Kita-Tagebuch - Deutscher Kinderschutzbund OV Dresden eV
Transcription
Kita-Tagebuch - Deutscher Kinderschutzbund OV Dresden eV
Der Unterhemdenstreit Aus dem Tagebuch einer Erzieherin Ein Geschichtenbuch über einen ganz normalen Tag in einer Kindertagesstätte in Dresden Eine Aktion des Deutschen Kinderschutzbundes, Ortsverband Dresden e.V. zur Unterstützung der Kampagne „Weil Kinder Zeit brauchen“ für einen besseren Personalschlüssel in Sachsens Kitas http://www.weil-kinder-zeit-brauchen.de/ Impressum: Deutscher Kinderschutzbund Ortsverband Dresden e.V. Pfotenhauerstraße 45 01307 Dresden www.dksb-dresden.de info@kinderschutzbund-dresden.de Bildrechte: Alle Bilder stammen von Kindern der Kindertageseinrichtung Pünktchen und wurden für dieses Buch angefertigt. Kopieren und Vervielfältigen ist ohne die Zustimmung der Kinder nicht erlaubt. Guten Morgen! Ein neuer Tag in der Kita beginnt. Ab 6:15 Uhr ist die Kita geöffnet. Die erste Erzieherin hat bereits einen Rundgang durchs Haus gemacht, die Fenster zum Lüften geöffnet, Stühle nach der abendlichen Reinigung heruntergeräumt etc. Die Kinder kommen mit ihren Eltern in die Kita. Frau Müller begrüßt die Kinder und Eltern im Frühdienst. Die Eltern berichten kurz vom Wochenende, erzählen vom leichten Schnupfen des Kindes und vom vergessenen frischen Schlafanzug. Ein Kind will der Erzieherin ganz aufgeregt vom Familienausflug erzählen. Ein anderes Kind kann sich heute nicht so richtig trennen, fängt an zu weinen und seine Mama kommt nur mit Mühe aus der Garderobe. Frau Müller geht ihr helfend zur Seite und versucht, den Jungen zu trösten. Gleichzeitig kommen immer wieder neue Kinder dazu. Im Frühdienst ist Frau Müller allein mit 2 Gruppen und erwartet nach und nach das Eintreffen aller Kinder. 2 Helga passt beim Schlafen auf uns auf. (Elisabeth, 5 Jahre) 3 Immer wieder kommen Kinder dazu, haben Eltern fragen, übergeben der Erzieherin frische Sachen, fragen nach dem verloren gegangenen Teddy, berichten vom Arztbesuch. Frau Müller trägt die Ankunftszeit aller Kinder, Entschuldigungen und wichtige Informationen ins Gruppenbuch ein. Wenn vorhanden, prüft sie die Elternhefte, die die Kinder in ihren Taschen dabei haben und trägt etwas ein. Für den jeweiligen Tag muss sie auch noch die aktuellen Essenslisten ausfüllen und in die Küche geben. Während weitere Kinder ankommen, spielen andere bereits. Zwei Kinder geraten in Streit über einen Puppenwagen. Andere Kinder wollen gern malen und bitten Frau Müller, dass sie ihnen etwas aus dem Regal gibt, an das sie noch nicht heranreichen. 4 Der Hunger kommt. Frau Müller ist noch immer mit sämtlichen Kindern allein und bereitet mit ihnen das gemeinsame Frühstück vor. Der Essenwagen kommt mit dem Lift nach oben und muss abgeholt werden. Den Wagen können größere Kinder schon alleine schieben, aber die Tür vom Lift muss die Erzieherin aufschließen. Die Kinder helfen beim Decken des Tisches, verteilen Tassen und Teller. Kinder, die nicht mit frühstücken, spielen in dieser Zeit für sich weiter. Bevor das Frühstück beginnen kann, holen die Kinder ihre Brotdosen, waschen sich die Hände und suchen sich einen Platz am Tisch. Die Getränke werden ausgeteilt. 