patienten
erfolgt oder ein hinreichender Grund (schlechte Erfahrungen mit allen anderen in Betracht kommenden Konkurrenten,
Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte wie ein niedriger Preis, die
Vermeidung unnötig langer Wege für Gehbehinderte oder
Gebrechliche etc.) besteht. Eine zulässige Empfehlung ist der
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urch den neuen § 299a StGB sollen strafrechtliche Lücken bei der Bekämpfung von korruptiven Praktiken im
Gesundheitswesen geschlossen werden. Denn erstmals
wird der Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung
im Gesundheitswesen für alle Heilberufe im Strafgesetzbuch
verankert. Entsprechende Delikte können künftig mit einer
Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren
geahndet werden. In besonders schweren Fällen drohen bis zu
fünf Jahre Haft. Bemerkenswert ist, dass potenzielle Straftatbestände künftig als Offizialdelikte gelten, sodass kein Strafantrag mehr für ein Tätigwerden der Ermittlungsbehörden
notwendig ist.
Hinweis auf alle in Betracht kommenden Anbieter.
Auch Kliniken müssen aufpassen, wenn etwa in Rahmenvereinbarungen für sogenannte vor- beziehungsweise nachstationäre
Auftragsleistungen niedergelassenen Ärzten Komplexgebühren zugesichert werden, obwohl es sich bei diesen Leistungen
um solche handelt, die der Vertragsarzt ohnehin im Rahmen
seiner vertragsärztlichen Tätigkeit erbringen müsste (und von
der KV vergütet bekäme). Eine solche tatsächliche Zuweiservergütung ist künftig strafbar.
Es empfiehlt sich also, das Transparenz-, Äquivalenz-, Trennungs- und Dokumentationsprinzip zu beachten. Das Transparenzprinzip legt nahe, die Kooperation bei der Ärztekammer
anzuzeigen und ihr den Vertrag vorzulegen. Zudem sollten
die Finanzflüsse transparent sein. Mit Äquivalenzprinzip ist die
Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung gemeint.
Aufgrund des Trennungsprinzips sollte eine strikte Trennung
zwischen ärztlicher Entscheidung, Leistung und Zuwendung
erfolgen. Letztendlich sollte das Dokumentationsprinzip eingehalten werden, wonach die Kooperation schriftlich zu dokumentieren ist.
Darüber hinaus lauern Fallstricke etwa bei der unentgeltlichen
Bereitstellung von Medizinprodukten, Anwenderstudien oder
dem Fortbildungssponsoring. Eine gute Zusammenfassung mit
Fallbeispielen bietet die Broschüre „Richtig kooperieren“ der
KBV, die online zur Verfügung steht:
,
www.kbv.de/media/sp/Broschuere_Kooperation.pdf
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ZUSAMMENARBEIT
Interdisziplinäre Zusammenarbeit beim Sprunggelenk
Ohne Dialog schwebt die Radiologie im Ungewissen
Die Sprunggelenksdiagnostik ist selbst für erfahrene Radiologen eine Herausforderung. Eine sehr genaue
Kenntnis der anatomischen Voraussetzungen, der kollegiale Austausch und moderne bildgebende Verfahren
wie die Kernspintomographie sind für Prof. Dr. Marco Zanetti die Zutaten für eine gute Diagnostik.
Abbildung 1: Die koronale, T2-gewichtete MR-Aufnahme zeigt die frische
Abbildung 2: Die intermediäre, gewichtete, fettsaturierte schräge MR-Auf-
posttraumatische Ruptur des Ligamentums deltoideum mit Befall der ober-
nahme zeigt die Partialruptur der Tibialis-posterior-Sehne (Pfeil) mit Teno-
flächlichen Schicht (Ligamentum tibiospring, offener Pfeil) und der tiefen
synovitis und die anliegende Springligamentläsion (ovaler Kreis) bei einer
Schicht (Ligamentum tibiotalare posterius, solider Pfeil).
47-jährigen Frau mit akquiriertem Senkfuss.
