SONDERAUSGABE ZUM AFD-BUNDESPARTEITAG

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SONDERAUSGABE ZUM AFD-BUNDESPARTEITAG
z e i t u n g f ü r d e m o k r a t i e u n d s t r e i t k u lt u r
POLIFAKT
J U N I 20 1 5
SONDERAUSGABE ZUM AFD-BUNDESPARTEITAG
p oli fakt.de
VÁclav klaus
DIE Satzung
Zwei welten
Tschechiens ehemaliger Präsident
spricht über die zerstörerische Spaltung
der „Alternative für Deutschland”
Die unglaubliche Entwicklung in der
Chronologie rund um die Satzungskommission zur „Bremer-Satzung”
Wie beeinflussen uns 26 Jahre nach
dem Mauerfall die unterschiedlichen
Lebensläufe in West und Ost
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SONDERAUSGABE | POLIFAKT
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Ihre Stimme zählt!
Kommen Sie nach Essen
Liebe Parteifreunde,
04./05.
JULI 2015
Grugahalle
Messe Essen
wann auch immer der nächste Bundesparteitag
stattfindet - es wird der wichtigste Termin seit
Gründung der AfD. Mit der Wahl des neuen
Bundesvorstands werden wir auch über diese
Fragen abstimmen:
Wahlen als „Sturz“ von Landesvorständen. Und nur
eine Seite hat unter Verwendung unserer Mitgliederkartei einen Verein gegründet, der im Fall einer
Abspaltung bereits über neue Parteistrukturen zu
verfügen scheint.
• Möchten wir viele unserer Positionen
aufgeben, um Mehrheitsbeschaffer der
Union zu werden?
Der anderen Seite, die von Frauke Petry vertreten
wird, wirft Bernd Lucke ausgerechnet mangelnde
Integrationsfähigkeit vor, während er selbst von
sich sagt: „Ich möchte nur für die politischen Inhalte kämpfen, die ICH für richtig halte.“ Der Bremer
„Kompromiss“ lautete jedoch: Wenn wir ein Parteiprogramm haben, wird der Vorsitzende dieses Programm zu vertreten haben, unabhängig von seiner
eigenen Meinung. Seitdem versucht Lucke, die Partei seiner Meinung anzupassen.
• Möchten wir, dass redliche Mitglieder, die sich
keine Denkverbote aufzwingen lassen, von
unseren eigenen Führungskräften undifferenziert dem „rechten Rand“ zugeordnet und aus
der Partei gedrängt werden?
• Soll die Alternative für Deutschland eine
straff geführte, glatt geschliffene Top-DownOrganisation werden?
Oder möchten wir die Alternative zu den Mainstream-Parteien bleiben? Zwar wird diese dann
vorläufig keine Minister stellen, aber den Fehlentwicklungen in unserem Land aktiv entgegenwirken
und ihr breites Themenspektrum weiter vertreten,
einschließlich derjenigen Themen, die uns den Vorwurf des Rechtspopulismus eingebracht haben,
lange bevor die Nazi-Keule auch innerhalb unserer
Partei zur Universalwaffe wurde.
Beide Flügel behaupten, die AfD bewahren zu wollen, die sie 2013 gegründet haben, und beide Seiten wollen offiziell die
Partei nicht spalten. Doch nur eine Seite
hat klar erklärt, dass sie nicht mehr über
TTIP, Westbindung, Islamisierung, Zuwanderung, Gender usw. diskutieren will. Und
nur eine Seite will die Partei von „Elementen säubern“, für die sie noch vor kurzem
Wahlkampfunterstützung geleistet hat. Nur
die eine Seite bezeichnet innerparteiliche
Petry dagegen hat nie behauptet, ohne die andere
Seite auskommen zu wollen. Sie erkennt allerdings
die Bedeutung von Themen auch außerhalb von
Euro und Wirtschaft.
Unabhängig davon, auf welcher Seite Sie stehen:
Nehmen Sie an der Entscheidung teil! Geben Sie
beim Parteitag Ihre Stimme ab, nicht für oder gegen eine Person, sondern für die Partei des gesunden Menschenverstands, der Demokratie und des
Muts zur Wahrheit!
www.ja-zur-alternative.de
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Die zerstörerische
Spaltung der AfD
Von Václav Klaus
Sie wollten
in der Politik mitmischen,
ohne sich dabei die Hände
schmutzig zu machen
Foto: dpa – picture alliance
Am Montag, den 18. Mai, schickte der
Sprecher der Alternative für Deutschland,
Bernd Lucke, den „lieben Mitgliedern und
Förderern der AfD“ einen offenen Brief mit
der Überschrift „Weckruf 2015“. Mitunterzeichner sind Hans-Olaf Henkel und Joachim Starbatty. Ich habe diese Entwicklung
längst befürchtet. Eine junge, nicht fest
strukturierte Partei, noch mehr Bewegung
als Partei, spaltet sich.
Ich habe große Hoffnungen mit
dem Erfolg der AfD verknüpft
Hier in Prag haben wir damit unsere Erfahrungen. Kurz nach der Wende verlief ein
ähnlicher Kampf in der bürgerlichen Bewegung „Obcanske Forum“ ab. Auch dort
nahme“ innerhalb der Partei anstreben,
abgestempelt.
Ich habe – und nicht nur ich – große Hoffnungen mit dem Erfolg der AfD verknüpft.
Wir alle wissen, dass eine erfolgreiche Korrektur des undemokratischen alleuropäischen Superstaates, zu dem sich die EU
entwickelte, nur aus einem der großen Länder der EU kommen kann. Am besten aus
Deutschland, dem Hauptautor der jetzigen
Version der europäischen Integration. Es
ist auch klar, dass der Impuls zur Wende
von einer neuen politischen Gruppierung
kommen muss, der man nicht so leicht den
Stempel des billigen Populismus aufdrücken kann.
Das ist der Gruppe der Herren Professoren
um Bernd Lucke toll gelungen. Sie errangen
sogar einige Sessel im Europaparlament.
Mit diesem Erfolg begann aber auch das
Problem. Durch ihren Umzug nach Brüssel
begannen sich einige führende Politiker der
AfD von ihren Wählern und Parteifreunden
zu entfernen.
Wir Tschechen verstehen das sehr gut aus
unseren Erfahrungen. Auch wir hatten hier
Leute, die zwar rechts sein wollten, ohne
als „Rechte“ zu erscheinen. Sie wollten von
der Seitenlinie kritisieren können, ohne ra-
kämpften zwei Strömungen miteinander.
Auf der einen Seite standen diejenigen, die
eine klar definierte politische Partei mit
klarem Profil wollten und auf der anderen
diejenigen, die von einer allumfassenden
Bewegung träumten, die aber keine klare
Position mit sich bringen würde.
Es ist nichts Neues. Es begleitet das Wesen
der politischen Parteien seit deren Entstehung im 19. Jahrhundert. Der tschechische
Schriftsteller Jaroslav Hasek, Autor des
weltberühmten Soldaten Schwejk, machte
sich bereits in den 20er Jahren des letzten
Jahrhunderts darüber lustig, indem er die
„Partei des gemäßigten Fortschritts im Rahmen der Gesetze“ gründete. In dem Brief
von Bernd Lucke sehe ich etwas Ähnliches.
Alle Andersdenkenden werden dort als
Radikale, Sektierer und Fundamentaloppositionelle, die angeblich die „Machtüber-
dikale Vorschläge zu formulieren. Sie wollten im Scheinwerferlicht stehen, fürchteten
jedoch gleichzeitig das Schicksal von Leuten wie Thilo Sarrazin, den das deutsche
Establishment erbarmungslos aus seiner
Mitte ausgeschlossen hatte. Sie wollten in
der Politik mitmischen, ohne sich dabei die
Hände schmutzig zu machen. Sie haben
begriffen, dass sie zu Vollzeitpolitikern werden müssen, haben dazu aber keine Lust.
Wenn Bernd Lucke in seinem Brief von einer gefährlichen „Machtübernahme“ in der
Partei spricht, deutet er damit an, dass es
in der AfD Menschen gibt, die diese Partei
in eine andere Richtung bewegen wollen
und dass sie ihm somit die Partei entwenden wollen. Auch das ähnelt stark der
Entwicklung in Tschechien der 90er Jahre.
Auch Vaclav Havel hatte das Gefühl, dass
wir ihm das Bürgerforum entwendet u
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t
hätten. Niemand hat ihm aber was
weggenommen. Die Menschen nahmen
das Bürgerforum ernst und somit passierte es, dass gewöhnliche Menschen in diese
Organisation eingetreten sind. Das passte
nicht ins Konzept unserer damaligen elitären Dissidenten.
Wenn ich in diesem Brief lese, dass die
AfD eine Partei sein soll, die „sachlich,
In der Mitte gibt es nichts
konstruktiv, nicht nur konservativ, sondern auch liberal und sozial“ sein soll,
dann muss es eine Partei sein, die alles
und gleichzeitig nichts repräsentiert. Zum
Schluss seines Briefes schreibt Lucke, dass
die AfD eine „unideologische, sachlich und
konstruktiv arbeitende Volkspartei für die
Mitte der Gesellschaft“ sein soll.
Mein Kommentar dazu ist klar:
• eine unideologische politische Partei sein
zu wollen, ist eine Absurdität, ein Widerspruch in sich, eine contradictio in adjecto;
• „sachlich und konstruktiv zu arbeiten“
klingt zwar schön, deutet aber an, man
möchte sich auf die „Arbeit“ innerhalb
des bestehenden Systems konzentrieren.
In Deutschland scheint es – von außen
gesehen – immer noch unmöglich, nicht
systemkonform zu sein;
• eine „Volkspartei“ zu sein, das ist auch
etwas anderes als eine Bürgerpartei;
• welchen Sinn hat es, eine politische Partei auf die „Mitte der Gesellschaft“ auszurichten? In der Mitte gibt es nichts.
Die Mitte der Gesellschaft ist nur ein abstrakter Begriff. Dort befindet sich kein
Mensch, kein potenzieller Wähler.
Aber vielleicht ist alles anders. Vielleicht
schreitet die Partei weiter und bekommt einen neuen Inhalt. Vielleicht ist es kein Ende,
sondern eine Chance zum Neubeginn. n
Dieser Artikel erschien zuerst in der WELT.
Václav Klaus ist tschechischer Politiker
und Wirtschaftswissenschaftler. Er war
Vorsitzender des OF (1990–1991) und der
ODS (1991–2002). Zudem bekleidete er
die höchsten Staatsämter der Tschechischen Republik: Von 1992 bis 1998 war er
Ministerpräsident, von 1998 bis 2002 Vorsitzender des Abgeordnetenhauses und
von 2003 bis 2013 Staatspräsident.
„Kleine Leute”
Von Dr. Alexander Gauland
Jeder hat das schon einmal
erlebt. Man wirft ein Wort
oder einen Begriff in die Runde und schon verselbständigt sich das Gesagte, löst
sich vom Urheber, bekommt
eine andere Bedeutung und
fällt dem erstaunten Urheber
dreimal gewendet wieder
vor die Füße.
So ist es mir mit der „Politik
für die kleinen Leute gegangen“. Was Analyse des Wählerverhaltens war, wurde von
Bernd Lucke fälschlicherweise als Versuch einer Entbürgerlichung der Partei interpretiert und kommt nun als
Auftrag für eine entsprechende Politik zurück.
Aber eins nach dem anderen. Schon die
erfolgreiche Wahl in Brandenburg und
jetzt wieder die Oberbürgermeisterwahl in
Dresden haben gezeigt, dass die kleinen
Leute in Problembereichen am ehesten
mit den Folgen einer falschen Zuwanderungspolitik konfrontiert werden.
Heime für Asylbewerber werden selten
oder nie in großbürgerliche Wohngebiete
gelegt, schon weil dort entsprechende Immobilien nicht zur Verfügung stehen. Eine
falsche Politik spüren zuerst die kleinen
Leute, während es den besser Gestellten
meistens gelingt, den Folgen falscher Entscheidungen auszuweichen. Wenn Turnhallen nicht mehr zur Verfügung stehen,
weil sie mit Flüchtlingen belegt sind, interessiert das diejenigen wenig, die ihre
Kinder in einer von den vielen Privatschulen angemeldet haben. Heruntergewirtschaftete Schulgebäude und bröckelnde
Sozialsiedlungen finden sich selten in den
Wohngebieten der Reichen und Schönen.
Und so ist es der FDP in Hamburg gelungen, viele bürgerliche Wähler zurückzugewinnen, die die AfD nur aus Überdruss an
dem Totalversagen der FDP gewählt haben. Alles das, was manche unserer Parteifreunde nur mit spitzen Fingern anfas-
Foto: dpa – picture alliance
sen – von Pegida über Islamkritik bis hin
zur Abschiebung abgelehnter Asylbewerber – drückt die kleinen Leute, da sie sich
den Folgen nicht entziehen können. Also
ist es nur folgerichtig für eine Partei, die
Alternativen auf vielen Gebieten anbieten
wollte, diese Bedürfnisse des „Mannes auf
der Straße“ zu ihrer Sache zu machen.
Oft wird von medialen Tugendwächtern
aller Art empfohlen, die Menschen zu erziehen, ihre Vorurteile zu bekämpfen und
sie bereit zu machen für jene Willkommenskultur, die aus Deutschland gern ein
buntes Aufnahmelager machen möchte.
Aber genau das ist nicht die Aufgabe der
AfD. Ihre Aufgabe ist es, den Menschen
liebgewordene Bräuche, Gewohnheiten
und Traditionen zu erhalten, also die Heimat im klassischen Sinne. Denn der „kleine Mann“ ist nicht im Flugzeug zwischen
Singapur und London zu Hause, sondern
in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen
oder Brandenburg. Diese Heimat zu erhalten und krisenfest zu machen, ist jene
Politik für die kleinen Leute, die uns allein
Stimmen und Erfolge bescheren wird, bis
wir die Mehrheiten bekommen, bei denen
sich auch ängstliche Bürger trauen, uns
ohne Scham zu wählen, wozu ihnen bislang noch manchmal der Mut fehlt. n
POLIFAKT
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„Weckruf 2015”
Eine Partei in der Partei
Von Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider
In Parteien bilden sich immer wieder Sondergruppen, die ein implizites besonderes Programm haben und die eigene politische Position in der Partei zur Geltung
bringen wollen. Die Satzung des „Weckrufs
2015“ allerdings verfasst diesen eingetragenen Verein wie eine Partei. Sie verfolgt
augenscheinlich den Zweck, eine Partei
in der Partei aufzubauen und einerseits
deren Mitglieder zu privilegieren und andererseits Mitglieder der Alternative für
Deutschland, die sich dem Weckruf nicht
anschließen oder in diesen Verein nicht
aufgenommen werden, aus der Partei zu
drängen. Eine solche Partei in der Partei ist mit dem Parteienbegriff und dem
Parteienrecht nicht vereinbar. Die innere
Ordnung einer politischen Partei muß demokratischen Grundsätzen entsprechen.
Dazu gehört wesentlich die Gleichbehandlung aller Parteimitglieder. Alle müssen
Zugang zu den Institutionen ihrer Partei
haben, die mehr sind als informelle Gesprächskreise. Der Zugang darf nicht von
bestimmten politischen Positionen abhängig gemacht werden. Das widerspräche
der Meinungsfreiheit der Parteimitglieder.
Die Grundrechte entfalten in den Parteien
uneingeschränkte Wirkung. Nur wegen
parteischädigenden Verhaltens dürfen
Mitglieder aus der Partei ausgeschlossen
Foto: dpa – picture alliance
werden. Das geht nicht ohne Parteigerichtsverfahren. Auch Rechtsstaatlichkeit
gehört zur inneren Demokratie einer Partei. Wenn Vorstandsmitglieder einer Partei
eine derart fragwürdige Partei in der Partei
aufbauen, also die Partei zu spalten unternehmen, ist das parteischädigend. Der Vorstand einer Partei ist verpflichtet, die Satzung und das Programm der Partei ohne
Diskriminierung von Parteimitgliedern zu
vollziehen. Änderungen der Programmatik muss er durch Programmänderungen
bewirken, die auf Parteitagen, wenn nicht
durch Urabstimmung, beschlossen werden.
So regelt das auch die Satzung der AfD.
Solche Änderungen müssen in der gesamten Partei erörtert werden können.
Im Übrigen ist der Weckruf, den ich gelesen aber nicht gerade studiert habe, nicht
die Alternative für Deutschland, um deretwillen die AfD ihre Wählerstimmen bekommen hat. Er wäre ein guter Versuch,
die CDU-Programmatik ein wenig zu korrigieren. Deutschland braucht eine gänzlich
andere Politik. Aber das sind inhaltliche,
keine parteirechtliche Fragen. n
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Die Satzungsgeschichte
– Chronologie des Unglaublichen –
Von der Entstehung der „Bremer Satzung“ bis zum missratenen Parteitag im Januar 2015.
Am Anfang dieser Satzungsgeschichte steht der Bundesparteitag
in Erfurt im März 2014. Der als Beschlussvorlage für den Parteitag versandte Satzungsentwurf löst in der Partei heftigen Unmut
aus („Luckes Ermächtigungsgesetz“, Der Spiegel, 17.03.2014). Um
größeres Unheil am Parteitag zu verhindern, wird den Mitgliedern
– wenige Stunden vor dem Parteitag - eine leicht „entschärfte“
Version übermittelt, die sogenannte „Konsenssatzung“. Doch die
Mitglieder fühlen sich vor den Kopf gestoßen und wischen auch
diesen Entwurf vom Tisch. Die Satzungsdebatte wird aus der Tagesordnung gestrichen.
