Siena - Enit

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1100.000/2008
Terre di Siena
Ambrogio Lorenzetti, die Gute Regierung (Ausschnitt), Rathaus
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siena
DIE PROVINZ SIENA
DIE GEMEINDE VON SIENA
DER VERKEHRSVEREIN SIENA
HEISSEN SIE IM SIENESER LAND
HERZLICH WILLKOMMEN
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Siena
Terre di Siena
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Siena: Geschichte und Identität
die Struktur der Stadt
Siena auf der Bühne
eine Zukunft mit einer antiken Seele
Veranstaltungskalender
Museen
Um noch mehr zu erfahren
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der Palio
die Kultur der Tafelfreuden
die Enoteca Italiana
die sieneser Marmorsorten
Trekking in der Stadt
die Farben der Kunst
das Gold von Siena
die Akademien
die Theater
gotisch, suggestiv, fotogen: ein idealer Drehplatz
Siena und die Musik
die Chigiana Musikakademie
Siena Jazz
die Universität
die Universität für Ausländer
das Santa Maria della Scala
SMS Contemporanea
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firenze
siena
toscanaitalia
Terre di Siena
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Radda in Chianti
San Gimignano
Poggibonsi
Castellina in Chianti
Gaiole in Chianti
Colle di Val d’Elsa
Monteriggioni
Casole d’Elsa
Castelnuovo Berardenga
Siena
Radicondoli
Sovicille
Rapolano Terme
Monteroni d’Arbia
Asciano
Sinalunga
Torrita di Siena
Murlo
Monticiano
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Trequanda
San Giovanni d’Asso
Chiusdino
Buonconvento
Montepulciano
Pienza
Montalcino
Chianciano Terme
San Quirico d’Orcia
Chiusi
Castiglione d’Orcia
Sarteano
Cetona
Radicofani
Abbadia San Salvatore
San Casciano dei Bagni
Piancastagnaio
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Siena: Geschichte und Identität
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NACH DER LEGENDE GRÜNDETEN SENIUS UND ASKIUS AM
ENDE EINES LANGEN, MYTHOLOGISCHEN
„PALIO ALLA LUNGA“, D.H. EINEM PFERDERENNEN AUF
LANGE DISTANZ, DIE STADT SIENA UND DIE
FARBEN IHRER PFERDE, EINES WEIß UND EINES SCHWARZ,
FORMTEN WIE DIE RAUCHWOLKEN,
DIE VON DEN ALTÄREN DES ERSTEN DANKOPFERS AUFSTIEGEN,
DIE WEIßE UND SCHWARZE BALZANA ,
DIE FARBEN DER STADT SIENA UND ZUGLEICH EIN SYMBOL
FÜR DEN EXTREMEN CHARAKTER DIESER STADT.
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der Rathausturm und der Dom
EINE STADT, IN DER DER MENSCH ALS MAßEINHEIT GILT
Jede Stadt weist die Zeichen seiner eigenen Geschichte auf.
In Siena sind jedoch diese Zeichen tief greifender und
unauslöschlicher sowie auch die Beständigkeit ausgeprägter, mit
der sie hartnäckiger verfolgt wird als an anderen Orten.
Die Geschichte Sienas ist ziemlich lange. Die Hypothese einer
Gründung Sienas durch die Etrusker wird durch immer
interessantere archäologische Funde untermauert. In den
Jahrhunderten hat sich aber die schöne mittelalterliche Legende,
nach der der Gründer Sienas Senius, der Sohn von Remus war,
der aus Rom zusammen mit seinem Bruder Askius zu Pferd
flüchtete, immer mehr durchgesetzt. Die beiden Brüder
brachten ein Standbild der römischen Wölfin mit, die später
auch zum Symbol Sienas wurde und wurden von den Reitern
Romolus’ durch das gesamte Gebiet des Latium und der
südlichen Toskana bis zu jenem schicksalhaften Hügel namens
Siena Vecchia verfolgt. Senius und Askius gründeten also Siena
am Ende eines langen, mythologischen „Palio alla Lunga“.
Von Rom erhielten die Einwohner von Saena Julia das römische
Bürgerrecht bereits vor Kaiser Augustus und nicht lange darauf
begann die Christianisierung durch den Hl. Ansanus, einem
legendären, frühen Märtyrer. Sein Geburtstag am ersten
Dezember ist heute noch der Jahresanfang in den Contraden.
Siena war Bischofssitz, dann unter den langobardischen
Burgvögten, wurde schließlich zur Grafschaft unter karolingischer
Herrschaft und danach freie Stadtkommune. Ab dem 12. Jh.
hatte man das Münzrecht und man begann damit, den
unzuverlässigen, turbulenten Adel des Hinterlandes zu
unterwerfen, dem dann zur Auflage gemacht wurde, in der
Stadt Paläste zu errichten und hier auch den größten Teil des
Jahres zu wohnen. In dieser Zeit bildet sich der sog. „hohe
Stadtadel“ heraus, das Patriziat der großen Kaufmannsfamilien,
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wie z.B. die der Buonsignori, der Salimbeni, der Tolomei, der
Piccolomini, die dann die Oberherrschaft stellten. Diese großen
Familien, an die die sechs Ritter erinnern, die den Carroccio
(Triumphwagen) des Palio-Rennen begleiten, legten den
Grundstein für die große Zeit Sienas auf dem Gebiet der Finanz,
der Politik und der Kultur. Jene Zeit also, die in den darauf
folgenden Epochen in wehmütiger Erinnerung manchmal bis
zum Mythos hochgespielt wurde, sollte zu seinem goldenen
Zeitalter werden. Für fast ein Jahrhundert, zwischen dem 13.
und 14. Jh. erlebte Siena die große Geschichte Europas als
Protagonist. Die Elite seiner Kaufleute gab auf den großen
Märkten der Champagne den Ton an, die Bankiers eröffneten
Filialen in London und Paris, nahmen im Namen des Kaisers die
Steuern ein, sowie im Namen des Papstes den Zehnten und die
Kirchensteuern, sie gewährten Darlehen, sie führten den
Geldwechsel durch, sie transferierten enorme Summen, sie
gaben Wechsel und Warenscheine aus. Die Gran Tavola dei
Buonsignori, eine Bankiersfamilie, die man auch die „Rothschild
des 13. Jahrhunderts“ nennt, war Ende des 14. Jh. das
blühendste Banken-Konsortium Europas. Die Bankiersfamilie der
Salimbeni zählte zu ihren Schuldnern den Hof von Aragonien,
den König von England, Karl von Anjou und die päpstliche Kurie.
Sieneser Bankiers spekulierten wie diejenigen unserer Tage auf
ein Ansteigen der ausländischen Devisenkurse, auf die Preise
der Edelmetalle, des Getreides, der landwirtschaftlichen
Erzeugnisse und der Gewürze. Die sieneser Universität, die erst
vor kurzem die 750. Jahrfeier hatte, hielt ihren Einzug im
europäischen Kulturpanorama mit ihren berühmten Fakultäten
Jura, Medizin und Naturphilosophie Seite an Seite mit Padua,
Bologna, Pavia und Paris. Von 1260, dem Jahr des großen
Sieges bei Montaperti bis 1269, dem Jahr der Niederlage von
Colle, stand Siena an der Spitze der mächtigen ghibellinischen
Liga in der Toskana. Im Jahre 1303 kaufte die Stadt den Hafen
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Ambrogio Lorenzetti, Die Gute Regierung in der Stadt (Ausschnitt), Rathaus
Nicola Pisano, die Kanzel, Dom
Talamone und investierte dort bis 1340 enorme Summen an
öffentlichen und privaten Geldern. In dieser Zeit nahm die Stadt
ihr endgültiges Aussehen als die Hauptstadt der Gotik an.
Gegen Ende des 13. Jh. nahm man das gewaltige Projekt in
Angriff, die reichste und imposanteste Kathedrale der
Christenheit zu errichten. Ohne Unterbrechung arbeitete man
daran bis 1348. Die Überreste jenes dann aufgegebenen
Projektes legen heute noch Zeugnis von dem grenzenlosen Elan,
den Ambitionen und dem Willen nach dem Absoluten in jenen
Jahren ab. Im Jahre 1295 begann man mit dem Bau des
Rathauses, das 1340 fertig gestellt war. Es ist das älteste
Rathaus Italiens, das bis heute ununterbrochen in seiner
ursprünglichen Funktion benutzt wird. Ihm zur Seite steht der
Torre del Mangia (Rathausturm), 102 m hoch, der 1348 fertig
gestellt als ein Wunder der Baukunst galt. Im darauf folgenden
Jahr beendete man die Pflasterung der Piazza del Campo. Der
berühmte Architekt Giovanni Michelucci meinte dazu, „dass es
sich hier um einen unentbehrlichen Raum zur Vervollständigung
des eigenen Hauses“ handelt. Das Santa Maria della Scala
dehnte seine Besitzungen bis ins Zentrum des heutigen
Grosseto aus. Die Regierungsform „il Monte dei Nove“ (an die
vielleicht die Einteilung in neun Segmente der Piazza del Campo
erinnert) schien die Quintessenz einer Guten Regierung zu sein,
so wie sie Ambrogio Lorenzetti in seiner Allegorie im Rathaus
von 1337 bis 1339 gemalt hat. Auf dem Gebiet der schönen
Künste, vor allem aber in der Malerei und der Bildhauerei,
riefen die sieneser Meister eine wenn auch kurze doch
sehr intensive künstlerische Epoche ins Leben, die der großen
toskanischen Renaissance vorausging, sie bis zu einem
gewissen Grade vorbereitete und den Samen für ihre
Verbreitung über ganz Europa legte. Auch als die großen Meister
und die große Kunst andernorts zu finden waren, so verblieb in
Siena eine äußerst lebendige Tradition der sog. niederen Künste,
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wie z.B. die Goldschmiedekunst, die Keramik, die
Silberschmiedekunst, das Schmiedeeisen, welche schließlich der
Sozialgeschichte Form und Ästhetik beim Alltäglichen vererbten
(man denke hierbei nur an die Bücher der Biccherna, den
Rechnungsbüchern mit von großen Malern bemalten Buchdeckeln),
Zeichen für eine Ars gubernandi (die Kunst des Regierens), nach
der nicht nur unter dem Vorbild des Gerechten und des
Nützlichen, sondern auch des Schönen und des Guten regiert
werden soll. Dieses Siena Felix zelebrierte jedes Jahr sein
nationales Fest zu Ehren „Unserer lieben Frau im August“, der
in den Himmel aufgefahrenen Muttergottes, Himmelskönigin,
Schutzpatronin Sienas und seines Staates, und von den Sienesen
zu ihrer Feudalherrin erkoren. Ihr hat sich die Stadt immer
wieder einhellig anvertraut, auch wenn man im Laufe der
Jahrhunderte stets eine stark ausgeprägte, weltliche Seite
beibehielt. In den Augenblicken höchster Not übergab man ihr
die Schlüssel der Stadt, vom Vorabend der Schlacht bei
Montaperti 1260 bis zum Durchzug der Front von 1944. Zum
Fest Mariae Himmelfahrt wird Siena zur „offenen Stadt“.
Verhaftungen wurden ausgesetzt, Exilanten konnten
zurückkehren und sich frei in der Stadt bewegen, Hausrat und
Vieh wurden auf dem großen Markt in großer Zahl angeboten.
Die Straßen verwandelten sich in ein lautes, vielfarbiges
Kaleidoskop. Die Stadt schmückte sich mit Gobelins und Fahnen,
Girlanden und allerlei Dekorationen. Des Nachts organisierte die
Stadt Freudenfeuer im Umland und Feuerwerke in der Stadt.
Der Höhepunkt der Festlichkeiten im August war jedoch die
Spendenzeremonie der Wachskerzen und der Steuern in der
Kathedrale, ein gleichsam religiöser wie politischer Ritus, ein
Akt der Erneuerung der Ergebenheit gegenüber der Madonna
sowie auch der Erneuerung der Loyalität der Sienesen
gegenüber ihrem Staat. Dieser kollektive Treueschwur hatte sein
präzises Ritual. In einem Pergament des Jahres 1200 ist es
beschrieben, wobei auf frühere, heute leider verloren
Der Palio
Der Palio von
Siena ist ein
tausend Jahre
altes Fest.
Sicher ist,
dass solche
sog. „Palii alla
lunga“ schon
im 11. Jh. gelaufen wurden, wenn nicht
schon früher, die als Start einen Punkt
außerhalb der Stadtmauern hatten, dann
die ganze Stadt durchquerten und
schließlich am Ziel an der antiken
Kathedrale ankamen. Der Preis des Rennens
war ein „Pallium“, ein Stück wertvollen
Stoffes. Daraus sollte sich dann später der
Name des Rennens entwickeln. Ab 1200
wurde dann der Palio das Abschlussfest der
imposanten Feiern Mitte August, die der in
den Himmel aufgefahrenen Muttergottes,
Himmelskönigin und Stadtpatronin,
gewidmet waren. Andere Palii wurden in
Siena, wie überall in Italien, zu Ehren der
Stadtpatrone, um einen militärischen Sieg
zu feiern, oder auch als Fest zu Ehren des
Besuches hochgestellter Persönlichkeiten in
der Stadt gelaufen. Die Edelleute und Ritter,
die an den ältesten Palio-Rennen
teilnahmen zogen es ab der Renaissance
vor, ihren „Bàrberi“ (den Palio-Pferden)
beim Rennen zuzusehen, wenn sie ohne
Reiter, also „scossi“ liefen, oder sie
vertrauten sie auch Jockeys mit malerischen
Spitznamen an. Die Contraden erschienen
als Hauptakteure auf der Bildfläche erst
während der Feste in Siena zur
Renaissance-Zeit, bei Umzügen mit
allegorischen Wagen mit Abbildern
exotischer oder phantastischer Tiere. Daraus
entwickelten sich wahrscheinlich die
Symbole und die Namen der heutigen
siebzehn Contraden: Adler, Raupe,
Schnecke, Eule, Drache, Giraffe,
Stachelschwein, Einhorn, Wölfin, Muschel,
Gans, Welle, Panther, Wald, Schildkröte,
Turm, Widder. Im 17. Jh. wurde dann das
Rennen in sein natürliches und intimeres
Szenarium verlegt, auf die Piazza del
Campo, und man lief das Rennen „alla
tonda“, d.h. drei Runden auf der auf dem
äußeren Ring der Piazza aufgeschütteten
Tuff-Erde. Von da an verwandelte sich die
Piazza für das Fest in ein Hippodrom, in
einen Zirkus, in ein Theater, und vor dem
eigentlichen Rennen gab es einen Umzug
der Stadtprominenz und der Hauptakteure.
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In den ersten Zeiten war dies ein Umzug
mit großem Pomp und Gepränge, im 18. Jh.
wurde daraus ein Umzug mit allegorischen
Wagen und schließlich im späten 19. Jh. ein
„historischer Umzug“, so wie er heute
noch üblich ist, zur Erinnerung und zur
Verherrlichung des goldenen Zeitalters der
Republik Siena und seiner Institutionen. Der
heutige Palio wird am 2. Juli und am 16.
