publizissimus
Transcription
publizissimus
Ausgabe Wintersemester 2013/2014 publizissimus Print im Sturzflug: Die Krise spitzt sich zu MEINUNGSMONOPOL MAINZ: Die MRZ hat aufgegeben WATCHBLOG: Auf Kollisionskurs mit der BILD HARTE FAKTEN: Akademischer Streit um Porno-Journal GLOSSE: Auf nach Noelletopia mit Obi Wilkenobi! Man munkelt, der Publizissimus sei eines der wenigen Blätter mit steigender Auflagenzahl. +++ Man munkelt, Oliver Quiring würde es begrüßen, wenn Editorial 3 Bild: Rondinella Der scheidende Freund Von Lorenz Harst, Elisabeth Neuhaus und Giuseppe Rondinella Liebe Leserinnen und Leser, der gemeine Publizist hat es einfach nicht leicht. Nur allzu gerne würde er irgendwas mit Medien machen, aber seinem liebsten und dienstältesten Weggefährten geht langsam die Puste aus, der Zeitung geht es schlecht: „Der Titel rentiert sich nicht mehr“, heißt es von Verlagen in wirtschaftlicher Schieflage. „Printmedien sind nicht mehr aktuell“, lautet das harsche Urteil der Kritiker. Hätte die Publizistikwissenschaft ein Mitspracherecht bei der Wahl zum Unwort des Jahres, das Wörtchen „Zeitungskrise“ würde es, da sind wir uns sicher, zumindest in die engere Auswahl schaffen. Sie halten eine Ausgabe des Publizissimus in den Händen, die sich einmal mehr mit einem unangenehmen Thema beschäftigt. Mit der Insolvenz der Frankfurter Rundschau und dem Niedergang der Financial Times Deutschland hatten sich die Vorläufer der Krise im vergangenen Wintersemester bereits deutlich zu erkennen gegeben. Mittlerweile stürmt es gewaltig, auch hier in Mainz. Deshalb haben wir uns verpflichtet gefühlt, die Entwicklung der Zeitungskrise weiter zu begleiten. Franziska und Julia haben sich einen Überblick verschafft und den journalistischen Status quo Deutschlands und der USA aufgearbeitet. Außerdem: Hintergründe zum Ende der Mainzer Rhein-Zeitung und wie eine Zeitung ohne Journalisten funktioniert (oder eben nicht). Ob das Geschäft mit der Zeitung auch in Afrika kriselt, das hat Peter am Beispiel einer deutschen Tageszeitung in Na- mibia herausgefunden. In unsteten Zeiten wie diesen hat sich so mancher Journalist in die PR verabschiedet. Wie und warum so ein Wechsel vonstatten geht, das lesen Sie in der Rubrik „Ehemalige des IfP“. Die aktuelle Ausgabe der Institutszeitschrift mag auf den ersten Blick monothematisch daherkommen, in alter Publizissimus-Manier wollte die Redaktion den Fall „Zeitungskrise“ allerdings nicht nur anschneiden, sondern detailliert und intensiv recherchieren. Apropos Recherche: Damit spielen wir auch den größten Vorteil eines Printmediums aus – umfassende Hintergrundberichterstattung. Natürlich geht es in diesem Heft nicht nur um die zugespitzte Lage auf dem Zeitungsmarkt. Miriam hat das Main- zer Gutenberg-Museum besucht und den wahren Erfinder des Buchdrucks entdeckt, Jakob berichtet von seinem Praktikum in London und unsere Auslandskorrespondenten Pascal und Johannes melden sich aus Spanien und Frankreich. Auch um ein schlüpfriges Thema sind wir in dieser Ausgabe nicht herumgekommen: Porno. Neben einem Rückblick auf die Institutsgeschichte, einem neuen Gesicht am Institut und einem Blog-Tyrannen erwarten Sie natürlich jede Menge weitere spannende Themen. Zum Lesen wird also dringend geraten. Auch und insbesondere dem gemeinen Publizisten, der trotz Zeitungskrise irgendwas mit Medien machen will. Viel Spaß bei der Lektüre! Studenten mehr LSD konsumierten. +++ Man munkelt, Babo sei das Publizissimus-Wort des Jahres. +++ Man munkelt, unter den Erstis fänden sich Inhalt / 4 Impressum Publizissimus Ausgabe 01/2014 Chefredaktion (Babos): Lorenz Harst, Elisabeth Neuhaus, Giuseppe Rondinella (V.i.S.d.P.) Logo: Richard Lemke Layout: Elisabeth Neuhaus Titelbild: Giuseppe Rondinella Herausgeber: Fachschaftsrat Publizistik Auflage: 700 Druck: Zentraldruckerei (Universität Mainz) mit freundlicher Unterstützung des ZeFaR Redaktionsadresse: Publizissimus-Redaktion c/o Fachschaftsrat Publizistik Universität Mainz / Georg-Forster-Gebäude Jakob-Welder-Weg 12 55099 Mainz Leserbriefe, Anmerkungen und Kritik bitte an: Publizissimus_Mainz@web.de Autoren: Estelle Allali, Johannes Beckert, Franziska Breininger, Lorenz Harst, Nicole Ioussim, Peter Mertes, Elisabeth Neuhaus, Miriam Pontius, Jakob Reifenberger, Giuseppe Rondinella, Julia Schäfer, Pascal Schneiders Gastautoren: Richard Lemke Marc Ziegele impressum Inhaltsverzeichnis 3 4 Editorial: Der scheidende Freund Impressum | Inhaltsverzeichnis 5 Im Publizissmus vor 30 Jahren: Der Orwell-Staat und das Ende der Noelloskope 6 8 10 12 13 Zeitungskrise: Und Tschüss! Kommentar: An neuen Ufern Mainzer Rhein-Zeitung: Tod einer Tageszeitung Kommentar: Wenn Tante Emma grüßen lässt Westfälische Rundschau: Zeitung ohne Journalisten 14 Interview: Neue IfP-Geschäftsführerin Prof. Dr. Birgit Stark 16 Journaille: Deutscher Journalismus in Afrika 18 Ehemalige des IfP: „Du musst hier weg“ 20 21 22 Medien in den Medien: BILDblog Reisebericht: BBC Praktikumsbericht: London 23 24 Grimme-Preis: Herausgeputzt für den Medienpreis Neu am IfP: Dr. Thomas Koch 25 26 Porno: Ein Pornokrieg spaltet die Wissenschaft Porno-Kommentar: Alles Porno? 27 28 30 Gutenberg-Museum: Der wahre Erfinder des Buchdrucks Fernsehen aktuell: Das Live-Fernsehen ist noch nicht tot 32 33 34 Georg-Forster Cafeteria: Massenandrang zur Mittagszeit Auslandskorrespondenz: „Barcelona, it was the first time that we met“ Auslandskorrespondenz: „Rien ne va plus?“ 36 38 40: Qualitative Embierie: So stellt sich die Publizissimus- Redaktion die Zeitung der Zukunft vor Die Autoren: ...und ihr Lieblingsmedium Glosse: Petition für ein Publizistikstudium als Online-Spiel Publizissimus-Preis: Juniorprofessor Dr. Leonard Reinecke kaum noch männliche Vertreter. + + + Man munkelt, den verbleibenden männlichen Vertretern sei das schnuppe. + + + Man munkelt, der Begriff Vor 30 5 jahren Der Orwell-Staat und das Ende der Noelloskopie Von Nicole Ioussim Bild: Archiv Man macht einen Schritt, führt gerade ein spannendes Telefonat oder beschafft sich Informationen via Smartphone, doch: Man ist nicht allein. Überwacht zu werden ist der Alptraum eines jeden, der zur erschreckenden Realität geworden ist. Bereits 1983 zittern die Studenten dem von Orwell prophezeiten Überwachungsstaat entgegen. Was damals noch seine Anfänge nimmt, ist heute mehr als aktuell. Die NSA beweist in diesem Jahr, dass Orwells Annahme in seinem Buch „Nineteen EightyFour“ alles andere als verkehrt oder überholt war, doch sie übertrifft seine Voraussagen sogar noch. Im Publizissimus von 1983 hieß es damals: „Ist der Große Bruder bei Orwell noch auf einen Televisor angewiesen, […] so kommt die moderne Schnüffeltechnik schon längst ohne das Mitwissen des Überwachten aus“. Schon damals moderne Abhörtechniken sind heutzutage modernisiert und damit noch „gefährlicher“. „Big brother is watching you“ Smartphones verknüpfen den Konsum von öffentlich zugänglichen Nachrichten mit der kontinuierlichen Preisgabe privater Informationen. Das durch die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich als Vorbeugung terroristischer Anschläge verkaufte globale und grundlose Ausspionieren der Telekommunikation und des Internets lassen keinen Raum für Privatsphäre. Sogar LiveÜberwachung sei mit den neusten Techniken der NSA möglich. Orwell spricht darüberhinaus vom „gläsernen Menschen“. Dies zieht eine weitere erschreckende Parallele, da die NSA die überwachten Daten auf Vorrat speichert und sie somit jederzeit verwenden kann. Die Angst der Publizisten vorm Orwell’schen Überwachungsstaat getreu dem Motto „somebody may be watching you“ ist heute aktueller denn je. die öffentliche Meinung unbewusst durch Verfälschungen und leere Versprechungen zu beeinflussen und die Massen dadurch für sich zu gewinnen? Die neuen Medien würden, so Orwell, unser Denken beeinflussen und uns das Nötigste abnehmen wollen. Dies wäre die wohl beste Möglichkeit, die Wahrheit zu verfälschen und sich im Euphemismus zu üben. Eine solche Systematik lässt sich auf die heutige Situation noch besser übertragen als auf die vor 30 Jahren. Dauernd fortschreitende und innovative Technologien lassen eine Zuspitzung dieser problematischen Entwicklung befürchten. Wie weit sind wir wirklich von Orwells Vision eines Überwachungsstaates entfernt? Neue Medien – eigene Meinung vorgekaut? Adieu Frau Noelle-Neumann Dass das Denken und Handeln für uns übernommen wird, ist heutzutage Gang und Gäbe. Wir lassen uns von den Medien „berieseln“ und werden dadurch unbewusst bewusst beeinflusst. Die Öffentlichkeit gibt uns vor, was wir zu denken und zu fühlen haben und das Schlimmste ist: Wir springen darauf an. Das ist auch der Grund, warum im Publizissimus schon 1983 über eine mögliche Entwicklung hin zur Manipulation debattiert wurde, denn wie einfach ist es, Zu Ehren der Emeritierung von Frau Prof. Dr. Dr. Elisabeth NoelleNeumann widmet der Publizissimus dieser ganz besonderen Professorin und Institutsleiterin in seiner letzten Ausgabe des Jahres1983 ganze vier Seiten. Der „Nachruf“ ist einer der besonderen Art. Nicht mit Hilfe einer weiteren Biographie, sondern durch authentische Beschreibungen und Artikel aus den Jahren 1970 bis 1983 zeichnen die Autoren ein klares Bild der Insti- tutsgründerin. Die Ausschnitte zeigen zum Beispiel, dass Noelle-Neumann eine Zusammenarbeit mit ihren Studenten ablehnte, da das „Alternativprogramm“ der Studentinnen und Studenten nicht mit ihren Überzeugungen einherging. In den Artikeln verurteilen die Autoren Noelle-Neumann darüber hinaus für ihre knappe Anwesenheit und ihre fehlende Bereitschaft, Diskussionen zuzulassen oder Kritik anzunehmen. Insgesamt fällt der Nachruf dementsprechend eher kritisch aus, geschmückt mit ironischen Liedtexten und Bildern. Trotz allem hinterließ diese „Art Professorin“, wie sie die Überschrift der „Biographie“ 1983 nannten, mit ihren umstrittenen Methoden und Ansichten einen bleibenden Eindruck und wird sicherlich auch noch weitere 30 Jahren genau so im Gedächtnis der Studenten bleiben, wie sie es war und ist. „Frosch“ habe sich als Spitzname für den Georg-Forster Bau durchsetzen können. + + + Man munkelt weiter, die Publizissimus-Redaktion sei sauer, dass Zeitungskrise 6 Und Tschüss! Welchen Kurs der kriselnde Printjournalismus einschlägt. Eine Bestandsaufnahme. Von Franziska Breininger und Julia Schäfer Ist das der Anfang vom Ende? Diese Frage stellt sich, wenn man sich anschaut, wie viele renommierte Zeitungen den Online-Medien in den vergangenen Jahren weichen mussten. Von der amerikanischen „Newsweek“ bis hin zum deutschen Axel-Springer-Verlag verschont die Printkrise keine der namhaften Urgesteine. Mit der Schnelligkeit von Online-Nachrichtenportalen kann die klassische, gedruckte Zeitung nicht Schritt halten. Bild: Breininger Wer sich über das aktuelle Geschehen in aller Welt informieren möchte, muss heutzutage lediglich eine App öffnen oder ein Onlineportal besuchen. Binnen weniger Sekunden ist der Leser informiert und spart sich somit häufig den Weg zum Kiosk. Von Medien umgeben aufgewachsen, ist es für unsere Generation schon fast ungewöhnlich, sich noch „mühsam“ über Tageszeitungen zu informieren. Alle Inhalte sind per Mausklick und Touchscreen digital verfügbar und verführen dazu, dem Zeitungwesen den Rücken zu kehren. Dadurch verliert die Zeitung immer mehr an Wert. Sinkende Auflagen, Entlassungen ganzer Redaktionen und gänzliches Einstellen der Printausgaben sind die Folgen der medialen Internetrevolution. „Newsweek“ stoppt Printausgabe Unter der Printkrise hat auch das amerikanische Nachrichtenmagazin „Newsweek“ gelitten. Die wöchentliche Druckausgabe wurde nach 80 Jahren zum 31.12.2012 eingestellt. Das Magazin erscheint mittlerweile nur noch online. Der ehemalige TIMERedakteur Thomas J.C. Martyn gründete die Newsweek 1933. Über viele Jahrzehnte hinweg zählte das Nachrichtenmagazin zu den „großen Drei“ auf dem amerikanischen Markt, neben „TIME“ und „U.S. News und World Report“. Newsweek wurde 1961 von der Washington Post Company aufgekauft. Mit einer Auflage von 3,1 Millionen und der Anerkennung als seriöses und einflussreiches Magazin, galt Newsweek lange als stärkster Konkurrent der TIME. Newsweek lieferte bedeutende Artikel über die Watergate-Affäre und dem Vietnamkrieg in den 1970ern. 2010 verkaufte die Washington Post Company „Newsweek“ weiter an den amerikanischen Unternehmer Sidney Harman, der somit 47 Millionen Dol- lar Schulden auf sich nahm. Schon damals hatte sich die Zahl der gedruckten Exemplare auf 1,5 Millionen verringert. Durch den Auflagenrückgang machte das Magazin Verluste in Höhe von rund 40 Millionen Dollar pro Jahr. Letztendlich scheiterte das Fortbestehen der Newsweek-Druckausgabe am Geld. Sidney Harman starb 2011, wodurch es keine weitere finanzielle Unterstützung mehr für das Magazin gab. Der darauf folgende Umstieg auf elektronische Medien kostete viele Mitarbeiter den Arbeitsplatz. Der Niedergang der Newsweek stellt beispielhaft den Wandel der Printmedien dar. Das Nachrichtenmagazin setzt seit Anfang 2013 darauf, den Leser allein mit einer digitalen Plattform an sich zu binden oder für sich zu gewinnen. Die Krise und der Fortschritt lassen ihm keine andere Wahl. Amazon-Chef Bezos kauft „Washington Post“ Im August 2013 kaufte Amazon-Chef Jeff Bezos die größte Tageszeitung Washingtons. Erstmals erschien die Zeitung 1877. Sie gilt heute als älteste Tageszeitung in Washington. In ihrer Anfangszeit gehörte Theodor Roosevelt, 26. Präsident der Vereinigten Staaten, zu den Autoren der Washington Post. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise befand sich das Blatt 1933 in einer schlechten finanziellen Lage und wurde versteigert. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs erfuhr die Washington Post einen Aufschwung. Täglich erschienen über 160.000 Exemplare. Der Konzern der Tageszeitung wurde in den 60ern zu einem Medienimperium ausgebaut. Als größter Erfolg der Zeitung erwies sich die Aufdeckung des WatergateSkandals 1971. Damals arbeiteten vor allem die beiden Redakteure Bob Woodward und Carl Bernstein daran, den wiederholten Missbrauch von Regierungsvollmachten durch USPräsident Nixon öffentlich zu machen. sich ihr Vorschlag „Hulk“ nicht hat behaupten können. + + + Man munkelt, Reinhart Ricker würde Studierende während seiner Vorlesungen des Pornokon- Zeitungskrise Tragisch ist, dass die Auflage der Washington Post nach der Jahrtausendwende drastisch sank, bedingt durch die schnelle Verbreitung des Internets und sinkende Leserzahlen. Dadurch mussten 2003 viele Mitarbeiter entlassen und auswärtige Büros geschlossen werden. Auch wenn die Washington Post einige Jahre durch Gewinne anderer Unternehmensteile ihre Verluste kompensieren konnte, kaufte Amazon-Gründer Bezos die Tageszeitung 2013. Er selbst wolle nicht in das Tagesgeschäft eingreifen und die Werte der Washington Post würden sich durch seinen Kauf auch nicht ändern. Zunächst wolle Bezos als privater Käufer die Finanzierung der Zeitung bewerkstelligen, um dem Management zu ermöglichen, die Tageszeitung profitabler zu machen. Ausverkauf bei Axel Springer Das Streben nach Profit fordert auch bei der Axel Springer AG Opfer. Für die Mitarbeiter des Unternehmens kam die Nachricht überraschend. Per E-Mail informierte Vorstandschef Mathias Döpfner über den Verkauf von traditionsreichen Zeitungen und Zeitschriften. Unter anderem sollten die „Bild der Frau“, „Hörzu“, das „Hamburger Abendblatt“ und die „Berliner Morgenpost“ an die Funke Mediengruppe verkauft werden. Für die rund 900 Betroffenen kam dieser Schritt unerwartet, doch er ist Teil von Döpfners neuer Strategie. Er möchte den Wandel zu einem führenden digitalen Medienunternehmen einleiten. „Die Entscheidung, uns von einigen der traditionsreichsten Marken unseres Hauses zu trennen“ sei nicht leichtgefallen, schreibt Döpfner in seiner Mail. Der Verkauf im Wert von 920 Millionen Euro soll demnächst stattfinden, sofern die Prüfung durch das Kartellamt positiv ausfällt. Springer trennt sich somit von einem Großteil seiner Printmedien, die immer geringere Auflagen vorweisen. Vorerst sollen unter anderem der „Rolling Stone“, die „Bild“, die „Welt“ und einige andere Printprodukte bleiben. Doch auch hier kommt es laut Spiegel zu Einsparungen und Stellenabbau. Das neue Zeitungsmodell: Die Huffington Post Dass es auch anders gehen kann, zeigt die Huffington Post. Die USamerikanische Online-Zeitung ist 2005 unter anderem von Namensgeberin Arianna Huffington gegründet worden. Laut Tagesschau.de zählt die Zeitung zu den meistbesuchten Websites der USA. Der Onlinedienst AOL kaufte die Huffington Post im Jahr 2011 für 315 Millionen US Dollar. Das Modell der Online-Zeitung ist einfach: Blogger liefern kostenlose Beiträge. Unter den Bloggern können sich durchaus auch prominente Autoren befinden. Informationen aus anderen Berichten werden gesammelt, in einem eigenen Text zusammengefasst und die ursprünglichen Berichte auf der Seite verlinkt. Die Leser haben die Möglichkeit, die Artikel zu kommentieren. Die Seite finanziert sich hauptsächlich über Werbung. Ableger des Erfolgsmodells gibt es in vielen Ländern, so auch in Japan, Kanada, Spanien, Italien und Großbritannien. Seit Oktober 2013 gibt es auch eine deutsche Ausgabe. Die Huffington Post ist im Internet überall präsent und erreicht somit auch junge Leute, zum Beispiel über soziale Netzwerke. Genutzt werden Instagram, Youtube oder Facebook – mit über 1,3 Millionen „Gefällt mir“-Angaben (Facebook) und über 3,6 Millionen Followern (Twitter, Stand 03.12.2013). Mit ihrer Strategie ist die Huffington Post erfolgreich und gewann 2012 als erste kommerzielle Online-Zeitung den Pulitzer Preis. Mit zunehmendem Erfolg werden jedoch auch kritische Stimmen lauter. So bemängeln viele das umstrittene Geschäftsmodell der Huffington Post, 7 Blogger kostenlos für sich schreiben zu lassen und fremde Beiträge zu sammeln. Oliver Eckert, der Geschäftsführer der deutschen Ausgabe, wehrt sich gegen die Gerüchte, dass nur Blogger den Inhalt der Zeitung gestalten: „Weltweit arbeiten rund 700 festangestellte Journalisten für die Huffington Post.“ Auch Neutralität und Sachlichkeit sind oftmals fragwürdig, da auch einige Politiker für die Huffington Post schreiben. Und weiter? Für die Newsweek war der Wandel von einem gedruckten Nachrichtenmagazin zu einer reinen Online-Zeitschrift die einzige Rettung. Zukünftig werden wohl viele Printmedien diesem Beispiel folgen, um ihre Existenz zu sichern. Doch nicht jede Zeitung hat die Möglichkeit, auf das Internet umzusteigen, da es auch eine Kostenfrage ist. Gerade für kleinere Zeitungen stellt sich die Frage, ob sich der Aufwand überhaupt lohnen würde. Für die moderne Gesellschaft ist es mittlerweile völlig normal, immer und überall auf dem neuesten Stand zu sein. Fast keiner nimmt sich mehr die Zeit, auf Tages- oder Wochenzeitungen zu warten, wenn er dieselben Informationen jederzeit aus dem Internet haben kann – oftmals für deutlich weniger Geld. Dem Leser ist es möglich, aus zahlreichen Quellen selbst auszuwählen. Gleichzeitig wird man aber mit einem Überangebot an Informationen allein gelassen. Ohne die Arbeit des Journalisten steht man nun selbst vor der Aufgabe, Nachrichten zu filtern und Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Immer weniger Menschen sind dazu bereit, Geld für Zeitungen oder sogar für Abonnements auszugeben. Gerade junge Leute sind ständig in sozialen Netzwerken aktiv. Die Vorteile solcher Plattformen haben die Online-Nachrichtendienste längst erkannt. Über Facebook, Twitter oder Youtube versuchen die Onlinedienste, jüngere Generation zu erreichen, denn kaum einer von ihnen verlässt das Haus überhaupt noch ohne Tablet oder Smartphone. Und die ältere Generation? Sie stellt den heutigen Durchschnittsleser der gedruckten Zeitung und ist nicht immer mit den Onlinemedien vertraut. Das Zeitungswesen steht seit Jahrzehnten für Kultur und Tradition. Diese Werte gehen durch die Printkrise nach und nach verloren. Dennoch ist es zu früh, die Printmedien abzuschreiben. Im digitalisierten Zeitalter werden wir uns zwar noch von einigen Titeln verabschieden müssen. Manchmal wird es statt einem endgültigen „Tschüss“ aber auch ein „Auf Wiedersehen“ im Internet geben. In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau gibt Wikipedia-Gründer Jimmy Wales allen Zeitungsliebhabern Hoffnung: „Eine Zeitung kann ich zum Strand mitnehmen, in den Rucksack stopfen und muss mich nie sorgen, dass sie gestohlen wird. Die gedruckte Zeitung wird es also noch eine Weile geben. Ich glaube sogar, sie wird nie völlig verschwinden.