5 Alexander turnt mit uns. (Theresa, 6 Jahre) 6 Noch immer kommen weitere Kinder dazu. In der Bauecke ist es schon ziemlich belebt und laut geworden, aber noch klappt es ohne Streit. Aus dem Bad ruft ein kleiner Junge und vermeldet, dass er „fertig“ wäre. Frau Müller muss schnell rüber und den Po abwischen. Sauberkeit muss sein. Das Telefon klingelt und Kinder werden abgemeldet. Dann ein Anruf von der Gärtnerei. Für den Ausflug nächste Woche möchte die Gärtnerei noch ein paar Details absprechen. 7 Spielen macht hungrig. Der Tag in der Kita ist noch lang. Energie muss getankt werden. werden. Mit einem „Guten Appetit“ beginnt das gemeinsame Frühstück. Einige Kinder wollen von ihren Erlebnissen erzählen. Ein Junge kämpft etwas mit seiner Mandarine, Frau Müller hilft ihm beim Schälen. Manche Kinder können sich die Brote selber schmieren, anderen muss Frau Müller noch helfen. Die Butter ging zwar noch gut aufs Messer, aber jetzt aufs Brot will sie plötzlich nicht. Ein Teebecher fällt auf den Boden, so etwas passiert. Frau Müller läuft schnell los und holt den Eimer mit Wasser und Lappen. Ein Junge erzählt ohne Pause und ein anderer scheint noch zu schlafen. Beide muss Frau Müller dabei unterstützen, dass sie überhaupt etwas essen. Andere Kinder sind schon fertig und wollen spielen. 8 Es kommen immer noch Kinder. Auch deren Ankunftszeit muss ins Gruppenbuch eingetragen werden. Eine Mutti ist etwas besorgt, weil es dem Kind nachts nicht so gut ging, aber sie muss unbedingt zur Arbeit. Die anderen Kinder spielen und wollen Frau Müller die neu gebaute Burg zeigen. Ein Opa bringt seinen Enkel heute zum ersten Mal in die Kita. Das Haus hat er gefunden, die Gruppe nicht. Frau Müller erklärt ihm, wo die richtige Gruppe anzutreffen ist und wie er zuerst in die Garderobe kommt. 9 Helga geht mit uns ins Wildgehege. Wir beobachten Tiere. (Anna-Marie, 6 Jahre) 10 Wer satt ist, ist satt und hat Elan zum Spielen Soweit es scheint, sind die Kinder satt und wollen nun spielen. Gemeinsam räumen sie die Tische ab. Der Geschirrwagen muss zurück zum Lift. Die Tische müssen abgewischt werden und einiges vom Frühstück ist nicht im Mund, sondern auf dem Boden gelandet. Schnell wird alles sauber gemacht. So ein Gruppenraum ist nicht sehr groß und überall auf dem Boden wird gespielt und die Tische sind zum Essen, Spielen, Lesen und Malen da. Die Morgenhygiene beginnt und alle Kinder toben ins Bad. Hände waschen ist angesagt, pullern, hier und da wieder ein „fertig“ und ein zu wischender Po, kleinere Kinder müssen gewindelt werden. Ein kleiner Junge hat in der Hektik den richtigen Zeitpunkt verpasst. Manchmal klappt es eben doch nicht ganz ohne Windel. Strumpfhose und Slip sind nass, aber es gibt ja Wechselsachen. Frau Müller tröstet den Jungen, der so stolz war, dass er eigentlich keine Windeln mehr braucht. 11 Langsam füllt sich der Gruppenraum. Alle 34 Kinder sind jetzt vollständig. Ein Kind steht fertig umgezogen in der Garderobe. Da musste es heute wohl ganz schnell gehen, Papa flitzt bereits zum Ausgang. Eine Mama wartet mit Kuchen auf dem Arm und sucht nach einem sicheren Platz zum Abstellen. Heute gibt es ein Geburtstagkind in der Gruppe. Ein kleines Geschenk hat Frau Müller schon vorbereitet. 