club jazz debakel

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Foto
photo: manuel miethe
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LIVE IN BERLIN
AMICORD · 1.044.3.13
VÖ: November 2013
Henrik Walsdorff
Wanja Slavin
John Schröder
Peer Neumann
Marpa Shold
Aldtie Mann
alto saxophone
tenor & soprano saxophone
guitar
e.piano
bass
drums & percussion
1. Free Ball 8:04 2. Cryptum 12:08 3. Native Subject 7:53
4. Infections 17:53 5. Organic White 3:29
6. Beat Mung 8:38 7. Blueswehr 8:36
8. It‘s About G 4:38
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some injections of infections in electric jazzrock
„LIVE IN BERLIN“ ist das Debütalbum CLUB JAZZ DEBAKEL‘s, und auf der langen Leitung stehen sie nicht: Es geht zur Sache.
Aber nicht nur. Individualität wird den natürlichen Individuen überlassen. Keine Frage. Schweiß aber ist universell. Körperliche Arbeit auch.
Architektonisch Eingreifen - Grundrisse verändern - Räume schaffen, und zwar sofort. Den orchestralen Wahn herausfordern.
Skizzen sind vorhanden, doch die Skulpturen fordern gebärend ihr eigenes Terrain. Macht nichts.
Hier werden keine bedarfsgerechten Luxusappartements entstehen. Eher Höhlen, Behausungen zum Erkunden. Kannst Du tanzen drin.
Mach Feuer an.
Das Sextett mit John Schröder, Wanja Slavin, Henrik Walsdorff, Peer Neumann, Marpa Shold und Aldtie Mann
legt auf Amicord ein explosives Live-Jazzrock Album der Extraklasse vor.
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Man kann ja einiges sagen, aber melancholisch sind sie nicht.
Penetrant frohsinnig zum Glück auch nicht. Eher freundlich kultiviert mit jenem gewissen Charme, der nicht allwissend
ist, der nicht harmlos ist. Exzellent besetzt mit international
ausstrahlenden Persönlichkeiten der Berliner Szene, gehen
CLUB JAZZ DEBAKEL auf so manche Grenze im rechten Winkel
zu und sehen plötzlich - den Horizont. Immer wieder den
Horizont.
Mal ist er sichtbar, schimmert herüber aus den frühen Siebzigern, dann wieder ganz eigen verhüllt: Rein intuitive Passagen,
das Unvollkommene in seiner seltsamen Schönheit belassend,
und jene Happenings, die auf klaren Skizzen & Absprachen
beruhen: Strategische Pläne. Angriffstaktiken. Geformte Energie.
Das Ur-Eigene, das Ur-Berlinische, das Ur-Amerikanische. Es ist
nicht verkehrt, das Ensemble in diesem Dreiangel verorten zu
wollen. Das eigentümlich Seelische bekommt heftige Schrammen
im Lakonischen ab und verbündet sich mit jenen Grooves und
Tanzformen, die sämtlichen Blues, Jazz und Funk jahrzehntelang
gesehen haben. Dank einer großartigen Tradition! Das Destillat,
das jenem Dreischritt entspringt, wird hier zu reiner CLUB JAZZ
DEBAKEL- Musik. Gebrannt vom Inneren zum Äußeren, nachdem
das Äußere das Innerste berührt hatte, und hier könnte man ein
wenig über Aldtie Mann reden. Denn er liefert die Skizzen, er ist
der Initiator der Band.
Mit 14 Jahren beginnt er Musik zu machen, nachdem er schon
geraume Zeit des Nachmittags am heimischen Plattenspieler zu
allem trommelt was dort im Schrank steht: The Beatles, The
Who, Miles Davis, Abba, Led Zeppelin, Jimi Hendrix, Udo
Jürgens. Im Prinzip ein Querschnitt durch das Repertoire der
60er und 70er Jahre, vorwärts, rückwärts, und wenn die eine
Platte zu Ende ist, kommt die nächste dran oder wird nochmal
von vorne gespielt.
1988 wird er zum Solopauker der Dresdner Philharmoniker
gekürt, nach einem rasanten Studium des klassischen Schlagwerks, das er auf Wunsch seiner Eltern realisiert.
