PDF, 19,6 MB - Fachgebiet Lichttechnik

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PDF, 19,6 MB - Fachgebiet Lichttechnik
DGP
Deutsche Gesellschaft
für Photobiologie
Technische Universität Berlin
Sechstes Symposium
Licht und Gesundheit
Eine Sondertagung der TU Berlin und
der DGP mit DAfP und LiTG
13. und 14. März 2008
Herausgeber:
H. Kaase und F.Serick
Druck:
Paul Kistmacher, Berlin
ISBN 3-9807635-0-3
März 2008
ORGANISATION
Technische Universität Berlin
Fachgebiet Lichttechnik
Sekretariat E6
Einsteinufer 19
10587 Berlin
Tel:
(030) 314 22277
Fax:
(030) 314 22161
E-Mail: lichttechnik@ee.tu-berlin.de
www.li.tu-berlin.de
Dr. Felix Serick
Mario Druwe
Gabriele Rösler
TAGUNGSBEIRAT
Prof. Dr. Angelika Anders-von Ahlften
Hannover
Dr. Peter Bocionek
Stuttgart
Prof. Dr. Wolfgang Ehrenstein
München
Prof. Dr. Erhard Hölzle
Oldenburg
Dr. Rolfdieter Krause
Berlin
Prof. Dr. Hans Meffert
Berlin
Dipl.-Ing. Hans-Joachim Richter
Arnsberg
Prof. Dr. Paul W. Schmits
Berlin
FACHLICHE GESAMTLEITUNG
Prof. Dr. Heinrich Kaase
Inhaltsverzeichnis
Vorwort..................................................................................................1
Einführungsvortrag..............................................................................3
Natürliche und künstliche Strahlung................................................19
Das visuelle System des Menschen I................................................57
Das visuelle System des Menschen II..............................................97
Arnold-Rikli-Preis 2007...................................................................124
IR-Strahlungswirkungen..................................................................130
UV-Strahlungswirkungen................................................................179
Wirkungen sichtbarer Strahlung I..................................................192
Wirkungen sichtbarer Strahlung II.................................................230
Abschlussvortrag..............................................................................275
Poster..................................................................................................283
Vorwort
Mit dem sechsten Symposium „Licht und Gesundheit“ setzen wir eine vor 8 Jahren
begonnene Tradition fort, deren Thema inzwischen auch von anderen Institutionen
aufgegriffen wurde. Immer detailliertere Kenntnisse über die biologischen Wirkungen optischer Strahlung auf den Menschen haben inzwischen einen Umdenkungsprozess initiiert, aus dem sich z. B. erhebliche Konsequenzen für die Konzipierung
von Beleuchtungssystemen (einschließlich der zugehörigen Normen) ergeben.
Die Beiträge des Symposiums sind in folgende sieben Komplexe gegliedert:
–
Natürliche und künstliche Strahlung,
–
Das visuelle System des Menschen, I und II,
–
IR-Strahlungswirkungen,
–
UV-Strahlungswirkungen,
–
Wirkungen sichtbarer Strahlung, I und II.
Sie sind anschließend in der Reihenfolge des Vortragsprogramms abgedruckt. Danach finden sich in alphabetischer Reihenfolge die uns zugeschickten Poster.
Als Einführung wurde ein gesundheitsökonomisches Thema ausgewählt und wegen
seiner besonderen Bedeutung widmen wir uns zum Ausklang noch einmal der Chronobiologie.
Erstmalig dargebotener Höhepunkt ist die Verleihung des Arnold-Rikli-Preises.
H. Kaase
F. Serick
1
2
Einführungsvortrag
Gesundheitsökonomische Betrachtung des Lichts
Prof. Dr. rer. pol. Klaus-Dirk Henke, TU Berlin, et al.1
Einführungsvortrag auf dem Symposium „Licht und Gesundheit“
am 13. und 14. März 2008
1.
Zwei übergreifende Vorbemerkungen: Zur Vielseitigkeit der Ökonomie und
zu einigen ihrer Kerngebiete
2.
Licht als Wirtschaftsfaktor
3.
Die Sonne als Lieferant erneuerbarer Energie
4.
Gesundheitsökonomische Evaluation des Lichts
a)
Negative und positive Effekte des Lichts
b)
Kosten-Nutzen-Betrachtungen und Krankheitskostenrechnungen
als Evaluierungsinstrumente
c)
Finanzierung, Vergütung und Vermarktung neuer
Gesundheitstechnologien
5.
Fazit
Der Verfasser dankt Rolfdieter Krause, Susanne Neheider, Lutz Reimers,
Bernhard Ühleke und Horst Zimmermann für erste Hinweise
1
3
Einführungsvortrag
1. Zwei übergreifende Vorbemerkungen: Zur Vielseitigkeit der
Ökonomie und zu einigen ihrer Kerngebiete
Der Nobelpreisträger der Nationalökonomie Gary S. Becker wendet ökonomische
Überlegungen konsequent auf alle gesellschaftlichen Themen unserer Tage an, auch
auf solche, die weit außerhalb der traditionellen Wirtschaftswissenschaften, also der
Betriebs- und der Volkswirtschaftslehre, liegen.
Seine einfache Grundidee ist es, das individuelle Verhalten durch die Maximierung
einer Zielfunktion unter bestimmten Nebenbedingungen zu erklären, egal ob es sich
um einen Manager, einen Professor, einen Verbrecher, einen Politiker, um Vereinsmitglieder, oder Pastoren handelt. Die Methoden der Ökonomie werden auf die unterschiedlichsten Lebensbereiche und Situationen angewendet.
Der Imperialismus der Ökonomie geht zum Beispiel so weit, dass seine Vertreter sogar Partnerschaften und Ehen unter dem Aspekt von Kosten und Nutzen analysieren. Dabei wird zum Beispiel der Nettonutzen einer Partnerschaft mit dem Nettonutzen des Single-Daseins verglichen, oder der Nettonutzen einer bestehenden Partnerschaft wird dem Erwartungsnutzen einer neuen Partnerschaft gegenübergestellt.
Mit dieser Art Alltagsökonomie lässt sich also sogar die Ehe wirtschaftswissenschaftlich betrachten.2
Hier und heute stellt sich jedoch eine ganz andere Frage, nämlich die, ob sich nicht
auch das Phänomen Licht aus ökonomischer Sicht erhellen lässt. Selbst hier lässt sich
eine Verbindung individuellen Handelns zum Licht finden, wenn man etwa an Personen denkt, die die trüben Novembertage nicht in Deutschland verbringen, sondern
auf die Kanarischen Insel fliegen oder in andere Teile der Welt mit schönerem Wetter. Auch hier kommt es zu einer Kosten-Nutzen-Bewertung, und den genannten
Personen ist es wohl ihr Geld wert, wenn sie sich den dunklen Monaten entziehen.
Das Ziel wäre hier eine höhere Lebensqualität, wohl auch ein Wohlfühleffekt. Damit
ergibt sich ein erster Bezug zur Gesundheit.
Die Frage, welche „Menge“ an Urlaub, gemessen anhand der Urlaubszeit oder anhand von Qualitätsaspekten, in einer sonnigeren, wärmeren Gegend optimal ist, kann
durch eine Grenzkosten-Grenznutzen-Betrachtung bestimmt werden. Grenzkosten
geben an, was eine zusätzliche Einheit Urlaub kostet, der Grenznutzen misst die
2
4
Siehe zu diesem Ansatz im Einzelnen Hübl, L., Ehe und Kinder – einmal ökonomisch
betrachtet, Manuskript, Hannover 2007
Einführungsvortrag
Vorteile einer weiteren Einheit Urlaub. Wenn man annimmt, dass die Grenzkosten
konstant sind und der zusätzliche Nutzen mit jeder weiteren Einheit abnimmt, kann
man das Optimum graphisch wie unten dargestellt ermitteln.
Grenzkosten
Urlaub.
Grenznutzen
Urlaub
Grenzkosten
Grenznutzen
Mopt
Menge Urlaub
Abbildung 1: Kosten und Nutzen eines Urlaubs in der Sonne
Die zweite Vorbemerkung schließt unmittelbar an, denn die Überlegungen von G.
Becker basieren auf dem ökonomischen Prinzip im menschlichen Verhalten. Es geht
um die zwei Seiten der Wirtschaftlichkeit: d.h. bei gegebenem Mitteleinsatz ein Ziel
bestmöglich zu erreichen oder ein vorgegebenes Ziel mit dem geringsten Aufwand
zu verwirklichen. Becker zitiert dazu Bernhard Shaw: „Economics is the art of making most of life“3.
In graphischer Form lässt sich die Aussage zum Wirtschaftlichkeitsprinzip der Abbildung 2 entnehmen. Die beiden jeweils höher liegenden „Produktionsfunktionen“ repräsentieren neue Technologien, die besser oder billiger sein können. Die oberste
Kurve (x3) zeigt sogar eine billigere und gleichzeitig bessere Versorgung durch eine
neue Technologie.4
3
4
Entnommen aus Hübl. L., ebenda
Siehe hierzu im Einzelnen Henke, K.-D., Sprengt die Hochtechnologiemedizin die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme? – die Antwort der Gesundheitsökonomie, in: Rebscher, H., Hrsg., Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Politikberatung, Heidelberg, S. 209-221.
5
Einführungsvortrag
Das Wirtschaftlichkeitsprinzip im Gesundheitswesen
Gesundheitsversorgung
X3
G2
G1
G0
Neue Situation C, D, E
(z.B. durch medizinisch-technischen
Fortschritt)
X2
E
D
C
A Ausgangssituation A
B
X1
F
A1
A2
A4
A3
Gesundheitsausgaben
Technische Universität Berlin
Prof. Dr. Klaus-Dirk Henke
8
Abbildung 2
Mit der wünschenswerten Effizienz steht in der Ökonomie die Allokation der stets
zu knappen Ressourcen im Mittelpunkt, aber auch die Einkommens- und Vermögensverteilung sowie die kurzfristige Konjunkturstabilisierung und die nachhaltige
Wachstumssicherung gehören zu den im Vordergrund stehenden ökonomischen Zielen. Die Übertragung dieser Ziele in das Gesundheitssystem in Form von Standards
wird zunehmend versucht.5
In diesen Zusammenhang gehört als eine wesentliche Voraussetzung auch die gesundheitsökonomische Evaluation von Zielen und Instrumenten. Da die Zahl neuer
medizinischer Technologien unaufhaltsam steigt, ist auch ein „technology assessment“ unverzichtbar. Und hierzu zählen „die Gesamtheit der technischen, materiellen, organisatorischen, informationellen, wissensmäßigen und handwerklichen Voraussetzungen zur Durchführung eines Diagnoseverfahrens oder einer Behandlung“6.
Und neben ökonomischen Faktoren zählen zum Technology Assessment auch juristische, ethische, psychologische und umwelttechnische Bewertungen des medizinischen und medizinisch-technischen Forschritts.
5
6
6
Siehe hierzu Gethmann et. al., Gesundheit nach Maß? Eine transdisziplinäre Studie zu
den Grundlagen eines dauerhaften Gesundheitssystems, Forschungsberichte der Interdisziplinären Arbeitsgruppen der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Band 13, Berlin 2004, S. 110-146
Siehe ebenda, S. 143 sowie Perleth, M., et. al. Health Technology Assessment, Konzepte, Methtoden, Praxis für Wissenschaft und Entscheidungsfindung, Berlin 2008
Einführungsvortrag
Vor dem Hintergrund dieser kurzen Vorbemerkungen zur Vielseitigkeit der Ökonomie und zu einigen ihrer Hauptgebiete soll mit den folgenden Ausführungen versucht werden, das Licht aus Sicht der Ökonomie zu betrachten. Dabei wird versucht,
den überwiegend naturwissenschaftlich ausgerichteten Autoren der Tagungsbeiträge
Anhaltspunkte für ihre Erwartungen an die Gesundheitsökonomie, einer noch jungen akademischen Subdisziplin, zu geben.
2.
Licht als Wirtschaftsfaktor
Güter und Dienstleistungen, die in Zusammenhang mit Licht stehen, bilden einen
„Markt für Licht“, der ebenso wie jeder andere Gütermarkt mit dem Angebot und
der Nachfrage funktioniert.
Dazu gehören z.B. Energiesparlampen, Lampen, Fassungen, Dienstleistungen von
Elektrikern, Strassenlaternen, Infrarotstrahler, Lichtstifte, Glasfaserkabel, Sonnencremes, Solarien oder Sonnenmützen.
Der Wert des Lichts zeigt sich zum Beispiel auch in unterschiedlich hohen Mieten
oder Kaufpreisen von Immobilien, die je nach Lage Nord- oder Südbalkone oder
Gärten haben.
Licht bestimmt auch die Lebensstile verschiedener Länder (man denke an Griechenland oder Spanien im Vergleich zu Finnland oder Grönland). Der durch Licht und
Klima geprägte Lebensstil und die Gesundheit werden als Teil des Humankapitals
zum Wirtschaftsfaktor und wirken sich auf Konsum und Wachstum einer Volkswirtschaft aus.
Aber Licht ist nicht nur ein Gut auf den Märkten für Güter- und Dienstleistungen,
sondern auch auf den Arbeitsmärkten von Bedeutung. Beleuchter beim Film, Theater und Fernsehen haben ein eigenes Berufsbild: Sie „bedienen und warten die lichttechnischen Einrichtungen eines Theaters oder sind für die Montage, Einrichtung
und Bedienung von lichttechnischen Anlagen in Produktionsstudios zuständig. Sie
kümmern sich beispielsweise um Bühnenbeleuchtung bei Rock- und Pop-Konzerten
oder helfen mit, Messestände ins richtige Licht zu setzen. [Sie] arbeiten in erster Linie
in Theatern, Opern- und Schauspielhäusern, bei Konzert und Kongressveranstaltern
sowie bei Film- und Fernsehproduktionsgesellschaften. Sie sind aber auch z.B. bei
Agenturen für Sportveranstaltungen beschäftigt. Darüber hinaus können sie in Inge7
Einführungsvortrag
nieurbüros für technische Fachplanung, z.B. im theatertechnischen Bereich, tätig
sein“7. Außer Beleuchtern sind auch Innenarchitekten mit Licht beschäftigt, wenn sie
für Stimmungslicht oder Arbeitslicht in Hotels, Restaurants oder Büros sorgen.
Last but not least kann man die Beleuchtung in Städten unterschiedlich gestalten und
finanzieren, insbesondere wenn man an die Weihnachtsbeleuchtung oder an die Beleuchtung von Denkmälern und öffentlichen Gebäuden denkt. Das Licht im öffentlichen Raum ist insoweit auch ein Wirtschaftsfaktor bzw. von ökonomischem Wert.
Allerdings muss in diesem Zusammenhang auch die Lichtverschmutzung genannt
werden. Die größten Lichtverschmutzer sind Großstädte und Industrieanlagen, die
des Nachts durch Leuchtreklame, Flutlichtanlagen und die Straßenbeleuchtung zur
Lichtverschmutzung beitragen. Zu den Auswirkungen gehören nicht nur die Energieverschwendung, sondern auch Einschränkungen in der astronomischen Beobachtung und Forschung sowie auch Artenschutzaspekte (z. B. Orientierung nachtaktiver
Insekten) und Wirkungen auf lebende Organismen (z. B. bei Pflanzen).
Um eine ganz andere Perspektive geht es bei der Inanspruchnahme und Finanzierung von Licht im öffentlichen Raum. Die „normale“ Straßenbeleuchtung im öffentlichen Raum ist üblicherweise steuerfinanziert. Dies weist auf einen weiteren wichtigen ökonomischen Aspekt des Lichts hin, denn nicht für jede Art von Licht lassen
sich Gebühren erheben bzw. gibt es einen Markt. Das Sonnenlicht steht uns, abhängig vom Ort in unterschiedlicher Intensität und Dauer, kostenlos zur Verfügung.
Licht hat in vielen Fällen den Charakter eines Kollektivguts. Kollektivgüter sind dadurch gekennzeichnet, dass man von ihrer Nutzung nicht ausschließen kann und
dass es keine zusätzlichen Kosten verursacht, wenn ein weiterer Nutzer hinzukommt
(sog. Nichtrivalität). Diese Eigenschaften führen, wenn sie in Reinform gelten, dazu,
dass für die entsprechenden Güter kein Markt entsteht, da man, wenn man ohnehin
nicht von der Nutzung ausgeschlossen werden kann, nicht bereit sein wird, einen
Preis zu zahlen. Bei solchen Gütern muss oft der Staat bei der Bereitstellung einspringen. Ein typisches Beispiel wäre ein Leuchtturm, und auch auf die Straßenbeleuchtung treffen die Kollektivguteigenschaften zum Teil zu.
7
8
Bundesagentur für Arbeit, http://berufenet.arbeitsamt.de/berufe/start?dest=profession&prof-id=27273&name=Beleuchter/in, abgerufen am 30.1.2008.
Einführungsvortrag
3.
Die Sonne als Lieferant erneuerbarer Energie
Die Vielseitigkeit der Ökonomie zeigte sich, wie bereits angedeutet, darin, dass es
viele Bindestrich-Ökonomien gibt. Hierzu zählen nicht nur die Gesundheitsökonomie als akademische Subdisziplin sondern auch die Umweltökonomie. Dort spielt
das Licht wiederum eine nicht unwichtige Rolle und steht ebenfalls im Zusammenhang mit der Gesundheit.
So können z. B. vor allem durch weniger fossile Energieträger, wie Braunkohle,
Steinkohle, Erdöl oder Erdgas, die Treibhausgasemissionen reduziert werden. Um
eine solche Einsparung zu erreichen, schlagen die Umweltökonomen Steuern auf die
Emission von Schadstoffen und den Emissionshandel mit Verschmutzungszertifikaten vor. Die Biomasse, also Holz, Gras, Mais oder Zuckerrohr, zur Herstellung von
Biokraftstoffen, die Altbausanierung sowie die erneuerbaren Energien durch Wind,
Wasser und Sonneneinstrahlung gehören ebenfalls zu den Hauptinstrumenten der
Energieeinsparung.
