Stellvertretung I. Prüfungsaufbau
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Stellvertretung I. Prüfungsaufbau
Stellvertretung I. Prüfungsaufbau • Zulässigkeit der Stellvertretung, grundsätzlich bei jeder Willenserklärung, nicht bei • Höchstpersönlichen Rechtsgeschäften (Bsp: Eheschließung) • Ausschluss durch Rechtsgeschäft • Eigene WE des Vertreters (Abgrenzung zum Boten) • Handeln im fremden Namen • Offenkundigkeitsprinzip • Fehlen eines Vertretungswillens und Handeln unter fremdem Namen str. • Vertretungsmacht • rechtsgeschäftlich: Vollmacht • Rechtsscheinsvollmacht • gesetzliche Vertretungsmacht II. Einzelprobleme: 1. Handeln im fremden Namen: Das Offenkundigkeitsprinzip Offenkundigkeitsprinzip: Vertreter muss seine Willenserklärung erkennbar im Namen des Vertretenen abgeben. Dies dient vor allem dem Schutz des Erklärungsempfängers. Er soll schließlich wissen, mit wem er kontrahiert1. Der Vertreter kann die Erklärung ausdrücklich oder konkludent (also durch schlüssiges Handeln) abgeben. Der Schutzzweck wird aber auch dann erreicht, wenn der Vertretene individualisierbar ist, d.h. mit dem Wortlaut des § 164 I 2 die „Umstände“ auf den Vertretenen schließen lassen. Der Name des Vertretenen braucht nicht genannt zu werden (offenes Geschäft für den, den es angeht). Die wichtigste Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip ist das verdeckte Geschäft für den, den es angeht2 Der Geschäftsgegner hat an der Offenlegung des Vertretungsverhältnisses kein Interesse, weil ihm die Person des Geschäftspartners gleichgültig ist. Ein Beispiel hierfür sind die Bargeschäfte des täglichen Lebens. Ein Handeln unter fremdem Namen liegt vor, wenn der Handelnde nicht erkennbar für einen anderen, sondern als ein anderer auftritt Ob in diesen Fällen ein Eigengeschäft des Handelnden oder ein Geschäft des Namensträgers vorliegt, hängt davon ab, wie die andere Vertragspartei das Verhalten des Handelnden auffassen durfte • Namenstäuschung: Eigengeschäft des Handelnden – es wird keine Identitätsvorstellung erweckt, es wird nur der Handelnde berechtigt oder verpflichtet • Identitätstäuschung §§ 164 ff. ist anwendbar, wenn der Vertragspartner Geschäftsgegner von Bedeutung, entsprechendes gilt Unterzeichnung einer Urkunde 1 2 für für den die Brox/Walker, BGB-AT, Rdnr. 524. Ob diese Ausnahme zulässig ist, ist umstritten. Vgl. zum Meinungsstand Brox/Walker, BGB-AT, Rdnr. 524. 2. Vertretungsmacht • • • rechtsgeschäftlich: Vollmacht Rechtsscheinsvollmacht gesetzliche Vertretungsmacht a. Vollmacht Vollmacht: einseitiges Rechtsgeschäft des Vollmachtgebers, das durch eine grundsätzlich formfreie, empfangsbedürftige Willenserklärung erfolgt aa. Erteilung Innenvollmacht, § 167 I Var. 1 BGB Erteilung ggü. dem Bevollmächtigten; die Kundgabe nach außen ist nicht konstitutiv - § 171 BGB Außenvollmacht, § 167 I Var. 2 BGB Erteilung ggü. dem Geschäftspartner bb. Verhältnis von Vollmacht und Grundgeschäft Die Vollmacht ist nach Bestehen und Umfang grundsätzlich von dem zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem bestehenden Innenverhältnis unabhängig: Abstraktheit der Vollmacht!. Eine Ausnahme stellt die Fehleridentität dar, dh wenn Grundgeschäft und Vollmacht von dem selben Fehler ergriffen sind (vgl die Parallele zur Fehleridentität bei Kausal- und Verfügungsgeschäft) Die Diskrepanz zwischen rechtlichem Können und Dürfen kann den Vertreter zwar