Alle sind glücklich, Aldtie Mann auch. Für zwei Jahre. Dann reißt
es ihn. Es ist nur eine Ahnung, nicht mehr: 40 Jahre klare Sicht
& Zufriedenheit, das kennt er nicht, und das will er sich kaum
vorstellen. Also Neustart.
Raus aus dem Orchester, raus aus Dresden. Hinter sich einiges
an Bewunderung und etliches an Kopfschütteln hinterlassend.
Berlin ist die große Stadt im Aufbruch. Genau richtig für nächtelange Sessions und fünf bis sieben Stunden Proberaum täglich.
Kein Problem. John Schröder und Henrik Walsdorff lernt er in
dieser Zeit kennen und Marpa Shold auch und unzählige
Platten mit Jazzmusik und einige wenige mit einer speziellen Art
von Jazz. Von denen wird vielleicht noch zu reden sein. Er spielt
eine Menge Musik: Brasilianische, Türkische, Klaviertrio,
Modern Jazz, Klassik, Bigband, Kammermusik, Funk, Balkanmusik, Freie Improvisation, heute hier und morgen da.
„Hallo Aldtie, grüß dich wie geht‘s?“, „Danke, gut.“,
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Details zum Album „LIVE IN BERLIN“
„Hast Du zu spielen?“,
„Ja.“, „Schön.“ Dann
kommt das Theater:
Andrea Moses, heute
Leitende Regisseurin an
der
Oper
Stuttgart,
verpflichtet ihn, und sie
ziehen durch die Häuser.
Große, Mittlere und Kleine
- sie lassen nichts aus.
Gewinnen Preise z.B. in Thüringen, wo er „Maria Stuart“
komplett vertont mit 2 Klavieren, äusserst sparsam arrangiert. Er
schreibt für Yael Ronen (Tel Aviv), für Hasko Weber
(Stuttgart/Hamburg) und für Jo Fabian (Berlin).
In etwa mit: „Grüß Dich John, wir haben da was mit Henrik,
Marpa und Peer Neumann. Wir spielen Skizzen von mir, und ich
brauche dich an der Gitarre.“, „Alles klar, ich komme.“, wird
dann die Schatulle geöffnet. Es braucht vielleicht drei, vier
Gigs bis es läuft. Dann brodelt es. Die Luft ist zum Schneiden.
Schröder holt noch Wanja Slavin in die Band. Jetzt stoßen sie
vorne die Themen zu zweit,und Schröder präludiert, kommentiert
in aberwitziger Geistesgegenwart. Hinten wird gearbeitet,
verschoben. Plötzlich anhalten und die Solisten im luftleeren
Raum strampeln lassen. Kurz bevor sie abstürzen, fangen Shold
& Mann sie wieder auf. Die werden rasend. Existenzangst erlebt!
Ist das Jazz? Hinten wird gelacht. Es ist ein archaischer Exzeß.
Das Publikum tobt, ruft dazwischen,und Aldtie Mann nimmt alles
auf. Vorn stehen zwei unscheinbare M70-Mikrofone und registrieren noch die feinste Luftdruckveränderung im Raum.
„LIVE IN BERLIN“, das Album entsteht genauso, nimmt seine
einmalige Gestalt an, und CLUB JAZZ DEBAKEL haben sich auf
der Bühne ultimativ zusammengerauft.
Free Ball: Die Platte fängt sehr ruhig an, fast unscheinbar. Henrik
Walsdorff wird gezeigt in einem unbeobachteten Moment, wie er
sich einspielt vor dem Konzert. Dann folgt das eigentliche Stück.
Minimale Skizze: Die Töne C & Eb im Bass, 3/4-Takt. Das war‘s.
Der Rest ist Atmen, reine Improvisation.
Cryptum: John Schröder steigt ein und gibt hendrixartige Energiestöße ab. Das Thema zitiert dann die Tonfolge B-A-C-H und
läuft über einen Groove aus der Miles Davis Ära. Eine hochenergetische Musik entsteht, die die raumgreifenden Soli komplex einzubinden versteht.
Native Subject: Die Band schaltet im Tempo hoch und verdichtet
das Material weiterhin, so dass es im hinteren Drittel zum Kippen
in den freien Schlagabtausch kommt. Walsdorff in Höchstform.
Das Thema hat etwas Archetypisches der Berliner Jazzszene.