Die Sonnenenergie zur CO2-Reduktion ist im Kommen. Aus ökonomischer Sicht ist
es „nur“ eine Frage der relativen Preise, wie schnell ihre weitere Nutzung erfolgen
wird. Je teurer die fossilen Energieträger werden, desto günstiger wird die zur Zeit
noch immer sehr teure Nutzung der Sonnen- bzw. Lichtenergie. Aber schon heute
werden Sonnenkollektoren, die aus Licht Energie machen, mehr und mehr auch
durch private Haushalte eingesetzt. Oft werden neue Formen der Energie, wie z. B.
insbesondere die Windenergie, durch die öffentliche Hand stark subventioniert. Aus
wissenschaftlicher Sicht sollte es sich hierbei allerdings nur um eine Anstoßfinanzierung handeln.8
4.
Gesundheitsökonomische Evaluation des Lichts
a.
Negative und positive Effekte des Lichts
Die Evaluation von Maßnahmen spielt innerhalb der Gesundheitsökonomie eine
zentrale Rolle. Kosten-Nutzen-Analysen, Kostenwirksamkeitsanalysen, Nutzwertanalysen aber auch Krankheitskostenstudien gehören zum Instrumentarium dieser noch
jungen Disziplin. Die Bewertung erfolgt für neue Arzneimittel, innovative medizi8
Siehe hierzu im Einzelnen Zimmermann, H., Henke, K.-D., Finanzwissenschaft, 9. Auflage, München 2005, S. 452ff
9
Einführungsvortrag
nisch-technische Geräte und neue Versorgungsformen, deren Erstattung durch die
Sozialversicherung zur Diskussion steht. Bei „normalen“ Konsumgütern ist eine derartige Bewertung nicht notwendig. Sie ergibt sich aus der Marktfähigkeit der Produkte. Bei der Kosten-Nutzen-Bewertung stehen nicht nur Produkt- und Prozessinnovationen zur Diskussion, sondern auch Systeminnovationen. Neue Therapieformen gehören hierzu, und da wäre die Lichttherapie dann z.B. einer Kosten-Nutzen-Analyse
zu unterziehen oder auch neue ophtamologische Instrumente. Auch die Umstellung
von Sommer- auf die Winterzeit, die mit dem Licht und dem damit verbundenen
Stromsparen begründet wird, ist einer solchen Kosten-Nutzen-Betrachtung zugänglich. Mit der Einführung der Sommerzeit und der gezielteren Nutzung des Tageslichts ergeben sich möglicherweise volkswirtschaftliche Vorteile, die allerdings
schwer nachzuweisen sind, zumal auch die Bedeutung des Biorhythmusses des Menschen dabei einbezogen werden müsste9. Auch durch eine Omnibus-Umfrage
„Möchten Sie, dass es im Sommer eine Stunde eher dunkel wird?“ ließe sich eine
Antwort im Rahmen einer Befragung finden.
Licht hat also genau wie das Schießpulver oder der technische Fortschritt zwei Seiten, denn man kann Gutes und Schlechtes damit machen bzw. von ihm erwarten.
Aus allgemein ökonomischer Sicht passt auf der Seite der positiven Effekte das Beispiel der Reise in die Sonne, vor allem aber die Sonnenkraft als regenerative Energie.
Aus speziell gesundheitsökonomischer Sicht gilt Licht als Heilkraft, beginnend mit
der Empfehlung, im Winter oft ins Freie zu treten, weil dann immer noch mehr Lux
herrschen als im hellen Raum. Und natürlich die Lichttherapie und die auf der Tagung behandelte Wirkung sichtbarer Strahlung.
Auf der Seite der negativen Effekte gibt es aus allgemein ökonomischer Sicht den
Hinweis auf Dürreschäden durch zu viel Sonne oder auch die Tatsache, dass man
einen japanischen Farbholzschnitt nur bei wenig Lux zeigen darf. Bei gesundheitsökonomischer Betrachtung denkt man an die Lichtallergie und das Melanom als negative Effekte des Lichts. Dazwischen liegt jeweils irgendwo ein Optimum an Licht,
z.B. bei Art und Umfang der Sonneneinstrahlung.
Das wünschenswerte Optimum kann man durch eine Grenzkosten-Grenznutzen-Betrachtung, analog zum Reisebeispiel vom Anfang, ermitteln. Die Grenzkosten würden in diesem Fall wohl steigen (Abb. 3).
9
10
Siehe hierzu Chronobiologie: Innere Uhr dreht bei Zeitumstellung durch, WeltOnline
vom 26. Oktober 2007, http://www.welt.de/wissenschaft/article1300816
Einführungsvortrag
Grenzkosten
Sonnenlicht,
Grenznutzen
Sonnenlicht
Grenzkosten
Grenznutzen
Mopt
Menge Sonnenlicht
Abbildung 3: Grenzkosten und Grenznutzen des Sonnenlichts
Aus Alltagswissen ist bekannt (siehe oben), dass die dunklen Monate des späten
Herbstes oft Depressionen auslösen und dass man diesen Einflüssen durch eine sonnige und helle Umgebung ausweichen kann. Viele Menschen verlassen dann das
Land und gehen in Gegenden, in denen die Sonne lacht und der blaue Himmel gute
Laune auslöst. Die Beeinflussung des Lebensstils durch Licht und Klima liegt auf der
Hand. Lichtmangel kann auch zu Erkrankungen führen. Diese Einschätzung geht soweit, dass in Ländern mit sehr hoher Suizidrate10 der mögliche Einfluss des Lichts
diskutiert wird. In den Nordischen Ländern ist möglicherweise die Prävalenz depressiver Erkrankungen höher und der Alkoholmissbrauch verbreiteter.
Nach Ansicht der Autoren Holick und Jenkins11 rettet Sonnenlicht jedoch mehr Leben als es schädigt. Infolge der Entdeckung des Vitamin-D-Hormons behauptet
man, dass eine regelmäßige Dosis Sonnen- oder Kunstlicht Krankheiten wie Osteoporose, Hypertonie, Diabetes, Multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis, Depression
sowie Darm-, Prostata- und Brustkrebs vorbeugen helfen kann. Bei Prostata- und
Mama-Ca. ist dieser Zusammenhang sicher noch vage und bei Diabetes und Hypertonie kann man sich eigentlich nur indirekte Sekundäreffekte vorstellen. Mehr Licht,
besseres Wetter und mehr Bewegung könnte insoweit positive Einflüsse auf den
Krankheitsverlauf ausüben. Auch in der psychiatrischen Behandlung spielt die Licht-
10
11
Laut WHO-Statistik: Russland, Weißrussland, Lettland, Ukraine, Ungarn, Sri Lanka, Slowenien, Kasachtan, Estland, Japan und Finnland. Siehe dazu NZZ Format, Licht in den
dunklen Arbeitsalltag, unter http://www-x.nzz.ch/format/articles/508.html
Michael F. Holick, PhD MD, Mark Jenkins, Schützendes Sonnenlicht – Die heilsamen
Kräfte der Sonne
11
Einführungsvortrag
therapie eine zunehmende Rolle. Es fehlt allerdings allenthalben an belastbaren epidemiologischen und klinischen Studien bzw. Wirksamkeitsnachweisen.
Und um die Verbindung zur Gesundheit noch enger zu knüpfen sei mit dem Nobelpreisträger Hänsch darauf hingewiesen, dass „Laser“ das Licht zu etwas gemacht haben, mit dem man nicht nur sieht, sondern mit dem man auch etwas tun kann, und
das an Orten, die sich nicht berühren lassen, wie die Netzhaut des Auges. „Durch
Laseroperationen sind unzählige Patienten vor dem Erblinden durch Netzhautablösung bewahrt worden“. Als Schwalow den Laser erfand, hatte er nie etwas von dieser
Augenerkrankung gewusst. Und wenn er versucht hätte, wie Hänsch schreibt, „eine
Heilmethode zu erfinden, hätte er sich sicher nicht mit dem damals als esoterisch geltenden Phänomen stimulierter Emission von Licht befasst“12.
Besonders konkret sind auch die arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren, die mit der
Beleuchtungssituation am Arbeitsplatz verbunden sind. Wie beeinflusst das Tagesund Kunstlicht den Menschen in seinen Funktionen am Arbeitsplatz. Bedarf es einer
neuen lichttechnischen Normung unter Einbeziehung der Gesundheitsaspekte? Die
Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren ist vor allem ein Thema für die Berufsgenossenschaft.13
Festzuhalten gilt es, dass das Licht bei aller Bedeutung im Mikrobereich und im Einzelfall auch ohne unmittelbaren therapeutischen Einsatz als Voraussetzung für Gesundheit und Wohlbefinden aus der Makroperspektive eine große Rolle spielt.
b. Kosten-Nutzen-Betrachtungen und Krankheitskostenrechnungen als
Evaluierungsinstrumente
Bei den Kosten-Nutzen-Betrachtungen versucht man, die für die Privatwirtschaft
geltenden Investitionskritierien auch auf neue Technologien, z. B. beim Einsatz von
gesundheitsfördernden neuen Lichttechnologien, anzuwenden. Dazu ist es erforderlich, die Vor- und Nachteile sorgfältig abzuwägen, um dann diejenige Alternative mit
dem größten Nettonutzen auszuwählen. Die Differenz zwischen dem Barwert der
Erträge und dem Barwert der Kosten über die Zeit macht den Kapitalwert der neuen
12
13
12
Der Text wurde entnommen aus: Theodor W. Hänsch, Es werde Licht, Beitrag für Roland Berger Strategy Consultants, 2008
Siehe hierzu im Einzelnen Fischbach, J., Licht und Gesundheit – Das Leben mit optischer Strahlung, Recherche im Auftrag der Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft, Fachausschuss Eisen und Metall III, Sachgebiet Lichttechnik.
Einführungsvortrag
Technologie aus. Dabei ist darüber zu entscheiden, welche Kosten und Nutzen einbezogen werden sollen, wie sie zu bewerten sind und mit welchem Zinssatz die Abzinsung auf die Gegenwart erfolgt. Folgende Unterscheidungen spielen eine große
Rolle:14
-
Direkte Kosten und direkte Nutzen einer neuen Technologie
-
Indirekte Kosten und indirekte Nutzen der neuen Technologie
-
psychosoziale Kosten und psychosoziale Nutzen.
Diese Kostenkategorien können dann auf Krankheit, auf Invalidität und auf den vorzeitigen Tod bezogen werden und auf die unmittelbar und mittelbar betroffenen Personen. Im Einzelnen ist dann zu prüfen, ob und inwieweit sich diese Kostenrechnungen bereits auf neue Lichttechnologien oder auf bestimmte Formen der Lichttherapie
anwenden lassen. Aus der Abbildung 4 lassen sich einige Bestandteile der unterschiedenen Kostenkategorien beispielhaft entnehmen.
14
Siehe hierzu im Einzelnen Zimmermann, H., Henke, K.-D., Finanzwissenschaft, 9. Auflage, München 2005, S. 101 - 108
13
Einführungsvortrag
Abbildung 4: Direkte, indirekte und psychosoziale Kosten von Krankheit, Invalidität und
vorzeitigem Tod.
Quelle: [Henke, K.-D. (1986), Die direkten und indirekten Kosten von Krankheiten in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1980, in: Henke, K.-D., Metze, I. (Hrsg.), Finanzierung im Gesundheitswesen, Gerlingen, (Robert-Bosch-Stiftung (Hrsg.), Beiträge zur Gesundheitsökonomie, Bd.
10, S. 209 - 274.), S. 222.]
Bei derlei Berechnungen muss das angestrebte Ziel feststehen, quantifiziert und monetär bewertet werden, so dass der beste Weg zu seiner Erreichung ermittelt werden
kann.
Stellt man die präventiven Aspekte des Lichts zum Beispiel in den Vordergrund, so
sind die Einsparungen zu ermitteln, die sich aus weniger Fehl- und Krankheitstagen
14
Einführungsvortrag
ergeben. Daraus ergibt sich eine Verbesserung von Arbeitsleistungen, und die Produktivität am Arbeitsplatz steigt, auch zugunsten des Unternehmens und der Gesellschaft. Der individuelle Gewinn an Gesundheit und Lebensqualität durch krankheitsfreie Tage und möglicherweise gewonnene Lebensjahre gehört ebenfalls dazu.
Will man die monetäre Erfassung und Messung eines vorzugebenden Zieles vermeiden, kann auch die Kosten-Wirksamkeits-Analyse gewählt werden. Dabei geht es nur
um die differentielle Kostenwirksamkeit alternativer Maßnahmen bei gegebenem
Ziel.
Konkret lassen sich in einer vergleichenden Kostenanalyse apparative Therapien mit
ihren Entwicklungs- und Investitionskosten der Lichttherapie gegenüberstellen. Für
den Fall, dass eine medikamentöse Behandlung mit ihren Behandlungskosten und
Nebenwirkungen eine Alternative darstellt lassen sich auch die Kosten einer Lichttherapie damit vergleichen.
Ein ganz anderer Weg wird mit den sog. Krankheitskostenanalysen beschritten. Mit
ihrer Hilfe lassen sich die direkten Kosten in Form der tatsächlichen Gesundheitsausgaben und die indirekten Kosten als Verlust an Wertschöpfung definieren und für
bestimmte Krankheiten ermitteln. Die Tabelle 1 zeigt die auf diese Weise berechneten teuersten Krankheiten. Mit diesen Berechnungen lässt sich die Relevanz neuer
Technologien untermauern und die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass möglicherweise am falschen Ende gespart wird, wenn die Gesellschaft sich nur an den tatsächlichen Ausgaben und der Kostendämpfung im Gesundheitswesen orientiert.15
15
Siehe hierzu in größerem Detail Henke, K.-D., Martin, K., Die Krankheitskostenrechnung als Entscheidungshilfe, in: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung –
Gesundheitsschutz, Bd. 49, Nr. 1, S. 19-27
15
Einführungsvortrag
Tabelle 1 Reihenfolge der acht teuersten Krankheiten in Deutschland (direkte Kosten)
und ihre Rangfolge nach verlorenen Erwerbstätigkeits- und Lebensjahren (indirekte Kosten) im Jahr 2004
Direkte
Kosten
Kreislaufsystem
Verdauungssystem (insbesondere zahnärztliche
Behandlung und Zahnersatz
Muskel-Skelett-System
1.
2.
Verlorene
Erwerbstätig
keitsjahre
5.
7.
Verlorene
Lebensjahre
3.
2.
5.
Psychische und Verhaltensstörungen
Neubildungen
Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechsel
Atmungssystem
Verletzungen und Vergiftungen
4.
5.
6.
7.
8.
3.
4.
12.
6.
1.
4.
2.
10.
6.
3.
1.
7.
Quelle:[Zusammengestellt auf der Grundlage von Daten des Statistischen Bundesamtes, Hrsg., Gesundheit:
Ausgaben, Krankheitskosten und Personal 2004, Wiesbaden 2006]
Dieser und anderer Bewertungsmethoden wird man sich bedienen müssen, wenn es
etwa um das Umgebungslicht als Unterstützung für ältere Menschen geht, um die
UV-Belastung bei Arbeiten im Freien oder um die Auswirkungen unterschiedlicher
Beleuchtungen auf Demenzkranke, um einmal drei Themen aus dem Vortrags-programm aufzugreifen.16 Möglicherweise trägt eine optimale Nutzung des Lichtes auch
zu weniger Aggression bei. Menschen, die nur wenig ins Freie und damit ins Licht
kommen, zeigen einen latenten Vitamin D-Mangel, der sich wiederum ungünstig auf
den Bewegungsapparat und damit die allgemeine Leistungsfähigkeit auswirkt. Allerdings lässt sich der Vitamin D-Mangel auch durch Tabletten behandeln, wobei sich
wieder die Frage nach der Kostengünstigkeit alternativer Behandlungsformen ergibt.
Dabei müssen die Kosten der Melanome und anderer lichtabhängiger Hauterkrankungen bei der Beurteilung der Heliotherapie natürlich einbezogen werden. Es gilt
dann eine vernünftige Lichtexposition zu bestimmen und durch Lichtschutzmittel zu
regulieren. Für die Aufklärung der Schädlichkeit von Sonnenbrand hat es von der
Zentrale für gesundheitliche Aufklärung Kampagnen gegeben während die sonnlichtähnliche Bestrahlung in Solarien bisher weniger untersucht wurde.17
16
17
16
Siehe hierzu nochmals Fischbach, J., Licht und Gesundheit – Das Leben mit optischer
Strahlung, Recherche im Auftrag der Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft,
Fachausschuss Eisen und Metall III, Sachgebiet Lichttechnik.
Diese Hinweise verdanke ich B. Ühleke und Rolfdieter Krause.
Einführungsvortrag
Siehe in diesem Kontext auch die Arbeiten über UV-Strahlung und Krebsprävention,
Bluthochdruck und Kreislauferkrankungen sowie die Thematik Licht und biologische Uhr/Rhythmen, alles Themen, die auch von gesundheitsökonomischer Bedeutung sind.18
Ob es gelingt, eine unmittelbare Verbindung zu den Krankheitsbildern nach dem International Code of Diseases herzustellen, wird sich im Einzelfall herausstellen. Zusätzlich ergeben sich in jedem Fall nach einer erfolgreichen Evaluation dann Fragen
nach der Finanzierung, Vergütung und Vermarktung neuer Behandlungsformen und
technologischer Innovationen.19
c. Finanzierung, Vergütung und Vermarktung neuer
Gesundheitstechnologien
Die Finanzierung neuer Technologien bezieht sich zunächst oft auf die Ausgaben für
Forschung und Entwicklung an der Universität, lässt sich aber auch auf die Ausgaben der Sozialversicherung beziehen, wenn es um die Leistungen geht, die deren
Versicherte in Anspruch nehmen. Um die Erstattungsfähigkeit neuer Leistungen,
z.B. aus der Lichttherapie, zu ermöglichen, sind Kosten-Nutzen-Berechnungen für
diesen Ersten Gesundheitsmarkt unerlässlich, denn die Entscheidung über die Erstattung erfolgt zunehmend in dieser Form.20
Bei der Vergütung, Honorierung bzw. Bezahlung erbrachter Gesundheitsleistungen,
z.B. im Rahmen der Lichttherapie, geht es zum einen um die Vergütung der die Leistungen erbringenden Ärzte und Angehörigen anderer Heilberufe und zum anderen
um die Preise, die sich am Zweiten Gesundheitsmarkt herausbilden. In diesem Zusammenhang geht es auch um die Vermarktung neuer Technologien und das Marketing für Leistungen außerhalb der Erstattungsfähigkeit durch private und gesetzliche
Krankenversicherungen.
