Kommunikationstheorie nach Schulz von Thun
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Kommunikationstheorie nach Schulz von Thun
Kommunikationstheorie nach Schulz von Thun Seminar “Informationsfluss: Dokumentation und Kommunikation im Unternehmen“ Marc Christoph Vollmer Marc.Vollmer@t-online.de Leibniz Universität Hannover - Fachgebiet Software Engineering Zusammenfassung. In der heutigen Zeit hängen erfolgreiche Softwareprojekte nicht mehr ausschließlich von den technischen Fähigkeiten der Mitarbeiter ab, sondern auch maßgeblich von deren Kommunikationsfähigkeit. Durch die Steigerung von Komplexität und Umfang einzelner Projekte wird die erfolgreiche zwischenmenschliche Kommunikation zwischen den verschiedenen beteiligten Fachbereichen und anderen Teilnehmern zu einem zentralen Faktor für das Gelingen eines Projekts. Innerhalb dieser Arbeit wird die Kommunikationstheorie nach Friedemann Schulz von Thun vorgestellt. Mit Hilfe der vorgestellten Aspekte soll dargestellt werden wie Sender und Empfänger kommunizieren und wodurch oftmals Probleme bei der Kommunikation auftreten und wie diese zu vermeiden sind. 1 Motivation Sowohl bei der Entwicklung von Software wie auch im Unternehmen allgemein ist eine erfolgreiche Kommunikation zwischen den Mitarbeitern oder auch zwischen Unternehmen und Kunden ein maßgeblicher Schlüsselfaktor für den Erfolg. Dies trifft besonders in der heutigen Zeit zu, in der die Entwicklung von Software so komplex und umfangreich geworden ist, dass sie meist nicht mehr von einer Person allein bewältigt werden kann. An die Stelle des Einzelnen treten die verschiedensten Personen aus unterschiedlichen Bereichen mit unterschiedlichem Know-How, die miteinander kommunizieren müssen. 2 2.1 Grundlagen Nachrichten und Botschaften Innerhalb dieser Arbeit wird der Begriff Nachricht folgendermaßen verwendet: Eine Nachricht ist das ganze vielseitige Paket mit seinen verbalen und nichtverbalen Anteilen. Ferner enthält eine Nachricht verschiedene Botschaften gleichzeitig. Die Botschaft wiederum ist der Gegenstand der Kommunikationsanalyse. Die Länge der Analyseeinheit ist nicht festgelegt. Hierbei kann es sich um ein Wort wie aber auch um mehrere Sätze handeln. 2.2 Explizite und Implizite Botschaften Nachrichten können sowohl explizite wie auch implizite Botschaften enthalten. Bei expliziten Botschaften handelt es sich um das tatsächlich gesagte, also der Teil der ausdrücklich formuliert wurde. Implizite Botschaften beinhalten den Teil der Nachricht der nicht ausdrücklich gesagt wurde, jedoch in der Nachricht drinsteckt oder zumindest hineingelegt werden kann. Implizite Nachrichten werden meist über den nonverbalen Sprachkanal ausdrückt. Die Botschaft kann durch Betonung, bestimmte Aussprache oder begleitende Gestik und Mimik direkt oder qualifizierend vermittelt werden. Qualifizierend bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Art und Weise wie die Nachricht vermittelt wird, entscheidend für das Verstehen ist. 2.3 Inkongruente und Kongruente Nachrichten Bei kongruenten Nachrichten handelt es sich um diejenigen, bei denen die sprachlichen und die nicht-sprachlichen Anteile einher gehen. Dementsprechend sind inkongruente Nachrichten, Nachrichten wo die verbalen und nonverbalen Anteile gegenläufig sind. Da bei der Übermittlung einer Nachricht stets auf zwei Ebenen der Mitteilungsebene und der Meta-Ebene kommuniziert wird, qualifizieren sich die beiden Ebenen gegenseitig. Hierbei wird nach Haley zwischen vier verschiedenen Arten der Qualifikation unterschieden: 1. 2. 3. 4. Kontext Art der Formulierung Körperbewegung Tonfall Besonders bei inkongruenten Nachrichten entstehen Probleme auf Seiten des Empfängers. Für den Empfänger stellt sich die Frage welcher Ebene er glauben schenken soll, der Meta-Ebene oder der Mitteilungsebene? Im folgenden ein Beispiel: Abb. 1. Beispiel (Inkongruente Nachrichten): Entwickler A (links) zeigt Entwickler B (rechts) seine Arbeit. Die Reaktionen von Entwickler A sind zum Einen ein “abfälliger Blick“ und zum Anderen die Aussage “Sehr gut!