„Die Kernspintomographie ist in der Orthopädie die Methode der
Wahl, weil sie Aussagen über das Zusammenspiel von Sehnen,
Muskeln, Knorpeln und Knochen zulässt“, hatte Prof. Marco
Zanetti bereits 2015 in seinem Vortrag „One-Stop-Shop bei der
Schulterbildgebung“ beim MRT-Symposium in Garmisch-Partenkirchen erklärt.
robuste Untersuchung für chronische Schmerzen wie Arthrose
und andere belastungsbedingte Schäden. Zwar sind Arthrosen,
zumindest die einfachen, beispielsweise im OSG auch im Röntgenbild zu sehen, das UGS ist jedoch durch starke Überlagerungen nicht frei einsehbar. Die MRT bietet hier mit ihren Schnittbildern eine sehr gute Methode, um sich innerhalb der überlagerten
Bereiche zu orientieren.
Auf dem 10. Petersberger Symposium vom 23. bis 24. September in Bonn wird der Spezialist über schwierige Befunde in der
MRT-Banddiagnostik am oberen Sprunggelenk (OSG) und am
unteren Sprunggelenk (USG) sprechen. Im Vorfeld der Tagung
sprach VisionUpdate mit ihm.
Können Sie dieses Loblied auf die MRT auch bei der Sprunggelenksdiagnostik singen?
Ja, dank MRT können wir Weichteile, Bänder und zum Beispiel
Veränderungen bei den subchondralen Knochen erkennen. So
sind gerade beim Fuß belastungsbedingte Mikrofrakturen besonders gut zu sehen, die mit dem Ultraschall und anderen Methoden nicht zu erkennen sind. Die MRT eignet sich deshalb als
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Was sind schwierige Befunde?
Je nach Art und Lage ist eine Läsion unterschiedlich schwer
zu diagnostizieren. Frische Verletzungen im oberen und unteren
Sprunggelenk sind leicht zu beurteilen, weil Ligamente wie das
Ligamentum fibulotalare anterius rechtwinklig zur Längsachse des Körpers verlaufen und damit in der MRT-Schicht gut zu
erkennen sind.
Schwieriger ist, die obere Verbindung zwischen der Tibia und der
Fibula, die sogenannte Syndesmose, die schräg in den Ebenen
verläuft, zu sehen, weil das Anschnittprobleme mit sich bringt.
Doch die eigentliche Herausforderung ist der gesamte mediale
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Bandapparat, der zu den Ligamenten des USG übergeht. Dort
finden wir das sogenannte Springligament, eine relativ komplexe
Struktur zwischen Calcaneus und Os naviculare. Hier muss die
Bildgebung eine sehr spezifische Darstellung der Anatomie liefern.
In der täglichen Praxis wird bei chronischen Beschwerden oder
einem Unfall mit Supinationstrauma in der Regel erst einmal
konservativ behandelt, mit einer klassischen Gipsschiene beziehungsweise einer Orthese und ohne verfeinerte Bildgebung. Die
Frakturdaten liefert das Röntgenbild. Kommt der Patient jedoch
mit chronischen Beschwerden wieder, ist die Ursache zu klären.
Was ist neben dem häufig rupturierten Ligamentum fibolotalare
anterius zusätzlich defekt? Ist eventuell das Ligamentum deltoideum, das medial liegt, beteiligt? Oder gibt es Mitbeteiligungen
vom USG bis zum Springligament?
Und was will in diesem Fall der Chirurg von Ihnen wissen?
Der Chirurg möchte eine Beurteilung der Gesamtsituation von
uns haben und in diesem Fall wissen: Ist zusätzlich der mediale
Bandapparat lädiert? Oder liegen okkulte Frakturen vor, besonders in den Talusecken oben, die – sollten sie größeren Ausmaßes sein – angeschraubt werden müssen? Denn hier geht es
um Knochenveränderungen, die für den Chirurgen wichtig sind.
In anderen Worten: Der Orthopäde oder Unfallchirurg möchte
seine Fragen richtig beantwortet haben.