18
19
20
Siehe z.B. R. Krause et.a. UV Radiation and Cancer Prevention: What is the Evidence?,
in Anticancer Research 26: 2723-2728 (2006) oder ders. et al. The Role of Ultraviolet
Radiation on Cardiocirculatory regulation and on Cardiovascular Risk, in: Holick, M.F.,
ed., Biologic Effects of Light 2001,
Siehe hierzu auch Henke, K.-D., Kosten und Nutzen von Innovationen aus Sicht der
Versicherten, Manuskript, Berlin 2008
Siehe hierzu IQWiG Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen,
Methodik für die Bewertung von Verhältnissen zwischen Nutzen und Kosten im System
der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung, Manuskript, Köln 2008
17
Einführungsvortrag
Je mehr also Licht ein an Bedeutung gewinnender Therapiebestandteil in der Krankenversorgung und gesundheitlichen Betreuung der Bevölkerung wird, umso stärker
wird man sich auch mit Fragen der Finanzierung, Vergütung und Vermarktung der
neuen Gesundheitsleistungen auseinandersetzen müssen, wobei auch der Zweite Gesundheitsmarkt mit seinen Leistungen, die über die privaten Konsumausgaben finanziert werden, einbezogen werden muss.
5.
Fazit
Mit gesundheitsökonomischem Gedankengut lässt sich zwar nicht alles, aber doch
manches über den Zusammenhang von Licht und Gesundheit analysieren. Der Imperialismus der Ökonomie, wie eingangs dargestellt und repräsentiert durch den Nobelpreisträger G. Becker, ist also durchaus begrenzt.
Festzuhalten bleibt auf jeden Fall:
•
Licht als Bedingung für Leben und Gesundheit verbunden mit der Fragen:
Wieviel Sonne/Licht braucht der Mensch?
•
Licht als ein an Bedeutung gewinnender Therapiebestandteil in der Krankenversorgung und gesundheitlichen Betreuung der Bevölkerung im ersten und
zweiten Gesundheitsmarkt, verbunden mit dem Vergleich zu anderen Behandlungsformen.
•
Sonnen- und Tageslicht muss wegen seiner gesundheitsfördernden Wirkungen interdisziplinär nach Art und Umfang seines Einsatzes untersucht werden und last but not least
•
Lichtverschmutzung als Begleiterscheinung der Industrialisierung und eine
umweltfreundlich Beleuchtung als Abhilfe gehören ebenfalls zum Gegenstand einer ökonomischen Evaluation.
Licht als Gegenstand einer gesundheitsökonomischen Betrachtung steht noch ganz
am Anfang.
18
Natürliche und künstliche Strahlung
Tageslicht und Globalstrahlung
Tageslichtbeleuchtung: pro und contra
S. Aydinli
Fachgebiet Lichttechnik, Sekr. E6
Technische Universität Berlin, Einsteinufer 19, 10587 Berlin
1
Einleitung
Die EU-Richtlinie 89/654/EWG „Mindestvorschriften für Arbeitsstätten“ [1] wird
durch die Arbeitsstättenverordnung – ArbStättV vom 2004 [2] in deutsches Recht
umgesetzt. Danach, müssen Arbeitsstätten „möglichst ausreichend Tageslicht erhalten und mit Einrichtungen für eine der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der
Beschäftigten angemessenen künstlichen Beleuchtung ausgestattet sein“. Ausreichendes Tageslicht in Arbeitsräumen ist eng mit psychologischen Aspekten verknüpft:
Diese sind die Sichtverbindung nach außen und der Helligkeitseindruck des Raumes
(s. DIN 5034-1 [3]). Die Einhaltung von Mindestanforderungen an die Tageslichtversorgung und der Ausblick ins Freie sind für das Wohlbefinden von Menschen in Gebäuden unabdingbar und können weder durch eine künstliche Beleuchtung noch
durch andere technische Einrichtungen ersetzt werden. Medizinische und arbeitswissenschaftliche Untersuchungen lassen erkennen, dass höhere Tageslichtanteile für
den arbeitenden Menschen gesundheitsfördernde und arbeitsmotivierende Wirkungen haben. Diese Wirkungen hängen wesentlich mit der Quantität und Qualität des
Tageslichts zusammen. Sie lassen sich jedoch nicht allein auf die in der Arbeitsstättenverordnung beschriebene „ausreichende Tageslichtversorgung“ zurückführen.
2
Tageslichtbeleuchtung
Mindestanforderungen an die künstliche Beleuchtung [4] bezüglich der visuellen Behaglichkeit gelten prinzipiell auch für die Tageslichtbeleuchtung. Allerdings müssen
hier die besonderen Eigenschaften und Vorzüge der Tageslichtbeleuchtung berücksichtigt werden.
19
Natürliche und künstliche Strahlung
2.1 Beleuchtungsniveau am Arbeitsplatz durch Tageslicht
Die Wartungswerte der Beleuchtungsstärke der künstlichen Beleuchtung in DIN EN
12464-1 [4] sind Mindestwerte, die zu keinem Zeitpunkt unterschritten werden dürfen. Sie beziehen sich auf einen Kompromiss zwischen visueller Behaglichkeit und
Wirtschaftlichkeit. Untersuchungen hierzu zeigen, dass die Grenzwerte der Beleuchtungsstärke insbesondere für ältere Menschen zu niedrig angesetzt sind, weshalb
neue Empfehlungen vorgeschlagen werden.
Nach [5] befinden sich über 40% der Arbeitsplätze in einer Entfernung von 1 m oder
weniger zum nächsten Fenster, weitere 30% in einer Entfernung bis zu 2 m. Deshalb
sind auf Arbeitplätzen bei Tageslichtbeleuchtung höhere Beleuchtungsstärken in einem großen Teil der jährlichen Arbeitszeiten zu erwarten. Höhere Beleuchtungsstärken bedeuten in der Regel bessere Sehbedingungen und damit bessere visuelle Behaglichkeit.
2.2 Lichteinfall
Der Lichteinfall bei der künstlichen Beleuchtung erfolgt in der Regel von oben. Bei
der Tageslichtbeleuchtung in Büroräumen mit Seitenfenstern ist der Lichteinfall dagegen seitlich. Nach [6] führt der seitliche Lichteinfall aufgrund der Leuchtdichtekontrastwiedergabe bei gleichen Beleuchtungsstärken zur besseren Erkennung der Oberflächen und der Sehobjekte. Deshalb gilt nach der Norm über Tageslicht [3] die
durch Tageslicht allein gegebene Beleuchtung in Arbeitsräumen mit Fenstern solange
als ausreichend, wie die Beleuchtungsstärke am ungünstigsten Arbeitsplatz mindestens das 0,6-fache der in [4] angegebene Werte der Beleuchtungsstärke beträgt.
2.3 Farb- und Farbwiedergabeeigenschaften
Die Farbe der Tageslichtbeleuchtung ändert sich zeitlich und örtlich zwischen ca.
5000 K bis zu ca. 25000 K dynamisch. Die mittlere ähnlichste Farbtemperatur liegt
bei 6500 K. Da die Tageslichtphasen bei der Bestimmung der Farbwiedergabe Bezugslichtquellen sind, ist davon auszugehen, dass die durch Verglasungen spektral
unveränderte Tageslichtbeleuchtung die besten Farbwiedergabeeigenschaften aufweist.
2.4 Blendungsbegrenzung und Melatonin wirksame Bestrahlung
Die Begrenzung der direkten Blendung und der Reflexblendung am Bildschirm sind
bei Tageslichtbeleuchtung eine große Herausforderung, da sich die natürlichen Licht20
Natürliche und künstliche Strahlung
quellen in der Regel im Gesichtsfeld befinden. Die Sonne hat als natürliche Lichtquelle eine Leuchtdichte von ca. 109 cd/m2. Zur Vermeidung der direkten Blendung
durch die Sonne müssen deshalb entsprechende Sonnenschutzsysteme eingesetzt
werden. Nach dem DIN-Entwurf [7] werden Himmelsleuchtdichten bis zu 4000 cd/
m2 aufgrund der positiven Wirkungen der Tageslichtbeleuchtung nicht als störend
wahrgenommen. Hohe Himmelsleuchtdichten im Gesichtfeld bedeuten aber gleichzeitig höhere Melatonin wirksame Strahldichten. Daher ist die Tageslichtbeleuchtung
als grundsätzlich gesundheitsfördernde Beleuchtung anzusehen.
3
Strahlungsklima-Messplatz der TU Berlin
Zur Bestimmung der Tageslichtbeleuchtungssituation in Gebäuden sind die auf den
Standort bezogenen und langjährig registrierten Tageslicht- und Solarstrahlungsdaten
maßgebend. Dazu wurde am Fachgebiet ein Strahlungsklima-Messplatz inmitten einer Großstadt aufgebaut (Abb. 1). Dabei werden folgende lichttechnischen und
strahlungsphysikalischen Größen jede Minute erfasst und für weitere Auswertungen
registriert: horizontale Beleuchtungsstärke, vier vertikale Beleuchtungsstärken,
Leuchtdichteverteilung des Himmels, Globalbestrahlungsstärke und direkte Sonnenbestrahlungsstärke.
4
Verbundprojekt: Energieeffiziente Beleuchtung
bei gleichzeitiger Verbesserung der Lebensqualität
Der Tageslichtbeleuchtung in Schulen sowie Pflegeheimen ist in den letzten Jahren
verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet worden, denn Tageslichtnutzung ist inzwischen als wesentlicher Faktor zur Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden anerkannt. Die Sanierung der künstlichen und der Tageslichtbeleuchtung unter Verwendung einer Beleuchtungskontrolle trägt nicht nur zur Einsparung elektrischer
Energie bei, sondern verbessert die Lebensqualität. In diesem Verbundprojekt werden Lichttechniker, Architekten und Mediziner in enger Kooperation verbesserte Beleuchtungskriterien für Schulen und Pflegeheime erarbeiten.
21
Natürliche und künstliche Strahlung
120000
100000
E in lx
80000
60000
40000
20000
0
3
5
7
9
11
13
15
17
19
21
Zeit in h
Ev N
Ev O
Ev S
Ev W
Eh
Abb. 1: Strahlungsklima-Messplatz und Messdaten
Die wissenschaftlichen und technischen Arbeitsziele des Vorhabens lassen sich gemäß Abb. 2 in drei Bereiche zusammenfassen. Die einzelnen Themen resultieren aus
aktuellen Fragestellungen; sie haben aber dennoch einen allgemein anwendbaren
Charakter.
22
Natürliche und künstliche Strahlung
Abb. 2: Teilprojekte und Teilnehmer des Vorhabens
Literatur
[1]
EU-Richtlinie 89/654/EWG „Mindestvorschriften für Arbeitsstätten“, No-
vember 1989
[2]
Arbeitsstättenverordnung – ArbStättV, August 2004
[3]
DIN 5034-1, Tageslicht in Innenräumen – Allgemeine Anforderungen, Okto-
ber 1999
[4]
DIN EN 12464-1, Licht und Beleuchtung - Beleuchtung von Arbeitsstätten -
Teil 1: Arbeitsstätten in Innenräumen; Deutsche Fassung EN 12464-1:2002
[5]
A. Cakir, G. Cakir; Licht und Gesundheit - Eine Untersuchung zum Stand
der Beleuchtungstechnik in deutschen Büros (3. erweiterte Auflage), ERGONOMIC,
Berlin, 1998
[6]
Petry, K. Zur Bewertung der Mindestbeleuchtungsstärke und der Nutzungs-
zeit von tageslichtorientierten Arbeitsplätzen mit Hilfe des Kontrastwiedergabefaktors und der äquivalenten Kugelbeleuchtungsstärke, Diss. TH Darmstadt, 1984
[7]
DIN 5035-7, Beleuchtung mit künstlichem Licht – Teil 7, Beleuchtung von
Räumen mit Bildschirm-Arbeitsplätzen, Entwurf 2001
23
Natürliche und künstliche Strahlung
Referenzbasis solarer UV-Expositionen zur Bewertung der
Expositionslevel in der Bevölkerung und an Arbeitsplätzen
im Freien
1
1
Peter Knuschke, 2Marko Janßen, 3Günter Ott
TU Dresden, Klinik und Poliklinik für Dermatologie,
Fetscherstr. 74, 01307 Dresden
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmed.,
2
F.-Henkel-Weg 1-25, 44149 Dortmund
1
Einleitung
In den letzten Jahrzehnten war ein stetiger Anstieg der Hautkrebsinzidenzen zu verzeichnen. Epidemiologische Studien belegen je nach Hautkrebs einen Zusammenhang zu kumulativen UV-Lebensdosen bzw. zu intermittierenden Stoßexpositionen,
diese insbesondere in der Jugend. Einerseits verzeichnen wir durch die steigende Lebenserwartung steigende UV-Lebensdosen, andererseits führt das geänderte Freizeitund insbesondere Urlaubsverhalten zu erheblichen Stoßexpositionen. Einzelne Personengruppen der Bevölkerung sind weiteren, zusätzlichen UV-Expositionen ausgesetzt (im Freien Beschäftigte; Patienten in zyklischer UV-Phototherapie), oder setzen
sich zusätzlichen UV-Expositionen aus (Solarien, Sonnenbaden).
Um solche Expositionserhöhungen im jahreszeitlichen Verlauf zu einer normalen
Exposition durch die umgebende solare UV-Strahlung bewerten zu können, fehlte
bisher eine allgemeine Basis-Referenz für „normale, nicht verhaltensgeprägte“ UVExpositionserhöhungen. Gleiches gilt für die Langzeitbewertung von Zusatzexpositionen, für die ebenfalls keine Basis-Referenz einer kumulativen UV-Jahresdosis biologisch-wirksamer UV-Strahlung vorliegt.
2
Basis-Referenz individueller solarer UV-Expositionen
2.1
Datenbasis
Basierend auf den Forschungsprojekten BMBF-07UVB54B „UV-Personendosimetrie mit Verwendung des Polysulfonfilms als UV-Sensor“ (1996-2000) [1],
BMBF-07UVB54C/3 „Mittlere UV-Expositionen der Bevölkerung“ (2000-2004) [2]
24
Natürliche und künstliche Strahlung
und BAuA F 1777 „Personenbezogene Messung der UV-Exposition von Arbeitnehmern im Freien“ (2003-2006) [3] konnte eine Datenbank zum Jahresverlauf individueller UV-Expositionen in der Bevölkerung von Kindergarten bis Altersheim [1], für
Innenbeschäftigte bzw. im Freien Beschäftigte aus UV-Personenmonitoring-Untersuchungen angelegt werden. Dabei wurden Werktagsexpositionen, Freizeit-/Wochenendtagsexpositionen und Urlaubsexpositionen separat erfasst [2, 3].
Erfasst wurde weiterhin die jahreszeitlich variierende Körperverteilung durch die solare UV-Strahlung für verschiedene Tätigkeitsprofile in Beruf und Freizeit sowie der
meteorologische Einfluss darauf (klarer Himmel, bedeckter Himmel) [2, 3].
2.2
Vorgeschlagene UV-Expositionslevel als Basisreferenzen
Dieser Datenpool zur jahreszeitlichen Verteilung mittlerer individueller UV-Expositionen zwischen Bevölkerungsgruppen und die Expositionsverteilung innerhalb
gleichartig charakterisierter Personengruppen gestattete die Analyse nach typischen
Alltagsexpositionen ohne verhaltenbedingte Erhöhung der individuellen UV-Expositionen für den Jahresverlauf einerseits und für die kumulative UV-Jahresdosis andererseits.
Im Ergebnis kann der folgende Datensatz einer Basis-Referenz der individuellen
UV-Exposition durch die umgebende Solarstrahlung vorgeschlagen werden, der 1)zumindest für Mitteleuropa und den Breitengradbereich 45°...55° n. Br. zutreffend ist
[3]:
Tabelle 1
Basis-Referenz1) effektiver UV-Jahresexpositionen Heff/ref(a) zur Bewertung
des Ausmaßes von Langzeitexpositionen durch solare und/oder künstliche UV-Strahlung
Basis-Referenz der UV-Exposition Heff/ref(a) pro Jahr: Hery/ref: erythem-effektiv; HICNIRP/ref: ICNIRP-effektiv (8h-Grenzwerte für Arbeitsplätze); HNMSC/ref: NMSC-effektiv (Risiko einen
Nicht-Melanom-Hautkrebs durch UV-Strahlung zu entwickeln)
- (a)
=
kumulative UV-Jahresexposition aus Werktagen (w)
+ Freizeittagen (l) + Urlaub (h)
- (a_w) =
Werktagsanteil (w) an der UV-Jahresexposition
Basis-Referenz der UV-Jahresexposition Heff/ref in J/m²/a (Brustposition)
Her/ref in J/m² (in SED/a)
HICNIRP/ref
HNMSC/ref
7.000 (70)
1.800
16.000
Heff/ref(a)
2.000 (20)
500
4.200
Heff/ref(a_w)
25
Natürliche und künstliche Strahlung
Tabelle 2
Jahreszeitlich variierende Basisreferenz für UV-Tagesdosen Heff/ref(d) zur
Bewertung des Ausmaßes von aktuellen Einzel- oder Tagesexpositionen
- für Werktage: Heff/ref(w_60°) ... Heff/ref(w_15°)
- für Freizeit-/Wochenendtage: Heff/ref(l_60°) ... Heff/ref(l_15°)
Mittagssonnenhöhe γs
(= Zeit im Jahr,
für geogr. Br.: 45°...55°N)
Basis-Referenz der UV-Tagesexposition Heff/ref(d) in J/m²/d (Brustposition)
Werktag (w_...)
Her/ref (in SED/d) HICNIRP/ref
Freizeit-/Wochenendtag (l_...)
