Die Geschichte der Nürnberger Hercules-Werke - Hercules
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Die Geschichte der Nürnberger Hercules-Werke - Hercules
Die Geschichte der Nürnberger Hercules-Werke Die Geschichte der Nürnberger Hercules-Werke von der Veloziped-Fabrik zu SFM Über 120 Jahre wurden in Nürnberger Süden Zweiräder gebaut. Die 1886 gegründete Fahrradfabrik von Carl Marschütz nannte sich schon bald nach dem für seine Stärke berühmten griechischen Halbgott „Hercules“. Der Name hatte bis 1995 Bestand, bevor er nach Aufteilung der Nürnberger Hercules-Werke in eine Motorrad- und eine Fahrradsparte bei der Fahrradproduktion blieb. Bis 2008 wurden nun Sachs Bikes von der Sachs Fahrzeugund Motorentechnik produziert, bevor der Firmenname in SFM geändert wurde. Vom Fahrrad zum Motorrad Carl Marschütz wurde 1863 im fränkischen Burghaslach als Vater des Dorfschulmeisters geboren. Seine Begeisterung für Fahrräder wurde entfacht, als er in jugendlichem Alter in den Besitz eines alten Holzfahrrades „Typ Drais“ kam. Der Lehrling in der Eisenwarenhandlung und Ofenfabrik von Josef Goldschmidt in Neumarkt (den späteren Express-Werken) kaufte sich für ein kleines Vermögen von 286 Mark ein englisches Howe-Hochrad und war damit der erste und einzige Radfahrer in Neumarkt. Heute kann man es sich kaum vorstellen, wie die Arbeiter im Zeitalter der beginnenden Industrialisierung ihre Arbeitsstellen erreichten – Busse und Straßenbahnen gab es nicht, man war auf die Eisenbahn und lange Fußmärsche angewiesen. Marschütz überzeugte seinen Chef davon, Fahrräder zu bauen. 1882 startete er, damals gerade einmal 19 Jahre alt, zusammen mit Goldschmidt seine eigene Fahrradproduktion. Nur wenige Jahre später trennt er sich von Goldschmidt und gründet am 5.4.1886 in Nürnberg seine eigene Fahrradfabrik, die Fa. „Carl Marschütz & Co“. Das war die Geburtsstunde der heutigen SFM GmbH. Zufriedene Kunden benannten Marschütz’ Fahrräder nach dem griechischen Halbgott Hercules und dieser Name taucht schon ein Jahr später in der neuen Firmenbezeichnung „Nürnberger Velozipedfabrik Hercules – vorm. Carl Marschütz & Co“ auf. Werksansicht 1888 Im Laufe der folgenden Jahre wurde Nürnberg zum Zentrum der deutschen Fahrradindustrie, selbst die führenden englischen Hersteller siedelten dort Zweitwerke an, z.B. Triumph Cycle & Co Ltd., dazu kam die Zubehörindustrie, die von der Nähe zu den Fabriken profitieren wollte. Mit motorisierten Fahrzeugen experimentierte Marschütz bereits Ende des vorletzten Jahrhunderts. 1898 baute er eine 4sitzige Elektro-Chaise, 40 km/h schnell und mit einer Reichweite von 40 km. 1903 knatterte dann erstmals ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor vom Fabrikhof in der Oberen Fürther Str. 61. Im Rahmendreieck eines stabil ausgelegten Fahrrades mit Ballonreifen saß der Motor, der das Hinterrad über einen Riemen antrieb. © Leo Keller 2008 - 2011 Die Geschichte der Nürnberger Hercules-Werke Schon zwei Jahre später baute Marschütz sein Motorrad in Serie. Zum Einbau kamen belgische FN-Motoren mit 4,5 PS, wahlweise auch Fafnir-V2-Motoren aus Aachen. Dem Prinzip der Einbaumotoren von Fremdherstellern ist Hercules immer treu geblieben, einen eigenen Motor hat Hercules nie gebaut. 