Fibel, Rohrstock, Fleißbillett
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Fibel, Rohrstock, Fleißbillett
Hintergrundtext Bayern2Radio - Schulfunk Fibel, Rohrstock, Fleißbillett Autorin: Edeltraud Glaser Schulgeschichten und Schulgeschichte „Ich kam mit 7 Jahren in die Stadtschule zu Jena, das war im Jahr 1816. Die Schule war in einem aufgelassenen Kloster untergebracht. Mein Lehrer war mehr als 70 Jahre alt. Der Unterricht bestand in Lesen, Schreiben, Rechnen, Aufsagen aus dem Katechismus und dem Gesangbuch einen wie alle Tage. Während die, die aufsagen mussten, an den Tisch des Lehrers traten, hatten die andern Zeit Allotria zu treiben. Wurde der Lärm zu arg, erhob sich der Alte und nahm aus dem Schrank einen Haselstock. Dann musste einer nach dem andern vorkommen und erhielt ohne alle Untersuchung eine Anzahl Hiebe, die um so mehr schmerzten, weil sie rasch nacheinander auf die selbe Stelle der Schulter fielen.“ So ähnlich wie dieser Schüler aus Jena berichten die meisten, die in den ersten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in die Schule gegangen sind, egal in welchem der deutschen Länder sie wohnten. Es lief immer auf die gleiche Feststellung hinaus: wenig gelernt und viele Prügel bekommen. Lehrerbildung auf dem Land Was waren das damals für Lehrer? Ein Landrichter aus Rottenburg in Bayern schrieb: „Gegenwärtig sind die meisten Schullehrer Mesner und Handwerker, also Weber, Schneider. Schuster, die selbst kaum recht lesen und noch schlechter schreiben und rechnen fast gar nicht können.“ 1818 gab der königliche Distriktschulinspektor Kraus in Landshut ein Buch heraus, in dem er sich in einem Kapitel mit den Fehlern der Lehrer auseinander setzt. Er warf ihnen Mangel an Kenntnissen vor. „Kopf-Rechnen ist in den Landschulen eine Seltenheit, weil die Lehrer nicht geübt sind. In der Naturlehre können sie nicht die gewöhnlichsten Naturereignisse erklären.“ Er kritisierte ihre Methode, die mehr ein Abrichten als ein Unterrichten ist. Dass viele beim Bestrafen nicht Maß halten, fand er bedauerlich, denn Rute und Ochsenziemer sind keine guten Erziehungsmittel. Schulaufsicht und Verwaltung unterm Klerus Dieser Distriktschulinspektor war so etwas Ähnliches wie heute ein Schulrat – aber er war, wie seine Kollegen, Geistlicher. Er war zuständig für den Schulunterricht in den Ortschaften seines Bezirks. Richtige Schulhäuser gab es auf dem Land fast nirgends. Die Kinder wurden in Rathäusern oder im Mesnerhaus oder im Wirtshaus vom Lehrer unterrichtet. Der Vorgesetzte des Lehrers war – als Lokalschulinspektor – der Pfarrer des Ortes. Wenn dieser am Lehrer etwas auszusetzen hatte, an dessen Unterricht oder an dessen Lebenswandel, meldete er das dem Distriktschulinspektor, der den Lehrer maßregeln, sogar aus der Schule entfernen konnte. Diese geistliche Schulaufsicht, die in allen deutschen Ländern, auch in denen mit überwiegend protestantischem Bevölkerungsanteil, wie in Preußen, die Regel war, hatte eine sehr alte Tradition. In Bayern hatten sich vor der Säkularisation vor allem die Klöster der Jugenderziehung angenommen und auch nach ihrer Aufhebung blieb der kirchliche Einfluss auf das Schulwesen erhalten. Nur die oberste Schulverwaltung übernahm der Staat, so dass die Regierung durch Gesetze und Verordnungen Reformen durchführen konnte. Auf dem Lande war es oft der Mesner, der den Bauernkindern wenigstens das Alphabet beibrachte. Diese Verbindung zwischen Lehramt und niederem Kirchendienst hat sich während des ganzen 19. Jahrhunderts erhalten. Der Schullehrer war verpflichtet, dem Geistlichen vor und während des Gottesdienstes zu assistieren oder die Orgel zu spielen und den Chor zu leiten. Er musste aber auch den Pfarrer bei Begräbnissen oder Versehgängen begleiten, hatte die Glocken zu läuten und die Kirchturmuhr aufzuziehen. Er sollte sich mit dem Pfarrer den Religionsunterricht in der Schule teilen, aber oft musste er ihn ganz übernehmen. Der Reformer Montgelas Trotz dieser für uns etwas befremdlichen Zustände war es zu Beginn des 19. Jahrhunderts zum ersten Mal, dass die Regierung energisch gegen die krasse Unwissenheit der einfachen Leute vorging. Es waren die Aufklärer und an ihrer Spitze der Minister Montgelas, die überzeugt waren, dass vermehrte Kenntnisse und Bildung etwas zum Glück des Einzelnen und zum Wohl des Staates beitragen. 