Fall 7 „Errare humanum est“ Lösung
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Fall 7 „Errare humanum est“ Lösung
Juristische Fakultät Konversatorium zum Bürgerlichen Recht I WS 2012/2013 Fall 7 „Errare humanum est“ Lösung Teil 1 A. Anspruch des V gegen K auf Kaufpreiszahlung nach § 433 II BGB V könnte gegen K einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung in Höhe von 15.000 € gem. § 433 II BGB haben. I. Anspruch entstanden Zunächst müsste zwischen V und K ein wirksamer Kaufvertrag gem. § 433 BGB über den Schreibtisch zustande gekommen sein. Voraussetzung hierfür ist, dass zwei inhaltlich korrespondierende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen (Angebot und Annahme) von V und K vorliegen. Fraglich ist, ob der subjektive Erklärungstatbestand bei der Annahmeerklärung des K gegeben ist, da er eigentlich einen Schreibtisch von Henry van der Velde erwerben wollte. K handelte aber sogar mit Geschäftswillen. Er wollte den vor ihm stehenden und bereits individualisierten Schreibtisch käuflich erwerben. Sein Wille war also auf den Abschluss des Kaufvertrages über genau diesen Schreibtisch und damit auf diese konkrete Rechtsfolge gerichtet. Der Fehler bei der Willensbildung ist insofern unbeachtlich. Laut Sachverhalt liegt eine Einigung über die essentialia negotii zwischen K und V vor. Zwischen V und K ist daher ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen. Der Anspruch des V gegen K auf Kaufpreiszahlung aus § 433 II BGB ist damit entstanden. II. Anspruch erloschen Der Anspruch des V auf Kaufpreiszahlung könnte jedoch nachträglich erloschen sein. Konversatorium zum Bürgerlichen Recht I WS 2012/2013 2 1. Durch Anfechtung gem. § 142 I BGB Der Anspruch des V könnte durch eine Anfechtung der Willenserklärung des K gem. § 142 I BGB nachträglich erloschen sein. Eine wirksame Anfechtung setzt einen Anfechtungsgrund und eine fristgerechte Anfechtungserklärung voraus. a) Kein Ausschluss wegen Bestätigung (§ 144 I BGB) Die Anfechtung ist nicht gem. § 144 I BGB ausgeschlossen. b) Anfechtungserklärung, § 143 I BGB K müsste die Anfechtung gegenüber V (gem. § 143 II BGB tauglicher Anfechtungsgegner) erklärt haben, gem. § 143 I BGB. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Erklärende ausdrücklich von einer Anfechtung spricht. Ausreichend ist ein Verhalten, aus dem ein objektiver Empfänger (vgl. §§ 133, 157 BGB) schließen muss, dass der Erklärende den Kaufvertrag mit V als von Anfang an unwirksam erachtet und ihn nicht mehr gegen sich gelten lassen will. K erklärt dem V, er habe keinerlei Interesse an dem Tisch mehr. Diese Erklärung ist als Anfechtungserklärung auszulegen (§§ 133, 157 BGB). K hat demnach dem V wirksam die Anfechtung erklärt. c) Anfechtungsgrund Es müsste zudem ein Anfechtungsgrund vorliegen. aa) Anfechtung wegen eines Eigenschaftsirrtums gemäß § 119 II BGB In Betracht kommt zunächst ein Anfechtungsgrund in Form eines Eigenschaftsirrtums i.S.d. § 119 II BGB vorliegen. Hintergrund: Bei einem Eigenschaftsirrtum fällt das objektiv Erklärte und der Geschäftswille nicht auseinander (der Erklärende irrt weder über die objektive Bedeutung des Erklärten noch verwechselt er die Erklärungszeichen). Ein Irrtum liegt vielmehr bereits im Vorfeld der Willenserklärung, im Bereich der Willensbildung (sog. Motivirrtum). Motivirrtümer sind grundsätzlich unbeachtlich. Der Eigenschaftsirrtum (§ 119 II BGB) macht davon eine Ausnahme: in dem besonderen Fall, dass es sich um einen Irrtum über „verkehrswesentliche Eigenschaften“ handelt, berechtigt ein Motivirrtum zur Anfechtung. Zunächst dürfte eine Anfechtung nach § 119 II BGB nicht durch die Anwendbarkeit der vorrangigen Regelungen aus dem Leistungsstörungs- und Gewährleistungsrecht ausgeschlossen sein. Der Käufer kann nicht wegen eines Eigenschaftsirrtums, der gleichzeitig eine Sachmängelhaftung nach Konversatorium zum Bürgerlichen Recht I WS 2012/2013 3 § 434 ff BGB begründet, anfechten. Ließe man eine Anfechtung in diesem Fall zu, würde man die Regelungen von § 437 Nr.1 i.V.m. § 439 BGB (Erfordernis einer Nachfristsetzung durch den Käufer; Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung), § 438 BGB (spezielle kaufrechtliche Verjährung) und § 442 I BGB (Gewährleistungsausschluss bei Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis des Mangels) unterlaufen. Das muss zumindest bei unbehebbaren Mängeln auch für die Zeit vor dem Gefahrübergang i.S.d. § 434 I 1 BGB gelten.1 Da die zwischen V und K vereinbarte Beschaffenheit des Schreibtisches nicht gegeben ist, wäre die Herkunft mit Gefahrübergang ein Sachmangel gem. § 434 I 1 BGB. Die Mängelrechte der §§ 434 ff. BGB sind also vorrangig anzuwenden. Eine Anfechtung nach § 119 II BGB kommt für K daher nicht in Betracht. Hinweis: Im ersten Semester sollten Sie sich lediglich merken, dass das Gewährleistungsrecht die Anfechtung des Käufers wegen eines Eigenschaftsirrtums gem. § 119 II BGB grds. ausschließt. Vertiefte Kenntnisse im Kauf- und Mängelrecht werden nicht erwartet. Exkurs zur Prüfung des Eigenschaftsirrtums: K müsste sich über eine verkehrswesentliche Eigenschaft einer Sache geirrt haben. Eigenschaften einer Person oder Sache sind neben den auf der natürlichen Beschaffenheit beruhenden Merkmalen auch die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse und Beziehungen zur Umwelt, soweit sie nach der Verkehrsanschauung für die Wertschätzung oder Verwendbarkeit von Bedeutung sind (sog. „wertbildende Faktoren“). Verkehrswesentlich ist eine Eigenschaft, wenn sie nicht bloß nach der Auffassung des Erklärenden, sondern auch nach der Verkehrsanschauung für das konkrete Rechtsgeschäft wesentlich, also ausschlaggebend ist. Die Urheberschaft einer Sache haftet dieser unmittelbar an und ist bei Designermöbeln regelmäßig für deren Wertschätzung von Bedeutung. Diese Eigenschaft ist auch bei einem Designermöbelstück von ausschlaggebender Bedeutung und damit verkehrswesentlich. Der Wert des Schreibtisches spielt hier keine Rolle: zum einen liegt schon kein Irrtum des K über den Wert des Schreibtischs vor (der Wert des Schreibtischs von Horta entspricht dem eines Schreibtisches von van der Velde), zum anderen stellt der Wert einer Sache selbst keinen wertbildenden Faktor dar, da sich dieser erst aus den Eigenschaften ergibt (er ist das „Produkt aller wertbildenden Faktoren“). 1 Dies ist äußert strittig. Die Gegenauffassung hat zwar die weniger überzeugenden Argumente, wird aber nichtsdestoweniger vom BGH vertreten, vgl BGHZ 34, 32 = NJW 61, 772. Zur hier vertretenen Ansicht vgl. zusammenfassend Staudinger, BGB, § 437 Rn.25 ff. m.w.N. Konversatorium zum Bürgerlichen Recht I WS 2012/2013 4 bb) Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 I Alt. 1 BGB Ferner könnte jedoch eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 I Alt. 1 BGB möglich sein. (i) Täuschung über Tatsachen K müsste hierfür zunächst über Tatsachen getäuscht worden sein. Tatsachen sind dem Beweis zugängliche Ereignisse oder Umstände der Gegenwart oder Vergangenheit (Abgrenzung zu Werturteilen). Die