Der Erfurter Bundesparteitag vom März 2014 beauftragte nun die
„Satzungskommission Bund“ (im Weiteren „SK“ genannt) mit einer
„Neufassung“ der Bundessatzung und Nebenordnungen. Die Kommission setzte sich aus 16 Vertretern aus den Landesverbänden
und zwei Bundesvorstandsmitgliedern zusammen. Entgegen der
gestreuten Vorwürfe „Demokratiedefizite“, „Verfahrenstricks“ und
„Spielchen“ konnte die SK uneingeschränkt als Vorzeige-Gremium
der Partei bezeichnet werden, mit demokratischer, gut-organisierter und transparenter Arbeitsgestaltung wie Verfahrensordnung.
Diese vorbildlichen theoretischen Grundlagen sowie die positive
Arbeitsbasis der beteiligten Personen haben die anfangs konstruktiven, ergebnisoffenen aber zielorientierten Beratungen und in hohem Maße einvernehmlichen Beschlüsse ermöglicht.
Bis zum erstmaligen Erscheinen
des Bundessprechers Prof. Bernd Lucke.
Was dann geschah, soll hier in einer Zusammenfassung der wesentlichen Vorgänge dargestellt werden. Aus Gründen der Loyalität
und zum Wohle der Partei haben wir diese sicherlich erschreckenden Vorgänge seither der breiten Öffentlichkeit vorenthalten. Mit
der Gründung des „Weckruf2015“, den vorgeschützten Extremismus-Warnungen und der öffentlichen Diffamierung redlicher Parteimitglieder aufgrund persönlicher Befindlichkeiten und Machtansprüche hat sich die Situation jedoch nachhaltig verändert. Es
erscheint nunmehr geradezu notwendig, durch die Offenlegung
der unten angeführten Begebenheiten unbedarften Mitgliedern
einen beispielhaften Einblick in „das System“ zu geben und die
kolportierte Gut/Böse-Achse deutlich in Frage zu stellen.
1 Der vielversprechende Start
Ab der ersten Sitzung am 08.06.14 gehen die Beratungen zügig,
in guter Atmosphäre und Motivation voran. Am 17.08.14 ist der
Entwurf der Bundessatzung fertig. Bis zum 17.08.14 ist Bernd Lucke von 9 Sitzungstagen lediglich an einem Tag anwesend. Hinzu
kommt noch die erstmalige Anwesenheit am 5. Sitzungstag für
2,5 Stunden (s.u.); eine Vertretung durch ein anderes Bundesvorstandsmitglied findet nicht statt. Auch die Möglichkeit einer vorgesehenen Online-Abstimmung für in der Präsenzsitzung verhinderte Mitglieder bleibt ungenutzt. Erstes Ungemach zeigt sich jedoch
in einer E-Mail Bernd Luckes vom 29.06.14 „Ich hatte zunächst vor,
von dem von Herrn Meier beschriebenen Instrument des Antrags
auf Nachabstimmung Gebrauch zu machen. Aber angesichts der
Vielzahl der Dissense ist das aussichtslos.“
2 Die „Monita“
Juli 2014: Bernd Lucke erstellt eine Liste der „Monita“ (Monitum =
Tadel, Rüge, Beanstandung) über die „Änderungen Satzungskommission gegenüber Konsensentwurf“. Er versendet diese jedoch
nicht an die Mitglieder der Satzungskommission, sondern an Bundes- und Landesvorstände. Die SK erhält das Dokument mehr als
einen Monat später, am 01.08.2014. Da ist die Republik bereits in
Aufruhr wegen der subversiven und „eifernden“ Satzungs-Rebellen.
In den Monita findet sich eine Auflistung von 44 Kritikpunkten, in
denen Bernd Lucke viele Einzelvorschläge der Kommission mit Bezeichnungen wie „Unfug“, „undurchdacht“ usw. rügt. Im Vorwort
dieser Beanstandungen schreibt er, die Satzungskommission habe
„rote Linien“ und „Kompetenzen“ überschritten und verurteilt
„inakzeptable Änderungen“. Gemeint sind dabei Änderungen des
„Erfurter Entwurfs“, mit dem sich der Parteitag seinerzeit überhaupt nicht beschäftigt hatte. Es handelte sich um einen „Entwurf“, der vor allem Luckes Handschrift trug.
3 Die Bestürzung
Am 29.06.14 schreibt Bernd Lucke an die Satzungskommission, er
sei über die Ergebnisse der Arbeit „tief bestürzt“. Im Wortlaut heißt
es weiter: „An den entscheidenden Punkten sind Veränderungen
vorgenommen worden, die sich fundamental gegen die von mir in
den Konsensgesprächen vertretene Linie richten. Dieser Satzungsentwurf ist für mich völlig inakzeptabel. Er erschwert in unzumutbarer Art die Arbeit des Bundesvorstands, schafft den Konvent als
eine Art Gegenregierung und destabilisiert in vielen kleinen Details
die Partei.“ Abschließend bittet er die SK, „in sich zu gehen und
sich zu überlegen, was eigentlich das Ziel der Arbeit ist.“
4 Der erste Auftritt
Am 5. Sitzungstag nimmt Bernd Lucke erstmals an der Sitzung teil
und erklärt zu Beginn nochmals seine Ablehnung des Entwurfs.
Nach einstündiger Diskussion stellt er einen Antrag über eine
(nochmalige) Schlussabstimmung der SK über die Gesamtheit des
bis dahin fertiggestellten Entwurfes. Als der Antrag von der Satzungskommission mit 4/7 Stimmen (und 2 Enthaltungen) abge-
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lehnt wird, verlässt Bernd Lucke mit folgenden Worten die Sitzung:
„Meine Damen und Herren, unter diesen Umständen
sehe ich keinen Sinn mehr in der Satzungskommission
mitzuarbeiten. Ich werde diesen Satzungsentwurf mit
allen Mitteln bekämpfen.“
Diese Ansage sollte sich nicht als leere Drohung herausstellen.
5 Der verdrehte Antrag
Am 26. Juli stellt Bernd Lucke per E-Mail folgenden Antrag
„Die Satzungskommission stimmt den in den bisherigen Sitzungen
vorgesehenen Änderungen des Erfurter Konsensentwurfes zu. Sie
betrachtet den so entstandenen Satzungsentwurf als den im Erfurter Parteitagsbeschluss erwähnten „finalen Vorentwurf“ und beschließt diesen.”
Nach der ersten Verwunderung ob der plötzlichen Zustimmung
von Bernd Lucke zum bis dahin erarbeiteten neuen Satzungsentwurf ergab sich die Auflösung beim Weiterlesen der E-Mail. (Zum
Verständnis sei hier angemerkt, dass nach der Verfahrensordnung
Regelungen mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden müssen.) Beabsichtigt war durch den Antragsteller, dass der Antrag
abgelehnt würde und dadurch die Arbeit der SK annulliert würde. Damit, so hoffte der Antragsteller Lucke, würde der „Erfurter
Entwurf“ unverändert von der SK weitergereicht. Ein listenreiches
Vorgehen, dem sich die Kommission jedoch versagte.
6 Erste Kompromissvorschläge
Die SK Bund unterbreitet ab 30.07.14 Bernd Lucke Kompromissvorschläge. Er solle fünf bis sieben Satzungsregeln nennen, bei denen er schwerwiegende Kritikpunkte anbringen könne. Über diese
wolle man dann nochmals beraten und abstimmen. Der Vorschlag
in mehreren Varianten findet keine Zustimmung bei Bernd Lucke.
7 Demokratiedefizit und der geplatzte Kragen
Der letzte Kompromiss-Vorschlag der SK vom 30.07.14 bleibt unbeantwortet; stattdessen erreicht die SK am 01.08.14 eine E-Mail
von Bernd Lucke mit dem Titel „Demokratiedefizite der Satzungskommission“. Im Verteiler sind auch die Landesvorstände.
Seine Beschwerde über die Beschränkung der Zahl seiner Veränderungswünsche auf fünf bis sieben Kernpunkte („warum diese
Beschränkung?“) gipfelt schließlich in den Worten: „Meine Damen
und Herren, mir platzt hier wirklich der Kragen! Wenn wir ernsthaft
reden wollen, dann können wir das tun. Aber ich habe weder Zeit
noch Lust, Spielchen zu spielen, die so wirken, als solle man mit
Verfahrenstricks auf den Leim geführt werden.“
8 Bernd Lucke verklagt die Satzungskommission
Am 13. August 2014 beantragt Bernd Lucke eine Einstweilige Anordnung gegen die Satzungskommission.
Bernd Lucke beantragt die Ungültigkeit der Beschlüsse der Satzungskommission wegen fehlender Anwesenheit von Mitgliedern
(seine eigene Abwesenheit an den ersten 9 Sitzungstagen, siehe
oben!). Beschlüsse könnten nur mit einer 2/3-Mehrheit der SollMitglieder, also 12, gefasst werden.
Außer neben der völlig unüblichen Beziehung der Mehrheit auf
Soll-Besetzungen haben Albrecht Glaser und Jens Paulsen in zwei
erwidernden Schutzschriften an das Bundesschiedsgericht u.a. auf
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folgende groben juristischen Fehler der Klage hingewiesen:
- Nicht-Zuständigkeit des Bundesschiedsgerichts
- Keine Parteifähigkeit auf Antragsgegnerseite vorhanden
- Abgelaufene Anrufungsfrist für Klage
- Rechtsschutzbedürfnis des Antragsstellers nicht vorhanden
- Antrag ohne Begründung
Nichtsdestotrotz gibt das Bundesschiedsgericht dem Antrag von
Bernd Lucke statt. Die Klage-Erwiderung wird vom Bundesschiedsgericht überhaupt nicht behandelt. Auch das eingelegte Rechtsmittel ist
bis zum heutigen Tag nicht behandelt und nicht entschieden worden.
9 Mitgliederaustausch und Repressalien
Ab August 2014 wurde durch teilweise groteske Aktionen versucht,
unliebsame Satzungskommissions-Mitglieder auszutauschen
oder zu beeinflussen. Ein Landesvorsitzender teilte die Erkrankung
„seines“ Mitglieds der SK mit, ohne dass dieser darüber Bescheid
wusste. Der Landesvorstand Berlin ersetzte seinen Vertreter durch
einen Angestellten der Bundesgeschäftsstelle. Das ursprüngliche
Mitglied könne aus beruflichen Gründen nicht mehr teilnehmen.
Der Vertreter des LV Brandenburg wollte den neuen Vertreter von
Berlin mit einer zweiten, also seiner Stimme ausstatten und dafür
selbst den Sitzungen fernbleiben.
Ständigen Repressalien und Mobbing ausgesetzt, schrieb am
16.09. ein Mitglied der SK in einer privaten E-Mail:
„… so etwas habe ich noch nie erlebt. Ich fühlte mich in die Enge
getrieben, angefeindet und ausgegrenzt. Was de facto auch der
Fall war. Werde ich aber öffentlich und offiziell nie zugeben…“
Des Weiteren bat ein SK-Mitglied in einem Telefongespräch um die
Durchführung der kritischen Abstimmungen in anonymer Form,
da sein Landesvorstand ihm jedes von Bernd Lucke abweichende
Abstimmverhalten einzeln vorgehalten habe.
Der (damalige) hessische Landesvorsitzende Gunter Nickel drohte
dem Sprecher der SK, Albrecht Glaser, mit dessen sofortiger Abberufung aus der Satzungskommission.
Ein anderes (eingetauschtes) Mitglied der SK berichtete im Vertrauen, dass sein Landesvorsitzender ihn mit dem Auftrag in die
SK entsandt habe, jeweils das Stimmverhalten von Bernd Lucke
abzuwarten, um sich dann stets anzuschließen.
10Die Ländertelefonkonferenz
Ab August 2014 beschäftigt sich nun auch die sogenannte „Ländertelko“ ausgiebig mit dem Thema Satzungskommission, unter
Koordination von Jens Paulsen, Landesvorstandsmitglied und Vertreter Niedersachsens in der SK. Die „Ländertelko“, weder Organ,
offizielles Partei-Gremium, noch mit einem Auftrag des Parteitages
ausgestattet, fasst nunmehr einige kuriose „Beschlüsse“ zum Thema: Die „öffentliche namentliche Online-Abstimmung“, um Landesvorständen die Möglichkeit zu geben, ihre SK-Mitglieder „auf
Spur“ zu bringen; ausserdem die Entsendung eines zusätzlichen
Vertreters pro Landesverband in die Sitzung, um den Mitgliedern
der Satzungskommission einen redeberechtigten Beobachter an
die Seite zu stellen, zur „breiteren Verankerung des Parteiwillens“;
zudem die Vorab-Zustimmung zu den drei Knackpunkten von
Bernd Lucke (Einzelspitze, Generalsekretär, Prinzip der „Doppelten
Mehrheit“ im Konvent). Als die Online-Abstimmung über diese „Beschlüsse“ der Ländertelko startet, spitzen sich die Einflussnahmen
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gegenüber den SK-Mitgliedern zu. Trotzdem erhält der Antrag lediglich 11 JA-Stimmen. Etwa zwei Stunden vor Ablauf der Abstimmungsfrist tritt ein bis dahin zögerndes, dem psychischen Druck
nicht mehr gewachsenes SK-Mitglied, aus der Satzungskommission zurück. Die notwendige 12 Stimmen-Mehrheit zur Manipulation der Beratungsergebnisse der SK wird nicht erreicht. Den illegitimen Pressionen auf sachkundige SK-Mitglieder blieb der Erfolg
(knapp) versagt.
11Was nicht passt wird passend gemacht:
Die Mehrheits-Beschaffung
Entgegen diesem tatsächlichen Ablauf der Ereignisse erklärt der
Koordinator der Ländertelko, Jens Paulsen, die Satzungskommission habe dem Antrag der Ländertelko zugestimmt.
Die Begründung dieser Darstellung lautete: Ein Landesvorstandsmitglied, das zwar nicht Mitglied der Satzungskommission sei,
aber dem gleichen Landesvorstand wie das zurückgetretene SKMitglied angehöre, habe ihm in einer E-Mail die Zustimmung
zum Antrag erklärt. Ferner könne man ausgehend von nunmehr
17 Kommissionsmitgliedern zur Berechnung der erforderlichen
2/3-Mehrheit von 11,33 auf 11 abrunden!
12Der Berliner Konsensvorschlag
Am 17.09.14 stellt das Berliner SK-Mitglied einen weiteren Vorschlag in den Raum; auch diesem sogenannten „Berliner Konsensvorschlag“ stimmt Bernd Lucke nicht zu.
13Die Sitzung unter Aufsicht
Am 20./21. September traf sich die SK ein weiteres Mal. Es sollten
die „Knackpunkte“ und weite Teile der Satzung mit den „Länderaufsehern“ nunmehr ein wiederholtes, drittes Mal beraten werden.
Von den Diskussionen über die Übertragung von Stimmrechten
und doppelten Stimmrechten bis zu den imperativ gesteuerten
Beiträgen einiger Länderbeobachter wird diese Sitzung jedem
Freund von Demokratie und des eigenständigen Denkens als Albtraum in Erinnerung bleiben.
14Der Putsch von oben
Am 2. Oktober 2014 teilt Bernd Lucke in einer E-Mail völlig überraschend mit, dass Glaser, Brett, Meier keine Sprecher/Schriftführer der Satzungskommission mehr seien. Vier Monate nach deren
Wahl in der ersten Sitzung:
Lieber Herr Meier,
haben Sie vielen Dank …
Eines möchte ich der guten Ordnung halber aber doch bemerken: Herr Glaser unterzeichnet unten als Sprecher und Sie als
Schriftführer der SK. Das ist nicht korrekt. Wir haben keinerlei
derartige Beschlüsse gefasst und die Wahlen der ersten Sitzung
sind wegen Nichterreichens der 2/3-Mehrheit nicht gültig.
Ungeachtet dieser formalen Feststellung möchte ich Sie ausdrücklich bitten, die Aufgaben des Schriftführers weiterzuführen,
denn Sie haben sie bislang m. E. in vorbildlicher Weise erledigt.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Bernd Lucke
SONDERAUSGABE | POLIFAKT
Ein Widerspruch aus der SK sowie ein Antrag auf Einstweilige Anordnung beim Bundesschiedsgericht vom 20.11.14 mit der Rüge,
dass die Zweidrittelmehrheit des Erfurter Parteitagsbeschlusses
über die Kommission sich nur auf die fachliche Arbeit der SK beziehe und nicht auf ihre Selbstorganisation, ist bis heute unbearbeitet.
15Übernahmeversuche durch Bundesgeschäftsstelle
12. Oktober 2014: Ohne Absprache oder Auftrag der Satzungskommission schreibt ein BGS-Angestellter und „tageweises SK-Mitglied
Berlin“ die AfD-Parteimitglieder mit der Bitte um Stellungnahme
zur Satzung an. Dem Anschreiben „im Namen der Satzungskommission“ werden unvollständige/unkorrekte Regelwerke angefügt.
Ferner stellt das Anschreiben fest, dass die FBO/GO/WO ungültig
seien, obwohl diese von der SK beschlossen waren; auch wird zum
Einsammeln der Mitgliederanträge nicht das von der SK beschlossene Verfahren verwendet. Reklamationen und Beschwerden verhallen ohne Reaktion.
31. Oktober 2014: Der (damalige) Bundesgeschäftsführer lädt die
Satzungskommission zu einer weiteren, letzten Sitzung ein. Ohne
Auftrag oder Absprache mit der SK, in Widerspruch zu deren Beschlüssen und deren Einladung, zu einem anderen Termin (Freitag/Samstag) und Ort (Berlin). Die eingeschränkte Verfügbarkeit
berufstätiger SK-Mitglieder, Terminüberschneidungen mit Landesparteitagen und BFA-Sitzungen interessieren nicht. Es werden
erneut die „Länderbetreuer“ zusätzlich zu den SK-Mitgliedern eingeladen. Auf der „Tagesordnung“ der Einladung findet sich zudem
der Punkt Neuwahl von Sprecher/Schriftführer der SK. (Anmerkung: Zu einer „Neuwahl“ kommt es aber nicht, da ein früherer
Bestätigungsbeschluss nicht mehr in Frage gestellt wird.)