Infections: Mit 17:53 Minuten ist es zweifellos das zentrale Stück
auf dem Album. Eine Menge ist enthalten: Lange Introduktion,
Einfaches, Natürliches, ein weiträumiger Themenkomplex mit
modalem Anstrich, existentielle Soli von Neumann, Slavin & Schröder mit gnadenloser Beinarbeit von Bass & Schlagzeug, die hier
ein höchst präzises Foulspiel betreiben, schön unberechenbar
und sehr funky.
Organic White: Der Kontrast. Reine Melodik und Kontrapunkt, die
die Harmonien erzeugen. Eine Komposition mit minimalstem
Improvisationsanteil.
Beat Mung: Hier fährt der Krankenwagen ab: Dr. Schröder und Dr.
Neumann zücken ihre Ausweise in einer für sie typischen Sternstunde. Bitte rechts ranfahren, der Patient wird wiederbelebt.
Blueswehr: Ein originäres Statement zum Thema Blues. Die Kleine
Terz abwärts und das abgehackte Phrasing tragen stark dazu bei:
Stocken - Weitergehen. Gegen Ende ein kleines Drumsolo,
welches auf der Balance zwischen Klangformung und rhythmischer
Verschleierung beharrt.
It‘s About G: Dies kann man gern als urwüchsige Tanzmusik
begreifen. Auch schön, wie das Publikum hörbar darauf abfährt.
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John Schröder
wurde 1964 in Frankfurt/M. geboren.
1969 erhält er seinen ersten Klavierunterricht, 1973 Gitarrenunterricht. 1978
hat er erste Auftritte im Frankfurter
Jazzkeller, und 1979 steht sein Entschluss, Musiker zu werden, fest. Was
danach folgt ist schon legendär.
Er gehört zu jenen, denen eine Doppel-Existenz nicht reicht. Er führt mindestens eine Tripel-Existenz. Man kennt ihn als Gitarristen (der
zusätzlich auch Bass spielt), dann als Schlagzeuger,und auf seinen
eigenen Platten spielt er ausschließlich Klavier. Dabei bleibt er auf
dem Boden der Tatsachen, wenn er von sich sagt:“Ein Künstler, der
sich auf den Weg begibt, eine gewisse Eigenständigkeit zu entwickeln, durchläuft naturgemäß verschiedene Entwicklungsstadien, in
denen er Ideen aus dem Fundus der Tradition, aber auch aus der
Unmittelbarkeit der ihn umgebenden Zeitgenossen schöpft. Ich
bekenne mich in meiner Musik zu der Amalgamierung dieser äußeren Einflüsse mit der von der Geburt an gegebenen Persönlichkeit.
Meine Mitmusiker sind in jedem Moment des gemeinsamen Musizierens Teil dieses Verschmelzungsprozesses.”
Diskographie:
CD Chet Baker - The Last Great Concert Vol. 1 + 2 (Enja 1988)
CD Zuppa Romana - di Gioia (p), Weniger (sax), Abrams (b)
CD Ilg/Schröder/Haffner - (Mood Records 1990)
CD Christopher Dell - Where We Belong (Frankfurt Edition 1991)
Europatournee mit Enrico Rava, Joe Lovano, Mark Halias
CD Enrico Rava Oktett - Carmen (1994)
CD Achim Kaufmann Quartett - Double Exposure (Leo Rec. 1997)
CD Der Rote Bereich III - (jazz4ever Records 1997)
CD LAX Kindness (2/19 Records 2001)
CD Das Rosa Rauschen - Im Reich der Tondichtung (1998)
CD Der Rote Bereich - Love Me Tender (ACT 1998)
CD Der Rote Bereich - Live at Montreux (ACT 2004)
2002 John Schröder Trio - mit Oliver Potratz (b) & Olli Steidle (dr),
Live-CD des John Schröder Trios im Kölner Loft 2003
CD Kunkel (bcl), Potratz (b), Schröder(p/perc) - Gulliver (Konnex)
CD John Schröder Trio bei Konnex, 2.CD Erdmann 3000 bei Enja
2005 CD Electric Bundle bei Konnex
CD Michael Gross Trio 1 x Berlin-Schwarzwald (Konnex 2006)
CD John Schröder Trio - Sir Lemuel‘s Dance (Pirouet 2008)
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Henrik Walsdorff
wurde 1965 in Braunschweig geboren. Er studierte Saxophon bei Herb
Geller und lebt seit 1994 in Berlin.