HNMSC/ref
Her/ref (in SED/d) HICNIRP/ref HNMSC/ref
60° (Mai-Aug.)
35 (0.35)
10
75
100 (1.00)
25
225
42° (Apr.; Sep.)
10 (0.10)
2.5
25
45 (0.45)
10
100
30° (Feb./Mrz.; Okt.)
5 (0.05)
1.0
10
10 (0.10)
2.0
20
15° (Dez. ... Jan.)
2 (0.02)
0.45
3.5
2.5 (0.025)
0.55
4.5
Eine detaillierte Erklärung der Datenbasis die zu diesen Werten geführt hat, ist in [3]
gegeben.
2.3
Mittlere biologisch-effektive UV-Exposition der deutschen
Bevölkerung
Die Bewertung der Risiken aus Noxen oder anderen Expositionen, so auch Strahlungsexpositionen werden üblicherweise gegen die mittlere Belastung der Gesamtbevölkerung bewertet.
Werden unter derartigen Gesichtspunkten die biologisch-effektiven UV-Strahlenbelastungen durch die Solarstrahlung bewertet, muss von der mittleren UV-Exposition
der deutschen Gesamtbevölkerung ausgegangen werden. Auch wenn sich große Teile
der deutschen Bevölkerung im Urlaub sehr hohen UV-Expositionen aussetzen, fließen diese Daten in diesen mittleren Expositionswert ein. Demgegenüber sind die alltäglichen Freizeitexpositionen dieser Bevölkerungsgruppen nur gering (vgl. Kap. 2.2
Datengrundlage der Basisreferenz im Alltag).
Unter dem Gesichtwinkel der Bewertung des langjährigen Risikos für Außenbeschäftigte muss deren mittlere UV-Jahresexposition auf die der deutschen Bevölkerung
bezogen werden. Demgegenüber gibt die empfohlene Referenzbasis die UV-Expositionserhöhung gegen eine für unsere geografische Breitenregion normale Basis-UVExposition an.
Mit der Datenbasis aus den UV-Personenmonitoring-Untersuchungen [1, 2, 3], Daten zur Bevölkerungsstruktur Deutschlands vom Statistischen Bundesamtes Wiesbaden [4] und Daten zu den Reiseströmen der Deutschen vom Forschungsinstitutes für
26
Natürliche und künstliche Strahlung
Urlaub und Reisen e.V. F.U.R. [5] wurde die mittlere solare UV-Jahresexposition für
die deutsche Bevölkerung abgeschätzt.
Ein Problem ist bisher, dass es keine eindeutigen Zahlen für Beschäftigungen ständig
im Freien, innen und außen wechselnd sowie ständig in Gebäuden gibt. Die Zahlen
aus den Statistiken zu Beschäftigten sind gängigerweise ausbildungsorientiert und
einsatzorientiert, in der Regel unter dem Gesichtswinkel des Arbeitsmarktes. So können insbesondere die Arbeitsfelder mit innen/außen wechselnder Tätigkeit nur grob
geschätzt werden. Weiterhin waren weder von F.U.R. noch vom Statistischen Bundesamt tätigkeitsfeld-bezogene Urlauberströme zu ermitteln. Es musste für alle Tätigkeitsfelder und Berufsgruppen mit den gleichen mittlern Urlaubsexpositionen für diesen Anteil an der UV-Jahresexposition gerechnet werden. Aus allen Untergruppen
mit
deren
spezifischer
UV-Jahresdosis
aus
Werktagen,
aus
Freizeit-/Wochenend-/Feiertagen, und aus der mittleren Urlaubsexposition - jeweils
gewichtet mit dem Anteil an der deutschen Gesamtbevölkerung - wurde der folgende
Mittelwert abgeschätzt:
Tabelle 3
Mittlere biologisch-effektive UV-Jahresexposition der deutschen
Bevölkerung
Hery(Deutschland) / Jahr = 130 SED / a (13.000 J/m²)
Wie zu erwarten gewesen war, liegt diese mittlere UV-Exposition der Gesamtbevölkerung über der Referenz Basis-Exposition von 70 SED pro Jahr. Das liegt vor allem
an den mittleren Urlaubsexpositionen, während bei der Jahresreferenzbasis von einem Urlaub am Wohnort mit geringen Freizeitaktivitäten im Freien ausgegangen
wird.
Aber selbst gegenüber dem Bezug auf die mittlere UV-Exposition der Gesamtbevölkerung liegt die Erhöhung der UV-Jahresexposition solcher Berufgruppen wie Bauarbeiter (2,5-fach), Müllabfuhr (2,3-fach) oder Landarbeiter in Landmaschinen (1,8fach) deutlich über der UV-Exposition der Allgemeinheit.
27
Natürliche und künstliche Strahlung
3
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Diese Referenz von Basis-UV-Expositionen bezüglich der Solarstrahlung kann herangezogen werden zwecks:
●
Risiko-Abschätzungen für solar-exponierte Arbeitsplätze [3]
●
Risiko-Abschätzungen für die Allgemeinbevölkerung mit Bezug auf Peak-Expositionen im Urlaub bzw. erhöhte kumulative UV-Expositionen durch das
Freizeitverhalten
●
Bewertungen der 8h-Grenzwerte an Arbeitsplätzen mit künstlichen UVStrahlenquellen mit Bezug zur jahreszeitlichen solaren Umgebungsstrahlung
●
Risiko-Abschätzungen der zusätzlichen UV-Exposition im Fall von Solariennutzung [6]
●
Nutzen-Risiko-Abschätzungen bei Patienten mit chronischen Erkrankungen
in zyklischer UV-Phototherapie
●
Referenzdaten für die dermatologische UV-Photodiagnostik
Im Rahmen des BAuA-Forschungsprojektes „Personenbezogene Messung der UVExposition von Arbeitnehmern im Freien“ konnte diese Referenzbasis eingeführt
und zur Expositionsbewertung von sechs repräsentativen Berufsgruppen mit ständigem bzw. zeitweiligem Tätigkeitsfeld im Freien angewendet werden.
Gleiches ist für die mittlere biologisch-effektive UV-Jahresexposition der deutschen
Gesamtbevölkerung festzustellen. Hier ist die Zielrichtung jedoch vor allem die Feststellung von definitiven Expositionserhöhungen spezieller Berufsgruppen oder Arbeitsplätze vor dem Hintergrund langjähriger beruflicher Belastungen und möglicher
Risiken gesundheitlicher Schäden.
28
Natürliche und künstliche Strahlung
Literatur
[1]
Knuschke P., A. Krins: UV-Personendosimetrie Teil B: Mit Verwendung des
Polysulfonfilms als UV-Sensor. Schlussbericht BMBF-Vorhaben 07UVB54B (Universitätsbibliothek und Technische Informationsbibliothek Standort: F00B1544,
Hannover, 2000)
[2]
P. Knuschke, M. Kurpiers, R. Koch, W. Kuhlisch, K. Witte. Mittlere UV-Ex-
positionen der Bevölkerung. Schlussbericht BMBF-Vorhaben 07UVB54C/3 (Standort: TIB Hannover F05B898, 2004)
[3]
P. Knuschke, I. Unverricht, G. Ott, M. Janßen. Personenbezogene Messung
der UV-Exposition von Arbeitnehmern im Freien. Forschung F 1777 (Schriftenreihe
der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund/Berlin/Dresden, 2007) ISBN 978-3-88261-060-4
[4]
Homepage des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden: http://www.eds-de-
statis.de/de/downloads/
[5]
Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V. F.U.R. „Reiseanalyse RA
2001 - Kurzfassung“ (2000)
[6]
Knuschke P. „Baseline-Reference of individual solar UV-Exposures“ to as-
sess the additional risc caused by sunbed use. 5th International Conference of the
European
Society
of
Skin
Cancer
Prevention
EUROSKIN,
Hamburg,
14.-17.10.2007, Abstracts
29
Natürliche und künstliche Strahlung
UV-Belastung bei Arbeiten im Freien
Marko Weber1, Karl Schulmeister1, Florian Graber1, Andreas Uller1, Emmerich
Kitz 2, Helmut Brusl2, Hans Hann2, Peter Kindl3, Peter Knuschke4
1
Austrian Research Centers GmbH – ARC,
Geschäftsfeld Medizinische Physik, A-2444 Seibersdorf
2
Allgem. Unfallversicherungsanstalt,
Abteilung HUB, Adalbert-Stifter-Str. 65, A-1200 Wien
Institut für Materialphysik, TU Graz, Petersgasse 16, A-8010 Graz
3
4
Klinik und Poliklinik für Dermatologie, TU Dresden,
Fetscherstraße 74, D-01307 Dresden
1 Einleitung
Viele Berufsgruppen gehen ihrer beruflichen Tätigkeit im Freien nach („Outdoor
Worker“) und werden dabei regelmäßig mit hohen Dosen solarer UV-Strahlung exponiert [1-3]. UV-Strahlungsexpositionen gelten als Risikofaktor für die Entwicklung
bestimmter UV-induzierter Schäden des Auges (z. B. UV-Katarakt [4-5]) und der
Haut (z. B. Hautkrebs [6-7]). Solare UV-Strahlung wird auch von der International
Agency for Research on Cancer (IARC) als kanzerogen eingestuft [8]. Um geeignete
Schutzmaßnahmen bezüglich übermäßiger solarer UV-Exposition am Arbeitsplatz
treffen zu können, ist es notwendig, die UV-Belastung am Arbeitsplatz zu quantifizieren.
Zahlreiche Studien zur Erfassung der berufsbedingten solaren UV-Belastung von
Outdoor Workern wurden bereits durchgeführt [9-13], dennoch ist die solare UVBelastung einiger Berufsgruppen bis dato dosimetrisch nicht quantifiziert worden.
Um die solare UV-Strahlungsbelastung der drei Berufsgruppen Spengler, Verschubarbeiter und Gleisarbeiter zu evaluieren, wurde im Sommer 2005 und 2006 ein UVMonitoring an Outdoor Workern im Auftrag der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) durchgeführt.
Ein Umrechnungsfaktor, der das Verhältnis der UV-Exposition am entsprechenden
Körperteil zur horizontalen UV-Belastung wiedergibt, wurde versucht zu berechnen.
Bei Kenntnis der vorliegenden horizontalen UV-Belastung (abrufbar bei allen Mess30
Natürliche und künstliche Strahlung
stationen im Rahmen des UV-Index Messnetzes) und des Umrechnungsfaktors für
den jeweiligen Körperteil, kann die UV-Exposition des entsprechenden Körperteiles
berechnet werden.
Im Rahmen dieses Forschungsprojekts wurde weiters die Akzeptanz und Praxistauglichkeit unterschiedlicher persönlicher Schutzausrüstungen gegen solare UV-Strahlung evaluiert, sowie die UV-Schutzwirkung von Bekleidungstextilien (bei unterschiedlicher Konditionierung) und Gläser/Scheiben bzw. die UV-Reflexivität von
Oberflächen, die für Berufsgruppen im Freien von Relevanz sind, untersucht.
2 Material und Methoden
2.1 Datenerfassung
Zur Quantifizierung der UV-Belastung wurden die Probanden mit Polysulfondosimetern (Dicke: 26 µm, Medizinische Fakultät TU Dresden) an unterschiedlichen
Körperpositionen ausgestattet, gleichzeitig erfolgte auch eine Messung der horizontalen UV-Belastung mittels Polysulfondosimeter vor Ort. Die Kalibrierung der Polysulfonfilme sowie die Auslesung der Messdaten wurden an der Medizinischen Fakultät
der TU Dresden durchgeführt. Die Anwendbarkeit von Polysulfonfilmen für die
UV-Dosimetrie wurde in zahlreichen Studien bestätigt [14-16]. Das Funktionsprinzip
des Polymers Polysulfon basiert auf einer UV-induzierten Änderung seiner Absorptions- bzw. Transmissionseigenschaften gegenüber UV-Strahlung [17-18]. Die Änderung dieser Eigenschaft kann direkt mit der auf den Polysulfonfilm aufgetroffenen
biologisch wirksamen UV-Dosis Heff (J m-2) in Relation gebracht werden [19].
Die Polysulfonfilme waren in einen Papprahmen geklebt und in einer Kunststoffmaske fixiert. Da der Polysulfonfilm an einem schönen Sommertag innerhalb eines
Arbeitstages eine UV-Sättigung erfährt, wurde ein Teil des Films hinter einem Graufilter platziert, wodurch eine Messbereichserweiterung realisiert werden konnte. Die
Tragedauer der Polysulfondosimeter betrug je nach Wetterlage 1–4 Arbeitstage, der
Austausch der Polysulfonfilme wurde von Mitarbeitern der Austrian Research Centers durchgeführt. Als Trageposition für die Dosimeter wurden Nacken, Brust, Vorder- sowie Hinterkopf ausgewählt. Durchschnittlich wurde jeder der Arbeiter mit 2
Polysulfondosimetern bestückt. Während des Personenmonitorings wurde jede Baustelle zumindest zweimal täglich von Mitarbeitern der Austrian Research Centers be31
Natürliche und künstliche Strahlung
sucht und das korrekte Tragen der Dosimeter überprüft. Zusätzlich wurden folgende
wichtige Randparameter vor Ort festgehalten, welche einen maßgeblichen Einfluss
auf die UV-Exposition haben: Arbeitszeit, Wetter, Beschreibung der Baustellen
(Schatten), Art der Tätigkeit, Bekleidung, Pausenverhalten und persönlicher Schutz
gegen UV-Strahlung.
Einen Überblick über das Personenmonitoring an den drei Berufsgruppen gibt Tabelle 1.
Tab. 1: Überblick über das Personenmonitoring zur Quantifizierung der UV-Bestrahlung.
Berufsgruppe
Spengler
Verschubarbeiter
Gleisarbeiter
Ort
Untersuchungs-zeitraum
Anzahl Baustellen
Anzahl Arbeiter
Erfasste Manntage
Raum Klagenfurt/Villach
Juni-Juli 2005 (5 Arbeitswochen)
Wien, Nord-Westbahnhof
Juli-August 2006 (5
Arbeitswochen)
Wien, Bahnhof
Hetzendorf
August 2006
(6 Arbeitstage)
7
1
1
14
240
10
104
10
30
2.2 Relevante Grenzwerte
Um das Risiko der Arbeiter, entsprechende UV-induzierte Schäden zu erleiden, einschätzen zu können, ist es notwendig, die gemessenen biologisch effektiven UV-Dosen bzw. Bestrahlungsstärken mit entsprechenden Grenzwerten zu vergleichen, die
von internationalen Institutionen (z. B. ICNIRP) vorgegeben werden [32]. Für diese
Studie wurden dazu die in Tabelle 2 gegebenen Grenzwerte herangezogen.
Tab. 2: Grenzwerte und entsprechende biologische Wirkungsspektren für Auge
und Haut mit Angabe der entsprechenden Zeitbasis.
biol.
Wirk
ungsspektrum
betroffenes
Gewebe
Evaluierungsbasis
Zeit
s(λ)
Auge
(Hornhaut),
Haut
ICNIRP, ACGIH
8h
30 J m-2
≤ 1000 s
10000 J m-2
UV-A
sery(λ)
32
Grenzwert
Auge (Linse)
Haut
ACGIH
Heff
10 W
m-2
> 1000 s
ICNIRP
8h
CIE
8h
Eeff
10000 J m-2
Hauttyp I: 200 J m-2
Hauttyp II: 250 J m-2
Hauttyp III: 350 J m-2
Hauttyp IV: 450 J m-2
Natürliche und künstliche Strahlung
Die Grenzwerte für die erythemwirksame Effektivdosis (Erythem = Sonnenbrand)
für die ungebräunte Haut wurden in der Vergangenheit in Form der minimalen Erythemdosis (MED) angegeben. Die MED sollte dabei allerdings nicht als Grenzwert,
sondern vielmehr als orientierender Richtwert verstanden werden. In den letzten Jahren hat die CIE das Konzept der Standard-Erythemdosis (SED, 1 SED = 100 J m -2
Hery) eingeführt [20]. Da die MED für Menschen des gleichen Hauttyps beträchtlich
variieren kann, sollte für eine objektive Beurteilung des Risikos der Haut das Konzept der SED herangezogen werde, da es unabhängig vom Hauttyp ist.
2.3 Faktor Körperdosis zu Horizontaldosis (FTH)
In einer Studie [13] konnte gezeigt werden, dass für Straßenbauarbeiter eine gute
Korrelation zwischen der erythemalen UV-Bestrahlung eines entsprechenden Körperteiles (tatsächliche Dosis) und der horizontalen erythemalen UV-Bestrahlung besteht und somit ein Faktor berechnet werden kann, der die tatsächliche, biologisch
wirksame Körperdosis mit der biologisch wirksamen Horizontaldosis gemäß Gleichung (1) in Relation setzt. Um dies für die Berufsgruppe der Spengler zu verifizieren, wurden auf den Baustellen Polysulfondosimeter zur Messung der horizontalen
UV-Bestrahlung auf einer horizontalen, schattenfreien Oberfläche ausgelegt um die
Korrelation zwischen den gemessenen Horizontaldosen und den gemessenen Körperdosen zu untersuchen.
effektive Bestrahlung am Körperteil [J m − 2 ]
FTH =
effektive horizontale Bestrahlung [J m − 2 ]
(1)
Die Einführung eines Faktors FTH gemäß Gleichung (1) bringt folgende Vorteile
mit sich:
1. Bei Kenntnis eines Faktors für einen entsprechenden Körperteil kann auf die
UV-Bestrahlung dieses Körperteils in den Folgejahren bei Kenntnis der effektiven horizontalen Bestrahlung, welche von Messstationen im Rahmen des
UV-Index-Messnetzes abgerufen werden kann, extrapoliert werden.
2. Mit gewissen Einschränkungen lässt sich dadurch auch auf die UV-Bestrahlung dieses Körperteils über das ganze Jahr extrapolieren.
Dieser Faktor gilt nur für die entsprechende Berufsgruppe und ist auch abhängig von
der Art der Arbeitstätigkeit (Körperhaltung). Weiters sei darauf verwiesen, dass die33
Natürliche und künstliche Strahlung
ser Faktor für bestimmte Körperteile auch gewissen saisonalen Schwankungen unterliegt.