16Ende und Tiefpunkt
Zum Wohle der Partei, sicherlich aber auch, um den „Länderbeobachtern“ nicht das Feld zu überlassen, kommen die Mitglieder der
SK der dubiosen Einladung nach. Man trifft sich zur abschließenden Sitzung in Berlin am letzten Freitag und Samstag im November 2014. Nach einem anfänglichen Tumult verläuft die Sitzung
verhältnismäßig ruhig, was angesichts der Vorereignisse durchaus
verwundert. Anhand der Mitgliederstellungnahmen werden große Teile der Satzungsregeln nun zum vierten Male diskutiert und
beraten.
Dem Abschluss des schmerzvollen Entstehungsprozesses des
neuen Satzungsentwurfs folgte dann die vorhersehbare Blamage
von Bremen: Der Satzungsparteitag.
Trotz aller Bedenken, Hinweise und Beschwerden und der Vorlage eines seriösen Rechtsgutachtens wurde der 3. Bundesparteitag
der Alternative für Deutschland „durchgezogen“. Das sollte viel
Geld kosten und erneut mehr Probleme bereiten als lösen. Wir alle
sitzen auf einer Rechtsruine, deren Reparatur bis in diese Stunden
noch nicht geklärt ist. Wir sind die Partei des „Rechtsstaats“ und
des Rechts. Dies klingt vielen von uns noch in den Ohren. In Wahrheit sind wir verkommen zur Partei der Parolen. Es braucht einen
Neuanfang! n
Werner Meier (Autor, Schriftführer Satzungskommission)
Julian Flak (Mitglied der Satzungskommission)
POLIFAKT
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Das Ende des Märchens
vom Flügelstreit
Bernd Lucke gründet mit einer Hand voll Getreuer einen Wahlverein
mit dem Namen „Weckruf 2015“ und treibt damit die zuvor bereits angekündigte
Spaltung der AfD einen weiteren Schritt voran.
Seit Wochen werden die Medien gezielt
mit der Mär gefüttert, in der AfD würde ein
Richtungsstreit zwischen dem wirtschaftsliberalen und dem wertkonservativen
Flügel toben. Vor allem Hans-Olaf Henkel
wurde nicht müde, die eigenen Parteimitglieder als „Rechtsideologen“ und „Spinner“ zu diffamieren und in stalinistischer
Manier die „Säuberung“ von diesen „Elementen“ zu fordern.
In Wahrheit hat der Streit ganz andere
Gründe. Lucke und Henkel fürchten einen
Kontrollverlust. Sie sahen sich zunehmend
Mitgliedern und Funktionsträgern gegenüber, die sich das autokratische Machtgehabe des Bundessprechers und seiner
Funktionselite nicht mehr gefallen lassen
wollten.
Bernd Luckes Abstieg begann im Moment
seines vermeintlichen Triumphes beim
Bundesparteitag in Bremen. Dort presste er
unter Androhung seines Rücktritts den Mitgliedern das Zugeständnis ab, beim nächsten Parteitag nur noch einen Sprecher zu
wählen – nämlich ihn, Bernd Lucke. Mit
äußerst knapper Mehrheit konnte er seinen Willen durchsetzen. Nicht wenige Mitglieder votierten bereits damals – um des
Parteifriedens willen – zähneknirschend in
seinem Sinne.
Lucke und Henkel
fürchten einen
Kontrollverlust
Der Widerstand gegen Luckes Machtallüren steigerte sich in den folgenden
Wochen. Die Auswertung der ersten Delegierten-Namen für den kommenden
Bundesparteitag bewog Lucke zu dem
Versuch, den Delegiertenparteitag in einen
Mitgliederparteitag umzuwandeln, den er
in Bremen noch vehement bekämpft hatte.
ICH
Foto: blunews.org/CC
Zu deutlich war die Bedrohung, von den
Delegierten nicht als Sprecher gewählt zu
werden. Zunehmend fühlten sich vor allem die aktiven Mitglieder, die das Gros
der Delegierten stellen, von Lucke unzureichend vertreten. Einmal weil zunehmend
Informationen aus dem intransparenten
Nebel der Parteispitze durchsickerten über
organisatorische, finanzielle und personelle Unzulänglichkeiten. Und zum anderen,
weil Lucke für viele Mitglieder wichtige Anliegen nicht in die Öffentlichkeit trug.
Während hundertausende Flüchtlinge
nach Deutschland strömten, ließ Lucke
die Themen Zuwanderung und Asyl links
liegen. Keine „klare Kante“ erfolgte auch in
der Griechenland-Frage. Obwohl der Grexit
nach dem Regierungsantritt von Tsipras
in allen deutschen Medien diskutiert wurde, verlor sich Lucke lieber im Klein-Klein
volkswirtschaftlicher Berechnungen, statt
beherzt den Austritt Griechenlands aus der
Eurozone zu fordern. Es schien als wollten
er und seine Gefolgsleute sich freiwillig in
das enge Korsett des politischen Establish-
ment zwängen.
Vernichtend fiel dann auch die Abstimmung darüber aus, ob der Parteitag doch
noch zu einem Mitgliederparteitag umgewandelt werden sollte. Die Mitglieder
sollten durch Spenden die Mehrkosten finanzieren. Lucke wollte die im Wahlkampf
erfolgreiche Geldbombe erneut zünden.
Doch die Bombe zündete nicht mehr. Statt
der benötigten 160.000,00 Euro kamen nur
ca. 50.000,00 Euro zusammen.
Prof. Lucke scheute vor der
Manipulation der eigenen
Mitglieder nicht zurück
Hier hätte Lucke noch einlenken können.
Doch stattdessen begann sein Parteifreund
Henkel die Presse mit unbelegten Behauptungen zu fluten, wie die Unterwanderung
der AfD durch „völkisches Gedankengut“.
Ein unrühmlicher Höhepunkt dieser Kampagne war ein Artikel in der FAZ, in dem
Henkel postulierte, eine „kleine Minder-u
SONDERAUSGABE | POLIFAKT
Seite 10
t heit“ von „stramm organisierten rechten Elementen“ würde einen Kreisverband nach dem anderen kapern und so
letztendlich die Mehrheit der Delegierten
stellen. Wie eine verschwindend geringe
Minderheit die Mehrheit der Delegierten
in einer 20.000-Mann-Partei stellen kann,
bleibt bis heute Henkels Geheimnis.
Auch Prof. Lucke scheute vor Stigmatisierung und Manipulation der eigenen Mitglieder nicht zurück. Ein von Prof. Lucke
propagierter, wenn nicht initiierter, Mitgliederentscheid wurde vom Bundeschiedsgericht als satzungs- und verfassungswidrig
erklärt. Dieser Mitgliederentscheid war von
vielen Mitgliedern kritisiert worden, da er
die Arbeit der Landes- und Bundesfachausschüsse konterkariert und programmatische Positionen außerhalb des vorgesehenen Programmfindungs-Prozesses
vorweggenommen hätte.
Weitere Niederlagen folgten. In Hamburg
errang die AfD nur 6,1% der Stimmen und
ließ die schon zu Grabe getragene FDP
wieder aufleben. In Bremen musste die
AfD gar um den Einzug in die Bürgerschaft
bangen, schaffte es schließlich knapp mit
5,5% und blieb damit deutlich hinter den
Erwartungen zurück. Der Wahlkampf war
überschattet von internen Querelen und
persönlichen Anfeindungen der AfD-Spitze.
Doch viele Mitglieder ließen sich nicht einmal mehr von der bedrohlich geschwungenen innerparteilichen Nazi-Keule beindrucken. Bernd Lucke spürte wohl die
Die Entscheidung über die
Zukunft Luckes in der AfD wird
spätestens auf dem Bundesparteitag in Essen fallen
bröckelnde Zustimmung. Der nunmehr
quasi mit dem Rücken zur Wand stehende Lucke griff in der Folge zu einer drastischen Maßnahme: In einer E-Mail an
alle AfD-Mitglieder rief Lucke zum Eintritt
in die Wahlinitiative „Weckruf 2015“ auf.
Er nutzte unter Missbrauch seines Amtes
seinen Zugriff auf Mitgliederdaten, um
private Werbung für die Keimzelle einer
Konkurrenzpartei zu machen. Damit hat er
die Unterstützung weiterer, ihm bis dahin
noch wohlgesonnener, Mitglieder verloren.
Die Entscheidung über die Zukunft Luckes
in der AfD wird spätestens auf dem Bundesparteitag in Essen fallen.
Die Zukunft der AfD entscheidet sich jedoch in den folgenden Wochen und Monaten.
Es liegt an uns, ob wir unsere Partei kampflos opfern oder an unseren Idealen festhalten wollen. Unsere Ziele und Vorstellungen
haben sich seit der Gründung nicht geändert; die Probleme und gesellschaftlichen
Risiken, aufgrund derer wir uns in der Alternative für Deutschland versammelt haben sind mitnichten kleiner geworden.
Wir haben bereits sehr viel erreicht. Innerparteiliche Querelen, persönliche Animositäten und autokratische Machtansprüche
haben jedoch größere Erfolge verhindert.
Wir lassen uns weder durch machttaktische Drohkulissen noch durch einen tatsächlichen Parteiaustritt der Weckrufer
von unseren Zielen abbringen. n
www.wir-halten-kurs.de
Statement-Beispiele zum Weckruf 2015 auf: www.wir-halten-kurs.de
Unter „Wir halten Kurs” sammeln sich Funktionäre und Verbände der AfD auf Kurs
Ich halte den Weckruf 2015 für einen absichtlichen Spaltungsversuch der AfD mit
sehr zerstörerischen Ambitionen. Wer deren
Satzung liest, unterschreibt und sich danach
noch Demokrat nennt, sollte sich Nachhilfestunden in Geschichte geben lassen. Ich fordere alle AfD Mitglieder, die stramm unseren
politischen Leitlinien folgen wollen, auf, sich
aktiv gegen den Weckruf 2015 zu verwenden. Es ist für mich vollkommen unerklärlich,
dass der BuVo eine Vereinbarkeit mit der AfD
sieht. Meines Wissens bestand die Absicht,
eine neue Partei zu gründen. Lucke tauschte
nach kurzem Widerstand das Wort Partei gegen Verein. Ich betrachte den Weckruf 2015
als meinen politischen Gegner, den ich bekämpfen und nicht unterstützen muss. Dieser
Verein hat u.a. die Aufgabe und Funktion, die
AfD in jedem Fall zu schwächen! Das ist vollkommen inakzeptabel und ich lehne das ab.
Ich plädiere dafür, die Weckrufer aufzufordern,
innerhalb einer bestimmten Zeit entweder die
AfD zu verlassen oder sich gegen den Weckruf 2015 zu äußern. Ein Vertrauensbruch hat
in jedem Fall stattgefunden, der eine lange
Heilungszeit benötigt, wenn er überhaupt zu
heilen ist. Karl aus O.
Ich lehne den Weckruf 2015 ab, weil die
AfD keinen Konflikt zwischen liberalen und
konservativen Mitgliedern hat. Nur einige
Funktionäre wollen möglichst schnell „regierungs- und koalitionsfähig“ werden und haben keine Lust auf Oppositionsarbeit. Alle anderen erfolgreichen europäischen, euro- und
einwanderungskritischen Parteien sind gegen
den Widerstand der Altparteien und Medien
erfolgreich geworden. Nur einige AfD-Funktionäre hoffen, daß die Regierungsparteien und
die Medien sie irgendwann lieben werden.
Jens aus H.
Ich möchte, dass wir wieder zu den ursprünglichen Zielen, die zur Gründung der
AfD geführt haben, zurückkehren. Dabei
sehe ich die AfD nicht als Mehrheitsbeschaffer
für die Union oder als neue FDP 2.0 . Wenn wir
wirklich etwas bewirken wollen, müssen wir
weiterhin zu unseren ursprünglichen Zielen
stehen und für unsere Überzeugungen kämpfen. Dabei finde ich es traurig, dass einzelne
Mitbegründer unserer Partei diese gemeinsamen Ziele mittlerweile verraten haben.
Christian aus K.
Die AfD als einzige politische Alternative
zu den Altparteien muss weiterhin auf Erfolgskurs bleiben. Es gilt, für unsere Bürger
und unser Land Missstände und Fehlentwicklungen zu benennen, politische Lösungen zu
entwickeln und diese notwendigen Veränderungen entschlossen und gemeinsam anzugehen. Nur so halten wir Kurs!
Thomas aus D.
Als Mitglied von 2013 an bin ich es leid,
wenn von oben herab der usprüngliche Kurs
der AfD um nahezu 180° gedreht werden soll,
die Parteispitze aber weiterhin bereitwillig den
Einsatz, Arbeitswillen und Enthusiasmus der
Mitgliedschaft auszunutzen gedenkt. Diese
Egotrips im Vorstand müssen ein Ende haben!
Wir halten Kurs! Danke an alle Mitstreiter!
Lorenz aus M.
Wir halten Kurs! Das verstehe ich wie eine
Art „Reset“ zu den Anfängen, wie diese von
den Initiatoren aufgelistet ist. Dem stimme
ich voll und ganz zu und bin dabei, „Kurs zu
halten“! Robert aus R.
POLIFAKT
| SONDERAUSGABE
Seite 11
Die Anatomie des Weckrufs
Von Albrecht Glaser
Wie ist er entstanden?
Die Antwort beginnt mit Bernd Lucke.
Schon auf dem Berliner Parteitag im April
2013 trat er als die dominante Gründerfigur auf.
Er hielt eine eurokritische Rede. Dieses
Thema sei sein Wimbledon. Jenseits dieses Themas artikulierte er allgemeines
Unbehagen mit der Politik und den Politikern. Die Stimmung war danach. Die 1.400
Menschen, die zusammengeströmt waren,
waren hungrig nach einer allgemeinen Lageanalyse. Ohne Aussprache solle hierüber
eine Abstimmung unter den Beteiligten erfolgen. Vier Begriffe benutzte er, die Nahrung sein sollten für die Phantasie der Anwesenden: Gesunder Menschenverstand,
Mut zur Wahrheit, Altparteien und Volksabstimmungen.
Die Versammelten und die Menschen im
Lande, die schnell Mitglieder der AfD wurden, bildeten sich ihre eigenen Vorstellungen vom Gründungsmythos und davon,
welche politischen Ziele man miteinander
verfolgen wolle. Dies war auch bei den
über 2.000.000 Wählern so, welche die AfD
in der BT-Wahl und der Europawahl ihre
Stimme gegeben haben. Immerhin wurden
einige Konkretisierungen versucht.
„Die AfD will eine EU souveräner Staaten.
Die Mitglieder bildeten sich ihre
eigenen Vorstellungen welche
politischen Ziele man
miteinander verfolgen wolle
Einen europäischen Bundesstaat lehnt
die AfD ab, da es keine europäische Nation und kein europäisches Staatsvolk gibt.
Die AfD bekennt sich zu einer EU, die der
Aufklärung sowie dem Streben der Völker
nach Menschenrechten und Demokratie
gerecht wird und die Wertgrundlagen des
christlich-abendländischen Kulturkreises
dauerhaft erhält.“
„Wir halten die Meinungsfreiheit und somit eine offene Diskussionskultur für eines
Foto: fotolia
der wichtigsten Güter der Gesellschaft. Wir
wenden uns mit Nachdruck gegen zunehmend verbreitete Tendenzen selbsternannter Gesinnungswächter, Andersdenkende
einzuschüchtern oder gesellschaftlich
auszugrenzen. Die AfD setzt sich dafür ein,
dass auch Religionskritik der Meinungsfreiheit unterliegt. Wir treten dafür ein, dass
auch Auffassungen, die abseits vom Meinungskorridor der etablierten Parteien liegen, angemessen in der Berichterstattung
der Medien Platz finden.“ (These 5 der sog.
Leitlinien der AfD, ebenfalls auf dem Erfurter Parteitag im März 2014 beschlossen)
Seit Herbst 2013 fanden Satzungsdiskussionen statt, in welchen um die innere Verfassung der „neuen Partei“ gerungen wurde und es wurden sieben Abgeordnete in
das EU-Parlament gewählt. Beides führte
zum Zwang, konkret zu werden. Und da
alle Wahrheit im Detail steckt, zeigte sich
schnell die Differenz zwischen abstrakt
und konkret und zwischen Reden und Tun.
An einem milden Herbstmorgen im Oktober 2013 betrat Bernd Lucke einen Verhandlungsraum, in welchem sich die meisten BuVo-Mitglieder versammelt hatten
und alle Landessprecher. Ohne Tagesordnungsbezug, Ankündigung und Vorrede
erklärte er, er sei für eine Einer-Spitze im
Vorstand und wolle einen Generalsekretär.
Ohne Aussprache solle hierüber eine Abstimmung unter den Beteiligten erfolgen.
Er sprach‘s und hob den Arm.
In dieser Urszene ist alles abgebildet, was
seither die Partei beschäftigt und in jüngster Zeit in Atem hält. Vorstellungen und
Absichten, eine „neue“, für die Mitglieder
partizipativ erlebte Partei mit besonders
transparenten Strukturen zu schaffen, gab
es nicht und gibt es nicht. Eine Sicht auf Europa, in welcher die Dramatik erkannt wird,
wie die EU längst Bundesstaat spielt und
eine Strategie, dort gegenzuhalten, gab es
nicht und gibt es nicht. Stattdessen steht
die EU als bedingungsfreier Glaubensinhalt
im Katechismus der Weckrufsatzung. Die
Wiederherstellung von echter Meinungsfreiheit in diesem Land, nicht zuletzt unter Berufung auf den Grundrechtskatalog,
den weder die Gender-Fanatiker noch die
Ohne Aussprache solle
hierüber eine Abstimmung
unter den Beteiligten erfolgen
Imame in den wöchentlichen Predigten
anerkennen, ist kein Thema mehr. Religionskritik, die natürlich beim Islam reichlich Anknüpfungspunkte finden muss u
SONDERAUSGABE | POLIFAKT
Seite 12
t und tatsächlich etwas mit dem „christlichen Abendland“ zu tun hat, ist neuerdings „Islamphobie“. Das können wir so
in der Weckrufsatzung lesen, obwohl wir
gestern in die „Leitlinien“ noch etwas ganz
anderes hineingeschrieben haben.