August mit Jockeys gelaufen, die in der
Regel nicht aus Siena stammen und die auf
Pferden reiten, die an die Contraden verlost
wurden. Bei jedem Palio nehmen nur zehn
Contraden teil, nach einem Mechanismus,
zusammengesetzt aus Verlosung und
Wechselfolge, der bis auf das Jahr 1721
zurückgeht. Die drei Tage der Proberennen
und der Tag des historischen Umzugs und
des darauf folgenden Rennens am 2. Juli
oder am 16. August sind der Höhepunkt im
Sozialleben der Stadtteile, der Contraden,
siebzehn kleiner Städte innerhalb der Stadt,
ein jedes mit einem eigenen Territorium,
einem eigenen Volk, einer Verfassung,
einer periodisch gewählten Regierung,
einem Sitz mit Museum, einem Verein zur
Freizeitgestaltung und vor allem mit
eigenen Traditionen und einer eigenen
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Geschichte. Die Contrada ist für die
Sienesen das „kleine“ Vaterland, die
natürliche Erweiterung der eigenen Familie,
so wie das Territorium der Contrada im
täglichen Leben als die Erweiterung der
eigenen vier Wände angesehen wird. Für
die Contraden ist der Palio keine
gelegentliche Aktivität, sondern ihre
eigentliche Daseinsberechtigung, die
Darstellung ihrer „uneinigen Einigkeit“ und
ihrer Identität, die immer tief greifender
gefühlt wird, auch in Zeiten einer immer
weiter wachsenden Globalisierung. Auch
wenn heute das Stadtleben in einer
wirtschaftlichen, soziologischen und
politischen Realität voll ausgelebt wird, so
stimmt es doch immer noch, dass für die
Contraden-Anhänger, die antiken,
wahrhaftigen Sienesen, die Zeit nach dem
Intervall zwischen einem Palio und dem
nächsten gemessen wird. Für sie findet der
Palio das ganze Jahr statt. Der heutige Palio
ist für das Siena von heute genauso wichtig
wie der Palio in den Anfängen für das
mittelalterliche Siena. Für die Sienesen
bedeutet er die Quintessenz der Geschichte,
der Erinnerungen und der Identität.
gegangene Statuten verwiesen wird. Das Ausmaß der
Kerzenspende variierte je nach der Bedeutung des Spenders.
Alle Bürger der Stadt mussten sich jedoch daran beteiligen so
wie auch die öffentlichen Institutionen Sienas und seines
Staates. Allen voran die Stadt, die in der Gestalt ihrer
Honoratioren eine große bemalte Wachskerze feierlich in der
Kathedrale spendete. Die Zeremonie wurde Jahr für Jahr,
Jahrhundert um Jahrhundert, bis in unsere Tage wiederholt.
Auch heute noch geht am 14. August zur Prozession der Kerzen
und Steuern der Bürgermeister von Siena in die Kathedrale und
entzündet die große Votiv-Kerze. Das Kerzenwachs, das die
Arbeiter unter den gewaltigen Gewölben des Domes, genauso
mit Sternen übersäht wie der Mantel der Madonna,
aufstapelten, erreichte das unglaubliche Gewicht von
dreißigtausend Pfund. Später wurden dann die Kerzen auf alle
Kirchen und Pfarreien des Bistums verteilt. Nach den großen
Banketten des Vorabends und öffentlichen Zeremonien ritten
Adelige und Stadthonoratioren auf ihren eigenen Pferden einen
„Palio alla lunga“, d.h. durch die Straßen der Stadt bis zum
Vorplatz der Kathedrale. Der Siegespreis war ein Stück
wertvollen Stoffes, manchmal sogar mit weißen Feenfellchen
gefüttert. Mit dem Ende des goldenen Zeitalters und dem
Verlust der Unabhängigkeit 1559 nach einem denkwürdigen
Krieg gegen die Familie der Medici und dem damaligen Herrn
der Welt, Karl V, verlor Siena seinen Staat und wurde in die
subalterne Rolle einer der kleinen Städte der Toskana
gezwungen, und das vor allem unter der Herrschaft der ewigen
Rivalin Florenz, Hauptstadt des Großherzogtums der Toskana.
Der Palio wurde zum Angedenken an die vergangene Größe der
Stadt, die Contraden wurden zu den Verwahrern der kollektiven
Identität und des Sinnes für Unabhängigkeit der Sienesen. Die
Bank Monte dei Paschi, gegründet 1472, sollte alleine die große
Tradition der Vorherrschaft der Republik auf dem Gebiet der
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Finanz und des Bankwesens fortführen. Die Medici entsandten
nach Siena einen Gouverneur, fast immer ein Mitglied der
regierenden Familie, der dann im Gouverneurspalast, in dem
heute die Provinzialregierung untergebracht ist, seinen Wohnsitz
nahm und hier einen kleinen Hofstaat unterhielt, der zum
Mittelpunkt des kulturellen Lebens der Stadt in den darauf
folgenden Jahrhunderten zusammen mit der Universität, dem
Collegio Tolomei, den Akademien und einigen literarischen
Kreisen wie jenem von Quirina Mocenni, der von Foscolo
geliebten „Edlen Dame“ werden sollte. Unter der Gouverneuren
der Ära der Medici liebten die Sienesen besonders den Prinzen
Mattias, einem begeisterten Pferde- und Palioliebhaber, und
Violante aus Bayern, die 1729 die Grenzen der Stadtteile mit
einem Gesetz festlegen ließ, welche noch heute gelten. Der
Prozess dauerte unter den Lothringern weiter an. Peter Leopold,
der mit seinen Reformen die Toskana resolut in die neue Zeit
katapultierte, schuf die Biccherna und die Balia, die alten
öffentlichen Verwaltungsämter Sienas ab, respektierte jedoch
die Contraden und den eifersüchtigen Bürgersinn der Sienesen
„einem guten und ehrlichen Volk“. Der Großherzog ließ den
„Discorso sopra la Maremma di Siena“ von Sallustio Bandini
drucken, einem Vorreiter der leopoldinischen Reformen mit
seinen Ideen bezüglich des Handels mit landwirtschaftlichen
Produkten sowie bezüglich eines neuen Steuersystems. Auf
poetische Weise schrieb Cesare Brandi: „Der alte Stamm
überlebte, junge Schösslinge vertrockneten, die Stadt vertraute
sich dem 19. Jh. wie aus einem Block Bergkristall geschnitten
an.“ Das hinderte sie jedoch nicht daran, in vorderster Linie bei
den Ereignissen des Risorgimento dabei zu sein. Im Mai 1848
bildeten 55 Studenten, 4 Dozenten und der Kanzler der
Universität zusammen mit den Pisanern jenes toskanische
Bataillon, das bei Curtatone für lange Zeit die Soldaten
Radetzkys in Schach hielt. Die Stadt verzichtete sogar auf den
Chiasso del Bargello
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“ICH BETRACHTE
DIE ALTEN PALÄSTE SIENAS,
HÄUSER, IN DENEN ICH
FÜR EINEN TAG WOHNEN
MÖCHTE, MIT EINEM FENSTER ,
ANTIKE
DAS GANZ ALLEINE MIR GEHÖRT,
DAS TONFARBENEN
DÄCHER,
AUF DIE GRÜNEN FENSTERLÄDEN
SCHAUT, UND VERSUCHE
HERAUSZUFINDEN, WOHER DAS
GEHEIMNIS KOMMT, WELCHES
SIENA MURMELT UND WELCHES
ICH IMMER WIEDER HÖRE,
AUCH WENN ICH ES NICHT
VERSTEHE, BIS ANS ENDE
MEINER TAGE”
JOSÉ SARAMAGO, NOBELPREISTRÄGER
Palio und übergab den Familien der Freiwilligen die 420 Lire des
Siegespreises. Am Palazzo Spannocchi erinnert eine Gedenktafel
an die „Verschwörer-Contraden“ Gans, Drache und Wald. Gegen
Ende des letzten Jahrhunderts bereitete Siena Garibaldi und
Umberto und Margherita von Savoyen einen begeisterten
Empfang. Die Stadt begann wieder zu wachsen. Gegen Mitte
des 19. Jahrhunderts war auch die Eisenbahnlinie nach Empoli
gebaut worden und im Jahre 1883 wurden die Vereinten
Spitäler des Santa Maria della Scala zur ersten UniversitätsPoliklinik Italiens. Die Bürger Sienas gründeten eine Vielzahl an
Gesellschaften zur Bildung und zur gegenseitigen Hilfeleistung.
Die Volkshochschule sichert auch heute noch ihre Funktion der
Volksbildung. Es wurden auch die Contraden-Vereine ins Leben
gerufen, der weltliche Arm jener nicht zu ersetzenden
Institutionen, der es ihnen ermöglichte, auch unter den neuen
Vereinsbestimmungen der Gegenwart zu bestehen. Das 20.
Jahrhundert, das mit der großen Ausstellung Antiker Sieneser
Kunst 1904 begann, welche dem Image Sienas in der Welt
neuen Glanz verlieh, brachte vor allem die Gründung der
prestigereichen Chigiana Musik-Akademie, eine der
hervorragenden Institutionen im Bereich der Musikwelt.
Weiterhin sollte man auch an die Gründung 1917 der Scuola per
Stranieri, der Sprachschule für Ausländer, die seit 1992
Universitäts-Status hat, erinnern. Sie ist gleichsam ein Fenster
zum Rest der Welt und ein Bezugspunkt in dieser Stadt für viele
seiner Freunde und Ehrenbürger in den fünf Kontinenten.
Zu ihnen gehörte auch General de Monsabert, Kommandeur der
alliierten Truppen, die am 3. Juli 1944 in Siena einmarschierten.
Dem Oberst, der ihn fragte, wohin die Artillerie auf die Stadt
schießen sollte, antwortete er: „Arrangiert euch, schießt wohin
ihr wollt, aber ich verbiete euch, über das 18. Jahrhundert
hinauszuschießen!“ Das neue Jahrtausend hat damit begonnen,
dass man versucht, sich an die neuen Zeiten anzupassen ohne
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auf die außerordentliche Vergangenheit zu verzichten. Die Stadt
gehört zu den ersten in Italien, die schon verkabelt sind, man
hat größte Anstrengungen unternommen, um alle möglichen
architektonischen Barrieren zu beseitigen trotz der noch
intakten, mittelalterlichen Struktur. Das historische Stadtzentrum
ist eine verkehrsberuhigte Zone, während man auch keine
Anstrengungen scheut, um es mit der Peripherie zu verbinden.
Weiterhin versucht man, die Stadt an das nationale Straßenund Eisenbahnnetz anzuschließen, ohne sie einem
unkontrollierbaren Verkehrsaufkommen oder dem
Massentourismus auszusetzen. Es wurde ein Museum für Kinder
eröffnet, das alte Hospiz Santa Maria della Scala stellt sich als
Zitadelle der Kultur vor, mit einem Blick auf Zeitgenössisches
und Zukünftiges in der Museographie und der Restaurierung.
Mit dem Palazzo delle Papesse kam Siena in den Kreis der postmodernen Kunst. Es gelten immer noch die Überlegungen von
Mario Bracci, dem sieneser Rektor der Universität, der 1944
über Siena schrieb: „Sein spiritueller Reichtum, der in seinen
Palästen, in seinen Museen und auch in seinen Bürgern lebt, ist
von nationaler, vielleicht sogar europäischer Bedeutung.“ Seit
Jahren ist Siena bei den Statistiken unter den ersten Plätzen der
Städte zu finden, in denen es sich am besten lebt und die WahlSienesen sind immer zahlreicher. Siena will wahrscheinlich auf
poetische Weise mit Hilfe von Umschreibungen erklärt werden.
Henry James schrieb: „Man spürt die Erfahrung von Jahrhunderten
fast so, als sei diese in einer alles durchdringenden Mischung
gelöst worden. Die Stadt wird verglichen mit dem Hals einer
Amphore, einer Speerspitze, einem zum Auslaufen bereiten
Schiff, einer Hand, die schützend über drei Hügel gebreitet ist,
einem etruskischer Dreifuß, einem bis zum Äußersten
gespannten Bogen. Und Piazza del Campo ist eine Sonnenuhr,
der Nabel der Stadt, ein Mutterleib, eine Muschel, ein Becken,
der ausgebreitete Mantel der Muttergottes, eine Seifenblase, ein
Die Kultur der Tafelfreuden
Die sieneser Küche, so reich an
Geschichte, gleicht einem immer wieder
neu beschriebenen Pergament, schön
zum anschauen und gut zum essen.
Unter den sieneser Vorspeisen finden
wir die Bruschetta mit Knoblauch und
Extra-Vergine Olivenöl, die Crostini mit
Fleisch- und Milzpasteten, sowie die
sieneser Wurstwaren, die eine lange
Tradition haben, wie uns das von
Lorenzetti in seinem Fresko der Guten
Regierung gemalte Schwein der CintaRasse beweist. Die anderen sieneser
Wurstwaren - Buristo (schwarzer
Pressack), Capocollo (als Schinken
bereitete Nackenstücke), Finocchiona
(Fenchel-Wurst) - haben eine genauso
alte Tradition, im Gegenteil, sie haben
sogar zwei: sie wurden nämlich in
Fontebranda und in Salicotto hergestellt,
wo das Wurstbrät in Naturdärme gefüllt,
gesalzen und dann gekocht wurde
(daher der Name „Salicotto“). Unter
den ersten Gängen finden wir dann die
Pici, die „Spaghetti der Armen“, die
man immer noch mit Wasser und Mehl
ohne Eier bereitet und die mit dem
„falschen“ Sugo (Soße ohne
Hackfleisch) oder dem „Sugo
all’Aglione“ (Knoblauch-Soße) serviert
werden. Dann gibt es einen sieneser
Pesto, der aus Estragon gemacht wird.
Estragon ist die typische Gewürzpflanze
der sieneser Küche. Berühmt sind auch
die Eintopf-Suppen aus Kichererbsen,
Bohnen, Porree oder Dinkel, von dem
man behauptet, dass er sogar schon von
den Etruskern gegessen wurde, sowie
die Eintopf-Suppe aus Schwarzkohl, die
man früher in Siena im Sommer kalt
und im Winter warm verzehrt hat. Bei
den Hauptgerichten sticht besonders das
weltberühmte Fleisch der ChianinaRinderrasse hervor. Aber auch das
Fleisch der Cinta-Schweinerasse, der
Wildschweine, der Perlhühner, der
Fasane, der Enten und der Tauben,
Lamm und Kaninchen, auf dem Rost
gegrillt, in der Pfanne gebraten, oder im
Topf gekocht, sollte nicht vergessen
werden. Artusi warf den Toskanern vor,
zuviel Gemüse zu essen und sicherlich
gibt es in Siena davon eine ganze
Menge, aus dem Wald, vom Feld und
aus dem Garten. Von den Trüffeln von
San Giovanni d’Asso bis zum Spargel der
Montagnola, von den Pilzen rund um
den Amiata-Berg bis zu den Feldsalaten.
Als Abschluss des Essens kann man
dann zusammen mit dem Vinsanto der
Enoteca die antiken, bis auf das
Mittelalter zurückreichenden sieneser
Süßwaren probieren: die Copate, die
Cavallucci, das scharf gewürzte antike
Panforte, das Panpepato (Pfefferkuchen)
oder das andere, das süße, mit vielen
kandierten Früchten, das nach der
Königin Margherita von Savoyen
benannt wurde. Schließlich gibt es noch
die Ricciarelli, aus süßen und bitteren
Mandeln, die Aristokraten unter den
sieneser Süßwaren, einzigartig in Italien.