3 Ergebnisse der Dosimeterstudie
3.1 UV-Bestrahlung des Nackens
Am Nacken der untersuchten Berufsgruppen wurden die Dosiswerte gemäß Tabelle
3 gemessen. In Abbildung 1 sind die Messergebnisse für den Nacken in grafischer
Form dargestellt.
Tab. 3: UV-Dosisbelastung am Nacken. Dargestellt sind die maximale Dosis Hmax pro
Arbeitstag sowie die durchschnittliche Dosis Hd pro Arbeitstag.
Gefährdung
Dosis
Spengler
Verschubarbeiter
Erythemales
UV sery(λ)
Hmax
Hd
2715 J m-2
1690 J m-2
1040 J m-2
335 J m-2
1222 J m-2
602 J m-2
Aktinisches
UV s(λ)
Hmax
Hd
698 J m-2
434 J m-2
267 J m-2
86 J m-2
313 J m-2
154 J m-2
Erythemale Bestrahlung am Nacken pro Arbeitstag
maximale Dosis Hmax
Grenzwert/
Richtwert
MED I-IV:
200 – 450 J
m-2
ICNIRP:
30 J m-2
Aktinische B estrahlung am Nacken pro Arbeitstag
durchschnittliche Dosis Hd
max imale Dosis Hm ax
3000
durc hsc hnittlic he Dosis Hd
800
700
2500
aktinische Bestrahlung [J m -2 ]
erythemale Bestrahlung [J m-2]
Gleisarbeiter
2000
1500
1000
500
600
500
400
300
200
100
MED-Bereich
30 J m-2
0
0
Spengler
Abbildung 1
Verschubarbeiter
Gleisarbeiter
Spengler
Verschubarbeiter
Gleis arbeiter
Belastung des Nackens pro Arbeitstag mit erythemwirksamen UV
(Grafik links) sowie aktinischem UV (Grafik rechts).
3.2 UV-Bestrahlung der Brust
Im Brustbereich wurden bei den untersuchten Berufsgruppen die UV-Bestrahlungen
gemäß Tabelle 4 gemessen.
34
Natürliche und künstliche Strahlung
Tab. 4: UV-Dosisbelastung im Brustbereich. Dargestellt sind die maximale Dosis Hmax
pro Arbeitstag sowie die durchschnittliche Dosis Hd pro Arbeitstag.
Gefährdung
Dosis
Spengler
Verschub-arbeiter
Gleisarbeiter
Erythemales
UV
Hmax
Hd
974 J m-2
480 J m-2
445 J m-2
206 J m-2
402 J m-2
224 J m-2
UV-A
Hmax
Hd
271600 J m-2
134000 J m-2
126000 J m-2
59800 J m-2
115700 J m-2
65000 J m-2
Aktinisches
UV s(λ)
Hmax
Hd
249 J m-2
123 J m-2
115 J m-2
53 J m-2
103 J m-2
58 J m-2
Grenzwert/
Richtwert
MED I-IV:
200 – 450
J m-2
ICNIRP
(Auge):
10000 J
m-2
ICNIRP:
30 J m-2
3.3 Abschätzung der täglichen UV-Bestrahlung des Auges
Das Auge ist durch die Augenhöhle und die Nase sehr gut gegen Strahlung von oben
und von der Seite geschützt. Aufgrund des eingeschränkten Blickfeldes des Auges
dürfen die Brustdaten nicht direkt für die Abschätzung der Bestrahlung der Augen
herangezogen werden, da das Dosimeter im Brustbereich ein Blickfeld besitzt, das
annähernd dem gesamten Halbraum entspricht. Bei direkter Umlegung der Brustdaten für die Belastung der Augen würde es wahrscheinlich zu einer Überbewertung
der UV-Bestrahlung der Augen kommen. Um eine Abschätzung der UV-Bestrahlung
der Augen vornehmen zu können, werden daher die Messwerte auf der Brust gemäß
den Ergebnissen der Studien von Sydenham [21] sowie Hoover [22] korrigiert.
Sydenham setzte in seiner Studie seinen Probanden Kontaktlinsen aus Polysulfon ins
Auge, und lies sie für eine Zeitdauer von einer Stunde zur Mittagszeit über eine Rasenfläche gehen. Gleichzeitig hatten die Probanden auch ein Polysulfondosimetder
auf der Brust befestigt. Weiters wurde vor Ort die UV-Strahlung auf eine horizontale
Fläche mittels Radiometer gemessen. Gemäß den Ergebnissen von Sydenham besteht bei klarem Himmel ein Verhältnis der Bestrahlung mit aktinischem UV auf dem
Auge zu jener auf der Brust von 0,174.
Hoover stellte in einer Studie fest, dass die Reflexionseigenschaften des Untergrundes die UV-Bestrahlung des Auges maßgeblich beeinflussen. Für die Bestrahlung des
Auges ist hauptsächlich Strahlung von vorne von Relevanz. Erhöht sich die Reflexivität des Untergrundes beispielsweise von 5 % auf 10 %, so steigt die UV-Bestrahlung der Hornhaut um 18 % an. Bei einer weiteren Erhöhung des Reflexionsgrades
des Untergrundes auf 60 % (z. B. weisen gewalztes Zinkblech oder Altschnee derart
35
Natürliche und künstliche Strahlung
hohe Reflexionsgrade auf) würde die Bestrahlung der Hornhaut des Auges gar um
338 % ansteigen (bezogen auf aktinische UV-B – Strahlung). Für die Korrektur der
Brustdaten wurde bei den Spenglern deswegen zusätzlich eine Erhöhung der Augenbelastung von 30 % vorgenommen, da diese auf bzw. mit stark UV reflektierenden
Oberflächen arbeiten.
Die hier vorgenommen Korrektur ist einerseits relativ vorsichtig, um die UV-Bestrahlung der Augen nicht überzubewerten und anderseits mit großen Unsicherheiten
behaftet:
●
Die Studie von Sydenham berücksichtigt aktinisches UV (s()) aber nicht
UV-A. Aktinisches UV wird in der Atmosphäre stärker gestreut als UV-A,
während UV-A von Oberflächen stärker reflektiert wird. Über Reflexion von
Oberflächen sollte daher mehr UV-A auf das Auge treffen, während aus der
in der Atmosphäre gestreuten UV-Strahlung das aktinische UV das Auge
stärker belasten sollte.
●
Die Zusammensetzung der UV-Strahlung in der Atmosphäre ändert sich
über den Tag bzw. über das Jahr, d.h. das Verhältnis zwischen UV-A und aktinischem UV ändert sich tageszeitlich und jahreszeitlich betrachtet fortlaufend.
●
Atmosphärische Einflüsse wie Ozongehalt, Luftverschmutzung oder Bewölkung beeinflussen durch Filterung bzw. Streuung ebenfalls die auf die Augen
fallende UV-Strahlung.
●
Je nach Blickrichtung der Arbeiter im Freien ergeben sich für die Augen unterschiedliche UV-Belastungen.
Die UV-Bestrahlung der Augen wurde für die untersuchten Berufsgruppen gemäß
Tabelle 5 abgeschätzt, und sind in der Abbildung 2 in grafischer Form dargestellt.
Tab. 5: Abgeschätzte UV-Dosisbelastung der Augen. Dargestellt sind die maximale
Dosis Hmax pro Arbeitstag sowie die durchschnittliche Dosis Hd pro Arbeitstag.
Gefährdung
Dosis
Spengler
Verschubarbeiter
Gleisarbeiter
UV-A
Hmax
Hd
Hmax
Hd
61436 J m-2
30310 J m-2
56 J m-2
28 J m-2
21924 J m-2
10405 J m-2
20 J m-2
9 J m-2
20132 J m-2
11310 J m-2
18 J m-2
10 J m-2
Aktinisches
UV s(λ)
36
Grenzwert/
Richtwert
ICNIRP (Auge):
10000 J m-2
ICNIRP:
30 J m-2
Natürliche und künstliche Strahlung
Abschätzung der aktinischen Bestrahlung der
Augen pro Arbeitstag
Abschätzung der UV-A - Bestrahlung der Augen pro
Arbeitstag
max imale Dosis Hmax
maximale Dos is Hmax
durchschnittliche Dosis Hd
-2
akti nische Bestrahlu ng [J m
]
60000
UV -A - Bestrah lu ng [J m-2]
durchschnittliche Dos is Hd
60
70000
50000
40000
30000
20000
50
40
30
20
10
10000
0
0
Spengler
Abbildung 2
Verschubarbeit er
Gleisarbeiter
Spengler
Verschubarbeiter
Gleisarbeiter
Abgeschätzte Bestrahlung der Augen pro Arbeitstag mit UV-A
(Grafik links) sowie aktinischem UV (Grafik rechts).
3.4 Faktor Körperdosis zu Horizontaldosis (FTH)
Aufgrund der geringen Anzahl erfasster Manntage bei den Berufsgruppen der Gleisarbeiter sowie der Verschubarbeiter kann nur ein Faktor für die Berufsgruppe der
Spengler angegeben werden. Weiters wird dieser Faktor nur für die Körperpositionen
Brust und Nacken angegeben, da die Datenmenge für die Körperpositionen Hinterkopf bzw. Gürtel nicht ausreichend sind. Die in Tabelle 6 angegebenen Faktoren beziehen sich ausschließlich auf die Bestrahlung mit erythemwirksamer UV-Strahlung.
Tab. 6: Berechnete Faktoren Körperdosis zu Horizontaldosis für erythemwirksame
UV-Strahlung des Nackens und der Brust für die Berufsgruppe der Spengler.
Körperteil
FTH
Einfache Standardabweichung
Nacken
0,50
± 0,19
Brust
0,12
± 0,05
Gemäß Tabelle 6 wird ein Spengler auf der Nackenposition mit ca. 50 % der erythemwirksamen Globalstrahlung bestrahlt, im Brustbereich beträgt seine UV-Belastung ca.12 % der erythemwirksamen Globalstrahlung.
4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen aus der
Dosimeterstudie
4.1 UV-Bestrahlung der Haut
Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem die Berufsgruppe der Spengler UV-Dosiswerte
während eines Arbeitstages im Sommer aufakkumuliert, die entsprechende Grenzwerte bzw. orientierende Richtwerte um ein Vielfaches überschreitet. Für Hauttyp I
37
Natürliche und künstliche Strahlung
wird im Nackenbereich die entsprechende MED von 200 J m-2 um einen Faktor von
8 in Bezug auf die durchschnittliche, erythemwirksame Bestrahlung pro Arbeitstag
überschritten. Vergleicht man die gemessenen maximalen Dosiswerte mit der MED
für Hauttyp I, so wird diese um einen Faktor 13 überschritten. Der Grenzwert von
30 J m-2 für aktinisches UV wird bei den Spenglern im Nackenbereich sogar um
einen Faktor 14 (durchschnittliche Dosis) bis 23 (maximale Dosis) überschritten.
Die Haut verfügt bis zu einem gewissen Grad zwar über einen Selbstschutz (Lichtschwiele, Hyperpigmentierung) gegen UV-Strahlung, doch selbst für Arbeiter mit
derartiger Adaption der Haut (Hauttyp III und IV) erscheinen die gemessenen Dosiswerte als nach wie vor zu hoch. Optisch konnte während des UV-Monitorings auf
den Baustellen, trotz entsprechender Pigmentierung („Bräune“) der Spengler, das
Auftreten von UV-Erythemen beobachtet werden. Vor allem bei Arbeitern des
Hauttyps I und II besteht ein besonders großes Risiko hinsichtlich UV-induzierter
Hautschäden, da bei ihnen dieser Eigenschutzmechanismus der Haut nur in geringem Maße ausgeprägt ist. Entsprechende Schutzmaßnahmen zum Schutz vor solarer
UV-Strahlung sollten jedenfalls getroffen werden, um UV induzierten Schäden der
Haut vorzubeugen. Da auf vielen Baustellen weder organisatorische noch technische
Schutzmaßnahmen möglich sind, ist zumindest das Tragen persönlicher Schutzausrüstungen (Bekleidung, Kopfbedeckung, Sonnenschutzmittel) notwendig.
Die Berufsgruppe der Gleisarbeiter erscheint noch weiter untersuchungswürdig hinsichtlich ihrer UV-Belastung. Die wenigen erhobenen Daten deuten aber darauf hin,
dass auch sie einer UV-Dosis ausgesetzt sind, die die Verwendung von persönlicher
Schutzausrüstung erfordert. Im Nackenbereich wurde bei den Gleisarbeitern eine
Überschreitung der MED für Hauttyp I um einen Faktor 3 (durchschnittliche erythemwirksame Bestrahlung pro Arbeitstag) bzw. 6 (maximale erythemwirksame Bestrahlung pro Arbeitstag) gemessen.
Die Verschubarbeiter weisen zwar die geringste UV-Bestrahlung der drei untersuchten Berufsgruppen während des Arbeitstages auf, da ihre UV-Belastung jedoch auch
knapp die relevanten Grenzwerte für die Haut überschreitet, erscheint auch für sie
die Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung sinnvoll.
38
Natürliche und künstliche Strahlung
4.2 UV-Bestrahlung der Augen
Die Messergebnisse bestätigen, dass die Spengler aufgrund ihrer Arbeit mit bzw. auf
stark reflektierenden Oberflächen, einer erhöhten UV-Bestrahlung von vorne ausgesetzt sind. Die Abschätzung der UV-Belastung der Augen ergab, dass auch hier die
Berufsgruppe der Spengler die höchste UV-Dosis pro Arbeitstag aufakkumuliert. Der
von der ICNIRP vorgegebene Grenzwert für UV-A des Auges wird von den Spenglern um das Dreifache (durchschnittliche UV-A – Bestrahlung pro Arbeitstag) bzw.
Sechsfache (maximale UV-A – Bestrahlung pro Arbeitstag) überschritten. Betreffend
der Belastung des Auges mit aktinischem UV liegen die Spengler knapp am (durchschnittliche Bestrahlung) bzw. um das ca. Zweifache (maximale Bestrahlung) über
dem entsprechenden Grenzwert von 30 J m-2. Während des UV-Monitorings konnte
auch festgestellt werden, dass die untersuchte Gruppe manchmal über die klassischen
Symptome einer Hornhautentzündung (Photokeratitis) klagte. Die Verwendung von
UV-Schutzfiltern (Sonnenbrillen) zur Vorbeugung von UV-induzierten Augenerkrankungen erscheint für die untersuchte Gruppe der Spengler notwendig.
Die UV-Bestrahlung der Augen für Verschub- sowie Gleisarbeiter ist deutlich niedriger als jene der Spengler und dürfte nicht zu einer Induzierung von akuten bzw.
chronisch UV-bedingter Augenerkrankungen führen. Die Verwendung geeigneter
Sonnenbrillen während der Arbeit erscheint dennoch sinnvoll. Das Tragen von Sonnenbrillen bei Verschub- und Gleisarbeitern darf allerdings nicht deren Wahrnehmung von Signalanlagen beeinflussen.
5 Studie zur Akzeptanz und Praxistauglichkeit von persönlicher
UV-Schutzausrüstung
Während es zur physikalischen Schutzwirkung von persönlicher Schutzausrüstung
gegen UV-Strahlung bereits zahlreiche Untersuchungen gibt, wird auf die Akzeptanz
und Praxistauglichkeit der Schutzausrüstung meist wenig Wert gelegt. Doch was
nützt die beste physikalische Schutzwirkung, wenn die entsprechende Schutzausrüstung aufgrund mangelnder Akzeptanz von den Arbeitnehmern im Freien im Arbeitsalltag nicht verwendet wird?
Um die Akzeptanz und Praxistauglichkeit von persönlichen Schutzmaßnahmen
(Bekleidungstextilien, Kopfbedeckungen, Sonnenbrillen, Sonnenschutzmittel) gegen
39
Natürliche und künstliche Strahlung
UV-Strahlung zu evaluieren, wurde eine Studie mit Spenglern, Verschubarbeitern der
ÖBB und Gleisarbeitern durchgeführt. Einen Überblick über die Studie gibt
Tabelle 7.
Tab. 7: Überblick über die Studie zur Praxiserprobung von Schutzmaßnahmen.
Berufsgruppe
Spengler
Verschubarbeiter
Gleisarbeiter
Ort
Kärnten St.Veit/Althofen
Juni-Juli 2006 (3 Arbeitswochen)
Wien, Nord-Westbahnhof
Wien, Bahnhof
Hetzendorf
August 2006
(3 Arbeitstage)
Untersuchungszeitraum
Anzahl Baustellen
Anzahl Arbeiter
Evaluierung
Einschränkungen
3
13
August 2006
(3 Arbeitswochen)
1
12
Fragebögen, persönliche Kommunikation
Helmpflicht, Farbe der
Textilien/Gläser
1
6
Eine detailliertere Beschreibung dieser Studie kann in [23] und [24] nachgelesen werden.
5.1 Getestete persönliche Schutzausrüstungen
5.1.1 Bekleidungstextilien
Bei den Bekleidungstextilien wurden Produkte ausgewählt, die mit einem UPF (UVSchutzfaktor [25]) vom Hersteller gekennzeichnet wurden. Der UPF (engl. Ultraviolet Protection Factor) gibt, analog dem Lichtschutzfaktor (LSF) bei Sonnenschutzmitteln, die Schutzwirkung eines Textils gegen erythemwirksame UV-Strahlung an.
Die UV-Schutzwirkung der Textilien wurde im Labor auch nachgemessen (siehe
[26]). Die getesteten Bekleidungstextilien unterschieden sich dabei hinsichtlich Stoff
(Baumwolle, Mikrofaser,…), Farbe, Design, UPF sowie in der Länge der Ärmel
(Kurzarm/Langarm). Einen Überblick über die getesteten Bekleidungstextilien gibt
Tabelle 8.
40
Natürliche und künstliche Strahlung
Tab. 8: Überblick über die getesteten Bekleidungstextilien.