12 Freies Spiel Bis die 2. Erzieherin kommt und die 18 Kinder ihrer Gruppe abholt, ist noch gemeinsame Spielzeit für alle Kinder. Dazu können sie die Gruppenräume beider Gruppen nutzen und haben noch eine Bauecke vor den Gruppenzimmern. Manche Kinder brauchen Frau Müller als Spielpartnerin oder bitten sie, etwas vorzulesen oder ein Spiel zu erklären. Um den Puppenwagen wird mal wieder gestritten. Doch für weitere Puppenwagen ist kein Platz im Gruppenraum. Teilen will gelernt sein. Mit Frau Müllers Hilfe findet sich auch eine Lösung. Frau Müller hat in der vergangenen Woche mit den Kindern einen Igel im Garten entdeckt. Heute möchte sie mit den Kindern noch etwas mehr über Igel erfahren und Igel basteln. Sie bereitet ein paar Materialien vor. Etwas hat sie gestern noch schnell besorgt auf dem Heimweg. Das meiste Material findet sie aber im Garten mit den Kindern oder im Materialraum der Kita. Der ist gut gefüllt, aber leider im Keller. Da muss sie warten, bis die andere Kollege da ist, um alles zu holen. 13 Eine Mama, die noch nicht so gut Deutsch spricht, bringt ihre Tochter und hat noch ein Anliegen. Mit Händen und Füßen gelingt es Frau Müller, zu verstehen, dass die Mutter Hilfe bei einem Antrag braucht. Klären können sie es hier im Flur aber nicht. Die Leiterin der Kita hat sicher eine Idee. Frau Müller bringt die Mama schnell zur Leiterin und erklärt ihr kurz, worum es geht. Die Handtücher hat Frau Müller heute Morgen schon frisch aufgehängt, die Bettwäsche muss aber noch gewechselt werden und auch die Blumen bräuchten mal wieder etwas Wasser. Ein paar größere Kinder können dabei helfen. 14 Wir gehen auf Schiffsreise (Michi, 5 Jahre) 15 Übergabe Es ist jetzt fast 9 Uhr und die andere Kollegin kommt zum Dienst, um ihre 18 Kinder nun in ihrem Gruppenraum zu betreuen. Frau Müller übergibt ihr das Gruppenbuch und teilt ihr noch alle wichtigen Informationen mit, die ihr die Eltern gesagt haben. Sie besprechen kurz den Dienstplan für den Tag. Eine andere Kollegin ist krank geworden und Frau Müller sowie ihre Kollegen müssen sich die Gruppe der erkrankten Kollegen später aufteilen. Frau Müller nutzt den Moment, um aus dem Materialraum noch etwas zu holen und geht schnell auf die Toilette. 16 Die letzten Kinder sind eigentroffen. Ein paar Abmeldungen sind noch telefonisch eingegangen. Die Essenslisten müssen jetzt endgültig fertig gemacht werden. Die Leiterin der Kita kommt kurz vorbei und informiert, dass der Zahnarzt demnächst kommt. Frau Müller macht sich schnell eine Notiz. Später muss sie für die Eltern noch eine Information deswegen aushängen. Für die ausländischen Eltern übersetzt sie das Wichtigste. 17 Morgenkreis Alle Kinder räumen zunächst ihre Spielsachen wieder auf und jede Gruppe geht in ihr Gruppenzimmer. Manchmal müssen noch Stühle geräumt werden. Die persönlichen Sachen werden in entsprechenden Fächern verstaut. Wenn alle Kinder anwesend sind, treffen sie sich gemeinsam mit ihrer Erzieherin. Dann erzählen sie vom Wochenende oder besprechen den heutigen Tag. Manchmal schauen sie sich Bilder vom letzten Ausflug an oder singen für ein Kind das Geburtstagslied. Frau Müller stimmt alle Kinder auf den Tag ein, versucht etwas Ruhe herzustellen und jedem Kind Aufmerksamkeit zu geben. Sie besprechen den Kalender oder den Tagesablauf und was sonst noch anliegt und besprochen werden soll oder muss. Im Anschluss gibt es eine gemeinsame Obstmalzeit: Frau Müller schneidet und verteilt Obst und Getränke. Geschirr wird wieder geholt, verteilt und später weggeräumt. Bevor das „Projekt“ mit dem Igel beginnt, gehen alle Kinder Hände waschen, pullern und melden bei Bedarf wieder ein „Fertig“ aus der Toilette. 