Zu dieser Zeit gründete Walsdorff
mit John Schröder, Gerold Genßler
und Uli Jennessen die Gruppe LAX,
die zusammen drei Alben produzierte. Er spielte in den Bands von
Aki Takase, Marty Cook und Sven-Åke Johansson. Neben
Schröder und Colin Vallon ist er Mitglied des Fabian Gisler
Quartett. Mit Martin High de Prime, Kay Lübke und Jan Roder
bildet er die Gruppe The Real Latinos, mit John Schröder und
Uli Jennessen die Gruppe Freedom of Speech. Zudem spielt er
mit Rudi Mahall, Johannes Fink und Oliver Steidle in der
äusserst aktiven Band SoKo Steidle zusammen. Mitglied des
Berlin Contemporary Jazz Orchestra unter der Leitung von
Alexander von Schlippenbach ist er auch. Sein aktuellstes
Projekt ist das Henrik Walsdorff-Trio, in dem Antonio
Borghini/Paul Westergaard am Bass und Christian Lillinger am
Schlagzeug zu finden sind.
Wo immer auch Walsdorff auftaucht, sein Spiel & sein Sound
sind unverwechselbar, sind absolut prägend. Er ist stilbildend
für jede Formation, in der er wirkt.
Diskographie:
Fabian Gisler Quartett - Backyard Poets (HatHut, 2005)
LAX - Kindness (Two Nineteen Records, 2001)
LAX - In 60 Seconds (KONNEX, 2002)
LAX - Live (Jazzwerkstatt, 2005)
Uli Gumpert Workshop Band - Aus Teutschen Landen
(Jazzwerkstatt, 2008)
The Real Latinos - Good Groove (Jazzwerkstatt, 2008)
Henrik Walsdorff Trio (Jazzwerkstatt, 2008)
Henrik Walsdorff Trio - Live In New York/LP (Jazzwerkstatt,
2013)
Soko Steidle - Reinkommen Und Alles Rausholen (KONNEX,
2006)
Soko Steidle - Blaulicht (Jazzwerkstatt, 2007)
Soko Steidle - Maximale Langeweile (Jazzwerkstatt, 2009)
Soko Steidle - Played Ellington (demnächst)
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Wanja Slavin
wurde 1982 geboren. Er erhielt zunächst Unterricht, bei Nicholas
Simion und Lee Konitz. Später
studierte er bei Leszek Zadlo und
Hubert Hilser am Richard Strauss
Konservatorium in München. Von
2004 bis 2006 nahm er Kompositionsunterricht bei Vadim Werbitzky. Er ist zweiter Preisträger des
Wettbewerbes „Jugend Jazzt“.
2002 erhielt er den „New Generation“ Förderpreis des Bayerischen Rundfunks und beim Gasteig Musikwettbewerb den 2.
Preis.
Mit Karsten Hochapfel und Nick McCarthy (Franz Ferdinand)
gründete er 1998 das Djaosch Macholi Orchester und unternahm Tourneen durch England und Tschechien.
„Zwischen Genie und Wahnsinn“ titelte die Süddeutsche
Zeitung 2003 zu einem Konzert des Wanja Slavin Sextetts. Mit
der Münchner Band Hipnosis nahm er die von der Kritik begeistert aufgenommene CD Carrousel auf. 2005 und 2006 spielte er
beim Münchner Klaviersommer mit Kenny Wheeler, der sich
äußerst angetan von dem jungen Musiker zeigte. 2009 gastierte er mit seinem Sextett auf dem Moers Festival.
Seine aktuellen Projekte sind das Wanja Slavin Quintett feat.
Médéric Collignon, die Band LOTUS EATERS & das Trio Slavin,
Eldh, Lillinger.
Der 31-jährige machte zahlreiche Rundfunkaufnahmen und
veröffentlichte mehrere CDs:
2001 Djaosch Macholi Orchester - Djaosch Macholi Orchester
2002 Wanja Slavin meets Marc Schmolling
2003 Hipnosis - Jazz
2004 Hipnosis - Carrousel
2008 Paulo Cardoso with Acervo - Coisas Gostosas
2009 Christian Lillingers GRUND - First Reason
2009 Wanja Slavin Quintet feat. Mederic Collignon - Scirocco
2010 Marc Lohr Gerät 7 - Stick No Bill
2010 Gerhard Gschlössl - G9 Gipfel Berlin
2013 Slavin Eldh Lillinger - Starlight
Tourneen führten Wanja Slavin nach England, Südkorea,
Ungarn, Österreich, Polen, Tschechien und in die Slowakei.