Für den Radiologen bedeutet das, diese komplizierten Bereiche
richtig zu sehen, denn davon hängt ab, ob der Operateur agieren
kann. Klassische Fragestellungen sind die okkulten Frakturen an
den Talusecken oder osteochondrale Läsionen, aber auch Fragen
zum Eingipsen des medialen Bandapparats. Denn es gibt – vor
allem in der Schweiz – auch Orthopäden, die bei chronischen
Schmerzen den medialen Bandapparat völlig neu rekonstruieren
oder osteotomieren, selbst dann, wenn die Geometrie des Fußes
anschließend geändert ist. Dennoch muss der Operateur vorher
präzise wissen, wie der gesamte Bandapparat innen und außen
aussieht.
Das hört sich kompliziert an.
Verglichen mit der Diagnostik des Knies ist das deutlich herausfordernder, sowohl was die Anatomie als auch die Häufigkeit und
die Fragestellungen angeht. Der Fuß ist per se aufgrund seiner
anatomischen Begebenheiten und der spezifischen Fragestellungen der Fußorthopäden auch deshalb schwieriger zu diagnostizieren, weil die Orthopäden sehr spezialisiert sind. So gibt es
Spezialisten, die sich mit sehr spezifischen Fragen über den
akquirierten Plattfuß beschäftigen. Ein Patient um die 50 Jahre –
Frauen häufiger als Männer – entwickelt plötzlich einen Senkfuß.
Dann berührt das Fragestellungen rund um die Sehnen: Häufig
ist die Tibialis-posterior-Sehne rupturiert, das Springligament
oder das Ligamentum deltoideum angegriffen. Für einen Allgemeinradiologen dürften das ziemlich anstrengende Fragestellungen sein. Denn woher soll er wissen, worüber der Fußorthopäde
da überhaupt spricht?
In anderen Worten: Sie haben von Ihren Unfallchirurgen und
Orthopäden jede Menge gelernt?
Ja, in jeder Hinsicht. Gibt es diese Kommunikation zwischen
den Disziplinen nicht, schwebt die Radiologie im Ungewissen.
Seit 2011 ist Prof. Dr. Marco Zanetti Leiter
des Zentrums für Muskuloskelettale Radiologie in Hirslanden, Zürich. Zuvor war er
17 Jahre an der Uniklinik Balgrist in Zürich
tätig – zuletzt als Chefarzt der radiologischen
Abteilung. Zanetti ist Spezialist für die Anwendung der Magnetresonanztomographie
am Bewegungsapparat und habilitierte im Jahr 2000 auch auf
diesem Gebiet. 2015 war er Präsident der European Society of
Musculoskeletal Radiology (ESSR) und aktuell ist er Mitherausgeber und Chefredakteur verschiedener Fachpublikationen.
ZUSAMMENARBEIT
Patienten wieder auf die Füße bringen
Bei OSG-Verletzungen Operation — ja oder nein?
Bandverletzungen im Bereich des oberen Sprunggelenks (OSG)
sind weit verbreitet. Die Therapie hat sich über die vergangenen
Jahrzehnte stark gewandelt. Während man Rupturen früher noch
bevorzugt operierte, weil man glaubte, die Stabilität der Bänder
nur durch Nähte wiederherstellen zu können, weiß man heute,
dass die meisten Bänderschäden von selbst ausheilen, wenn sie
entsprechend geschient werden. Dennoch gibt es Indikationen,
bei denen ein operatives Eingreifen weiterhin notwendig bleibt.
S
olch einen Ausnahmefall bildet die Ruptur der Syndesmose, des Bandes, das Schienbein und Wadenbein miteinander verbindet. Besonders bekannt geworden ist diese
Verletzung durch den Profifußball. Für die deutschen National-
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spieler Michael Ballack und Marco Reus bedeutete der Syndesmoseriss jeweils das Aus für die Fußballweltmeisterschaft 2010
beziehungsweise 2014. „Wenn die Syndesmose reißt, geht die
Knöchelgabel unter Belastung auf, was nicht nur besonders
schmerzhaft ist, sondern auch sehr schnell zu einem Schaden
in Form einer Arthrose führen kann“, erklärt Unfallchirurg Prof.
Dr. Christof Burger, „das ist unbedingt zu vermeiden. Deshalb
wird in diesen Fällen nicht nur genäht, sondern die Knöchelgabel zusätzlich mit Stellschrauben fixiert.“ Alternativ kommt
auch das sogenannte Tight Rope vermehrt zum Einsatz. Dabei
handelt es sich um eine bioresorbierbare Fadenschlaufe, die
an zwei Metallplättchen zwischen Schien- und Wadenbein
gespannt wird.