18 Damit der Morgenkreis nicht gestört wird, ist Frau Müller mal nicht ans Telefon gegangen. Nun steht die Leiterin wieder im Raum, weil die Bibliothek wissen möchte, wann die Gruppe zu Besuch kommen will. Das ist schnell geklärt, aber Frau Müller macht sich noch eine Notiz für den Eltern-Aushang. Beim Besuch in der Bibliothek braucht sie eine Mutti oder Vati als unterstützende Begleitung. Mit 18 Kindern unterwegs in Bus und Bahn bedarf es einer Hilfe, damit auch alle Kinder gut und sicher ankommen. 19 Helga bei der Schlafwache (Niklas, 5 Jahre) 20 Angebotszeit Frau Müller sortiert die mitgebrachten Bilder der Kinder zum Igelprojekt. Einige Eltern haben zu Hause mit ihren Kindern Bücher und das Internet durchsucht. Die Kinder sind ganz aufgeregt und wollen ihr Wissen weitergeben. Frau Müller versucht, die Kinder nach und nach zu Wort kommen zu lassen. Frau Müller hatte auch etwas vorbereitet, aber Paul hat die Sache in die Hand genommen. Er hat entdeckt, dass man aus den „Nasen“ des Ahornbaumes tolle Igelstacheln kleben kann. Er bittet Frau Müller einen ganz großen Igel auf das Papier zu malen und die Kinder kleben die „Nasen“ als Stacheln dazu. Im Nu entsteht ein dichtes Igelkleid. Der Kleber ist alle, Frau Müller muss ganz schnell für Nachschub sorgen. Die Kinder suchen einen guten Platz zu Aufhängen für ihr Igelbild und ihr mitgebrachtes Material. Dass der Kleber mit den „Nasen“ erst trocknen muss, ist nicht für alle klar. Frau Müller zeigt und erklärt es. Danach helfen alle beim Aufräumen. Leon und Florian liegen kämpfend am Boden, weil beide die Pinsel auswaschen wollten. Frau Müller schlichtet und bringt sie dazu, gemeinsam die Pinsel zu reinigen. Alle gehen auf die Toilette, damit sie draußen im Garten ohne Unterbrechung spielen können. 21 Lena schaut von der Seite aus zu. Sie ist traurig und hat keine Lust, dem Igelprojekt zu folgen. Während die anderen kleben, erzählt Lena, dass sie traurig ist, weil der Papa sie am Wochenende nicht abgeholt hat. Frau Müller nimmt sie in den Arm. Frau Müller sucht noch schnell den Fotoapparat heraus, um Pauls Idee und das Engagement der Kinder zu dokumentieren. Wann sollen die Bilder entwickelt werden? Ob Frau Müller zeitnah Freiraum erhält, um die Dokumentation im Portfolio festzuhalten? Die Kleberschale ist heruntergefallen, ganz viele „Ahornnasen“ kleben darin. In Ihrer Begeisterung bemerken es die Kinder nicht. Frau Müller versucht schnell mit einem nassen Lappen, das Malheur zu beseitigen. Auf dem Weg in die Garderobe, bringt sie noch schnell das Material in den Materialraum zurück. 22 Helga am Zuckertütenbaum auf unserer Abschlussfahrt. (Paul, 6 Jahre) 23 Spielen im Freien Frau Müller hilft den Kindern beim Anziehen. Leon schubst Florian von der Garderobenbank, weil es so eng dort ist. Florian weint, weil er sich am Kopf gestoßen hat. Frau Müller holt einen Kühlakku und tröstet ihn. Maria kämpft mit der Matschhose, die Beine stecken beide in einem Hosenbein. Als sie es bemerkt, kommt sie allein nicht mehr zurück… Draußen belehrt Frau Müller die Kinder noch einmal, dass sie an den Bäumen nur bis zur Markierung klettern dürfen. Sie hilft den Fahrradfahrern beim Aufsetzten ihrer Fahrradhelme bzw. schaut, ob Julian die Kletterstrecke allein bewältigt. Sie macht an Florians Schuhen eine Doppelschleife, weil die einfache Schleife einfach nicht halten will. Alle Kinder helfen beim Einräumen des Gartenspielzeuges und ziehen sich in der Garderobe aus. Frau Müller muss die nassen Matschhosen noch auf einen freien Garderobenständer hängen, am Haken trocknen sie nicht. Sie holt noch schnell Kehrschaufel und Handfeger, aus den Schuhen ist viel Schmutz gefallen. Gründlich Hände waschen, den Toilettengang nicht vergessen. Ein Kind ruft „fertig“. 