1907/1908 wurde die Motorradproduktion wieder eingestellt, stattdessen produzierte man Isolierrohre und Verteilerdosen, Stiefelputzmaschinen und Rohrmöbel. Hercules 1905 Haupterwerbszweig blieben aber die Fahrräder. 1908 verließ der erste Hercules LKW die Fabrik. Bis 1928 bauten die „Nürnberger Hercules-Werke“, wie die Firma seit 1910 hieß, die unterschiedlichsten Typen, vom Pritschenwagen bis zum Omnibus. Zu dieser Zeit wurde die Motorradfertigung wieder aufgenommen, diesmal mit deutlich mehr Erfolg als 1905. Hercules-Motorräder gab es mit Motoren von JAP, Villiers, Sturmey-Archer, Columbus, Bark, Moser, Küchen, JLO und ab 1930 auch von Sachs. Hercules Omnibus 1914 Das erfolgreichste Modell der damaligen Zeit war die steuerfreie K 200, die 6000 Käufer fand. Die 30er Jahre Über 15 verschiedene Modelle mit Zwei- und Viertaktmotoren unterschiedlicher Hersteller von 200 cm³ bis 500 cm³ standen Anfang der 30er Jahre im Hercules-Programm. Einen besonders guten Kontakt pflegte man seit jeher zu Fichtel & Sachs im benachbarten Schweinfurt, die 1903 mit der Erfindung der Torpedo-Freilaufnabe für Furore auf dem Fahrradsektor gesorgt hatten. Fichtel & Sachs hatte einen 74 – und einen 98 cm³- Motor im Angebot, ca. 10 kg schwer und mit einer Leistung von 1,5 bzw. 2 PS, gut geeignet zum Einbau in einen stabilen FahrradRahmen. Eine neue Kategorie von Fahrzeug war entstanden: das MoFa (Motorfahrrad), im Volksmund „Hermännchen“ genannt. Die 345 Reichsmark teuere führerschein- und steuerfreie Hercules und ähnliche Fahrzeuge anderer Hersteller lösten eine regelrechte Motorisierungswelle aus. Daß es sich dabei nicht nur um „Fahrräder mit Rückenwind“ handelte, bewiesen die Schwestern Anne und Maria Lenz, die mit ihren beiden Hercules MoFas die schweizer Alpenpässe Klausen, Gotthard, Furka und Grimsel ohne „Mittreten“ bewältigten. Als die Fachpresse dies anzweifelte, organisierte Fichtel & Sachs eine Testfahrt über 1000 km und 14 Pässe – danach waren alle Zweifel ausgeräumt. Anna und Maria Lenz © Leo Keller 2008 - 2011 Die Geschichte der Nürnberger Hercules-Werke Wegen der fortschreitenden Isolation Deutschlands gegen Mitte der 30er Jahre musste Hercules mehr und mehr auf deutsche Einbaumotoren zurückgreifen, was auch Einfluß auf den Motorsport hatte. Während Hans Kahrmann aus Fulda noch 1931 die 250er Straßenmeisterschaft auf einer Hercules mit englischem JAP- Motor gewonnen hatte, verlagerten sich die Aktivitäten ins Gelände, wo sich mit dem Columbus-Motor aus Bad Homburg ein geeignetes deutsches Triebwerk anbot. Besonders populär war der Berliner „Carlchen“ Geffers, der mit einer 250er Hercules-Columbus zahlreiche Goldmedaillen bei nationalen Veranstaltungen, aber auch bei der Int. Sechstagefahrt, der Olympiade des Motorradsports, errang. 1938 musste der Jude Carl Marschütz mit seinen Söhnen nach Amerika emigrieren, wo er 1957 im Alter von 94 Jahren verstarb. 