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Anatomisch
• Periostlappen
• Brostrom
• Plantarissehne
(Hintermann-Pagensteert)
Abbildung 1: OSG - Bandverletzungen
und ligamentäre Instabilitäten
Abbildung 2: Unterschätzte Läsion Syndesmoseruptur (Brooks et.al., BMJ
Abbildung 3: Verfahren
1981 Neumann et al. , AAOS 1994 Eiff et al.,
Am J Sports Med 1994)
Neben Syndesmoserupturen
müssen auch Verletzungen,
die nach einer konservativen
Therapie nicht gut ausheilen,
gegebenenfalls nachträglich
operiert werden. Das komme
ebenfalls überdurchschnittlich
oft bei Leistungssportlern
vor, berichtet Christof Burger:
„Diese Patientengruppe
bringt häufig wenig Geduld
mit und mutet sich zu schnell
Abbildung 4: Konservative, funktionelle Therapie (Zwipp et.al., Int Orthop 1991)
zu viel zu. Dadurch kann es
zu chronischen Instabilitäten
kommen. Dann hilft nur noch
eine Bandplastik, bei der man sich an körpereigenen Sehnen
der Subspezialisierung werden die Behandlungsergebnisse
oder Bändern an anderer Stelle bedient und diese verpflanzt,
immer besser. Sodass wir heutzutage gemeinsam in der Lage
durchschlingt oder durch den Knochen führt, um das Gelenk
sind, fast jeden Patienten – ob nach Sport-, Arbeits- oder Allwieder zu stabilisieren.“
tagsunfällen – wieder auf die Füße zu bringen, und zwar ohne
körperliche Spätfolgen oder Einschränkungen.“
Damit für jeden Patienten die bestmögliche Versorgungsstrategie gefunden werden kann, spielt die bildgebende Diagnostik
eine entscheidende Rolle. Neben dem konventionellen Röntgen
Univ.-Prof. Dr. Christof Burger übernahm
kommen dabei auch moderne Schnittbildverfahren zum Ein2008 die Leitung der Unfall-, Hand- und
satz, die die Expertise des Radiologen immer wichtiger werden
plastisch-rekonstruktiven Chirurgie in der
lassen. „Grundsätzlich sollte natürlich jeder Radiologe, der die
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie
Computertomographie oder Kernspintomographie beherrscht,
der Universitätsklinik Bonn. Zudem steht er
auch in der Lage sein, ein Sprunggelenk zu beurteilen“, meint
an der Spitze des überregionalen Traumader Chirurg, „dennoch gibt es Kollegen, die sich mit diesem
zentrums zur Versorgung von SchwerverSchwerpunkt intensiver beschäftigen als andere und deshalb
letzten an der Bonner Uniklinik und ist Sprecher des Traumaauch die besseren Befunde liefern.“ Vor allem an großen Uninetzwerks „Rettungsring Bonn-Rhein/Sieg“. Seine klinischen
versitätskliniken, die Anlaufstelle für komplexe medizinische
Behandlungsschwerpunkte bilden unter anderem die moderFragestellungen sind, nehmen solche Subspezialisierungen zu
ne Kinderunfallchirurgie, Wirbelsäulen- und Beckenoperatiound sind für Burger durchaus sinnvoll – vor allem zum Wohl
nen, die Spiegelung auch kleiner Gelenke und der künstliche
des Patienten, denn: „Durch die enger werdende Kooperation
Gelenkersatz nach Unfällen.
zwischen Radiologen und Unfallchirurgen in Verbindung mit
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KONTRASTMITTEL
Paradox: manchmal nützen Artefakte
Bei der MRCP hilft ein neuartiges Medizinprodukt, die kleinen
Gallen- und Pankreasgänge darzustellen
W
ährend Entzündungen der Gallenwege wie die
Cholangitis früher nahezu ausschließlich mittels der
endoskopisch retrograden Cholangiopankreatikographie (ERCP) diagnostiziert wurden, ist diese Methode nun
weitestgehend durch die MR-Cholangiopankreatikographie
(MRCP) abgelöst. „Dabei handelt es sich um eine adaptierte
kernspintomographische Technik zur Darstellung der Gallenwege
und der Hauptausführungsgänge des Pankreas“, erläutert PD Dr.