24 Frau Müller übergibt ihre Kinder vorübergehend den anderen Kolleginnen, die mit auf dem Spielplatz sind. Sie schreibt Florians Beule ins Unfallbuch, reinigt die Tische im Gruppenzimmer erneut schnell vom Restleim und bringt die sauberen Pinsel ins Materialzimmer. Kurz auf die Toilette und dann löst sie eine andere Kollegin im Garten ab, weil diese noch die schweren Geräte im Turnraum wegräumen will. 25 Mittagessen Die Kinder decken den Tisch. Frau Müller übt das Zählen mit den Kindern, damit sie wissen, wie viele Gedecke benötigt werden. Leon brüllt wütend, weil er neben Florian sitzen wollte, aber der Platz bereits von Nele besetzt wurde. Er zieht Nele vom Stuhl, Nele weint. Frau Müller vermittelt. Lena sitzt noch immer still am Tisch. Der Essenwagen muss geholt werden. Frau Müller läuft in den Keller, lädt den Wagen ein und wartet ungeduldig, dass er endlich nach oben kommt. Sie Kinder sitzen allein am Tisch, hoffentlich gibt es keinen Streit. Das Essen riecht gut, die Kinder haben Hunger. Leon und Lena werden gebeten, das Essen auszuteilen. Laura darf den Tischeimer holen. Fast geschafft, da rutschen Lena Kartoffeln und Soße vom Teller und fallen auf den Boden. Lena weint untröstlich, Leon tritt aus Versehen hinein. Frau Müller versucht mit netten Worten Lena zu trösten und das Essen aufzuwischen. Die anderen haben Hunger. Wer sagt den Tischspruch? Hat Florian auch das richtige Essen? Er hat eine Glutenunverträglichkeit und muss aus seinen Extra-Töpfchen essen. 26 Sofort ist Ruhe, die Kinder essen alle, außer Lena. Frau Müller redet ihr gut zu, aber ihr ist nicht nach Essen zu Mute. Nebenher versucht Frau Müller selbst einige Bissen zu essen, da ruft ein Kind, dass es auf die Toilette muss. Frau Müller hilft, die Hose zu öffnen, und selbstverständlich auch beim Abwischen, als das „Ich bin fertig!“ tönt. Schnell zurück, noch einen Bissen und dann holen die ersten Kinder Nachschlag. Die Großen machen das schon gut, den Kleinen muss geholfen werden. Der Rest wird aufgewischt. Schnell noch einen Bissen Gemüse in den Mund, dann wird abgeräumt. Lena beginnt nun doch noch etwas zu essen. Tisch abwischen, Essenwagen oben in den Fahrstuhl räumen, unten wieder herausnehmen, zur Küche fahren. In dieser Zeit ziehen sich die Kinder zum Mittagsschlaf aus. 27 Helga macht mit uns Sport. (Paul, 4 Jahre) 28 Nach dem Aufenthalt im Freien findet Frau Müller einen Zettel von der Leiterin auf ihrem Schreibtisch. Sie soll bitte daran denken, dass sie die Sanikästen auf Vollständigkeit kontrolliert, denn sie ist Sicherheitsfachkraft in der Kita. Noch ein Zettel: Die Lehrerin der Tochter bittet um einen dringenden Rückruf in der Schule! Oh je! Hoffentlich ist nichts Schlimmes passiert, bis zur Pause dauert es noch lange. Zwischendurch denkt Frau Müller an die eigene Tochter in der Schule. Lena bräuchte heute eine Rundumkuschelperson. Als Frau Müller hoch in die Gruppe kommt, toben Leon und Florian um die Tische, einige Mädchen haben sich ein Puzzel genommen und auf dem Fußboden ausgekippt. 