1945 - 1960 Nach dem 2. Weltkrieg waren die Werksanlagen zu 75% zerstört, die Demontage trug ihr Übriges dazu bei, dass Hercules am Boden lag. Aber schon bald krempelten die Herculaner wieder die Ärmel hoch, sie reparierten Fahrräder und stellten Molkereigeräte, z.B. Melkeimer und Melkschemel, her. Kurz darauf lief die Fahrradproduktion wieder an und schon 1948 stellten sie das erste Nachkriegsmotorrad auf die Räder. Anfang der 50er Jahre reichte die Modellpalette von 98 cm³ bis hin zur 250er Zweizylindermaschine mit Motoren von Sachs und JLO. Die Jurisch-GeradwegHinterradfederung wurde bald von einer wesentlich komfortableren Schwingenkonstruktion abgelöst. Die 175er gab es sogar wahlweise mit Kickstarter oder elektrischem Anlasser. Traditionsgemäß beteiligte sich Hercules wieder an den populären Zuverlässigkeitsfahrten und als 1955 die Wirtschaftsminister Ludwig Erhard Deutsche Geländemeisterschaft ins Leben auf einer Ausstellung 1953 - Moped Typ 213 gerufen wurde, ging die 250er Meisterschaft an Willy Brösamle auf einer Hercules 322mit JLO-Twin. Diesen Erfolg wiederholte er im darauffolgenden Jahr, diesmal aber mit einem Sachs-Motor in der 175er Klasse. Erste dunkle Wolken zogen am Zweirad-Himmel auf. Das Motorrad hatte in der Nachkriegszeit seine Schuldigkeit getan und wer immer es sich leisten konnte, wollte ein Dach über dem Kopf haben. Viele Hersteller mussten schließen, andere wie Zündapp und Victoria, fielen dem Irrglauben zum Opfer, mit dem Bau eines Kleinwagens seien alle Probleme vorüber. Mit Zündapp-Janus oder Victoria-Spatz gingen sie erst richtig los. Zündapp musste sein Nürnberger Werk schließen und die Produktion in München konzentrieren und Victoria konnte nur durch einen Zusammenschluß mit DKW und Express zur Zweirad-Union überleben. Hercules aber tat in dieser Situation das einzig richtige: man bekannte sich zum Motorrad und präsentierte 1956 mit der K 100 eine völlige Neukonstruktion. Der handgeschaltete Motor, ursprünglich für einen Roller gedacht, wich im Nachfolgemodell K 101 einer fußgeschalteten Ausführung mit zunächst 3, später 4 Gängen. © Leo Keller 2008 - 2011 Die Geschichte der Nürnberger Hercules-Werke Auch die Geländefahrer hatte man nicht vergessen. Für gerade einmal 30 DM gab es einen Umbausatz, der einen breiten Lenker und hochgezogenen Auspuff enthielt. Der ersten Goldmedaille stand nichts mehr im Wege, mit einem Motorrad wohlgemerkt, das einen wochentags zuverlässig zur Arbeit brachte. Die Oberste Motorrad-Sport-Kommission OMK honorierte die Bemühungen von Hercules und schuf eine eigene 100 cm³-Klasse, die natürlich in den ersten Jahren von den HerculesFahrern Schell, Lippl und Wessel dominiert wurde. Rückblickend war die kleine K 100 eins der wichtigsten Motorräder in der HerculesGeschichte. Ihr ist es zu verdanken, dass Hercules das große Motorradsterben überlebte und sich in die 60er Jahre hineinretten konnte, wo sich nach Schaffung einer neuen Führerscheinklasse 4 für Kleinkrafträder mit 50 cm³ ganz neue Perspektiven boten. Die 60er und 70er Jahre Der Geländesport stellte sowohl für Hercules als auch für den Motorenproduzenten Sachs, der die Nürnberger zwischenzeitlich übernommen hatte, eine hervorragende Werbemöglichkeit dar. Gerade die Seriennähe der Wettbewerbsmaschinen war es, die dem Kunden Woche für Woche aufs Neue vor Augen führte, wie zuverlässig Hercules-Sachs-Motorräder waren. Bei der Sechstagefahrt 1960 im österreichischen Bad Aussee kamen alle 17 gestarteten Hercules ins Ziel – eindrucksvoller kann man die Qualität nicht unter Beweis stellen. Der