“ sums bezichtigen. +++ Man munkelt, dass sich viele Studenten die Bib-Parkscheibe auch für die Cafeteria wünschen. + + + Man munkelt nämlich, dort 8 Kommentar An neuen Ufern Ein Kommentar zur Zeitungskrise von Marc Ziegele Bild: Ziegele Die gedruckte Zeitung habe sich „bei dem, was wir gerade erleben, glänzend geschlagen“, [...], genauso wie andere konventionelle Medien auch. Das Einzige, was sich geändert habe, sei, dass sich die Nachricht zu einem Gut entwickelt habe, das „weltweit überall kostenlos vorhanden ist“. Die Konsequenz für Zeitungsmacher: besseren Journalismus machen. „Wir müssen in den Ozean des Internets einen Leuchtturm der Orientierung setzen“ (FAZ vom 16.10.2013) Die ganzen Kapitänsmetaphern machen mich langsam seekrank. Ob in der Politik, in der Wirtschaft oder im Journalismus - überall müssen Steuerkurse gehalten, stürmische Ozeane bewältigt oder eben Leuchttürme gebaut werden. Das Internet gleicht aber, historisch betrachtet, keinem Ozean, sondern eher den „unendlichen Weiten“ des Weltalls – ein echter „Cyberspace“ eben mit einer enormen Entwicklungsdynamik. Gut, auch auf Raumschiffen sind Kapitäne nötig, somit können wir auch im Folgenden einige Seefahrtsmetaphern bemühen. Grundsätzlich ist Herrn Ippen (von dem die Zitate im Teaser stammen) im Kern zuzustimmen: Der Journalismus muss sich ändern, sonst wird er sich langfristig überflüssig machen. Was ich allerdings anzweifle, ist die Aussage, dass sich die gedruckte Zeitung im intermedialen Vergleich bislang „glänzend geschlagen“ hat. Natürlich ist diese Aussage abhängig von Herrn Ippens Erwartungen: Hat man den Untergang des Schiffs erwartet, dann freut man sich darüber, dass man im Beiboot noch „glänzend“ weitersegeln kann – bis zum nächsten Riff. Fakt ist, dass in Deutschland und in aller Welt in den vergangenen Jahren neben der Mainzer RheinZeitung viele namhafte Blätter beerdigt wurden: Die Washington Post, die Frankfurter Rundschau und die Financial Times Deutschland sind nur einige Beispiele dafür. Natürlich profitieren traditionelle Printmedien derzeit noch von der Alterung der Gesellschaft und den vergleichsweise starren Lesegewohnheiten der älteren Bevölkerung. Dadurch ist ihnen eine Basisnachfrage gesichert für eine bestimmte, aber nicht unbegrenzte Zeit. Denn die Lese- und Informationsgewohnheiten der jüngeren Generation, die auch älter wird, unterscheiden sich fundamental von den tradierten Rezeptionsmodi. Viele Junge lesen geschriebene Texte nicht nur weniger und weniger aufmerksam, sie rezipieren auch multimedialer, lesen häufiger quer sowie an den unterschiedlichsten Orten und zu den unterschiedlichsten Zeitpunkten. Darüber hinaus ärgern sie sich nicht selten über die Unhandlichkeit einer Zeitung und die mangelnde Möglichkeit, mit dieser zu interagieren oder sie zu „sharen“. Derartige Entwicklungen werden die Auflagen der gedruckten Zeitungen weiter sinken lassen. Als eine weitere Ursache der Misere führen viele Zeitungshäuser die grassierende „Gratis-Kultur“ der Rezipienten an, die sich – ausgehend vom Internet – auf das gesamte Informationsnutzungsverhalten übertragen habe. Man sei heute einfach nicht mehr bereit, für Nachrichten zu zahlen. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Denn an der Entstehung dieser Kostenlos-Kultur waren die Printmedien maßgeblich beteiligt – Nachrichten wurden im Internet bereits vor der Jahrtausendwende gratis angeboten. Dagegen entschieden sich viele Zeitungshäuser in jüngster Zeit, Smartphone- und Tablet-Apps kostenpflichtig zu machen. Dies führte zwar temporär zu Entrüstung und zu verärgerten Nutzer-Kommentaren, wird sich aber langfristig rentieren. Wer dem Nachrichtenrezipienten somit komplette Zahlungsunwilligkeit unterstellt, argumentiert scheinheilig und vertuscht das eigentliche Problem der Mut- und Ideenlosigkeit vieler Redaktionen. Dieses Problem erkennt ja auch Herr Ippen, indem er einen besseren Journalismus fordert. Doch dieser bessere Journalismus kann sich nicht auf die gedruckte Zeitung beschränken, sondern muss medienübergreifend, also auch online gemacht werden. Denn langfristig säßen ebenfalls nur Mediziner und Juristen. +++ Man munkelt, Reinhart Ricker halte noch immer Vorlesungen. + + + Man munkelt, unsere Instituts- Kommentar kann die gedruckte Zeitung aufgrund sinkender Nachfrage nur überleben, wenn sie von tragfähigen OnlineGeschäftsmodellen querfinanziert wird. In diesem Zusammenhang ist erstaunlich, dass das Online-Geschäft viel zu lange als Nischenmarkt betrachtet wurde. Der Beruf des OnlineRedakteurs wurde in journalistischen Kreisen lange Zeit wenig geschätzt und Online-Nachrichten wurden als wenig seriöses Handlungsfeld abgetan. Tatsächlich waren die Nachrichten auf Zeitungswebsites häufig langweilige Agenturmeldungen oder 1:1-Kopien der Original-Artikel und ePaper „zum Mitnehmen“ waren unhandliche und unlesbare Mini-PDFs. Doch nicht nur die Formen der Nachrichtenpräsentation müssen sich ändern, damit sich Zeitungshäuser langfristig über Wasser halten können. Auch neue Nachrichteninhalte sind nötig. Hierfür scheint es elementar, dass die Nachrichtenmacher ihr Selbstverständnis hinterfragen. Klar ist, dass wir auch heute nicht auf Journalisten verzichten können: Sie geben Themen und Sachverhalten Öffentlichkeit, sie sagen uns, welche Ereignisse wichtig sind, sie überwachen und kommentieren unser politisches System und sie liefern uns 9 die gemeinsamen Themenvorräte, die zahllose Gespräche und Diskussionen erst ermöglichen. Mehr denn je müssen Journalisten aber, und auch hier stimme ich Herrn Ippen zu, ihre Informationsfunktion um eine Orientierungsfunktion ergänzen. Hier kann das gedruckte Blatt vom Internet lernen: Online findet, folgt man dem Kommunikationswissenschaftler Axel Bruns, ein Wandel vom Gatekeeping zum Gatewatching statt. Dieser Wandel impliziert, dass Journalisten ihren Nachrichten Mehrwert geben können, indem sie die im Internet verfügbaren Informationen zu einem Ereignis, Thema oder Sachverhalt zusammentragen, einordnen, bewerten und kommentieren. Sie sortieren damit den Strom an Informationen, der aus den (offenen) Schleusen entweicht, anstatt die Schleusen selbst zu kontrollieren. Hieraus eröffnen sich sowohl für Nachrichtenwebsites als auch für gedruckte Blätter neue Nachrichteninhalte. Zudem sollten Journalisten die „Rufe“ der Nutzer aus den Tiefen des Internets nicht ignorieren. Feedback an die Redaktionen, das früher vergleichsweise spärlich in Form von Leserbriefen eintraf, ergießt sich heute in nie dagewesener Menge in Form von Anschlusskommunikation auf den Nachrichtenwebsites und auf anderen öffentlichen oder teilöffentlichen Internet-Plattformen. Journalisten stehen dadurch vor der Aufgabe, nicht nur zu Leuchtturmwärtern, sondern auch zu Moderatoren zu werden. Moderatoren, die die vielfältigen Stimmen und Meinungen der Nutzer zu den wichtigen öffentlichen Themen zusammenfassen und ihnen eine Öffentlichkeit bieten. Aber auch Navigatoren, die sich in die online geführten Diskussionen der Nutzer einklinken, sie zu einem Ergebnis führen und somit einen echten Mehrwert bieten. Langfristig lässt sich damit sogar Geld verdienen, denn zufriedene Nutzer bleiben länger auf der Website und kehren häufiger zurück, was sich wiederum in bare (Werbe-)Münze umsetzen lässt. Dass Internetnutzer sich unter einem guten Journalisten immer häufiger einen (gleichberechtigten) Kommunikations- und Diskussionspartner vorstellen, zeigt nicht zuletzt eine Studie des Medien- und Kommunikationswissenschaftlers Christoph Neuberger. In einer an die Grundgesamtheit der ARD/ZDFOnlinestudie 2010 angelehnten Stichprobe stimmte nahezu die Hälfte der Befragten der Aussage zu, dass der Journalismus im Internet öffentliche Diskussionen anstoßen und moderieren sollte. Auch gedruckte Zeitungen könnten hierfür Impulse geben, auf die Weiterführung einer Diskussion im Internet verweisen oder Zusammenfassungen von Diskussionen in die Blätter integrieren. Dies erfordert jedoch auch, dass der Journalist ein mutiger Seemann ist, bereit, die unsicheren Gewässer der kritischen Nutzerkommentare zu befahren. Die gedruckte Zeitung muss somit nicht sterben. Die Voraussetzungen dafür sind jedoch, dass sich ein besserer Journalismus, wie ihn Herr Ippen fordert, nicht allein als Informationsvermittler, sondern als Moderator und Navigator in einer vernetzten Welt betrachtet. Vor allem darf sich ein solcher Journalismus nicht auf die Printausgaben beschränken, sondern muss sich größer, weiter und vor allem unabhängig vom Veröffentlichungsmedium definieren. Die Zeitung muss sich crossmedial als Informations-, Orientierungs- und Diskussionsmedium positionieren und ihre Stärken gegenüber Angeboten wie Google News, Facebook und Co betonen. Um in der Schifffahrtssprache zu bleiben: „Der Wind dreht“ und „Auf zu neuen Ufern!“ Bild: Rondinella gründerin hieße von 1979 bis 2000 Elisabeth Noelle-Neumann-Maier-Leibnitz. +++ Man munkelt, der Publizissimus sei das einzige seriöse Gratisblatt. Mainzer 10 rhein-zeitung Tod einer Tageszeitung Lokaljournalismus: Mainzer Rhein-Zeitung hat ihr Erscheinen nach über 26 Jahren eingestellt Von Elisabeth Neuhaus Die Abonnementzahlen der Mainzer Lokalausgabe der Rhein-Zeitung waren bis zuletzt leicht gestiegen, doch für eine Rettung in letzter Sekunde hatte auch das nicht mehr gereicht. Ihr Ende zeigt, dass selbst die Berichterstattung im Lokalen kein Garant für wirtschaftlichen Erfolg mehr ist. Bild: Neuhaus Die Nachricht vom Aus kam per Tweet. Am späten Nachmittag des 19. September ließ Christian Lindner, Chefredakteur der Rhein-Zeitung, über Twitter verlauten, dass die Mainzer Rhein-Zeitung (MRZ) zwar „beliebt, aber nicht rentabel“ sei und daher zum Jahresende eingestellt würde. Erst 45 Minuten zuvor hatte die Mainzer Redaktion vom Ende des Blattes erfahren. Gerüchte, die Koblenzer Rhein-Zeitung könne ihren jüngsten Zögling aufgeben, waren immer wieder kursiert, mit einem endgültigen Aus aber rechnete bis dato niemand. Fragen hatte es im Konferenzraum in der Emmeransstraße 27 an diesem Nachmittag kaum gegeben. Rückblick: Unerwartete Konkurrenz Als die MRZ am 14. Oktober 1987 zum ersten Mal erschien, war der Coup des Mittelrhein-Verlags perfekt. Gerade einmal zwölf Tage vor Startschuss machte man das Vorhaben öffentlich: In der Landeshauptstadt wollten die Koblenzer Medienmacher eine eigene Ausgabe der RheinZeitung etablieren. Deutschlandweit maßen Experten dem Unterfangen pressegeschichtliche Relevanz bei, schließlich wagte sich der Verlag mit der Mainzer Rhein-Zeitung in den Einflussbereich eines publizistischen Monopolisten, der Allgemeinen Zeitung Mainz (AZ), vor und brach damit einen Einzeitungskreis auf. Der Koblenzer Mittelrhein-Verlag verfügte über ausreichend technische und personelle Kapazitäten, um eine Neugründung zu schultern. Das zu diesem Zeitpunkt angeknackste Image der Mainzer Verlagsanstalt (MVA, heute Verlagsgruppe Rhein-Main), dem Verlag hinter der AZ, sollte die Markteinführung einer Rhein-Zeitung für Mainz zusätzlich begünstigten: Beim Verkauf des Darmstädter Tagblatts durch die MVA hatten zwei Zeitungsmanager erst kürzlich über zehn Millionen Mark veruntreut. Besonders angreifbar machte die AZ außerdem ein vergleichsweise magerer Lokalteil. Entsprechend bemühte sich der ehemalige Monopolist unter Wettbewerbsbedingungen, mit einer verbesserten Lokalberichterstattung aufzutrumpfen. Die Mainzer RheinZeitung dagegen war von Anfang an stark auf lokale Themen gepolt – und blieb es bis zum Schluss. 26 Jahre ohne schwarze Zahlen Wirtschaftlich rentabel ist die MRZ Presseberichten zufolge trotz zuletzt leicht steigender Abonnementzahlen nie gewesen. Warum? „Die Entscheidung für die Gründung der Mainzer Rhein-Zeitung war damals keine wirtschaftliche, sondern eine emotionale, eine psychologische“, erklärt Renate Brog, Geschäftsführerin und Redaktionsleiterin der Mainzer RZ-Redaktion. Gerade auf dem Anzeigenmarkt, so Brog, sei es der MRZ von Anfang an schwer gefallen, sich gegen die etablierte AZ durchzusetzen. Über teure Marketingmaßnahmen sei die Auflage stets nach oben getrieben worden: „Jedes neue Abo war hart und teuer erkämpft. Da hätte man früher die Reißleine ziehen müssen.“ Als die Abonnementzahlen bereinigt wurden, drückte das die Auflage wieder nach unten – auf einen Nettobetrag von zuletzt nicht einmal mehr 7000 verkauften Exemplaren. Für die RZ war die Mainzer Rhein-Zeitung damit stets ein hohes Zuschussge- +++ Man munkelt weiter, das könne man sich als Gratisblatt auch leisten. +++ Man munkelt, Reinhart Ricker streame aktuelle US-Serien auf seinem Mainzer rhein-zeitung schäft, unternehmerisch sei das auf Dauer nicht mehr zu tragen gewesen. Dass sich die Zeitung heute, nahezu drei Jahrzehnte nach ihrem Einstand, wieder von der lokaljournalistischen Bühne verabschieden musste, bedauern viele Leser und Abonnenten. Etliche Beileidsbekundungen hatten die Redaktion erreicht. Besonders schwer allerdings traf der Tod der MRZ ihre Mitarbeiter. „Eine fatale, traurige Entwicklung“ Renate Brog ist eine von ihnen. Über 25 Jahre war sie für die Rhein-Zeitung in verschiedenen Funktionen und Firmen tätig. Nach dem Studium der Publizistik, Amerikanistik und Anglistik in Mainz arbeitete sie als freie Mitarbeiterin für die RZ-Redaktion Neuwied. An ein festes Arbeitsverhältnis war wegen eines Einstellungsstopps bei der Rhein-Zeitung zunächst nicht zu denken. Plötzlich aber, man schrieb das Jahr 1989, wurden 20 Redakteursstellen frei. RZ-Journalisten von der lokalen Basis waren eingezogen worden – es ging um ein Projekt in der Landeshauptstadt. In den Lokalredaktionen des übrigen Verbreitungsgebiets mussten andere Redakteure nachrücken, was vielen freien Mitarbeitern, darunter auch Renate Brog, ein Volontariat ermöglichte. Erst im vergangenen Juni war Brog als Geschäftsführerin und Redaktionsleiterin zur Mainzer Rhein-Zeitung gekommen. Dass die Druckerpressen in etwas über einem halben Jahr still stehen würden, war im Juni noch nicht abzusehen gewesen. Heute ist Brog eine von 16 Mitarbeitern, die zum 1. Januar ihre Arbeit verloren haben „Mein Volontariat begann mit dem Start der Mainzer Rhein-Zeitung, jetzt mache ich sie dicht“, erklärt sie im November. „Das ist eine fatale und traurige Entwicklung. Man ist damit beschäftigt, die totgesagte Zeitung am Leben zu erhalten. Dieses lange 11 Sterben muss man als Mitarbeiter aushalten und verkraften. Trotz Professionalität fällt das schwer.“ Sparmaßnahmen in der Kritik „Für den Lokaljournalismus sind engmaschige, über lange Zeit gewachsene Kontaktnetze von enormer Bedeutung. Durch eine Zentralisierung der Zeitungsredaktionen und personelle Fluktuation brechen diese Kontaktstrukturen auf. Das Sparen in der Fläche rächt sich jetzt“, sagt Brog. Schwindende Abonnementzahlen seien auch das Ergebnis jahrelanger Streichungen im Personalbereich. Eine Anfrage des Publizissimus an RZ-Chefredakteur Christian Lindner blieb unbeantwortet. Von massivem Stellenabbau in den Redaktionen der Rhein-Zeitung berichtete der Spiegel schon 2003. Damals war von „Billigjournalismus“ die Rede, fest angestellte Redakteure wurden gegen junge, journalistisch ungelernte Angestellte ausgetauscht. Nach und nach seien die Lokalredaktionen unter der Führung des damaligen Verlagschefs Walterpeter Twer in autonome Tochtergesellschaften umgewandelt, Redakteurinnen und Redakteuren nicht mehr länger nach Tarif bezahlt worden, Jahressonderzahlungen und betriebliche Altersvorsorge seien ganz entfallen. An dieser Entscheidung sei damals nicht zu rütteln gewesen. Diskussionsbedarf schien es auch im Falle der Mainzer Rhein-Zeitung nicht gegeben zu haben. So entschieden sich die Gesellschafter letztlich gegen einen Plan B, gegen die MRZ und für ihre Einstellung. Zu Ungunsten der Leser, deren Meinungsbildung im kommunalpolitischen Diskurs nur noch mithilfe von einer lokalen Tageszeitung stattfinden kann. Und zum Leid der Belegschaft, die die Nachricht vom Aus ihrer Zeitung am 19. September so paralysierte, dass sie kaum Fragen stellte. Renate Brog, ehemals Redaktionsleiterin und Geschäftsführerin der MRZ. Unten: Titelseite der letzten MRZ-Ausgabe. Bilder: Neuhaus/Facebook Die Berichterstattung von AZ und MRZ in der Publizistikwissenschaft: In seiner Magisterarbeit von 1992 untersuchte Markus Schug (heute Mainz-Korrespondent bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung) über eine vergleichende Inhaltsanalyse die Berichterstattung der beiden Mainzer Konkurrenzblätter Allgemeine Zeitung und Mainzer Rhein-Zeitung von 1986 (AZ in Monopolstellung) bis 1992. Demnach habe die AZ nach dem Debüt der MRZ häufiger über Missstände und lokale Skandale berichtet, als das noch zu Monopolzeiten der Fall gewesen war. Auch Kritik wurde häufiger geäußert als zuvor. Beide Zeitungen versuchten damals, sich über eine Form von Journalismus zu profilieren, die von investigativem Eifer und einer kritischen Grundhaltung zeugen sollte. Bei rund ein Drittel aller Beiträge auf den Titelseiten von AZ und MRZ habe es sich Informationen gehandelt, die in der jeweils anderen Zeitung nicht thematisiert wurden. Schug schreibt, dass sich die Berichterstattung der AZ nach 1987 journalistisch verbessert habe. Insgesamt hätten sich die beiden Mainzer Tageszeitungen in qualitativer Hinsicht einander angenähert. iPad. +++ Man munkelt weiter, dass ihm das „Breaking Bad“-Finale durch den ominösen Spoiler-Artikel in der FAZ versaut wurde. +++ Man munkelt, Kommentar 12 Wenn Tante Emma grüßen lässt Ein Kommentar zur Mainzer Rhein-Zeitung von Elisabeth Neuhaus Die Mainzer Rhein-Zeitung erscheint nicht mehr. Das zeugt zum einen von einer Übermacht des Wieder-Monopolisten Allgemeine Zeitung. Zum anderen deutet es auf eine Tante-Emma Mentalität hin, die sich in den Köpfen der Leute eingeschlichen hat. Mit einer zweiten lokalen Tageszeitung in Mainz war es wie mit dem Lebensmittellädchen im Dorf. Einmal gefragt, hätte sich kein Mensch gegen den kleineren Laden auf dem Marktplatz aussprechen wollen. Das war auch gar nicht nötig, denn selbstverständlich war man froh und glücklich über eine gleichwertige Alternative vor Ort. Schlussendlich aber pilgerte die breite Masse dann doch zum Supermarkt im Gewerbegebiet, denn er hatte sich über viele Jahrzehnte hinweg durchsetzen und zusätzlich noch Kundschaft aus dem Umland anziehen können. Andere füllten ihren Einkaufswagen nur noch virtuell. Den Konkurrenzkampf konnte die Allgemeine Zeitung schließlich für sich entscheiden. Von Anfang an zu dominant war die Konkurrenz in Mainz, als dass sich eine kleinere zweite Tageszeitung auf ewig hätte behaupten können. Im Gegensatz zu etlichen anderen deutschen Städten und Regionen war die rheinlandpfälzische Landeshauptstadt aber immerhin 26 Jahre lang kein Einzeitungskreis. Jetzt ist sie es wieder und Mainz musste wegen des Wegfalls der MRZ einen Schritt zurückgehen. Das ist bedenklich, gerade auch aus kommunaldemokratischer Sicht. Im Mai 2014 finden in Rheinland-Pfalz Kommunalwahlen statt. Spätestens dann dürfte sich der Verlust zusätzlicher Standpunkte und Anschauungen