29 Bald ist „Mittagsruhe“ Frau Müller wischt die Reste vom Tisch, stellt ihn zur Seite und gibt den Kindern die Liegepolster aus dem Regal. Die Kinder, die untere Fächer haben, nehmen sich die Zudecken bereits selber aus dem Regal. Lena fragt, warum sie heute kein Mittagskind ist und als Neles Papa in der Tür erscheint, um diese als Mittagskind abzuholen, weint Lena. Frau Müller nimmt sie hoch und spricht ihr gut zu. Neles Papa wollte wissen, ob es Frau Müller auch aufgefallen ist, dass Nele in letzter Zeit wieder in die Babysprache verfallen ist. „Liegt das an ihren jüngeren Kindern in der Gruppe?“ fragt er. Frau Müller sucht nach beruhigenden Worten. Schnell noch die restlichen Matten, denn Florian ruft schon im Waschraum nach der Zahnpaste. Die Kinder stellen die Sanduhr ein und putzen: die Zähne, die Spiegel, den Nachbarn... Frau Müller hat es nicht gesehen, sie hat nebenbei Florian am ganzen Körper eingecremt, weil er Neurodermitis hat, sonst kratzt er sich die ganze Zeit beim Schlafen. Die Zöpfe von Lena noch öffnen, die Brille von Leon sichern. 30 Helga bastelt mit mir. (Toni, 5 Jahre) 31 Neles Papa kommt noch mal zurück. Er findet die Matschhose nicht. Frau Müller schickt Leon mit hinunter. Der ist groß und kann sie zeigen. Die Kinder sitzen auf der Matte und schauen Frau Müller erwartungsvoll an. Seit Wochen lesen sie die Geschichten vom „Zauberer der Smaragdenstadt“ vor, etwas anderes wäre undenkbar. Die Kinder wissen genau, an welcher Stelle sie gestern aufgehört haben. Die fliegenden Affen machen alles so spannend. Frau Müller singt ein Schlaflied. Frau Müller überlegt: Spricht Nele wirklich Babysprache? Wann hat sie das letzte Mal bewusst auf Neles Sprache geachtet? Ob Frau Müller heute Nachmittag mal Lenas Mutter auf die Familiensituation ansprechen soll? Wie stellt man behutsame Fragen? Gibt es eine gute Gelegenheit dazu? Hoffentlich ist nichts Ernstes in der Schule der Tochter passiert!!! 32 Schlafphase Die Kinder kommen langsam zur Ruhe. Frau Müller würde gern die Essenlisten noch ankreuzen, Elternaushänge für das Indianerfest machen und das heutige Angebot noch an die Wandtafel schreiben. Da würden die Kinder allerdings nicht schlafen können. Sie setzt sich zu den Kindern, die eine Streicheleinheit zum Schlafen benötigen. Dann kommt die Ablösung zur Mittagspause. Frau Müller muss pünktlich in einer halben Stunde wieder zurück sein, dann löst die Kollegin die nächste Erzieherin zur Pause ab. Die Kinder schlafen fast alle. Frau Müller macht sich leise an den Schreibkram. Ganz schön dunkel im Gruppenzimmer. Eine Geburtstagsfeier wird vorbereitet, der Geburtstagsstuhl aus dem Keller geholt, die Geburtstagseisenbahn mit der richtigen Zahl bestückt, der Kuchen wird geschnitten, gleich werden die ersten Kinder wach. Diese dürfen sich leise ein Buch nehmen und die anderen Kinder nicht stören. Nun ist auch Lena eingeschlafen. Frau Müller holt den Essenwagen aus dem Keller nach oben. 33 Helga bäckt mit uns Kuchen. (Lucca, 5 Jahre) 34 Zur Mittagspause ruft Frau Müller bei der Lehrerin an. Zum Glück nichts Ernstes, sie soll aber heute zur Elternversammlung zeitiger kommen, weil noch etwas abzusprechen ist. Frau Müller organisiert im Elternrat die Klassenfahrten. Das wird heute Nachmittag ganz schön knapp. Toilette besetzt! Im Personalzimmer ist es voll und laut. Die Kolleginnen diskutieren über das Indianerfest. Dafür wollte Frau Müller ja noch den Lehm bestellen für die Lehmziegel. Der Kaffee ist heiß, die Pause gleich zu Ende. Jetzt ist die Toilette endlich frei. 35 Aufstehen und Anziehen Langsam stehen die ersten Kinder auf. Sie sind leise und behutsam. Sie dürfen Frau Müller beim Einräumen des sauberen