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Die Enoteca Italiana
Die Enoteca Italiana ist eine öffentliche Einrichtung, die
seit siebzig Jahren auf dem Gebiet der Wertsteigerung der
italienischen Qualitäts-Weine arbeitet. Sie hat ihren Sitz in
der Medici-Festung, welche Baldassarre Lanci 1561 im
Auftrag von Großherzog Cosimo I der Medici erbaute.
In ihrem reichhaltigen Angebot, das von einer VersuchsKommission präzise auf dem neuesten Stand gehalten
wird, finden wir Weine aller Regionen Italiens, vor allem
aber der Toskana. Besonders zahlreich sind die aus dem
sieneser Land, beginnend mit den DOCG-Weinen: der
Vernaccia aus San Gimignano, dem Chianti, dem Chianti
Classico, dem Nobile aus Montepulciano und dem Brunello
aus Montalcino. Es gibt in Italien keine andere Provinz, die
eine derartige Weinkarte mit untereinander so
verschiedenen und doch so prestigereichen Weinen
aufweisen kann. Sie begleiten die toskanische Küche
Sienas, sie stellen die wahre Einheit zwischen Stadt und
Umland her.
ENOTECA ITALIANA
Fortezza Medicea, tel. 0577 288497
www.enoteca-italiana.it
angehauchtes Stück Perlmutt. Dann der Dom: er erscheint als
Galeone und seine Fassade als ein ganzer Wald an Symbolen.
Jenseits aller poetischer Umschreibungen kann ein Besucher, der
es nicht eilig hat, in Siena besser als anderswo über das
Konzept einer organischen Urbanistik nachdenken, oder über
Ordnung und Entropie, über Konservierung und Erneuerung,
über Öffentlichem und Privatem, Geistlichem und Weltlichem,
Religion und Magie, Stadt und Land, Wirtschaft und Bankwesen.
Siena bietet wichtige Beispiele oder faszinierende „case
studies“ über all das. Wenn also Reisen nicht eine allzu leicht
genommene Flucht, möglichst weit weg in Raum und Zeit,
bedeuten soll, sondern die schwierige Suche nach dem genius
loci und dadurch nach dem Sinn des Lebens, dann wird diese
Stadt tatsächlich zu einem der Orte, die man aufsuchen soll,
denn sie kann uns, wie der Poet Mario Luzi schrieb „zusammen
mehr Realität und Traum, ohne Unterschiede, bieten“. So war
es auch für einen anderen, besonderen Besucher, den NobelPreisträger Albert Camus, der in ganz jungen Jahren nach Siena
kam und später in seinen Notizen schrieb: „...vor allen Dingen
möchte ich noch einmal die Straße von Monte San Savino nach
Siena zu Fuß, mit dem Rucksack über der Schulter durchstreifen,
durch dieses Land mit Trauben und Oliven, dessen Duft ich noch
in der Nase spüre, über jene Hügel aus bläulichem Tuffgestein,
die sich bis zum Horizont ausdehnen, und dann noch einmal
Siena im Abendrot mit seinen Minaretten wie ein
perfektioniertes Konstantinopel vor mir auftauchen sehen, in der
Nacht ankommen, ohne Geld und allein, schlafen bei einem
Brunnen und morgens als Erster auf der Piazza del Campo sein,
einem Platz in der Form einer Palme oder einer Hand, die das
bietet, was der Mensch nach dem alten Griechenland an
Großem hervorgebracht hat.“ Und das ist auch der Grund
warum die UNESCO 1995 das historische Stadtzentrum von
Siena zum Weltkulturerbe erklärte.
Alessandro Falassi
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Die Struktur der Stadt
„DAS KOMITEE HAT
ENTSCHIEDEN, DIESEN
ORT
... EINZUTRAGEN, IM
HINBLICK DARAUF, DASS
SIENA EINE
IN
AUßERORDENTLICHE
MITTELALTERLICHE STADT IST,
DIE IHRE CHARAKTERISTIKEN
QUALITÄT BEWAHRT
DIE STADT IST EIN
MEISTERSTÜCK DER HINGABE
UND PHANTASIE , IN DER
ALLE GEBÄUDE SO
KONZIPIERT WURDEN, DASS
SIE SICH IN DAS GESAMTBILD
UND
HAT.
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DER URBANISTISCHEN
STRUKTUR EINFÜGEN UND
EINE EINHEIT MIT DER
„DIE DREI HÜGEL , AUF DENEN SIE GEBAUT WURDE, MACHEN
AUS IHR EINE STADT, IN DER ES KEINE ZWEI GLEICHEN STRAßEN
UMLIEGENDEN
KULTURLANDSCHAFT
BILDEN.“
GIBT UND NICHT EINE EINZIGE WILL SICH IRGENDEINER
GEOMETRIE UNTERORDNEN.“
JOSÉ SARAMAGO
BEGRÜNDUNG DER
EINTRAGUNG SEITENS DER
UNESCO (1995) DES
STADTZENTRUMS VON SIENA
IN DIE LISTEN DES
WELTKULTURERBES
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Piazza del Campo, Fonte Gaia-Brunnen
Das WASSER war für die Einwohner Sienas immer ein
besonders wertvolles Gut gewesen, ein dünner Leitfaden, auf
dem die Struktur der ganzen Stadt aufbaut.
Es wird erzählt, dass im Jahr 1342, als das Wasser von den
Bergen des Chianti im neuen Brunnen auf der Piazza del
Campo zu sprudeln begann, die Frauen in Siena die
Werkstätten schlossen und ein großes Fest improvisierten.
Auch heute noch ist die Fonte Gaja das Zentrum des
Stadtlebens mit ihrem Wasserspiegel, der - von oben
gesehen - wie ein grüner Smaragd inmitten seiner
wertvollen Marmorskulpturen leuchtet. Der Brunnen ist das
Zentrum eines Netzes von über 25 km langen,
unterirdischen, großen Kanälen, den „Bottini“, unterhalb der
Stadt und ihrem Umland. Als 1536 Karl V die Bottini
besichtigte rief er aus, dass die unterirdische Stadt viel
schöner sei als die über der Erde. Von den Bottini fließt das
Wasser in die Brunnen der Patrizier-Paläste, wie Palazzo
Chigi, und zu den öffentlichen Monumental-Brunnen. Einige
bestehen aus großen Becken wie der von Samoreci (San
Maurizio) und Pantaneto; der Brunnen Fontanella aus dem
Jahre 1263 sprudelt in der Nähe der Apsis der AugustinerKirche, Fontegiusta wurde mit einem Laubengang versehen
und gab der Kirche den Namen, in die der Brunnen
einbezogen wurde: Santa Maria in Portico a Fontegiusta.
Der Pescaia-Brunnen aus dem 13. Jh. mit drei großen
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romanischen Bögen aus rosafarbenen Ziegelsteinen und
einem antiken Zinnenkranz ist heute Sitz des
Wassermuseums. Andere Brunnen sind mit großen
romanischen oder gotischen Gewölben bedeckt. Fontebranda
(bekannt seit 1081) sprudelt in der Nähe des Hauses der Hl.
Katharina und weist ein erstes Becken für Trinkwasser, ein
zweites Überlauf-Becken zur Tiertränke, und ein drittes zum
Wäsche waschen auf. Große Bögen haben auch der Brunnen
Ovile, der Brunnen del Casato, genannt Fonte Serena, der
etwas eingeklemmt in die Stadtstruktur wirkt, oder der
Brunnen Fonte Nuova di Ovile neben einer grünen Wiese.
Der Brunnen di Follonica steht inmitten einer großen
Grünzone innerhalb der Stadtmauern. Seit jeher gehören die
sieneser Brunnen zu den versteckten Juwelen der Stadt und
sind Ziel eindrucksvoller Spaziergänge. 1900 schrieben Edwin
und Evangeline Blashfield: „Diese sieneser Brunnen in der
Form von Grotten unterscheiden sich von allen anderen, sie
sind sonderbare „Wesen“, die in die Stadt die angenehme
Kühle der Höhlen und des Bergquellwassers bringen“. Zu
diesen Monumental-Brunnen gesellen sich in jedem Stadtteil
die jüngeren Brunnen der Contraden mit ihren StadtteilSymbolen, wo einmal im Jahr die Stadtteil-Taufe
vorgenommen wird, ein Ritus mit dem die Sienesen
Vollmitglieder ihrer Contrada werden. Das zweite Element,
das die Stadt beherrscht, ist der TUFFSTEIN, in den man in
den ersten Jahrhunderten der Besiedlung die Wohnungen der
Ärmeren grub, wie die „Tabernae“ in der Nähe des Stadttors
Porta Salaia (1067), die später als Ställe, Magazine,
Werkstätten und Keller benutzt wurden. Diesen senfgelben
Tuff sieht man heute in den Grotten, auf den kleinen freien
Plätzen und in den kleinen Tälern mit ihren Gemüse- und
Obstgärten, wo der Estragon wächst, innerhalb der
Stadtmauern. Auch in den kühlen Kellern, die unter jedem
Domenico Beccafumi, Moses schlägt Wasser aus dem Berg (Ausschnitt), Fußboden im Dom
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sieneser Palast in einer Technik gegraben wurden, die die
Tradition als noch etruskisch einstuft, ist er zu finden. Es ist
auch der gleiche Tuff, mit dem - wenn es heißt „Terra in
Piazza“ - zweimal im Jahr die Pflastersteine rund um die
Piazza für das Palio-Rennen bedeckt werden. Man braucht
dazu zirka 400 Kubikmeter. Die Stadt ist jedoch aus
ZIEGELSTEINEN erbaut. „Und das ist“, so schreibt Duccio
Balestracci, „das Baumaterial, welches das gesamte Stadtbild
in der Ikonographie charakterisiert, wodurch man Siena
gegenüber anderen Städtedarstellungen in der Toskana
unmittelbar wieder erkennt“. Es gab in der Geschichte Sienas
unzählige Ziegelbrennereien; im gesamten Territorium der
heutigen Provinz liefern dafür 140 Ortsnamen wie „Fornaci“
und „Fornacelle“ den Beweis. Aus Backsteinen ist die noch
vollständig erhaltene Stadtmauer. Aus Backsteinen ist auch
das Rathaus mit seinem Turm, aus Backsteinen sind die
mittelalterlichen Paläste der Patrizier und das Hospiz Santa
Maria della Scala sowie auch die großen Kirchen der
Franziskaner, der Domenikaner und des Servitenordens.
Die Farbe der Ziegelsteine ändert sich im Laufe der
Jahrhunderte: das Dunkelrot der ältesten Gebäude wird zum
Orangerot im 16. Jh. Die Straßen wurden im Anfang mit den
roten „Ferretto“-Steinen (einem eisenhaltigen Tongestein) im
Fischgrätmuster gepflastert. Die Medici-Festung ist aus
Backsteinen. Aus Backsteinen sind auch die neugotischen
Sanierungen des 17. und 18. Jh. wie z.B. Palazzo Sansedoni
auf der Piazza del Campo. Man fuhr dann in den darauf
folgenden Jahrhunderten mit Palazzo Buonsignori, Palazzo
Marsili und dem Palazzo del Capitano fort bis ins 20.
Jahrhundert. Die neugotische „Sanierung“ der Via Salicotto
ist vollständig aus Backsteinen, sowie auch das neue
Stadtteil Ravacciano, wohin viele Familien der sanierten
Quartiere zogen.
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Der Kontrapunkt zu den sieneser Backsteinen sind die
antiken Natursteine. Die Straßenpflasterung innerhalb der
Stadtmauern ist gänzlich aus PIETRA SERENA, welche
Backsteine und Schotter ersetzte. (Von den echten Sienesen
heißt es, sie wären „auf den Steinplatten geboren“, denn
die Straßen erscheinen in einem glänzenden Grau wie Zinn.)
Die antiken Türme sind dagegen aus einem hellen
Naturstein, und zwar jenem kavernösen Kalkstein, jenem
Lapis tiburtinus, dem TRAVERTIN, der im sieneser Territorium
gebrochen wurde. Aus ihm wurden die Paläste und Häuser
der antiken Familien errichtet, die gleichsam wie Festungen
innerhalb der Stadt erscheinen. Wie zum Beispiel die
Palastanlagen der Marescotti, der Bandinelli Paparoni, der
Angiolieri, der Bisdomini, der Ballati und der Guastellani. Die
Türme wie die Roccabruna an der Croce del Travaglio, einer
der höchsten, wurden zu Zeiten der Eroberung durch die
Medici fast alle bis zur Häuserhöhe abgetragen und dann in
Gebäude miteinbezogen oder durch einen modernen
Zinnenkranz abgeschlossen. Vor allem bei Gebäuden, die
während der Übergangszeit von der Romanik zur Gotik
errichtet wurden, finden wir beides vor: Natursteine und
Ziegelsteine. Teilweise hat man sogar große Backstein-Blöcke
aus römischer Zeit verwandt. Im Sockel des Gebäudes finden
wir den Naturstein, weiter oben dann die Ziegel, oder es
wechseln sich Reihen mit großen Naturstein-Blöcken mit
Ziegelstein-Reihen ab. Das gleiche Motiv herrscht auch bei
den neun Feldern auf der Piazza del Campo vor: die
Pflasterung ist aus Backsteinen, die Einteilung aus TravertinRippen. Überall in der Stadt begegnet uns der „Marmor der
Sienesen“, der Travertin, der noch heute in der Gegend von
Rapolano gebrochen wird, in den Farben Weiß, hellem und
dunklem Elfenbein, Haselnuss und dunklem Nussbraun.
Aus Travertin ist der Sockel des Rathauses und die Krone des
Die sieneser Marmorsorten
Bis hinaus auf den Vorplatz des Domes
geht dieser Teppich aus eingelegten,
farbigen Marmorbildern. Die Idee dazu soll
- nach der Überlieferung - Duccio di
Buoninsegna gehabt haben. Es ist ein Werk
von solcher Pracht, dass es einzig auf der
Welt ist. Es bedeckt den gesamten
Domfußboden mit 52 Bildern aus farbigem,
eingelegtem Marmor und Graffiti. Von 1373
bis 1547 arbeiteten daran über vierzig
Künstler, von Pinturicchio bis Giovanni di
Stefano, von Benvenuto di Giovanni bis
Matteo di Giovanni, von Neroccio di
Bartolommeo bis Francesco di Giorgio
Martini. Domenico Beccafumi zeichnete 35
Geschichten aus dem Alten Testament mit
außerordentlichen, malerischen Effekten.
Nur in Siena kann man über eine
Pinakothek aus Marmor laufen. Die
eingelegten Ränder der Einzelbilder sind
mit geometrischen Mustern und Tierformen
verziert, Muster, die sich heutzutage im
traditionellen Kunsthandwerk wieder
finden und die charakteristisch für Siena
sind: bei den Keramiken, den gestickten
Tischdecken, den Schnitzereien und den
Stickereien.
Die Kathedrale von Siena, 1179 geweiht,
und errichtet auf den Resten eines antiken
Minerva-Tempels, von dem - wie es die
Überlieferung will - noch die Vorderseite
eines marmornen Sarkophags des 3. Jh.
existiert, die heute im Dombaumuseum
aufbewahrt wird, ist ganz aus weißem und
schwarzem Marmor, fast wie eine heilige
„Balzana“ (das Stadtwappen).