bemerkbar machen. Gleichzeitig wur- de den Bürgerinnen und Bürgern ein zusätzliches Sprachrohr genommen. Mit zwei Zeitungen vor Ort hatten Interessenvertretungen eine viel größere Chance, mit ihren Anliegen und Kritiken in der Öffentlichkeit gehört zu werden. Jetzt sind viele trauernde Mainzer selbst Schuld an der publizistischen Misere in ihrer Stadt, weil die Existenz der MRZ für sie zur Selbstverständlichkeit geworden war. Es kann eben noch so schön und praktisch sein, das kleine Lädchen um die Ecke. Wen es trotzdem ins Gewerbegebiet zieht, der braucht sich nicht zu wundern, wenn Tante Emma das Handtuch wirft. Dass sich die Mainzer in Zukunft nur noch auf der Basis von einer lokalen Tageszeitung ein Bild vom Geschehen vor Ort machen und schließlich eine Meinung bilden können, dürfte bislang noch nicht allzu stark ins Gewicht gefallen sein. Viel schwerer dagegen wiegt schon jetzt die simple Tatsache, dass der Leser keine Wahl mehr hat. Lokalberichterstattung wird es in Mainz ab jetzt nur noch in einfacher Ausführung geben. User äußern sich auf Facebook über das Dahinscheiden der Mainzer RheinZeitung. Quelle: Facebook-Auftritt der MRZ. Gregor Daschmann gestikuliere in seinen Vorlesungen oftmals mit der sogenannten „Merkel-Raute“. +++ Man munkelt, auf Twitter gäbe es bereits den Westfälische 13 rundschau Zeitung ohne Journalisten: Die One-Man-Show Von Elisabeth Neuhaus Bild: Neuhaus Ein Jahr ist es her, dass die Redaktionen der Westfälischen Rundschau ihre Schotten dicht machen mussten. Trotzdem erscheint die Zeitung seither weiter wie gewohnt, mit Inhalten aus den übrigen Titeln des Verlags – und der Konkurrenz. Zum 1. Februar 2013 war die gesamte Belegschaft freigestellt. Die Essener Funke Mediengruppe, ehemals WAZ Mediengruppe, verkündete Mitte Januar 2013, dass sie die Redaktionen der Westfälischen Rundschau (WR) schließen würden. Betroffen waren damals, vor knapp einem Jahr, rund 120 Redakteure und 180 freie Mitarbeiter. Gegen die Entscheidung von oben gingen die Journalisten auf die Straße, Betriebsräte revoltierten, selbst die nordrhein-westfälische Medienministerin Angelica SchwallDüren und NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider meldeten sich zu Wort – vergebens. Bis zur Arbeitslosigkeit blieben den Mitarbeitern gerade einmal zwei Wochen. Quelle: Die lokale Konkurrenz Zwar schickten die Verlagsmanager die WR-Redaktion in den Zwangsruhestand, ihre Zeitung aber stampften sie nicht ein. Sie war trotz angeblicher Defizite in Millionenhöhe zum Weiterleben bestimmt. Nur eben ohne Journalisten. Seitdem stammen Texte und Fotos zum Teil aus anderen Zeitungen der Funke Mediengruppe, zum Teil wird von der lokalen Konkurrenz abgeschrieben. Paradox: Die Ruhr Nachrichten, bis zuletzt konservativer Erzfeind der SPD-nahen WR in Dortmund, versorgen dort den Lokalteil des Blattes mit Inhalt. Ein solches Modell gibt es in Deutschland kein zweites Mal. Was von der Westfälischen Rundschau geblieben ist, sind Name und Layout. Und ein Emporkömmling. nig wie möglich mitkriegen sollte. In einem Interview mit dem NDR (siehe QR-Code) verteidigt Chefredakteur Hinz die Westfälische Rundschau und das mutmaßliche Verschweigen von Informationen in den anderen FunkeTiteln: „Journalistisch ist das Ding völlig sauber.“ Einbrechende Auflage Verbreitungsgebiet sicherzustellen“. Wie das mit abgekupferter Berichterstattung und ohne Journalisten funktionieren soll, will der Verlag nicht verraten. Eine Interviewanfrage des Publizissimus hat der Verlag bis heute nicht beantwortet. Den Lesern jedenfalls scheint die „journalistisch saubere“ Ein-Mann-Zeitung nicht mehr zu gefallen. „Journalistisch sauberes Ding“ Malte Hinz, früher elitenkritischer Chef des Betriebsrats, seit 2009 WRChefredakteur, ist noch da. Er sorgt für die Abwicklung und dafür, dass die Schnipsel für die Zeitungs-Collage Westfälische Rundschau jeden Tag fein säuberlich zusammengestellt werden. Als „seelenloses RecyclingProdukt“ bezeichnen die Medien das Blatt seit der Schließung seiner Redaktionen. In den Titeln der Funke Mediengruppe erschien über das neue, scharf kritisierte Modell hinter der WR allerdings kaum eine Zeile. Die Verlagsspitze soll alle Redakteure dazu angehalten haben, nicht über den Aufstand der WR-Mitarbeiter zu berichten. Nicht zu viele Worte verlieren über die Veränderungen im Produktionsprozess der WR, von denen der Leser schließlich so we- Für die Zukunft der journalistenlosen WR verheißen die Zahlen der Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) nichts Gutes. Im zweiten Quartal 2013 betrug die verkaufte Auflage der Westfälischen Rundschau im südlichen Märkischen Kreis rund um Lüdenscheid* 6.484 Exemplare. Im ersten Quartal 2013 waren es noch 9743 Exemplare gewesen. Ein Minus von über 33 Prozent innerhalb weniger Monate. Vor allem Abonnenten waren der Rundschau davongelaufen. In den neuesten Daten der IVW (3. Quartal 2013) beläuft sich die Zahl der verkauften Exemplare nur noch auf 5.033. Währenddessen konnte der örtliche Wettbewerber seine Auflage steigern. Erklärtes Ziel der Funke Mediengruppe sei es, „die Medienvielfalt im * Der südliche Märkische Kreis in Nordrhein-Westfalen eignet sich besonders gut, um einen Auflagenrückgang zu verdeutlichen, denn hier ist die WR der einzige Titel der FunkeMediengruppe. QR-Code: Interview des NDR mit WRChefredakteur Malte Hinz. Hashtag #daschmannraute. +++ Man munkelt, Oliver Quiring wolle einen Protzbau für 40 Millionen Euro neben dem Mainzer Dom errichten lassen. Interview 14 „Das Internet ist kein Allheilmittel!“ Von Lorenz Harst Für die nächsten zwei Jahre ist Prof. Dr. Birgit Stark die Chefin des IfP. Was das für sie, uns und das Institut bedeutet, erzählte sie dem Publizissimus in einem Vier-Augen-Gespräch. Und weil wir schon mal da waren, haben wir sie auch gleich gefragt, wie sich die Zeitungskrise lösen ließe. Bild: Stark Letztes Jahr musste Herr Prof. Dr. Quiring die DGPuK-Tagung organisieren. Welche große Aufgabe müssen Sie anpacken? Stark: Es ist gar nicht so sehr die eine große neue Aufgabe. Vielmehr geht es für mich darum, das weiterzuführen, was schon in den letzten Jahren begonnen wurde. Hauptsächlich ist das der Generationenwechsel am IfP – es ist ja längst kein Geheimnis mehr, dass die Professuren von Wilke und Kepplinger noch immer vakant sind. Zudem kommen in absehbarer Zeit auch die Journalismus-Professuren und die MedienmanagementProfessur dazu. Für das Institut ist es wichtig, den Übergang möglichst nahtlos zu gestalten, sodass es für die Studierenden keine negativen Einflüsse zu spüren gibt. Und natürlich wollen wir an einem so renommierten Insti-tut die Lücken mit hoch qualifizierten Expertinnen oder Experten auf dem jeweiligen Gebiet schließen. Jenseits konkreter Aufgaben, welche Gestaltungsmöglichkeiten haben Sie all-gemein als Geschäftsführerin des IfP? Nun ja, ich bin nominell natürlich jetzt für zwei Jahre die Chefin. Aber das bedeutet eben nicht, dass ich unbegrenzte Gestaltungsmöglichkeiten habe. Es gibt immer vorgegebene Rahmenbedingungen, an die ich meine kreativen Ideen anpassen muss. Vor allem setzt das Budget Schranken, das ist schon ein entscheidender Faktor. Es gibt aber natürlich trotzdem kleine, ganz alltägliche Dinge, bei denen ich, wie jeder andere auch, meine eigenen Vorstellungen und meinen eigenen Stil habe. Zum Beispiel gilt das für die Mitarbeiterführung. Ändert sich etwas für uns Studenten? Nein. Hier am Institut verfahren wir alle nach der gleichen Prämisse: Wir möchten, dass das Studieren für jede und jeden möglichst angenehm ist – wir möchten, dass die Leute hier gerne studieren. Dazu gehört natürlich, möglichst viele spannende Inhalte zu vermitteln und auch die Brücke zwischen Forschung und Lehre zu schlagen. Gerade jetzt – in Zeiten des Medienwandels – muss es uns allen darum gehen, auch aktuelle For- schungsthemen wie bei-spielsweise die Zeitungskrise aufzugreifen. Jetzt sind Sie ja nicht nur Geschäftsführerin, sondern auch Mitglied des Komi-tees, das die Geburtstagsfeier des IfP vorbereitet. Können Sie unseren Lesern vielleicht schon mal einige Einblicke geben, was uns erwartet? Zunächst einmal hat Erich Lamp, quasi „das kollektive Gedächtnis“ des Instituts, uns darauf hingewiesen, dass wir das 40-jährige Jubiläum des Instituts erst 2005 gefeiert haben, deshalb haben wir uns entschieden, auch das fünfzigste korrekterweise in den Sommer 2015 zu verschieben. Außerdem wollen wir lieber ein Sommerfest feiern. Insgesamt wird es vor allem darum gehen, den Geburtstag unseres traditionsreichen Instituts auch adäquat zu bege-hen und natürlich wollen wir so viele ehemalige Mitglieder und Studierende miteinbeziehen wie möglich. Mal schauen, vielleicht wird es auch wieder ein paar musikalische Einlagen von Professorinnen oder Professoren sowie Mitarbeitern geben. Momentan stecken wir quasi noch in den Kindeschuhen mit der Planung, sammeln beispielsweise Fotos. Das sind immer sehr schöne Erinnerungsstücke – wie ich finde. Möchten Sie gerne ein kleines Zwischenfazit ziehen? Wie sieht nach einigen Wochen Ihr Arbeitspensum im Vergleich zu vorher aus? Wollen Sie eine ehrliche Antwort? (lacht) Es ist schon wesentlich mehr Arbeit. Viele Leute kommen mit ihren persönlichen Anliegen zu mir, die für sie oder ihn natürlich auch sehr wichtig sind. Noch dazu muss vieles einfach auch sehr schnell gehen. Ich merke, dass die Zeit, die ich normalerweise für Forschung zur Verfügung habe, weniger wird. Stichwort Forschung: Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Medienkonvergenz. Glauben Sie, dass das Konzept eine Chance birgt für Presseunternehmen, die Zeitungskrise zu überwinden? Allgemein würde ich sagen: ja. Es ist +++ Man munkelt, einfach weil er‘s kann. +++ Man munkelt, Richard Lemke antworte auf Mails aus Prinzip nicht. +++ Man munkelt, Bernd-Peter Interview aber nicht so, dass man allein durch medienkonvergente bzw. besser ausgedrückt crossmediale Anwendungen oder Dienste – quasi pauschal – alle Probleme aus der Welt schaffen kann. Vielmehr muss die konkrete Umsetzung immer wieder erneut überarbeitet und an aktuelle Gegebenheiten angepasst werden. Seit über fünf-zehn Jahren wird das Konzept in der Wissenschaft nun diskutiert, trotzdem hat sich kein einheitliches Begriffsverständnis durchgesetzt. Auch auf der Tagung hier in Mainz am 21. und 22. November zum Thema „Medienkonvergenz im Bundestagswahlkampf 2013“ musste ich das wieder feststellen. Das Thema wird überall sehr verschieden angegangen. Es ist eben nicht nur der Schritt ins Internet, der in diesem Zusammenhang diskutiert werden muss, sondern auch viele andere, vor allem inhaltliche Aspekte im Kontext des journalistischen Profils eines Medienunternehmens. Dabei wird gerade das Internet oft als Allheilmittel betrachtet. Sie sehen das anders? Auf jeden Fall. Wer solche Thesen aufstellt, enthält sich einer differenzierten Betrachtung, die aber in diesem Falle sehr wichtig ist. Es gibt nach wie vor Altersgruppen unter den Mediennutzern, für die das Internet eine geringere Rolle spielt. Beispielsweise tendieren mitt-lere Alterskohorten noch überwiegend zu einer komplementären Nutzung. Einfach einen Internetauftritt zu starten, wird also nie ausreichen. Vielmehr muss es jedem einzelnen Medium bzw. Anbieter darum gehen, für sich eine Nische zu finden, so wie das beispielsweise die Zeit als Wochenzeitung sehr gut hinbekommen hat. Deren qualitativ hochwertigen journalistischen Angebote haben explizit eine weitere Funktionszuweisung bekommen, dienen vermehrt der Ori- 15 entierung der Leser. Außerdem bedenken Sie bitte auch, dass das Internet ein ganz eigenes Nutzungsverhalten generiert: Es ist ein On-Demand-Medium und die Nutzer sind es mittlerweile gewohnt, jeder-zeit und überall nachlesen zu können, was wann wo passiert bzw. passiert ist. Das ist gegen-läufig zu traditionellen Formen der habitualisierten Mediennutzung. Außerdem muss man sich immer die Frage stellen: Wären diese Nutzer auch bereit für On-Demand-Angebote zu bezahlen? Das ist eine sehr schwierige Frage, wenn man an die weit verbreitete Gratismentalität denkt, die im Internet von Anfang an vorherrschte. Aktuelle Forschungsergebnisse dokumen-tieren nach wie vor, dass die Zahlungsbereitschaft für Onlinenachrichten eng begrenzt ist. Fakt ist, dass es für die Frankfurter Rundschau und die Financial Times Deutschland nicht mehr weiterging. Was haben also Ihrer Ansicht nach diese Anbieter falsch gemacht? Auch das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Oft liegt es daran, dass die etablierten Häuser feststellen müssen, dass ihre bisherigen Finanzierungsmodelle nicht mehr funktionieren. Nehmen Sie zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung. Vor zwanzig Jahren war der Stel-lenmarkt mal eine eigene Beilage, heute sind es maximal noch drei Seiten, den Rest findet man im Internet. Generell ist es für Verlage nicht einfach, sich den aktuellen Gegebenheiten anzupassen: Stichworte sind hier Schnelligkeit und Vielfältigkeit. Deshalb nochmal: Ich glau-be, es müssen sich auch die etablierten Verlage ihre eigene Nische suchen. Eine Nische für Qualität, wie sie beispielsweise die Zeit oder die Süddeutsche Zeitung liefern, wird es meiner Ansicht nach immer geben. Zudem stellt sich die Frage, ob es auf Dauer reichen wird, nur „Zeitungen“ zu produzieren. Viele Verlage haben sich längst zu stark diversifizierten Unter-nehmen mit anderen Erlösquellen entwickelt. In Mainz hat die Mainzer Rheinzeitung MRZ zum 31.12.2013 ihren Betrieb eingestellt. Was bedeutet das für das Meinungsklima in der Region? Obwohl man zunächst einschränkend sagen muss, dass ein lokaler Medienmarkt sich mit einem nationalen nicht eins zu eins vergleichen lässt, so gilt auch hier: Jede Zeitung hat ihre eigene redaktionelle Linie und in Mainz ist eine im Begriff einfach wegzufallen, d.h. es wird 2014 einen Player weniger geben. Es ist also eine Veränderung hin zum Negativen: weniger Vielfalt und eine einseitigere Themenbearbeitung drohen. chen warnen. Österreich, Schweiz und Deutschland sind zum Beispiel klassische Zeitungsländer. In den gängigen Typologien (beispielsweise nach Hallin und Mancini) werden diese Länder in ein Cluster eingeordnet. Unsere aktuellen Forschungsergebnisse zeigen allerdings sehr wohl Differenzen in Abhängigkeit unterschiedlicher Marktstrukturen. So ist beispielsweise der Schweizer Zei-tungsmarkt mit Gratiszeitungen überschwemmt worden, die vor allem boulevardisierendes Infotainment verbreiten und zu drastischen Veränderungen auf dem Werbe- und Lesermarkt geführt haben. Alles in allem: Wir müssen offen bleiben für Veränderungen, um den Wandel auch kritisch begleiten zu können. Denn nur präzise Vorstellungen von den Dynamiken des gegenwärtigen Medienwandels können helfen, adäquate Handlungsempfehlungen für die Praxis zu geben. Zum Schluss eine Frage an die Publizistikwissenschaft als Ganzes: Was kann die Wissenschaft zur Lösung der Zeitungskrise anbieten? Das ist die viel diskutierte Frage nach der praktischen Anwendbarkeit wissenschaftli-cher Forschungsergebnisse. Ich bin der Meinung, für uns ist es auch weiterhin zentral den Medienwandel analysierend zu begleiten und darzustellen – auch deshalb, weil es in der Me-dienpraxis ein Wissensdefizit bezüglich des veränderten Nutzerverhaltens gibt. Gerade was das Informationsverhalten angeht, hat es – nicht nur durch das Internet – langfristig gesehen tiefgreifende Veränderungen gegeben. Bisher haben wir noch kein Patentrezept liefern können. Trotzdem sollten wir weiterhin daran arbeiten, adäquate Geschäftsmodelle für den Internetbereich zu finden. Außerdem möchte ich vor pauschalen länderübergreifenden Marktverglei- Arnold sei ein guter Freund von Neil Postman gewesen. +++ Man munkelt außerdem, er habe kanadischen Radiomachern Ideen geklaut. +++ Man Journaille 16 Bild: Mertes Deutscher Journalismus in Afrika Von Peter Mertes Sie ist die einzige deutschsprachige Tageszeitung Afrikas und erscheint bereits seit 1916. Die Allgemeine Zeitung ist die älteste Zeitung Namibias, doch auch sie ist von der Zeitungskrise bedroht, wenngleich sich diese anders gestaltet als in Deutschland. Besonderen Wert legt man bei der Allgemeinen Zeitung in Namibia darauf, dass man nicht einfach eine deutsche Zeitung in Namibia ist, sondern eine namibische Zeitung, die in deutscher Sprache erscheint. Nichtsdestotrotz sind Ausrichtung und Zielgruppe der Zeitung klar zu erkennen: Sie richtet sich an die knapp 20.000 Menschen umfassende deutsche Bevölkerungsgruppe Namibias, entsprechend konservativ fällt die Berichterstattung aus. Sehr kritisch wird vor allem die Politik der regierenden SWAPO-Partei bewertet, die unter anderem versucht, jegliche Überreste deutscher Kultur, beispielsweise in Straßen- und Städtenamen, zu verdrängen. Dennoch sagte Eberhard Hofmann, heute stellvertretender Chefredakteur, in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau von 2009, dass die Zeitung sich nicht nur für eine Gruppe oder einen Sprachkreis einsetze, schließlich könne man die Gesellschaft nicht wie zu Zeiten der Apartheid unterteilen. Vielmehr setze man sich für Idee des sozialen Wohlstandes und der Stabilität des Landes ein. Vom Kriegsboten zur Allgemeinen Zeitung Seit 1991 gehört die Allgemeine Zeitung zum Medienkonzern „Democratic Media Holdings“, die noch zwei weitere namibische Zeitungen, darunter die „Namibian Sun“, die einzige Boulevardzeitung des Landes, besitzt und knapp 40 Prozent der gesamten Auflage des Landes verlegt. Bei der Gründung der Zeitung im Jahr 1916 hieß das Blatt noch „Der Kriegsbote“ und informierte in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika des Kaiserreichs über den Verlauf des Ersten Weltkrieges. Nach der Niederlage des Deutschen Reichs wurde sie 1919 auf den heutigen Namen umgetauft, im Untertitel hieß es aber weiterhin vielsagend, man trete für die Interessen des Deutschtums ein. Bis in die 70er Jahre wurden zeitweise noch Geburtstagsgrüße für Rudolf Heß, bis 1941 Stellvertreter Adolf Hitlers, abgedruckt. Mit Beginn der namibischen Unabhängigkeit von Südafrika im Jahr 1991 veränderte sich auch die Allgemeine Zeitung. Sie wurde politisch unabhängiger und schlug einen liberaleren, weltoffeneren Kurs ein, ohne dabei die Interessen der konservativen Stammleserschaft aus den Augen zu verlieren. „Aktuell, mittendrin, für Dich“ Auch beim Aufbau der Zeitung macht sich deren liberal-konservative Ausrichtung bemerkbar: Layout und Struktur ähneln sehr stark deutschen Regionalzeitungen. Wenngleich die Allgemeine Zeitung aus dem ganzen Land berichtet, entspricht die Größe ihrer Auflage eher der einer kleinen Lokalzeitung. Das liegt vor allem am eingegrenzten Leserkreis. Auch die Tradition, dass der Chefredakteur das Vorrecht hat, einen Kommentar zu einem aktuellen politischen Thema zu schreiben, wurde übernommen. Jeden Tag erscheinen in der Zeitung ein oder zwei Kommentare. Seit 2013 besitzt die Zeitung ein neues Design, der Slogan „Nachrichten von A bis Z auf gut Deutsch“ wurde durch „Aktuell, mittendrin, für Dich“ ersetzt. Politik, Wirtschaft, Werbung Inhaltlich hat die Allgemeine Zeitung einen sehr umfangreichen Politikteil, neben der Landespolitik spielt auch die internationale Politik eine große Rolle, deutsche Politik genießt dabei traditionell eine relativ große Aufmerksamkeit, auch über Landtagswahlen wird berichtet. Sogar Wintereinbrüche in Deutschland sind der Allgemeinen Zeitung in Namibia eine Meldung wert. Nicht nur in den Ressorts Politik und Wetter wird der deutsche Einfluss auf das Blatt deutlich, auch der Sportteil wird von Berichten über deutsche Bundesligavereine und europäische Vereinswettbewerbe bestimmt. In Ermangelung einer eigenen größeren munkelt weiter, er habe seine kanadischen Quellen nicht immer ordnungsgemäßg angegeben. +++ Man munkelt, Jogustine wolle die Weltherrschaft Journaille 17 Profiliga beschränkt sich der gesamte Sportteil auf zwei Seiten, die häufig noch mit Werbung aufgefüllt werden. Auch das Wirtschaftsressort umfasst in der Regel nicht mehr als zwei Seiten, meist handelt es sich dabei auch Geschäft mit der Zeitung kriselt auch in Namibia um Werbung, die die Unternehmen in der Zeitung schalten. Insgesamt spielen Anzeigen und Werbung eine nicht zu unterschätzende Rolle für die Zeitung: 75 Prozent der Einnahmen werden über Anzeigen generiert, es lassen sich nur wenige Seiten ohne Anzeigen ausmachen. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass Unternehmen Artikel sponsern, die folglich nur den Anschein eines journalistischen Artikels machen. In den Wochenendausgaben wird das Problem der Überfrachtung des Blattes mit Werbeanzeigen besonders deutlich, von den regulär 24 Extra-Seiten, die am Wochenende erscheinen, sind die Hälfte reine Werbeseiten, ähnlich den Werbeblättchen, die in deutschen Briefkasten landen. Die Zeitung kann sich jedoch nicht erlauben auf diese Einnahmen zu verzichten, da die Tageszeitung nur so effektiv finanziert werden kann. Gesicht. Zwar äußert sich auch in der Leserschaft der Zeitung in Namibia der demografische Wandel, da sie insbesondere von älteren, konservativeren Lesern genutzt wird und es gleichzeitig kaum jüngere Leute gibt, die die Zeitung lesen. Dies liegt jedoch nicht wie in Deutschland daran, dass die jüngere Generation verstärkt das Internet zur Information nutzt, sondern daran, dass es innerhalb der deutschen Gemeinschaft in Namibia kaum junge Menschen gibt, die im Land bleiben. Im Gegensatz zu Zeitungen in Deutschland ist die Allgemeine Zeitung für die deutsche Bevölkerung in Namibia nicht eine von vielen Informationsquellen, sondern oft die einzige, oder doch zumindest die zentrale Quelle, die sie nutzen können. Somit ist gesichert, dass die Zeitung noch einige Zeit weiter existieren wird. Die alte Weisheit, dass das Zeitungsabonnement erst mit Die Zeitungskrise macht auch vor der Allgemeinen Zeitung in Namibia nicht Halt, aber sie zeigt hier ein anderes dem Tod abbestellt wird, trifft hier häufig noch zu. Dennoch steht die Allgemeine Zeitung vor dem Problem, dass die Leserschaft langsam kleiner wird, wenngleich dieses Problem nicht so akut wie in Deutschland ist und es vor allem schwer ist, journalistischen Nachwuchs zu finden: Viele Bewerber scheitern bereits an der Sprachbarriere oder können Qualitätsansprüche nicht erfüllen. Viele Journalisten sind Quereinsteiger, zumal es in Namibia keine flächendeckende Journalistenausbildung in Form eines Studiums gibt. Ein anderes Problem für die Zeitung ist die Tatsache, dass sie nur schwer an Informationen gelangt, da viele Unternehmen und auch staatliche Stellen lieber schweigen als etwas mitzuteilen, dass ihnen negativ ausgelegt werden könnte. Deshalb ist man noch stärker als in Deutschland auf Agenturmeldungen von Reuters und der DPA angewiesen. Doch auch die Politik der namibischen Regierung, die eine Unterdrückung von deutscher Kultur und Sprache im öffentlichen Leben propagiert, stellt die Zeitung vor große Probleme. Zukunft erst einmal sicher Dennoch darf man die Zukunft der Zeitung nicht nur negativ sehen. Durch die Zugehörigkeit zu einem großen nationalen Medienkonzern und ihren großen Anzeigenteil dürfte die Finanzierung zumindest für die nähere Zukunft gesichert sein. Außerdem bietet sie journalistische Inhalte auch im Internet an – ein Trend, der auch in der deutschen Medienlandschaft als Mittel im Kampf gegen die Zeitungskrise genutzt wird. Und zu guter Letzt bleibt die Leserschaft trotz demografischen Wandels relativ konstant, da sich die Zeitung nicht ausschließlich an die deutsche Bevölkerung in Namibia richtet, sondern auch, so heißt es jedenfalls auf der Internetseite der Zeitung, an „Ex-Namibier und Freunde dieses Landes“, insbesondere in Deutschland. QR-Code: Internetauftritt Namibia Allgemeine Zeitung Namibia Allgemeine Zeitung in Zahlen: Auflage: 5000-6000 Erscheint: Montag-Freitag Umfang: 12 Seiten Sonderausgaben: bis zu 50 Seiten Chefredakteur: Stefan Fischer (seit 2004) Stellvertretender Chefredakteur: Eberhard Hofmann Anzahl Mitarbeiter: neun Redakteure und Fotografen (inkl. 2 Volontären), 3 freie Mitarbeiter, 1 SüdafrikaKorrespondenten an sich reißen. +++ Man munkelt, Bernd-Peter Arnold habe einst im Radio eine Nachrichtensendung für Kinder moderiert. +++ Man munkelt weiter, Ehemalige 18 des ifp „Du musst hier weg“ Von Giuseppe Rondinella Bild: Heil Oliver Heil studierte Publizistik am IfP und war lange Zeit Redakteur bei der Frankfurter Rundschau. Dann nahm er Abschied vom Journalismus. Wie zahlreiche Kollegen vor ihm suchte er berufliche Sicherheit und fand sie in der PR-Branche. Der Publizissimus hat ihn an seinem neuen Arbeitsplatz in Frankfurt besucht. Auf den ersten Blick könnte man vermuten, Oliver Heil befinde sich in einer ganz normalen Zeitungsredaktion. Nach Betreten der Eingangstür gelangt man in einen großen, offenen und hellen Raum mit weiten Fenstern und vielen Schreibtischen. Neben den PC-Bildschirmen stapeln sich auf den Schreibtischen diverse Print-Publikationen und bunte Schmierzettel. Skizzen liegen überall verteilt auf den Tischen. Es herrscht ein geordnetes Chaos. Die Mitarbeiter hauen pausenlos in ihre Tastaturen und stehen ab und zu auf, um sich Kaffee-Nachschub aus der Büroküche zu holen. Zwischendurch ein kurzer Small-Talk. Doch der Schein trügt. Oliver Heil arbeitet nicht in einer Zeitungsredaktion, sondern in einer PR-Agentur als Volontär. Doch das war nicht immer so. Heil ist ein klassischer Wechsler. Wie viele andere Journalisten vor ihm, hat auch er die Flucht vor der Printkrise ergriffen und ein sicheres Zuhause in der PR-Branche gesucht – mit Erfolg. Der 32-Jährige arbeitet nun in Vollzeit als PR-Volontär bei der Agentur „Mainblick“ im Frankfurter Stadtteil Bornheim. Das Unternehmen, dass sich auf „Business to Business“-Kommunikation spezialisiert hat, ist zehn Jahre jung und mit sieben Angestellten relativ klein. Für Heil hat das Vorteile: „Im kleinen Kreis lerne ich sehr viel und schnell.“ Nach dem Volontariat wird er übernommen, das habe man ihm bereits zugesagt. Dazu ein gesichertes Einkommen und ein stabiles Arbeitsumfeld. Alles Sicherheiten, die er im Journalismus nie gehabt hätte, sagt er. Rückblick: Nach seinem Abitur im Jahr 2001 und dem darauffolgendem Zivildienst, entschloss sich der aus dem Kreis Groß-Gerau stammende Heil für ein Publizistikstudium. Jedoch zunächst in München, nicht in Mainz. Sein Notendurchschnitt war um 0,1 Notenpunkte zu schlecht. Nach einem Überbrückungssemester an der Münchener LMU, schrieb er sich in Mainz ein. Seine Motivation: „Ich wollte wissen, wie über Kommunikation die Gesellschaft funktioniert.“ Während seines Publizistikstudiums in Mainz verdiente er sich nebenbei seine Brötchen im Journalismus dazu. Denn er hatte ein klares Berufsziel: Journalist werden. Er schrieb neben dem Studium für das Darmstädter Echo, das Journal Frankfurt, den Freitags-Anzeiger und die Frankfurter Rundschau, bei letzterem auch in der Onlineredaktion. Die vielen Nebentätigkeiten seien auch der Grund gewesen, weshalb er insgesamt 16 Semester für den Abschluss in Mainz brauchte. Auch mit der Magisterarbeit habe er sich verzettelt, sagt er. „Ich hatte mir zu viel vorgenommen.“ Nach einem Praktikum in der Redaktion „Wissen und Bildung“ der Frankfurter Rundschau und der bestandenen Magisterprüfung im Frühjahr 2011, versuchte Heil den Sprung in die Arbeitswelt – und musste Rückschläge einstecken. Bewerbungen für journalistische Volontariate wurden abgelehnt. Erklären konnte er sich das nicht, immerhin hatte er ja Erfahrung gehabt. Volontariats-Angebote außerhalb des Rhein-Main-Gebiets kamen für ihn nicht infrage. „Ich verlasse meine gewohnte Umgebung ungern. Das Angebot von außerhalb hätte extrem gut sein müssen.“ Doch dieses Angebot kam nie. Und so blieb Oliver Heil bei der Frankfurter Rundschau – nun als sogenannter fester Freier. Das Arbeitsumfeld war gut, die Kollegen nett. Er suchte sich Vorbilder und konnte von ihnen lernen. Im November 2012 meldete die Rundschau schließlich Insolvenz an. Turbulente Zeiten brachen an. Die Zeitungskrise kam ins Rollen. Schließlich erhielt er ein Angebot, dass er nicht ablehnen konnte – aber nicht von einer Zeitung. Ein Interview mit Oliver Heil auf der nachfolgenden Seite. diese Sendung sei hauptsächlich von Erwachsenen gehört worden. +++ Man munkelt, Thomas Roessing sei Experte für Flugzeuge und Züge. +++ Man Ehemalige des ifp Herr Heil wie haben Sie sich gefühlt, als die Frankfurter Rundschau im November 2012 Insolvenz anmeldete? Heil: Es war ein extremer Schock für mich. Ich hatte ja immerhin an einer Karriere bei der FR gearbeitet. Durch meine Arbeit in verschiedenen Ressorts der FR hatte ich eigentlich gehofft, dass ein Volontariat und eine Anstellung als Redakteur mein vorgezeichneter Weg sein werde. Einen Schock hatte ich aber schon einmal erlitten, als ich 2011 erfuhr, dass die FR eine Redaktionsgemeinschaft mit der Berliner Zeitung gründete. Die Zahl der jährlich zu vergebenen Volontärsstellen reduzierte sich mit diesem Schritt um rund zwei Drittel. Meine Chancen für ein Volontariat sanken – und mit der Zeit auch meine Hoffnung. War der Journalismus damals Ihr Traumberuf? Absolut. Als ich mit dem Studium fertig war, kannte ich eigentlich nur eine Reihenfolge für meine Berufswahl: Journalismus und erst an zweiter Stelle PR. Das änderte sich aber mit der Printkrise. Ich habe das Vertrauen in den Journalismus als Berufsfeld Schritt für Schritt verloren. Ich habe schlichtweg keine Entwicklungsmöglichkeiten für mich gesehen. Deshalb dachte ich mir: „Du musst hier weg“. Dann haben Sie sich für die PRBranche entschieden? Ja. Parallel zu meinen Tätigkeiten als Journalist ist in mir die Frage gereift: „Was machst du, wenn das hier nicht klappt?“ Ich hatte mich folglich schon vorher mental darauf eingestellt, dass ich meinen Weg in der PR-Branche gehen werde, wenn es im Journalismus nicht klappt. Und das habe ich dann auch gemacht. In Ihrer Magisterarbeit haben Sie aber noch ein sehr düsteres Bild von PR gezeichnet. Sie hatten untersucht, wie in Jugosla- - 19 interview wien durch Public Relations gezielt Frames eingesetzt werden. Ihre Arbeit heißt „Die Erfindung des serbischen Monsters“. Nach meiner Magisterarbeit hatte ich tatsächlich ein sehr negatives Image von PR (lacht). Aber meine Einstellung hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Ich habe unter anderem angefangen für eine Jack-Daniels-Lifestyle-Homepage zu arbeiten. Dort habe ich beispielsweise Porträts und Reportagen geschrieben und erfahren, dass ich meine journalistischen Fähigkeiten auch in der PR gezielt einsetzen kann. Die moralische Frage, ob du als Journalist PR machst oder nicht, stellte sich an dieser Stelle nicht, weil man ja schließlich auch Geld verdienen wollte. Wie kam dann der Kontakt zu Ihrem jetzigen Arbeitgeber zustande? Das war Zufall. Mein Kollege hier in der Agentur war früher ebenfalls Journalist bei der Frankfurter Rundschau – und zwar in der Lokalredaktion in Offenbach, genau wie ich damals. Dann hat die Agentur einen PR-Volontär gesucht und in Offenbach bei der FR angefragt, ob es dort nicht jemanden gäbe, der daran Interesse hätte. Meine Redaktionsleiterin hat mir daraufhin den Kontakt geknüpft. Ich musste mich also nicht einmal großartig bewerben. Wie war für Sie der Wechsel von Journalismus zu PR? Es war wie ein Befreiungsschlag für mich! Als ich hörte, was hier in der Agentur getan wird, war ich positiv überrascht. Vieles, das ich aus meinem Publizistikstudium gelernt hatte, konnte ich hier nun konkret anwenden. Ich hatte mich nämlich schon immer sehr für Persuasionsforschung, Meinungsforschung oder Rezeptionsforschung interessiert. Die entsprechenden Kurse hatte ich an der Uni immer sehr gerne belegt. Insofern war ich wirklich glücklich, dass mir diese Chance gegeben wurde, auch weil ich der Meinung bin, dass die PR einige Vorteile gegenüber dem Journalismus hat. selber strukturiere. Aber genau deshalb ist die Arbeit umso spannender. Außerdem trägt es zur persönlichen Entwicklung bei. Wie meinen Sie das? Das Schlagwort ist „strategisches Arbeiten“. Bei einer Zeitung bist du als Redakteur ohne Leitungsfunktion damit beschäftigt Seiten zu füllen. Mit Strategie hat das wenig zu tun. In der PR ist genau dies aber das Kerngeschäft. Es geht nämlich darum zu überlegen, wie man den Kunden richtig positioniert, wie man ihn darstellt und wie man mit ihm zusammen ein Konzept entwickelt. Das ist manchmal ein langer, aber strukturierter Prozess, der sehr spannend sein kann. Wenn ich beispielsweise einen Artikel für einen Kunden schreibe, kommt dieser häufig mit Anmerkungen wieder zurück zu mir. Ich schreibe ihn dann um und schicke ihn wieder zurück an den Kunden. Anders als im Journalismus, verbringt man in der PR also viel mehr Zeit mit der gegenseitigen Abstimmung als mit der Recherche und dem Schreiben. Lesen Sie eigentlich privat noch Tageszeitungen? Nein. Nur die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Die habe ich sogar abonniert. Wie sehen Ihre Aufgaben als PR-Volontär eigentlich konkret aus? Da wir viele Printerzeugnisse herausgeben, wie beispielsweise Kundenmagazine, schreibe ich sehr viel. Da kommt mir meine journalistische Vergangenheit natürlich zugute, weil ich dabei die verschiedenen journalistischen Stilmittel anwenden muss. Dazu kommen Aufgaben wie Pressemitteilungen verfassen, Konzepte für unsere Kunden erstellen oder Journalisten-Kontakte pflegen. Eben die typische PR-Arbeit. Während meines Volos lerne ich dabei hauptsächlich „on the job“ und so ziemlich alles gleichzeitig. Das Volo ist viel weniger strukturiert als bei einer Zeitung, weil wir ja keine Ressorts oder Abteilungen haben. Das ist eine große Herausforderung für mich, weil ich mir die Ausbildung zum Teil Mehr nicht? Ich habe noch den „Journalist“ und die „Titanic“ als Abo. Und die „Geo“ sowie „Psychologie heute“ kaufe ich regelmäßig am Kiosk. Aber das sind ja keine tagesaktuellen Medien. Das, was mich tagesaktuell interessiert, also vor allem Sport und Lokales, lese ich kostenlos online. Lesen Sie noch die Frankfurter Rundschau? Nein. Ich hatte sie mal abonniert, lese sie heute aber nicht mehr. Das heißt nicht, dass ich die Zeitung nicht wertschätze. Im Gegenteil: Ich war schon immer jemand, der bei einem Printprodukt viel Wert auf das Optische gelegt hat, und das Layout der FR fand ich schon immer sehr gelungen. Wie müssen sich Ihrer Ansicht nach Zeitungen verändern, um zukunftsfähig sein zu können? Zuerst möchte ich sagen: Die Tageszeitung hat auf jeden Fall eine Zukunft, nur nicht in dieser Form, wie sie heute existiert. Die Tageszeitung muss meiner Ansicht nach vor allem Kanäle bilden. Wenn ich mich beispielsweise für Frankfurt und Kultur interessiere, brauche ich nur diese beiden Kanäle. Der Rest interessiert mich nicht. Die Zeitungen von heute versuchen aber noch immer ein Gesamtpaket zu verkaufen, das die wenigsten Leser wirklich brauchen. Dafür gibt es das Internet. Wie diese Kanalisierung von Informationen dann stattfindet, ist zweitranging, sei es auf Papier, Tablet oder Ähnlichem. munkelt, er habe eine Vorliebe für die Farbe gelb. +++ Man munkelt weiter, Thomas Roessing benutze für seine Einführungsvorlesung immer wieder Medien 20 in den medien Berliner Blog-Monster tyrannisiert BILD! Bild: Pontius Von Miriam Pontius Seit zehn Jahren existiert im Internet eine Institution, die Schlagzeilen wie dieser auf den Grund geht. BILDblog.de informiert tagtäglich zehntausende interessierte Bürger über die Unzulänglichkeiten der deutschen Massenmedien. Ein Watchblog, entstanden aus einer traurigen Notwendigkeit. Über den Begriff der Wahrheit kann man sich streiten. Die volle Wahrheit kann aus jeder Perspektive ein wenig anders aussehen. Es gibt allerdings Fakten, Zahlen und Umstände, die sich mit Sicherheit belegen lassen. Und ein Ereignis, das sich niemals zugetragen hat, ist in jedem Fall unweigerlich eine Lüge. Im Juni 2004 haben es sich zwei Berliner Journalisten zur Aufgabe gemacht, diese großen und kleinen Unwahrheiten aufzudecken. Aus Wut über die ständigen Fehler und Presserechtsverletzungen der BILD-Zeitung gründeten Stefan Niggemeier und Christoph Schultheis den BILDblog. Das Ziel des Watchblogs, niedergeschrieben auf der Website selbst: „aufzeigen, was im Medienbetrieb falsch läuft“. Täglich durchforsten sie dafür BILD, BILD am Sonntag und BILD. de und recherchieren nach, wenn ihnen eine Schlagzeile zu reißerisch, eine Meldung zu unglaublich erscheint. Axel-Springer im Rücken „Ich finde es immer noch verblüffend, wie einfach und revolutionär das ist, dass wir uns hingesetzt haben und gesagt haben: Wir schreiben das jetzt mal auf!“, sagte Stefan Niggemeier 2007 in einem Interview mit der Website Elektrischer Reporter. Und aufzuschreiben gibt es einiges: Im dritten Jahr nach seiner Gründung arbeitet Niggemeier halbtags, Schultheis sogar Vollzeit am BILDblog. Finanziert werden sie dabei durch Spenden, die auf Nachfrage der Leser eingerichtet wurden, T-Shirt-Verkäufe, Flattr, einem Mikro-Spendendienst, und durch Werbung, die auf BILDblog. de geschaltet werden kann. Dies habe sich allerdings als schwierig gestaltet, da Unternehmen Blogs noch nicht als Werbeplattform entdeckt hätten. Außerdem würden es sich viele potenzielle Werbepartner nicht mit dem Axel-Springer-Verlag verscherzen wollen. Eine Problematik, mit der BILDblog bislang einige Male zu kämpfen hatte: Bereits 2008 will der Axel-Springer-Verlag erwirken, dass BILDblog.de keine weiteren Eingaben mehr an den Presserat richten kann. Bei diesen Eingaben handelt es sich um Beschwerden gegen veröffentlichte Artikel, die nach Meinung des Einsenders gegen den Pressekodex verstoßen. Im April 2010 mahnte der Axel-Springer-Verlag BILDblog.de ab, da er fälschlicherweise behauptete, dass „Welt Online“ eine Presserüge nicht veröffentlicht habe. Die treue BILDblog-Leserschaft spendete daraufhin über 17.000 €, um die Anwaltskosten zu finanzieren. Wächter und Richter über alle Medien Der BILDblog lebt von der regen Beteiligung seiner Leser. Wer eine Meldung entdeckt, die ihm unrealistisch erscheint, der kann einen „sachdienlichen Hinweis“ an die Redaktion schicken, die dann in den Originalquellen nachforscht, mit Experten spricht und die Geschichte, mit subtilen bis offensichtlich ironischen Kommentaren gespickt, veröffentlicht. Im Mai 2009 wird der „BILDblog“, für den seine Gründer nie einen echten Businessplan ausgetüftelt hatten, zum „BILDblog für alle“. Seitdem befasst sich der Blog nicht mehr nur mit der BILD, sondern mit der gesamten deutschen Medienlandschaft. Einen weiteren Umbruch gab es 2010 in der Chefetage der Website. Stefan Niggemeier verließ das Boot und übergab das Steuer an Lukas Heinser, der zuvor schon über zwei Jahre als BILDblogger ge- arbeitet hatte und seitem das kleine Journalisten-Team anleitet. In einem Interview mit DWDL.de erklärte Niggemeier, dass er schon eine Weile nicht mehr so stark ins Tagesgeschäft des BILDblogs eingebunden werden wollte. „Ich hatte aber auch den dringenden Wunsch, dass BILDblog weitergeht und dem Projekt nicht die Puste ausgeht, wenn mir mal die Puste ausgeht.“ Heute wissen wir, dass diese Sorge unbegründet war: 40 000 Leser erreichte der Watchblog im Jahr 2011 täglich. BILD bleibt BILD – trotz Blog Auch wenn der BILDblog die Medien an sich nicht ändern kann und auch die BILD seit 2004 nicht vertrauenswürdiger geworden ist, Stefan Niggemeier sieht die Wirkung des Blogs optimistisch: „Manch einer betrachtet die Medien jetzt mit wachsameren Augen.