Urheberschaft eines Möbelstücks ist dem Beweis zugänglich und somit eine Tatsache. Eine Täuschung ist die Erregung, Verstärkung oder Aufrechterhaltung einer Fehlvorstellung über Tatsachen bei einem anderen. Hinweis: Die Täuschungshandlung kann durch aktives Tun (ausdrücklich oder konkludent) oder durch Unterlassen (Voraussetzung: Aufklärungspflicht) erfolgen. V erklärte dem K, dass es sich bei dem Schreibtisch um ein Möbelstück aus der Werkstatt des Henry van der Velde handle. Tatsächlich stammte der Schreibtisch jedoch von Victor Horta. Demnach täuschte V den K ausdrücklich über die Urheberschaft. V täuschte K auch arglistig, denn er wusste, dass der Schreibtisch in Wirklichkeit von Victor Horta stammt und dass K den Schreibtisch nicht gekauft hätte, wenn er von der tatsächlichen Urheberschaft gewusst hätte. Hinweis: Es genügt hierbei ein Eventualvorsatz (z.B.: Der Handelnde stellt, obwohl er mit der möglichen Unrichtigkeit seiner Angabe rechnet, unrichtige Behauptungen „ins Blaue hinein“ auf). Beachte: Umstritten ist, ob Täuschung und Drohung zugleich einen Anspruch aus §§ 280 I, 311 II, 241 II i.V.m. § 249 I BGB (culpa in contrahendo = c.i.c.) auf Vertragsaufhebung begründen können. Nach e.A. in der Lit. steht der Anwendbarkeit der c.i.c. neben § 123 BGB entgegen, dass man durch die c.i.c. die besonderen Voraussetzungen der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung umgehen würde. Denn Ansprüche aus c.i.c. entstehen schon bei fahrlässigem Handeln und unterliegen der regelmäßigen Verjährung nach § 195 BGB, während § 123 BGB Arglist (Vorsatz) voraussetzt und eine Anfechtung gemäß § 124 BGB grundsätzlich bereits nach einem Jahr ausgeschlossen ist. Demgegenüber wendet die Rspr. die c.i.c. auch neben § 123 BGB an. Begründet wird dies zum einen mit den unterschiedlichen Schutzzwecken: Während § 123 BGB die Willensfreiheit schützt, dient die c.i.c. dem Vermögensschutz. Zum anderen stünde sonst der vorsätzlich Getäuschte aus oben genannten Gründen schlechter als der fahrlässig Getäuschte. Konversatorium zum Bürgerlichen Recht I WS 2012/2013 5 (ii) Widerrechtlichkeit der Täuschung Die Täuschung müsste auch widerrechtlich sein. Die Widerrechtlichkeit wird durch die Täuschung indiziert. Rechtfertigungsgründe für die Täuschung sind nicht ersichtlich. Hintergrund: Nach dem Wortlaut des § 123 I BGB ist eine Widerrechtlichkeit nur i.R.d. § 123 I Alt. 2 BGB („widerrechtlich durch Drohung“) erforderlich. Jedoch fordert die h.M. auch i.R.d. § 123 I Alt. 2 BGB (arglistige Täuschung) eine Widerrechtlichkeit. Bedeutung hat dieses Kriterium aber fast ausschließlich im Arbeitsrecht: Ein Bewerber darf im Vorstellungsgespräch auf unzulässige Fragen unwahr antworten. Der Arbeitgeber kann dann mangels Widerrechtlichkeit der Täuschung den Arbeitsvertrag nicht wirksam anfechten. Außerhalb des Arbeitsrechts genügt in der Klausur der kurze Hinweis, dass die Rechtswidrigkeit durch die Täuschung indiziert wird. (iii) Kausaler Irrtum Durch die Täuschung hat V bei K auch einen Irrtum über die Urheberschaft des Schreibtischs erregt. (iv) Kausalität des Irrtums für die Abgabe der Willenserklärung Die Täuschung war auch kausal für die Abgabe der Willenserklärung durch K, denn gerade die Urheberschaft war für den Entschluss des K, den Schreibtisch zu kaufen, ausschlaggebend (ein solches Stück fehlte in seiner Sammlung). cc) Zwischenergebnis K kann nach § 123 I Alt. 1 anfechten, nicht aber nach § 119 II BGB. d) Anfechtungsfrist Die Anfechtung müsste von K innerhalb der jeweils einschlägigen