Schwerpunkt der Entwicklung lag zu dieser Zeit bei den neuen „Fünfzigern“, wo Sachs mit dem 50 S ein Meisterstück präsentierte. Der kleine Kraftprotz mit 5-Gang-Getriebe leistete anfangs gut 5 PS, am Ende seiner Karriere nach 18 Jahren waren es 14 PS in der Sachs-Perego-Replica-Geländemaschine. Natürlich wollte Hercules gleich am Anfang beweisen, dass die K 50 schnell und zuverlässig war. Da kamen die damals beliebten Rekordfahrten gerade recht. Zwei Hercules K 50 schafften die „Vogelfluglinie“ auf der 987 km langen Strecke Puttgarden-Lörrach schneller als der D-Zug, mit einem Schnitt von über 80 km/h, einschließlich Landstraßen und Stadtverkehr Hamburg! Auf der Autobahn Nürnberg-Schlüsselfeld fuhren zwei K 50 die Strecke von 40138 km, also einmal rund um die Welt, in ganzen 22 Tagen. Obwohl die Maschinen völlig serienmäßig und die Motoren plombiert waren, verlief der Service „Formel 1-mäßig“. Die Auspuffe wurden nicht ausgebrannt, sondern gleich ausgetauscht. Auch wurde der Unterbrecher nicht eingestellt, sondern gleich die ganze Zündung ausgewechselt. Die plombierten Teile aber, Kurbelwelle, Zylinder und Getriebe, blieben unangetastet und waren auch nach 3 Wochen Vollgas perfekt. Der Franzose Monneret stellte im Februar 1963 mit einer präparierten K 50 gleich 3 Weltrekorde auf. Nicht weniger als 1041 Goldmedaillen brachten die zahlreichen Hercules-Privatfahrer in der Saison 1964 von den Geländefahrten mit heim – der spektakulärste Leistungsbeweis für die K 50 sollte aber noch folgen. © Leo Keller 2008 - 2011 Die Geschichte der Nürnberger Hercules-Werke Neben den Sechstagefahrten zählten die Int. Mehrtagesfahrten zu den großen Herausforderungen im Geländesport, vor allen Dingen hat die italienische „Valli Bergamasche“ einen legendären Ruf. Ausgerechnet dort wollte die Fahrtleitung keine 50er starten lassen, weil sie den Strapazen der Strecke nicht gewachsen seien. Erst nach Protest der deutschen Delegation durften die „Cinquantini“ dann doch auf die Reise gehen – und man muß sich die Überraschung der Italiener vorstellen, als ausgerechnet eine Fünfziger als einzige der gestarteten Maschinen strafpunktfrei ins Ziel kam. HerculesWerksfahrer Heinz Brinkmann schaffte dieses Husarenstück. Deutsche Meisterschaften, Mitglied von siegreichen Trophyund Silbervasenmannschaften, beste Fabrikmannschaft – Hercules war bis 1967 die erfolgreichste deutsche Marke. Heinz Brinkmann, ungekrönter König von Bergamo Nach den Six Days in Zakopane (Polen) erklärte die Sachs-Geschäftsleitung dann den Rückzug vom werksseitig betriebenen Geländesport. Betroffen waren nicht nur die HerculesFahrer, sondern auch das Werksteam der Zweirad-Union, die Mitte der 60er Jahre von Sachs übernommen worden war. Die Schließung der Werkssteams bedeutete aber keine Abkehr vom Geländesport – nach wie vor sollten die Privatfahrer unterstützt werden, denen man in jedem Frühjahr eine Kleinserie von Geländemaschinen zu Sonderkonditionen anbot. Durch die Übernahme der Zweirad-Union war Sachs in den Besitz der Markenrechte von DKW, Victoria und Express gekommen, alle Fahrgestelle wurden nun im alten Victoria-Werk in der Nopitschstr. 