“ Und es ist ja schließlich die Aufgabe des Lesers, kritisch zu bewerten, was ihm vorgesetzt wird. Geschichten zu erzählen, ist kein Verbrechen und die Wahrheit hat viele Gesichter. Aber man muss ja nicht alles glauben, was in der Zeitung steht. gerne Pornos als Medienbeispiele. +++ Man munkelt, laut Thomas Roessing habe man als Wissenschaftler oft mit LSD zu tun. +++ Man munkelt, Reisebericht 21 Bild:: Rondinella Plötzlich im Fernsehen Von Lorenz Harst und Giuseppe Rondinella Der Publizissimus auf Außenmission: Wir haben die altehrwürdigen Gebäude der BBC in London für euch besichtig. Ein Reisebericht. Eigentlich wollten wir ja Urlaub machen in London. Dann sind wir irgendwie doch im Fernsehen gelandet. Vor uns steht die Kamera, daneben läuft ein Teleprompter, in meiner Hand die Moderationskarten mit aktuellen Nachrichten. Die Queen besucht die BBC, in Australien ist der Strand mit Schaum bedeckt und dann ist es auch schon Zeit für das Wetter. Danach gibt es Glückwünsche von Becky und Simon für unseren überzeugenden Auftritt. Die beiden sind keine echten Redakteure und es war auch keine echte Nachrichtensendung, sondern Teil einer Führung durch das Sendezentrum der BBC in der Londoner Innenstadt. Als waschechte Publizistikstudenten wollten wir uns diesen Ausflug während eines London-Urlaubs nicht entgehen lassen. Immerhin ist die BBC die weltweit größte öffentlichrechtliche Rundfunkanstalt und damit seit Jahren das erklärte Vorbild von ARD und ZDF. line und gegen Kreditkartennummer, nicht aber einfach an der Rezeption. Ob man dann wirklich eine bekommen hat, weiß man auch nicht so genau, das erfährt man erst, nachdem man von zwei einschüchternden Türstehern eingehend gefilzt und auf einer Liste abgehakt wurde. Die Sicherheitsüberprüfung erweckt den Anschein, es ginge zu den Kronjuwelen des Königshauses, jedoch steht man dann doch „nur“ von der größten Nachrichtenredaktion Europas. Dieser Anblick ist aber nicht minder beeindruckend: Auf einer Fläche so groß wie zwei Tennisplätze sammeln hunderte Redakteure jeden Tag Nachrichten aus aller Welt für TV und Radio. Das BBC-Wetter kommt übrigens auch aus diesem Raum, der außerdem während der Live-Nachrichten immer im Hintergrund zu sehen ist. Kein Wunder, dass es hier einen Dresscode für Redakteure gibt – lumpige Kleidung ist nicht gerne gesehen, genauso wenig wie Essen am Arbeitsplatz. Königlicher Journalistentempel Eine Führung zu ergattern, ist allerdings gar nicht so leicht, wie man meinen sollte. Karten gibt es nur on- Bitte nicht zu kurz und ja nicht ohne Schlips Immerhin stehen die Redakteure der BBC in einer großen Tradition: John Reith, der die BBC 1922 gründete, galt als sehr strenger Chef. Frauen in zu kurzen Röcken und Männer ohne Schlips schickte er gerne mal nach Hause – daraus entstand die auch heute noch geltende Kleiderordnung. Auch während des zweiten Weltkrieges behielt Reith seinen strengen Führungsstil bei. Frauen durften nicht mit Männern zusammen in den Gemeinschaftsräumen der BBC gegen die deutschen Bomben Schutz suchen. Überlieft ist auch folgende Geschichte: Ein Radiomoderator brachte seine Sendung 1944 während eines deutschen Luftangriffs von einem Bombeneinschlag wenige Meter von seinem Studio entfernt ungerührt zu Ende. le regelmäßig Popkonzerte bekannter Künstler statt. Eine gute Chance übrigens, unter anderem Robbie Williams kostenlos und in ganz intimer Atmosphäre live zu erleben. Seit 1967 sendet außerdem BBC Radio 4 die immer noch sehr beliebten Radio-Hörspiele. Wie die Produktion funktioniert, durften wir bei der Sendung selbst erleben. In einer praktischen Übung zum Abschluss der Führung haben wir ein Gruselhörspiel selbst eingespielt – mit eigenen Texten und selbst erzeugten Geräuschen. Nachdem wir dann aber unser Machwerk zum ersten Mal angehört haben, wird uns klar: Radio ist nichts für uns. Dann doch lieber die klassischen BBCFernsehnachrichten moderieren. Neben Information auch Unterhaltung Aber die BBC definiert sich eben nicht nur über ihre Nachrichten. Ganz in der Tradition von Sir Henry Wood, der 1895 die Night of the Proms-Konzerte in London begründete, die bis heute von der BBC übertragen werden, finden in einer BBC-eigenen Konzerthal- Gregor Daschmann wolle nicht mehr „Daschie“ genannt werden, sondern „Daschmeister“. +++ Man munkelt, der Künstlername Reinhart Rickers sei Praktikumsbericht 22 Bilder: Reifenberger Praktikum? In London! Von Jakob Reifenberger 13 Zentimeter über dem Boden schwebend führte Jakob Reifenberger in London ein Übermenschendasein sowie Regenschirme. Mit der Fächerkombination aus Publizistik im Haupt- und British Studies im Nebenfach drängt es einen natürlich nach Großbritannien; den Ort, der die wohl schönsten Akzente einer Weltsprache mit einer faszinierenden Presse- und Medienlandschaft verbindet. Will man im Rahmen des Studiums dorthin, stößt man jedoch auf das ein oder andere Problem. Das Mainzer IfP hat zwar zahlreiche Partnerinstitute in ganz Europa, nicht jedoch auf den britischen Inseln. Versucht man über das Beifach einen der begehrten ERASMUS-Plätze zu bekommen, muss man feststellen, dass diese den Hauptfächlern vorbehalten sind. Damit bleibt noch die Möglichkeit, sich direkt an einer Uni im Vereinigten Königreich zu bewerben, was auf Grund der hohen Studiengebühren ohne Förderprogramm finanziell kaum möglich ist, ober eben, nach einem Praktikumsplatz im Ausland zu suchen. Praktikum? Da war doch was. Spätestens seit der Einführungswoche im ersten Semester weiß man als mittelmäßig aufmerksame/r Student/ in der Publizistikwissenschaft, dass im gewählten Fach ebenso wie auf die theoretische Bildung Wert auf Praxiserfahrung gelegt wird. Gemeint sind die im Drohjargon der Studienordnung „Pflichtpraktika“ genannten, jeweils sechswöchigen Phasen, in denen man in der vorlesungsfreien Zeit, mitunter parallel zu mehreren Hausarbeiten, Einblicke in ortsansässige Medienhäuser (z.B. „Château Lerchenberg“, Prof. Ricker lässt grüßen) oder PR-Unternehmen erhält. Um es kurz zu machen: sechs Wochen Journalismus, sechs Wochen PR, Punkt. Man munkelt jedoch in Kommilitonenkreisen, dass das mit den Praktika gar nicht so eng gesehen werde und man sich beispielsweise ehrenamtliche Arbeit anrechnen lassen könne. Da ich mich tatsächlich unter anderem um die Öffentlichkeitsarbeit einer Jugendgruppe kümmere, was lächerlich klingen mag, aber ziemlich viel Arbeit ist, hatte ich Glück: Stempel auf der Bescheinigung, Zeit für Semesterferien im Ausland! Über die Homepage der Uni Mainz war ich auf eine Organisation mit dem Namen UK-German Connection gestoßen, die sich für den deutsch-britischen Jugendaustausch einsetzt, also quasi die perfekte Mischung aus meinem Hobby Jugendarbeit und der Begeisterung für englische Sprache und Kultur! Nach schriftlicher Bewerbung und einem „telephone interview“ bekam ich die ersehnte E-Mail: Praktikum von Mitte September bis Mitte Oktober im Diplomatenviertel Londons am Belgrave Square, wenige Minuten bis zum Hyde Park. Die Wohnungssuche verlief dank einer „accommodation list“ meines Arbeitgebers besser als gedacht, ärgerlich war der Kauf des U-Bahn-Tickets: Studentenrabatt gibt es für die praktischen Oyster Cards nur nach Voranmeldung (inkl. Passfoto etc.), was man daher noch von zu Hause aus regeln sollte. Ansonsten kann ich mein Praktikum bei UK-German Connection in London jedoch nur empfehlen. Zentrale Lage, wunderbar nette Kolleginnen und Kollegen, Bürozeiten, die extra darauf angelegt sind, den Praktikanten Zeit zur Stadterkundung zu geben (man arbeitet nur dienstags bis freitags, 10-16h!) und wirklich sinnvolle Aufgaben, wie das Übersetzen von Texten, das Schreiben eigener Inhalte für die Website oder die Verwaltung ebendieser. Bevor ich mit Nachfragen überhäuft werde, sei gesagt, dass man dafür leider keine Bezahlung erhält und London sehr teuer ist. Wenn man allerdings vorher ein bisschen spart, ist so ein Praktikum genau das Richtige für all diejenigen, die nicht wissen, ob sie wirklich ein ganzes Semester ins Ausland gehen sollen. Oder eben für alle, die nach Großbritannien möchten, aber kaum Chancen auf einen Studienplatz haben. Zum Schluss noch ein Aufruf an alle Männer in meinem Studiengang: Traut euch! Bewerbt euch! Die Kombination aus dem flüssigen Beherrschen einer Fremdsprache und dem Arbeitsbereich „europäischer Jugendaustausch“ scheint zwar hauptsächlich weibliche Bewerberinnen anzulocken (ich war fast der einzige männliche Praktikant in den letzten zwei Jahren), aber die Atmosphäre in einem Büro, in dem fast ausschließlich Frauen arbeiten, sollte man mal erlebt haben! „Ricky“. +++ Man munkelt, der gemeine Publizist baue gerne Schneemänner in der Nähe der Muschel. +++ Man munkelt, Reinhart Ricker rede von Grimme-preis 23 Herausgeputzt für den Medienpreis Von Giuseppe Rondinella Der Grimme-Preis feiert in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag. Gastgeber der besonderen Feierlichkeiten ist, wie jedes Jahr, eine kleine Stadt im nördlichen Ruhrgebiet, die kaum jemand kennt. Für die besonderen Feierlichkeiten gibt sich die Gemeinde als wahre Kulturstadt. Die nordrhein-westfälische Stadt Marl ist relativ unscheinbar. Ein riesiger Industriepark, historischer Stadtkern, eben eine typische Gemeinde im Ruhrgebiet. Knapp 80.000 Einwohner, 60 Prozent des Stadtgebiets bestehen aus Acker, Feld, Wald, Gewässer- und Parkanlagen – ziemlich unspektakulär. Und trotzdem verlieh die Bundesregierung der Stadt vor fünf Jahren den Titel „Stadt der Vielfalt“. Vielfalt hin oder her, die Bewohner zieht es weg: Seit zehn Jahren ist die Einwohnerzahl konstant rückläufig. Trotzdem ist die kleine Ruhrstadt überregional bekannt. Für was? Der Ottonormalverbraucher hat vermutlich keine Ahnung. Außer vielleicht hartgesottene Mainz 05-Fans, die natürlich aus dem Effeff wissen, dass ihr Torhüter Christian Wetklo in Marl geboren wurde. Gemeint ist aber nicht Wetklo, sondern das in Marl ansässige GrimmeInstitut, das jährlich den gleichnamigen Fernsehpreis vergibt und an diesem Festtag immer wieder die Crème de la Crème der TV-Landschaft in das, nun ja, unscheinbare Städtchen lockt, in das sich sonst niemand verlaufen würde. Bastian Pastewka, Anke Engelke, Hape Kerkeling, Olli Dittrich oder Alfred Biolek – alle waren sie schon mal dort und nahmen ihre Preise in Empfang. Doch in diesem Jubiläumsjahr trumpft Marl so richtig auf. Die Stadt verwandelt sich in eine wahre Kulturstadt und gibt ein großes Fest für alle Bürgerinnen und Bürger. Geplant ist beispielsweise eine sogenannte Grimme-Ausstellung, die von Marl aus durch ganz Deutschland reisen soll. In dieser Ausstellung können Besucher Grimme-preisgekrönte Sendungen aus 50 Jahren TV-Kultur anschauen, passend in extra dafür aufgebauten Wohnzimmern mit Polstersessel, Nierentisch oder Röhrenfernseher. Gala an zwei Standorten Die Preisverleihung am 4. April soll so pompös werden wie noch nie. Gleich an zwei Standorten, im Theater (800 Zuschauer) und in der Sporthalle (700 Zuschauer), soll die Gala möglichst viele Zuschauer durch zahlreiche Parallelschaltungen und mehrere Moderatoren gleichzeitig unterhalten. Zwischen diesen Standorten soll eine sogenannte Grimme-Meile präsentiert werden. Lichtinstallationen, Comedy und Kabarett sollen die Jubiläums-Veranstaltung begleiten. Zudem gibt es Foto-Ausstellungen, wissenschaftliche Gespräche, öffentliche Vorführungen, Filme, Konzerte oder Tanzprojekte – eben das volle Kulturprogramm. Drei Schritte zum Sieg Ein volles Programm hat zuvor erst das Grimme-Institut, welches in einem mehrwöchigen Entscheidungsprozess die Sieger ermittelt. Das Verfahren bei der Ermittlung der Gewinner ist dabei immer gleich. In einer ersten Stufe können Zuschauer, Produzenten oder Fernsehanstalten Vorschläge in den Kategorien Fiktion, Unterhaltung, Information und Kultur einreichen. Im zweiten Schritt ermittelt eine Nominierungskommission, welche Vorschläge der Jury vorgesetzt werden. Die Kommission besteht in der Regel aus Medienwissen- schaftlern, Publizisten, TV-Kritikern und Bildungsfachleuten. In einem dritten und letzten Schritt ermittelt die Jury dann in mehreren Sitzungen die Sieger der jeweiligen Kategorien. Und weil das noch nicht genug ist, verleiht das Grimme-Institut seit 2001 zusätzlich den Grimme-OnlineAward und seit 2009 den Deutschen Radiopreis. Mit den zusätzlichen Preisen steigt die prominente Besucherzahl in Marl und auch die nachreisenden Fans bleiben nicht aus. Medienvertreter pilgern zu Hauf in den Ort. Der Stadt kann es nur recht sein, sie ist sehr hoch verschuldet. Das alljährliche Grimme-Brimborium füllt gutes Geld in die Haushaltskasse. Doch wenn die Promis, Medienvertreter und Konsorten die Stadt nach der Verleihung verlassen, zeigt sich das wahre Marl wieder: Eine kleine Stadt im Ruhrgebiet zwischen Industriepark und Feldern, die selbst nur einmal im Jahr im Rampenlicht steht. Bild: Grimme-Institut Selbstbefriedigung in der Redaktion. +++ Man munkelt, in der Mensa sei schon auf Russisch geheiratet worden. +++ Man munkelt, Thomas Koch Neu 24 am ifp „Familiäre Atmosphäre am IfP“ Ein Antrittsinterview mit Dr. Thomas Koch Von Estelle Allali Seit Oktober 2013 vertreten Sie die Professur für Politische Kommunikation am Institut für Publizistik in Mainz, vorher haben Sie in München und Nürnberg als wissenschaftlicher Mitarbeiter gearbeitet. Warum haben Sie sich für Mainz als neuen Arbeitsplatz entschieden? Koch: Die Gründe dafür waren vielfältig. Erst einmal hatte ich die Chance, eine thematisch spannende und renommierte Professur zu vertreten. Außerdem ist es vorteilhaft, viele Institute „von innen“ zu sehen. Dazu kam, dass das IfP in Mainz eines der wichtigsten Institute für Publizistik ist. Die Entscheidung wurde mir letztlich dadurch erleichtert, dass ich viele Mitarbeiter des IfP bereits kannte und wusste, dass ich dort gut aufgenommen werde. Zudem war die Chance einmalig, gemeinsam mit Oliver Quiring und Birgit Stark die FrankenConnection am IfP noch zu erweitern. Sie sind in Bamberg geboren. Studiert haben Sie neben Medien- und Kommunikationswissenschaft auch Psychologie und Rechtswissenschaft. Warum gerade diese Fächerkombination? Für den Magister habe ich zwei Nebenfächer gebraucht, Psychologie hat einfach sehr gut zu Medien- und Kommunikationswissenschaften gepasst. Mein Interesse an der medienpsychologischen Forschung war sofort geweckt und auch für Rechts- wissenschaften habe ich mich interessiert. Ich wollte nicht unbedingt Jurist oder Psychologe werden, aber es ist unschätzbar wichtig, während des Studiums nicht nur kommunikationswissenschaftliche Forschung kennenzulernen, sondern sich auch mit anderen Fächern auseinanderzusetzen. Sie haben sich in Ihrer Doktorarbeit mit dem „Einfluss von Gewohnheiten auf die Fernsehnutzung“ beschäftigt. Wie kam es dazu, dass Sie sich hier in Mainz in Richtung Politische Kommunikation orientiert haben? gerne fern. Am liebsten US-Serien, Reportagen und natürlich den Tatort. Was gefällt Ihnen am Mainzer Institut für Publizistik besonders gut? Bereits vor meinem Antritt hatte ich die Gelegenheit, viele Mainzer Professoren und Dozenten auf Tagungen kennenzulernen. Am IfP in Mainz gefällt mir vor allem die gute Atmosphäre. Ich habe das Gefühl, dass der Kontakt zwischen Dozenten und Studierenden hier am Institut sehr eng ist. Das ist etwas, dass das IfP vielen anderen Instituten, die weitaus „anonymer“ sind, voraus hat. Zu guter Letzt noch eine persönliche Frage: Was ist Ihr liebster Ausgleich zum Arbeitsalltag in Forschung und Lehre? Ich trinke gerne Bier (lacht). Ich mache viel Sport, reise gerne, lese viel und gehe oft weg. Dr. Koch, vielen Dank! Ich habe einfach verschiedene Forschungsschwerpunkte. Mein Interesse ist zwar die medienpsychologische Forschung, mein zweiter Schwerpunkt aber schon immer die politische Kommunikation. Die beiden Schwerpunkte lassen sich auch in Lehre und Forschung gut verbinden. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Nürnberg habe ich auch an einem Lehrstuhl, der auf politische Kommunikation spezialisiert ist, gearbeitet. Da Sie sich in Ihrer Doktorarbeit mit der Fernsehnutzung auseinandergesetzt haben, kann ich mir die nächste Frage nicht verkneifen. Sind Sie selbst leidenschaftlicher Fernsehnutzer? Wenn ja, was schauen Sie am liebsten? Ja, auf jeden Fall. Ich schaue wirklich Bild: Koch kenne den Star aus „Walulis sieht fern“. +++ Man munkelt, es habe mal einen Mensa-Stalker gegeben. +++ Man munkelt, er habe versucht, sich mit Porno 25 Ein Pornokrieg spaltet die Wissenschaft Von Giuseppe Rondinella Zwei britische Wissenschaftlerinnen planen im Herbst die Veröffentlichung der Fachzeitschrift „Porn Studies“ und wollen damit eine Plattform für Forscher schaffen. Kritiker werfen den Herausgeberinnen mangelnde Seriosität und eine Pro-Porno-Einstellung vor. Der nächste Porno ist heutzutage nur einen Mausklick entfernt. Im Internet sind die Filme in jeder Variation für jeden kostenlos und immer abrufbar. Die Zeiten, in denen Schmuddelfilme nur in düsteren Ecken von Videotheken zu finden waren, sind vorüber. Schenken wir einem Artikel auf Spiegel-Online Glauben, leben wir sogar in einem „Youporn-Jahrzehnt“. Auch die wissenschaftliche Forschung befasst sich seit einigen Jahren vermehrt mit der Pornoindustrie. Höchste Zeit also, dachten sich zwei Wissenschaftlerinnen aus Großbritannien, diesem Forschungszweig eine eigene Fachzeitschrift zu widmen. Dass aus dieser Idee ein regelrechter „Porn War“ entflammte, hatten sie nicht geahnt. Eine Plattform schaffen Auslöser für diesen Streit unter Akademikern sind Kulturwissenschaftlerin Feona Attwood von der Middlesex University und Clarissa Smith, Dozentin für Sexualität und Kultur an der University of Sunderland. Sie kündig- ten an, die erste wissenschaftliche Fachzeitschrift zum Thema Pornografie herausbringen zu wollen. Sie soll „Porn Studies“ heißen und vierteljährig im Routledge Verlag erscheinen – Premiere ist im Herbst. Die Britinnen wollen damit vor allem eine Plattform für Wissenschaftler schaffen, die im Umfeld von Pornografie forschen. chen. Um aber ein komplettes Bild von Pornografie zu bekommen, muss man diese Erkenntnisse ein einer Publikation bündeln.“ Außerdem soll „Porn Studies“ der Pornografie-Forschung einen neuen Schwung verleihen. Denn die gegenwärtige Forschung dreht sich im Kreis, sagt Mitherausgeberin Feona Attwood dem britischen Guardian: „Es werden immer die gleichen Fragen gestellt. Sind Pornos schädlich? Mit welchen Themen hängen sie zusammen? Dann wird Pornografie aber gar nicht definiert. Es wird zwar viel geschrieben, aber wir wissen trotzdem nicht mehr darüber.“ Autorin Attwood Quelle: feonaattwood.com Cheerleader der Pornoindustrie Dem Deutschlandradio sagte Mitherausgeberin Clarissa Smith: „Die Soziologen befassen sich mit sexuellen Skripten, publizieren jedoch in ihren soziologischen Fachzeitschriften. Ebenso die Medienwissenschaftler, die sich auch mit Pornografie befassen, die Ergebnisse aber auch in ihren eigenen Fachzeitschriften veröffentli- Derweil regt sich in Großbritannien Widerstand gegen die geplante Fachzeitschrift. Kritiker, vor allem das Aktionsbündnis „Stop Porn Culture“ werfen den beiden Wissenschaftlerinnen mangelnde Seriosität und eine Pro-Porno-Einstellung vor. Auch Gail Dines, führende Pornografieforscherin und Autorin von „Pornland“ kritisiert die beiden Herausgeberinnen. Smith und Attwood, so Dines im Guardian, verleugnen viele Forschungsergebnisse über negative Effekte von Pornos. Sie bezeichnet die beiden deshalb als „Cheerleader der Pornoindustrie“. Eine Zeitschrift sei zwar sinnvoll, in der Redaktion müsse es aber unterschiedliche Stimmen geben. Bevor das erste Heft überhaupt erschienen ist, bricht in Großbritannien also ein wahrer „Porn War“ aus. Clarissa Smith ist darüber sehr enttäuscht: „Das Journal soll ein Zuhause für verschiedene Stimmen sein.