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Peer Neumann
schöpft seine unbändige
Spielenergie aus einer musikalischen Rock und TechnoSozialisation des Frankfurter
Untergrunds der frühen 90er
Jahre. Nach einem sehr
erfolgreichen Musikstudium
folgten europaweite Auftritte
mit unzähligen Jazz- und Popgrößen. Die HipHop Formation
Kinderzimmer Productions, Jazzgitarren-Legende Kurt Rosenwinkel, die Rockband The Boss Hoss und der italienische Star Posaunist Gianluca Petrella verpflichteten ihn an die Tasten. Aber er
verfolgt auch seine Produzententätigkeit z. B. mit R. Goldkind
oder seine Theaterarbeiten am Berliner Ensemble und der
Neuköllner Oper.
2008 nahm Peer sein erstes Soloalbum “Let The Music Play” im
Studio des norwegischen Pianisten und Freund Bugge Wesseltoft
auf. Die unmittelbaren Einflüsse von Thelonious Monk, das spezielle Timing und die Phrasierung Peer Neumanns prägen den Klang
dieses Albums und sein Klavierspiel überhaupt.
Marpa Shold
ist ein Bassist mit Leib &
Seele. Nathan East, James
Jamerson, Michael Henderson
oder Marcus Miller. Er hat sie
eingehend studiert, weiss genau was da gespielt wurde.
Dabei hat Shold zwei Universitätsabschlüsse: den Ersten in Geschichte, den Zweiten für Jazzbass an der
Hochschule für Musik Hanns
Eisler Berlin. Er ist kein Mensch
der großen Worte. Sein Experimentierfeld ist der Funk, der Jazz,
sein Sound. Und wenn jemand von ihm verlangen würde, den
E-Bass mit dem Bogen zu streichen, dann würde er auch dies
tun (und er hat es getan). Marpa Shold ist der Fels in der
Brandung und bildet mit Aldtie Mann die entscheidende Anziehungskraft, um die alle Musiker des Ensembles kreisen.
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Interview mit Aldtie Mann
Ihre bisherige Karriere ist beileibe keine reine Jazzbiographie. Welche waren Ihre musikalischen Schlüsselerlebnisse?
Das unscheinbarste war gewiß das Hineinwachsen in eine musikalische Familie. Später dann habe ich das eher als Schocks
wahrgenommen: Gustav Mahlers 5. Sinfonie zum Beispiel, oder
Morton Feldmans Piano & Orchestra, Miles Davis Bitches Brew
und Cptn. Beefheart The Last Concert. Das sind so einige
davon.
Das heißt, es gibt noch andere?
Ja, natürlich. Man durchforstet ein Terrain, das sich als interessant und vielversprechend zeigt und trifft ganz unvermittelt auf
solche Ereignisse. Aber diese ganzen Abstufungen will ich jetzt
nicht mehr vornehmen. Das ist vorbei. Es ist eine Riesenarbeit,
die andererseits ganz organisch abläuft über Jahre. Es ist besser,
das ins Unterbewußte sinken zu lassen. Die Tradition ist
unglaublich. Sie wirkt von ganz allein.
Aber in dem Stück CRYPTUM auf der CD verwenden Sie
Elemente aus dieser Tradition. Die sind doch dann ganz
bewußt ins Spiel gebracht.
Da haben Sie recht. Aber das kann auch nur ein Spiel sein.
Cryptum - kryptisch, das Rätselhafte. Wie entsteht eine Musik?
Die Tonfolge B-A-C-H ist ja vollkommen lapidar und schon bei
Bach eine Art Willkür. Ich heiße so, also mache ich daraus eine
Fuge. Die Tradition wirkt doch in der Gesamtheit ihrer magischen
Anziehungskraft, meine ich. Diese 4 Töne können also nur ein
Zeichen sein. Nicht mehr. Man kann, muss es aber nicht hören.