Die Weckrufsatzung ist der Offenbarungseid. Daran ändern auch einzelne aus der
AfD-Satzung abgeschriebene Passagen
nichts. „Politische Grundsätze“, die zwischen Allgemeinplätzen und Mainstreamsprache changieren. Natürlich eine Hierarchie, die das Durchregieren von oben nach
unten zulässt, wie es Strohmännern und
Strohfrauen beliebt. Es ist völlig gleichgültig, wer unter Lucke Vereinsvorsitzender ist. Die Antwort endet daher auch mit
Bernd Lucke.
Wer wird dort Mitglied?
Zunächst die Gefolgsleute. Solche, die
es seit der ersten Stunde sind und nicht
schlecht damit gefahren sind. Viele von
ihnen haben Ämter und bezahlte Posten
bekommen. Viele weitere haben welche
versprochen bekommen. Wenn sie nicht
funktioniert haben, sind sie auch wieder
schnell entfernt worden. Das Befehlen und
Gehorchen sind deren Tugenden. Deshalb
braucht es auch einen „General“.
Und dann gibt es auch solche, die sind von
Geburt an Gefolgsleute. Sie können sich
eine Partei nur mit einem starken Mann
vorstellen. Das sei „in der Wirtschaft“ doch
auch so, sagen sie und die funktioniere
doch gut. Diesem organisationswissenschaftlichen Denken ist jedoch entgangen,
dass Parteien gewissermaßen alternativ zu
einem Unternehmen funktionieren. Dort
ist der Chef nämlich der, der fast alles bestimmt. Er kann auch nicht von der Mitarbeiterschaft gewählt und abgewählt werden. Und er muss auch nicht das tun, was
die Mitarbeiter wollen, sondern umgekehrt.
Die Mitarbeiter sind zur Dienstleistung
nach Anweisung verpflichtet; bei Parteien
– und je demokratischer umso eher – funktioniert alles gerade umgekehrt.
Und dann gibt es noch die Gruppe derer,
die mit lauten Beschimpfungen aus der AfD
ausgetreten sind, weil sie ihre Herrschaftsansprüche nicht durchsetzen konnten. Die
wollen es jetzt denen von der AfD heimzahlen.
Was tut der Weckruf?
Er deklariert den Kampf um Macht als einen Krieg der „Vernünftigen und Anständigen“, wie Olaf Henkel sagt, gegen „das Gesindel, das die AfD magnetisch angezogen
habe“, wie ein abgewählter und danach
ausgetretener Landessprecher öffentlich
schrieb, der jetzt Mitglied im Weckruf ist.
Die beschriebene Machtelite und ihre Gefolgschaft haben erkannt, dass des Kaisers
neue Kleider den Blick freigeben auf die politische Nacktheit des gesamten Hofstaates. Deshalb haben sie sich bewaffnet mit
europäischem Geld, das in der EKR-Fraktion wohl reichlich zur Verfügung steht, um
gegen echte Euro-Kritiker zu kämpfen. Dabei gehen sie davon aus, dass alle, die sich
bei Hofe nicht so genau auskennen, den
Trick mit den neuen Kleidern nicht bemerken. Mit den ferner stehenden Mitgliedern
kann man es noch einmal versuchen.
Sie führen, soweit sie Doppelmitglied sind,
den Krieg um ihre Macht und gegen eine
AfD, die sich vom Autoritarismus emanzipieren will. Um einem solchen feindlichen
Angriff den Vorwurf der Illoyalität zum
Mutterhaus zu nehmen, geben sie die Parole aus, sie wollten die AfD doch retten.
Diese sei unter eben dieses „Gesindel“ gefallen. Davon müsse sie „gesäubert“, mithin gerettet werden.
Dies ist des Pudels Kern.
Persönliche Angriffe liegen dem Autor fern!
n
POLIFAKT
| SONDERAUSGABE
Seite 13
Staatsraison „Euro”
Beatrix von Storch über die Lehren aus Griechenland für den Programmprozess der AfD
ges dorthin eröffnet. Diese Handlungsmöglichkeiten sind für die Öffentlichkeit zudem
attraktiv, weil sie die konkreten Kosten des
Euro bzw. dessen Rettung adressieren und
reduzieren. Sie sind daher leichter mehrheitsfähig als das mit großerw Unsicherheit verbundene Austrittsszenario. Einige
konkrete Vorschläge hierzu könnten wie
folgt lauten:
Foto: fotolia
Das Hickhack um Griechenland hat gezeigt: Die AfD muss ihre Position zum Euro
überdenken und verfeinern. Denn der Euro
ist deutsche Staatsraison. Deutschland
verteidigt den Euro bis zur Schmerzgrenze
und darüber hinaus. Man stelle sich vor,
was diese offizielle Haltung für den deutschen Staatshaushalt im Falle einer Krise
in Frankreich oder Italien bedeutet, wenn
das kleine Griechenland schon so viel abverlangt. Die AfD wird daher - so viel Realismus muss sein - im Jahr 2017 in den
Bundestag, aber nicht in Regierungsverantwortung kommen. Denn alle anderen
Parteien tragen den Euro aus Gründen der
Staatsraison und sind daher miteinander
koalitionsfähig. Die AfD ist es aber nicht.
Die AfD ist daher eine Partei, die quer zum
System steht.
Wir müssen davon ausgehen, dass die finanziellen und ökonomischen Schäden
des Euro und seiner Rettung weiter anwachsen werden. Diese Schäden resultieren aus den von den Regierungskoalitionen übernommenen Verpflichtungen im
Rahmen der Rettungsmechanismen von
ESM und EFSF sowie bilateraler Hilfen.
Dazu kommen Haftungsverpflichtungen
aus dem Tun der EZB. Das Target2-System
generiert Haftungsverpflichtungen, die auf
Deutschland bei einem Auseinanderbrechen des Euro hinzukommen, ebenso wie
Abschreibungsverluste der EZB auf die von
ihr durchgeführten oder vorgehaltenen
Anleihenkaufprogramme EAPP, SMP, CBPP
und OMT. Schließlich kommen zu diesen
direkten finanziellen Verpflichtungen ökonomische Schäden durch die Inflationspolitik der EZB, die den Geldwert aushöhlt
und die Sparvermögen enteignet.
Kurzum, die finanziellen und ökonomischen Risiken der Euro-Rettungspolitik
sind immens. Bisher hat die AfD allein
Lösungen gesucht, um den Euroraum insgesamt neu zu ordnen oder sich für den
Austritt von Deutschland ausgesprochen.
Angesichts der Tatsache, dass der Euro für
die Konkurrenzparteien Staatsraison ist,
wird es dazu vorerst nicht kommen. Die
finanziellen Schäden werden weiter anwachsen und die ökonomischen Verwerfungen sich vertiefen.
Die AfD muss daher ihr Programm um
Punkte ergänzen, die den Schaden aus dem
Euro für Deutschland minimieren, ohne in
Konflikt mit der Staatsraison zu kommen.
Um es zu betonen: Ich plädiere natürlich
weiterhin dafür, den Euro aufzugeben und zwar insbesondere durch einen Austritt Deutschlands. Doch dieses AlternativSzenario muss unterfüttert werden durch
eine Programmatik, die der AfD politische
Handlungsmöglichkeiten entlang des We-
Deutschland
verteidigt den Euro
bis zur Schmerzgrenze
und darüber hinaus.
Foto: fotolia
1. In erster Linie muss für den Zusammenbruch des Eurosystems und einen
deutschen Ausstieg aus dem Euro vorgesorgt werden. In diesem Falle mutieren
die Target2-Salden der Nationalen Zentralbanken zu Forderungen gegen das Eurosystem. Zum 31. Dezember 2014 hatte
Deutschland eine Forderung von rund 460
Milliarden Euro gegen das Eurosystem. Das
waren rund 60 Prozent der Bilanzsumme
der Bundesbank. Aktuell beträgt der Saldo
532 Milliarden Euro. Bricht das Eurosystem auseinander, wäre diese Forderung
uneinbringlich. Sie ist zudem unbesichert.
Die deutsche Bundesbank müsste sie abschreiben.
In erster Linie sollte die Bundesbank verpflichtet werden, ihre Aktiva krisenfester
zu gestalten. Im Falle einer Währungs- u
SONDERAUSGABE | POLIFAKT
Seite 14
t
krise taugen Währungsreserven zur
Krisenbewältigung nur bedingt. Deshalb
sollte der Bundesbank - nach dem Vorbild
der Schweizer Gold-Initiative - durch eine
Änderung des Bundesbankgesetzes aufgegeben werden, einen bestimmten Anteil
ihrer Aktiva in Gold zu halten. Gold reagiert
auf Verwerfungen der Währungsmärkte
wie ein Absicherungsinstrument und steigt
gegenüber solchen Währungen im Preis,
deren Zentralbanken riskante inflatorische
Geldpolitiken verfolgen. Das Gold der Deutschen Bundesbank wurde zum Jahreswechsel mit 107 Milliarden Euro beziffert.
Das war ein Anteil von rund 14 Prozent an
den gesamten Aktiva der Bundesbank. Die
Gold-Quote der Bundesbank könnte z.B.
auf mindestens 30 Prozent der Aktiva festgelegt werden, die sie in einer angemessenen Übergangszeit erfüllen muss. Bis zur
Aufhebung der Quote im Jahr 1999 war die
Schweizer Nationalbank gesetzlich zu einer Quote von 40 Prozent verpflichtet.
Aufbau und Erhalt
wertbeständiger
Währungsreserven bei der
Deutschen Bundesbank
2. Zudem sollte die Bundesbank per Gesetz verpflichtet werden, das Gold nicht
zu beleihen und vollständig im deutschen
Inland zu lagern. Erfolg und Akzeptanz einer neuen nationalen Währung hängen
entscheidend von den verfügbaren Währungsreserven ab. Der Aufbau und Erhalt
wertbeständiger Währungsreserven bei
der Deutschen Bundesbank ist die einzige Möglichkeit, zur nationalen Währung
zurückzukehren, ohne konfiskatorisch auf
die Privatvermögen auf deutschem Boden zuzugreifen, wie es im Rahmen von
Währungsreformen historisch üblich ist.
Eine an Gold gekoppelte und durch Gold
gedeckte Währung ist einer ungedeckten
Währung vorzuziehen.
Der Charme dieser beiden Punkte liegt darin, dass er im Rahmen nationaler Politik
durch eine Änderung des Bundesbankgesetzes umsetzbar wäre. Das unterscheidet
beide Anliegen von der Forderung nach
direkter Absicherung der Target-Salden
durch Gold. Dies ist wünschenswert, erfordert aber ein Vorgehen im Konzert mit den
anderen europäischen Gläubigerstaaten.
Beatrix von Storch
Eine Mehrheit dafür ist derzeit nicht ersichtlich. Sollte hier eine Mehrheit organisiert werden können, so sollte gleichzeitig
darauf hingewirkt werden, dass sich die
Stimmgewichtung im Rat der EZB künftig
anhand der Kapitalanteile orientiert.
Zudem sollte auch das deutsche Bankensystem auf einen freiwilligen Dexit bzw.
einen unfreiwilligen Zusammenbruch des
Euro mit Rückkehr zur nationalen Währung
vorbereitet werden. Die Bilanzen müssen
krisenfest und insbesondere die Kundeneinlagen geschützt werden. Kreditinstitute
sollten die auf Sparkonten liegenden Kundengelder von ihrem eigenen Vermögen
getrennt verwahren müssen, um diese in
der Insolvenz einer Bank vollständig zu
erhalten. Denn im Falle eines Zusammenbruchs des Euro wird der überschuldete
Teil der deutschen Kreditwirtschaft - insbesondere die Großbanken - eine Systemkrise
erleben. Die staatliche und private Versicherung von Einlagen wird dies nicht bewältigen können.
Da der wahrscheinliche Auslöser für einen
Zusammenbruch des Euro oder einen Dexit
die Überschuldung eines größeren Staates
wie Frankreich oder Italien ist, sollte auch
der Staatsbankrott berücksichtigt werden.
Die Nullgewichtung von Staatsanleihen
sollte schleunigst aufgehoben werden.
Zudem sollten Banken Kredite an Staaten
wie Großkredite an Unternehmen behandeln, um Klumpenrisiken zu vermeiden.
Gold sollte dagegen mit einem Nullgewicht
versehen werden, um Banken zu seinem
Erwerb zu ermutigen. Es versteht sich von
selbst, dass deutsche Banken bzw. ihre
Gläubiger im Krisenfall nicht durch Steuergelder gerettet werden dürfen. Die entsprechenden Gesetze sollten dann schlicht
nicht angewendet werden. n
Eine große Tageszeitung hat kürzlich in
ihrer Sonntagsausgabe getitelt, dass liberale Wirtschaftsprofessoren mit der AfD
haderten. Denn die AfD von heute habe
nichts mehr mit der Gründungs-AfD zu
tun. Ich sehe dies anders. Die AfD war
damals wie heute die einzige Partei im
deutschen Parteiengefüge, die eine konsequent ordoliberale Richtung vertritt. Sie
hat sich gegenüber ihrer Gründungsphase thematisch nur in einer Hinsicht verändert. Sie ist mittlerweile deutlich breiter aufgestellt.
Während die CDU/CSU sich in der großen
Koalition mit der SPD von letzten Resten
marktwirtschaftlichen Ordnungsdenkens
ebenso endgültig verabschiedet hat wie
von dort in früheren Zeiten angesiedelten aufgeklärt konservativen Positionen,
vertritt seit zwei Jahren allein die AfD dieses für den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes grundlegende und zwingend
notwendige Denken (die in kompletter
inhaltlicher Beliebigkeit versinkende FDP
darf hier getrost außer Acht gelassen
werden).
Zwei Sinnbilder dieses Untergangs ordoliberaler Überzeugungen in der Union
zugunsten politischen Machtbestrebens
sind das Mindestlohngesetz und die
Mietpreisbremse.
Die AfD hat sich frühzeitig und entschlossen gegen einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn ausgesprochen.
Diese nur vermeintliche „soziale Errungenschaft“ stellt ein staatlich verordnetes
Verbot für eine ihre Arbeitskraft anbietende Person und einen unternehmerischen Nachfrager dieser Arbeitskraft dar,
Die AfD
ist mittlerweile
deutlich breiter aufgestellt
sich auf eine Entlohnung unterhalb des
gesetzlichen Mindestlohns einigen zu
dürfen. Damit löst der Mindestlohn keine
Probleme im Niedriglohnsektor, sondern
schafft zusätzliche neue. Er verursacht
erstens zwangsläufig weitere Arbeitslosigkeit, indem er verhindert, dass Geringqualifizierte, die für ihren Arbeitgeber
nicht den Mindestlohn erwirtschaften
können, zu einem niedrigeren als diesem Lohnsatz doch beschäftigt werden können. Zweitens erweist er sich in
POLIFAKT
| SONDERAUSGABE
Seite 15
Eine Lanze für den
Ordoliberalismus
Prof. Dr. Jörg Meuthen
kaum mehr zu zählenden Beispielen als
ein bürokratisches Ungeheuer, denn die
Durchsetzung, Dokumentation und Überwachung der Einhaltung dieses neuen
Gesetzes verlangen geradezu absurde –
und teure – Maßnahmen bei den Unternehmen wie der staatlichen Verwaltung.
Der Mindestlohn sorgt somit drittens für
erhebliche Mehrbürokratie, die von den
Steuerzahlern bezahlt werden muss.
Nicht anders verhält es sich mit der
Mietpreisbremse. Auch mit dieser greift
die Bundesregierung in private Verträge
und die freie Preisbildung am Markt ein.
Die Parteien eines Mietvertrages dürfen
demnach nicht frei entscheiden, welchen
Mietzins sie vereinbaren. Damit wird
auch hier eines der elementaren Prinzipien der Marktwirtschaft mit Füßen getreten: die Vertragsfreiheit. Und wie beim
Mindestlohn hat auch dieser staatliche
Eingriff Folgen. Wenn Vermieter nicht
mehr die Preise verlangen dürfen, die am
freien Wohnungsmarkt durchsetzbar wären, wird sich das im verfügbaren Wohnungsbestand bemerkbar machen. Zwar
nimmt die Mietpreisbremse den Neubau
aus. Doch Erhaltungsinvestitionen in
mietpreisregulierte Bestandswohnungen
werden ausbleiben. Eine Konsequenz
wird sein, dass die Bestandswohnungen
in der Qualität verfallen. Zu den Gewinnern werden die Rechtsanwälte von Mietern und Vermietern gehören.
Für beide Fälle gilt: Es handelt sich um
ordnungspolitisch unhaltbare staatliche
Eingriffe in den Preisfindungsprozess. Der
Mindestlohn setzt eine Preisuntergrenze,
die Mietpreisbremse ist faktisch eine Preisobergrenze. Beide haben unterschiedliche, aber vergleichbare Effekte einer
dauerhaften, weil staatlich verordneten
Störung des Marktes zu Lasten letztlich
beider Marktseiten. Der Mindestlohn
setzt als Untergrenze Preise über dem
gleichgewichtigen Marktpreis fest. Das
Angebot wird die Nachfrage dauerhaft
übersteigen. Es wird Niedrigqualifizierte
geben, die gern arbeiten würden, aber keinen Arbeitgeber finden, der bereit ist, den
Mindestlohn zu bezahlen. Die Behauptung
der Mindestlohn koste keine Arbeitsplätze,
ist unsinnig: Wenn ein Mindestlohn von
8,50 Euro keine Auswirkungen hat, warum kann man ihn dann nicht gleich auf
15 oder 20 Euro erhöhen? Es ist absehbar,
dass die durch ihn heraufbeschworenen
Probleme alsbald nach einer Lösung ver-
Prof. Dr. Jörg Meuthen
Die AfD ist die einzige Partei,
die den Prinzipien der
Marktwirtschaft wieder Geltung
verschaffen kann
langen werden. Und so wird die Politik
sich mit der zusätzlichen Arbeitslosigkeit
unter Geringqualifizierten beschäftigen. Es
wird neue Förderprogramme und Qualifizierungskurse der Arbeitsagentur geben:
mehr Staat, mehr Bürokratie, mehr politische Macht.