“ Doch stattdessen herrscht Uneinigkeit und Streit. Die leidenschaftlich geführte Debatte um das Fachblatt offenbart: Die PornografieForschung befindet sich noch in den Kinderschuhen und steht mitten in einer Entwicklung. Und zu dieser Entwicklung gehört scheinbar auch eine eigene Fachzeitschrift. Essenseinladungen die Liebe der Mensa-Damen zu erkaufen. +++ Man munkelt, schlimm schlimm schlimm schlimm schlimm schlimm schlimm. +++ Porno-Kommentar 26 Alles Porno? Ein Kommentar zum Artikel „Ein Pornokrieg spaltet die Wissenschaft“ von Richard Lemke (Forschungsschwerpunkt u.a Sexualität im Internet) Pornographie gibt es schon ewig. Länger als es das Internet gibt, länger als es Fernsehen gibt und sogar schon länger, als es Drucktechnik gibt. Vermutlich gibt es Pornographie schon so lange, wie überhaupt annähernd so etwas wie Medien existieren. Im kommenden Sommersemester soll es an unserer Universität sogar die Ringvorlesung „Antike Pornographie“ geben, bei der wir vermutlich erfahren können, welcher Schweinkram schon in der antiken Welt auf Tonscherben gebrannt wurde. Angesichts dieses recht betagten Alters ist es eigentlich erstaunlich, wie sehr die Pornographie noch im 21. Jahrhundert das Potential besitzt, die Gemüter zu erhitzen und die Geister zu spalten. Oder vielleicht ist gerade diese Entrüstung auch das eigentlich moderne am gesellschaftlichen Phänomen der Pornographie. Der Soziologe und Sexualtheoretiker Jeffrey Weeks zeichnet in seiner Geschichte der Sexualität sehr eindrucksvoll nach, dass gerade die breite gesellschaftliche Durchsetzung mit sexuellen Moralvorstellungen und individuellen sexuellen Werten erst ein recht junger Prozess - seit dem 19. Jahrhundert - ist. Weeks stellt dar: Schon in frühen Zeitaltern gab es Tabuisierungen verschiedener sexueller Handlungen, z.b. der Prositution, homosexueller Akte, vorehelichen Geschlechtsverkehrs usw. Diese Tabuisierungen waren aber eher ein intellektuelles Produkt geistiger Eliten, als ein gesellschaftlich breit durchsetztes Relevanzkriterium, anhand dessen ein Normalbürger seinen Nachbarn beurteilte (sofern er überhaupt wusste, was der Nachbar sexuell so trieb). Auch noch im Mittelalter wurden Hexenverbrennungen, Daumenschrauben und Bäckertaufen, so wird vermutet, noch höchst selten im Zuge sexueller Tabus eingesetzt. Sexuelle Stigmatisierung von Mitmenschen – und zwar Stigmatisierung nicht als situative Meinung, sondern als eine dauerhafte Einstellung gegenüber einer Person auf Grundlage ihres sexuellen Verhaltens – ist laut Weeks eben vor allem ein Prozess, der in den Gesellschaften des 19. Jahrhunderts fußt. Und so Auch wenn der Gegenstand selbst, also meist audiovisuelle Inhalte und bestenfalls fragwürdige Ausleuchtung bei den Dreharbeiten, noch mit den Videos aus den „Schmuddelecken der Videotheken“ weitgehend identisch ist, so ist Internetpornografie trotzdem – wie es Kristian Daneback in „The Complexity of Internet Sexuality“ ausdrückt – „more than just the same wine in a new bottle“. verwundert es eigentlich auch nicht, dass Siegmund Freud als Vater der sexuellen Neurosen ausgerechnet am Ende des 19. Jahrhunderts sein Wirken entfalten musste. Zugegeben, die moderne Pornographie im Internet kann man nicht einfach mit statischen Kopulationszeichnungen auf griechischer Keramik über einen Kamm scheren. Mehr noch, die Internetpornografie hat sogar im Vergleich zur Epoche unmittelbar vor dem Internet der Pornographie eine neue Relevanz verliehen. Bild: Lemke Die Internetpornografie hat die „Gesamttriebbefriedigung“ (Kinsey) der Gesellschaft verändert: Pornographie ist durch das Internet ständig verfügbar und wird von einigen daher auch ständig genutzt. In der aktuellen Studie zur Studentensexualität, die das Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie in Hamburg gegenwärtig durchführt, zeigt sich, dass die überwiegende Mehrheit der männlichen Studenten täglich oder mehrmals wöchentlich Pornographie nutzt (Veröffentlichung der Daten für 2014 geplant). Das eigentlich sexuell revolutionäre an der Internetpornografie besteht aber vielmehr darin, dass die ständige Verfügbarkeit der Videos und Bilder – auch mobil, still und heimlich auf der Toilette – einhergeht mit einem breiten Spektrum sexueller Settings, in das auch die eher spezielleren Vorlieben und Paraphilien eingeschlossen sind. All jenen sexuellen Vorlieben eben, die früher eher unausgestanzte flüchtige Phantasien blieben, weil sie weder unmittelbar durch Pornografie, noch durch praktizierte Sexualität konkretisiert werden konnten, diesen Vorlieben kann nun ohne Aufschub nachgegangen werden. Sie müssen nicht mehr in der alltäglichen Sexualität sublimiert werden, weil der gegenwärtige Partner das ja ohnehin nicht mitmachen würde. Jeder sexuelle Spezialtrieb – dominant, devot, gefesselt, aufgehängt, gerichtet auf Männer, Frauen, alte, junge, dicke, dünne, kaukasische, farbige, behaarte, rasierte, blonde, brünette, Krankenschwestern, Hausfrauen, Babysitter, Soldaten, etc. – kann durch gründlich kategorisierte Angebote auf youporn.com und xhamster.com in jedem Moment flüchtiger Erregung wesentlich zielgerichteter befriedigt werden, als zu jener Zeit, in der noch die Unterwäscheabteilung im Quelle-Katalog das verfügbarste Masturbationsmittel im Haushalt war. Wie sich unsere Sexualität dadurch langfristig verändert, dürfte ungemein spannend werden. Und wenn ich das in zehn oder 20 Jahren in einer Zeitschrift „Porn Studies“ lesen werde, dann hat sich der britische Porn War von 2013 doch immens gelohnt. Man munkelt, Dr. Thomas Koch fände so manches scheiße. +++ Man munkelt, die Asiaten seien auf dem Vormarsch. +++ Man munkelt, Thomas Roes- Gutenberg-museum 27 Der wahre Erfinder des Buchdrucks Bild: Pontius Von Miriam Pontius Dem Mainzer Vorzeigebürger Johannes Gutenberg wurde 1900 ein Museum im Herzen der Altstadt errichtet. Es steht noch immer. Ein Besuch. Im finsteren Mittelalter, als es weder Abwassersysteme noch Frauenbewegungen gab, erfand ein geschäftstüchtiger Patrizier eine Druckerpresse mit beweglichen Lettern. Daraufhin mussten sich viele Mönche, die sich vorher mit dem Abschreiben der Bibel beschäftigt hatten, eine neue Lebensaufgabe suchen. Johannes Gutenberg wurde stinkreich und weltberühmt. Das Johannes-Gutenberg-Museum in Mainz liegt direkt hinter dem Dom und ist in einem typischen Altstadtgebäude untergebracht. Ein verregneter Sonntag scheint der perfekte Tag zu sein, um sich die wertvollen Ausstellungsstücke näher anzusehen. Immerhin liegt ein Parkhaus in unmittelbarer Nähe, so dass man trockenen Fußes zum Eingang gelangen kann. Eine Überdosis Buchdruckkultur Als erstes Highlight erwartet mich ein Raum voller internationaler Druckerpressen. Die Kärtchen, die daneben hängen, geben Aufschluss über Herstellungsdatum und den bekanntesten Verwendungszweck. Vielleicht ist meine Liebe für unbewegliche und technische Gegenstände einfach nicht groß genug, um bei der Betrachtung dieser Apparaturen ins Schwärmen zu kommen. Natürlich kann man sich noch einiges mehr an Wissen zu Gemüte führen. Wenn man möchte, kann man sich über jede auf Erden existierende Drucktechnik informieren und Beispiele dazu betrachten. Allerdings frage ich mich nach dem siebten Liederbuch langsam, ob ich eventuell ein Kulturbanause sein könnte. Faszinierend sind vor allem die winzigen Bücher, groß wie ein Daumennagel, die irgendwer mit zu viel Ehrgeiz und zu guten Augen hergestellt haben muss. Ihr Zweck bleibt mir verborgen, denn ich finde keine klärenden Kärtchen. Außerdem entdecke ich eine kleine Ratte, die ein gelangweilter Kirchenbesucher im Mittelalter in seine teure Bibel gekritzelt hat. Alles nur geklaut? Herzstück des Museums sind die eineinhalb original Gutenberg-Bibeln (bei einer Bibel fehlt das neue Testament), die hinter einer dicken Glasscheibe in einem abgedunkelten Raum (genannt: „Die Schatzkammer“) ausgestellt werden. Die Buchstaben sind perfekt. Ein Laserdrucker hätte keinen besseren Job machen können. Irritierend nur die Initialen, die eindeutig von Hand (und unter Verwendung einer ganz schönen Menge Gold) gemalt wurden. Diese Stellen wurden beim Druck freigelassen und jeder Auftraggeber hatte die Möglichkeit zu entscheiden, wie aufwendig sie gestaltet werden sollten. Schließlich kommt die große Erleuchtung: In einem Raum etwas außerhalb steht ein lebensgroßer, mittelalterlicher Chinese (natürlich handelt es sich nicht um einen lebendigen Chinesen, schließlich wäre es Sklaverei, den 10 Stunden am Tag unbeweglich herumstehen zu lassen). Und plötzlich wird klar, dass die Druckkunst schon Jahrhunderte vor Gutenbergs Lebzeiten in China erfunden wurde! Ich bin entsetzt. Die haben einen sehr guten Job gemacht, wenn man bedenkt, dass man für das Alltagschinesisch 4000 unterschiedliche Schriftzeichen beherrschen muss. Ein chinesischer Setzkasten ist in seiner Größe also definitiv beeindruckender als ein deutscher. Ich verlasse das Museum ein wenig bedrückt. Die Tatsache, dass ich die hohe Druckkunst nicht als Kulturgut meines Landes verbuchen kann, schlägt mir auf die Stimmung. Vielleicht könnte man das Museum zumindest in „Allgemeines Druckmuseum“ umbenennen, wenn Gutenberg nicht einmal zwei komplette Bibeln beisteuert. Und die entscheidende Frage konnte mir der Museumsbesuch auch nicht beantworten: Handelt es sich beim Gutenbergischen Druck nun um ein Plagiat? sing habe sogar gelbe Hosenträger. +++ Man munkelt, es gäbe Leute, die Schichten organisieren, damit in jeder Ricker-Vorlesung mindestens fünf Leute Fernsehen 28 aktuell Bild: amctv Lineares Fernsehen ist noch nicht tot Von Giuseppe Rondinella Die TV-Zuschauer wandern vermehrt ins Internet ab. Streaming-Anbieter erfreuen sich immer größerer Beliebtheit und führen die Fernsehsender in eine kleine Krise. Doch die sehr erfolgreiche US-Serie „Breaking Bad“ zeigt, dass Live-TV noch nicht tot ist. Grund dafür ist ausgerechnet ein Streaming-Dienst – auch Twitter spielt eine große Rolle. Sicher ist: Die Fernsehbranche braucht eine neue Quotenmessung. Die erfolgreiche US-Fernsehserie „Breaking Bad“ gibt den Produzenten, Regisseuren und Schauspielern wieder Hoffnung. Seit langem hat es keine Serie mehr geschafft, eine ganze Nation zur gleichen Zeit vor dem TV-Bildschirm zu versammeln – zehn Millionen Menschen sahen die Finalfolge der letzten Staffel im TV. Ein ausgesprochen guter Wert, wenn man bedenkt, dass „Breaking Bad“ an diesem Abend mit dem in den USA so beliebten Football starke Konkurrenz hatte. Es scheint also doch noch echte Straßenfeger zu geben. Klar, die glorreichen Zeiten, in denen sich vor 30 Jahren über einhundert Millionen Amerikaner für die Serie M.A.S.H. vor die Mattscheibe setzten, ist längt vorbei. Aber auf über zehn Millionen TV-Zuschauer zum Staffelfinale können die Macher von „Breaking Bad“ mehr als stolz sein. Quotenopfer Denn ein derart großes Publikum im Live-TV ist zurzeit alles andere als der Normalfall, außer es handelt sich um Fußballweltmeisterschaften oder um die Olympischen Spiele. Dieser Umstand bereitet vor allem den Serienmachern große Kopfschmerzen. Denn viele Menschen, darunter vor allem die werberelevante Zielgruppe von 14-49, schauen sich Serien wie „How I Met Your Mother“ oder „The Big Bang Theory“ zeitversetzt im Internet an. Wir leben deshalb in einer Zeit, in der das Ende des linearen Fernsehens prophezeit wird. Das Publikum wandert ins Internet ab, wo es die zeitliche Autonomie und die Befreiung von der Programmstruktur der Sender schätzt. Der Effekt: Die Fernsehsender verzeichnen sinkende Quoten. Und damit nimmt das Unheil seinen Lauf. Weniger TV-Zuschauer bedeuten nämlich, dass weniger Un- ternehmen in den Werbepausen ihre Spots schalten wollen. Das wiederum bedeutet weniger Werbeeinnahmen für den Sender, der die Serie aus Angst vor finanziellen Einbußen folglich nicht mehr ausstrahlt. „Nielsen Rating Victim“ nennt man eine solche Serie, die nach einem schlechten Quotenstart im TV abgesetzt wird. Und das, obwohl sie beim Publikum durchaus sehr beliebt sein kann, zum Beispiel bei Streaming-Anbietern im Internet. Aber der Fernsehsender kriegt davon nichts mit, weil er sich stur an die Ratings der Nielsen Media Research GmbH hält. Man muss sich also die Frage stellen, welche Bedeutung die Ratings heute in Zeiten von Streaming-Diensten oder digitalen Videorecordern haben. Denn noch vereint das Fernsehen den größten Teil der medialen Werbeausgaben auf sich, doch es bleibt wohl eine Frage der Zeit, bis die Werbewirtschaft den Nutzern ins Internet folgen wird. Das tut sie aber bislang noch nicht, digitale Werbung ist noch nicht rentabel. Streaming als Rettung „Breaking Bad“ wäre fast ein „Nielsen Rating Victim“ geworden. Kaum vorstellbar, aber nach der zweiten Staffel hatte die US-Serie im Durchschnitt nur etwa eine Million Zuschauer, zu wenig für die Fernsehbosse. Die Serie stand vor dem Aus. Doch dann kaufte der amerikanische StreamingDienst Netflix die Serie und verhalf ihr zum unverhofften Höhenflug. Nun lief die Serie im Fernsehen UND im Internet. Unter diesen Umständen entwickelte sich „Breaking Bad“ zu einer Serie, die die Menschen unbedingt „live“ im Fernsehen verfolgen wollten, weil sie im Internet Gefahr liefen, gespoilert zu werden, also den Ausgang der Serie schon im Vorhinein mitzubekommen. Ging man morgens in die Schule, in die Universität oder ins Büro, lief man Gefahr, den Inhalt anwesend sind. +++ Man munkelt, pro Schicht maximal zehn Leute! +++ Man munkelt, Publizistikstudentinnen haben immer „Nivea“ dabei, aber nie Fernsehen 29 aktuell der Serienfolge des letzten Abends zu erfahren. Twitter spielte dabei eine große Rolle. Nielsen fand heraus: Je höher die Anzahl der Tweets zu einer Serie, desto höher die dazugehörige Einschaltquote im Fernsehen. Die Zuschauer umgehen also bewusst den drohenden Spoiler. Es gibt mittlerweile sogar Apps wie „Spoiler Foiler“, die alle Tweets von der Twitter-Timeline schwärzen, die mit der gewünschten Serie in Verbindung stehen. Streaming-Anbieter und soziale Netzwerke scheinen sich also positiv auf die TV-Quoten auszuwirken. „Ich FAZ es nicht“ Wie sehr ein Spoiler die Netzgemeinde aufregen kann, musste die Frankfurter Allgemeine Zeitung vor kurzem bitter feststellen. Einen Tag nach der TV-Ausstrahlung der finalen Folge von „Breaking Bad“ in den USA, druckte die Zeitung einen Artikel im Feuilleton, der das Ende der Serie verriet. Und zwar ohne eine Spoilerwarnung im Teaser. Stattdessen gab es noch ein Bild der letzten Szene obendrauf. Die Zeitung bestrafte alle Fans der Serie, die auf die legale Ausstrahlung auf dem deutschen PayTV-Sender AXN gewartet hatten. Und die Internetgemeinde lief Sturm: „Ich FAZ es nicht“, so die entrüsteten Serienfans in den sozialen Netzwerken, die die Zeitung direkt umbenannten in „Frankfurter Allgemeine Spoilerzeitung“. Streaming-Anbieter scheinen also eine gute Lösung zu sein für die Misere der TV-Sender. Mit dem Verkauf der Serien sichern sie sich finanziell ab und schüren zudem die Angst vor dem Spoiler im Web. Es braucht eben nur eine Serie, die die Menschen live sehen wollen. Das kann freilich nicht immer klappen. Bei „Breaking Bad“ hat es funktioniert, weil sie wohl eine der besten Serien der TV-Geschichte ist. Im September gewannen die Serienmacher sogar den Emmy für das beste Drama. Ironischerweise wurde die Preisverleihung live auf dem Sender CBS gezeigt, als parallel auf dem Konkurrenzsender AMC die vorletzte „Breaking Bad“-Folge gesendet wurde. Folglich waren bei der Preisverleihung keine Fans der ausgezeichneten Serie zugegen. Auch viele Nominierte und andere Preisträger verzichteten auf die Gala. Sie waren allesamt zu Hause vor dem Fernseher und sahen sich die ausgestrahlte Folge an. Veraltete Quotenmessung „Breaking Bad“ zeigte der TV-Branche Wege auf, wie das Schlamassel mit dem linearen Fernsehen gehandhabt werden kann. Die Serie zeigte aber auch: Die Quotenmessung im TV ist mehr als veraltet. Denn sie stammt noch aus einer Zeit, in der es kein Internet gab. Die Übertragungswege von TV-Inhalten sind jedoch differenzierter geworden, das klassische Fernsehen ist nur noch eine Möglichkeit von vielen, an gewünschte Inhalte zu kommen. Deshalb fordern viele Branchenentscheider eine neue Einheitswährung fürs TV. Die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung plant bereits eine kleine Revolution. Noch in diesem Quartal möchte sie eine neue Quotenmessung mit der „Berücksichtigung von Bewegtbildern im Netz“ starten. Monatsweise sollen hierbei Zahlen zur Online-Nutzung angegeben werden. Ab 2015 sollen diese Daten dann mit denen der „normalen“ TV-Nutzung fusioniert werden. Bild: amctv „Niveau“. +++ Man munkelt, Minnesänger seien die Erfinder des Infotainment. +++ Man munkelt, den IfP-Babys sei die Publizistikwissenschaft in Publizissimus-preis 30 „Das beste Jubiläumsgeschenk, das man sich vorstellen kann“ Interview mit Juniorprofessor Dr. Leonard Reinecke Von Lorenz Harst Bild: Harst Besonders wegen seines freundlichen, hilfsbereiten Umgangs mit den Studierenden am IfP ist Juniorprofessor Dr. Leonard Reinecke für uns ein würdiger Publizissimus-Preisträger. Im Interview spricht er über seine Arbeit am IfP genauso wie über Facebook, Privacy und die Zeitungskrise. Wir gratulieren zum Publizissimus-Preis! Wenn man Ihre Seite auf der Homepage des IfP studiert, drängt sich einem unwillkürlich die Frage auf, woher Sie die Zeit nehmen, sich so sehr für die Belange der Studierenden am IfP einzusetzen. Also: Wie machen Sie das? Reinecke: Der zeitliche Druck und die inhaltlichen Anforderungen im Uni-Betrieb sind natürlich hoch umso mehr freut mich die Begründung für diese Auszeichnung. Wie ich das mache, lässt sich am besten so erklären: Als Professor lebt man eben in zwei Welten- der Welt während des Semester und der in der vorlesungsfreien Zeit. Klar nehmen Betreuung und Lehre viel Zeit in Anspruch, aber ich versuche trotzdem, in dieser Zeit auf die Anliegen der Studierenden einzugehen. Die vorlesungsfreie Zeit versuche ich natürlich hauptsächlich für die Forschung zu nutzen, aber im Prinzip ist es mir am liebsten, wenn sich Forschung und Lehren verbinden lassen - so kann ich auch die Studierenden mit einbeziehen. Ihr aktueller Forschungsschwerpunkt ist tief in unserem Alltag verwurzelt. Wo setzen Sie in der Lehre zum Thema Social Media Ihren Schwerpunkt? Ich versuche, in Zusammenarbeit mit den Studierenden, herauszufinden, welche Spuren Social Media in unserem Alltag hinterlas sen. Vor allem: welche positiven und negativen Folgen gibt es? Natürlich eröffnen sie ungeahnte Möglichkei- ten, sich zu vernetzen und über fast alle Grenzen hinweg auszutauschendas ist positiv. Aber man muss natürlich auch über die Risiken von Social Media sprechen, zum Beispiel das Phänomen „permanently online“, das in den Anfangsjahren solcher Plattformen als großer Vorteil gesehen wurde, jetzt aber zwiespältiger betrachtet, auch als Drucksituation verstanden wird, weil man eben ständig erreichbar ist und kommunizieren muss. Die Studierenden sind für mich in diesem Zusammenhang auch ein InputFaktor. Mit ihnen kann ich nicht nur die Chancen und Risiken für die Gesellschaft abwägen, sie sind auch allesamt als Individuen Einzelexperten für Social Media, weil sie alle Nutzer sind. Das ist für mich sehr interessant. Ich muss gestehen, ich habe da- mit gerechnet, dass Sie über das Thema Privacy sprechen würden. Warum glauben Sie ist das Thema gerade in der Diskussion über Social Media und das Internet im Allgemeinen so präsent? Meiner Ansicht nach hängt die große Aufmerksamkeit, die das Thema in der öffentlichen Debatte erfährt, mit dem immensen Grad an Selbstoffenbarung zusammen, den Social Media-Plattformen erzeugen. Wir hinterlassen manchmal ganz bewusst, oft aber auch unbewusst, tiefe Spuren im Word Wide Web. Aktiv dann, wenn wir etwas auf Facebook posten oder twittern, passiv da, wo mit automatisch erhobenen Nutzerdaten Handel getrieben und für uns dann personalisierte Werbung geschaltet wird. Gerade die Monetarisierung die Wiege gelegt worden. +++ Man munkelt, eine Publizistikvorlesung sei keine Publizistikvorlesung ohne People’s Choice-Studie. +++ Man munkelt, Publizissimus-preis dieser Big Data macht aber deutlich, dass eine intensive Diskussion um den Umgang mit unseren persönlichen Daten dringend notwendig ist. Bei allen Medieninnovationen verläuft der Adaptionsprozess naturgemäß zu Beginn etwas naiv - jetzt erst werden uns alle Implikationen von Social Media klar, und dann ist es nur richtig, dass wir darüber sprechen und den Diskurs wissenschaftlich begleiten. Braucht es, damit die Diskussion überhaupt in die Gänge kommt, einen Prism-Skandal und einen Edward Snowden? Ich denke, ja. Was wir auf Facebook preisgeben, ist ja nur die Spitze des Eisbergs und unterliegt zudem unserer aktiven Kontrolle. Ansonsten aber ist das Internet für uns „Normaluser“ völlig intransparent- das gilt in besonderem Maße für die Vorgänge bei den Geheimdiensten und den Handel mit Nutzerdaten. Daher braucht es Großereignisse, wie zum Beispiel die Enthüllungen eines Whistleblowers, damit solche Vor- gänge an die Öffentlichkeit kommen. Was muss sich ändern, damit wir zu einem vernünftigen Umgang mit der Privatsphäre im Internet kommen- wir oder die Gesetzeslage? Beide natürlich. Wenn wir aktive, mündige Mediennutzer sein wollen, dann müssen wir auch Eigeninitiative zeigen, da wo es in unserer Hand liegt und wo wir selber etwas zum Schutz unserer Privatsphäre beitragen können. Gerade darum geht es ja zum Beispiel auch bei den Privatsphäre-Einstellungen von Facebook. Wenn wir diese Initiative nicht aufbringen, können wir uns auch nicht darüber beschweren, dass Details aus unserem Privatleben an die Öffentlichkeit gelangen. Dann gibt es aber auch die Bereiche, die sich eben unserem Einfluss entziehen. Daher ja: Es braucht eine Gesetzgebung, die Datenhandel zumindest limitiert, genauso wie die Eingriffe, die von Regierungsinstitutionen, zum Beispiel eben Geheimdiensten, ausgehen. 