Produktname
GoSo Polo
GoSo Lady
Byron
Hooded
Shirt
Long
Beach UVT-Shirt
Miami
Beach UVT-shirt
T-Shirt
Modell 715
Lange
Jacke
Modell 492
Hersteller/
Vertreiber
Sun Protection
Shop, Australien
Sun Protection
Shop, Australien
Stoff/Farbe/
Flächengewicht
Microtex/verschieden/
Caruso/Freeland, Schweiz
Baumwolle/weiß/
Caruso/Freeland, Schweiz
Baumwolle/weiß/
Uvex, Österreich
Uvex, Österreich
UPF Hersteller/ Labor
50+/50+
180 g m
-2
Microtex/weiß,
beige/190 g m
50+/50+
-2
Beschreibung
Langarm Polo aus
Mikrofaser mit Kragen
Langarm Shirt aus
Mikrofaser mit Kapuze
50+/50+
Langarm T-Shirt mit
Rundhals
50+/50+
Kurzarm T-Shirt mit
Rundhals
Baumwolle/grün/
20/50+
150 g m-2
65 % Polyester, 35 %
Baumwolle/blau/
250 g m-2
Kurzarm T-Shirt mit
Rundhals
50+/50+
Langarm Arbeitsjacke
180 g m
-2
180 g m
-2
5.1.2 Kopfbedeckungen
Bei der Auswahl der Kopfbedeckung wurde ebenfalls darauf Wert gelegt, dass sich
diese in punkto Design und Stoff voneinander unterschieden. Dabei wurden auch
Produkte eingesetzt, deren UV-Schutzwirkung nicht vom Hersteller in Form des
UPF angegeben wurde bzw. deren Schutzwirkung auch nicht im Labor gemessen
wurde. Einen Überblick über die getesteten Kopfbedeckungen gibt Tabelle 9.
Tab. 9: Überblick über die getesteten Kopfbedeckungen.
Produktname
Hersteller/
Vertreiber
Stoff/Farbe/
Flächengewicht
Adapt-a-capfilppa
Sun Protection
Shop, Australien
Microtex/weiß, sand,
grau/ 180 g m-2
Indiana cap
Caruso/Freeland,
Schweiz
Microfaser/weiß, beige,
blau/125 g m-2
50+/50+
Fischermütze (Reversable
Bucket Hat)
Fischermütze
Cricket-Hut
(Adults
Cricket Hat)
Stingray, Australien
Mikrofaser/weiß, grün,
sand
50+/-
Interspar, Österreich
Stingray, Australien
Baumwolle/beige
-/-
Baumwolle/weiß
50+/-
Uvex, Österreich
Stroh
-/-
Stohhut
Modell Luise
UPF Hersteller/
Labor
50+/50+
Beschreibung
Kappe mit breiter
Vorderkrempe
und RundumNacken/Halsschutz
Kappe mit Krempe vorne und
Nackenschutz
Reversible Fischermütze mit
schmaler Krempe
Fischermütze mit
schmaler Krempe
Cricket-Hut mit
breiter Krempe
und Band (Fixierung)
Poröser Strohhut
mit breiter Krempe
41
Natürliche und künstliche Strahlung
5.1.3 Sonnenbrillen
Die Auswahl der getesteten Sonnenbrillen erfolgte mit Hauptaugenmerk auf Design,
„Rundumschutz“ (kein Lichteinfall von der Seite bzw. von oben und unten) und Abdunkelung der Brille. Im Rahmen dieser Studie wurden die in Tabelle 10 dargestellten
Brillen getestet.
Wie aus Tabelle 10 ersichtlich, wurden in der Studie sowohl Brillen eingesetzt, die
aufgrund ihrer Kennzeichnung einen guten UV-Schutz vermuten lassen (z. B. UV
400), aber auch Brillen ohne Kennzeichnung.
Tab. 10: Überblick über die getesteten Sonnenbrillen.
Produktname
Hersteller/Vertreiber
Alpina Twist Zero
Alpina, Deutschland
Carrera Shark Game
Lexxoo Monster Shades
X-trem Modell 1494
X-trem Modell 1377
DM Eigenmarke
Sunset
Carrera, Österreich
Lexxoo, Deutschland
X-trem eyewear, Österreich
X-trem eyewear, Österreich
DM-Drogeriemarkt, Deutschland
Pearle, Österreich
Filterkategorie (EN
1836), Kennzeichnung
3, 100% UVA,-B,-CSchutz
3, UV 400
3, UV 400
3
3
2
3
5.1.4 Sonnenschutzmittel
Die Auswahl der zu testenden Sonnenschutzmittel erfolgte nach den Kriterien der
Form (Gel, Milch, Spray,…), Schutzfaktor (LSF bzw. IPD/PPD) sowie nach Art der
verwendeten UV-Filter (chemisch, physikalisch). Tabelle 11 zeigt die in der Studie
getesteten Sonnenschutzmittel.
Tab. 11: Überblick über die getesteten Sonnenschutzmittel.
Produktname
Hersteller/Vertreiber
LSF
Anthelios XL Aqua Lait
Anthelios Dermo-Kids
Nivea Sun Spray
Ultrasun Liposome Gel
super sensitive
Ambre Solaire Intensiv
Sun Dance Sun Spray
Ambre Solaire Clear
Protect
42
IPD/PPD
Art des Sonnenschutzmittels (Farbe)
Aqua-Lotion
(weiß)
Creme
(weiß)
Spray (weiß)
La Roche-Posay, Frankreich
La Roche-Posay, Frankreich
Beiersdorfer, Deutschland
Ultrasun, Schweiz
50+
90/28
40
50/14
28
-/14
Gel (weiß)
Garnier, Frankreich
30
-/-
DM-Drogeriemarkt,
Deutschland
Garnier, Frankreich
30
-/-
Creme
(weiß)
Spray (weiß)
20
-/-
20
Spray (transparent)
Natürliche und künstliche Strahlung
5.2 Studiendesign
Die Outdoor Worker konnten frei zwischen den zu testenden Produkten wählen. Bei
Gefallen eines Produkts, konnten sie das Produkt auch länger als einen Arbeitstag
tragen, bei Nichtgefallen eines Produkts konnten sie es sofort zurück geben. Die
Outdoor Worker wurden lediglich dazu angehalten, zumindest jeweils ein Produkt
von zwei unterschiedlichen Produktkategorien pro Arbeitstag zu testen (z. B. ein Bekleidungstextil und eine Kopfbedeckung).
Jede Baustelle, an der die Produkte getestet wurden, wurde zumindest zweimal pro
Tag von Mitarbeitern der Austrian Research Centers aufgesucht, und das Tragen der
Schutzausrüstung überprüft. Dabei wurden sämtliche Kommentare der Outdoor
Worker zu den zu testenden Produkten aufgezeichnet. Weiters wurden die Arbeitsplatzsituation, die Tätigkeit der Arbeiter, sowie das Wetter vor Ort notiert.
Um eine qualitative Rückmeldung von den Outdoor Workern bezüglich der getesteten Produkte zu bekommen, wurden diese mittels Fragebögen befragt. Zu jeder Produktkategorie wurden hierzu zwei Fragebögen eingesetzt. Der erste Fragebogen
diente zur Evaluierung der generellen Einstellung der Probanden zur Benutzung einer bestimmten Produktkategorie (z. B. Bekleidung, Sonnenschutzmittel) bzw. zum
Feststellen ihrer Anforderungen an die entsprechende Produktkategorie. Dieser allgemeine Fragebogen wurde von den Outdoor Workern zu Beginn der Studie für jede
Produktkategorie ausgefüllt.
Mit dem zweiten Fragebogen wurde eine detaillierte Bewertung des getesteten Produkts durchgeführt. Als letzte Frage mussten die Outdoor Worker dabei das getestete
Produkt im Schulnotensystem bewerten und je nach Zufriedenheit dem Produkt Noten von 1 (Sehr gut) bis 5 (nicht akzeptabel) zuordnen. Die detaillierten Rückmeldungen der Probanden zu den beiden Fragebögen können in [23] und [24] nachgelesen
werden. Der zweite Fragebogen wurde von den Outdoor Workern jeweils nach
Rückgabe des getesteten Produkts ausgefüllt bzw. noch während dieses getestet wurde.
Beim Ausfüllen der Fragebögen war stets ein Mitarbeiter des Studienteams anwesend, um Fragen oder Unklarheiten zum Fragebogen sofort klären zu können bzw.
um weitere Kommentare von den Outdoor Workern zum getesteten Produkt zu notieren. Es wurde weiters darauf geachtet, die Outdoor Worker nach Möglichkeit Einzeln zu interviewen und nicht in Gruppen (gegenseitige Beeinflussung), sowie die Ar43
Natürliche und künstliche Strahlung
beitstätigkeit der teilnehmenden Probanden so wenig wie möglich zu stören (ausfüllen des Fragebogens in Arbeitspausen).
5.3 Ergebnisse
5.3.1 Bekleidungstextilien
●
Bekleidung aus Mikrofaser (GoSo Polo, siehe Abbildung 3) wird leicht bevorzugt gegenüber Bekleidung aus Baumwolle, da die Mikrofaser die Beibehaltung eines angenehmen Körperklimas auch bei warmer Umgebungstemperatur erlaubt und das Bekleidungsstück im verschwitzten Zustand nicht am
Körper „klebt“.
●
Typische Arbeitsbekleidung (z. B. Uvex Lange Jacke Modell 492, siehe Abbildung 3) wird im Sommer nicht akzeptiert, da diese zu warm ist.
●
Kurzärmeliger Oberbekleidung wird gegenüber langärmeliger der Vorzug gegeben. Ideal ist dabei ein Bekleidungsstück, welches beide Tragevarianten erlaubt (z. B. GoSo Polo).
●
Das Bekleidungsstück sollte nicht zu schmutzempfindlich sein. Farben wie
grau oder blau wird daher der Vorzug gegeben gegenüber weiß, obwohl weiß
die Sonnenstrahlung besser reflektiert (geringere Erwärmung des Textils im
Vergleich zu dunkleren Farben).
●
Nackenschutz in Form eines Kragens wird akzeptiert (GoSo Polo), während
Kapuzen eher als störend empfunden werden (GoSo Lady Byron Hooded
Shirt).
●
Ein passender Schnitt ist sehr wichtig. Bei den Spenglern ist die eher mittelmäßige Akzeptanz für das T-Shirt Modell 715 hauptsächlich auf den zu eng
geschnittenen Kragen zurück zu führen.
●
Das Bekleidungsstück sollte leicht waschbar sein. Eines der getesteten Textilien wurde nach dem Waschen gemäß dem Textil-Etikett nicht mehr vollständig sauber und wurde danach von den Outdoor Workern nicht mehr getragen.
44
Natürliche und künstliche Strahlung
Abbildung 3: Das unter den Outdoor Workern beliebteste Bekleidungsstück (GoSo
Polo, links) sowie jenes mit dem niedrigsten Akzeptanzgrad (Uvex Lange Jacke Modell
492, rechts).
5.3.2 Kopfbedeckungen
●
Kopfbedeckung aus Baumwolle wird leicht bevorzugt gegenüber Kopfbedeckung aus Mikrofaser, da Baumwolle den Schweiß besser aufsaugt und dadurch eine Irritation der Augen durch Schweiß verhindert. Die Outdoor
Worker nehmen dabei auch gerne ein etwas wärmeres „Kopfklima“ in Kauf.
●
Nackenschutz wird von den Outdoor Workern akzeptiert, solange das Design der Kopfbedeckung dadurch nicht zu auffällig ausfällt (siehe Abbildung 4).
●
Kopfbedeckung mit variabel verstellbarer Größe kommt in der Praxis sehr
gut an, da sich diese an die individuelle Kopfform einfach anpassen lässt.
●
Die Kopfbedeckung sollte waschbeständig sein und ihre Form auch nach
dem Waschen beibehalten.
45
Natürliche und künstliche Strahlung
Abbildung 4 Kopfbedeckung mit Nackenschutz wird akzeptiert (Indiana Cap, links),
solange das Design nicht zu auffällig ist. Das rechts abgebildete Modell (Adapt-a-cap-filppa) wurde von den Outdoor Workern deswegen wenig akzeptiert.
5.3.3 Sonnenbrillen
•
Die individuelle Passform ist für die Akzeptanz einer Sonnenbrille sehr wichtig. Dass ein Sonnenbrillen-Modell für alle unterschiedlich großen Kopfformen passt, ist eher unwahrscheinlich.
•
Ein Rundumschutz der Sonnenbrille (Schutz vor Lichteinfall von allen Seiten
und nicht nur von vorne, siehe Abbildung 5) wird von den Outdoor Workern
geschätzt. Brillen, die keinen Rundumschutz bieten konnten, wurden von
den Spenglern schlechter bewertet und haben auch eine geringere Akzeptanz.
Abbildung 5 Sonnenbrillen mit „Rundumschutz“: Alpina Twist Zero (links) sowie Xtrem Modell 1377 (rechts).
46
Natürliche und künstliche Strahlung
•
Eine der Lichtsituation angepasste Abdunkelung ist wichtig, um die Outdoor
Worker einerseits vor Blendung zu schützen, und andererseits genug sichtbares Licht durchzulassen, um ein für das Auge ermüdungsfreies Arbeiten zu
ermöglichen und auch Hindernisse beim Arbeiten zu sehen.
•
Die Gläser sollten mechanisch robust und kratzfest sein und dürfen nicht beschlagen.
5.3.4 Sonnenschutzmittel
•
Bevorzugt werden Sprays, da diese relativ leicht aufzutragen sind, selbst mit
schmutzigen Händen.
•
Das Sonnenschutzmittel sollte einen angenehmen oder neutralen Geruch besitzen. Eines der getesteten Sonnenschutzmittel wurde aufgrund seines fettigen Geruchs von den Outdoor Workern eher abgelehnt.
•
Das Sonnenschutzmittel sollte nicht fetten sowie wasser- und schwitzfest
sein.
•
Das Sonnenschutzmittel soll keine Irritation der Augen hervorrufen, wenn
sie mit dem Schweiß in die Augen gelangen.
5.4 Zusammenfassung der Praxiserprobung persönlicher Schutzausrüstungen
Die Rückmeldungen der Probanden zeigten, dass bei Bekleidung (Mikrofasertextil)
und Sonnenschutzmittel (Spray) Einigkeit hinsichtlich des bevorzugten Produkts besteht, während bei Sonnenbrillen individuell sehr unterschiedliche Urteile hinsichtlich
der getesteten Produkte abgegeben wurden.
Die Ergebnisse der Praxisuntersuchungen sollten bei der Ausstattung von Outdoor
Workern mit persönlicher Schutzausrüstung, zusätzlich zu einer guten, physikalischen UV-Schutzwirkung der Schutzausrüstung, Berücksichtigung finden. Dadurch
wird gewährleistet, dass die den Arbeitnehmern im Freien zur Verfügung gestellte,
persönliche Schutzausrüstung auch gerne im Arbeitsalltag getragen wird, und damit
UV-induzierten Haut- und Augenschäden wirkungsvoll vorgebeugt wird
47
Natürliche und künstliche Strahlung
6 Ermittlungen von Basisdaten für die UV-Belastungsbeurteilung
Ergänzend zu den beiden Feldstudien wurden im Labor die UV-Schutzwirkung von
Scheiben und Gläsern, Bekleidungstextilien sowie die UV-Reflexionseigenschaften
von Oberflächen, die für Arbeitnehmer im Freien von Relevanz sind, untersucht.
6.1 UV-Schutzwirkung von Bekleidungstextilien
Der spektrale Transmissionsgrad von Bekleidungstextilien wurde mittels Spektroradio-meter im Labor, bei unterschiedlicher Konditionierung der Stoffproben, bestimmt, und daraus der UPF des jeweiligen Bekleidungstextils berechnet. Der UPF
wurde für jedes Textil im Neuzustand, nassen Zustand, gewaschenen Zustand sowie
gedehnten Zustand bestimmt. Die UPF-Bestimmung im Neuzustand des Textils erfolgten gemäß EN 13758 [27], der entsprechende Messaufbau wurde in einem internationalen Ringversuch mit Laboratorien aus Australien, USA und China validiert.
Für die UPF-Messungen bei anderen Konditionierungen wurden eigene Messverfahren entwickelt, die in [26] nachgelesen werden können.
Insgesamt wurden 31 Textilproben untersucht, die sich hinsichtlich Material (z. B.
Baumwolle, Mischgewebe, Kunstfasern wie Microtex oder Lycra), Farbe und Flächengewicht unterschieden. Betreffend Art der Bekleidungstextilien wurden Arbeitsbekleidung, Funktionsbekleidung, T-Shirts, Kopfbedeckungen und Warnwesten, die
teilweise bereits vom Hersteller mit einem UPF gekennzeichnet waren, untersucht.
Ein Auszug aus den Messergebnissen ist in Tabelle 12 dargestellt.
Tab. 12: UPF von Bekleidungstextilien bei unterschiedlicher Konditionierung.
Foto
Probenbezeichnung
Material
B&C Target
T-Shirt
B&C Target
T-Shirt
Caruso,
Miami
Beach TShirt
Uvex Bundjacke Modell 410
Sun Prot.
Shop,
GoSo Polo
Sun Prot.
Shop, Adapt-a-cap
48
Flächengewicht
Farbe
99% BW,
1% Viskose
130 g m-2
99% BW,
1% Viskose
UPF Hersteller
UPF
neu
UPF
nass
UPF gewasch.
UPF gedehnt
weiß
10
4
14
4
130 g m-2
royal
27
20
48
6
Baumwolle
(BW)
170 g m-2
weiß
50+
AS/NZS
4399:1996
50+
50+
50+
5
Baumwolle
(BW)
300 g m-2
kornblau
80, UV Standard 801
50+
50+
50+
50+
Microtex
180 g m-2
gelb/gr
ün
50+
50+
50+
26
Microtex
180 g m-2
weiß
50+
50+
50+
50+
AS/NZS
4399:1996
50+
AS/NZS
4399:1996
Natürliche und künstliche Strahlung
Zusammenfassend lässt sich über die UV-Schutzwirkung der untersuchten Textilien
sagen:
●
Die gemessene Arbeitsbekleidung (sowohl mit und ohne UPF-Kennzeichnung) bietet einen ausgezeichneten UV-Schutz.
●
Die gemessenen T-Shirts (sowohl mit und ohne UPF-Kennzeichnung) bieten
ab einem bestimmten Flächengewicht des Textils ebenfalls einen guten UVSchutz.