Mittagsgeschirrs helfen, das Geburtsgeschirr abzählen und herausstellen. Sie bereiten auch schon die Geburtstagsspiele vor. Nach und nach werden alle Kinder wach, gehen auf die Toilette, waschen sich, ziehen sich an. Frau Müller räumt die Liegepolster in das Mattenregal, die Großen helfen. Leon und Florian liegen mal wieder kämpfend am Boden. Frau Müller versucht sie, auseinander zu bringen. Diesmal ist der Kummer besonders ernst. Beide behaupten, dass das hellblaue Unterhemd ihnen gehört, aber das weiße nicht. Frau Müller ist ratlos. Es stehen keine Namen darauf, sie sind gleich groß und das Unterhemd hat sie heute Morgen nicht kontrolliert bei den Kindern. Florian liegt am Boden und schreit, er will das blaue Unterhemd haben. Das wäre seins. Leon hat es bereits an und gibt es nicht her. Frau Müller schaut in den Wechselsachenbeutel nach, ob beide noch ein Unterhemd mit haben. Sie bietet beiden ein frisches Hemd an und vertagt den Streit auf das Abholen. Die Eltern sollen entscheiden, wem das Hemd gehört. 36 Frau Müller ist erleichtert, dass beide diesem Kompromiss zustimmen. Sie fordert die Kinder auf, den Geburtstagstisch fertig zu machen, denn das Geburtstagskind freut sich auf die Feier. Lena kommt langsam zu sich, sie will kuscheln. Frau Müller nimmt sie kurz hoch und bittet Maria, Lena beim Anziehen zu helfen. Das Geburtstagskind wartet. Lena hat noch keine Zöpfe. 37 Helga und Kerstin gehen mit uns wandern. (Annika, 6 Jahre) 38 Vesper Der Geburtstagstisch ist gedeckt, das Geburtstagslied angestimmt. Die Kinder lassen das Geburtstagskind hochleben und alles geht nach festen Ritualen. Der Kuchen ist lecker, er krümelt aber sehr. Nach dem Waschen und Fegen muss das Geburtstagsgeschirr in den Geschirrspüler. Der Essenanbieter wäscht es nicht ab. Der Essenwagen muss in den Keller gebracht werden. Das Geburtstagskind wartet auf das Topfschlagen und als Höhepunkt lassen wir es „Hochleben“ in der bunten Decke. Alle fassen an. Alle helfen beim Aufräumen. Lena bekommt Zöpfe und eine Extrakuscheleinheit. Stühle hoch, Fenster zu, Wäscheeimer bereitstellen. Alle Kinder gehen auf die Toilette, pullern, Po abwischen. 39 Frau Müller ist erleichtert, dass Sie vorige Woche das Geburtstagsgeschenk zu Hause fertig gemacht hatte. Es wäre wieder keine Zeit dazu gewesen. Während der Geburtstagsfeier wird ein Kind abgeholt. Die Eltern wollen wissen, ob alles gut war. Frau Müller verkürzt die Antwort auf ein leichtes Nicken, denn das Geburtstagskind wartet auf seine Spiele. 40 Rausgehen Auf dem Weg nach unten in die Garderobe trägt Frau Müller den Schmutzwäscheeimer, die Streitobjekte „Unterhemden“, die Kuchenform des Geburtstagskindes und die Visitenkartenbox der Kinder, damit auf dem Spielplatz die Anwesenheit der Kinder in der Abholsituation überwacht werden kann. Lena zieht an Frau Müllers Hose. Diesmal hat Marie die Matschhose allein bewältigt. Leons Reißverschluss hat sich verklemmt. Marie mag ihre Mütze nicht, weil sie am Vormittag rutschte. Alle Kinder nochmal durchzählen … 15, 16, 17 … da fehlt doch eins. Wo ist Nr. 18? Ah, Nr. 18 ist der Franz, der ist heute besonders schnell und schon an der Tür zum Garten. Man kann es ihm nicht verdenken. Trotz Matschwetter ist es draußen auf dem Spielplatz immer richtig toll. Da kommen dann auch alle anderen Kinder aus den anderen Gruppen zusammen und Franz kann mit seinen Freunden spielen. 