Anfechtungsfrist erklärt werden. Anfechtungsfrist bezüglich arglistiger Täuschung Im Falle einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung müsste K gemäß § 124 I BGB innerhalb eines Jahres den Kaufvertrag anfechten. Die Anfechtungsfrist beginnt, sobald K vom Irrtum und dem arglistigen Verhalten des anderen Teils Kenntnis erlangt hat. Exkurs zur Anfechtungsfrist bezüglich des Eigenschaftsirrtums Im Fall des § 119 II BGB müsste die Anfechtung gemäß § 121 I 1 BGB unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern erfolgen. Konversatorium zum Bürgerlichen Recht I WS 2012/2013 6 2. Ergebnis Übt K sein Anfechtungsrecht fristgerecht aus, hat dies zur Folge, dass seine Willenserklärung gemäß § 142 I BGB ex tunc, also von Anfang an, vernichtet wird. Da die Willenserklärung Bestandteil des Kaufvertrages ist, wird dieser ebenfalls nichtig. III. Ergebnis Der Kaufpreiszahlungsanspruch des V gegen K aus § 433 II BGB ist wieder erloschen. B. Anspruch des V gegen K aus § 122 BGB Bei einer Anfechtung nach § 123 I Alt. 1 BGB kommt § 122 BGB nicht in Betracht. Exkurs: Hätte K nach § 119 II BGB angefochten, hätte er sich gegebenenfalls nach § 122 I BGB schadensersatzpflichtig gemacht. Dann wäre allerdings noch der Ausschlussgrund des § 122 II BGB zu beachten. C. Anspruch des K gegen V auf Eigentumsübertragung und Übergabe des Schreibtisches gemäß § 433 I 1 BGB Durch den wirksam zustande gekommenen Kaufvertrag ist ein Anspruch des K aus § 433 I 1 BGB auf Eigentumsübertragung und Übergabe des Schreibtisches zwar entstanden. Sobald K jedoch sein Anfechtungsrecht ausübt, erlischt der Anspruch auf Eigentumsübertragung und Übergabe des Schreibtisches aus § 433 I BGB gem. § 142 I BGB ex tunc. Konversatorium zum Bürgerlichen Recht I WS 2012/2013 7 Teil 2 A. Anspruch des K gegen M auf Herausgabe der Geldscheine gem. § 985 BGB A könnte einen Anspruch auf Herausgabe der Geldscheine gem. § 985 BGB haben, wenn er Eigentümer der Geldscheine ist, M diese besitzt und kein Recht zum Besitz gegenüber K nach § 986 BGB hat. I. Eigentum des K K war ursprünglich Eigentümer der Geldscheine. Er könnte sein Eigentum jedoch durch Übereignung an M gem. § 929 S. 1 BGB verloren haben. Dies ist der Fall, wenn sich K und M über die Eigentumsübertragung der Geldscheine geeinigt haben, der K dem M die Geldscheine übergeben und K dabei als Berechtigter gehandelt hat. 1. Einigung gemäß § 929 S. 1 BGB K und M müssten sich hinsichtlich der Eigentumsübertragung der Geldscheine dinglich geeinigt haben. Die dingliche Einigung ist ein Vertrag, der durch zwei korrespondierende Willenserklärungen (Angebot und Annahme, §§ 145, 147 BGB) zustande kommt. Das Bezahlen durch Hinreichen der Geldscheine seitens des K stellt ein wirksames Angebot dar, welches M durch Entgegennahme der Scheine angenommen hat. K und M haben sich somit geeinigt. In Bezug auf dieses Verfügungsgeschäft lag bei K auch kein kausaler Irrtum vor. K wollte die Geldscheine zur Erfüllung seiner kaufvertraglichen Pflicht übereignen und hat dies auch getan. Denn die Erklärung des K im Rahmen der dinglichen Einigung lautet nur: „Ich – K – übereigne hiermit diese Geldscheine an V.