Nicht anders verhält es sich, wenn der
Staat wie bei der Mietpreisbremse Preise unter dem Marktpreis festsetzt. Dann
wird die Nachfrage das Angebot notwendigerweise übersteigen. Es wird geradezu
zwangsläufig – quantitativ wie qualitativ –
zu weiterem Wohnraummangel kommen.
Wohin vorgeblich „soziale“ Höchstpreise
führen, kennt man hinlänglich aus der
Praxis der sozialistischen Experimente des 20. Jahrhunderts: Die Menschen
stehen Schlange, um die begehrten und
nie für alle ausreichenden Waren zu bekommen. Auch hier wird sich der Staat
wieder – wie beim Mindestlohn – als der
Löser des Problems anbieten, das er doch
selbst erst geschaffen hat: Der unsinnige
„Soziale Wohnungsbau“ längst vergangener Jahrzehnte, ein Instrument, dessen Ineffektivität und Ineffizienz in ungezählten
Studien belegt wurde, feiert inzwischen
wieder fröhliche Urständ.
Aus diesem Teufelskreis des Interventionismus gilt es auszubrechen. Dazu bedarf
es eines klaren ordnungspolitischen Kompasses, der unmissverständlich aufzeigt,
dass vermeintlich soziale Eingriffe in den
Preismechanismus vieles sind, aber in ihren Wirkungen ganz sicher nicht sozial.
Es gilt, diesen Marsch in den immer weiter um sich greifenden Interventionsstaat
zu bekämpfen und zu beenden. Sonst
laufen die Menschen in einer freiheitlichen Gesellschaft Schritt für Schritt – und
leider meist unbemerkt – in eine von den
politischen Entscheidungsträgern in der
Regel sehr gezielt angestrebte und fatale
Abhängigkeit vom Staat.
Von den etablierten Parteien, die diese
Spirale über Jahre hinweg weitergedreht
haben, ist diesbezüglich keine Ehrlichkeit
zu erwarten. Sie haben dieses Spiel über
Jahre gespielt und sie spielen es mit all
ihrer derzeitigen Macht weiter. Sie werden sich nicht freiwillig selbst auswechseln und das Spiel vom Rand des Spielfelds aus verfolgen. Das passiert nicht in
der Euro-Politik und es wird auch nicht
im Mietrecht oder beim Arbeitsmarkt geschehen. Die AfD ist die einzige Partei, die
den Prinzipien der Marktwirtschaft wieder Geltung verschaffen kann. Die AfD ist
ein in diesem Sinne politisch unbeschriebenes Blatt, das gerade dadurch einen
ordoliberalen Neuanfang ermöglichen
kann.
Damit steht auch die heutige und zukünftige Rolle der AfD fest: Sie stellt Prinzipien
über die Macht. Statt in Permanenz politischen Interventionismus zu fordern und
dem Wähler nach dem Munde zu reden,
ist ihr Auftrag, durch Aufklärung und mit
aller dazu notwendigen Geduld die Interventionsspirale zu durchbrechen. Diesem
Auftrag gilt es gerecht zu werden. n
SONDERAUSGABE | POLIFAKT
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„Mut zur ganzen Wahrheit“
Ein Gespräch über AfD-Veranstaltungen mit hochrangigen Diplomaten, Versäumnisse
in der Zuwanderung und die Ukraine-Krise mit dem AfD-Außenpolitiker Petr Bystron.
Bystron: Natürlich. Aber mindestens
genauso auch an unsere Mitglieder!
Denn ich habe solche Aussagen auch
bei anderen AfD-Veranstaltungen gehört.
Zuletzt bei einem Vortrag in Traunstein,
den die Patriotische Plattform organisiert
hatte. Dort versuchte eine Gruppe der
Grünen Jugend die Diskussion mit vermeintlich unbequemen Fragen zu sprengen. Da diskutierten fast alle mit: Die
Grünen, die Referenten, die Zuschauer.
Zum Schluss sagte ein ortsansässiger
Arzt aus dem Publikum, eine Diskussion
auf einem solch hohen Niveau habe er
bei der CSU noch nie erlebt. Das war ein
tolles Erlebnis.
Petr Bystron, immer auf den Punkt: „Die Leidtragenden sind die Europäer.“
Polifakt: Herr Bystron, Sie haben bundesweites Aufsehen mit den „Diplomatischen Gesprächen“ erregt, die Sie als
Vorsitzender des LFA Europa- und Außenpolitik veranstaltet haben. Was waren
die wichtigsten Erkenntnisse aus diesen
Gesprächen mit hochrangigen Vertretern
der USA, Russlands und Chinas?
Bystron: Die Aussagen waren höchst
unterschiedlich. Für den US amerikanischen Generalkonsul Bill Moeller war
es am wichtigsten, dass wir dem TTIP
Abkommen zustimmen. Dem Vertreter
Russlands, Andrej Grozov, lag wiederum
sehr daran, dass wir die Hintergründe
der Ukraine-Krise verstehen und dabei
nicht Ursache und Wirkung verwechseln.
Interessant war auch der formale Aspekt.
Grozov nannte zum Beispiel die Amerikaner stets „unsere amerikanischen Freunde“. Gerade bei seinen Erläuterungen
des US-amerikanischen Engagements in
der Ukraine war es natürlich ein sehr fein
ziselierter Sarkasmus.
Polifakt: Und die Chinesen?
Bystron: Der chinesische Generalkonsul
war für uns alle die größte Überraschung.
Er wollte eine geschlossene Veranstal-
tung nur für Mitglieder des LfA, sprach
dann aber ungewöhnlich offen und blieb
mit uns anschließend auf einige Bier sitzen.
Zum Schluss sagte er, er freue sich sehr
darüber, dass wir so gar nicht dem Bild der
bösen Partei entsprächen, welches von
uns die Medien gerne zeichnen. Die Aussage hätte gut in eine öffentliche Veranstaltung gepasst.
Polifakt: Warum?
Bystron: Nun, wenn es uns im Fachausschuss ausschließlich um den reinen Erkenntnisgewinn gegangen wäre, hätten wir
alle diese Gespräche hinter verschlossenen Türen führen können. Wir entschieden
uns bewusst für öffentliche Veranstaltungen, um das Image der AfD in der Öffentlichkeit zu stärken. Das gelingt uns sehr
gut. Zum einen sind die Veranstaltungen
immer ausgebucht. Bei dem Amerikaner
hatten wir doppelt so viele Besucher als
die CSU und da hatte Peter Gauweiler
moderiert! Zum anderen, und das ist noch
wichtiger, sagte bisher bei jeder Veranstaltung jemand aus dem Publikum, er sei das
erste Mal bei der AfD und ihn beeindrucke
das hohe Niveau der Diskussion.
Polifakt: Ein Kompliment für die Referenten.
Polifakt: Zurück zur Außenpolitik. Wie
positioniert sich die AfD außenpolitisch?
Bystron: Ich werde hier nicht die Ergebnisse der programmatischen Arbeit von
hunderten engagierten Mitgliedern in den
Fachausschüssen bundesweit vorwegnehmen. Eines ist jedoch klar: Wir leben
in Zeiten eines Paradigmenwechsels. Die
USA versuchen ihre Stellung als einzige Hegemonialmacht der Welt für den
Preis eines Militäretats, der größer ist als
die Militärausgaben Russlands, Chinas,
Frankreichs und Deutschlands zusammengerechnet, zu halten. Gleichzeitig
erstarken die Bestrebungen einiger Länder, sich von dem Einfluss der USA zu
emanzipieren – allen voran Russland und
China. China ist zusammen mit den übrigen BRICS-Ländern gerade dabei, mit
der AIIB (Asian Infrastructure Investment
Bank) ein Gegengewicht zum IWF aufzubauen, der von den Amerikanern dominiert wird. Beide Strömungen schreiten
unaufhaltsam voran, obwohl sie konträr
ausgerichtet sind.
Polifakt: Stehen wir vor einem Weltkrieg?
Bystron: Die Beziehungen der Länder
sind stark verwoben, die gegenseitigen
wirtschaftlichen
Abhängigkeiten sehr
hoch. Die Aggression ist eher unterschwellig, an der Oberfläche kooperie-
POLIFAKT
| SONDERAUSGABE
ren noch alle miteinander, wenngleich
wir eine zunehmende Verschlechterung
der Beziehungen der USA zu Russland
in den letzten zwei Jahren wahrnehmen.
Einen globalen Konflikt sehe ich in einer
absehbaren Zeit nicht. Die Konflikte haben eher einen lokalen Charakter – sowohl im Nahen Osten wie auch in der
Ukraine. In beiden Fällen sind jedoch
die Leidtragenden - neben der von den
Kriegshandlungen unmittelbar betroffenen Bevölkerung – die Europäer.
Polifakt: Inwiefern?
Bystron: Die gegen Russland wegen
der Ukraine-Krise verhängten Wirtschaftssanktionen sind zwar vor allem auf
Druck der USA zustande gekommen, betroffen sind jedoch vor allem europäische
und in erster Linie deutsche Exportunternehmen. Hier müssen wir also mit dem
Wegbrechen unserer Exporte zurecht-
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kommen. Für manche Betriebe sind die
Ausfälle existenzbedrohend. Gleichzeitig
strömen zu uns hunderttausende Flüchtlinge aus komplett destabilisierten Regionen
wie dem Nahen Osten oder Nordafrika.
Polifakt: Es heißt, Deutschland braucht
Zuwanderung alleine wegen des demographischen Wandels.
Bystron: Wenn das Problem unseres Landes ist, dass wir zu wenige Kinder haben,
dann sollte unsere Politik daran arbeiten,
Bedingungen für deutsche Familien zu
schaffen, damit diese wieder im Schnitt
mehr als nur 1,2 Kinder haben, anstatt sich
mit Ersatzthemen wie der Homoehe zu beschäftigen.
Das Argument mit der Sicherung unserer
Renten ist auch widerlegt. Prof. Sinn hat
errechnet, dass die Zuwanderung fiskalisch gesehen ein Zuschussgeschäft ist.
Das bedeutet, dass die Zuwanderer unterm Strich zu den Leistungsempfängern
des Sozialstaates gehören. Nun soll mir
jemand erklären, wie eine Gesellschaftsgruppe, die per Saldo zu den Empfängern im Umverteilungsstaat gehört, unsere Renten finanzieren soll.
Polifakt: Sind diese Aussagen noch
politisch korrekt?
Bystron: Professor Sinn wurde für seine
Aussagen heftig angegriffen. Doch seine
Berechnung stimmt. So viel zu der volkswirtschaftlichen Komponente. Rein politisch steckt in der Aussage natürlich eine
enorme Sprengkraft, weil sie den Boden
der Zuwanderungslüge entzieht, mit der
wir seit Jahren gefüttert werden. Aber
wozu haben wir uns „Mut zur Wahrheit“
auf die Fahnen geschrieben? Wohl nicht
deswegen, um die Wähler mit Halbwahrheiten zu füttern.
Fragen und Wege
Martin E. Renner beschreibt die Felder, die als zu bestellendes politisches Ackerland
im Kreise der Parteigründer der „Alternative für Deutschland“ angesehen wurden.
Leider werden durch die Parteiführung
der AfD mittlerweile einige der damals
als besonders wichtig erkannten politischen Problemfelder in Deutschland und
in der EU nur noch wenig systemkritisch
und damit wenig „alternativ“ bearbeitet.
Grund genug, sich die ursprünglich formulierten Problemfelder einmal mehr in
Erinnerung zu rufen.
Deutschlands politische Elite steuert einen
verhängnisvollen Kurs. Sieben für die Zukunft der Nation existenzielle Fragen des
Politischen sind aufgeworfen. Keine der
Fragen ist beantwortet. Schlimmer noch:
Die dringend notwendige Grundsatzdebatte über die künftige Ausrichtung der
Nation wird nicht geführt. Die deutschen
politischen Eliten – mehrheitlich vergangenheits-, macht- und pfründefixiert – verkennen die Realitäten. Sie verlieren sich in
Nebensächlichkeiten und verspielen so die
Zukunft des Landes.
Foto: fotolia
Die erste existenzielle Frage: Welche
Staatsform wollen wir bewahren?
Eine vielleicht schon lächerlich anmutende
Frage, weil die zu erwartende Antwort ja so
banal erscheint. Na, die parlamentarische
Demokratie natürlich. Doch: Welche Souveränitätsrechte haben denn der Deutsche
Bundestag und damit das Staatsvolk, wenn
ein permanentes Krisenmanagement auf
europäischer Ebene andauernd Verträge
übergeht und missachtet, wenn das Haus-
haltsrecht der nationalen Parlamente ausgehebelt wird und wenn einzelne Staatsvölker auf Generationen hin verschuldet
werden. Und das ganz ohne hinreichende
demokratische Kontrollen. Denn von Kontrolle kann ja schlechterdings nicht geredet werden, wenn Hunderte von Vertragsseiten ohne Vorbereitungszeit innerhalb
von Stunden im Bundestag beraten und
entschieden werden sollen (ESM-Vertrag,
Bankenunion).
u
SONDERAUSGABE | POLIFAKT
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Die zweite existenzielle Frage:
Welche EU wollen wir eigentlich?
Die europäischen Verträge haben ihre bindende Wirkung verloren. Der Vertrag über
die Währungsunion ist über die Jahre hin
gebrochen und in sein Gegenteil verkehrt
worden. Europa hat damit ein ganz anderes Gesicht bekommen. Es ist dies eine Revolution von oben, ausgelöst und gesteuert durch die politischen Eliten. Nirgendwo
durch den Volkswillen legitimiert. Auf Verträge muss keine Rücksicht mehr genommen
werden. Das ist die entscheidende Lehre.
Der Ruf nach einer gemeinsam verantworteten Wirtschaftsregierung, nach einer Bankenunion, nach einer Sozialunion,
offenbart bei genauerem Hinhören, dass
er gegen die vermeintliche deutsche Dominanz gerichtet ist. Dieser Ruf zielt auf
ein gänzlich anderes Wirtschaftsregime.
Es ist ein Ruf nach den abgestandenen
Wirtschaftskonzepten der 70er Jahre, die
namentlich von Frankreich herbeigesehnt
werden.
Die Frage, welche Gestalt Europa nach dem
abzusehenden Scheitern von Währungsunion und einer derartigen EU-Konzeption
annimmt, ist existenziell. Wir benötigen
Antworten auf diese existenzielle Frage.
Und zwar bevor die EU-müden Briten und
die reformunwilligen Franzosen die Flucht
ergreifen und Deutschland mit einem
strukturell schwachen Süden und einem
immer noch abgewirtschafteten Osten alleine in der EU zurücklassen.
Die dritte existenzielle Frage:
Welche Stabilitätskultur des Geldes
wollen wir?
Der Verlust des Grundvertrauens in die
Zentralbank und die Geldwertstabilität hat
mittelfristig verheerende Auswirkungen
auf die Geldwirtschaft, auf Industrie- und
Gewerbebetriebe und auf die Gesellschaft
insgesamt. Er hat Auswirkungen auf die
Sparbereitschaft und die Sparquote, auf
das Zinsniveau und die langfristige Investitionsneigung, auf Kreditvergaben, auf
Lohnfindungsprozesse und auf Lebensplanungen. Familiengründungen, Unternehmensneugründungen und Aufstiegschancen werden so verbaut oder erschwert.
Die Frage nach der Stabilitätskultur des
Geldes, früher durch die Bundesbank beispielhaft formuliert und durchgesetzt, ist
essentiell. Im Kern ist es die Frage nach
dem Fortbestand der demokratisch verfassten Mittelstands-Gesellschaft. Die bun-
desrepublikanische Gesellschaft, mit ihren
leistungsbejahenden und werteschaffenden Milieus, ist dabei, ihren Gründungsmythos – also alles – zu verlieren.
Die vierte existenzielle Frage:
Welche gesellschaftliche Leitkultur
wollen wir verteidigen?
In keinem anderen politischen Bereich
wurden die notwendigen Entscheidungen so lange verschleppt wie in der Integrations- und Zuwanderungspolitik. Bis
heute wird die existenzielle Frage über
Zusammensetzung und kulturelle Identität des Staatsvolks nicht rational debattiert, sondern tabuisiert. Die einfache und
leicht nachvollziehbare Feststellung Milton
Friedmans, „Ein Staat kann ein Sozialstaat
sein und ein Staat kann offene Grenzen
haben – aber niemals beides gleichzeitig“,
wird ignoriert und sogar verworfen.
Die muslimischen Milieus lehnen die Integration in eine von den verachteten „Ungläubigen“ dominierte laizistisch-liberale
Gesellschaft aus religiös-ideologischen
Gründen ab. Die Tatsache, dass wir hier
die gastgebende und offene Aufnahmegesellschaft sind, spielt für diese Milieus gar
keine Rolle.
Es führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei,
dass diese Gegengesellschaft irgendwie
aufgelöst werden muss, wenn die Integration und nachfolgende Assimilation gelingen soll. Das ist keineswegs allein ein Problem der Sprachaneignung, sondern ein
Problem der kulturellen Selbstdefinition.
Deutschland muss darauf bestehen, dass
alle Einwanderer unsere Werte, Bräuche,
Rechts- und Moralvorstellungen sowie das
kulturelle deutsche Erbe für sich annehmen und auch leben wollen.