Für prägender halte ich den Miles Davis Groove in diesem Stück,
und dass sich bei uns etwas anderes daraus entwickelt. Aber das
ist ein gutes Omen für einen Groove, wenn er das offenlässt.
Sie sagen diese 4 Töne sind nur ein Zeichen. Ein Zeichen
wofür?
Zum Beispiel, dass ich möchte, dass Diesseits und Jenseits
zusammengehören, dass wir unser Gedächtnis behalten. Es sind
4 Steinchen, die wir auf eine Gedenkstätte legen und
sagen: Schau, wir haben etwas von Dir genommen und damit
gespielt. Wir wissen nicht, ob das recht war. Aber wir wissen,
wo wir es weggenommen haben und geben es zurück in der
Hoffnung, dass Du es gar nicht bemerkt hast.
Mich interessiert die Zusammenarbeit in der Band. Was
passiert da? Also wer sagt was und wann, wie werden
Ihre Stücke aufgenommen. Ist das eher demokratisch
oder auch nicht?
Generell ist das erst einmal nicht demokratisch. Allerdings
sind es auch keine Stücke im kompositorischen Sinne, die
es zu erfüllen gilt. Es sind Skizzen, die mal ausführlicher,
mal rudimentär ausfallen. Der Begriff der Skizze ist absolut
wichtig, weil es sich hierbei nicht um Werke handelt,
sondern um Vorschläge dazu, Werke gemeinsam zu schaffen. „Und wenn ihr Lust habt, könnten wir diesmal ja
diese Skizze oder Spielregel dafür benutzen.“
Bis zu dem Punkt,an dem ich sie offenbare und wir sie zum
ersten Mal ausprobieren, bleibt es Diktatur. Ich versuche
im Vorfeld mit der größtmöglichen Sorgfalt zu arbeiten.
Trotzdem muss ich des Öfteren nachbessern und würde
auch keine einzige Veränderung akzeptieren durch Andere
bis zu diesem Punkt.
Was danach kommt ist Anarchie. Also ich meine das absolute
Loslassen. Auf der Bühne muss diese Skizze unter
Beweis stellen, dass sie zu einer kollektiven Improvisation taugt. Sie muss sich musikalisch verhalten. Da
interessiere ich mich nur noch für die Musiker. Und die
Skizze ist sozusagen der siebente Mann. Was passiert
jetzt? Ich bin absolut konzentriert auf mein Schlagzeugspiel und wie es sich anfühlt in unserer entstehenden
Musik. Diese Verwandlung muss kommen, und dafür
braucht man ganz spezielle Musiker. Erst dann ist das
CLUB JAZZ DEBAKEL- Musik, und es ist nicht mehr
feststellbar, wie sie entstanden ist. Die Anteile von uns
sechs Musikern am Ergebnis sind jedesmal anders gewichtet. Also doch demokratisch.
Wie haben Sie sich zusammen gefunden?
Irgendwann musste ich ganz pragmatisch handeln. Also
was geht und was geht nicht? Erstens braucht man mit 6
bekannten Musikern gar nicht anfangen, proben zu wollen.
Das hat schon terminlich nie funktioniert. Also machte ich
gleich Gigs klar und wusste, dass wir in Berlin einen
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Steadygig brauchten, damit sich die Sache entwickeln kann und
ich nicht gezwungen war, jedes Konzert einzeln zu organisieren.
John Schröder, Henrik Walsdorff, Peer Neumann und Marpa
Shold kannte ich ja schon lange vorher. Wir sind uns über die
Jahre immer wieder begegnet, und ich wusste so ziemlich, was
sie alles machen. Wanja Slavin kenne ich persönlich erst seit
einem Jahr. John hatte ihn mir empfohlen. Darüber bin ich sehr
glücklich.
Sie haben also gleich auf der Bühne zusammen gespielt,
ohne sich vorher groß abzustimmen?
Ja, ja. Genau so lief das. Natürlich, das Material was ich bringe,
muss einen gewissen Dreh haben, muss interessieren. Und wenn
es etwas nachzustellen gibt, sage ich das nebenbei, direkt
auf den Gigs. Das genügt meistens, aber auch nicht immer.
Was ist das, was Sie am Jazz so besonders interessiert?