Harald Kramer, Oberarzt MRT am Institut für Klinische Radiologie
am Universitätsklinikum München-Großhadern.
schwarzen Johannisbeeren besteht. Der Patient bekommt das
orale Kontrastmittel vor der Untersuchung verabreicht, sodass
er sich mit der Flüssigkeit im Magen und Bauchraum vermischt:
„Eigentlich versucht man bei der MRT, so wenig Eisen wie möglich zu verwenden, da Eisen sich in der Aufnahme dunkel zeigt,
sprich Artefakte erzeugt“, erklärt Kramer. Bei einer abdominalen
Untersuchung in den genannten Fällen ist dieser Effekt jedoch
gewünscht: „Denn das Kontrastmittel eliminiert unerwünschte
Signalüberlagerungen der stehenden Flüssigkeit im Bauchraum.
Wir machen uns also in diesem Fall einen an sich unwillkommenen Effekt wie das Artefakt zunutze.“
Die MRCP wird außerdem zur Abklärung von bestimmten Formen eines Gallensteinleidens – zum Beispiel der Steinnachweis
im Gallengang –, von Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse
und in der Diagnostik von angeborenen Gallenweganomalien
im Kindesalter angewendet. „Patienten, die unter einer Hepatitis
Wenn es schnellgehen muss
Für Radiologen, die die MRCP nicht regelmäßig anwenden, hat
der erfahrene Experte Tipps auf Lager: „Grundsätzlich sollten
sämtliche Untersuchungen zur Vermeidung von Artefakten
Abbildung 1: MRCP mit LumiVision®. Selbst kleinste Seitenäste des
Abbildung 2: MRCP ohne LumiVision®. Der flüssigkeitsgefüllte
Pankreasgangs lassen sich bis in den Schwanzbereich überlagerungsfrei
Magen (Stern) überstrahlt die gesamte Aufnahme.
abgrenzen (Pfeile).
oder Leberzirrhose leiden, weisen gelegentlich auch chronische
Veränderungen der Gallengänge auf. Zum Teil sind das relativ
kleine und subtile Veränderungen, bei denen die MRCP besonders hilfreich ist“, führt der Radiologe weiter aus.
Die Abbildung flüssigkeitsgefüllter Organe
Die MRCP wird normalerweise ohne intravenöse Kontrastmittel
durchgeführt. Es erfolgt eine selektive Anregung des Wassersignals in der MRT mit nachfolgender dreidimensionaler Auswertung. Mithilfe entsprechender Sequenzen stellt die MRCP-Technik
stehende oder sehr langsam fließende Flüssigkeiten, beispielsweise das Gallensekret, besonders hell dar. Andererseits zeigen
sich feste Strukturen wie Gallensteine und fließende Flüssigkeiten wie Blut signalarm.
Das Problem: Flüssigkeiten im Magen oder Darm können die
Aufnahmen von Gallen- und Pankreasgängen überlagern. In
einem solchen Fall ist es angezeigt, dem Patienten vor der Untersuchung ein spezielles Medizinprodukt für orale MRT-Anwendungen zu verabreichen, um die stehende Flüssigkeit auszublenden. Bei LumiVision® handelt es sich um einen solchen oral
einzunehmenden, natürlichen Liquid Kontrast, der unter anderem
aus eisenhaltigen Fruchtkonzentraten wie Ananas, Agave und
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mithilfe einer Atemtriggerung oder Atemanhaltetechnik durchgeführt werden.“ Zwar ist das Untersuchungsprotokoll für eine
MRCP mit rund 20 Minuten schon relativ kurz. Doch bei einem
schmerzgeplagten Patienten, beispielsweise bei einer Gallenkolik, oder einem Patienten im schlechten Allgemeinzustand, den
selbst solch eine kurze Untersuchungsdauer zu stark belastet, ist
es angezeigt, die allerwichtigsten, stark T2-gewichteten Sequenzen in koronarer Schichtführung an den Anfang zu setzen,
um die Diagnostik abzusichern. Kramer: „Wenn es also ganz
schnellgehen muss, kann man die Kernaussage auch schon in 10
Minuten erhalten. Mit anderen Worten: das Wichtigste zuerst!“
PD Dr. Harald Kramer ist seit 2003 am
Institut für Klinische Radiologie am Universitätsklinikum München-Großhadern
tätig und seit 2014 in der Funktion als
Oberarzt MRT. Bereits im Rahmen seiner
Promotion setzte er sich intensiv mit unterschiedlichen Möglichkeiten der kontrastverstärkten MRT-Bildgebung auseinander, während eines
Forschungsstipendiums in den USA beschäftigte er sich vor
allem mit der Leberbildgebung.