“ 3 Vier Seiten einer Nachricht (Kommunikationsquadrat) Der Schlüssel einer erfolgreichen zwischenmenschlichen Kommunikation, ob per Videokonferenz oder im persönlichen Gespräch, liegt im richtigen Verstehen einer gesendeten Nachricht seiten des Empfängers. Nach dem Modell von Friedemann Schulz von Thun enthält jede Nachricht vier Seiten von denen sie gleichsam betrachtet werden kann. An dieser Stelle sei angemerkt, dass das Kommunikationsquadrat nicht nur auf die verbalen Sprachelemente, sondern auch auf die non-verbalen Sprachelemente anwendbar ist. Abb. 2. Kommunikationsquadrat nach Schulz von Thun [1] 3.1 Sachaspekt Der Sachaspekt befasst sich mit der Frage wie man eine Nachricht klar und verständlich mitteilen kann. Zu diesem Zweck wird das Hamburger Verständlichkeitskonzept[4] heran gezogen. 3.2 Selbstoffenbarungsaspekt Jedes Mal wenn eine Kommunikation stattfindet gibt der Sender etwas von sich Preis. Bei der preisgegebenen Information handelt es sich um die Selbstoffenbarung, die sich aus der gewollten Selbstdarstellung und der ungewollten Selbstenthüllung zusammensetzt. 3.3 Beziehungsaspekt Der Beziehungsaspekt beschreibt die Beziehung zwischen dem Sender und dem Empfänger. Hier wird der Fragestellung nachgegangen, was der Sender vom Empfänger hält. Dies kann beispielsweise durch den Tonfall und andere non-verbale Sprachelemente ausgedrückt werden. Bezüglich des Beziehungsaspekts hat der Empfänger ein besonders ausgeprägtes Ohr. Genau genommen kann man diesen Aspekt als speziellen Teil der Selbstoffenbarung sehen, der aufgrund einer unterschiedlichen psychologischen Situation gesondert behandelt wird. Der wesentliche Unterschied liegt darin begründet, dass die Selbstoffenbarungsseite “Ich-Botschaften“ und die Beziehungsseite “Du-Botschaften“ bzw. “Wir-Botschaften“ enthält. 3.4 Appellaspekt Beim Appellaspekt handelt es sich um die Seite der Nachricht, die einen Wunsch oder eine Handlungsaufforderung des Senders enthält. Hier wird der Frage nachgegangen wozu man den Empfänger veranlassen möchte. Hierbei kann eine Unterscheidung zwischen einem offenen und verstecktem Appell (Manipulation) getroffen werden. Bei einem verstecktem Appell werden zusätzlich die anderen drei Seiten der Nachricht benutzt um die Wirkung zu verstärken. Dabei werden die Seiten funktionalisiert, was bedeutet das sie nicht das wieder spiegeln, was ist, sondern nur Mittel zur Zielerreichung sind. 4 Vier-Ohren Modell Im vorherigen Abschnitt Vier Seiten einer Nachricht wurde das Komunikationsquadrat aus Sicht des Senders betrachtet. An dieser Stelle betrachtet man das Ganze aus der Sicht des Empfängers. Aufgrund der Vielseitigkeit der Nachricht kann diese auf verschiedene Arten empfangen werden. Die unterschiedlichen Möglichkeiten werden im Folgenden dargestellt. 4.1 Das Sach-Ohr Wenn der Empfänger ein ausgeprägtes Sachohr besitzt, legt er besonders viel Wert auf die Sachseite der Nachricht. Dies trifft sehr häufig auf Mathematiker und Akademiker zu. Hierbei kann es oftmals zu Problemen kommen, da die Differenzen in der zwischmenschlichen Kommunikation nicht auf dieser Seite der Nachricht liegen. 4.2 Das Beziehungs-Ohr Menschen die ihr Augenmerk auf das Beziehungsohr legen, neigen dazu stets alles auf sich zu beziehen und alles persönlich zu nehmen. Dies kann sogar soweit gehen, dass der Empfänger in jeder Nachricht eine Beleidigung bzw. einen persönlichen Angriff sieht. Die Problematik die sich hierbei ergibt, liegt in der stetigen Verlagerung der Kommunikation auf die Beziehungseite. 