Also ich meine die Frage bezogen auf die durchaus unterschiedlichen Einflüsse, die Sie oben genannt haben.
Zunächst die Improvisation. Obwohl Improvisation alleine noch
nicht zwingend Jazz sein muss. Trotzdem: Es ist das unmittelbare
musikalische Handeln, welches sofort zu Ergebnissen führt in
einem Kollektiv, die nicht mehr revidierbar sind. Alles zählt.
Dann die Energie, die kommen muss und die sich in der Haltung
auf der Bühne offenbart. Da strebe ich höchste Konzentration an,
die aber gleichzeitig nicht stören darf, sondern einfach den Fluss
der Dinge im Auge behält. Und das ist der Puls, der Groove. Für
mich entscheidende Komponenten, die darauf verweisen, dass
das Ganze etwas mit Tanzen zu tun haben muss. Das ist die
afrikanische Tradition. Dann das vokale Element aus dem Blues
mit seinen beschwörerischen Formeln, die sich immer wiederholen, weil es da ja um den Text ging. Hier gehören aber auch sämtliche anderen ethnischen Backgrounds hinein. Dann kommt die
individuelle Behandlung dieser Dinge durch den einmaligen
Jazzmusiker hinzu mit seiner ganz persönlichen Erfahrung und
seinem Ausdruckswillen. Dann gehört da auch das lokale Milieu
hinein, in dem die Musik entsteht, in dem die Band handelt. Also
eine Art sozialer Abtönung. Das sind, glaube ich, die unverzichtbaren Bestandteile dieser Kunstform. Sicher kann man noch viel
mehr nennen oder mit einbeziehen, aber nicht ohne diese Grundlagen.
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Gut, ich verstehe Sie. Was aber macht nun die Faszination
aus, dass Sie genau mit diesen Mitteln arbeiten wollen, in
dieser Kunstform Jazz? Sie hätten ja auch andere Möglichkeiten gehabt.
Es ist die Liebe zu seiner Philosophie und die daraus entstehende
Ästhetik. Im Jazz geht es um die Vielfalt der Sprachen und deren
Nebeneinander in einem kulturellen Kosmos. Das ist ein zutiefst
humanistisches Konzept, und in seiner Reproduktion eben auch
sehr demokratisch und vollkommen pluralistisch.
Daher halte ich Jazz für eine Art universaler Gebrauchsmusik, von
der es gar nicht genug geben kann. Er sucht seine Erfüllung in der
Verschmelzung archaisch-körperlicher Elemente mit geistigkonzentrativen und führt dies live aus und vor. Diese Art der Abendunterhaltung wäre völlig plausibel in jeder Dorfkneipe und auf den
größten Bühnen der Welt. Es ist seine integrative Wirkung, die sämtliche Abspaltungen in blöde Tanz- und Schlagermusik einerseits und
überkonstruierte Abstraktionsformeln andererseits, verhindert.
Somit beschwört Jazz aber eine andere Art der Party, der Fete und
des Konzerts herauf. Da ist er ganz visionär aus sich selbst heraus
und legt der Gesellschaft immer wieder diese Frage vor: Wie
verbringt Ihr Eure Abende? Wie wollt Ihr feiern? Wollt ihr weiterhin
Körperliches und Intellektuelles voneinander trennen, es auseinander bringen? Oder wollt Ihr eine Gebrauchsmusik, die Euch für
voll nimmt und drei mal die Woche vom Hocker reisst.
Damit ist er Teil eines zukünftigen Gesellschaftsmodells, weil die
Gegenwart natürlich nicht auf die Integration solcher Bedürfnisse
setzt, sondern auf deren abspaltende Konfektionierbarkeit und
anschliessende bequeme Befriedigung dieser in den entsprechenden Marktsegmenten.
Das ist des Weiteren der Grund, weshalb er sich im Sinne der Vielfalt
immer nur neu konstituieren muss. Er muss nicht zwingend am
Klang forschen oder sich irgendwie kreativ rechtfertigen. Er muss
sich auch nicht zwingend avantgardistisch gebärden, sondern
einfach nur Jazz sein im Sinne der vorhin genannten Ingredienzien.
Er ist nicht das Abbild des Glaubens vom technologischen Fortschritt
als finalem Rettungsphantasma. Und deshalb bin ich Jazzmusiker.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Ja, gerne.
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