Die achteckige Kanzel, ein Meisterwerk der
Bildhauerei des 13. Jh. ist zwar von der
klassischen Skulptur inspiriert, aber auch
von den Einflüssen der neuen Zeit
durchdrungen: die naturalistischen,
ausdrucksvollen und ernsten Figuren des
Pisano beeinflussten die gesamte sieneser
Kunst. Das Gesamtwerk enthält gut
dreihundert menschliche Figuren und
siebzig Tierdarstellungen. Die Ausführung
ist so fein und erlesen, dass der Marmor
die Konsistenz des Elfenbeins anzunehmen
scheint. Die herrlich sanfte Muttergottes
mit Kind bezeichnet Enzo Carli, ein
bedeutender Kunsthistoriker, als „die
vielleicht schönste, die im Verlauf der
Bildhauerei des 13. Jahrhunderts
geschaffen wurde“.
Der Sohn von Nicola Pisano, Giovanni
Pisano, war bis 1297 verantwortlich für die
Zeichnungen, die Verblendung und die
Statuen der unteren Hälfte der Fassade,
welche den bedeutendsten Zyklus an
Monumental-Statuen der italienischen Gotik
enthält.
Das Innere des Domes ist eine einzige
Symphonie aus Marmor. Die gewaltigen
Pilaster, die die romanischen Arkaden
stützen, sind mit weißen und schwarzen
Marmorstreifen bedeckt, die sich bis in die
Trommel der Kuppel fortsetzen, während
am Hochaltar, an den Seitenaltären und in
den Kapellen wie die des Johannes des
Täufers oder der Gelübde-Kapelle, die Gian
Lorenzo Bernini zugeschrieben wird,
farbiger Marmor zur Verwendung kam.
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Fußboden im Dom (Ausschnitt)
Es wird erzählt, dass der sieneser Papst
Alexander VII Chigi, um seine Kapelle
auszustatten, des Nachts aus dem
Lateranpalast die antiken Säulen aus
grünem Marmor entwenden ließ, um sie
dann auf geheimen Wegen nach Siena zu
schicken.
An der Außenmauer des Domes gibt es
eine Marmorplatte mit einer magischen
Beschwörungsformel, die seit
Jahrhunderten Gelehrte, Gläubige,
Rätsellöser und Esoteriker fasziniert:
Sator/Arepo/Tenet/Opera/Rotas.
Man kann sie von oben nach unten lesen,
von rechts nach links, von unten nach oben
und von links nach rechts.
Taufkirche S. Giovanni
Aus Marmor ist auch die Kapelle auf der
Piazza del Campo, die von der Stadt zu
Ehren der Muttergottes nach der großen
Pest von 1348 errichtet wurde. An ihr
befinden sich sechs Heiligenstatuen und
ein marmornes Fries mit sich
gegenüberstehenden Greifen und
Blumenvasen von Antonio Federighi, der
sie 1468 zu Ende baute.
Jacopo della Quercia hinterließ Siena den
Fonte Gaja -Brunnen auf der Piazza del
Campo (1409 - 1419) mit als Endfiguren
zwei Statuen: eine Rea Silvia, die Mutter
des Romolus und Remus, und eine Acca
Larenzia, ihre Ziehmutter. Seine Skulpturen
gelten als eine Synthese der Gotik mit der
Renaissance.
Sein Werk wurde später zu einem
wichtigen Fixpunkt in der Ausbildung von
Michelangelo, der einige Statuen für den
Piccolomini-Altar im Dom von Siena schuf.
Von 1503 bis 1504 vollendete er den Hl.
Franziskus, der von Pietro Torrigiani
begonnen worden war, und schuf die Hl.
Peter und Paul, sowie die Hl. Pius und
Gregor. Aus Marmor ist auch die wuchtige
Loggia della Mercanzia des 15. Jh., in der
sich die Zunft der Kaufleute sowie das
Handelsgericht befanden, mit vier
gewaltigen Pfeilern und fünf Nischen mit
den Statuen der Heiligen Savinus, Viktor,
Ansanus, Petrus und Paulus. Die beiden
letzteren sind von Lorenzo di Pietro,
genannt il Vecchietta (1410 - 1480), der
mit diesen Marmorstatuen seine lineare
Feinheit, seine große Dramatik und seinen
analytischen, scharfen Verstand zum
Ausdruck brachte, der dazu führte, dass er
seine Skulpturen mit „Pictor“ (Maler) und
seine Gemälde mit „Sculptor“ (Bildhauer)
signierte.
Mangia-Turms, die Fassaden der Stiftskirche S.Maria in
Provenzano, des Palazzo Tolomei, des Palazzo delle Papesse
und der Kirche Santa Maria delle Nevi. Der gesamte HäuserKomplex der Piccolomini mit der Kirche San Martino, der
Logge del Papa, die von Papst Pius II geschenkt wurde und
die über drei Arkaden mit eleganten, korinthischen Kapitellen
geht, sowie der eigentliche Palazzo der Piccolomini, das
imposanteste und ehrgeizigste Gebäude der sieneser
Renaissance ist aus Travertin und stellt den sieneser
Gegenpart zum Projekt der idealen, von Rossellino gebauten
Stadt, also Pienza, dar. In der Stadt sind aus Travertin
Fassaden, Treppen, Säulen, die 71 kleinen Säulchen um die
Piazza del Campo, sowie Brunnen, Türschwellen und Fenster,
Tore und Stadttore wie jenes von Camollia, über dem seit
1604 die wohlwollenden Grußworte der Stadt an ihre
Besucher eingemeißelt sind „Cor Magis Tibi Sena Pandit“,
„Siena öffnet dir sein Herz weiter als seine Tore“.
Aus Travertin sind auch der nicht allzu moderne, in jüngster
Zeit errichtete Bahnhof und die Hauptpost auf der Piazza
Matteotti. Zu guter Letzt gibt es dann auch noch den bunten
MARMOR als Rahmen für den weißen, für Statuen benutzten.
Im Fußboden der Stiftskirche Provenzano, an den Altären der
Bernini-Kapelle im Dom, am Kapellenaltar im Palazzo
Sansedoni, im Oratorium des Stadtteils der Gans in
Fontebranda: überall sehen wir Marmor in allen seinen
Farben und denken an seine alten Namen, die auch
Herkunftsbezeichnung sind: heller Weißer, Bardiglio, Fior di
Pesco, Cipollino, Broccoletto, Serpentino, Portasanta aus
Gavorrano, Roter aus Montieri, Gelber aus Chiusdino, Grüner
aus Montarrenti.
In der Stadt finden wir aber auch alte, elegante
„Stickereien“ in der Form von Eisengittern an Fenstern, Türen
und Toren, in den „Schmiedeeisen-Arbeiten“ der Fahnen-
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und Fackelhalter, in den Vorrichtungen zum Anbinden der
Pferde, bei den Tribünen aus geschmiedetem, gehämmertem
und gedrehtem Eisen, in den wertvollen Gittern, leicht wie
Stickereien. Das berühmteste Gitter ist wohl das der Kapelle
auf der Piazza, geschmiedet von Pietro di Betto oder Conte di
Lello Orlandi, Schmiedemeister in Siena. Jenes Gitter,
welches die Kapelle im Innern des Rathauses vom Vorraum
trennt, wurde wahrscheinlich von Jacopo della Quercia 1435
gezeichnet und zehn Jahre danach von Niccolò di Paolo
beendet. All diese Materialien zusammen ergeben die
eigentliche Struktur der Stadt, erzeugen Harmonie und
erreichen ihren Höhepunkt mit dem Dom und der Piazza del
Campo mit einer derartigen Eleganz, die zu dem Gedanken
führt, dass es sich - wie Alberto Moravia schrieb - um „eine
aus einem Block gehauene Stadt“ handelt.
Die hervorragendste Eigenschaft dieser harmonischen
Verquickung von so verschiedenen Materialien ist jedoch das
Licht in Siena, das in jedem Besucher, nach jedem Besuch
unvergesslich bleibt. Der Poet Mario Luzi schrieb: „Die
Erinnerungen können ins Detail gehen, aber im Gedächtnis
verbleibt nur ein einziges, eindeutiges Bild und das ist
lichtdurchflutet“.
Trekking in der Stadt
Im Jahr 2002 in Siena ins Leben gerufen,
ist das Trekking in der Stadt ein neues
Konzept im Bereich des „tragbaren
Tourismus“.
Der Vorschlag hierbei ist, die Kunststädte
zu erleben, indem man sie zu Fuß
durchwandert, mit der Nase immer nach
oben, und so Sport, Kunst und Lust an
gemeinsamen Unternehmungen im Freien
vereint.
Touristen und Besucher sind eingeladen,
das Stadtzentrum auf Pfaden zu entdecken,
auf den Spuren der einheimischen
Bevölkerung, welche sie zu Straßen und
Plätzen, Steigungen und Treppen,
Ausblicken auf die Stadt und auf das
umliegende Land führen.
Die Strecken des Trekking führen nicht nur
zu Kunstschätzen, sondern auch zu
Begegnungen mit einem intensiven,
täglichen Leben: zu Gasthäusern mit der
typischen, einheimischen Küche, zu
Handwerkern, zu kleinen Wochenmärkten,
zu Kinderspielplätzen und anderen Orten,
an denen es möglich ist, das städtische
Leben hautnah zu erleben und an ihm
teilzuhaben.
Der Sinn dieser Initiative ist es, das
Verständnis für die Stadt und ihrer Identität
zu verbessern, in dem sie als ein weit
gefächertes Museum vorgestellt wird, zu
dem auch die weniger bekannten
Attraktionen und das gesamte Stadtbild
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gehören, die ja in gewisser Hinsicht ein Teil
der großen und berühmten Monumente
sind, und deshalb wichtig, um jene besser
zu verstehen und schätzen zu können.
Das Trekking in der Stadt führt zu einem
besseren Verhältnis der Touristen zu dem
besuchten Ort und seinen typischen
Produkten, es entlastet den monumentalen
Stadtkern, verlängert und verbreitert den
Fluss der Touristen in der Stadt, schützt den
Lebensstil und integriert die Stadt der
Touristen in die der einheimischen
Bevölkerung bis zu einem Punkt, an dem
beide sich vollständig decken.
Es schützt und erschließt die Werkstätten
des Kunsthandwerks sowie die der
Nahrungsmittelerzeugung und generell der
typischen, einheimischen Produkte, die an
den Rändern des historischen
Stadtzentrums zu finden sind.
Beim Trekking in der Stadt handelt es sich
INFO: www.comune.siena.it
um eine für alle geeignete, sportliche
Wanderung, die zwar eine etwas
anstrengende, körperliche Betätigung
vorsieht, für die man sich jedoch nicht
besonders vorbereiten muss; sie ist
belebend für Körper und Geist.
Donatella Cinelli Colombini, die Erfinderin
des Trekkings in der Stadt sagt hierzu:
„Siena zu Fuß zu durchlaufen im gleichen
Tempo wie die Menschen, die sie vor
vielen Jahrhunderten erbauten, ist der
ideale Weg für den, der diese Stadt
wirklich begreifen will und mit ihr ein tief
greifendes und persönliches Verhältnis
eingehen möchte.
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DIE FARBEN DER KUNST
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Bei dem erst kürzlich unter dem Dom von Siena entdeckten,
äußerst wichtigen Wandgemälde-Zyklus ist das was Besucher
und Experten gleichermaßen erstaunt, diese wahre Explosion an
außergewöhnlich gut erhaltenen, brillanten Farben. Alessandro
Bagnoli schreibt: „Wer diesen großen Raum betritt, hat das
angenehme Gefühl, sich gigantischen, bemalten Choralbüchern
gegenüberzusehen, die auf den Wänden ausgebreitet sind und
herrlich, farbige Miniaturen zeigen.“
Diese Farbpalette, so rigoros und extrem wie jene der Stadtfahne
Balzana - weiß und schwarz - , ist über Jahrhunderte die
Ergänzung der vergoldeten Tafelbilder der großen sieneser Kunst.
Äußerst reich und rein sind die Farben des Duccio di
Buoninsegna: das Gelb, das Blutrot der Mäntel der Märtyrer, das
Blau des königlichen Mantels der Muttergottes, durchzogen von
goldenen Linien, das Lapislazuli-Blau, die klar umrissenen
Marmorintarsien des Marienthrones sind auserwählte Farben zur
Darstellung der Einheit von Himmel und Erde. Nur bei der
Muttergottes der Franziskaner, heute in der Pinakothek, werden
die Farben Duccios sanfter, aus Hochachtung vor der
ausgesprochenen Simplicitas des Franz von Assisi. Das Gold wird
durch Grün, Weiß und Braun ersetzt und zieht sich in feinen
Linien am Rand des Mantels der Muttergottes in einer
auserlesenen Graphik entlang, die schon an den gotischen
Linearismus erinnert. Anders sind jedoch die Farben des Simone
Martini, leuchtend, anspruchsvoll und durchzogen vom gotischen
Linearismus, in den beiden großen Fresken im Saal des
Mappamondo im Rathaus. Im Portrait des Guidoriccio da Fogliano
sind die reich bestickte Robe des Ritters und die Reitdecke
seines Pferdes aus dem gleichen Stoff; angereichert durch
diamantförmige Silberstempel stellen sie den Kontrast zu dem
nachtblauen Himmel und den Reflexen der kahlen Hügel, wie sie
in der Crete im sieneser Hinterland zu finden sind. Im Fresko der
Majestät malte Simone Martini auf der gegenüberliegenden
Wand eine Muttergottes mit Kind und ihrem himmlischen
Das Gold von Siena
Im 13. Jh. beginnt mit den vergoldeten
Tafelbildern die große Epoche der sieneser
Kunst. Das Gold ist die wertvolle Darstellung
des göttlichen Lichtes des Himmels, perfekt
und absolut.
Ein goldenes Tafelbild ist die Muttergottes
von Montaperti, fast ein Ex-Voto, eine
Danksagung der Sienesen für den großen
Sieg, und ein goldenes Tafelbild ist auch die
Muttergottes delle Grazie, zu dem das Volk
der siegreichen Contrada des Palio-Rennens
im August mit dem soeben gewonnenen
Siegespreis zieht, um hier eine DankesHymne zu singen. Ein vergoldetes Tafelbild
ist auch die stillende Muttergottes von Paolo
di Giovanni Fei (1389 - 90), das die Sienesen
ins Zentrum des Piccolomini-Altares hingen,
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Taddeo di Bartolo, Muttergottes mit Kind und Engeln, Servitenkirche
als im Dom einiges umgebaut wurde und der
florentinische Großherzog die strahlende
Verkündigung von Simone Martini für die
Uffizien entwendete. Das berühmteste aller
vergoldeten Tafelbilder Sienas ist jedoch die
imposante Majestät von Duccio di
Buoninsegna (1308 - 1311). Die Sienesen
begleiteten sie damals in einem Triumphzug
von der Werkstatt des Duccio durch die
Straßen der Stadt und über die Piazza del
Campo zum Dom. Heute befindet sie sich im
Dombaumuseum, in einem in
eindrucksvollem Hell-Dunkel gehaltenen Saal,
mit dem die Lichtverhältnisse in der
Kathedrale nachvollzogen werden sollen, in
der die Majestät über Jahrhunderte hinweg
der leuchtende Mittelpunkt war.