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BIG DATA
Bildgebende Diagnostik:
„Automatisierung ist der Schlüssel zum Erfolg“
Ü
berall auf der Welt arbeiten Expertenteams in Industrie und Forschung daran, Computeralgorithmen zur
automatischen Bilderkennung und Diagnose zu entwickeln. „Automation in Medical Imaging“ (AMI) – so lautet das im
Oktober 2015 gestartete, vielversprechende Projekt, an dem das
Fraunhofer-Institut für Bildgestützte Medizin MEVIS in Bremen
sowie die Diagnostic Image Analysis Group (DIAG) aus der Radboud-Universität Nijmegen in den Niederlanden forschen. „Wir
wollen mithilfe lernfähiger Computeralgorithmen die Datenfluten
der immer komplexer werdenden medizinischen Bilddaten automatisch durchforsten und nach Auffälligkeiten suchen, um so die
Treffsicherheit von computergenerierten Diagnosen zu steigern“, erklärt Fraunhofer-MEVIS-Projektleiter Dr. Markus Harz.
Die von dem Projektteam entwickelte selbstlernende Software
soll künftig in der Lage sein, medizinische Bilder ähnlich gut
einzuordnen wie ein Mensch. „Unser wichtigstes Ziel ist, eine
Software zu entwickeln, die tatsächliche klinische Probleme
löst. Automatisierung ist der Schlüssel zum Erfolg. Wir automatisieren Arbeitsschritte, die die Kliniker am wenigsten mögen,
beispielsweise die langwierige Suche nach einer passenden
Voraufnahme oder den detaillierten Vergleich zweier Aufnahmen“, berichtet Harz.
Doch was genau ist eine selbstlernende Software? Harz erklärt
das mit einem Vergleich: „Wenn ein Radiologe entscheiden
muss, ob eine Auff älligkeit in einer medizinischen Aufnahme
gut- oder bösartiger Natur ist, zieht er dabei sein Erfahrungswissen heran. Er wird die Form und Struktur, vielleicht auch
die Lage und andere Merkmale beurteilen. Eine selbstlernende
Software kann idealerweise solche oder sogar bessere Kriterien selbstständig finden, wenn ihr genug Beispiele präsentiert
werden.“ So wird versucht, dem Computer die Perspektive des
Radiologen beizubringen. Die Software lernt dann, wie die gefundenen Merkmale gewichtet werden müssen, um die gleiche
Entscheidung wie der Radiologe zu treffen.
Diese sogenannten Deep-Learning-Algorithmen spielen ihre
Stärken vor allem bei der Auswertung riesiger Datenmengen
aus, die zum Beispiel bei der Kontrolle von Hochrisikopatienten
über längere Zeiträume entstehen. Der Algorithmus soll dabei
helfen, feinste Unterschiede zwischen neueren und älteren
Aufnahmen zu erkennen und so Tumoren bereits im Frühstadium aufspüren. „Solche Veränderungen von Form, Grauwert
oder Textur können Rechner hervorragend unterscheiden. Ein
Computer kann sogar selbst herausfinden, welche Veränderungen entscheidend sind“, erläutert Harz. Die Software sortiert all
jene Fälle aus, bei denen keine Unterschiede auftreten, sodass
sich der Radiologe nur mit Aufnahmen beschäftigen muss, auf
denen potenziell verdächtige Veränderungen zu sehen sind.