70 gebaut, die Motorenfertigung blieb jedoch in Schweinfurt. Für den Export nutzte man jetzt den weltweit guten Ruf der Marke DKW, während bisher Hercules-Fahrzeuge als „PRIOR“ in die Länder exportiert wurden, für die ein englischer Hersteller den Namen Hercules für sich beanspruchte. Dabei war den Nürnbergern bei der Namensgebung die Tatsache zugute gekommen, dass sie das ältere Motorradwerk waren, Prior, übersetzt „vorher“, war der klare Hinweis: „wir waren zuerst da“. So wurde den Engländern ein Schnippchen geschlagen. Der Export von Geländemaschinen unter dem Markenzeichen „Rabeneick“ – die Bielefelder gehörten seit Anfang der 60er Jahre ebenfalls zu Sachs – beschränkte sich auf wenige Exemplare. Hercules Military Prototyp 1968 Schon seit Mitte der 60er Jahre dachte man in Nürnberg über ein Nachfolgemodell des Bundeswehrkrads Maico M 250 B nach, das einige Zeit bei der Zweirad-Union in Nürnberg montiert worden war. Dort hatte man durch Kofferaufbauten für den Unimog, den Kraka und diversen Zubehörteilen für den Auto-Union-Geländewagen MUNGA Erfahrung mit Bundeswehraufträgen und so wundert es nicht, dass die ersten Prototypen noch deutliche Züge der alten Zweirad-Union –Modelle trugen. Der 75 cm³-Motor wich später einem 125 cm³-Motor, den Sachs 1968 vorstellte. Der 1251/5 bzw. /6 genannte Motor sollte zu einem der erfolgreichsten Triebwerke © Leo Keller 2008 - 2011 Die Geschichte der Nürnberger Hercules-Werke im Geländesport werden - nicht nur in Hercules-Fahrgestellen, sondern auch bei KTM, SWM und zahlreichen anderen italienischen Fabrikaten. In seiner letzten Entwicklungsstufe wurde er bis weit in die 90er Jahre als Antrieb der Bundeswehr-Hercules mit 180 cm³ gebaut. Die K 50 gab es mittlerweile in zahlreichen Varianten von der preiswerten Sprint bis zur feuerroten Supersport, mit Schwinggabel als Hercules oder als DKW mit Telegabel. Einen richtigen Knüller gab es 1976: mit der knallroten K 50 Ultra gelang das wohl schönste Kleinkraftrad der damaligen Ära, es wurde schnell zum Traum der 16-jährigen. Auch ein „richtiges“ Motorrad stand immer im Programm. Die K 103 S, die Weiterentwicklung der K 100 aus den 50er Jahren, wurde 1969 von der K 105 mit dem neuen 5-Gang-Motor abgelöst. Die Nachfolgemodelle X, T und S hatten es gegen die aufkommende japanische Konkurrenz von Honda und Yamaha schwer, was die Zulassungszahlen betraf. Im Motorrad-Rallyesport aber sah das ganz anders aus. Hier standen die japanischen Zweizylinder gegenüber den zuverlässigen Sachs-Motoren, vielfach mit leistungssteigernden Geländesportteilen aufgerüstet, auf verlorenem Posten. Ein Abenteuer der besonderen Art begann für Hercules Anfang der 70er Jahre. Auf der IFMA 1970 fand eine Studie mit dem in Schneemobilen zigtausendfach bewährten Sachs-Wankel-Motor und BMW-Kardan derart viel Zustimmung, dass die Serienfertigung ins Auge gefasst wurde. Nach einem Vorserienmodell stand 1974 die endgültige Version der W 2000 genannten Maschine in den Schaufenstern. Besondere Hoffnungen setzte man in den USA-Markt, wo mit Fritz Dengel ein neuer Importeur gewonnen werden konnte. Six Präsentation W 2000-Prototyp, Ifma 1970 Days-Star Doug Wilford und ein gewisser Rick Grant, der „echte“ Admiral Chegwidden, dessen Geschichte in der SAT 1-Fernsehserie „JAG – Im Auftrag der Ehre“ zu sehen ist, fuhren