Die wichtigste und reichhaltigste Sammlung
an vergoldeten Tafelbildern in Italien hat die
NATIONAL-PINAKOTHEK von Siena mit Sitz in
einem gotischen Palast, der im Jahr 1915 von
Niccolò Buonsignori der Provinzial-Regierung
geschenkt wurde, um dort eine Pinakothek
einzurichten. In den 37 Sälen befindet sich
die gesamte Produktion vergoldeter
Tafelbilder der großen sieneser Kunst, mit
seinen „Hauptdarstellern“ und seinen
„Nebenrollen“ - von Duccio bis Pietro
Lorenzetti, von Guido da Siena bis Dietisalvi
di Speme, von Lippo Memmi bis Bartolomeo
Bulgarini. Unvergesslich bleiben jedoch in
dieser ganzen, goldglänzenden Pracht die
Werke der großen Meister.
Von Simone Martini ist in der Pinakothek die
Hofstaat in transparenten und sanften Farben, wo die in die
Heiligenscheine eingefügten Edelsteine leuchten, unter einem
großen, königlichen Baldachin, der mit einer Reihe von Wappen
des Volkes und der Stadt verziert ist. Der Hintergrund ist ein
intensiv blauer Himmel und nicht mehr das metaphysische Gold.
Ambrogio Lorenzetti war es dann, der außer den Farben des
Himmels auch die der Erde und die der Wirklichkeit malte.
In seinem berühmtesten Werk, der Allegorie der Guten und
Schlechten Regierung (1338 - 1340) im Saal des Friedens des
Rathauses, ist die Harmonie in der Stadt und die zwischen Stadt
und Land auch durch die Harmonie der lebendigen sieneser
Farben unter einem Sommerhimmel dargestellt. Zwei berühmte
kleine Tafelbilder in der Pinakothek mit Veduten einer Stadt am
Meer und einer Burg am See sind die ersten Beweise einer
Landschaftsmalerei in Europa. Die Farben der Stadt mit ihren
Gebäuden in Steingrau, Wassergrün, Ziegelrot und Gelb
harmonisieren mit denen des Umlandes: Grün, Gelb, Terra di
Siena und Aschgrau. Die gleichen Farben finden wir in dem
Farbplan, der 1992 vom Stadtrat einstimmig verabschiedet
wurde, einem der ersten in Italien, mit dem die Farbpalette der
im historischen Stadtzentrum erlaubten Farben festgelegt wurde,
und zwar diejenigen Farben, durch die in den vergangenen
Jahrhunderten jene unverwechselbare, ästhetische Identität
erreicht wurde. Die Vorliebe für reiche und volle, gleichsam
unwirkliche und prunkvolle Farben der Meister der Gotik setzte
sich während der sieneser Renaissance fort: in den Werken von
Malern wie dem feinfühligen Sassetta oder Bernardino Betti,
genannt il Pinturicchio, dessen angenehme, heitere und gefällige
Farben zusammen mit einem ausgesprochenen Sinn für
Dekoration benutzt werden. Wir können sie vor allen Dingen in
den Fresken über das Leben Papst Pius II in der Bibliothek der
Piccolomini im Dom (1503 - 1508) genießen, einem der
wichtigsten profanen Zyklen der italienischen Renaissance. Die
gleichen Farben finden wir auch bei Giovanni di Paolo, dessen
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berühmte Muttergottes der Demut in der Pinakothek jedoch nur
wenig Demut zeigt, so wie sie mit dieser eleganten
Renaissance-Kopfbedeckung und mit ihrem reich bestickten Kleid
unter einem königlichen Mantel gemalt wurde. Sie sitzt auf
einem großen Brokatkissen auf einer blühenden Wiese, inmitten
eines märchenhaften Gartens und einer üppigen Landschaft, die
gleichsam als Hintergrund und Krone dienen. Sogar Francesco di
Giorgio Martini, jenes der Zukunft aufgeschlossene, kosmopolitische
Genie, behält in seiner reinen und klaren Malerei eine
klassizistische Fabelvision, eine graphische Sensibilität und einen
ausgeprägten Chromatismus, typisch für die sieneser Tradition,
bei. In seiner Krönung der Jungfrau Maria in der Pinakothek
explodieren die gleichen Farben - Karminrot, Dunkelrot, Perlgrau,
Lapislazuli-Blau und das Gelb-Gold der antiken sieneser Meister.
Farbe war für ihn gleichermaßen ein Primär-Element bei der
Bildhauerei wie in der Architektur. Erst gegen Ende der großen
Zeit der Kunst und Kultur der Stadt werden die Farben der
sieneser Maler etwas abgeschwächt. Sodoma benutzt die
Farbtafel des Leonardo da Vinci, weich und mit beharrlichen HellDunkel-Effekten, voller Pathos, in seinen Fresken in der Basilika
von San Domenico zu Ehren der Hl. Katharina von Siena (1526).
Bei Beccafumi dagegen schimmert es in leuchtenden
Pastellfarben, angehaucht von einem Licht, das von einer
unsichtbaren Quelle ausgeht, wie in den Fresken des Saales des
Concistoro im Rathaus (1529 - 1535). Unter den Allegorien der
Gerechtigkeit, des Wohlwollens und der Vaterlandsliebe sind
historisch-legendäre Episoden gemalt, die die bürgerlichen
Tugenden veranschaulichen sollen. Das gleiche alchemistische
und hermetische Licht, am Tag oder in der Nacht, des Himmels
oder der Hölle, beleuchtet die Farben des großen Tafelbildes in
der Karmeliter-Kirche mit dem Hl. Michael und dem Engelssturz
(1535). Sodoma und Beccafumi, schrieb Henry James,
hinterließen uns „einen malerischen Schatz an Farben und
wertvollen Schatten voller erahnbarer Darstellungen“.
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große Muttergottes der Misericordia, welche
unter ihrem weiten Mantel das gesamte Volk
von Siena sammelt und beschützt, sowie die
Muttergottes mit Kind, gemalt 1321, eine der
reinsten und faszinierendsten
Mariendarstellungen. Manch einer hält sich
auch gerne bei den entzückenden
Geschichten um den Seligen Novello auf, mit
denen die gregorianische Musik zur Malerei
wird. Simone malte sie kurz vor seiner
Abreise nach Avignon, wo ihm Petrarca das
Portrait Lauras in Auftrag geben sollte.
Von Ambrogio Lorenzetti gibt es in der
Pinakothek ein großes, bemaltes Holzkreuz,
bei dem der goldene Hintergrund zu einem
mit Arabesken verzierten Goldstoff wird, eine
kleine Majestät und eine feierliche
Verkündigung, signiert und datiert 1344, in
der der goldene Hintergrund noch zum
antiken Stil gehört, die Bewegung des
runden Thrones und die Struktur der
Perspektive jedoch schon die neue Malerei
vorwegnehmen.
Der „Maestro di Ovile“ (heute mit
Bartolomeo Bulgarini identifiziert) ergeht
sich in seiner in den Himmel auffahrenden
Muttergottes, umgeben von einer
Engelsschar, in so viel Gold und so viel Glanz
und Schimmer, dass Piero Torriti schreibt,
dieses Werk „könnte zum Symbol der
gesamten transzendentalen, gotischen
Malerei Italiens, ja Europas aufsteigen“.
Die sieneser Vorliebe für goldene Tafelbilder
setzt sich in allen herausragenden
Malerpersönlichkeiten fort: Taddeo di Bartolo,
Andrea di Bartolo, Matteo di Giovanni,
Neroccio di Bartolomeo Landi, Giovanni di
Paolo. Sano di Pietro (1406 - 1481)
produzierte zusammen mit seinen Gehilfen
eine enorme Anzahl an Gemälden; im
Flügelaltar der Santa Bonda, einem seiner
Hauptwerke, wo die Zentralfigur eine
Muttergottes mit Kind auf dem Thron ist,
kleidete er Jesus Christus und die Heiligen in
den Giebeln in festliches Gold.
In der thronenden Muttergottes mit Heiligen
des Vecchietta (1400 - 1480) wird der
goldene Hintergrund zu einer enormen
Kuppel, aus dessen Feldern uns zwei
Cherubim anblicken.
Sogar Francesco di Giorgio Martini (1439 1502), ein vielseitiger Künstler, Architekt und
Ingenieur, ein Kosmopolit wie Leonardo da
Vinci, hinterließ uns einige Beispiele an
Tafelbildern mit goldenem Hintergrund.
Das Gold von Siena leuchtet jedoch nicht nur
in der Malerei. Man kann es auch in der
wertvollen Kollektion der Reliquienschreine
Duccio di Buoninsegna, Muttergottes der Franziskaner, Nationalpinakothek
DIE NATIONAL-PINAKOTHEK VON SIENA
HAT DIE WICHTIGSTE
UND REICHHALTIGSTE SAMMLUNG
AN VERGOLDETEN TAFELBILDERN
IN ITALIEN.
Via San Pietro 29
tel. 0577 281161
www.spsae-si.beniculturali.it
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Simone Martini, Majestät (Ausschnitt), Rathaus
des Santa Maria della Scala bewundern, in
der Wölfin mit den Zwillingen aus vergoldeter
Bronze von Giovanni da Turino (1429) im
Stadtmuseum, im Schatzsaal des
Dombaumuseums, in den goldenen Rosen,
die der Stadt von Papst Pius II Piccolomini
und Papst Alexander VII Chigi geschenkt
wurden, in dem Leuchter aus vergoldetem
Holz von Domenico di Niccolò, in den
vergoldeten Paneelen des Taufbeckens im
Baptisterium, ein Werk des Jacopo della
Quercia, Lorenzo Ghiberti und Donatello, in
den vergoldeten Statuen aus der Schule des
Jacopo della Quercia in der Pinakothek oder
in jenen an den Dompfeilern aus
vergoldetem Stuck, mit denen Giovanni di
Stefano die sieneser Heiligen darstellte.
Für den Besuch Karls V in Siena 1536 schuf
Domenico Beccafumi ein großes Pferd aus
vergoldetem Pappmaché, das auf der Piazza
Postierla aufgestellt wurde und heute nicht
mehr existiert. Zwei seiner vergoldeten
Siegesgöttinnen befinden sich dagegen noch
im Dom.
Mit dem Ende der Renaissance setzte sich die
sieneser Vorliebe für das Gold vor allem in
den sog. niederen Künsten und im
Kunsthandwerk fort, wie z.B. in vergoldeten
Silber- und Bronze-Arbeiten, in den mit
Goldfäden durchwirkten Stoffen, den
Leuchtern, den Antependien, den vergoldeten
Engeln auf den Altären, die Teil der
„Schätze“ in den Oratorien aller Contraden
wurden, in der Vergoldung mit Blattgold und
Goldfirnis von Orgeln, Antependien, Möbeln
und Bilderrahmen, in den vergoldeten
Decken der Kirchen, wie in der mit goldenen
Bordüren versehenen Decke der Kirche der
Hl. Annunziata oder in der gänzlich
vergoldeten Kuppel der Gelübde-Kapelle in
der Kathedrale.
Die goldenen Tafelbilder sind dann Ende des
19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wieder
erschienen, und zwar in den Gemälden der
„Maler antiker Bilder“, wie Icilio Federico
Joni oder Umberto Giunti, deren Werke derart
tief greifend von der ununterbrochenen
sieneser Tradition des Antiken durchdrungen
waren, dass sie mehr als einen Experten,
mehr als einen Museumskurator und mehr als
ein gekröntes Haupt in die Irre führten.
Auch heute noch stellen die sieneser
Goldschmiede in ihren Werkstätten im
Stadtzentrum Gold- und Schmuckgegenstände
her, die denen in den alten Gemälden mit
Portraits von Frauen und Madonnen der
großen sieneser Kunst ähneln, während Maler
und Handwerksmeister immer noch ihre
Muttergottes-Darstellungen und ihre Engel
mit goldenem Hintergrund versehen.
DAS AUßERGEWÖHNLICHSTE
AN DIESER HARMONISCHEN MISCHUNG
AUS SO VERSCHIEDENEN MATERIALIEN IST DAS
LICHT VON SIENA , WELCHES SICH NACH
JEDEM BESUCH, BEI JEDEM BESUCHER
UNAUSLÖSCHLICH EINPRÄGT.
SCHRIEB DER POET MARIO LUZI
„DIE ERINNERUNGEN KÖNNEN INS DETAIL
GEHEN, ABER IM GEDÄCHTNIS VERBLEIBT
NUR EIN EINZIGES, EINDEUTIGES BILD UND
DAS IST LICHTDURCHFLUTET“.
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Giovanni di Paolo, Muttergottes der Demut, Nationalpinakothek
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Siena auf der Bühne
“SIENA IST EIN WERTVOLLER SCHREIN,
DER DERART WICHTIGE KUNST-,
KULTUR- UND VOLKSTRADITIONEN ENTHÄLT, SO DASS DIESE STADT
SCHON DARAN GEWÖHNT IST, REGELMÄßIG
PRESTIGEREICHE VERANSTALTUNGEN, BEKANNT NICHT
NUR IN ITALIEN
SONDERN AUF DER GANZEN WELT, ZU ERLEBEN.
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CARLO VERDONE
SCHAUSPIELER UND REGISSEUR
ACCADEMIA DEGLI INTRONATI: Via di città, 75 - tel. 0577 284073
http://ospiti.comune.siena.it/ACCADEMIA_INTRONATI
ACCADEMIA DEI FISIOCRITICI: Prato di Sant’Agostino, 4 - tel. 0577 47002
www.accademiafisiocritici.it
ACCADEMIA DEI ROZZI: via di Città, 36 - tel. 0577 271466
www.accademiarozzi.it
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Die Akademien
Im 16. Jh. wurden in der Stadt zahlreiche Vereinigungen und Akademien ins Leben gerufen, die sich besonders auf dem
Gebiet der Dichtung, der Literatur und des Theaters auszeichneten. Sie hatten originelle Namen wie die Smarriti und die
Raccolti, die Sborrati und die Selvatici. Ihre Mitglieder erhielten bizarre Akademiker-Namen wie Arsiccio, Dondolone,
Voglioroso, Avviluppato, um die Gleichheit aller vor der Kunst zu unterstreichen. Die berühmtesten Akademien, die Intronati
und die Rozzi, sind auch heute noch ein Anhaltspunkt für das kulturelle Leben der Stadt. Im Jahre 1525 gründeten sechs
Edelleute aus Siena die aristokratische ACCADEMIA DEGLI INTRONATI. Heute publiziert die Akademie das “Bullettino Senese
di Storia Patria“, das 1893 ins Leben gerufen wurde und Teil eines kulturellen Austausch-Systems ist, mit dem in die Stadt hunderte von
wissenschaftlichen Publikationen kommen, die alle in der Bibliothek der Akademie, heute die Stadtbibliothek, Kernstück aller sieneser Bibliotheken,
eingelagert werden. Die Akademie publiziert auch selbst, vor allem aber Texte von literarischem, historischem und künstlerischem Interesse. Man
organisiert Meetings und Konferenzen. Seine dreißig ordentlichen Mitglieder mit Numerus Clausus sind eingeteilt in die Abteilungen Geschichte, Literatur
und Kunst. Die Akademie hat Korrespondenz-Mitglieder in aller Welt.