“ Insoweit hat sich K nicht geirrt. Eine Fehleridentität liegt nicht vor. Somit kommt keine Unwirksamkeit der Einigung durch eine – noch zu erklärende – Anfechtung in Betracht. Beachte: Wegen des Trennungsund Abstraktionsprinzips ist i.R.d. Verpflichtungsgeschäfts und des Verfügungsgeschäfts jeweils immer getrennt zu überprüfen, ob ein Anfechtungsgrund vorliegt. Hier führt der Irrtum des K (er erklärt objektiv Pferdefleisch, will aber Schweinefleisch = Inhaltsirrtum gem. § 119 I Alt. 1 BGB) beim Abschluss des Kaufvertrages nicht gleichzeitig auch zu einem Irrtum bzgl. der Verfügung über das Geld. Lediglich bei sogenannter Fehleridentität liegt der Willensmangel des Verpflichtungsgeschäfts auch dem Verfügungsgeschäft zu Grunde. Hierauf ist bei der Prüfung im Rahmen der Kausalität einzugehen. Eine solche Fehleridentität ist regelmäßig in den Fällen des § 123 BGB gegeben (vgl. Teil 1), da die Täuschung oder Drohung auch auf das Verfügungsgeschäft Konversatorium zum Bürgerlichen Recht I WS 2012/2013 8 durchschlägt. An der Ursächlichkeit der Täuschung oder Drohung im Hinblick auf das Verfügungsgeschäft ist in aller Regel auch dann nicht zu zweifeln, wenn sich die Täuschung primär auf das Verpflichtungsgeschäft bezieht; denn ohne die Täuschung hätte der Getäuschte das Verpflichtungsgeschäft nicht abgeschlossen, und ohne Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts hätte er das Verfügungsgeschäft, durch das er seine Verpflichtung erfüllen wollte, nicht vorgenommen. Bzgl. § 119 BGB ist Fehleridentität hingegen nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände hinzutreten, die auf einen kausalen Irrtum bei der Verfügung schließen lassen. 2. Übergabe gemäß § 929 S. 1 BGB K hat dem M den unmittelbaren Besitz an den Geldscheinen gem. § 854 I BGB verschafft und ihm diese damit übergeben. 3. Berechtigung des K K war zum Zeitpunkt der Verfügung Eigentümer der Geldscheine und somit zur Verfügung berechtigt. 4. Zwischenergebnis Durch die wirksame Übereignung an M ist K nicht mehr Eigentümer der Geldscheine. II. Ergebnis Er kann diese daher nicht nach § 985 BGB von M heraus verlangen. B. Anspruch des K gegen M auf Rückübertragung des Eigentums und Wiedereinräumung des Besitzes an den Geldscheinen gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB K könnte gegen M einen Anspruch auf Übertragung des Eigentums und Wiedereinräumung des Besitzes an den Geldscheinen gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB haben. Dazu müsste M ohne rechtlichen Grund Eigentum und Besitz an den Geldscheinen durch Leistung des K erlangt haben. I. Etwas erlangt M müsste zunächst etwas erlangt haben, also einen vermögenswerten Vorteil. M hat durch die Übereignung Eigentum und Besitz an den Geldscheinen erworben, also etwas erlangt. Konversatorium zum Bürgerlichen Recht I WS 2012/2013 9 II. Durch Leistung M müsste Eigentum und Besitz an den Geldscheinen durch eine Leistung des K erlangt haben. Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. K übereignete dem M die Geldscheine, um damit seine kaufvertragliche Pflicht zur Kaufpreiszahlung gegenüber M zu erfüllen. Er mehrte somit das Vermögen des M bewusst und zweckgerichtet. Eine Leistung des K ist somit gegeben. III. Ohne rechtlichen Grund Die Leistung des K müsste ferner ohne rechtlichen Grund erfolgt sein. Dies ist der Fall, wenn die Leistung ohne schuldrechtliche Verpflichtung erfolgt. 