mit den W 2000 kreuz und quer durch die USA, um sie den dortigen Händlern vorzustellen. Natürlich gab es auch eine Geländeversion der W 2000. Der Start von speziell vorbereiteten W 2000 GS bei den Six Days 1975 stand unter keinem guten Stern. Alle drei Fahrer kämpften mit den übergewichtigen Maschinen und am 5. Tag war keine W 2000 mehr im Rennen. Ein Jahr später starteten Herbert Schek und Kurt Fischer bei den Six Days in Österreich mit einer völligen Neukonstruktion. Auf dem Gehäuse der Hubkolbenmotoren drehte sich nun der Wankelkolben und Fischer errang eine Goldmedaille. Es war zu diesem Zeitpunkt aber schon erkennbar, dass der Wankelmotor bei den Kunden keine Akzeptanz fand und der kommerzielle Erfolg ausblieb. 1977 wurde das Wankel-Projekt beendet. Einen Neuanfang gab es im Geländesport. 1974 setzte Hercules wieder ein Werksteam ein, das aber gegen die Zündapp-Werksfahrer zunächst auf verlorenem Posten stand. Bei den Six Days in Camerino startete einer der blauen Werksrenner mit dem Prototyp eines brandneuen Sachs-Motors mit 7-Gang-Getriebe. Es kostete aber viel Schweiß, bis die neue Maschine auch für die Käufer eine gute Wahl war. 1976 arbeiteten nicht weniger als 3 verschiedene Abteilungen parallel an dem Motor: die Schweinfurter Entwickler und die Nürnberger Versuchs- und Sportabteilung. Mit speziellen Wieditz-Zylindern, benannt nach Ing. Heiner © Leo Keller 2008 - 2011 Die Geschichte der Nürnberger Hercules-Werke Wieditz, schafften Hans Wagner und „Düsen“-Heino Büse 1977 die Meisterschaft in der 250er und 350er Klasse. Bei den Six Days in der CSSR wurden gleich 3 Klassen die Beute des italienischen DKW-Teams: Gino Perego gewann die 50er, Franco Gualdi die 175er und Guglielmo Andreini die 250er Klasse. 1978 gab es die ersten Europameisterschaften für die Nürnberger, die diesmal unter der Marke „Sachs“ an den Start gingen. Perego und Gualdi bestätigten ihre große Klasse in der 50er und 175er Klasse. Die Hercules-Geschäftleitung liebäugelte jedoch mit dem wesentlich publikumsträchtigeren Motocross-Sport und das war wieder einmal das Ende des Geländesports. Aber auch die Motocross-Aktivitäten standen unter keinem guten Stern, Werkfahrer Willy Bauer blieb nach einem schweren Sturz beim schottischen Lauf querschnittsgelähmt. Anfang der 80er Jahre gab es noch mal 4 Enduromeisterschaften für Arnulf Teuchert in der 80er Klasse (3) und Hans Wagner auf der 250er, aber käufliche Geländemaschinen waren da schon lange nicht mehr im Programm. 80er Jahre, das drohende Ende und Neuanfang mit chinesischen Investoren Mit Einführung der neuen Leichtkraftradklasse Anfang der 80er Jahre begann der Hercules-Stern zu sinken. Verfehlte Modellpolitik bei den 80ern, zu teuere Fertigung und die starke Dominanz vor allem der japanischen Hersteller brachten um 75% rückläufige Produktionszahlen und zwangen zu Entlassungen. Für die Hauptkonkurrenten Kreidler und Zündapp war bereits 1982 bzw. 1984 das „Aus“ gekommen. Wie schon häufiger in Krisenzeiten schaffte Hercules es aber, sich mit anderen Produkten wie z.B. Fitnessgeräten, über Wasser zu halten. Ultra 80 Chopper, 1981 Der Mutterkonzern Sachs gehörte mittlerweile zu Mannesmann, wo man die Zukunft nicht unbedingt im Zweirad sah. Die