Die ACCADEMIA DEI ROZZI die durch zwölf Kunsthandwerker 1531 gegründet wurde, gab sich reguläre Statuten und wurde 1690 zur Akademie. 1817
wurde das heutige Theater dei Rozzi mit einer Aufnahmefähigkeit von 500 Plätzen eingeweiht. Nach einer sorgfältigen Restaurierung 1998 erhielt es die
Doppelfunktion eines Theaters der Akademie und der Stadt. Es gibt eine reichhaltige Spiel-Saison mit Theateraufführungen und Musikveranstaltungen
unter der künstlerischen Leitung der Stadt Siena. Im Spiegel-Saal der Akademie dei Rozzi finden außer den Aktivitäten für die Mitglieder der Akademie
regelmäßig städtische Veranstaltungen wie Meetings, Vorstellungen und Diskussionen von städtischem, historisch-kulturellem, literarischem oder
musikalischem Interesse statt. Für die Mitglieder der Akademie bietet diese den Service eines traditionellen Clubs mit einem Lesesaal, einem abendlich
geöffneten Restaurant, einer Bar, einem Fernseh-Saal sowie weiteren Sälen zum geselligen Beisammensein.
Siena ist zwar auf der ganzen Welt als Kunststadt bekannt, hat aber auch ein wichtiges Naturkunde-Museum, das erste seiner Art in der Toskana.
Es ist jenes der ACCADEMIA DEI FISIOCRITICI, welche 1691 gegründet wurde. Im Laufe seiner Geschichte wurden hier dem Publikum wissenschaftliche
Experimente gezeigt, wie z.B. die mit der Druckluftmaschine von Boyle. Die Sonnenuhr der Akademie bestimmte die offizielle Zeit in der Stadt: die Glocke
der Fisiocritici schlug die Mittagsstunde und jene des Mangia-Turmes verbreitete sie dann in der Stadt und im Umland. Jeden Montag war die Akademie
den Uhrmachern geöffnet, damit sie ihre Chronometer einstellen konnten. Akademie-Mitglieder waren Forscher und Wissenschaftler wie Linneo, Beccaria,
Volta und in jüngster Zeit Pasteur, Koch und Sclavo. Heutzutage ist die Akademie immer mehr dem sieneser Publikum und Besuchern zugänglich. Es gibt
eine Bibliothek, ein Archiv, Konferenzen und kulturelle Aktivitäten während des ganzen Jahres sowie im Museum reichhaltige Sammlungen an
geologischen, botanischen und zoologischen Funden, die im Laufe der Jahrhunderte erworben wurden. Gleich neben dem Gebäude der Akademie
befindet sich der Botanische Garten, dessen Anfänge auf das Jahr 1588 zurückreichen und der heute ein ideales Ausflugsziel für Schulkinder ist.
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Die Theater
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Siena nimmt eine wichtige Position in der Geschichte des italienischen
Theaters ein. Im Mittelalter gab es Mysterien-Spiele, öffentliche
Belustigungen, Umzüge und Turniere, allegorische Darstellungen und
Umzüge mit Wagen mit religiösen und profanen Motiven. Siena hatte
außer dem Theater dei Rozzi und dem Großen Theater, das später „dei
Rinnovati“ hieß, zahlreiche Räumlichkeiten für Theater-Aufführungen, wie
z.B. im Collegio Tolomei und in vielen Patrizier-Palästen, sowie in jüngster Zeit auch jene improvisierten
in den Räumen der Contraden-Vereine, die gegen Ende des 19. Jh. in allen siebzehn Stadtteilen Sienas
ins Leben gerufen wurden. Zu denen, die die Tradition fortsetzen, gehört das Piccolo Teatro im Palazzo
Sergardi, das von Margherita Sergardi Marmoross im Jahre 1950 erbaut wurde, in dem sich
Aufführungen des klassischen Theaters und der Avantgarde mit den hauptsächlich an die Jugend
gerichteten Theaterkursen abwechseln. 2001 wurde das Theater der Pfarrgemeinde del Costone,
gegründet 1912, wieder eröffnet. Es handelt sich hier um eine Institution, die vielen Generationen in
Siena lieb und teuer war, ein einfaches, Laien-Volkstheater, das der Jungend einen „Übungsplatz fürs
Leben“ und einen ersten Applaus von seinen 135 Plätzen garantierte. Hier und an anderen, kleineren
Bühnen wird die Tradition des einheimischen Volkstheaters, des Studenten-Theaters, des Theater im
sieneser Dialekt und der Contraden fortgesetzt, deren Themenkreis sich um die verschiedenen
Veranstaltungen während des ganzen Jahres dreht. Es gibt z.B. Ondeon, eine von der Contrada der
Welle 1978 ins Leben gerufene Initiative, bei der die Kinder aller siebzehn sieneser Stadtteile auf der
Bühne stehen. Oder auch die etwas transgressive und teilweise schlüpfrige Operette, die von den
Universitäts-Studenten jedes Jahr während der Feriae Matricularum auf die Bühne gebracht wird, mit
jener festlichen Unbeschwertheit und unter dem Geist der Brüderlichkeit der antiken Studentenverbindungen.
Giuliano Catoni schreibt, dass in Siena „das Studenten-Theater immer noch jene Seite auf die Bühne
bringt, die den fröhlichen Bachusfesten der antiken Wanderburschenschaften am nächsten kommt“. In
Siena konnte natürlich auch ein Theater im sieneser Dialekt und mit Themen aus dem Leben in den
Stadtteilen und dem Palio nicht fehlen. Die reichhaltige Produktion des 20. Jh. hatte mit dem „Rompicollo“,
eine Operette von Luigi Bonelli, den allergrößten Erfolg. Sie ist eine Mischung aus verschiedenen
Genres, bezeichnet als die „Aida der Operette“, und wurde auch außerhalb Sienas aufgeführt, wie z.B.
in Berlin im Jahr 1938. Viele erfolgreiche Autoren haben Aufführungen mit großem Erfolg in der Stadt
auf diesem Gebiet produziert mit Texten von z.B. Silvio Gigli, Mario Verdone, Fernando Giannelli, Arrigo
Pecchioli und Bruno Tanganelli, genannt Tambus, dem Gründer des „Vernacolo Clebbe“ im Jahre 1978.
TEATRO DEI RINNOVATI: Piazza del Campo, 1 - www.comune.siena.it
TEATRO DEI ROZZI: Piazza Indipendenza, 15 - www.comune.siena.it
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Theater dei Rozzi
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Gotisch, suggestiv, fotogen: ein idealer Drehplatz
Der erste Film über den Palio von Siena vom Juli 1909, gedreht von der Firma Croce aus Mailand, ist der älteste, der uns erhalten ist. „The Palio of
Siena“ von André de Lalande erhielt 1953 den Oskar für den besten Dokumentarfilm. Auch über die Geschichte, die Kunst und die Literatur von Siena
sind Dokumentarfilme gedreht worden. Folco Quilici drehte 1972 „Siena, un giorno i secoli“ für die Bank Monte dei Paschi di Siena. Von Mario
Verdone ist „Sano di Pietro racconta“ (1957), von Carlo Verdone „L’Accademia Musicale Chigiana“ (1976), von Luca Verdone „La pittura senese del
Trecento“ (1992) und von Sergio Micheli „Senesi Ultimi Etruschi“ (1980). Siena war jedoch auch Bühnenbild und zugleich Hauptdarsteller in vielen
Spielfilmen für die große Leinwand. Die lange Liste der historischen Filme, Kostüm-Komödien und der Filme, die die Welt des Palio zum Thema haben,
beginnt 1932 mit „Palio“ von Alessandro Blasetti (Drehbuch Luigi Bonelli). In jüngster Zeit kamen hinzu „Al lupo al lupo“ (1992) von Carlo Verdone
über eine Familie auf der Suche nach der eigenen Identität sowie „Con gli occhi chiusi“ (1994) von Francesca Archibugi, eine freie Kinobearbeitung
des gleichnamigen, autobiographischen Buches von Federigo Tozzi. Viel Applaus erntete auch das kurze Auftauchen der Stadt im Film „Io ballo da
sola“ (1995) von Bernardo Bertolucci, der vor allem im sieneser Hinterland zwischen Brolio und Geggiano gedreht wurde. Siena wird im Film jedoch
nicht nur als Bühnenbild benutzt. Seit 1997 findet in der letzten September-Woche das Siena Film Festival, statt, zur Zeit unter der Leitung des
Schauspielers und Regisseurs Carlo Verdone. Es ist vor allem dem unabhängigen Film auf der ganzen Welt gewidmet und beschert dem Publikum
Erstaufführungen, Ausstellungen, Symposien, Wettbewerbe für junge Regisseure, Begegnungen mit Protagonisten des großen Kinos sowie
Retrospektiven über Schauspieler, Künstler oder Regisseure von Andy Warhol bis Ugo Tognazzi oder Pietro Germi. Die Initiativen im Rahmen des
Filmfestivals sind über die ganze Stadt verteilt, wie z.B. im Santa Maria della Scala, in den städtischen Filmtheatern oder im historischen Kino Pendola,
das zusammen mit dem Cineforum Alessandro VII in der Regel besondere Autoren-Filme im Programm hat. Seit 1996 findet auch jährlich das Festival
Internazionale del Cortometraggio (Internationales Kurzfilm-Festival) statt, das einen Querschnitt der gesamten Marktproduktion bietet, mit dem Ziel,
Filme mit hohem kulturellem Wert besonders hervorzuheben sowie mit monographischen Abteilungen, die von Mal zu Mal andere Themen
anschneiden, z.B. verschiedene Länder oder Filme für Kinder. 1989 wurde in Siena auch die Visionaria ins Leben gerufen, eine internationale Revue der
Bildproduktionen in den verschiedensten Formen, von der Dunkelkammer bis zu virtuellen Bildern mit Material aus unabhängigen Produktionen.
Während des ganzen Sommers gibt es in der Medici-Festung und in den Gärten der Tolomei Freilichtkino-Veranstaltungen.
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Kleine Geigenspieler der Chigiana Musikakademie
Siena und die Musik
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Die Tage des Palio, die im Rhythmus der Gesänge der Contradenanhänger auf der Piazza oder durch die Straßen der Stadt hinter ihren Pferden bis zu
den Abendessen in den Contraden vergehen, haben jedoch auch andere, bei den Sienesen beliebte, musikalische Höhepunkte. Seit 1958 öffnen sich
am Abend des 14. August die Tore des Domes für das Konzert des Domkapellmeisters zur Feier von Mariae Himmelfahrt. Unter den Gewölben des
Domes erschallt die Musik aus den über 7000 Pfeifen der vier Orgeln der Kathedrale. Die älteste Orgel ist jene, die 1508 von Domenico di Maestro
Lorenzo degli Organi aus Lucca renoviert wurde. Zu ihnen gesellen sich im Laufe des Sommers die anderen Orgeln der Stadt und darunter vor allem
jene, die 1514 Giovanni di Antonio Piffaro in der Kirche der Hl. Annunziata im Santa Maria della Scala baute. Sie ist die am besten erhaltene Orgel ihrer
Zeit auf der ganzen Welt. In den Oratorien der Contraden gibt es 13 Orgeln, die den Festen der Hl. Schutzpatrone und den Stadtteilfeiern den festlichen
Rahmen verleihen. Am 30. Juni und am 14. August ist dann die Kapelle „Città del Palio“ der Vereinigung der sieneser Kapellen, gegründet 1827, der
Hauptakteur, wenn sie auf der Piazza del Campo den Sienesen und den Touristen ein Konzert mit ihren über sechzig „Musikanten“ bietet. Es sind die
gleichen, die zwei Tage danach in alten Kostümen den historischen Umzug des Palio eröffnen und den Palio-Marsch von Maestro Formichi spielen, der
zwar Wagner überhaupt nicht gefiel, den aber die Sienesen trotzdem lieben. Die Kapelle begleitet zivile, religiöse und militärische Veranstaltungen
sowie die Feste in den Stadtteilen. Sie ist es, die die offizielle Hymne der Stadtteile bei der Rückkehr des Umzuges der Contradenanhänger am
Festsonntag ihres Hl. Schutzpatrons spielt. Zum Fest der Hl. Cäcilie im November hat die Stadt dann ihr Rendezvous mit dem Orchestra a Plettro Senese
Alberto Bocci (ein Zupfinstrumente-Orchester), das 1921 gegründet wurde und eines der ganz wenigen seiner Art in Italien ist. Dreißig Musiker, die nur
Zupfinstrumente spielen: Gitarre, Baßgitarre, Mandola, Mandoline, Mandoloncello und eine Harfe. Das Repertoire reicht von antiker Musik bis zu
zeitgenössischer, mit einigen Konzessionen an den klassischen Jazz der Big Bands. Die Chöre, wie der der Sieneser Madrigalisten, der vor allem von
Graf Chigi gewollt und gefördert wurde, oder jener, jüngeren Datums, von Vico Alto, oder jene der Stadtteile, die zwar immer fortbestehen jedoch in
Intervallen arbeiten, geben Konzerte während des ganzen Jahres. Jedes Jahr bietet das Stadtteil der Giraffe im Frühjahr eine Revue mit sieneser Liedern
und Contraden-Gesängen und schützt und verbreitet damit die Tradition des sieneser Volksliedes.
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Die Chigiana Musikakademie
Am 22. November 1923, am Tag der Hl. Cäcilie, Schutzpatronin der Musiker,
eröffnete ein großes Konzert die erste ständige Konzert-Saison der Chigiana
Musikakademie, die seit dem, so wie es in ihrem heraldischen Motto steht
„Micat in Vertice“ über der gesamten sieneser Musik leuchtet. Graf Guido Chigi
Saracini, der letzte der großen Kunstmäzene in Siena, der sich selbst ironisch als
„Verlustmachender Impresario“ definierte, war ihr Initiator. Er gründete sie, er
finanzierte sie, er gab ihr einen Sitz in seinem Palast in der Via di Città. Die
Fortbildungskurse im Sommer, die absolute Weltspitze sind, hatten Dozenten wie Pablo Casals, Andrès
Segovia, Alfred Corot und zu den Schülern, die später zu Meistern der Chigiana und zu weltberühmten
Musikern wurden, gehörten Carlo Maria Giulini, Anna Moffo, Salvatore Accardo und Uto Ughi, Zubin Metha,
Claudio Abbado und viele andere. Im Jahre 1939 fand auf Veranlassung von Graf Chigi und Alfredo Casella
die erste Ausgabe der Sieneser Musikwochen statt, die auf dem Gebiet der Wiederentdeckung antiker
italienischer Musik, vor allem der Instrumentalmusik, berühmt wurde (Aufsehen erregte vor allem die
Wiederaufführung der Musik des fast in Vergessenheit geratenen Vivaldi). Heute wie damals ist die
Musikwoche der Höhepunkt des sieneser Sommers, wie die Auftritte der Chigiana-Schüler am Schluss der
Kurse und die Konzerte der Meister, mit denen Musik höchster Qualität in die Stadt, in die Contraden und
ins sieneser Hinterland gebracht wird. Andere Initiativen der Musikakademie finden im Laufe des Jahres
statt in Zusammenarbeit mit der Stadt Siena. Teilweise wendet man sich hier an junge UniversitätsStudenten oder auch an die Kinder der Kindergärten und der Grundschulen. Etwas ganz Außergewöhnliches
war der Kurs für kleine Geigenspieler für Kinder von 5 bis 7 Jahren, denen eine entsprechende Geige in
ihrer Größe kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Die Chigiana bedeutet aber nicht nur große Musik: seit
Januar 2005 hat der Palast seine Pforten dem Publikum geöffnet. Die Besucher können hier in den 14
Sälen die außergewöhnliche Kunstsammlung des Galgano Saracini besichtigen, der hier zwischen dem 18.
und 19. Jh. lebte. Über 12000 Stücke sind ausgestellt: Gemälde auf Leinwand, vergoldete Tafelbilder, kleine
Skulpturen und unbestrittene Meisterwerke der sieneser Schule.