1. Grundsätzlich wirksam rechtlicher Grund zustande gekommener Kaufvertrag als K und M haben einen wirksamen Kaufvertrag über 500 g Filet geschlossen. Die Erklärung des K, dass er gern 500 g Filet hätte, kann aus der Sicht des objektiven Empfängerhorizonts gem. §§ 133, 157 BGB nur dahingehend verstanden werden, dass er gerne 500 g Pferdefilet hätte, also einen Kaufvertrag über 500 g Pferdefleisch abschließen will. K hat nämlich seinen Wunsch in den Geschäftsräumen eines Pferdemetzgers geäußert. Dass K eigentlich 500 g Filet vom Schwein wollte, muss aus Gründen der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes unbeachtlich bleiben, da er dies nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht. Es fällt grundsätzlich in den Risikobereich des Erklärenden, dass er nicht richtig verstanden wird. M hat durch Einpacken und Überreichen des Fleisches das Angebot des K angenommen. Dieser ist grundsätzlich ein geeigneter rechtlicher Grund für die Übertragung von Eigentum und Besitz an den Geldscheinen (vgl. § 433 II BGB). Diese wäre demnach nicht rechtsgrundlos. 2. Rechtlicher Grund durch Anfechtung beseitigt Möglicherweise könnte der Kaufvertrag jedoch durch Anfechtung des K von Anfang an nichtig sein gem. § 142 I BGB, so dass die Verfügung über die Geldscheine ohne schuldrechtliche Grundlage und damit rechtsgrundlos erfolgte. Voraussetzung dafür wäre, dass K seine auf Abschluss des Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung wirksam angefochten hat. a) Anfechtungserklärung gemäß § 143 I BGB K müsste die Anfechtung gegenüber M (gem. § 143 II BGB tauglicher Anfechtungsgegner) erklärt haben, gem. § 143 I BGB. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Erklärende ausdrücklich von einer Anfechtung spricht. Ausreichend ist ein Verhalten, aus dem ein objektiver Konversatorium zum Bürgerlichen Recht I WS 2012/2013 10 Empfänger (vgl. §§ 133, 157 BGB) schließen muss, dass der Erklärende den Kaufvertrag mit M als von Anfang an unwirksam erachtet und ihn nicht mehr gegen sich gelten lassen will. K erklärt dem M, er wolle von dem Kaufvertrag Abstand nehmen. Diese Erklärung ist als Anfechtungserklärung auszulegen (§§ 133, 157 BGB). K hat demnach dem M wirksam die Anfechtung erklärt. b) Anfechtungsgrund gemäß § 119 I Alt. 1 BGB Es müsste weiterhin ein Anfechtungsgrund vorliegen. K könnte einem Inhaltsirrtum gem. § 119 I Alt. 1 BGB unterlegen sein. Bei einem Inhaltsirrtum entspricht das Erklärte dem Willen des Erklärenden, der Erklärende irrt aber über die objektive Bedeutung oder Tragweite der Erklärung („Der Erklärende weiß, was er sagt, aber nicht, was er damit sagt bzw. was es bedeutet.“). K war sich hier zwar der Tatsache bewusst, dass er eine Willenserklärung abgab, die auf den Kauf von 500g Filet gerichtet war. Er wusste aber nicht, dass seine Erklärung objektiv als eine auf den Kauf von Pferdefilet gerichtete Willenserklärung verstanden wird. K irrte also über die Bedeutung seiner Erklärung und unterlag folglich einem Inhaltsirrtum (Irrtum über den Vertragsgegenstand = error in obiecto). Ein Anfechtungsgrund i.S.d. § 119 I 1. Alt BGB ist demnach gegeben. c) Anfechtungsfrist gemäß § 121 BGB M müsste die Anfechtung gemäß § 121 BGB unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern erklärt haben. K bemerkte seinen Irrtum direkt nach dem Kauf und erklärte M in unmittelbarem Anschluss die Anfechtung. Die Anfechtung erfolgte daher fristgerecht. Die Anfechtung ist auch nicht wegen Bestätigung gem. § 144 I BGB ausgeschlossen. 3. Ergebnis Aufgrund der Anfechtung des K sind seine Willenserklärung und damit der Kaufvertrag gemäß § 142 I BGB als von Anfang an nichtig anzusehen. Demnach leistete K Eigentum und Besitz an den Geldscheinen ohne rechtlichen Grund. IV. Ergebnis Da die Leistung des K rechtsgrundlos erfolgte, kann K die Rückübertragung des Eigentums und Wiedereinräumung des Besitzes an den Geldscheinen aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB von M verlangen. Konversatorium zum Bürgerlichen Recht I WS 2012/2013