Entscheidende Voraussetzung für Einwanderung ist also zwingend: Die Definition
und eine gesamtgesellschaftliche Verteidigung unserer Leitkultur. Die Politik verliert
sich hier in Scheindebatten und riskiert so
die Zukunftsfähigkeit gerade unserer so offenen Gesellschaft.
Die fünfte existenzielle Frage:
Wie sichern wir angesichts des
demografischen Niedergangs die
wirtschaftliche und soziale Stabilität
der Nation?
Man glaubt noch immer, auf unbegrenzte
Dauer ein wohlhabendes Land bleiben zu
können. Es fehlt die Erkenntnis, dass eine
überalterte, zahlenmäßig schrumpfende
Bevölkerung die Produktivitätsfortschritte kaum mehr erzielen kann, die zum Erhalt des heutigen Wohlstandsniveaus nötig sind. Die Hoffnung, diese Entwicklung
durch Einwanderung von Hochqualifizierten entschärfen zu können, ist irrational.
Die Leistungsstarken kommen doch nicht
hierher, um unsere Sozialsysteme vor dem
drohenden finanziellen Kollaps zu retten. Und unser eigener hochqualifizierter
Nachwuchs wird dann auch Angebote aus
aller Welt haben.
Um es klar zu formulieren: Deutschland
kann sich in Anbetracht seiner demografischen Situation und den sich international
verschärfenden Wettbewerbsbedingungen
in der Zukunft keine so große Zahl von Geringqualifizierten, wenig Produktiven und
dauerhaft von Sozialleistungen Lebenden
mehr leisten.
Die sechste existenzielle Frage:
Wann endlich definiert die etablierte
Politik in Deutschland die nationalen
Interessen?
Ist es wirklich im Interesse unserer Nation, wenn Frau Bundeskanzlerin Merkel
auf dem Kirchentag 2009 in Bremen sagt:
„Wenn man eine wirkliche Weltordnung
haben will, eine globale politische Ordnung, dann wird man nicht umhin kommen, an einigen Stellen Souveränität, also
Rechte, an andere abzugeben.”
Ist es in unserem Interesse, Souveränitätsrechte an andere abzutreten? Und an
wen? Und mit welchem demokratischen
Willensbildungsprozess? Oder soll das alles schleichend vor sich gehen? Ohne dass
der deutsche Wahlbürger eine Wahl hat,
sondern die geschaffenen Fakten nur noch
alternativlos anerkennen muss. Das ist
doch genau unsere Befürchtung und Vermutung, dass die EU – wie eben auch der
EURO – nur ein Zwischenschritt ist hin zu
einer, wie auch immer und von wem auch
immer konstruierten und gewünschten
„Neuen-Welt-Ordnung“ ist. Und aus dieser
Feststellung resultiert dann sogleich auch
die nächste Frage:
Die siebte existenzielle Frage:
Welche Armee können und müssen
wir uns leisten?
Diese existenzielle Frage wird in ihrer Bedeutung weit unterschätzt. Es ist mitnichten eine rein militärpolitische Frage, die
nur noch einen Randbereich des Politischen betrifft. Sie führt in Wahrheit in den
POLIFAKT
| SONDERAUSGABE
Kern des politischen Selbstverständnisses
unserer nationalen Gemeinschaft. Die Verteidigungsbereitschaft gibt Auskunft darüber, wie weit sich eine Gesellschaft mit sich
selbst identifiziert und ob sie eine langfristige Orientierung hat. Sie ist damit ein
Signal, das ein Gemeinwesen über seine
außenpolitische Positionierung und mehr
noch über seine innere Stärke aussendet.
Es ist die essentielle Frage, welchen Wert
wir Freiheit und Selbstbehauptung beimessen wollen.
Die erkennbare imperiale Überdehnung
der USA, die wachsenden Machtansprüche
Chinas, die ungewisse künftige Rolle Russlands, die Unwägbarkeit der Entwicklung
der islamischen Welt – hier vor allem die
hochexplosive Lage in Pakistan und im Nahen Osten – und unberechenbare Staaten
wie Iran oder Nordkorea verdeutlichen die
prekäre Fragilität der gegenwärtigen Weltordnung
Deutschland als noch immer stärkste
Volkswirtschaft und bevölkerungsreichstes
Land Europas wird dadurch zunehmend
für die militärische Absicherung der Verbindungen und Interessen des Kontinents
in Anspruch genommen werden. Lehnt es
die erhöhte Verantwortung ab, wozu eben
ein den britischen und französischen Ausgaben vergleichbarer Anteil des Militärbudgets am Gesamthaushalt gehört, wird
das erhebliche Rückwirkungen haben:
Sowohl auf Deutschlands Stellung im atlantischen Bündnis, als auch in der Welt
und damit langfristig auf seine Freiheit vor
Pressionen.
Fazit und Ausblick
Bis hierher eine wenig optimistische Bestandsaufnahme des aktuellen politischen
Status Quo in Deutschland. Wohl wahr.
Doch, wie sagt Friedrich Hölderlin in seinem Roman Hyperion: „Wo aber Gefahr ist,
wächst das Rettende auch.“ Das Rettende
sind hier ganz zweifellos die politischen
Werte „Freiheit und Patriotismus“.
Rufen wir der AfD und ihren führenden
Funktionären zu: „Mut zur Wahrheit. Mut
zu Deutschland. Mut zur Alternative.“ n
Martin E. Renner ist Mitgründer und Namensgeber der „Alternative für Deutschland“. In der WA2013 und in der AfD war
er ein Mann der allerersten Stunde.
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Zwei Welten
unter einem Dach
Ein politisches Dilemma: Als vor 26 Jahren die Mauer fiel, da
kam zusammen, was historisch zusammengehörte, was fast
zwei Generationen lang politisch und ideologisch nichts miteinander zu tun hatte und was gegensätzlicher nicht sein konnte.
Foto: dpa – picture alliance
Es waren die BRD , sozial marktwirtschaftlich, freiheitlich-pluralistisch und europäisch ausgerichtet und die DDR, sozialistisch, zentralstaatlich, planwirtschaftlich
und totalitär geführt. Das Problem der
zwei stark divergierenden Weltbilder, die
die Bürger der beiden ehemals getrennten Staaten voneinander unterschieden,
hat bis heute Einfluss und erfordert ein
besonderes Engagement, endlich einen
verbindenden und zeitgemäßen Ordnungsrahmen zu finden, mit dem sich alle
Deutschen identifizieren können. Die AfD
könnte dafür die richtige Partei sein.
Die Bürger der Bundesrepublik wurden
groß mit Ereignissen wie „Wirtschaftswunder“ seit der Einführung der Deutschen
Mark (1948), der Sozialen Marktwirtschaft
ab 1949, die Wiederbewaffnung und der
Eingliederung der Bundeswehr in die Nato
ab 1955, der Studentenrevolution (1968)
sowie dem europäischen Einigungsprozess von der Montanunion (1951), über
die Europäische Wirtschafts-Gemeinschaft
(1957) bis hin zur Europäischen Union und
zur Währungsunion. Das von Bundeskanzler Kohl schließlich angestrebte Ziel einer
politischen Union konnte aufgrund natio-
naler Befindlichkeiten der anderen Europäischen Staaten nicht erreicht werden.
Sie wird aber weiter angestrebt und durch
die Übertragung ursprünglich jeweils nationaler Zuständigkeiten auf EU-Institutionen vorangetrieben. Ziel der Politiker
von heute ist es, Deutschland in der EU
vollständig aufgehen zu lassen. In diesem
Zusammenhang muss auch der „Anti-Germanismus“ der Alt-68er Salon-Sozialisten
erwähnt werden, die nie den Terror des
real existierenden Kommunismus am eigenen Leib erfahren mussten. Sie sind heute,
seit den Tagen der Studentenrevolution, in
politischen Führungsrollen der Legislative,
Exekutive und Judikative angekommen
und wollen Deutschland nach ihren Vorstellungen in einen Systemzustand transformieren, der sich dem der ehemaligen
DDR immer mehr annähert.
Die westdeutschen Wähler nehmen diesen schleichenden Umgestaltungsprozess
kaum wahr und wählen zumeist das, was
sie schon immer wählten, nach dem Motto:
„Ich kann ja eh nichts ändern – die machen ja sowieso was sie wollen!“ oder sie
schlagen sich auf die Seite der Nichtwäh-u
SONDERAUSGABE | POLIFAKT
Seite 20
t ler und Wahlverweigerer. So sieht das
Demokratieverständnis vieler Westdeutscher heute leider aus und doch gelten Sie
laut Grundgesetz als Teil des „Souveräns“.
Keinen Respekt vor der Obrigkeit
Die Bürger der ehemaligen DDR wiederum
haben ihre Prägung im System des “real
existierenden“ Sozialismus erfahren, das
sich nahtlos an die NS-Diktatur anschloss.
Wichtige Ereignisse waren Bodenreform,
Enteignungen, Verstaatlichung von Privateigentum, der am 17. Juni 1953 von den
sowjetischen Besatzern blutig niedergeschlagene Volksaufstand, der Mauerbau
1961, der ein ganzes Volk in Haft nahm,
die 40 Jahre lang andauernde brutale und
unbarmherzige Verfolgung und Bestrafung
von Andersdenkenden und von Personen,
die diesem System entkommen wollten
und schließlich die friedliche Revolution
von 1989, die mit dem Ruf „Wir sind das
Volk“ begleitet und von vielen mit einem
nationalen Ziel, d.h. der Vereinigung der
beiden deutschen Staaten, geführt wurde.
Diese Revolutionserfahrung prägt viele
Ostdeutsche mit Stolz. Nur wird sie unterschiedlich bewertet: Die ehemaligen
Funktionäre und Angepassten empfinden
die Wiedervereinigung als Übernahme
durch den Westen, dem ehemaligen Systemfeind, wünschen sich lieber einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz zurück
und arbeiten fleißig daran. Die anderen,
die vielen Widerspenstigen, die zu Zeiten
der DDR schon mit enormer Zivilcourage
und großen persönlichen Risiken gegen
den politischen Stachel gelöckt haben und
die heute, 25 Jahre nach der Wiedervereinigung, besonders kritisch auf die Politik
schauen, haben heute wie gestern Mut zur
Wahrheit und keinen Respekt vor der Obrigkeit. Sie sind es, die sofort auf die Straße
gehen, die gerne Regierungen abwählen
und etwas Neues ausprobieren, wenn sie
unzufrieden sind (deshalb auch der große Erfolg der AfD im Osten bei den letzten
Landtagswahlen). Die „widerspenstigen
Ostdeutschen“ haben die gesellschaftliche
Bedeutung und Verantwortung, die hinter
dem im Grundgesetz verankerten Begriff
„Souverän“ steht, deutlich besser verinnerlicht, weil für sie gilt: Nie wieder Diktatur!
Viele dieser Ostdeutschen sind vor allem
wiedervereinigte Deutsche, stolz auf ein
wiedererlangtes, so lange unterdrücktes
deutsches, ideologiefreies Kultur-Bewusst-
sein wie Dresdner Frauenkirche, Goethe
und Schiller, Martin Luther, von der Diktatur befreite Bürger einer ehemaligen Kultur- und Erfindernation der Dichter, Denker
und Forscher, von denen viele aus Mitteldeutschland kamen. Sie sagen „wir sind ein
Volk“, ein Kultur-Volk und stehen dazu mit
einem ganz natürlichen Nationalbewusstsein, das den Westdeutschen vollkommen
aberzogen wurde und von dem diese sich
peinlich berührt abwenden.
Die Ostdeutschen, die noch zu DDR-Zeiten
zur Schule gingen, haben auch kein anerzogenes Schuldbewusstsein, was die
Nazi-Verbrechen ihrer Großvätergeneration angeht. Der DDR-Staat hat dafür die
„faschistische“ BRD in Haftung genommen.
Die Ostdeutschen fragen sich eher und das
zu Recht, warum die Untaten des ehemaligen DDR- Regimes größtenteils noch ungesühnt bleiben wie beispielsweise unzählige
Zwangsadoptionen von Kindern politisch
unangepasster Eltern, wie tausende politische Gefangene, die schikaniert und gefoltert wurden; wie der staatliche Umgang
mit deren Kindern und Jugendlichen, die in
menschenverachtende Arbeits- und Umerziehungslager gesteckt wurden. Viele der
traumatisierten Opfer kämpfen noch heute
vergeblich um ihre Rehabilitation.
Die etablierten Parteien leben ihre
Ressentiments der Vergangenheit
Wenn eine neue Partei wie die AfD sich
– wie gerade vor kurzem von einzelnen
West-Protagonisten praktiziert – von gut
10,4 Millionen Wählern, nämlich von den
in Ostdeutschland verbliebenen deutschen
Mitbürgern und ihren Lebenserfahrungen
abkoppelt, weil sie diese in Unkenntnis
ihrer Sozialisierung selbstgefällig als Neue
Rechte abqualifiziert, vergibt sie die Chance, beide Welten endlich geistig zu vereinen. Denn alle etablierten Parteien leben
ihre Ressentiments der Vergangenheit. Die
CDU als traditionelle Westpartei mit Adenauer im Blut, Kohl als Wiedervereiniger
wird von der im DDR-Staat sozialisierten
Merkel, als andere Partei, jetzt preußisch,
technokratisch und „realpolitisch“ mit einer heftigen Prise Zentralstaat angeführt.
Eine Identifikation beider Welten kann ihr
damit nicht gelingen, im Gegenteil, sie polarisiert aufgrund ihrer undurchsichtigen
DDR-Vita mehr im Osten als im Westen.
Die SPD pflegt im Schulterschluss mit den
Gewerkschaften ihr Umverteilungsideal der
„Sozialen Gerechtigkeit“, sorgt mit ihrem
permanenten Staatsinterventionismus für
einen überbordenden Hochsteuer- und
Sozialhilfestaat und macht sich – Funktionäre unter sich - zum Gehilfen derer, die
sie eigentlich im Interesse ihrer Klientel in
die Schranken weisen müsste: die Konzerne. Die Grünen sind das Sammelbecken
der westlichen Alt-68er Salon-Sozialisten,
der technologiefeindlichen Weltverbesserer und aller Interessensgruppen für jede
Art der „diskriminierten“ Minderheiten.
Die Linken sind das ostdeutsche Pendant
dazu, der real erfahrenen Kommunisten
und Stalinisten, die diesmal – so glauben
sie – bei einem erneuten Versuch, alles ein
bisschen menschlicher machen wollen.
Die FDP hat sich dem bedingungslosen
Markt-Liberalismus verschrieben – ihre
ehemalige Mittelstandsausrichtung hat sie
als westdeutsche „Besserverdiener-Partei“
mittlerweile abgelegt.
Unterschiedliche Erfahrungen
- Integrieren statt ausgrenzen
Der AfD könnte es als erster Partei gelingen, und das haben die vergangenen zwei
Jahre gezeigt, beide Welten – Ost und
West – im Geiste zu vereinen, durch klare
ökonomische Positionen, durch ein klares
Bekenntnis zu unserer Nation und durch
das Anerkennen und Verstehen der unterschiedlichen Sozialisierung von Ost und
West. Wer jeweils den anderen durch seine eigenen Vorurteile stigmatisiert, anstatt
versucht, zu integrieren, macht sich selbst
zur antiquierten Ossi- oder Wessi-Partei.
Im 21. Jahrhundert ist das ein Anachronismus. Die verarmende Mittelschicht muss
sich seit Mitte der 90er Jahre bei ihren eigenen Wohlstandsambitionen ständig immer
mehr zurücknehmen, zu Gunsten exorbitant steigender Managementgehälter und
Unternehmensgewinne. Diese Menschen
brauchen ein Korrektiv, das ihnen sagt,
dass die Lösung der gesellschaftlichen Probleme neben dem Euro-Desaster auch in
einer mittelständisch geprägten und wettbewerbsorientierten Marktwirtschaft liegt,
weil sie es nicht wissen. Und sie brauchen
eine Partei, die sich dafür einsetzt. Wer
könnte das besser als die AfD mit ihren
Ökonomen? Damit wäre die AfD einmal
mehr kein Schaden für die Demokratie, wie
es politische Gegner seit zwei Jahren gerne
aus Futterneid formulieren, sondern eine Bereicherung, denn nicht Marktwirtschaft ist
rückwärtsgewandt sondern Sozialismus.
Ulrich Riediger, München, AfD-Mitglied
POLIFAKT
| SONDERAUSGABE
Seite 21
Kein Wohlstand
ohne starken Mittelstand
AfD bietet dem unternehmerischen Mittelstand eine neue Heimat (Stimme)
AfD-Mittelstandsforum identifiziert und formuliert die berechtigten Interessen
der mittelständischen Unternehmen
mit dem unternehmerischen Mittelstand zu tun. Die FDP hat nachweislich jahrelang bewiesen, dass sie unternehmerische Grundsätze missachtet hat und damit unglaubwürdig geworden ist.
In der CDU finden die Mittelstandsverbände überhaupt kein Gehör
mehr, was die vielen enttäuschten CDU-Vertreter selbst beklagen.
Dr. Hans Hermann Schreier
Hansjörg Müller
AfD hat Bedeutung des Mittelstandes erkannt
Die AfD ist sich der großen Bedeutung des unternehmerischen
Mittelstandes für die deutsche Volkswirtschaft bewusst und hat
einvernehmlich die Gründung des AfD-Mittelstandsforums im
Januar 2015 unterstützt. In Anbetracht der Tatsache, dass der
deutsche Mittelstand im Vergleich zu großen Kapitalgesellschaften und Nicht-Regierungsorganisationen keine ernstzunehmende
Vertretung in den Altparteien mehr hat, will die AfD über seine
gewählten Vertreter die berechtigten Interessen des unternehmerischen Mittelstandes wahrnehmen.