Fahrradproduktion einschließlich des Markennamens Hercules wurde 1995 Jahre verkauft und für die motorisierte Sparte, die nun als Sachs Fahrzeug- und Motorentechnik firmierte, wurde ein Käufer gesucht. Der fand sich 1998 in dem Holländer Rob van der Linden, dessen „winning wheels“ Holding Sachs übernahm. Winning wheels war ein regelrechter Mischwarenkonzern aus der Fahrradbranche mit den Marken Union, Merida, Urban Solutions und dem Handelshaus Koch-Kleeberg N.V., dem früheren Sachs-Importeur. Der niederländische Visionär ließ in seinen Kreativ-Labors von Urban Solutions Ideen vom Skateboard bis zum Citycar, vom Fahrrad bis zum großvolumigen Motorrad ausarbeiten. Im Oktober 1999 übernahm v.d.Linden selbst die Geschäftsführung von Sachs. Innerhalb kürzester Zeit geriet Sachs an den Rand der Insolvenz, konnte aber nach einem „Management Buy Out“ gerettet werden. Neben den gelungenen Roadster-Modellen mit 650 cm³ Ein- bzw. 800 cm³-ZweizylinderMotoren von Suzuki entstanden damals Prototyp V 800 „Big Roadster“ © Leo Keller 2008 - 2011 Die Geschichte der Nürnberger Hercules-Werke Projekte wie die begeisternde Studie „beast“, ein Streetfighter mit Suzuki Hayabusa-Motor und ein eigener 125er Viertaktmotor, die jedoch alle nicht mehr realisiert werden konnten. Damit lag man gar nicht so falsch, denn bei KTM sind die ähnlich konzipierten Super Duke und das Superbike RC 8 längst Realität. Anfang 2006 wurde die Sachs Fahrzeug- und Motorentechnik von einem asiatischen Investor übernommen, aber schon im Sommer drohte die Insolvenz, ausgerechnet im 120. Jahr des Bestehens der Firma. Zum 1. Januar 2007 wurde Sachs dann vom bisherigen Management übernommen und 2008 erfolgte die Umbenennung in SFM GmbH. Heute werden die SFM-Bikes in China produziert, lediglich Entwicklung und Vertrieb befinden sich noch in Nürnberg. Neben zahlreichen Rollermodellen mit Verbrennungs- und Elektromotoren gibt es mittlerweile auch wieder eine ganze Palette von 125ern, darunter eine ZX 125, die allerdings mit der Zweitakt-ZX aus den 90er Jahren nur den Namen gemein hat. Diese ZX hat sich in einem Test der Zeitschrift ENDURO recht wacker gegen die ungleich teurere Yamaha WR 125 geschlagen. Wer auf der Intermot 2010 ganz genau hingeschaut hat wird bemerkt haben, daß die gute alte X-Road dort mit einem 250er Motor zu bestaunen war. X-Road 250 auf dem SFM-Stand 2010 Die alten Fertigungshallen in der Nopitschstraße sind inzwischen komplett verschwunden Heute befindet sich auf der 15 Hektar großen Fläche der „Herkules-Park“, ein Gewerbepark für Kleinunternehmen und Existenzgründer. Im Frühjahr 2008 wurde das letzte Grundstück verkauft. Über 20 Firmen haben sich in den letzten Jahren dort angesiedelt, die mehr als 500 Arbeitsplätze bieten. Außer dem Namen des Herkules-Parks (der sich tatsächlich mit „k“ schreibt) erinnert im Nürnberger Süden nichts mehr an die Tradition von Hercules. Die Motorräder des ältesten noch produzierenden Zweiradherstellers der Welt gibt es aber immer noch, wenn auch nicht mehr unter dem traditionsreichen Namen Hercules. [zurück zu www.Hercules-Freunde.de ] [zurück zu www.ZweiradUnion-IG.de ] Jede auch nur auszugsweise Wiedergabe bedarf der schriftlichen Genehmigung des Autors. © Leo Keller 2008 - 2011