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Palazzo Chigi Saracini, Konzertsaal
ACCADEMIA MUSICALE CHIGIANA:
Via di Città, 89
tel. 0577 22091
www.chigiana.it
Salvatore Accardo, Geigehunterricht
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Siena jazz
Siena hat jedoch auch eine unerwartete, solide Präsenz an Jazz-Musik. Im Jahre
1977 ins Leben gerufen, ist Siena Jazz eine Vereinigung zwischen Stadt, Provinz
und der Associazione Jazzistica Senese.
Man arbeitet auf drei verschiedenen Ebenen: Didaktik, Produktion und
Forschung, Aufwertung und Verbreitung des italienischen und internationalen
Jazz. Sein Studienzentrum, benannt nach Arrigo Polillo, hat eine Bibliothek und
eines der wichtigsten Musik-Archive Europas mit über 25.000 Stücken.
Seine Kurse während des ganzen Jahres sind ausgerichtet auf Ausbildung auf höchstem Niveau,
Fortbildung und Spezialisierung. Zu Nebenaktivitäten der Kurse gehören die Jam Sessions in den
Stadtteilen, der Enoteca Jazz Club und die jährliche Revue „Città di Siena“.
Zu den italienischen Jazz-Musikern, die als Dozenten oder Konzertisten am Siena Jazz teilnehmen, gehören
Fasoli, Zegna, Fresu, D’Andrea, Rava. Unter den ausländischen Jazz-Musikern finden wir Persönlichkeiten
wie Michel Petrucciani, John Taylor, Kenny Wheeler, James Newton, Dave Holland.
In der Bibel der Jazz-Musiker, dem Downbeat, steht, dass die Sommer-Kurse des Siena Jazz „zu den
wichtigsten Meisterkursen der europäischen Jazz-Landschaft gehören“ („are considered some of the
leading jazz master classes held in Europe“) und über die Revue „Città di Siena“ „Siena Jazz ist ein
verstecktes Juwel unter den europäischen Sommer-Festivals“ („Siena Jazz is a hidden jewel of European
summer festival“). Franco Caroni, Gründer und Präsident des Siena Jazz sagt dazu: „Siena Jazz ist auch
nach 30 Jahren noch ein Teenager. Wir sind wie der Jazz, eine kreative Maschinerie, die sich durch
Improvisation perfektioniert und dynamisch verändert, bereits in der Zukunft lebt“.
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SIENA JAZZ: Fortezza Medicea
tel. 0577 271401
www.sienajazz.it
Lektionen und Konzerte des Siena Jazz
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Eine Zukunft mit einer antiken Seele
“SIENA IST EINE WELT FÜR SICH, IN DER DIE VERGANGENHEIT
IMMER GEGENWÄRTIG UND UNAUSWEICHLICH IST“
ITALO CALVINO
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Palazzo Salimbeni
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Wer durch das historische Stadtzentrum von Siena geht, der
bemerkt es nicht. Und doch wissen die Sienesen heute
genauso wie im Mittelalter, dass ihre Zukunft durch den
Untergrund der Stadt führt.
Wenn auch die sichtbare sieneser Architektur eindrucksvoll ist,
so ist jene, die die Bürger Sienas im 14. Jh. im Untergrund
schufen, als sie die „Bottini“ bauten, genauso interessant.
Die Bottini sind ein unterirdisches Wasserleitungssystem, ein
technologisches Wunderwerk, das die Wasserversorgung der
Stadt bis in unsere Tage gewährleistete.
Und auf den Spuren der Sienesen jener Zeiten durchquert den
Untergrund aufs Neue das zukunftsweisende Projekt unserer
Tage. Unter der Pflasterung mit Pietra Serena bringen
kilometerlange Glasfiberleitungen zu den Häusern des
historischen Stadtzentrums innovative Serviceleistungen im
Bereich des Telefons, des Fernsehens und des Internet.
Durch die Verkabelung der Stadt war es dann möglich, die
Antennen von den Dächern zu entfernen und Siena das alte
Profil wieder zurückzugeben, so wie es Lorenzetti in seiner
berühmten Allegorie mit den Auswirkungen der „Guten
Regierung“ im Rathaus gemalt hat, eine heute noch
unerschöpfliche Quelle für Inspiration.
Das Gleiche geschieht auch in der Provinz Siena, wo man
begonnen hat, die Fiberglasleitungen zu verlegen.
Siena bewahrt eben bei allen Zukunftsvisionen seine antike
Seele, ist fähig, sich allen Anforderungen der Moderne zu
stellen ohne dabei seine Geschichte zu vergessen und ohne
die tief verwurzelte, kulturelle Identität seines Volkes zu
entstellen. Unter dieser Optik arbeiten seit jeher die
prestigereichsten sieneser Institutionen wie die Bank Monte
dei Paschi. Sie ist die älteste, heute noch aktive Bank der
Welt, deren Gründung mit 1472 datiert wird und war seit jeher
der Antriebsmotor der Stadt. Der historische Sitz der Bank
befindet sich heute noch in der Burg, die der Familie
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Salimbeni gehörte. Hier sind immer noch die Büroräume, das
historische Archiv, eine Sammlung antiker Münzen und eine
wichtige Kunstsammlung der sieneser Schule untergebracht.
Von ihrem Sitz aus, im antiken Palazzo Sansedoni, der auf die
Piazza del Campo schaut, blickt auch die Stiftung Monte dei
Paschi in die Zukunft. Auch deren Aktivitäten gehen weit über
die Stadtmauern hinaus mit weit blickenden Projekten im
Bereich der Kultur, der wissenschaftlichen Forschung und der
Solidarität. Forschung und Studium gehören seit jeher zu den
edelsten Aktivitäten dieser Stadt, die sich einer berühmten,
alten Universität, die bereits im 13. Jh. bekannt war, rühmen
kann. Ihr zur Seite gesellte sich in jüngster Zeit die Universität
für Ausländer, die mit wachsamen Augen auf eine sich ständig
ändernde Welt blickt. Für Siena bedeutet die Aussage „auf die
Vergangenheit schauen, um die Zukunft zu verstehen“ in
erster Linie seinen enormen historisch-künstlerischen Schatz zu
konservieren, zu erschließen und zu fördern.
Eine Verpflichtung, die damit beginnt, ein eigenes Museum für
Kinder eingerichtet zu haben und die mit den wichtigen
Aktivitäten des Gesamtnetzes der Sieneser Museen fortgesetzt
wird. Dazu gehören auf Stadtgebiet das Stadtmuseum, das
Oratorium des Hl. Bernhardin und das Naturkunde-Museum der
Accademia dei Fisiocritici sowie auch die Initiativen des
Zentrums für zeitgenössische Kunst im Palazzo delle Papesse
und der Zitadelle der Kultur des Santa Maria della Scala.
Siena ist weiterhin Sitz des CERR, des Europäischen Zentrums
für Forschung und Restaurierung sowie von Arsnova, der
Akademie für multimediale Kunst.
Zeitgenössisches bedeutet also Tradition für eine Stadt, wo die
Zukunft tatsächlich eine antike Seele hat.
Sonia Corsi
Die Universität
Universitas Scholarium war schon
1240 aktiv. 1357 dann wurde mit
einem Dekret Kaiser Karls IV,
Luxemburger, das „Studio Generale“
ins Leben gerufen. Judith Hook
schrieb, dass im 15. Jh. „besonders
im Bereich von Jura und Medizin ihr
Ruf hinter keiner Universität Europas
zurückstand“. Schon im 17. Jh.
erfolgte die Ausbildung der
Chirurgen und Apotheker sowie das
Praktikum der Mediziner in den
Vereinten Spitälern des Santa Maria
della Scala, die 1883 zur ersten
Universitäts-Poliklinik Italiens
werden sollte.
Nach der Einigung Italiens, als man
versuchte, mit einem Gesetzentwurf
zur allgemeinen Neuordnung der
italienischen Universitäten die
Universität Siena abzuschaffen, hat
die ganze Stadt energisch
protestiert. Im Januar 1893 gingen
auch die Vertreter der Contraden auf
die Straße mit öffentlichen
Versammlungen und Kundgebungen
sowie Plakat-Aktionen und auch
individuell wurde in ihrer
gewohnten Lebendigkeit protestiert:
das Stadtteil des Turms schickte ein
Telegramm an Giolitti, die Gans
eines an Crispi und die Muschel
eines an den König. Nachdem sie
bereits ihre 750-Jahrfeier hatte, ist
heute die Universität in neun
Fakultäten eingeteilt:
Rechtswissenschaften, Medizin und
Chirurgie, Pharmazie,
Politwissenschaften, Technische
Hochschule, Geisteswissenschaften,
Wirtschaft, Mathematik, Physik und
Naturwissenschaften. Die gesamte
Studentenschaft beläuft sich auf
zirka 20.000 Personen.
Die Erasmus-Programme öffnen die
Tore der sieneser Universität für
hunderte von ausländischen
Studenten und eine Reihe
futuristischer Master-Degrees
garantiert den eingeschriebenen
Studenten eine zukunftsweisende
Berufsqualifikation auf höchster
Ebene. Dazu gehören zum Beispiel
die unter Mitwirkung der
Bankgruppe Monte dei Paschi
organisierten Master in Wirtschaft
und Bankwesen, für Finanzwirte
sowie für
Kommunikationswissenschaftler und
Wirtschaftsinformatiker, die Master
in Rechtswissenschaften in
Zusammenarbeit mit der Universität
von Oxford und dem University
College von London; die Master in
Tourismus-Management und
vertretbarer Entwicklung, die Master
in Kommunikation im Bereich der
Önogastronomie und die Master für
Experten auf dem Gebiet des
önogastronomischen Tourismus.
UNIVERSITA’ DEGLI STUDI DI SIENA: Banchi di Sotto, 55 - tel. 0577 232 111
www.unisi.it
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Palazzo Salimbeni, Saal S. Donato
Die Universität für Ausländer
Im Jahre 1992 gesellte sich zur Universität von Siena eine zweite, die
Universität für Ausländer, die durch ein Sondergesetz des italienischen Staates
gegründet wurde. Diese Universität setzt die Tradition der Kurse für Ausländer
in Siena fort, die ältesten in Italien, die 1917 ins Leben gerufen wurden und
die ideell an die „Cattedra di toscana favella“, 1588 durch den Großherzog
Ferdinand I der Medici an der Universität Siena gegründet, anknüpften.
Die Kurse in italienischer Sprache und Kultur für ausländische UniversitätsStudenten bringen jedes Jahr über 2000 Studenten nach Siena, während die
Studiengänge zur Lehrtätigkeit der italienischen Sprache für Ausländer sowie
der sprachlichen und kulturellen Vermittlung hauptsächlich von italienischen
Studenten besucht werden. Sonderkurse in Italien und im Ausland sind
vor allem für die Spezialisierung und die Fortbildung von Italienisch-Lehrern
für Ausländer bestimmt. Ein besonderes Studienzentrum untersucht die
Verbreitung ausländischer Sprachen auf dem italienischen Staatsgebiet.
Die Universität bietet auch zwei Sonderstudiengänge für die Ausbildung zum
Textkritiker bei Verlagen und Medien sowie einen in Sprachwissenschaften für
die interkulturelle Kommunikation. Als das sieneser Fenster zur Welt ist die
Universität für Ausländer ein Bezugspunkt in der Stadt für seine auf die fünf
Kontinente verteilten vielen Freunde.
UNIVERSITA’ PER STRANIERI: Via Pantaneto, 45 - tel. 0577 240111
www.unistrasi.it
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Das Santa Maria della Scala
Das Santa Maria della Scala steht
gegenüber der Haupttreppe zum Dom
(daher kommt auch sein Name) und hat
seit dem Ende des ersten Jahrtausends die
Pilger, die auf der Frankenstraße nach
Süden zogen, aufgenommen und Armen
und Findelkindern Hilfe gewährt. Während
der Jahrhunderte wurden dann die eigenen
Hilfsfunktionen immer mehr erweitert bis
es sich in ein modernes Krankenhaus
verwandelte. Erst seit 1997 ist es ein
wichtiges Museum und Zentrum für Kultur.
Es handelt sich um ein mittelalterliches
Gebäude, dessen Schlichtheit im Gegensatz
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zum Glanz der marmornen Domfassade
steht und so auf seine Rolle als Institution
der Mildtätigkeit und der Fürsorge, als ein
Ort der Schmerzen verweist.
Kaum hat ein Besucher jedoch das
Eingangstor durchschritten, steht er in
einem, mit phantastischen Fresken
ausgemalten Saal, dem Pellegrinaio, dem
Zeugnis und Ausdruck des Talents einiger
der wichtigsten sieneser Künstler des 15.
Jh., darunter: Lorenzo di Pietro, genannt il
Vecchietta. Dieser Freskenzyklus fasziniert
nicht nur durch seinen künstlerischen Wert,
sondern auch durch die Beschreibungen
Domenico di Bartolo, Zölestin III gewährt den Laienbrüdern die Privilegien (Ausschnitt), S. Maria della Scala
Stadtmuseum, Saal des Mappamondo
SANTA MARIA DELLA SCALA: Piazza Duomo, tel. 0577 224811
www.santamariadellascala.com
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Domenico Beccafumi, die Begegnung zwischen Joachim und Anna (Ausschnitt),
Santa Maria della Scala
a
der Geschichte und der Aufgaben des
Hauses Santa Maria della Scala. Man
könnte es als ein Beispiel für eine „Gute
Regierung der Fürsorge“ bezeichnen.
Ausgehend vom Pellegrinaio bietet das
Santa Maria della Scala einen nicht gerade
traditionellen Museums-Besuch. Die
Schönheit und das Mysterium der
Architektur verbindet sich mit Fresken von
den ersten Meistern der sieneser Schule
bis Beccafumi, mit Skulpturen, mit Orten
für Gottesdienste und des Gebetes, die
daran erinnern, was das Santa Maria della
Scala einmal gewesen ist und die über den
Weitblick und die Sensibilität der
Laienbrüder, die es über Jahrhunderte
hinweg leiteten und die die aufgeklärten
Auftraggeber vieler Künstler dieses Landes
waren, Zeugnis ablegen.
Und so sieht sich der Besucher, nachdem
er eine lange Treppe aus dem 18. Jh.
hinuntergegangen ist, ganz plötzlich einem
wunderschönen Fresko aus der ersten
Hälfte des 14. Jh. gegenüber, das durch
Zufall während der Restaurierungsarbeiten
entdeckt wurde und das der Schule des
Ambrogio Lorenzetti zugeschrieben wird. Es
zeigt eine Einsiedelei und das Leben in
Kontemplation. Hier versteht man die
wirklich komplexe Realität dieses Ortes,
der sich als eine Stadt in der Stadt und ein
Ort reich an Kunstschätzen vorstellt, der
mit der Restaurierung zusammenlebt und
an dem man während des Rundgangs die
Spuren der Vergangenheit erkennen kann.