Strategische Allianz mit AfD-Mittelstandsforum
Der direkte Zugang vom AfD-Mittelstandsforum zu den hochqualifizierten Bundes- und Landesfachausschüssen, den Funktionsträgern und gewählten Vertreter der AfD und der direkte Kontakt
zu den vielen Unternehmern im AfD-Mittelstandsforum, ist ein
besonderes und wichtiges Alleinstellungsmerkmal. Die AfD kann
große Hebelwirkung erzeugen. Die Wertschätzung der AfD für den
Mittelstand soll auch dadurch deutlich werden, dass im neuen
Bundesvorstand sichtbar, und nach außen und innen nachhaltig
wirkend, eine Position durch einen überzeugenden Vertreter des
AfD-Mittelstandsforums besetzt werden soll.
Altparteien unglaubwürdig
Die Gründung des AfD-Mittelstandsforums mag Anlass gegeben
haben, dass die SPD ein Wirtschaftsforum gegründet und Herr Gabriel sich zur sozialen Marktwirtschaft bekannt hat. Aber: „an den
Taten sollt ihr sie erkennen“: Mindestlohn, Frühverrentung usw.
belasten den unternehmerischen Mittelstand! Wenn die FDP sich
von ehrenwerten Managern der Großkonzerne helfen lässt, ein
neues Wirtschaftsprofil zu entwickeln, hat das überhaupt nichts
AfD hat Chance zur Volkspartei
Diese Lücke bei den vernachlässigten Mittelständlern will die AfD
in offener Kooperation mit dem AfD-Mittelstandsforum, aber auch
mit anderen wirtschaftsliberalen Initiativen innerhalb und außerhalb der AfD konsequent schließen. Die einmalige Chance für die
AfD besteht darin, das große Potential des unternehmerischen
Mittelstandes für sich zu gewinnen. Dies ist wahrscheinlich der
wichtigste strategische Baustein, um das erklärte Ziel erreichen,
Volkspartei zu werden! Die Unternehmer sind heimatverbunden,
ortsnah, so dass ein Schub auch für die Kommunalpolitik der AfD
zu erwarten ist.
Bedeutung des unternehmerischen Mittelstandes
Der unternehmerische Mittelstand ist mit über 3,5 Mio. Unternehmen das anerkannte Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft. Mit
seinen Gesellschaftern, Familienangehörigen und leitenden Angestellten sind dies über 10 Mio. Personen. Über 50% der Arbeitsplätze werden geschaffen, über 50% des Umsatzes erwirtschaftet.
Der unternehmerische Mittelstand ist Träger des geschätzten dualen Ausbildungssystems und Innovationsmotor.
Die mittelständischen Unternehmer sind ortsnah und heimatverbunden. Sie treten als Sponsor für Vereine auf und fördern die
Gemeinschaft. Es gilt, den mittelständischen Unternehmern den
kreativen Freiraum zu schaffen, damit sie den „Kuchen“ für alle
weiter vergrößern können. Es gilt der Leitspruch: „Kein Wohlstand
ohne starken Mittelstand“.
Gemeinsame Grundlagen: Soziale Marktwirtschaft
Wichtigste gesellschaftspolitische Grundlage von unternehmerischem Mittelstand, AfD und AfD-Mittelstandsforum ist das Bekenntnis zur Sozialen Marktwirtschaft im Sinne Ludwig Erhards.
Die Verbundenheit zur AfD besteht durch Bekenntnis zur Heimat und
deutscher Identität des global anerkannten „German Mittelstands“.
Schwerpunkte der politischen Gestaltung
Ansätze für die politische Unterstützung des unternehmerischen
Mittelstandes werden in Abstimmung mit den Mitgliedsunternehmen entwickelt. Aktuell hat das MSF fünf Kernbereiche identifiziert, in denen kurz-, mittel- und langfristig orientierte Maßnahmen ergriffen und adäquate Instrumente eingesetzt werden. u
SONDERAUSGABE | POLIFAKT
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1. Imageverbesserung, Wertschätzung des Unternehmers
Auf der Grundlage von aktuellen Untersuchungen werden Ansatzpunkte entwickelt und Instrumente eingesetzt mit dem Ziel, die
Bedeutung des selbständigen Unternehmers für die Gesellschaft
zu verdeutlichen und das Ansehen des Unternehmers in der Gesellschaft zu erhöhen.
Dazu gehört auch die Absicht, eine Akademie für Entrepreneurship zu gründen, um mehr und noch qualifiziertere Unternehmer
zu generieren.
2. Stärkung der Kapitalkraft der Unternehmen
Es gilt, über die Erschließung von Synergieeffekten eines Unternehmens-Netzwerkes bis hin zu geringeren Steuerbelastungen
und fairem Zugang zu Fremdkapital die Eigenkapitalposition zu
stärken, größere Handlungsfreiheit zu erhalten und mehr Sicherheit zu gewinnen. Damit erhöht sich die Gestaltungsfreiheit für
Innovationen und schafft bzw. sichert hochwertige Arbeitsplätze.
In Kürze wird eine kick-off Projekt-Kampagne zum Thema „Erbschaftssteuer“ starten. Die Kernforderung besteht bereits: Erbschaftssteuer abzuschaffen und nicht zu reformieren.
Daran schließen sich weitere Steuerthemen an.
3. Fairen Wettbewerb sichern
AfD und AfD-Mittelstandsforum werden in engem Kontakt mit
den Mitgliedsunternehmen auf einen fairen Wettbewerb achten,
eine elementare Grundlage der sozialen Marktwirtschaft. Wettbewerbsverzerrung durch Kartellbildung und das Entstehen von Monopolen soll verhindert werden! Zum fairen Wettbewerb gehören
auch Datensicherheit und Schutz vor Spionage. Dazu hat das AfDMittelstandsforum ein Schwerpunktprojekt gestartet.
Politische Aufklärung zu den Themen der Alternative
für Deutschland (AfD). Nutzen Sie diese Zeitung zur
Information vor allem bei älteren Mitbürgern, zur Gewinnung von neuen Mitgliedern und zur Spendenakquise.
Die AfD-Bürgerzeitung
Diese Zeitung ist als Kommunikationsmedium der AfD Kreisverbände zu den Bürgern gedacht. Es gibt eine große Anzahl
an Mitbürgern, die sich nicht permanent im Internet aufhalten
und informieren. Um die Inhalte der AfD breiter und effektiver
unter das Volk zu bringen, ist es erforderlich dies auch auf traditionelle Weise mit einer Zeitung zu tun. Die Zeitung eignet
sich sehr gut als „Träger” für Ihre regionalen Infoblätter oder
Flyer mit Veranstaltungshinweisen.
bestellung.polifakt.de
Themen auf 20 Seiten:
• Familie
• Flüchtlinge & Asyl
• Kriminalität
• Windenergie
• IWF
• und weitere
Ausblick
Mit der Strategie der Allianz zwischen AfD Partei und AfD-Mittelstandsforum besteht eine ausbaufähige und leistungsfähige Organisation,
- die den unternehmerischen Mittelstand
in seinen Kerninteressen unterstützt
- eine prosperierende Volkswirtschaft
zum Wohle der Menschen in Deutschland fördert
- der AfD den Weg zu einer Volkspartei ebnet
- Konkurrenz der Altparteien und deren
Organisationen unterbindet. n
Dr. Hans Hermann Schreier, stellvertretender Vorsitzender
Dipl. Volkswirt Hansjörg Müller, stellvertretender Vorsitzender
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4. Abbau der Bürokratie
In enger Abstimmung mit den Unternehmern, aber auch mit den
Abgeordneten sollen bestehende oder sich abzeichnende bürokratische Hemmnisse erkannt und beseitigt oder minimiert werden. Ein Bespiel für Reduktion sind die Aufbewahrungsfristen von
Geschäftsdokumenten. Sie sollten von zehn auf fünf Jahre reduziert werden.
5. Deregulierung
Überflüssige Gesetze und Verordnungen gehören abgeschafft. Zumindest ist ein Verfallsdatum mit zu beschließen und eine Evaluation der Wirksamkeit zu fordern.
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JETZT Neue Ausgabe
12.07.2015
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Auslieferung ab: 16.07.2015
POLIFAKT
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geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers oder der Redaktion wieder. Das
Urheberrecht für die mit Namen versehenen Beiträge liegt bei den jeweiligen Autorinnen
und Autoren.
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POLIFAKT
| SONDERAUSGABE
Seite 23
Euroausstieg bis Wehrpflicht
Frauke Petry und Marcus Pretzell über liberal-konservative Gemeinsamkeiten der AfD
Seit Monaten touren die AfD-Politiker
Petry und Pretzell durch die Landesverbände und diskutieren mit der AfD-Basis.
Ihr Ziel ist es, die AfD in ihrer ganzen inhaltlichen Breite darzustellen. Dabei sind
die Rollen klar verteilt. Sie ist die Konservative, er der Liberale.
„Wir müssen etwa beim Euro-Thema endlich in die Offensive kommen“, sagt Pretzell, der ursprünglich mal für die Aufteilung
in einen Nord- und einen Südeuro war.
Heute sei eine solche Lösung nicht mehr
möglich. Einen Ausstieg südeuropäischer
Staaten werde es nicht geben. „Heute ist
klar: Deutschland muss aus dem Euro austreten“. „Und wir müssen den deutschen
Wähler darüber aufklären, dass uns das
eine Billion Euro kostet“, sagt Pretzell. „Also
zwei Drittel der Kosten der deutschen Einheit.“ Jede weitere Verzögerung würde am
Ende noch eine Billion kosten. Nun könne
es nur noch darum gehen, weiteren großen
Schaden von den Bürgern abzuwenden.
Eine logische Folge des Euros sei auch die
Deutschland muss
aus dem Euro austreten
immer größer werdende Lücke zwischen
Arm und Reich in Deutschland. Zwar habe
die deutsche Wirtschaft vom Euro profitiert, bei deutschen Arbeitnehmern sei
davon aber nichts angekommen. Sie seien
Schlusslicht der Gehaltsentwicklung in der
Eurozone. Früher habe der Wertzuwachs
der D-Mark auch zu einem Kaufkraft-Zu-
wachs geführt. „Und das ist der große Betrug am Verbraucher, dass er viel zu viel
Geld für Sprit, für Energie, für alle Importwaren zahlt“, sagt Pretzell.
Der nordrhein-westfälische AfD-Chef sieht
im Euro-Austritt jedoch nur einen ersten
Schritt. In einem zweiten müsse über das
Geldsystem insgesamt gesprochen werden. „Wir müssen über das Schuldgeldsystem reden“, sagt er. Kaum jemandem
sei bewusst, dass jede Erhöhung der Geldmenge mit einer Erhöhung der Schulden
verbunden sei und die Probleme so nur in
die Zukunft verschoben würden.
Inzwischen sei die AfD mit ihrem Vorsitzenden ins europäische Parlament eingezogen, aber fünf der sieben EU-Abgeordneten hätten die AfD-Pläne, die EU von Grund
auf zu reformieren, offensichtlich aus ihrer
Erinnerung gestrichen. Pretzell erinnert
sich, dass der Parteichef im EU-Parlament
für eine Harmonisierung der Bemessungsgrundlage der Körperschaftssteuer plädiert
habe. „Er wollte den Einstieg in eine Europäisierung des Steuerrechts“, sagt Pretzell.
„Das widerspricht nun ganz und gar den
Vorstellungen der AfD.“
Wenn Petry und Pretzell über eine Reform
der EU reden, dann geht’s wirklich ins
Grundsätzliche. Angesichts der massiven
Vertragsverstöße könne es keine einfache
Rückkehr zum Vertrag von Lissabon oder
Maastricht geben. „Wir müssen die EUVerträge komplett neu verhandeln“, sagt
Petry. „Denn diese EU ist unserer Ansicht
nach so nicht zu reformieren.“ „Ich glaube, dass wir eine Zurückführung auf den
Binnenmarkt brauchen“, sagt Pretzell.
Schließlich habe der Freihandelsgedanke
sehr lange gut funktioniert. „Darum müssen wir den Binnenmarkt auch wieder zum
Kern der EU-Verträge machen und zu einem Europa der Nationen zurückkehren“,
fügt Petry an. „Wobei sich dann auch die
Frage anschließt, welche Staaten dann
letztlich zu dieser neu reformierten EU gehören sollen.“ Damit meint sie unter anderem Länder wie Rumänien und Bulgarien,
die „unter fragwürdigen Umständen“ aufgenommen wurden. „Erst wollten die Amerikaner, dass wir die Länder aufnehmen,
jetzt wollen sie uns wegen der Korruption
dort bei TTIP den Investorenschutz und die
Schiedsgerichtsbarkeit aufzwingen“, sagt
Pretzell.
Pretzell ist von Haus aus Jurist. Als solcher
sorgt er sich um die europäische Grenzsicherung und die steigenden Kriminalitätszahlen. „Wir müssen über das SchengenAbkommen reden“, sagt er. Und Petry
verweist auf ihre Erfahrungen in der sächsischen Landespolitik: „Die Kosten für Kriminalitätsbekämpfung sind durch Schengen erheblich gestiegen, weil die Aufgaben
der Polizei gerade durch Schengen enorm
zugenommen haben“, sagt sie mit Blick
auf die aus Rumänien oder Bulgarien nach
Deutschland schwappende Einbruchskriminalität oder den Drogenhandel an der
tschechischen Grenze. Und: „Erst wenn wir
anfangen, unsere eigenen Grenzen wieder
zu kontrollieren, haben Länder wie Italien
wieder einen Grund, mit uns über Flüchtlinge zu reden. Genau genommen ist Schengen gescheitert.“ Pretzell schlägt die Neuordnung des Schengenraumes vor, zu dem
Wir müssen über das
Schengen-Abkommen reden
dann nur noch Länder wie Deutschland,
Niederlande, Frankreich, Großbritannien,
Dänemark und Österreich gehören könnten.Ginge es nach den beiden, würde auch
die militärische Sicherheitspolitik Deutschlands und Europas neu definiert und gestaltet. Es sei Zeit, über die europäische Sicherheitsarchitektur zu reden, die Russ-u
SONDERAUSGABE | POLIFAKT
Seite 24
t land aktiv mit einbeziehe. „Die Nato
ist ein Verteidigungsbündnis, und darum
müssen ihre Einsätze auf das Gebiet der
Nato-Staaten beschränkt bleiben“, sagt
Pretzell. „Unsere Sicherheit wird nicht in Libyen, Afghanistan, Irak oder Syrien verteidigt.“ Im Übrigen könne er sich durchaus
eine gemeinsame europäische Sicherheitsarchitektur unter Beteiligung Russlands
vorstellen. Und was die Krisen im Nahen
Osten angeht, auch da würde er das Gespräch mit Russland suchen. „Die deutschen Interessen decken sich hier durchaus mit den russischen ebenso wie beim
Freihandel“, sagt er. „Warum schaffen wir
denn nicht die Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok?“ Die Neujustierung des Verhältnisses zu Russland sei ein
langfristiges strategisches Projekt, so Petry. Deutschland solle sich weder von der
Weltmacht USA abhängig machen, noch
sich einseitig nach Russland orientieren.
Petry plädiert für eine Wende in der Steuerpolitik. Gewinne müssten dort besteuert werden, wo sie entstehen. „Und wenn
Amazon, Starbucks oder andere Konzerne
ihre Gewinne nicht bei uns versteuern wollen, dann sollen sie eben auf Millionen lukrative Kunden in Deutschland verzichten“,
sagt sie, und Pretzell pflichtet ihr bei.
Es gibt aber auch Themen, bei denen beide unterschiedliche Auffassungen vertreten. Dazu gehört etwa die Wehrpflicht.
Während Petry überhaupt kein Problem
mit der Abschaffung hat, sieht Pretzell sie
als zentrales Element einer wehrhaften
Demokratie. Abweichende Auffassungen
vertreten sie auch in der Bildungspolitik.
Petry ist eine Verfechterin des dreigliedri-
Freihandelszone
von Lissabon
bis Wladiwostok
gen Schulsystems, Pretzell hingegen hegt
große Sympathie für langes gemeinsames
Lernen, wie es an skandinavischen Schulen üblich ist. Übereinstimmend lehnen
sie wiederum den Bologna-Prozess, also
europaweite Harmonisierung von Studiengängen und –abschlüssen ab und wollen
zurück zu den erfolgreichen deutschen Diplomstudiengängen.
Auszüge aus einem Artikel von Günther Lachmann,
zuerst erschienen in der WELT
Was wir
gewollt haben
Von Konrad Adam
Foto: dpa – picture alliance
Jetzt, da die Partei in eine lange und schwere Krise geraten ist, hört man den Ruf: „Zurück zu den Ursprüngen! Besinnen wir uns
auf das, was wir einmal gewollt haben, inzwischen aber weitgehend aus den Augen
verloren haben“. Merkwürdigerweise wird
dieser Ruf am lautesten von denen erhoben, die sich mit ihrem Beitritt Zeit ließen
und erst dann Mitglieder wurden, als der
abenteuerliche Plan, in Wochen oder Monaten eine neue Partei aus dem Boden zu
stampfen, aufzugehen schien. Grund genug also, die Frage nach den Ursprüngen
an einen von denen zu richten, die von Anfang an dabei waren, zum Beispiel an mich.
Die Ursprungs-Idee, die der Partei ihren
Schwung und ihren Namen gegeben hat,
ist allgemein noch gut erinnerlich. Sie bestand im entschlossenen Widerstand gegen die Absicht, den Euro um jeden Preis
zu retten. Mit der endlos wiederholten
Formel „Wenn der Euro scheitert, scheitert
Europa“ hatte sich Angela Merkel zur Sprecherin einer Politik gemacht, die den Banken riesige Gewinne zuschob, für die wir,
die Bürger, zu bezahlen hatten. Das wollten
wir nicht länger hinnehmen, und so wurde
der Widerspruch gegen die verfehlte Währungsunion zum Kennzeichen der AfD. Er
ist es bis heute geblieben.
Weiteres ist allerdings hinzugekommen.