1802 wurde die allgemeine Schulpflicht in Bayern eingeführt. Mit sechs oder sieben Jahren sollten alle Kinder eingeschult werden und dann sechs Jahre lang die Werktagsschule besuchen. Das war schwer durchzusetzen. Im Sommer brauchten die Bauern ihre Kinder zur Arbeit auf dem Feld, oft war auch der Schulweg zu weit, oder die Kleinhäusler und Taglöhner konnten die 24 Kreuzer Schulgeld im Quartal für den Lehrer nicht aufbringen. Im Anschluss an die Werktagsschule mussten die Buben und Mädchen in die Sonn- und Feiertagsschule gehen, bis sie 16 Jahre alt waren. Zwangsmaßnahmen wie die Bestrafung von Versäumnissen und die Einführung des Entlass-Scheins, ohne den man nicht heiraten konnte, machten den Schulbesuch allmählich zur Regel. Dringend notwendig wurde eine bessere Lehrerausbildung. Das erste Schullehrerseminar wurde 1803 in München gegründet. Zunächst waren es nur einige Kurse, in denen den Präparanden oder Schullehrlingen Grundkenntnisse vermittelt wurden. 1806 begann dann die Regulierung der Lehrerausbildung, indem ein zweijähriger Lehrgang und eine Abschlussprüfung vorgeschrieben wurden. Weitere Seminare wurden in den folgenden Jahren in Amberg, Bamberg, Nürnberg, Augsburg, Kaiserslautern und 1824, wie in der Sendung angesprochen, in Straubing eingerichtet. „Den bösen Geist der Zeit zu bannen“: Das Revolutionsjahr Auch der Bedarf an Schulhäusern war groß. Kajetan Schwertl, dessen Lebenslauf in der Sendung skizziert wird, kam 1819 in Markt Regen in die Schule. Ein Schulhaus gab es noch nicht. Das wurde erst 1827 erbaut. Auch in vielen anderen Ortschaften wurden um diese Zeit neue Schulhäuser errichtet. Aber in den 30er und 40er Jahren wurden die Reformen in Bayern gebremst. Es ging wieder die Angst um, dass gut unterrichtete Untertanen revolutionäre Gedanken entwickeln könnten. Die religiöse Erziehung wurde zum Schwerpunkt in der Schule, um „den bösen Geist der Zeit zu bannen“, wie König Ludwig I. schrieb. Im Revolutionsjahr 1848 artikulierten die Lehrer ihre Unzufriedenheit mit den Verhältnissen, in denen sie ihre Erziehungsarbeit leisten sollten. Sie schickten ihre Bittschriften an den Landtag nach München und den Volksvertretern in die Paulskirche nach Frankfurt. Sie schilderten die demütigenden Umstände, unter denen sie um das Schulgeld bei der Gemeinde bitten oder die kleinen Einnahmen für den Mesnerdienst und die Gemeindeschreiberei eintreiben müssen. Sie forderten, dass der Geistliche nur für den Religionsunterricht zuständig sein und dass eine pädagogisch gebildete Fachkraft dessen Aufsichtspflicht übernehmen solle. Sie wünschten eine bessere Ausbildung und verlangten, von den Kirchendiensten und den andern Ämtern befreit zu werden. Sie wollten nicht mehr von den Gemeinden und der Kirche, sondern vom Staat ihre Besoldung erhalten. Vom Gotteslohn zum Staatsgehalt: Die Professionalisierung Auf die Erfüllung dieser berechtigten Forderungen mussten die Lehrer lange warten. 1912 wurde das Lehrerstudium neu geregelt. Die dreijährige Präparandenausbildung und drei Jahre Schullehrerseminar wurden in einem sechsstufigen Lehrgang zusammengefasst. Die geistliche Schulaufsicht wurde 1918 durch die Fachaufsicht ersetzt. Die Verbindung zwischen dem Lehramt und dem niederen Kirchendienst wurde gelöst. 1919 wurden die Volksschullehrer Beamte des Staates.