schadensersatzpflichtig machen, beseitigt aber nicht die Wirksamkeit des vorgenommen Geschäfts. cc. Erlöschen der Vollmacht Gem. § 168 S. 1 BGB bestimmt sich das Erlöschen nach dem der Vollmachtserteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis insoweit Durchbrechung des Abstraktionsprinzips Zudem kann die Vollmacht gem. § 168 S. 2 grds. durch Widerruf ggü. dem Bevollmächtigten oder dem Dritten erlöschen, auch wenn das Grundverhältnis fortbesteht b. Vollmachten kraft Rechtsscheins aa. Rechtsschein kraft Gesetzes Nach dem Wortlaut wird der gute Glaube an das Fortbestehen einer einmal wirksam erteilten Vollmacht geschützt, §§ 170, 171 II, 172 II BGB. Darüber hinaus gelten die §§ 170-173 BGB analog bei einer von Anfang an unwirksamen Vollmacht. Voraussetzungen • • Kenntnis des Geschäftsgegners von der Vollmacht Redlichkeit des Geschäftsgegners • Keine Kenntnis des Geschäftsgegners vom Nichtentstehen oder Erlöschen der Vollmacht, § 173 BGB • bei anfechtbarer Bevollmächtigung schadet gem. § 142 II die Kenntnis oder das Kennenmüssen der Anfechtbarkeit • Redlichkeit muss bei Vornahme des Vertretergeschäfts vorliegen bb. Duldungsvollmacht Duldungsvollmacht: liegt vor, wenn der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin versteht und auch verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist3 Voraussetzungen • • • Handeln eines Unbefugten als Vertreter von gewisser Dauer/wiederholt Geschäftsherr muss dieses Verhalten gekannt haben und trotzdem nicht dagegen eingeschritten sein Geschäftsgegners muss das Dulden Verhalten nach Treu und Glauben als Bevollmächtigung verstanden haben cc. Anscheinsvollmacht Anscheinsvollmacht: liegt vor, wenn der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können und der andere Teil annehmen durfte, der Vertretene dulde und billige das Handeln des Vertreters4 Voraussetzungen • Handeln eines Unbefugten als Vertreter von gewisser Dauer/wiederholt 3 4 Palandt-Heinrichs, § 173 Rdnr. 11. Palandt-Heinrichs, § 173 Rdnr. 14. • • Zurechnung des Rechtsscheins: der Vertretene hätte das Auftreten des Vertreters erkennen und hindern können, schuldhafte Verletzung der Sorgfaltspflichten Geschäftsgegners muss das Dulden Verhalten nach Treu und Glauben als Bevollmächtigung verstanden haben Wirkungen • Der Geschäftsherr wird so behandelt, als ob er selbst bevollmächtigt hat, auch entfällt die Inanspruchnahme des Vertreters nach § 179 (hM)5 3. Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht Die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht folgt aus § 179 BGB. Die Norm bestimmt eine schuldunabhängige gesetzliche Garantiehaftung. Rechtsfolgen Gläubiger hat ein Wahlrecht nach § 179 I BGB Erfüllung, § 179 I Alt. 1 BGB Schadensersatz § 179 I Alt. 2 BGB Der Vertreter wird zwar nicht Vertragspartei, erlangt aber im Grunde deren Stellung Wahl zwischen Erfüllungs- und Vertrauensinteresse Hat der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt, muss er nach § 179 II BGB nur den Vertrauensschaden ersetzen. Die Haftung ist nach § 179 III BGB ausgeschlossen, wenn das Vertrauen des Geschäftspartners auf die Wirksamkeit des Geschäfts keinen Schutz verdient. Das ist dann der Fall, wenn er den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste (§ 179 III 1 BGB). Zudem ist die Haftung des beschränkt geschäftsfähigen Vertreters ausgeschlossen (§ 179 III 2 BGB). 5 Vgl. hierzu Brox/Walker, BGB-AT, Rdnr. 566 f.