Die Kritik an der verantwortungslosen Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik, besser
gesagt: die Empörung darüber, dass es eine
solche Politik nicht gibt und offensichtlich
auch nicht geben soll, hat als zentrale Botschaft der Partei das Euro-Thema
mittlerweile überholt. Die Bürger haben
das Gefühl, vom parteipolitischen Establishment verschaukelt zu werden, wenden sich von der Regierung ab und uns
zu. Sie misstrauen den Volksvertretern,
die es als ihre Aufgabe betrachten, sich
über den Willen des Volkes hinwegzusetzen, und wollen keine Regierung, die sich
ein neues Volk wählen will, bevor das Volk
auf den Gedanken kommt, sich eine neue
Regierung zu wählen.
So wird es weiter gehen: immer wieder
neue Fragen, auf die wir immer wieder neue Antworten finden müssen. Die
nächsten Themen liegen auf der Hand,
sie heißen EEG, TTIP und Mindestlohn
und müssen selbstverständlich genauso
offen, wahrscheinlich auch kontrovers
verhandelt werden wie alles andere.
Sprech- und Denkverbote, gegen die wir
uns sonst überall zur Wehr setzen, darf es
innerhalb der AfD nicht geben. Wenn wir
hier versagen, uns dogmatisch verengen
und glauben, mit unserer Wirtschaftsund Währungskompetenz ein für alle Mal
das Richtige getroffen zu haben, werden
wir den Vorwurf der Ein-Themen-Partei
zu Recht auf uns ziehen. Dann wird die
Zeit über uns hinweggehen und die AfD
niemals im Bundestag ankommen.
Wir wollten es nicht nur anders, sondern
auch besser machen als die Altparteien, die dem Volk nur deshalb aufs Maul
schauen, um es ihm umso gründlicher zu
stopfen. Wir wollen dem Bürger zuhören,
ihm eine Stimme geben und ihn in dem
Bewusstsein stärken, Souverän nicht nur
zu heißen, sondern auch zu sein. Das
wird uns aber nur gelingen, wenn wir uns
an die Spielregeln der Demokratie halten
und auch im Inneren, im Umgang miteinander, jenen Anstand wahren, den wir
nach außen hin einklagen, erwarten und
verlangen. Nur wenn wir das schaffen,
werden wir glaubwürdig sein. Und nur
wenn wir glaubwürdig wirken, werden
uns die Bürger wählen. n
POLIFAKT
| SONDERAUSGABE
Seite 25
Alternative? Neustart!
Alternativlosigkeit, dieses Wortungetüm des politischen Berlins,
verlangte nach einer Antwort - und sollte sie auch bekommen.
So versammelten sich am 14.04.2013 im
InterContinental Hotel Berlin etwa 1.500
Bürger, um diese zu geben. Die Alternative für Deutschland war geboren und mit
ihr stellte sich die inhaltliche und strukturelle Frage, was eine Alternative eigentlich
ausmacht. Ein Grundsatzprogramm sollte
richtungsweisend Orientierung geben, ein
Grundsatzprogramm, hinter das sich eine
breite Basis stellte, nur im weiteren Verlauf
nicht der Parteivorsitz. Und so muss man
diese Frage heute erneut stellen: Was ist
eigentlich eine politische Alternative? Welche politischen und formellen Eigenschaften müssen sie kennzeichnen?
Alternative:
Wortstamm alter-, lat. für andere(r,s)
Anders ist man nur, wenn man sich abgrenzt und Inhalte vertritt wie auch verkörpert, die anders sind als die, welche im
etablierten System Konsens sind. Ein Wort,
das Leitlinie sein sollte für eine Partei, die
es stolz in ihrem Namen trägt.
In einer Zeit, in der Parteien sich zunehmend von ihrem Auftrag, ein Meinungsspektrum abzubilden, entfernen, indem sie
eigene Ideologien über die Interessen der
Bürger stellen und ihre Programme ineinander verschmelzen, ist es Gebot der Stun-
Foto: dpa – picture alliance
Foto: dpa – picture alliance
de, diesen fatalen geschlossenen Kreislauf
zu durchbrechen. Durch den mehrfachen
gezielten Bruch mit dem Volke, etwa bei einer so entscheidenen Frage wie der Einführung einer Währung, bis hin zur Entwicklung eines eigenen politischen Morsecodes
(political correctness) haben sich die Parteien zu einer eigenen Kaste entwickelt. Bei
nahezu jeder Wahl erleben wir neue Negativrekorde der Wahlbeteiligung, verkommt
doch das Berufsbild des Politikers zu einer
dubiosen Einrichtung, die mit den Sympathiewerten von Mafiabossen konkurriert.
Die Menschen sind enttäuscht von einer Bande, die ihre eigenen Regeln bricht
(Maastricht Vertrag), Verträge hinter verschlossenen Türen verhandelt (TTIP) und
geschlossen geostrategische Ziele vertritt,
als gälte es, die Welt zu erobern (Ukraine,
arabischer „Frühling”). Kungeleien, Vetternwirtschaft und das gezielte Etablieren
lebensfremder Weltbilder (Gender Mainstreaming) sorgen für tiefes Misstrauen
und Unverständnis. Der Einzelne fühlt sich
längst nicht mehr wahrgenommen, die
Summe hat das Gefühl, etwas laufe falsch,
kaum einer kann es jedoch konkret fassen.
Die Alternative ist, das Schweigen zu brechen, Missstände offen aufzuzeigen, andere Meinungen zu entwickeln und zu kommunizieren, sich nicht anzupassen, Mut
statt Angst zu haben.
Vor uns liegt nicht weniger als die Frage ob unser Land noch eine Zukunft hat
oder nicht und wer darüber bestimmt. Es
hat einen schalen Beigeschmack, wenn
der Vorsitzende einer Partei einen Mitgliederentscheid herbeiführen möchte, in
dem auch zukünftig Souveränitätsrechte
an die EU und Nato abgetreten werden
sollen. Der Status Quo ist, dass etwa 80 %
der Gesetzgebung bereits aus Brüssel kommen und in der Rechtswissenschaft nicht
mehr von einem Staatenbund gesprochen
wird, sondern von einem Staatengebilde
sui generis (eigener Art), weil man sich aus
verfassungsrechtlichen Gründen weigert,
Die Alternative ist es,
das Schweigen zu brechen
von einem Bundesstaat EU zu sprechen.
Faktisch existiert dieser bereits unter den
schlimmsten erdenklichen Vorzeichen.
Der Verlust der Souveränität geht soweit,
dass wir weder die Kontrolle über unsere eigenen Grenzen haben, noch über
Finanzhoheit verfügen. Somit fehlen uns
bedeutende Grundpfeiler, um unser Land
noch als Staat im eigentlichen Sinne zu u
SONDERAUSGABE | POLIFAKT
Seite 26
Foto: dpa – picture alliance
t definieren. Beispielsweise wird die Bekämpfung des demographischen Wandels
als Grund für die unkontrollierte Zuwanderung vorgeschoben: Der untaugliche Versuch, Symptome gesund zu beten, anstatt
sich der Grundlage des Problems anzunehmen.
So fragen sich junge Menschen ob sie es
verantworten können Kinder in diese Welt
zu setzen. Durch die vorgegebene wirtschaftliche Entwicklung werden sie dazu
genötigt, von dem Bild einer Familie Abstand zu nehmen, da die Lohnentwicklung durch Inflation und ein verkorkstes
Währungsexperiment desaströse Züge
angenommen hat. Ist es denn ein Erfolg,
wenn große Gewerkschaften alle sieben
Jahre verkünden, man habe für eine Branche einen neuen Tarifabschluss mit einer
Lohnerhöhung von 3,6% erzielt, wenn in
der gleichen Zeit die Inflation die Löhne
wegfrisst? Ein Betrug, der medial und politisch protegiert wird. Als Lösungen werden
Kitas offeriert, ja, es sollen Eltern bloß nicht
die Chance erhalten, Zeit mit ihrem Nachwuchs zu verbringen, wenn sogar über die
Einführung einer Kitapflicht laut nachgedacht wird! Zu sehr könnte es bei der politischen Einordnung der Krabbelgruppe
(„Bildungsplan“) stören, zu groß erscheint
Es mangelt an Wahrheit
der kurzfristige wirtschaftliche Schaden
durch Wegfall billiger Massenarbeitskraft.
Die demographische Entwicklung ist eine
Folge dieser permanenten Verunsicherung.
Es mangelt nicht nur an alternativen An-
sichten, es mangelt an Wahrheit – denn
nur diese ist die Alternative zur Lüge. Die
Wahrheit ist, dass unser Rentensystem auf
einem Generationenvertrag basiert, der darauf fußt, dass Männer und Frauen Kinder
bekommen. Die Wahrheit ist, dass dieser
Generationenvertrag durch die Spätwehen
der 68er Bewegung gebrochen wurde und
es keinerlei Grundlage gibt, Kinderlosen
eine Rente auszuzahlen, die über dem Sozialhilfeniveau liegt. Suggeriert wurde Freiheit, jeder zahle für sich und nicht für seine
Eltern ein. Die Folge: Die klammheimliche
Aufkündigung des Generationenvertrages.
Freiheit bedeutet auch Verantwortung
und besteht dann, wenn kinderlose Paare
und Individuen private Altersvorsorge betreiben, anstatt sich an einem Vertrag zu
bedienen, an dessen Erfüllung sie nicht
teilhaben wollten. Wir stehen vor einem
Scherbenhaufen, dem Scherbenhaufen
unserer Kultur, unserer Gesellschaft, des
Sozial- und Gesundheitssystems. Der wertvolle Rohstoff Bildung erfährt durch immer
reduziertere Studiengänge (Master statt
Diplom) und die inflationäre Vergabe des
Abiturs unter der scheinheiligen Behauptung der Chancengleichheit seine Bankrotterklärung. In den Regierungs- und Konzernetagen ist man sich einig und spielt
gemeinsam „das Lied vom Tod“, schottet
sich dabei ab, wie mit 20.000 Polizisten in
Elmau.
Unser Land braucht eine Alternative wie
die Luft zum Atmen, soll es überleben- das
erfordert Mut zur Wahrheit und Mut zum
Handeln.
Doch in der AFD regiert derweil die Angst
und der Putsch eines Klüngels gegen die
Basis. Dies spiegelt sich in der Russlandresolution wider, in dem Wischi Waschi in
der Asylpolitik in der es „keine klare Kante
geben kann“ (Lucke), bei der es auch offenbar niemand wagt, nach den Gründen der
Flüchtlingswelle zu fragen. Angst hat man,
als Antiamerikaner bezeichnet zu werden,
lieber spielt man munter mit bei einer
Kriegstreiberei, wie es sie seit dem zweiten
Weltkrieg nicht mehr gab. Angst hat man,
als Populist bezeichnet zu werden, schlimmer noch als „Rechtspopulist“, lieber soll
der Nachbar mit dem Abo von der Süddeutschen freundlich grüßen.
„Rechtspopulist“- Ein Kampfbegriff, der sich
allein darin entlarvt, dass es keinen „Linkspopulismus“ im Blätterwald zu geben scheint.
Warum haben wir nicht den Mut, uns zum
Populismus zu bekennen, hat er doch denselben Wortstamm wie Politik und Politiker.
Populus ist das Volk, in der Theorie der
Souverän. Wer eine Volkspartei sein möchte, muss populistisch sein - und sollte dies
als Auszeichnung verstehen! Mut zur Praxis. Die Alternative zum Regieren von oben
ist das Zuhören, eine Eigenschaft, die als
verpönt gilt. Bekennen wir uns zur direkten Demokratie ohne Einschränkungen
und nicht, wie Lucke es möchte, nur zu
besonderen Anlässen. Haben wir den Mut,
Unser Land braucht
eine Alternative,
wie die Luft zum Atmen,
das erfordert Mut zur Wahrheit
und Mut zum Handeln.
die Bürger in den Mittelpunkt der Politik zu
stellen. So leisten wir einen Beitrag zum inneren Frieden unserer Republik.
Dort, wo Parteitage nach Gusto gesetzt und
in ihrer Form verändert werden, ist der Mut
nicht zu finden, den man sich einst beim
Aufbruch auf die Reise zur Alternative setzte. Wer direkte Demokratie fordert, muss
sie konsequenterweise auch leben.
Wer einen Bundesparteitagsbeschluss
nicht tragen kann, sollte zurücktreten!
Wenn das „Lied vom Tod“ nicht zur Grabeshymne unseres Landes werden soll, wenn
es durchbrochen werden soll durch die Alternative der Zukunft, so muss sich die AFD
in Essen beweisen.
Unser Land braucht eine wahre Alternative.
Viel Tatkraft und Glück uns allen! n
Felix Thiessen
POLIFAKT
| SONDERAUSGABE
Seite 27
Wenn einer gewinnt,
verlieren alle
Sven Tritschler darüber, wie die Junge Alternative ihren Flügelkampf beendet hat.
Die achthundert Mitglieder der Jungen
Alternative sind der AfD ein Stückchen
voraus. Ein großer Lagerkrieg fand bereits
Ende 2014/Anfang 2015 statt. Nachdem
man sich lange auf Aufbau, Wahlkampf
und Organisation beschränkt hatte, schien
es nach nach den Wahlkämpfen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen richtig,
ein paar Sachen zu regeln, die man vorher
im Interesse des gemeinsamen Erfolges
unter der Decke gehalten hatte.
Das Programm war – ähnlich wie in der
AfD – noch dünn, viele umstrittene Fragen
waren noch nicht entschieden. Mitgliederbefragungen zu vielen Kernthemen – Wirtschafts- und Sozialpolitik, Bildung, Europa,
Euro, Generationengerechtigkeit, Außenpolitik etc. ergaben jedoch durchweg solide Ergebnisse um die 80%. Man war also
in den wesentlichen Punkten nicht weit
auseinander.
Eine solide Grundlage, könnte man meinen. Könnte man. Aber es kam anders:
Während bei der AfD ein Gutteil der parteiinternen Kommunikation bei Facebook
stattfindet, ist dies bei der JA, zumindest
auf Bundesebene, fast ausschließlich der
Fall. Facebook aber ist ein Konfliktkatalysator: Posten Sie einen Beitrag zur Rentenpolitik und er rutscht ganz schnell nach
unten, das aktuelle Krawall- und Schmuddelthema hat aber das Zeug, stunden- und
tagelang ein Dauerbrenner zu sein.
Im Januar war es dann soweit: Beim Bun-
deskongress in Bottrop wurde der Kandidat
des sogenannten liberalen Lagers gewählt.
Auch im Bundesvorstand stellte man eine
klare Mehrheit. Diese „klaren Verhältnisse“,
wie man sie sich ja nun auch in der AfD
wünscht, waren jedoch alles andere als segensreich. Ein mit knapper Not gewählter
Vorsitzender, vom ersten Tag an ohne Vertrauen eines signifikanten Teils der Basis,
hatte keine guten Chancen. Dass man sie
dann auch nicht genutzt hat, ist ein anderes Thema.
Die Mehrheiten,
die dieses Modell trugen,
waren stabil und groß
Möglicherweise würde der Krieg bis heute
andauern, hätten nicht auch wir unseren
persönlichen „Weckruf“ erleben dürfen.
Keinen Monat nach dem Bundeskongress
trafen sich Teile des JA-Bundesvorstands
mit vier von fünf Initiatoren des späteren „Weckrufs 2015“ in einem inzwischen
sprichwörtlichen ICE-Bordbistro.
Vorgebliches Thema: Offizielle Anerkennung der Jungen Alternative als AfD-Jugendorganisation. Tatsächlich sprach man
über eine neue Jugendorganisation, die
weniger unbequem und von Konservativen bereinigt sein sollte. Die Parallelen sind
augenfällig.
Der Plan ging nach hinten los, auch weil
er dilettantisch eingefädelt war und all-
gemein bekannt wurde, bevor die Bombe
platzen konnte. Die beteiligten Vorstandsmitglieder waren desavouiert, die beteiligten Mitglieder der Parteispitze hatten
abermals ihre feindselige Haltung offenbart und diesmal sogar noch ihre Skrupellosigkeit. Aber immerhin: Die zerstrittenen
Entscheidungsträger in der JA wurden
wahrlich „aufgeweckt“.
Wenige Wochen später trafen sich die Länderchefs zur Konferenz in Potsdam. Es war
nicht leicht, die Gräben zu überwinden
und die Geduld von Gastgeber und Mediator Alexander Gauland wurde auf eine
harte Probe gestellt. Doch ein erster Schritt
war getan. Nachdem zunächst noch eine
Stabilisierung und Ergänzung des alten
Bundesvorstands angestrebt wurde, zeigte
sich in den Folgewochen, dass eine Neuwahl unumgänglich war: Insbesondere die
ICE-Fahrer genossen nicht mehr das Vertrauen der Mitglieder und traten zurück.
Ende Mai wurde dann ein Bundeskongress
im hessischen Karben anberaumt, bei dem
Markus Frohnmaier – der Chef des konservativen Lagers und meine Wenigkeit
(das Gegenstück auf der liberalen Seite)
zu gleichberechtigten Vorsitzenden des
Bundesverbands gewählt wurden. Der Lagerkrieg ist damit erstmal beendet und wir
können wieder aufbauen und die Scherben aufkehren, die das letzte halbe Jahr
uns beschert hat.
Die Mehrheiten, die dieses Modell trugen, waren stabil und groß. Vernunft war
eingekehrt. Es gab nur wenige, die es zu
verhindern suchten. Es waren bezeichnenderweise die größten Streithähne und
Scharfmacher auf beiden Seiten. Die jeweiligen Ränder bildeten sogar Allianzen
– vergebens.
Wenn die AfD eine Zukunft haben soll,
dann müssen Ihre Führungskräfte sich aus
der Geiselhaft der Sektierer und Scharfmacher auf beiden Seiten befreien. Sie müssen den Mut haben, aufeinander zuzugehen und sie müssen auch den Mut haben,
die Egomanen, die nicht mitgehen wollen,
links oder rechts liegen zu lassen. n
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04./05. JULI 2015
Grugahalle – Messe Essen
Foto: dpa – picture alliance