4.3 Das Selbstoffenbarungs-Ohr Im Vergleich zum ausgeprägten Beziehungs-Ohr kann es für den Empfänger besser sein die Nachrichten auf dem Selbstoffenbarungs-Ohr zu hören. Diese Seite der Nachricht gibt Auskunft über den Sender und nicht über das “Wir“. Hierdurch kann der Empfänger stets die folgende Haltung einnehmen: “So ist er eben!“. Probleme, die bei dieser Art des Zuhörens auftreten können, sind das der Empfänger nichts mehr an sich ran lässt d.h. immun gegen Kritik ist und stets alles auf den Sender bezieht. Ein Anwendungsbeispiel für das Hören auf dem Selbstoffenbarung-Ohr ist das aktive Zuhören. Ziel hierbei ist es, durch permanentes Nachfragen des Gehörten, dem Sender seine verborgenden Gefühlsinhalte aufzuzeigen. 4.4 Das Appell-Ohr Wenn der Empfänger besonders stark auf dem Appelohr hört, verfolgt er den Wunsch es allen Recht zu machen oder auch die unausgesprochenen Erwartungen der Mitmenschen zu erfüllen. Bei dieser Art des Zuhörens tritt die Problematik auf, dass der Empfänger meist wenig darüber weiß, was er selbst will und fühlt. 5 5.1 Nachrichtenempfang Die empfangende Nachricht Wie schon mehrfach beschrieben enthält eine Nachricht immer vielseitige Botschaften, die teils implizit und teils explizit erfolgen. Anders als bei der Post ist nicht gewährleistet, dass das Paket genauso empfangen wird wie es gesendet wurde. Bei der Kommunikation codiert der Sender die Information, die gesendet werden soll in wahrnehmbare Zeichen. Die gesendeten Zeichen werden vom Empfänger decodiert. Allerdings fehlt die Bedeutung des gesendeten Inhalts. Von daher liegt es beim Empfänger, die Nachricht so zu verstehen wie sie vom Sender gemeint ist. Die Bedeutungszumessung ist abhängig von der Person und dessen Einstellungen, Erwartungen und Vorerfahrungen, also von der individuellen Person selbst. Mögliche Empfangsfehler können durch schichtenspezifische Sprachgewohnheiten, unterschiedliche Sprachmilieus, das Selbstbild, das Bild des Empfängers vom Sender und korrelierende Botschaften auftreten. Anhand des Bildes das der Empfänger vom Sender hat, kann dieser Informationen ableiten wie eine Nachricht zu verstehen ist. 5.2 Empfangsvorgang Der Empfangsvorgang kann in drei verschiedene Stufen unterteilt werden. – Wahrnehmen – Interpretieren – Fühlen Wahrnehmen bedeutet etwas hören und/oder sehen. Der zweite Schritt ist das Wahrgenommene zu interpretieren, das heißt dem Ganzen eine Bedeutung zu zuordnen. Hierbei kann es zu einer richtigen oder falschen Interpretation kommen. Die letzte Stufe der Wahrnehmung befasst sich mit der Zuordnung eines eigenen Gefühls für das Wahrgenommene und Interpretierte. Dieses Gefühl beruht auf der seelischen Bodenbeschaffenheit des Empfängers. Wo liegt jedoch der Zusammenhang mit den Problemen bei der zwischenmenschlichen Kommunikation? Die Problematik liegt darin begründet, dass in der Regel diese drei Stufen vom Empfänger nicht auseinander gehalten werden, was zu Störungen führt. 5.3 Phantasien Wie im Abschnitt “Die empfangende Nachricht“ beschrieben treten Fehler beim Empfang von Nachrichten, unter anderem durch das Bild das der Empfänger vom Sender hat, auf. Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit der Tatsache, dass man nicht auf den Menschen (Sender) reagiert, sondern eher auf die Phantasie, die man von demjenigen hat. Einzugliedern sind die Phantasien in die Stufe der Interpretation. Der Begriff Phantasie wird anstatt Interpretation verwendet, wenn den Gedanken und Gefühlen keine angebbare Wahrnehmung zugrunde liegt. Ferner können Phantasien folgendermaßen beschrieben werden: – Sie sind etwas über den Sender und gehören dem Empfänger – Sie können richtig oder falsch sein – Man kann sie für sich behalten und das Handeln darauf ausrichten oder preisgeben und auf Realität überprüfen Die Existenz von Phantasien im Bewusstsein ist ein wichtiger Aspekt für eine klare Kommunikation. Abb. 3. Beispiel (Phantasien): Optimale Zusammenarbeit ohne Phantasien (links); Ist-Zustand (rechts) 6 Interaktionen Bisher wurden immer nur einzelne Nachrichten betrachtet. Im folgenden Abschnitt geht es um die nächst größere Einheit der Kommunikation, um die Interaktion. Hierbei handelt es sich um den Austausch von Nachrichten zwischen Sender und Empfänger und deren gegenseitige Einflußnahme. Wie schon in den vorherigen Abschnitten beschrieben ist das Verhalten der Personen abhängig vom Individuum selbst. So handelt es sich um Eigenarten wie “Der ist Arrogant!