Das heißt jedoch nicht, dass Radiologen künftig durch Computer ersetzt werden. Markus Harz: „Ich begreife den Einsatz von
Computern in der Diagnostik als Chance zur Erweiterung und
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© Diagnostic Image Analysis Group (dianijmegen.nl)
Abbildung 1: Deep-Learning-Algorithmen finden auf
Basis einer automatischen Analyse selbstständig kritische
Stellen in neuen digitalen Bildern von Gewebeproben.
Beginnend mit der höchsten Auflösungsstufe verdichten
diese neuronalen Netze Daten, bis Informationen und Bildinterpretationen entstehen. Diese wiederum helfen Ärzten, Diagnosen schneller und sicherer zu treffen. Korrigieren die Mediziner die Computerdiagnose, kann das neue
Wissen in den selbstlernenden Algorithmus einfließen.
Verbesserung der medizinischen Versorgung. Es ist nicht zu
übersehen, dass menschliche Befunder dem wachsenden Bilderberg bald nicht mehr gewachsen sein werden. Mehr Ärzte
einzustellen, ist angesichts des Kostendrucks in unserem Gesundheitssystem keine echte Alternative. Gleichzeitig wächst
mit dem öffentlichen Wissen um den Mehrwert bildgestützter
Diagnostik der Druck, diese Methoden auch breiter einzusetzen. Das ist mithilfe des Computers möglich, ohne diesen aber
kaum mehr vorstellbar.“
Doch Informatiker Harz glaubt, dass es noch ein wenig dauern
wird, bis selbstlernende Algorithmen Einzug in den klinischen
Alltag halten: „Erste fokussierte Ergebnisse werden bereits zum
Projektende 2018 als Produkt verfügbar sein. Komplexere Automatisierungslösungen werden vermutlich fünf bis zehn Jahre
brauchen, um in den Markt zu gelangen.“
Dr. Markus Harz ist Informatiker und
arbeitete sechs Monate in einem Brustkrebszentrum in den USA. Er verfügt
über umfangreiche Kenntnisse in der
klinischen Praxis, die er sich in sieben
Jahren Projektmanagement und zehn
Jahren Analyse medizinischer Bildgebungsdaten erarbeitet hat. In seiner Dissertation entwickelte
Dr. Harz Methoden für die Computerunterstützung komplexer
bildgebungsbasierter klinischer Aufgaben.
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© radprax MVZ GmbH
INTERVIEW
Hat der KV-Sitz eine Zukunft?
Die klassische Versorgungslandschaft wird sich in den kommenden Jahren deutlich verändern. Davon
ist Dr. Renate Tewaag, Radiologin und geschäftsführende Gesellschafterin des radiologischen Unternehmensverbunds radprax, überzeugt. Tewaag hält mit zwei weiteren Gesellschaftern die Fäden für rund 300
Mitarbeiter, 50 Ärzte und zwölfPraxen zusammen und leitet selbst eine Betriebsstätte in Solingen. Darüber
hinaus ist sie Kreisstellenvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) in Solingen und
Vorsitzende der KVNO-Mammographiekommission. VISIONupdate fragte nach.
Hat die klassische Praxisniederlassung noch eine Zukunft?
Ich bin der festen Überzeugung, dass es in zehn bis 15 Jahren
keine niedergelassenen Fachärzte mehr geben wird. Das betrifft
nicht nur Radiologen, sondern auch fast alle anderen Fachärzte. Wir sind in Europa das einzige Land, das sich eine doppelte
Facharztschiene leistet – in der Niederlassung und im Krankenhaus. Das wird sich auf die Dauer nicht mehr finanzieren lassen.
Durch gesetzliche Vorgaben und Regularien arbeitet die Politik
immer weiter daran, dass die klassische Niederlassung zum
Auslaufmodell wird. Mit der derzeitig gültigen Honorargestaltung
können es sich Ärzte schlichtweg nicht mehr leisten, niedergelassen tätig zu sein. Denn diesen Honoraren stehen der medizinische Fortschritt mit neuen, teuren Geräteinnovationen und die
steigenden Ansprüche der Patienten gegenüber. Gerade in der
Radiologie wird es in der Einzelpraxis zunehmend unmöglich,
die eigenen Ansprüche an eine moderne Diagnostik – wie wir sie
beispielsweise bei radprax anbieten können – umzusetzen.