In den Räumen der antiken Kornkammer,
in den unterirdischen, in den Tuffstein
gegrabenen Gängen begegnen wir dem
wunderschönen Original des Fonte GaiaBrunnens von Jacopo della Quercia sowie
den herrlichen Räumen des
Archäologischen Museums mit zahlreichen
Fundstücken und Sammlungen des
Territoriums.
Im Seitenflügel des Palazzo Squarcialupi ist
es schließlich möglich zwischen
mittelalterlichen Mauern wichtige, zeitlich
beschränkte Ausstellungen zu besichtigen,
wo sich monumentale Architektur mit
modernen, dem Umfeld angepassten
Materialien und Strukturen verbindet und
uns einen phantastischen Blick auf den
Dom und das umliegende sieneser Land
bietet.
Ein Besuch im Santa Maria della Scala
bedeutet eine Reise in die Geschichte
Sienas, eine Reise durch ein Haus, in dem
die Kultur der Gastfreundschaft gegenüber
Fremden geboren wurde.
Es ist kein Zufall, dass beim Auszug der
letzten Krankenhaus-Abteilung entdeckt
wurde, dass das antike Hauptportal keinen
Schlüssel hatte und vor allem, dass es
nicht von außen verschlossen werden
konnte: niemand sollte im Laufe der
Jahrhunderte in der Lage sein, einen Ort
wie diesen ohne Wächter zu lassen und so
ist es auch heute noch.
Anna Carli
SMS Contemporanea
Das “Centro Arte Contemporanea” (Zentrum für Gegenwartskunst) der Gemeinde
von Siena wurde 1998 gegründet und hatte seinen Sitz für ein Jahrzehnt im
„Palazzo delle Papesse“, ein Renaissance-Wohnsitz der Familie Piccolomini, von der
es seinen ersten Namen erhalten hatte, bis es dann – im Juni 2008 mit dem
definitiven Umzug in die Gebäude der „Santa Maria della Scala“ – zur SMS
Contemporanea wurde.
Seit seiner Gründung hatte sich das Centro als vorrangiges Ziel das Studium, die
Verbreitung und die Förderung der Gegenwartskunst gesetzt. Im Laufe der Jahre
haben sich die Ausstellungsaktivitäten weiterentwickelt und Gruppenausstellungen
wechselten sich ab mit solchen von historischem Charakter (Contrappunti. Burri,
Bacon, Beuys; Zero. 1958-1968 tra Germania e Italia -1958-1968 zwischen
Deutschland und Italien) oder aber thematischem Charakter (Identità&Nomadismo;
Good Vibrations; Le arti visive e il Rock - Die visuellen Künste und der Rock; System
Error; Numerica) sowie Einzelausstellungen einiger der repräsentativsten
internationalen Künstler verschiedener Generationen wie Barbara Kruger, Annette
Messager, Christian Boltanski, Jaume Plensa, Carlos Garaicoa, Anya Gallaccio, Elisa
Sighicelli, Nari Ward, Leonardo Drew und, schließlich Gordon Matta-Clark. Mit Hilfe
des kurzfristigen Wechsels der angeboten Ereignisse möchte SMS Contemporanea
dem natürlichen Verlauf der Weiterentwicklung künstlerischer Tendenzen hautnah
folgen und dabei bei bestimmten Phänomenen und Persönlichkeiten innehalten,
die dazu beitragen können, diese Entwicklungen zusammenzufassen und zu klären.
SMS Contemporanea ist nicht nur ein Ausstellungen gewidmeter Raum, sondern
auch eine offene Werkstatt für Experimente und Multidisziplin und organisiert
regelmäßig Konferenzen, Lesungen, Aufführungen von Theater- oder Tanzgruppen,
Vorstellungen und Konzerte.
2004 hat das Centro Arte Contemporanea zunächst als Experiment und dann seit
2006 dauerhaft den Sender „Radio Papesse“ ins Leben gerufen; dies ist der erste
in einem Museum entstandene Radiosender Italiens, der in Streaming rund um die
Uhr sendet und eine sehr vielfältige Menge an Audio-Material (Interviews, Berichte,
Audio-Führungen, Vertiefungen, künstlerischen Klänge) liefert, die gratis unter
www.radiopapesse.org. abgerufen werden können.
Marco Pierini
SMS CONTEMPORANEA: Piazza Duomo, tel +39 0577 224811
www.santamariadellascala.com
contemporanea@santamariadellascala.com
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Veranstaltungskalender
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Ein reichhaltiger
Veranstaltungskalender mit
vielen Ereignissen zu allen
Jahreszeiten dank der
Institutionen, aber auch dank
der Einsatzfreude, des
Bürgersinns und der Tradition
des geselligen
Beisammenseins der
Sienesen. Auf diesen Seiten
heben wir nur die festen,
wiederkehrenden
Veranstaltungen hervor.
Bitte besuchen Sie doch
unsere Web-Seite unter
www.terresiena.it. Hier finden
Sie den auf den neuesten
Stand gebrachten Kalender.
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FRÜHJAHR-HERBST
JULI
AUGUST
NOVEMBER
“Micat in Vertice”
Winterfestival der Chigiana
Musikakademie mit Konzerten
großer Solisten,
Opernaufführungen und
zeitgenössischen Neuheiten
www.chigiana.it
accademia.chigiana@chigiana.it
Estate Musicale Chigiana
Festival dell’Accademia Musicale
Chigiana
Es findet in Siena und an den
suggestivsten Orten im
Hinterland, wie den Abteien
San Galgano, Sant’Antimo und
Monte Oliveto Maggiore
mit Konzerten der größten,
internationalen Solisten statt.
www.chigiana.it
accademia.chigiana@chigiana.it
La città aromatica
Während der letzten
Augustwoche findet das von
der Stadt Siena organisierte
Festival statt, mit Aufführungen
mit Rock-Musik, Tanz und
leichter Musik auf der Piazza
del Campo und anderen
suggestiven Plätzen der Stadt
(von dem Fontebranda-Brunnen
bis zur Piazza Jacopo della
Quercia), bei denen junge
unbekannte Musiker und
berühmte Künstler zusammen
auf der Bühne neuartige,
eigens für die Stadt erschaffene
Produktionen vorstellen.
www.comune.siena.it
Film Festival in Terra di Siena
Querschnitt der Filmproduktion
www.sienafilmfestival.it
Theatersaison
Theateraufführungen in den
herrlichen Stadttheatern
Teatro dei Rinnovati und Teatro
dei Rozzi
www.comune.siena.it
Siena Jazz
Veranstaltungen in den Stadtteilen
und in der Provinz mit „Jazz...in
Terre di Siena“
www.sienajazz.it
info@sienajazz.it
Settimana Musicale Senese
Prestigereiches Festival der
Chigiana Musikakademie
zu Ehren großer internationaler
Komponisten
www.chigiana.it
accademia.chigiana@chigiana.it
Festival internazionale del
Cortometraggio
Die wichtigste italienische
Kurzfilm-Veranstaltung
www.cortoitaliacinema.it
Visionaria
Festival der Videoproduktionen
europäischer Film- und
Fernsehschulen
www.visionariamedia.org
2. JULI
Palio
zu Ehren der Muttergottes in
Provenzano
16. AUGUST
Palio
zu Ehren
Mariae Himmelfahrt
Die bekannteste Veranstaltung
der sieneser Stadtteile ist das
Palio-Rennen. Das Jahr in den
Contraden wird jedoch durch
viele andere Ereignisse
bestimmt. Wir erinnern hier nur
an die Feste zu Ehren der Hl.
Schutzpatrone und an
diejenigen, bei denen die
Kinder die Hauptakteure sind,
wie das Tabernakelfest und den
Minimasgalano.
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Museen
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Museo Civico e Torre del Mangia
Piazza del Campo
Eines der bedeutendsten
gotischen Rathäuser
mit Meisterwerken aus
Geschichte und Kunst Sienas
www.comune.siena.it
Santa Maria della Scala
Piazza Duomo
Museumskomplex des antiken
Hospitals von Siena. Fresken,
Kunstwerke und im Laufe ihrer
tausendjährigen Geschichte
zusammengetragene Schätze,
sowie befristete Ausstellungen.
www.santamariadellascala.com
infoscala@smscomune.siena.it
Museo Archeologico Nazionale
Ausstellung mit zahlreichen
archäologischen Funden mit
breiter Dokumentation über die
Geschichte des sieneser Landes
von der Prähistorie bis in die
Römerzeit.
www.archeologiatoscana.it
infoscala@comune.siena.it
SMS Contemporanea
SMS Contemporanea ist nicht nur
ein Ausstellungen gewidmeter
Raum, sondern auch eine offene
Werkstatt für Experimente und
Multidisziplin und organisiert
regelmäßig Konferenzen,
Vorstellungen und Konzerte.
www.santamariadellascala.com
contemporanea@santamariadella
scala.com
Museo d'arte per bambini
Veranstaltungen,
Theateraufführungen, Workshops,
die Kinder in die Dynamik der
Kunst und ihre Geschichte
einführen
www.comune.siena.it/bambimus
bambimus@comune.siena.it
Pinacoteca Nazionale
Palazzo Buonsignori
Via San Pietro 29
Hat die größte Sammlung
sieneser Malerei und ihrer
wichtigsten Meister
vom 12. bis zur Mitte des 17. Jh.
www.spae-si.beniculturali.it
Opera Metropolitana di Siena
www.operaduomo.siena.it
operaduomo@operaduomo.siena.it
Museo dell'Opera Metropolitana
Piazza J. della Quercia
Objekte und Kunstgegenstände,
die zumeist aus dem Dom
stammen, darunter einige
berühmte Meisterwerke der
sieneser und toskanischen Schule
und vor allem die Majestät von
Duccio di Buoninsegna.
Duomo e Libreria Piccolomini
Piazza del Duomo
Der Dom, ein monumentales
Bauwerk aus der Epoche des
künstlerischen und kulturellen
Höhepunktes der sieneser Kultur
sowie der sieneser Gotik
Die Piccolomini-Bibliothek enthält
zahlreiche mit Miniaturen bemalte
Choralbücher und einen
Freskenzyklus von Pinturicchio.
Cripta del Duomo
Ein Raum, der während der
jüngsten Restaurierungsarbeiten
entdeckt wurde, enthält einen um
1280 datierbaren Zyklus mit
Wandmalereien, die über die
Anfänge und die Entwicklung der
sieneser Schule Zeugnis ablegen.
Battistero di San Giovanni
Piazza San Giovanni
Mit zahlreichen Kunstwerken, wie
das Taufbecken, ein einzigartiges
Kunstwerk aus Marmor, Bronze
und Emaille-Arbeiten der
berühmtesten Künstler jener Zeit:
Giovanni da Turino, Lorenzo
Ghiberti, Donatello, Jacopo della
Quercia.
Oratorio di San Bernardino
e Museo Diocesano di Arte Sacra
Piazza San Francesco
Wertvolle Sammlung sieneser
Kunst, grundlegender
Anhaltspunkt für die Geschichte
der sakralen Kunst des
Territoriums.
Museo delle Tavolette di
Biccherna
Archivio di Stato
Palazzo Piccolomini
Banchi di Sotto 52
Sammlung der von den
berühmtesten sieneser Künstlern
bemalten Buchdeckel, von 1258
bis 1682; von großem
dokumentarischen und
künstlerischem Wert für die
Geschichte und die Urbanistik
Sienas.
http://assi.archivi.beniculturali.it
Santuario e Casa di Santa
Caterina
Costa di S. Antonio
Geburtshaus der Hl. Katharina von
Siena, Schutzpatronin Italiens und
Europas
Chiesa di Sant’Agostino
Prato di Sant’Agostino
Schon Mitte des 13. Jh. erbaut,
wurde sie mehrmals erweitert
und umstrukturiert.
Das Innere ist ein Werk des
Architekten Luigi Vanvitelli.
www.sienaviva.it
sienaviva@libero.it
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Um noch mehr zu erfahren
www.terresiena.it
APT SIENA
Touristen-Information Dienstleistungen
Piazza del Campo 56
tel. +39 0577 280551
Fax +39 0577 281041
infoaptsiena@terresiena.it
incoming@terresiena.it
www.terresiena.it
Sinagoga
Via delle Scotte 14
nach einem Projekt des
Architekten Giuseppe del Rosso,
der Tempel gilt heute als einer
der wenigen Architektur-Beispiele
zwischen Rokoko und Neuklassik
in der Region.
Museo della Società Esecutori
Pie Disposizioni
Via Roma 71
Museo Bologna Buonsignori
Via Roma 50
Museum: sakrale Gegenstände
und Gemälde
Sammlung Bologna Buonsignori:
Interessantes Beispiel einer
privaten Kunstsammlung aufgrund
der Vielfalt der Objekte, Epochen
und Typologien.
Orto Botanico
Via Pier Andrea Mattioli, 4
Herrliche Grünanlage im Herzen
der Stadt mit zahlreichen Spezies
aus der ganzen Welt
www.passus.it
Museo di Storia Naturale
Accademia dei Fisiocritici
Piazzetta Silvio Gigli, 2
In den Gebäuden der Accademia
dei Fisiocritici, wichtige
Sammlung an
naturwissenschaftlichen Objekten.
Von beträchtlichem Interesse ist
die Bibliothek der Akademie.
www.accademiafisiocritici.it
fisiocritici@unisi.it
Musei di Contrada
in den siebzehn Museen der
siebzehn Stadtteile wird
eifersüchtig ein wertvoller Schatz
gehütet, bestehend aus
Erinnerungsstücken, Dokumenten,
Kostümen, Kunstwerken und
gewonnenen Palio-Standarten.
Besichtigung ist auf direkte
Anfrage bei den Contraden
möglich
www.comune.siena.it
www.paliodisiena.net
Verwaltung
Via dei Termini 6
Tel. +39 0577 42209 - Fax + 39 0577 281041
aptsiena@terresiena.it
www.terresiena.it
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Herausgeber
Provinz Siena
APT Siena
Stadt Siena
Verlagsentwurf
APT Siena
Verlagskoordinierung
Luigina Benci
Texte
Alessandro Falassi
Terre di Siena
Unser besonderer Dank gilt:
Anna Carli
Franco Caroni
Sonia Corsi
Anna Maria Guiducci
Marco Pierini
Giovanni Santi
Photo
Titelblatt von Gianni Berengo Gardin
Bruno Bruchi
Enrico Caracciolo
Pitt Koch
Foto Lensini
Augusto Mattioli (Stadtarchiv Siena)
Fabio Muzzi
Marco Scataglini
Piero Cinotti (Archiv Chigiana-Akademie)
Aldo Venga (Archiv Siena Jazz)
Archiv APT Siena
Übersetzung
Monika Buchstaller-Brogi
Druck
Pacini Editore
SIENA_cop_TED
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Pagina 4
1100.000/2008
Terre di Siena
Ambrogio Lorenzetti, die Gute Regierung (Ausschnitt), Rathaus
30-07-2009
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Pagina 2
www.terresiena.it
SIENA_cop_TED
PROVINCIA DI SIENA
COMUNE DI SIENA
APT SIENA
Via dei Termini 6 - 53100 Siena
Tel. +39 0577 42209 - Fax +39 0577 281041
aptsiena@terresiena.it
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