41 Die ersten Kinder werden abgeholt. Frau Müller macht neben der Hilfestellung beim Anziehen Tür- und Angelgespräche mit den Eltern zum Tagesgeschehen. Eine Mutter fragt, ob sie schon wisse, wann die kleine Tochter aufgenommen wird. Frau Müller verweist sie an die Leiterin. Eine andere Mama möchte gern einen Termin für ein Gespräch vereinbaren. Manchmal kommt sie nicht so gut zurecht mit ihrer Tochter. Diese ist ein lieber Wirbelwind – lieb aber auch quirlig. Da es nun langsam auf die Schule zugeht, möchte sich die Mama gern austauschen, welche Schule die beste für ihr Kind ist. Frau Müller verspricht, ihr gleich morgen früh einen Termin zu geben. Sie merkt es sich und schaut dann später im Kalender nach. 42 Abholung Wem gehört nun welches Unterhemd? Die Kinder streiten sich noch immer, die Mütter müssen es richten. Schnell ist das Problem geklärt. Jeder hat sein richtiges Hemd an. Stimmte es doch, wie Frau Müller vermutet hat. Frau Müller muss los. Sie hat heute einen Termin. Tagsüber kann sie den nicht vereinbaren, niemand kann ihre Gruppe übernehmen. Nun hat der Zahnarzt ihr endlichen einen seiner spätesten Termine geben können. Trotzdem muss sich beeilen. Einmal quer durch die Stadt schafft auch Frau Müller nicht in 10 Minuten. Die Großeltern von Florian stehen plötzlich noch vor ihr und beschweren sich über die dreckigen Sachen. Man müsse doch bei so einem Matschwetter nicht auch noch nach draußen gehen. Was das wieder für Wäscheberge gibt. Frau Müller versucht noch rasch zu erklären, dass Matschsachen zum Matschen da sind, frische Luft bei jedem Wetter gesund für die Kinder ist und die Kinder letztendlich sich nicht am schlechten 43 Wetter stören lassen. Wir gehen bei jedem Wetter nach draußen. Richtig überzeugen kann sie die Großeltern nicht, aber so ist es nun einmal. Die Kollegin, die die restlichen Kinder nun noch betreut für den Rest des Nachmittags, kommt zum Verabschieden. Viel Zeit ist nicht. Frau Müller zählt fix noch einmal durch. Alle da, die noch da sein müssen. Falls die Mama von Marie fragt, kann sie beruhigt werden. Marie ging es tagsüber richtig gut, obwohl sie morgens etwas kränklich ankam. Das Spielen mit Freunden im Kindergarten macht scheinbar auch manchmal gesund. Frau Müller eilt jetzt zum Zahnarzt. Heute geht es um die eigenen Zähne. Morgen sind die Kinder dran, fällt ihr da ein. De Zahnarzt kommt in die Kita. Allen Eltern hat sie Bescheid gegeben, die Kinder wissen es auch. Das wird morgen ein turbulenter Tag. Der Besuch des Zahnarztes löst nicht bei jedem Kind Begeisterung aus. Manche Dinge ändern sich scheinbar nie. Ein bisschen mehr Zeit für Kinder und kleinere Gruppen in der Kita würden aber schon etwas ändern. Frau Müller könnte sich intensiver und individueller mit jedem Kind beschäftigen. 44 Ach, und sie könnte die Aufgaben schaffen, die heute liegen geblieben sind, aber niemand für sie macht … den Tag dokumentieren, Bilder entwickeln und einen Aushang für die Eltern damit gestalten, Geburtstagsgeschenke kaufen und einpacken, Entwicklungsbeobachtungen notieren und für die nächsten Elterngespräche aufbereiten, sich mit dem Team über das nächste Feste besprechen, Staub wischen, die Blumen gießen, Spielzeug aussortieren, neues Bastelmaterial bestellen, den Fortbildungskatalog durchschauen, den Urlaubsantrag ausfüllen … Das ist alles war heute nicht zu schaffen, weil „Kinder Zeit brauchen“ und viele Kinder viel Zeit brauchen. 45 Liga der freien Wohlfahrtspflege in Sachsen