31 Um das Thema Zeitungskrise kommt in dieser Ausgabe fast niemand herum. Wenn man sich die Online-Portale vieler Medien anguckt, kommt man dagegen kaum noch um Links zu Facebook, Twitter und Co. herum. Glauben Sie, dass diese Form der Vernetzung zur Lösung der Krise beitragen kann? Sicher kann sie das insofern, als dass Social Media Aufmerksamkeit und somit Leser generieren können, daher finde ich ihren Einsatz löblich. Die Ursache der Krise liegt aber woanders: Es fehlt für den Online-Bereich immer noch an Bezahl- und Geschäftsmodellen, die rentabel und nutzerfreundlich zu gleich sind. Zudem darf man nicht vergessen, dass Partizipation, wie sie beispielsweise in den Kommentarbereichen von News-Portalen möglich ist, nur für einen bestimmten Nutzerkreis interessant ist, während andere User den Aufwand, aktiv Content zu produzieren und sich zu positionieren scheuen. Ich denke, auch in der Zukunft werden die passiven Nutzer überwiegen. Dann zum Schluss noch eine Feel-Good-Frage: Jetzt sind sie seit fast genau zwei Jahren hier am IfP. Wie gefällt es Ihnen in Mainz? Also zunächst einmal ist dieser Preis für mich das beste Jubiläumsgeschenk, das man sich vorstellen könnte. Außerdem bestätigt er mich in dem Gefühl, hier am IfP angekommen zu sein. Ich fühle mich im Kreis der Kollegen ebenso wohl wie beim Austausch mit den Studierenden. Diese Ungezwungenheit, die hier in Mainz zwischen Studierenden und Lehrenden herrscht, ist sicher kein Selbstläufer und so nicht überall anzutreffen. Deshalb freue ich mich über jedes weitere Semester in Mainz! Info: Jeder will ihn, nur wenige haben ihn In jeder Ausgabe verleiht die Publizissimus-Redaktion die wohl renommierteste Auszeichnung, die es am Institut für Publizistik zu haben gibt. Den heiß begehrten Publizissimus-Preis bekommen Personen, die sich in besonderem Maße um die Studierenden kümmern und dabei durch Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Engagement, Geduld, Expertise, Sympathie und/oder ähnlich lobenswerte Eigenschaften auffallen. Für Nominierungsvorschläge ist die Redaktion offen und nimmt Anregungen gerne schriftlich entgegen. das erste Rundfunkurteil klinge etwas gartenlaubig. +++ Man munkelt, auch Hechtinnen können toll sein. +++ Man munkelt, Publizistik-Bachelor und Georg-forster 32 cafeteria Massenandrang zur Mittagszeit Von Peter Mertes Pünktlich zum Start des Wintersemesters öffnete die neue Cafeteria im Georg-Forster-Gebäude im Oktober ihre Pforten. Der Begriff Mensa wäre jetzt vielleicht etwas zu hoch gegriffen. Neben zwei Mittagsgerichten täglich kann der hungrige Sozialwissenschaftler (nebst allen anderen Spezies, die sich im Georg-Forster-Gebäude tummeln) aus einer Menge Snacks bis hin zu Kaffee und Kuchen auswählen. Nachdem bereits im Sommer die Dozentenbüros ins „Forsthaus“ (oder „Frosch“, oder wie auch immer ihr den grünen Neubau im Jakob-WelderWeg nennen wollt) umgezogen waren und auch einige Seminare gegen Ende des Sommersemesters bereits in den neuen Räumlichkeiten stattfanden, zog jetzt auch die Essensversorgung nach. Öffnungszeiten von 10-20 Uhr (freitags nur bis 19 Uhr), dabei von 11.15 bis 19 Uhr (freitags bis 18 Uhr) warme Küche und eine angenehme, offene, lichtdurchflutete Atmosphäre laden vor allem Studierende des Fachbereichs 02, also Sozialwissenschaften, Medien und Sport, ein, hier zu speisen und zu dinnieren. Aber Achtung! Gerüchten zufolge sollen teilweise auch Studierende anderer Fachbereiche bereits in der GFG-Mensa gesichtet worden sein. Aber keine Panik: Man munkelt, die beißen nicht. Höchstens in ihr Mittagessen. Lange Schlangen im GFG Dennoch herrschen zur Essenszeit gegen 12 Uhr Platzmangel und Massenandrang, da die hungrige Meute meist sehr groß ist. Zeitweise ziegt sich die Schlange sogar bis in den Eingangsbereich des Geböudes. Die Situation löst sich aber meist recht schnell, spätestens dann, wenn die Studenten wieder an die Arbeit gehen und die neue Bereichsbibliothek belagern. Man munkelt weiter, schon um zehn Uhr morgens seien wartende Studenten gesichtet worden, die ihren Uni-Tag mit einem belegten Brötchen inklusive Kaffee aus der „Forsti-Mensa“ starten wollten. Und das, obwohl das Café im ReWi mit unwiderstehlichen Dumpingpreisen lockt. Man kann ihnen aber auch nicht verübeln, dass sie das hiesige Angebot nutzen, denn für Großküchen-Verhältnisse sind die Gerichte überraschend lecker und gut gewürzt, fast immer schmeckt das Essen sogar nach dem, was auf der Karte steht. Und es ist garantiert für jeden etwas dabei, denn neben den Mittagsgerichten stehen auch Brötchen, Kuchen, Snacks, Desserts und, und, und auf der Karte. Auch für Getränke ist selbstverständlich gesorgt. Ach ja, und die Salatbar darf an dieser Stelle natürlich auch nicht vergessen werden. Alles in allem: Daumen hoch Insgesamt bietet die neue GFGCafeteria gerade für Studierende des Fachbereichs 02 eine sehr gute Alternative zu Zentralmensa, Mensaria und ReWi, zumal man sich längere Wege ersparen kann. Wenngleich das Angebot selbstverständlich nicht mit dem in der Zentralmensa mithalten kann, findet sich doch immer etwas Essbares. Und das ist ja die Hauptsache. Bilder: Mertes Journalismus-Master würden sich gerne in Öffentliche Meinung in die Haare kriegen. +++ Man munkelt, nächstes Semester käme die Anwesenheits- Auslandskorrespondenz 33 Barcelona, it was the first time that we met! Aus Spaninen berichtet Pascal Schneiders Fünf Tage vor Anbruch meines Auslandsaufenthalts gab die überaus nützliche Seite list25.com bekannt, ich würde Platz 20 der lebenswertesten Städte für junge Menschen meinen vorläufigen Wohnort nennen. Welch Irrtum. Sollte sich doch herausstellen, dass Barcelona keinen Vergleich scheuen braucht. Umso trauriger, dass ich wohl leider nicht mehr dort sein werde, wenn dieser Bericht gedruckt ist. Ich konnte von Glück reden, am Anfang meiner Reise in Begleitung zweier Freunde gewesen zu sein. Die Zufallskette wäre sonst wohl anders verlaufen. Eine Prepaid-Karte hätte ich, trotz eines halbjährigen Spanischkurses bei Marta, wohl nie im Alleingang kaufen können. Auch hätte ich meine Residenz, eine etwas spartanisch eingerichtete, aber im Grunde schöne Wohnung, deren Einfachfenster mit Espagnolettenverschluss allem Anschein nach seit Jahrzehnten auf eine Erneuerung warten, nie bezogen. musste ich aufpassen, ganz spät zu merken, dass ich den falschen Weg genommen hatte. Auch in der Stadt war die Gefahr groß, sich zu verlaufen – trotz oder gerade wegen des schachbrettartigen Grundrisses der Planviertel, und zum Leidwesen meiner mich besuchenden Freunde. Das hat auch sein Gutes, schließlich übt man Spanisch, weil man des Öfteren nach dem Weg fragen muss. Glücklicherweise ist der Alte Hafen nicht so leicht zu verfehlen. Mit seiner ihn überspannenden, über achtzig Jahre alten Seilbahn, die über zwei Eisen- gegen sind Demonstrationen gegen Banken oder Madrid. Grundsätzlich spielt sich das Leben draußen ab. Es herrscht ein ständiges Wirrwarr an fremden Sprachen, Musik, Straßenverkäufern und sonstigem Lärm (insbesondere verursacht durch diverse Autofahrer, die die Hupe als Mittel der Beschwerde gegenüber flinken Rollerfahrern für sich entdeckt haben). Außerdem hat das Essen hier eine viel größere soziale Bedeutung. Dafür stehen die Tapas, kleine Portionen, die zum Teilen gedacht sind. Empfehlenswert sind türme zum Montjuïc führt und den schönen, ihn umgebenden Gebäuden gehört er in jede Stadtbesichtigung. Fast immer flanieren hier Menschen aus allen Ecken der Welt und hören den Klängen der Straßenmusiker zu. patatas bravas und pan catalan als Grundlage, dazu frittiertes Gemüse, Ziegenkäse und die Paprikawurst chorizo. Freunden von Fleisch in allen Variationen sei auch ein Besuch des Mercat de la Boqueria an der Rambla empfohlen. Vom Schafskopf über Eingeweide bis hin zum Oktopus wird dort jeder Geschmack bedient. Spnisches Großstadtflair Die Stadt selbst ist sehr vielfältig. Manche Viertel Barcelonas scheinen längst vergangenen Jahrhunderten unverändert entsprungen, andere ihrer Zeit voraus. Von kleinen, einheimischen Bars bis zur typischen ERASMUS-Großraumdisko, vom erstaunlich sauberen Strand bis zu den rückwärtig gelegenen Bergen, von Resten der alten römischen Befestigung bis zu den modernistischen Bauten Gaudis, Cadafalchs und Montaners, von den engen Gassen der Barrios Born und Gotico bis zu den nur wenige Meter weiter gelegenen protzigen Gebäuden der Jahrhundertwende; es gibt unglaublich viel zu entdecken. Inmitten des großstädtischen Flairs findet man auch immer wieder versteckte Oasen wie den Placa de Sant Felip Neri, die Jardins de Joan Maragall oder den Parc del Laberint d’Horta. Nicht nur im Labyrinth „Das Leben spielt sich draußen ab“ Es gibt Dinge, die man anders als in Deutschland in Barcelona fast nie beobachten kann, Regen zum Beispiel (und wenn doch, korreliert er mit Chaos auf den Straßen). Häufiger da- Barcelonas Vielfalt im Kleinen Ich habe es bei den Fruchtsaft-Ständen belassen. So wichtig das Abendessen, beginnend ab 21:30 Uhr, sein mag, das Frühstück scheint umso bedeutungsloser. Oftmals muss ein tallat, ein Espresso mit wenig Milch, und ein ensaïmada, eine puderzuckerbestäubte Hefeschnecke genügen. In den Genuss belegter Baguettes am Mittag dürfte nicht nur Auslandskorrespondentenkollege Beckert aus Dijon gekommen sein. Auch die Spanier beherrschen die kulinarische Kunst, die zwei Hälften eines bocadillo mit jamon, queso, oder sonstigen ausgefallenen Belägen anzureichern. Es müssen an die 180 sein, die ich in den vergangenen Monaten gegessen habe. Was den sozioökonomischen Status seiner Bewohner betrifft, wird Barcelona in zwei Bereiche eingeteilt: In die Stadtteile nördlich und südlich der Avinguda Diagonal. Die kleine, in einem alten kirchlichen Ziegelsteinbau eingerichtete Universitat Abat Oliba liegt unweit der berühmten Avinguda Tibidabo im Norden der Stadt, in einer der vornehmen, von Villen geprägten Gegenden. Die mit 50 Minuten recht lange Anfahrt wird jedes Mal aufs Neue mit einem weitläufigen Blick auf die Stadt entlohnt. Studieren in Barcelona An der Universität habe ich Graphic Design, Political Science und Information Enterprise auf Englisch belegt, dazu einen Spanischkurs mittleren Niveaus. Da es sich um eine Privatuni handelt, ist das System ziemlich verschult: Unangekündigte Tests, Hausaufgaben, Referate, mündliche pflicht für Vorlesungen. +++ Man munkelt, Ricker lässt grüßen. +++ Man munkelt, Richard Lemke habe bei der Eröffnung des GFG Sekt in sein Büro Auslandskorrespondenz 34 Abfragen am Anfang der Stunde, Anwesenheitspflicht und kleine Klassenräume. Die Betreuung ist darum umso intensiver, auch für ein Freizeitprogramm wird gesorgt. So wurden Stadtführungen innerhalb Barcelonas wie auch nach Girona, Tarragona und Sidges angeboten. Vor dem grimmigen Bibliothekar sollte man sich allerdings in Acht nehmen. Das scheint in manchen Fällen wohl so ein kulturunabhängiges Ding zu sein. Die Inhalte der einzelnen Kurse werden die Lesenden an dieser Stelle wohl weniger interessieren. Der Spanischkurs jedenfalls endete meist im lockeren Geplauder über die Geschichte Kataloniens oder, zu meiner größeren Freude, über Fußball. Da der Professor kaum Englisch spricht, waren wir bei der Erweiterung unseres Vokabu- lars auf seine Umschreibungen angewiesen. Mehr noch aber auf seine Kreidezeichnungen. Kreidereste fanden sich gegen Ende des Unterrichts dann oft auch auf dem jeweiligen seinen etwas runderen Bauch bedeckenden Kleidungsstück. Denn jedes Mal, wenn er plötzlich mit mächtiger Stimme Vale, ein Pendant zu Ok, den Raum erzittern ließ, rieb er mit seinen Händen auf seinen Bauch. Ungewisse Zukunft für Spaniens Printmedien Zum Schluss einige Worte zum Zeitungsmarkt in Katalonien. Ist Print auch dort womöglich dem Niedergang geweiht? Nach Hallin und Mancini ist er dem polarisiert-pluralistischen Modell zuzuordnen: Auflagenzahlen wie Professionalisierung seien gering, Meinungsjournalismus hingegen ausgeprägt, der Leserkreis elitär. Boulevardpresse sei kaum vorhanden. Tatsächlich habe ich nicht viele Zeitungen gesehen. Wenn, dann jedoch die 20 minutos in der Metro, die in der Aufmachung dem Express ähnelt und sich in den Unterwelten Barcelonas großer Beliebtheit erfreut. Zur Elite habe ich demnach nicht vordringen können. Ganz anders als in meiner Erwartung sah ich auch kaum alte Männer, die im Café sitzend Zeitung lesen. Vielmehr spielten sie Brettspiele. Wie auch bei uns, informieren sich meine spanischen Kommilitonen eher über Online-Zeitungen, Apps und das Fernsehen. Eine kleine Umfrage in einem Kurs ergab, dass nur eine Person ein Zeitungs- abonnement hatte – und nicht aus Spanien kommt. Viele der Projekte im Information Enterprise Kurs, wo es galt, ein Start-Up zu simulieren, drehten sich um Online-Variationen von Zeitungen. Es sieht also nicht sehr rosig aus für die Zukunft der spanischen Presse, der Meinung ist auch der Professor des besagten Kurses. Zum Glück bietet Barcelona genügend Möglichkeiten, um von diesem traurigen Zustand, möge er denn stimmen, abzulenken. Es muss ja nicht für jeden eine Karriere im Print sein. Manche begnügen sich auch mit einer solchen im hiesigen Fußballverein. Und mit dieser Einschätzung zurück ins Studio. Bild: Schneiders Rien ne va plus? Aus Frankreich berichtet Johannes Beckert Bild: Beckert Auch in Frankreich haben Zeitungsverlage seit Jahren mit finanziellen Problemen und neuen Medien zu kämpfen, erste bekannte Titel mussten schon früher als in Deutschland eingestellt werden. Die schwere Krise nährt aber auch Innovationen, die Hoffnung für die Zukunft der Presse machen. Der deutschen Presse geht es schlecht. Das dürfte seit der Insolvenz der Frankfurter Rundschau und dem Verschwinden der Financial Times Deutschland im Winter 2012 auch den letzten Ungläubigen eindrucksvoll vermittelt worden sein. Schwindende Anzeigenerlöse schla- gen sich in den Verkaufskosten nieder und erschweren die Gewinnung neuer Lesergruppen. Vor allem am LeserNachwuchs mangelt es, hat sich doch die kostenlose Informationskultur im Internet bei der Generation Web 2.0 inzwischen fest etabliert. schmuggeln wollen. +++ Man munkelt, er habe auch andere Dozenten dazu angestachelt. +++ Man munkelt weiterhin, er wollte einen Sekthalter Auslandskorrespondenz Dass der Printjournalismus nicht nur in Deutschland in der Krise steckt, zeigt ein Blick über Rhein und Vogesen ins Nachbarland Frankreich. Hier mussten 2012 bereits zu Jahresbeginn die ersten überregionalen Titel die Segel streichen und ihre gedruckte Ausgabe vorerst einstellen: France Soir und La Tribune fielen hauptsächlich dem anhaltenden Einbruch der Werbeerlöse und Verkaufszahlen zum Opfer, teilweise auch der Verweigerung zur Modernisierung, wie die stuttgarter-zeitung.de im März 2012 berichtete. Ähnlich wie die Tageszeitungen hierzulande leidet die französische Presse an stark sinkenden Werbeeinnahmen und stark rückläufigen Verkaufszahlen. Dem gegenüber stehen anhaltend hohe Materialund Vertriebskosten, die zum Teil mehr als 50 Prozent der gesamten Herstellungskosten für eine Zeitung ausmachen. Die bisherige Reaktion der Zeitungshäuser lautete Kostensenkung – Seitenumfänge wurden reduziert, Redaktionen verkleinert. Auf regionaler Ebene fanden in den vergangenen Jahren zudem zahlreiche Verlagskonzentrationen statt. Die Folgen: Insolvenzen, Redaktionsverkleinerungen und damit verbunden qualitative Einbußen. Industrielle Investoren als Rettung? Auf überregionaler Ebene hat sich derweil ein anderer Ansatz zur Bekämpfung der finanziellen Misere gefunden, nämlich die Suche finanzstarker Investoren aus der Industrie. So ist der Flugzeug- und Raumfahrtkonzert Lagardère Anteilseigner diverser Verlagsgruppen, die unter anderem die Zeitschriften Paris Match, Elle, sowie die größte französische Regionalzeitung Le Parisien und die Sportzeitung L’Equipe herausgeben. Der Waffenhändler und Politiker Serge Dassault ist Inhaber der neben Le Monde wichtigsten überregionalen Tageszeitung Le Figaro, Unternehmer Bernard Arnault (Dior, Louis Vuitton, Moët Hennessy) Eigentümer der Wirtschaftszeitung Les Échos. Bankenerbe Édouard de Rothschild schließlich ist mehrheitlich an der dritten großen überregionalen Tageszeitung Libération beteiligt. Die finanzielle Abhängigkeit nicht nur von den Anzeigekunden, wirkt sich negativ auf die redaktionelle Qualität aus und gefährdet die journalistische Unabhängigkeit. Mediapart – Modell für die Presse von morgen? Dass es auch Wege aus dieser Abhängigkeit gibt, zeigt das Beispiel Mediapart. Gegründet im Jahr 2008 von ehemaligen Redakteuren der Le Monde, sind alle Artikel ausschließlich im Netz und nur gegen Bezahlung verfügbar: „Die journalistische Unabhängigkeit können wir hier nur garantieren, wenn wir auf Werbung verzichten, und das verstehen unsere Leser“, verteidigte Mitgründer François Bonnet 2008 gegenüber dem Handelsblatt den Schritt zur kostenpflichtigen Internet-Zeitung. Damit behielt er Recht. Während die gedruckten Zeitungen heute nach wie vor ums Überleben kämpfen, ist Mediapart mit investigativem Journalismus und mehr als 80.000 zahlenden Abonnenten (Stand: November 2013) hochprofitabel. Und das ohne jeglichen Einfluss von Anzeigenkunden oder Investoren. Gratiskultur als größte Bedrohung für die traditionellen Blätter in Frankreich Mediapart ist nicht nur ein gelungenes Beispiel für die Wahrung journalistischer Unabhängigkeit sondern auf für den Umgang mit einem der größten Feinde der gedruckten Zeitung: dem Internet. Wie auch hierzulande haben es die Printmedien in 35 Frankreich versäumt, ein langfristig profitables Geschäft mit ihren Internetauftritten zu etablieren. So sind aktuelle Informationen grundsätzlich gratis abrufbar, wie das Beispiel LeMonde.fr zeigt. Hier stehen sämtliche Nachrichten die nicht älter als drei Tage sind allen Nutzern frei zur Verfügung. Dazu zählen Nachrichten aus der gedruckten Zeitung, sowie Meldungen der Nachrichtenagenturen und Multimediale Inhalte, selbst eine Online-Version der Printausgabe mit Zoom- und Blätter-Funktion – wer läuft da noch zum Kiosk um zwei Euro für eine Papierzeitung zu bezahlen? Die bisher geschilderten Probleme spiegeln zu großen Teilen das wieder, womit auch der deutsche Zeitungsmarkt zu kämpfen hat. Die französische Presse hat jedoch noch einen weiteren Gegner, die Gratiszeitung. Ein kurzer Rückblick: zwischen 1999 und 2001 versuchte der norwegische Schibsted-Verlag mit seiner Gratiszeitung 20 Minuten auch in Deutschland Fuß zu fassen. Das Blatt sollte sich zunächst in Köln etablieren und später auch in anderen Großstädten erscheinen. Dagegen wehrten sich die in Köln vertreibenden Traditionsverlage Axel-Springer (BILD) und M. DuMont Schauberg (Kölner StadtAnzeiger) und verdrängten 20 Minuten nach gescheitertem Rechtsstreit schließlich mit eigenen Gratiszeitungen erfolgreich vom Markt, bis heute. Frankreich hingegen hat diesen Zeitungskrieg – sofern er in dieser Form dort jemals stattgefunden hat – verloren. Nicht nur 20 Minuten erfreut sich in 40 französischen Städten großer Beliebtheit, in 15 boomt auch das schwedische Pendant Metro. Das Konzept der Gratisblätter ist so einfach wie effektiv: was in Deutschland als Anzeigeblätter regional und meist nur wöchentlich erscheint, wird in Großstädten als überregionale Tageszeitung angeboten. Wie der Name schon sagt, gratis. Durch die Auslage in U-Bahn-Stationen und anderen Orten mit hohem Personenaufkommen bedienen die Gratiszeitungen vor allem Pendler und Berufstätige, wichtige Zielgruppen für den Straßenverkauf der traditionellen Tageszeitungen. Fazit: Die Krise als notwendiger Schritt zur Innovation? Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Zeitungskrise keineswegs nur ein deutsches Problem ist. Schwindende Anzeigenerlöse und Verkaufszahlen, sowie die Abwanderung der Leser in die kostenlosen Internetangebote sind auch über die Grenzen hinaus verbreitet. Anders als in Deutschland haben sich in französischen Großstädten Gratiszeitungen wie 20 Minuten oder Metro inzwischen fest etabliert und verschärfen die Krise für traditionelle Tageszeitungen. Um der Insolvenz zu entgehen, versuchen viele französische Zeitungsverlage den schwierigen Spagat zwischen finanzieller Unterstützung aus der Industrie und journalistischer Unabhängigkeit von den Investoren und den Anzeigekunden. Dieser mag mittelfristig wohl den Ruin vieler gedruckter Blätter verhindern, mindert langfristig aber die journalistische Qualität. Neue Anbieter wie Mediapart beweisen jedoch, dass es möglich ist, erfolgreich aus diesem Spiralprozess auszubrechen. Vielleicht braucht es also erst eine handfeste Krise um innovative Ideen für eine erfolgreiche Mischung aus hochwertigem Journalismus, einem profitablen Erlösmodell und dem richtigen Umgang mit den neuen Medien hervorzubringen. Für Frankreich könnte dies ein Lichtblick auf dem Weg aus der Krise bedeuten. Für den deutschen Zeitungsmarkt bleibt zu hoffen, dass nicht erst der Ausverkauf der Verlagshäuser notwendig wird um den Sprung vom traditionellen Vertriebsmodell in eine innovative Zukunft zu wagen. mitgehen lassen. +++ Man munkelt, Dekan Stefan Aufenanger meine, man hätte sich an die Eigenheiten der Jalousien des Georg-Forster-Gebäudes Qualitative 36 embierie Ideas, anyone? Publizissimus-Redakteure und ihre Einschätzungen zur Zukunft der Zeitung - ausnahmsweise mal ganz subjektiv Auch wenn ich mich gerne online über aktuelle Nachrichten informiere, würde mir die gedruckte Zeitung fehlen. Ab und zu braucht man einfach eine Ausgabe, die man in der Hand halten kann. Eine Zeitung, für die ich bezahlen würde, muss eine klare und einfach verständliche Sprache für Jedermann aufweisen. Hintergründe müssen weiter ausgeführt und Fachausdrücke aus Politik und Wirtschaft auch mal erklärt werden. Da mich vor allem das Kulturressort interessiert, müsste dieser in meiner Wunschzeitung natürlich verstärkt Beachtung finden. - Franziska Breininger Der Begriff „Zeitungskrise“ ist meiner Ansicht nach nicht ganz richtig. Klar, Auflagen und Anzeigenerlöse sinken. Dennoch ist weniger das bedruckte Papier in einer Krise, sondern vielmehr die Nachrichteninformationen, die auf diesem gedruckt werden. Der Grund: Das Internet hat aus Nachrichteninformationen einen stetigen Prozess ohne Stillstand gemacht. Nachrichten sind heute „im flow“, wie man so schön sagt. Am besten kann man diesen prozesshaften Nachrichtencharakter bei den unzähligen Nachrichten-Tickern beobachten, die mittlerweile zum Standartrepertoire aller (Internet-)Medien gehören und rund um die Uhr den Leser über neue Entwicklungen informieren. Die statische Berichterstattung eines Print-Erzeugnisses kann da nicht mithalten. Sobald sie aus der Druckerei kommt, schafft sie einen 24-stündigen Stillstand, der mit den heutigen Konsumgewohnheiten der Leser nicht vereinbar scheint. Sie friert das Weltgeschehen ein – und das könnte der Zeitung zum Verhängnis werden. Eine statische Berichterstattung müssen zukünftige Zeitungen vermeiden. Es sei denn, unsere, durch das Internet beschleunigte, Gesellschaft sehnt sich irgendwann nach Entschleunigung. Dann könnte die bedruckte Zeitung wieder auftrumpfen. - Giuseppe Rondinella gewöhnt. +++ Man munkelt, bei der Eröffnung des GFG habe man die Raucher vertrieben, um einen guten Eindruck zu machen. +++ Man munkelt, Qualitative 37 embierie Ich glaube nicht, dass es in der Zukunft nur noch Online-Nachrichten geben wird. Stattdessen werden die Zeitungen einfach immer mehr werden wie das Internet. In die Seiten werden winzige knickbare LEDs eingearbeitet werden, die bewegte Bilder und kurze Videos abspielen können. Außerdem wird das Papier mit Sensoren ausgestattet sein, die Berührungen erkennen. Wenn den Leser etwas besonders interessiert, kann er auf einen Link tippen und schon wird das mit der Zeitung verbundene Smartphone oder Tablet reagieren. Es wird kein Altpapier mehr anfallen, was außerordentlich umweltschonend ist, denn jeden Tag wird sich das Papier von selbst mit den neuesten Nachrichten füllen (vorausgesetzt man zahlt einen gewissen Betrag über sein Smartphone). Das Gefühl einer Zeitung bleibt damit erhalten! Zum Misten der Meerschweinchenkäfige wird man sich jedoch leider eines neuen Materials bedienen müssen. - Miriam Pontius Die Zeitung der Zukunft stelle ich mir leider nicht mehr auf Papier vor. Ich denke, es wird irgendwann ein Bezahlmodell für Apps auf dem Handy oder vor allem für Tablet-Anwendungen geben, mit dem sich viele Leser anfreunden werden können. Ich kann mir auch vorstellen, dass sich so jeder seine „eigene“ Zeitung basteln können wird, genau mit den Berichten, die ihn interessieren. - Lorenz Harst In Zukunft bezieht nur noch ein elitärer Kreis gedruckte (Wochen-)Zeitungen. Zuweilen können sich auch nur auf das Lokale beschränkte Zeitungen mit Kleinstauflage wie das Harbuger Blatt durchsetzen. Der Großteil der Zeitungen jedoch wird substitutiv online vertrieben und mobil genutzt. Es wird seine Zeit dauern, aber dann wird der Geburtsfehler der Online-Zeitungen, nämlich, dass sie kostenlos genutzt werden können, korrigiert. Hauptsächlich setzen sich Freemium-Preismodelle durch. Die Platzierung der Nachrichten geschieht individuell nach den Bedürfnissen der Nutzer. Dieses Customizing steigert die Attraktivität der Online-Zeitungen und erhöht die Anzeigenkosten, schadet aber auch der Meinungsvielfalt. - Pascal Schneiders Für mich muss die Zeitung von morgen nicht zwangsläufig digital sein. Ich bin der Meinung, dass die gedruckte Zeitung ihren ganz eigenen Reiz hat. In der Zeitung von morgen möchte ich von aktuellen Themen lesen, die die Welt bewegen. Mich interessieren aber auch lokale Nachrichten aus meiner Region. Neben einer Zeitung, die mich sachlich informiert, würde ich mir aber auch Berichte über Reisen, Filmneuigkeiten und Neuheiten, die im Alltag nützlich sind, wünschen. - Julia Schäfer Oliver Quiring wollte sich beim Fotoshooting von Doris Ahnen, Malu Dreyer und Georg Krausch in den Hintergrund drängen und photobomben. +++ Man Die 38 autoren Wie es sich für waschechte Publizistikstudenten gehört, sind unsere Autoren sowohl medien- als auch informationsaffin. Doch woher beziehen sie eigentlich am liebsten ihr täglich Brot an Information? Estelle Allali . . . hat ihr Studium in Mainz am IfP begonnen und erst einmal Publizistik und Romanistik studiert. Ab dem kommenden Semester sollen es aber Ethnologie und Wirtschaftswissenschaften werden. In Sachen Information verlässt sie sich ganz auf ihren Computer: Über das aktuelle Weltgeschehen informiert sie sich am liebsten über das stationäre Internet. Nicole Ioussim . . . studiert Publizistik und Soziologie im ersten Semester und hat für ihren Einblick in die Publizissimus-Geschichte „Vor 30 Jahren“ direkt in die Tasten gehauen. Ihr Lieblingsmedium ist und bleibt die Zeitung, weil sie findet, dass nichts das Gefühl, eine echte Zeitung in den Händen zu halten, ersetzen kann. Als loyale Wiesbadenerin gibt es für sie nur ein Medium, nämlich den Wiesbadener Kurier. Franziska Breininger … studiert Publizistik und British Studies im ersten Semester. Kein Festival, kein Konzert ist vor ihr sicher und als begeisterte Musikhörerin darf natürlich das Radio auf keinen Fall fehlen. Egal wo, egal wann, Musik läuft immer, öfter auch mal von schiefem Gesang begleitet. Zusammen mit Julia hat sie bei ihrem ersten Publizissimus-Einsatz nicht lange gezögert und sich um die Titelgeschichte zur Zeitungskrise gekümmert. Die neuesten Entwicklungen in der internationalen Zeitungsbranche haben die beiden für Euch zusammengefasst. Peter Mertes … hat auch zum ersten Mal beim Publizissimus mitgewirkt. Er studiert Publizistik und Geschichte im zweiten Semester. Warum das Radio sein Lieblingsmedium ist? Neben den Nachrichten, die jedes Medium liefert, bringt das Radio auch noch die beste Unterhaltung. Wären da bloß nicht diese schrecklichen Morningshows auf einigen Sendern... Als großer Satirefan zitiert er gerne Dieter Hildebrandt: „Die Satiriker sind die wahren Realisten – die Politiker die irren Utopisten.“ Lorenz Harst . . . ist zum vierten Mal beim Publizissimus dabei und somit schon ein ganz alter Hase. In dieser Ausgabe hat er Frau Prof. Dr. Stark und Herrn Prof. Dr. Reinecke zur Zeitungskrise befragt und zusammen mit Giuseppe seine Eindrücke von dem Beusch bei der BBC geschildert. Sein Lieblingsmedium ist und bleibt kicker.de in seiner allerreinsten Form - auf dem PC. Ganz einfach, weil er zahlenlastige, trockene Fußballberichterstattung liebt. Elisabeth Neuhaus … hat für diese Ausgabe die Auswirkungen der Printkrise vor der Haustür untersucht und unter anderem mit der Redaktionsleiterin der mittlerweile eingestellten Mainzer RheinZeitung gesprochen. Sie studiert Publizistik und American Studies im vierten Semester. Beim Publizissimus hat sie zum dritten Mal mitgemischt. Am liebsten informiert sie sich über die Spiegel Online App, die sie am Tag gefühlte 178 Mal öffnet. munkelt, er wolle insgeheim wieder Munkler-König werden. +++ Man munkelt, Christine Meltzer meine, alles was kostenlos ist, schmeckt. +++ Man Die 39 autoren Miriam Pontius . . . beschreibt sich selbst als verwirrte Publizistik-Anfängerin und Mainz-Unkundige. Weil die Hosentaschen an Skinny Jeans für eine gedruckte Zeitung zu klein sind, wurde jenes lästig brummende Gerät, das Handy, von ihr zum Nachrichtenmedium Nummer Eins auserkoren. Außerdem war es nie leichter, seine Freunde spontan mit witzigen Bildchen von misslungenem Essen zu erfreuen! Sie hat den BILDblog porträtiert und war für Euch im Gutenberg-Museum. Giuseppe Rondinella . . . studiert im sechtsen Semester Publizistik und Soziologie und ist seit zwei Jahren dabei. In dieser Ausgabe hat er sich mit einem ehemaligen FRJournalisten getroffen und imit ihm über seine neuen PR-Tätigkeiten gesprochen. Das liegt nahe, schließlich ist die Frankfurter Rundschau auch sein Lieblingsmedium, aus dem er seine täglichen Infos bezieht. Außerdem hat er sich mit der scheinbaren Krise des linearen Fernsehns beschäftigt. Jakob Reifenberger . . . ist zum ersten Mal für den Publizissimus aktiv, obwohl er bereits im sechsten Semester Publizistik und British Studies studiert. Er berichtet in dieser Ausgabe über die Erfahrungen während seines Praktikums in London. Über das aktuelle Geschehen informiert er sich ausschließlich im Faktenmagazin TITANIC, zu Satirezwecken greift er jedoch manchmal auch zu Welt und Focus. Julia Schäfer . . . studiert Publizistik und British Studies im ersten Semester. Begeistert von Mode, liest sie jeden Monat die aktuelle Ausgabe der Modezeitschrift „Joy“. Dadurch bleiben ihr die aktuellen Trends nicht lange verborgen und auch in Sachen Stars, Lifestyle, Reisen und Kinohits ist sie immer auf dem Laufenden. Ihr Publizissimus-Debüt ist die Titelgeschichte zur Zeitungskrise. Unsere Auslandskorrespondenten: Johannes Beckert . . . studiert im siebten Semester Publizistik und Politikwissenschaft. In dieser Ausgabe berichtet der CvD a.D. aus Frankreich über die dortige Situation der Tagespresse. Selbst nach einer Flasche Burgunder Rotwein sieht die Lage dort gar nicht mal so gut aus. Die Zeitung der Zukunft sieht er eher als multimedialen paid content im Internet, der durch eine gedruckte Ausgabe ergänzt wird. Pascal Schneiders . . . ist in diesem Semester unser Spanien-Korrespondent gewesen. Seine Quellen des täglichen Nachrichtenkonsums sind meist die App und die Website der tagesschau, sowie ZEIT ONLINE. Er schätzt deren Aktualität, Mobilität und Qualität. Und ihren Preis = 0. Schuldig im Sinne der Anklage! Ein Zeitungsbonnement ist in Planung. Bisher liest er Zeitungen nur, wenn er mal zu Hause oder in einem Café ist. Oder auf seinen Flieger wartet. Den Publizissimus gibt´s auch auf Facebook. Klickt auf Gefällt mir! munkelt, der Herr von der LBB meine, beim Bau des Georg-Forster-Gebäudes sei terminlich alles perfekt gelaufen. +++ Man munkelt, ganz schön viel Glosse 40 Petition für ein Publizistikstudium als Online-Spiel Von Lorenz Harst Ich beginne mit einem Appell: Lest von nun ab doch bitte die Campus-Beilage der FAZ. Mir spricht man da als Student aus der Seele. Euch bestimmt auch, wenn ihr zum Bei-spiel mal den Artikel „Spielend durchs Studium“ (FAZ vom 4./5. Januar 2014, C4) auf-merksam lest. Für die drei unter euch, die den Artikel nicht gelesen haben, nur so viel: Darin beschreibt die Autorin sehr detailliert eine neue Lernplattform der Uni Düsseldorf mit dem sprechenden Namen „Legende von Zyren“. Zyren ist eine fiktive Welt, in der, ähnlich wie in Mittelerde, Elben, Zwerge, Menschen und Orks mehr oder minder friedlich miteinander leben. Als Student wählt man dann irgendein Fantasiewesen aus und löst mit diesem Avatar verschiedenste Aufgaben, um Punkte zu sammeln, höhere Level zu erreichen und die anfänglich lumpige Kleidung gegen schillernde Rüstungen zu tauschen. Hab ich was vergessen? Oh ja, natürlich: Man wartet natürlich nicht darauf, dass ein gegnerischer Magier etwas Episches dropt, nein, das Ganze dient dazu, den eher trockenen Stoff des Moduls „Wissensrepräsentationen“ der Fachrichtung „Informationswissenschaft und Sprachtechnologie“ spannender zu gestalten. Das „Warum, zum schwarzen Hexenmeister von Azeroth“ liefert uns die FAZ übrigens auch gleich, und hier wird es interessant. Die Studenten heutzutage fänden den Stoff in seiner ursprünglichen Form viel zu langweilig, deshalb hat man in Düsseldorf dieses an Likes auf Facebook und Treuepunkte bei dm erinnernde System aus den USA übernommen. „Dass es nun nötig scheint, dass die Universität ihnen Anreize zum Lernen verschafft, mit der sonst saturierte Konsumenten zum Kauf von Kaffeemaschinen oder Flugreisen gebracht werden sollen, zeigt, welcher Art die Motivation scheinbar ist, die viele Studenten für ihr Studium mitbringen.“ (ebd.) Ja! Richtig! Genau so sieht es aus! Ich meine, mal ganz ehrlich: Wir sind doch alle ein bisschen Düsseldorfer Student der Sprachtechnologie, oder? Also, ich stehe jetzt mal auf und dazu: Wäre meine Bachelorarbeit ein Online-Game, ich wäre locker mal bei hundert Seiten und hätte ganz nebenher auch schon einen Level Up zum Master in Medienmanagement gepackt. Schließlich hat die Autorin recht, ich giere nach Facebook-Likes. Wenn niemand das Statusbild meines Mittagessens vor und nach dem Verzehr liked, verprügele ich den Level dreizehn Nachtelf schon aus Prinzip – mir doch egal, dass das vermutlich ein elfjähriger Junge ist, der vor einem One-Direction-Plakat sitzt und pro Tag maximal zwei Stunden zocken darf. Wenn ich danach sein Schwert aufsammeln kann und noch ein paar Charakterpunkte dazu bekomme, ist es mir das wert. Schließlich knalle ich der Kassiererin ja sogar bei einem Päckchen Kaugummis zu neunundsiebzig Cent meine Payback-Karte hin und habe auch mein Postbank-Konto nur, weil es einen Hundert-Euro-Zalando-Gutschein dazu gab. Wenn ich also pro Seite Bachelorarbeit ein paar Einheiten Gold und für fünf passende Zitate das Schwert des Schicksals bekäme, käme jede Zeile meiner Arbeit jetzt schon einer Überschrift gleich! Und wenn Prof. Arnold dann auch noch als weißer Zauberer in einer Phantasiewelt herumliefe, müssten wir uns auch nicht ständig Mails schreiben, und ich hätte einen Motivationsstatus von hundert Prozent. Mindestens! Findet ihr komisch? Haltet ihr mich jetzt für einen Nerd? Heuchler, sage ich da nur. Stellt euch mal vor, es gäbe Wilkes „Mediengeschichte“ als Gegenstand einer vierteiligen Quest in der sagenhaften Welt von Noelletopia und ihr müsstet, statt das Ding zu lesen, einfach nur ein paar „Lückentexte und Multiple-Choice-Aufgaben“ (ebd.) knacken und bekämt dafür euren Schein. Und dann sind da ja noch „sogenannte Sidequestlines – Zusatzaufgaben für die besonders Fleißigen“ (ebd.) – also bitte, muss ich noch mehr sagen? Ich frage mich langsam, wann die Führung des IfP endlich zu dem Schluss kommt, dass es ohne fiktive Online-Welt anstelle des neuen Readers einfach nicht mehr geht. Wir Studierenden „sind [eben anders] nicht mehr zu motivieren“ (ebd.) und ich bin sicher, uns erginge es genau wie der Studentin Christine Meschede aus Düsseldorf, die das Gamefication-Prinzip ziemlich abfeiert. Schließlich kann man da auch in Gilden spielen, und das ist natürlich deutlich besser als so eine langweilige Lerngruppe mit drei anderen unmotivierten Kommilitonen. „Man bereitet sich [nämlich] schon allein dadurch besser vor, weil man seine Gilde nicht im Stich lassen will.“ (ebd.) Na klar, ich habe ein paar hundert Freunde auf Facebook, wenn ich jetzt noch Obi Wilkenobis Seminar mit meiner Online-Gilde aus Noelletopia abschließen kann, brauche ich im realen Leben echt keine mehr. Bleibt nur noch die Frage nach der Modulabschlussprüfung, die es aus unerfindlichen Gründen in Düsseldorf noch nicht als Computerspiel gibt. Offenbar hat Lehrstuhlinhaber Wolfgang Stock noch nie was von einem Endgegner gehört, aber die FAZ hat ja trotzdem eine clevere Lösung parat, die zeigt, wie gut sie uns Studenten kennt: Man könnte sich ja „einen Notenbonus von 0,3 bis zu einer ganzen Note erspielen“ (ebd). Also dafür würde ich auch mal eine typisch koreanische ZweiundsiebzigStunden-Session hinlegen, mit Pizza und Redbull und allem. Ich bräuchte dann allerdings noch eine Gilde. Also, wer will mitmachen? Ihr könnt euch euren Avatar auch aussuchen. Ich will aber am liebsten ein Ork sein – der hat eine große Streitaxt und mit der bin ich immer so richtig motiviert! Porno in dieser Ausgabe. +++ Man munkelt, dass gehe in Ordnung. +++ Man munkelt, Gregor Daschmann nehme auf dem Weg in sein Büro nur noch den Hintereingang, um eine Konfrontation mit den Damen vom Prüfungsamt zu vermeiden. +++ Man munkelt, Publis wissen wer der Babo ist.