“ und ähnlichem nicht um Eigenschaften die angeboren sind, sondern um Erfahrungen aus vorherigen Kommunikationen. Die moderne Kommunikationstheorie erweitert diese Sicht und sagt aus, dass die persönlichen Eigenarten Ausdruck der derzeitigen Kommunikation sind. D.h. die aktuellen Kommunikationspartner bestimmen ob man sich so oder so verhält. Diese Sichtweise ist ent-individualisierend und ent-moralisierend. Ent-Individualisierend, da nicht die Eigenarten des Individuums die zwischenmenschlichen Eigenarten bestimmen und ent-moralisierend, da es keinen “bösen Täter“ und “armes Opfer“ mehr gibt. Der Vorteil dieser Sichtweise ist die Möglichkeit zur Erkennung der Rolle die im Gespräch eingenommen wird und die dadurch entstehende Interventionsmöglichkeit. Trotz der erweiterten Sichtweise kommt es immer wieder zur Frage “Wer hat angefangen?“. Gerade bei Konfliktfällen fühlen sich beide Kommunikationspartner im Recht. An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Frage nach dem Anfang unbeantwortbar ist. Nach systemorientierter Sicht ist die Kommunikation kreisförmig ohne Anfang. Aus diesem Grund wird ein weiteres Hilfsmittel benötigt mit dessen Hilfe der Teufelskreis erkannt und durchbrochen werden kann. Hierbei handelt es sich um die Metakommunikation. 7 Metakommunikation Bei einer gestörten zwischenmenschlichen Kommunikation ist die Metakommunikation eines der wenigen vorhandenen Heilmittel. Die Metakommunikation befasst sich mit der Kommunikation über die Kommunikation. Die in den vorherigen Abschnitten vorgestellten Punkte, wie die Vier-Seiten einer Nachricht, dienen als hervorragendes Rüstwerk. Mit Hilfe dieser Werkzeuge als Wahrnehmungshilfe können die Probleme in der Kommunikation erkannt und beseitigt werden. Besonders wichtig bei der Metakommunikation ist der Einblick in die eigene Innenwelt und der Mut zur Selbstoffenbarung. Durch diese Eigenschaften kann die eigene Situation erkannt werden und innere Spannungen mittels einer direkten Konfrontation angesprochen und beseitigt werden. Zum Schluss folgt ein Bespiel für eine zwischenmenschliche Kommunikation in der es Metakommunikation bedarf. Hierzu wird das Beispiel von Paul Watzlawick “Er zieht sich zurück, sie nörgelt“ herangezogen. Bei diesem Gespräch gibt es kein Ende, da er sich zurückzieht, weil sie nörgelt und sie nörgelt, weil er sich zurückzieht. Um diese Störung zu beseitigen bedarf es der Metakommunikation um den Teufelskreis zu erkennen und zu durchbrechen. 8 Fazit Im Rahmen dieser Arbeit wurden verschiedene Modelle der zwischenmenschlichen Kommunikation beschrieben. Mit Hilfe der vorgestellten Modelle kann man zum Einen besser auf die Kommunikation der Anderen reagieren und zum Anderen die Empfängerorientierung der eigenen Kommunikation verbessern. Bei den verschiedenen Verfahren handelt es sich jedoch nicht um ein Allheilmittel für jegliche Probleme die in der zwischenmenschlichen Kommunikation auftreten können, sondern vielmehr um Modelle die die Betrachtungsweise der Kommunikation erweitern sollen. Nur wenn ein Problem erkannt wird, kann es auch behoben werden! Literatur 1. Friedemann Schulz von Thun: Miteinander Reden 1 , 41. Auflage (Januar 2005) 2. Uwe Vigenshow, Guido Zockoll: Erfolgsfaktor Mensch, Teil 1, Javamagazin (Juni 2006) 3. Uwe Vigenshow, Björn Schneider: Soft Skills für Softwareentwickler, 1. Auflage (2007) 4. Hamburger Verständlichkeitskonzept http://de.wikipedia.org/wiki/Verständlichkeit