●
mit UPF-Kennzeichnung versehene T-Shirts bieten im nassen bzw. gewaschenen Zustand einen besseren UV-Schutz als T-Shirts ohne UPF-Kennzeichnung
●
Warnwesten schützen unterschiedlich gut (UPF 10 – 50+)
●
Der hier angegebene UPF im gedehnten Zustand ist als worst case UPF anzusehen
●
Zwei falsch gekennzeichnete Textilien konnten identifiziert werden (zu hoher
UPF angegeben)
Alle Ergebnisse der Textilmessungen können in [26] bzw. [28] nachgelesen werden.
6.2 UV-Schutzwirkung von Scheiben und Gläsern
Die UV-Schutzwirkung von 52 Scheiben und Gläsern, die in Bauwerken, Fahrzeugen, öffentlichen Verkehrsmitteln und Flugzeugen eingesetzt werden, wurde im Labor untersucht. Dazu wurde der spektrale Transmissionsgrad der Scheiben spektroradiometrisch gemäß [29] gemessen, und die Schutzwirkung der Scheiben gegen erythemwirksame solare UV-Strahlung bestimmt. Zusammenfassend kann über die untersuchten Scheiben und Gläser gesagt werden:
●
Ein Großteil der Scheiben/Gläser filtert UV-B–Strahlung fast vollständig,
während UV-A–Strahlung in unterschiedlichem Ausmaß durchgelassen wird
(siehe Abbildung 6).
●
Ein Großteil der gemessenen Gläser bietet einen ausgezeichneten Schutz gegen erythemwirksame UV-Strahlung.
49
Natürliche und künstliche Strahlung
●
Gläser mit niedrigem UPF werden entweder meist als Verbundsicherheitsglas
bzw. in größeren Glasstärken eingesetzt, sodass ein ausreichender Schutz vor
erythemwirksamer UV-Strahlung gegeben sein sollte.
1,0
Plexiglas GS 249, 4mm, UPF=212
Planilux, 4 mm, UPF=12
Spectral Tra
nsmittance [ ] [ ]
Spektraler
Transmissionsgrad
0,9
0,8
0,7
0,6
0,5
0,4
UV-C
UV-B
UV-A
0,3
0,2
0,1
0,0
260
280
300
320
340
360
380
400
Wellenlänge [nm]
[nm]
Wavelength
Abbildung 6 Spektraler Transmissionsgrad von Plexiglas GS 249 (verwendet für Verglasung von Flugzeugen) sowie Planilux (verwendet als Bauglas oder mit Folie und zweiter Scheibe als Sicherheitsverbundglas).
Alle Ergebnisse zu den Textilmessungen können in [26] nachgelesen werden.
6.3 UV-Reflexionseigenschaften von Oberflächen
Die Reflexionseigenschaften von 62 Oberflächen im UV-Bereich wurden im Labor
bzw. direkt im Freien untersucht. Dabei wurden sowohl die Gesamtreflexion als
auch die winkelabhängige Reflexion, gemäß [29], spektral aufgelöst gemessen. Bei
den untersuchten Laborproben handelte es sich um Baustoffe, Verputze, Dämmmaterialien, Bleche, Gläser, Schweißervorhänge sowie Wand-/Dachtafeln während im
Freien Oberflächen aus Sand, Erde, Gras, Asphalt und Beton untersucht wurden.
Im Rahmen dieses Projekts wurden eigene Reflexions-Oberflächen-Faktoren (ROF)
kreiert, um das UV-Reflexionsvermögen der untersuchten Oberflächen hinsichtlich
biologisch wirksamer UV-Strahlung zu charakterisieren [26]. Ein ROF von 1,56 für
50
Natürliche und künstliche Strahlung
erythemwirksame UV-Strahlung bedeutet, dass sich bei Arbeiten mit diesem Material
die Belastung durch sonnenbrandwirksame UV-Strahlung um den angegeben Faktor
aufgrund der Reflexion erhöhen kann. Dies ist auch für die Belastung der Augen relevant, die gegen UV-Strahlung von oben relativ gut geschützt sind, von vorne allerdings nicht. Ein kleiner Auszug aus den Messergebnissen ist in Tabelle 13 dargestellt.
Tab. 13: ROF für Oberflächen für erythemwirksame UV-Strahlung und UV-A.
Foto
Oberfläche
ROFery
ROFUVA
Zinkblech walzblank
(Rheinzink)
1,56
1,63
Fassadenplatte Polystyrol (Styropor)
1,57
1,71
Sonnenschutzglas Antelio emeraude
1,33
1,38
Zusammenfassend lässt sich über die untersuchten Oberflächen sagen:
•
Eine ausgeprägte gerichtete Reflexion ist nur bei Gläsern sowie gewalzten
Blechen zu erkennen, die diffuse Reflexion überwiegt bei den meisten Oberflächen aufgrund ihrer Oberflächenbeschaffenheit.
•
Beim Arbeiten im Freien kann sich durch Reflexionen an Blechen oder
Dämmmaterialien die Belastung mit erythemwirksamer UV-Strahlung bzw.
UV-A beträchtlich erhöhen. Auch bestimmte Gläser können mehr als 30 %
der einfallenden UV-Strahlung reflektieren.
Alle Messergebnisse können im Detail in [26] bzw. [30] nachgelesen werden.
7 Sonnenbrillenprüfstand – UV-Schutzwirkung von Sonnenbrillen
Die Beurteilung der Schutzwirkung einer Sonnenbrille gegen ultraviolette (UV)
Strahlung ist mit bloßem Auge nicht möglich. Auf manchen Brillen gibt es zwar
Kennzeichnungen, die eine entsprechende UV-Schutzwirkung der Brille vermuten
lassen (z. B. „UV 400“), die aber offiziell nicht exakt definiert sind (oder die nicht genormt sind). Die Schutzwirkung einer Sonnenbrille kann daher nur messtechnisch
bestimmt werden.
Der von den Austrian Research Centers im Auftrag der AUVA (Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt) entwickelte, transportable Sonnenbrillenprüfstand (siehe Abbil51
Natürliche und künstliche Strahlung
dung 7) dient zur Ermittlung der Schutzwirkung von Sonnenbrillen gegen ultraviolette Strahlung sowie sichtbares Licht. Mit dem Sonnenbrillenprüfstand wird der spektrale Transmissionsgrad (spektrale Durchlässigkeit) einer Sonnenbrille im Wellenlängenbereich von 290 nm bis 780 nm gemessen. Mit der zugehörigen Software werden
auf Basis des spektralen Transmissionsgrades Transmissionskennwerte gemäß
EN 1836 [31] (z. B. solarer Ultraviolett-Transmissionsgrad τSUV) sowie die Filterkategorie der Sonnenbrille berechnet (die Filterkategorie ist nicht gültig für Brillen mit
Tönungsverlauf). Anhand eines Referenz-Sonnenspektrums [27] wird die UV-Bestrahlungsstärke am Auge ermittelt und daraus die maximalen Expositionszeiten bis
zum Erreichen bestimmter UV-Grenzwerte, die gemäß ICNIRP [32] für die Exposition der Augen von Relevanz sind (z. B. UV-A), berechnet. Die auf Excel basierende
Auswertesoftware gibt den spektralen Transmissionsgrad der gemessenen Brille sowie sämtliche berechneten Transmissionskennzahlen und maximale Expositionsdauern auf einer Seite im DIN A4-Format aus.
Deckel
Messebene
Schiebetür
Gehäuse
(Plexiglas)
Gerätefach
Abbildung 7
Prüfung einer Sonnenbrille im transportablen Sonnenbrillenprüfstand.
Der Sonnenbrillenprüfstand wurde durch Messungen des spektralen Transmissionsgrades von Sonnenbrillen an einem Doppelmonochromator validiert. Sowohl mit
dem transportablen Sonnenbrillenprüfstand, als auch mit dem Spektroradiometer
wurde die UV-Schutzwirkung von 49 Sonnenbrillen ermittelt. Zusammenfassend
kann gesagt werden, dass ein Großteil der gemessenen Sonnenbrillen, unabhängig
von Preis oder Marke, einen ausgezeichneten UV-Schutz bietet. Die Ergebnisse von
allen gemessenen Brillen können in [26] nachgelesen werden.
52
Natürliche und künstliche Strahlung
8 Zusammenfassung
Im Rahmen des Forschungsprojekts konnte gezeigt werden, dass bestimmte Berufsgruppen, die ihrer Arbeit im Freien nachgehen, in den Sommermonaten einer sehr
hohen UV-Bestrahlung während der Arbeitszeit ausgesetzt sind, und dementsprechend geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen sind. Geeignete, und in der Praxis
akzeptierte Schutzmaßnahmen konnten identifiziert werden und bilden eine erste Basis, um Outdoor Worker mit gern getragener und wirksamer Schutzausrüstung gegen
solare UV-Strahlung auszustatten.
Danksagung
Dieses Forschungsprojekt wurde aus Mitteln der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) finanziert.
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55
Natürliche und künstliche Strahlung
Anwendungsgebiete für Leuchtdioden
Mario Druwe
Fachgebiet Lichttechnik
Technische Universität Berlin
Mit modernen Leuchtstofflampen, elektronischen Vorschaltgeräten und effizienten
Lichtleitsystemen stehen heute insbesondere für die Allgemeinbeleuchtung sehr leistungsfähige und ökonomische Komponenten zur Verfügung. Es stellt sich also die
Frage, welchen zusätzlichen Nutzen die LED-Technologie bringt und in welchen Bereichen deren Einsatz sinnvoll ist.
Weiße Leuchtdioden haben sich bisher bereits in Anwendungen etabliert, bei denen
sie schon heute eine wirtschaftliche Alternative darstellen. Dies sind hauptsächlich
Produkte, bei denen die Wartungskosten einen großen Anteil an den Betriebskosten
ausmachen oder sehr hohe Anforderungen an Zuverlässigkeit, Größe und Lichtausbeute gestellt werden. Erwähnenswert ist hier die Sicherheitsbeleuchtung, bei der
LED-Leuchten den bisherigen Lösungen mit Leuchtstofflampen deutlich überlegen
sind.
Wesentliche Argumente für den Einsatz von LED-Leuchten sind deren effizienter Betrieb sowie die Realisierung von Zusatzfunktionen. Ersteres gilt z. B. In der Außenbeleuchtung, wo LEDs in Kombination mit sehr effizienten Optiken sowie wegen ihrer
Lebensdauer und Dimmbarkeit erstmals in Konkurrenz zu Hochdruckentladungslampen treten. Die Realisierung von Zusatzfunktionen der Beleuchtung ist gekoppelt
an die modulare Bauweise von LED-Leuchten (der Gesamtlichtstrom wird von mehreren LEDs mit vergleichsweise geringen Lichtstrompaketen erzeugt) sowie an die
nahezu beliebige Lichtfarbe. Ein Beispiel aus dem Bereich der Medizintechnik sind
Operationsleuchten. Die sehr hohen Anforderungen an Farbwiedergabe einerseits
sowie Beleuchtungsstärke (> 100.000 lx), Tiefenausleuchtung etc. andererseits wurden bisher mit Halogenglühlampen und Halogenmetalldampflampen erreicht. LEDOperationsleuchten bieten zusätzlich die Möglichkeit der einstellbaren ähnlichsten
Farbtemperatur und der Dimmung unter Beibehaltung der Lichtfarbe. Zudem reduziert sich die Wärmebelastung des beleuchteten Gewebes wegen des größeren photometrischen Strahlungsäquivalentes.
56
Das visuelle System des Menschen I
Das visuelle System des Menschen I
Psychophysiological Simulations of Spatial Color Vision:
II. Light and Color Sensations
Werner G.K. Backhaus
Theoretical and Experimental Biology, Neuroscience, Freie Universität Berlin and
Technische Universität Berlin, Franklinstr. 28-29, 10587 Berlin
1 Introduction
Light entering the eye of an observer causes color sensations. Introspection shows
that a spatially elemental color sensation consists of the six elementary color sensations red, green, blue, yellow, black, and white [1]. In part I [2] of the two related reviews the physiological color coding (CC) model of man was discussed, which describes the neuronal color coding system. The CC model describes the three spectral
classes of cones and the color coding (CC) neurons in the retina, as well as the CC
neurons of the lateral geniculate nucleus (LGN) and of the areas V1, V2, and V4 of
the visual cortex. In this review, the extension of the CC model by the psychophysical model of elementary color (EC) sensations is in focus. The combined CC/EC
model [3] allows the prediction of the amounts of the elementary colors, from the
spectral light intensity distributions. As shown in part I, usual color discrimination
experiments enable the determination of the gain parameters of the CC model only
up to arbitrary rotations. The physiological parameters of the combined CC/EC
model, on the other hand, have been uniquely determined as best fits of predicted
amounts of elementary color sensations to the amounts measured in the classical color analytical experiments of Jameson & Hurvich (1955) [4]. It turned out in the simulations that the precision of the CC/EC model enables even to locate individual differences in the neuronal color coding system of observers that are commonly classified as normal trichromats. At first, essential results of part I are reconsidered in
short. Then the extensions by the elementary color (EC) model are reviewed and discussed.
57
Das visuelle System des Menschen I
2 Spatial color vision
We see colors when looking at a light source or an illuminated object. The colors appear at the location of the light source or of the light reflecting surface of the object.
Although the colors are produced in our brain, the colors appear to be located outside of our head, in front of our eyes. Our perception thus suggests that the color
sensations would be a property of the objects or of the light. On the other hand, we
know from physics that light is a rapidly periodically varying electromagnetic field
lacking any property that would qualitatively or structurally correspond to color per
se. Also vice versa, our steady color sensations have no rapidly varying structure.
Thus, color is not identical to light nor is it a property of the surface of the objects.
Color is a sensation in our brain, caused by light.
Fig. 1: Sketch of the spatial color representation. The object and our head are represented in our brain, e.g. as a blue "object" on a green background, and as a "head"
boundary. The projection paradox has disappeared. Nevertheless, the problem of the
absolute size of the representation remains (see text), but may be solved by physical
experiment-related thinking [3, 5, 6]. (After Backhaus, 2001 [5], Fig. 11).
The spatial color projection paradox is straightforward solved by a closer look at the
perceptual spatial color representation in our brain (see Fig. 1). Both, the visible surface of the object, as well as the boundary of our head are proportional represented
in terms of elemental color spots, in respective radial directions and distances from
the zero-distance point at the center. Thus, the represented color object is actually
58
Das visuelle System des Menschen I
seen in front of the represented head. Since we experience exclusively our spatial color representation, we cannot directly compare the subjective distances with objective
measures of the outer world. Thus the spatial color representation may well be even
of subneuronal size, although we experience our color sensations up to a considerable maximal subjective distance, which corresponds to ca. 5 km in the outer world.
In addition, the spatial color representation provides a basis for our abstract thinking,
e.g. about the physics of light, and the physical size of the spatial color representation
[3, 5, 6] (see Fig. 1, and below).
3 Physiology and Anatomy
Spatial neuronal color coding in primates is performed in the following steps (see
Fig. 2): 1) light entering the eye is absorbed by the rods and cones in the retina according to their spectral sensitivities and their spatial density distribution. The three
Fig. 2 Anatomical and physiological interconnection scheme of neurons in the primate
color coding system (see text). (After Livingstone & Hubel, 1988 [7]).
cone spectral types are used for photopic (chromatic, daylight) vision, and the rods
for scotopic (achromatic, dim light) vision. The membrane potential is nonlinear related to the light intensity (i.e., approximately linear for lower, logarithmic for medium, and saturating at higher light intensities). 2) The electrical signals from the rods
and cones are further processed in the retina, mainly in two parallel neuronal coding
59
Das visuelle System des Menschen I
systems, i.e. a) the neuronal color coding (parvo) system, and b) the neuronal spatial
coding (magno) system. The information of the ganglion cells in the retina is further
processed by interneurons in the 3) lateral geniculate nucleus (LGN), and 4) the cortical visual areas V1, V2, and V4. In V1 the information about color and form is represented in interlaced, so called blob and interblob regions. In the cortical visual area
2 (V2), color, depth (stereo), and form information is neuronal represented in interlaced columns (stripes). The mapping into the LGN, V1, V2, and V4 is quasi retinotopic, i.e. neighboring locations remain, up to the interlacing of the blobs and stripes,
and up to the mirrored left and right half-pictures from each eye represented in the
two brain hemispheres. Processing of color information by color opponent coding
(COC), and black and white coding (Bk/W) neurons begins already in the retina [8]
and ends presumably in V4 [9]. Thus, it was hypothesized that the signals of the
COC neurons in the retina are only linear transformed by the further color coding
(CC) interneurons [10].
4 The model of color coding (CC) and elementary color (EC) sensations
A psychophysiological color coding (CC) model for human light discrimination (see
Fig. 3, upper part) was developed [2, 3, 5, 10, 11, 12, 13] on the basis of the well approved, simpler psychophysiological model of light discrimination in insects [10].
Neurophysiological as well as psychophysical properties of human color vision are
taken into account. Spectral sensitivity functions of human cones [14, 15] are included. The parameters of the nonlinear transduction function depend on the adaptation
state [3, 10, 16]. The simulated steady-state excitations of the CC neurons, i.e. the
two types of color opponent coding (COC) neurons and the black / white (BW)
coding neuron type, are described to linearly transform and to subtract the cone potentials respectively from each other. The subjective difference of two lights is derived via the Euclidean metric from the differences in the excitations of the CC neurons as determined for the light discrimination space, e.g., by multidimensional scaling (MDS) analysis [10, 17]. The discrimination percentages are obtained by probability transformation [10, 16]. The MDS-scales were assumed to be identical to the excitations of the respective CC neurons, as was shown to be the case in the color opponent coding (COC) system of the bee [10]. In a first trial, the weighting factors of the
60
Das visuelle System des Menschen I
CC model of human color vision were derived via best fits of 1) the measured CIE,
1924 photopic spectral luminous efficiency function V(λ) [18] and of 2) the wavelength discrimination function measured by Wright & Pitt, 1934 [19] to the predicted
data of simulations of the two classical light discrimination experiments (see part I
[2], Fig. 4, 5). Unfortunately, data of light discrimination experiments always allow
only the determination of the parameters of the neuronal CC model up to arbitrary
rotations [2], because of the rotational invariance of the Euclidean metric [10].