Sehen Sie einen Ausweg aus diesem Dilemma?
Die Kollegen können sich in einer Gemeinschaftspraxis zusammenschließen, allerdings werden es auch die typischen
Berufsausübungsgemeinschaften mit drei bis fünf Ärzten schwer
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haben. In Zukunft wird man vorrangig in großen Verbünden
agieren müssen. Ich kann nur empfehlen, schnell über sektorenübergreifende Kooperationen nachzudenken und sich zügig
Verbündete zu suchen.
Auch helfen Lösungen, bei denen ein Krankenhaus seine radiologische Abteilung im Rahmen des Outsourcings abgibt. So
kann man Geräte gemeinschaftlich nutzen: Der niedergelassene
Radiologe nutzt das MRT im Krankenhaus zu bestimmten Zeiten,
beispielsweise nach Dienstschluss im öffentlichen Dienst.
Zudem soll künftig der Studiengang „Medizinische Radiologietechnologie“ für medizinisch-technische Assistenzberufe helfen,
die komplexen Aufgaben in der Praxis zu bewältigen. Er verbindet medizinische und medizintechnische Inhalte mit informationstechnischen, rechtlichen und ökonomischen Aufgabenfeldern
in Klinik und Praxis sowie in Einrichtungen der öffentlichen und
privaten Gesundheitsvorsorge und -pflege. Das Curriculum ist
Ergebnis der Zusammenarbeit von Medizinern, Experten der
Medizintechnik und der medizinischen Physik und hat vor allem
die Interessenlage der Praxis im Blick. Die Absolventinnen und
Absolventen sind am Ende qualifiziert, umfangreiche und anspruchsvolle Tätigkeiten auch jenseits der klassischen Assistenz-
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berufe verantwortlich auszuführen sowie mittlere und höhere
Leitungsaufgaben im Bereich des Gesundheitswesens oder auch
der Wirtschaft wahrzunehmen. Dank dieser Ausbildung können
sie dem Chef einer Radiologie dann vielfältige Dinge abnehmen:
Praxismanagement, Personalführung, Leitung einer Abteilung
mit Prozessmanagement, Logistik und sogar die Befundung,
beispielsweise im Mammographie-Screening.
Bleibt die Versorgung weiterhin gesichert?
Die Versorgungsstruktur ist ein weiteres Problem. Bei den genannten Belastungen wird es zunehmend schwierig, Kollegen für
die Nachfolge zu finden. Viele der jüngeren Mediziner möchten
nicht mehr – wie die selbstständigen Vertragsärzte bisher – die
Verantwortung für eine Praxis übernehmen und sich finanziell
über eine lange Zeit verpflichten. Manchmal habe ich den Eindruck, der medizinische Nachwuchs legt sein Hauptaugenmerk
auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance; die Belange der Patienten stehen nicht mehr wie früher absolut im Vordergrund.
Für die älteren Kollegen ist es deshalb nicht leicht, einen Nachfolger für die Praxis zu finden. Kauft dann ein großer Klinikkonzern KV-Sitze auf, wie kürzlich in Berlin geschehen, ist der
Aufschrei groß. Dabei ist das oft die einzige Möglichkeit für den
Niedergelassenen, einen finanziellen Ausgleich zu erhalten.
Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(so der Tenor des Urteils vom 4. Mai 2016 – B 6 KA 21/15 R) wird
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Dr. Renate Tewaag, Geschäftsführerin von radprax
das ohnehin künftig schwieriger. Danach müsste der Vertragsarzt, der seinen KV-Sitz in ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) einbringt, dort mindestens drei Jahre angestellt sein,
bevor das MVZ den Sitz nachbesetzen kann.
Meiner Meinung nach bleiben in Zukunft nur noch die sogenannten Family Doctors wie Haus- und Kinderärzte sowie vielleicht
noch die Frauenärzte als selbstständige Vertragsärzte bestehen.
Alle anderen medizinischen Disziplinen werden sich in irgendeiner Form zur ambulanten und stationären Versorgung zusammenschließen müssen.
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