The neuronal COC model of color (light) discrimination and similarity in bees was
extended by the elementary color (EC) sensation model for the bee [10]. Analog, the
neuronal CC model for man was extended by the respective EC model to the
CC/EC model of color sensations in man [3]. The model describes 1) the excitations
of the CC neurons, i.e. of the two chromatic neuron types R/G, B/Y, and the achromatic neuron type Bk/W, to provide the signals for combinations of elementary colors, namely red/ gray/ green, blue/ gray/ yellow, and black/ white (gray). 2) Neurons that code for the amounts of individual elementary colors have not been found
in any species, although it was intensively searched for. Thus, it must be concluded
that those neurons do not exist. But, the mirrored subtypes of the COC neurons,
with exchanged inhibitory and excitatory synapses, have been found in humans [8]
and in bees [20, 21]. The COC neurons and their mirrored subtypes are described to
feed via inhibitory and excitatory linear rectifying synapses, the Bk/W neurons only
via inhibitory and excitatory synapses, directly into the respective spatial segment of
the spatial color representation. The linear synaptic computation performs a) the
conversion from spikes to graded potentials and b) the separation of signals symmetric to zero potential for the preliminary amounts of the six elementary colors red (R),
green (G), blue (B), yellow (Y), black (Bk), and white (W). 3) The final step of the
computation is reasonably assumed to be performed by the physical interactions of
the elementary colors per se. The model describes a) the largest value (dominance or
maximum metric) of the preliminary amounts of the chromatic elementary colors to
determine the total amount of the chromatic elementary color sensations in the range
of 0-1. b) The preliminary amounts also determine the mixing ratios among the chromatic elementary colors, as well as the ratio of elementary black (Bk) and white (W)
of the gray. c) Achromatic gray is described to complement the total amount of the
chromatic elementary colors to 1 (100 %) of the elemental color spot. Both, the
dominance of the maximum value and the complementation to a total amount of 1
61
Das visuelle System des Menschen I
are nonlinear steps in the otherwise piecemeal linear relationship between the excitations of the CC neurons and the amounts of the elementary color sensations. d) The
complementation to 1 is independent from the visible size of the elemental color
spot that actually varies with the distance from the center [5, 22] of the spatial color
representation (see Fig. 1). The combined CC/EC model allows the prediction of
the amounts of the six elementary colors that constitute the respective elemental color sensations from the intensity distributions of the color stimuli alone (see Fig. 3).
Fig. 3 Interaction diagram of the psychophysiological CC/EC model. Above dashed
line: CC Model of the neuronal color coding (CC) system. The spectral types of cones,
S, M, L, feed their electrical signals E into the three CC neuron types via inhibitory
(dots) and excitatory synapses (dashes). The CC neurons steer the six elementary color
sensations red (R), green (G), blue (B), yellow (Y), black (Bk), and white (W) that constitute our color sensations. Below dashed line: EC Model of elementary color (EC)
sensations. Linear rectifying synapses are supposed to connect the COC neurons and
their mirrored types (pre-synapse) to the respective segment (post-synapse) of the elemental color spot in the spatial color representation. This interconnection simply performs the separation of the signals for steering the amounts of the individual elementary colors in an elemental color sensation (spot). The colored pie chart visualizes geo-
62
Das visuelle System des Menschen I
metrically the relative amounts of the respective elementary color sensations. Because
of the very small size, the actual distribution of the elementary colors in the elemental
color spot can not be seen. A color sensation usually consists of many neighbored elemental color spots that appear to be a sufficiently continuous, heterogeneous mixture,
as known from introspection (see text). (From Backhaus, subm. [3]).
5. Experimental tests of the CC/EC model
The results of classic color content analytical experiments (also called null, hue cancellation, or bucking method) of Jameson & Hurvich (1955) [4], performed with two
probands (I and II), provided a basis for gauging and testing the CC/EC model of
human color vision. In pre-experiments the observers adjusted the wavelength and
the intensity of a monochromatic light, so that the color sensation consisted mainly
of one elementary color. This way, four wavelengths were uniquely determined for
the chromatic elementary colors red, green, blue, and yellow. Pure color sensations,
which consist of only one elementary color, can hardly be caused by monochromatic
light. There is always a small contribution of the elementary colors black and white
(gray). Elementary red can even not be purely caused by any monochromatic light,
because it is, in addition, always slightly contaminated by yellow or blue. Fortunately,
for this type of experiment it is not necessary to produce perfectly pure color sensations.
In the main experiments moderate, equal bright monochromatic (reference) lights
were additively mixed with one of the monochromatic lights of the pre-experiments,
with the wavelength fixed. The observer adjusted the intensity of the additional light
(which looked, e.g., mostly elementary red) such that the dominating elementary color (red) and the opponent elementary color (green) both disappeared in the color
sensation, i.e. both the amounts became zero. The wavelength of the reference light
was varied successively in 10 nm steps, with the intensity adjusted for equal brightness. For each 10 nm step, the intensity of the additional opponent, elementary color
compensating light was determined. The experiment was repeated with the lights of
the other three fixed wavelengths, compensating the respective opponent elementary
color. The results of the two observers (I and II) of these experiments are shown in
Fig. 4, as relative intensities in photons/s.
63
Observer I
1.5
Icancel (λ ): EC
467 nm:
490 nm:
588 nm:
700 nm:
B
G
Y
R
Simulations
Chromatic valence pη i
2.0
Measurements
EC canceled
Das visuelle System des Menschen I
1.0
0.5
0.0
400
500
600
700
Wavelength (nm)
1.5
Icancel (λ ): EC
475 nm:
500 nm:
580 nm:
700 nm:
B
G
Y
R
Simulations
Observer II
Measurements
EC canceled
Chromatic valence pη i
2.0
1.0
0.5
0.0
400
500
600
700
Wavelength (nm)
Quelle: []
Fig. 4 Comparison of the chromatic valence or response curves measured (symbols)
of two probands I (upper) and II (lower) in the hue cancellation experiments of Jameson & Hurvich (1955) [4], and the respective curves (solid lines) obtained by the simulations of these experiments with the COC/EC model of human color vision. The zerocrossing points of the simulated curves were derived by linear interpolation. The match
is striking. (From Backhaus, subm. [3]).
64
Das visuelle System des Menschen I
These experiments were simulated with the CC/EC model for man [3]. Equal bright
monochromatic lights were realized according to the photopic CIE-1924 luminosity
function V(λ) (see above). The additional monochromatic lights with certain wavelengths were adjusted in the simulations, until the amounts of the respective elementary colors both became zero. The resulting light intensities were compared to the
measured light intensities and the parameters of the CC/EC model were adjusted for
best fits. The matches are almost perfect for both sets of data, up to the fluctuations
of the measurements. The measured data of the two observers differ considerably.
Nevertheless, the CC/EC model fits, with two different sets of parameters, both sets
of data with comparable accuracy. Tab. 1 shows the obtained synaptic gains of the
COC model.
Tab. 1 Parameter values of the COC model determined in the simulations of the hue cancellation experiments of Jameson & Hurvich (1955) [4] for two observers (I and II) with
the psychophysiological CC/EC model of human color vision, via best fits (see Fig. 4) of
the predicted and the measured chromatic valence or response curves (see text). The
double- arrow indicates the obvious swapping of inhibitory and excitatory synapses in observer I, compared to observer II, who has a most common trichromatic color vision system. (Excerpt from Backhaus, subm. [3], Tab.1).
Parameters
Simulation I
Simulation II
Initial values
aS
-0.22
-0.18
0.0000
aM
0.90
1.03
1.0000
aL
-0.68
-0.85
-1.0000
Σ
0.00
0.00
bS
0.69
0.89
1.0000
bM
-0.78
0.12
-0.5000
bL
0.09
-1.01
-0.5000
Σ
0.00
0.00
As in the case of the COC system of the bee, the sums of the synaptic gains of each
subsystem R/G and B/Y add up to zero for both observers simulated. This indicates
that the intensity dependent color shifts (Bezold-Brücke effect) are minimal (see [21,
23], and [24] for respective coevolution simulations). Both observers I and II were
tested and classified to be normal trichromats. A comparison of the wavelengths, de65
Das visuelle System des Menschen I
termined for the maximal amounts of the respective dominating elementary colors,
to those of the frequency distribution of the broader population, classified observer I
to possess a quite rare trichromatic color vision system at the edge of normal. Whereas, observer II showed to have a most common trichromatic color vision system [24].
It turned out in the simulations that the deviations of the color vision system of observer I from most common normal (see Fig. 4) are not due to variations of maximum values of the cones on the wavelength scale. The results were always best when
the respective spectral sensitivities were identical in both the simulations. As obvious
from Tab. 1, rather the gains bM and bL of the pathways of the cones, via the respective synapses to the B/Y neuron, appear to be exchanged in observer I (see double-arrow), compared to the respective gains of observer II. The two inhibitory and
the excitatory synapses appear to have actually swapped. This cannot be explained
just by differing values. Obviously, the signs and thus the synaptic types appear to
have exchanged. For this reason the parameters determined for observer II were taken as the best estimate values for the CC/EC model of human color vision, so far.
The CC/EC model is in the process of being further extended.
6 Summary and Conclusions
The development of the extensions of the physiological color coding (CC) model by
the psychophysical model of elementary color (EC) sensations in man has been reviewed. The parameters of the resulting psychophysiological CC/EC model were
uniquely determined in simulations via the best fits of the predicted amounts of elementary color sensations to the amounts measured in the classical color analytical experiments of Jameson & Hurvich [4]. All the parameters were uniquely determined,
and allow for a physiological interpretation. An interesting aspect of the CC/EC
model is that 1) the neuronal color coding (CC) system only performs a part of the
successive computations for the determination of the amounts of the elementary colors (Fig. 3). 2) The computation is described by the model further to be performed
by excitatory and inhibitory synapses, some of which are linear rectifying, from the
color coding (CC) neurons to the respective segment of the spatial color representation. The signals for the preliminary amounts of the individual elementary colors are
extracted this way from the excitations of the spiking CC neurons. 3) The final part
of the computation is described in the model to be performed by the elementary colors per se, within the elemental color spot. The combined CC/EC model allows the
66
Das visuelle System des Menschen I
prediction of the amounts of the six elementary colors that constitute the color sensations from the intensity distributions of the color stimuli alone (see Fig. 3). The
CC/EC model is supported by the fact that neurons that code exclusively for the
amounts of individual elementary colors have not been found in any species. Synapses are actually too small to be intracellular recorded. For the same reason, the spatial
color representation might well be also of subneuronal size.
The color vision systems of both observers I and II of the hue cancellation experiments are equally well described by the CC/EC model. The analysis of the obtained
parameter sets showed that the rare type of a normal trichromatic color vision system
of observer I [25] appears to be due to a supposed genetically determined swapping
of an inhibitory and an excitatory synapse to the B/G neuron type (see Tab. 1). The
deviation from most common trichromatic color vision systems can not be explained
by shifts of the maxima of the spectral sensitivities of the cones on the wavelength
scale.
Psychophysiological models of color vision and simulations of psychophysical and
physiological experiments, as reviewed above, are obviously most helpful for a detailed understanding of our color vision system and those of other animal species
with more or less different evolutionary adaptations [16, 21, 23, 24]. Psychophysiological models have predictive power, because these models take all measured physiological and psychophysical properties into account. When the physiological and psychophysical parameters are adjusted for best fits to the results of critical experiments,
the model behaves similar to the real system. A model is psychophysiological adequate, when predictions for independent experiments, which have not been used for
developing the model, fit the measured data, although all parameters remain fixed.
An example for the predictive power and the precision of such models is the well approved psychophysiological model of color vision in the bee [10]. This model was a
precursor for the CC/EC model of human color vision that is obviously on the way
also to approach this stage of adequateness.
The CC/EC model was developed in the first place as a biological explanation model
and thus will be most useful in color metrics. The included COC model allows for
the determination of subjective light differences and light similarity [2]. The CC/EC
model allows now, in addition, for the prediction of the amounts of the elementary
colors that constitute our color sensations, caused by homogenous lights with arbi67
Das visuelle System des Menschen I
trary spectral intensity distributions. In addition, simulated human observers, based
on the CC/EC model, might be useful for automatic color rendering and color management [26]. Last not least, spatial and temporal extensions [24] of the model can be
helpful in medical diagnostics and therapy, for localizing, quantifying and long-term
monitoring of color vision systems that are affected by illnesses, as, e.g., vascular diseases ]27].
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69
Das visuelle System des Menschen I
Das funktionale Sehen – Diagnostik und Förderung aus
blindenpädagogischer Perspektive
Sven Degenhardt1, Florian Hilgers2
1
Universität Hamburg, Fakultät EPB, Institut für Behindertenpädagogik,
Sedanstraße 19, 20146 Hamburg
2
Staatliche Schule für Sehgeschädigte, Lutherstraße 14, 24837 Schleswig
Sehen und Blindheit – so die verbreitete Meinung – bezeichnen disjunkte, sich ausschließende Sachverhalte; Blindheit ist damit Nicht-Sehen, Lichtlosigkeit, ein Extrem. Auch wenn einzelne ophthalmologische Ansätze Blindheit mit Amaurose
(Lichtlosigkeit; Schwarzblindheit) gleichsetzen, beschreibt „Sehen und Blindheit“ eigentlich ein Kontinuum. Zahlreiche Bemühungen, dieses Kontinuum strukturiert zu
beschreiben, brachten Stufenmodelle hervor, die Amaurose, Blindheit, (hochgradige)
Sehbehinderung, Sehbeeinträchtigung und Vollsichtigkeit voneinander unterscheiden. Um die verschiedenen Ansätze zur Kategorisierung der Beeinträchtigungen des
Sehens nachvollziehen zu können, ist grundlegend der Begriff des Sehens zu klären.
Sehen, oder die visuelle Wahrnehmung der Umwelt, setzt zweierlei voraus: ein visuelles System und eine Umwelt, die visuelle Informationen vorhält. Diese visuellen Informationen sind an einen Träger gebunden. Die menschliche visuelle Wahrnehmung nutzt dafür einen Ausschnitt des elektromagnetischen Spektrums im Wellenlängenbereich von 400nm bis 780nm, der als Licht beschrieben wird.
Blindheit und Sehbehinderung
Auf die Frage nach einer Definition von „Blindheit“ und „Sehbehinderung“ kann
nicht eindeutig geantwortet werden; genau genommen muss diese Frage sogar mit einer Gegenfrage beantwortet werden. Es ist zu fragen, in welchem Verwendungszusammenhang „Blindheit“ und „Sehbehinderung“ definiert werden soll.
Verwendungszusammenhang 1: Rechtlicher Aspekt
Allein in einem ausschließlich rechtlichen Rahmen sind die Bezugsquellen für eine
Definition von „Blindheit“ und „Sehbehinderung“ breit und vielfältig: im Kern ist es
das Sozialgesetzbuch (hier vor allem SGB IX und XII), aber auch das Behinderten70
Das visuelle System des Menschen I
gleichstellungsgesetz, das Einkommensteuergesetz, Gesetze zum Gesundheitswesen
und zum Landesblindengeld treffen rechtliche Regelungen im Zusammenhang mit
Blindheit und Sehbehinderung. Im Zentrum des Interesses steht jedoch die „Einstufung“ des Grades der Behinderung für den Schwerbehindertenausweis.
„Ab wann gilt jemand als ‚blind‘ oder ‚hochgradig sehbehindert‘? Vereinfacht dargestellt gilt
•
als sehbehindert, Merkzeichen G und B, wer auf dem besseren Auge trotz
Brille eine Sehschärfe von nicht mehr als 1/3 der normalen Sehkraft besitzt,
(vgl. § 1 VO zu Paragraph 47 BSHG),
•
als hochgradig sehbehindert (Merkzeichen H): wer ... nicht mehr als 1/20 besitzt, (vgl. Nr. 23 (5) AHP),
•
als blind (Merkzeichen Bl), wer... nicht mehr als 1/50 besitzt. (vgl. Nr. 23 (2)
AHP).
Blindheit kann aber auch bei einer besseren Sehschärfe vorliegen, wenn das Gesichtsfeld beeinträchtigt ist“ (DBSV 2004, S. 11).
Die hierbei genannten „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) stellen seit
1916 Beurteilungskriterien für die Gutachterinnen und Gutachter zur Verfügung. Die
AHP besitzen keine Rechtsnormqualität, konkretisieren jedoch die medizinischen
Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen (siehe dazu u.
a. http://www.anhaltspunkte.de/ und http://anhaltspunkte.vsbinfo.de/).
Verwendungszusammenhang 2: Medizinischer Aspekt
Als zentraler Wert, der das physiologische Sehen beschreibt, gilt der Fernvisus. Der
Visus ist der Quotient aus der Entfernung, in der ein Zeichen erkannt wird und der
Entfernung, aus der dieses Zeichen erkannt werden müsste. Bei einer Sehbehinderung liegt der Visus bei optimaler Refraktionskorrektur zwischen 1/3 bis 1/20. Bei
einer hochgradigen Sehbehinderung liegen die Werte zwischen 1/20 und 1/50; bei
Blindheit muss auf dem besseren Auge 1/50 oder weniger messbar sein. In der klassischen Betrachtung werden den Daten zum Visus noch Angaben über das Gesichtsfeld beigefügt. Dass dieses Wertepaar im seltensten Falle die Funktionen der visuellen Wahrnehmung beschreiben kann, wie es leider in der auf Praktikabilität ausgerichteten sozialrechtlichen Verknappung den Anschein hat, ist in der modernen
71
Das visuelle System des Menschen I
Ophthalmologie unumstritten. So skizzieren Zihl & Priglinger (2002) die sensorischen und okulomotorischen Funktionen und Leistungen der visuellen Wahrnehmung (nachfolgend kursiv gesetzt) und ihre Bedeutung (in Klammern) in folgender
Auflistung: Akkommodation (Kontrastsehen, Sehschärfe, Formsehen), Konvergenz (Binokularsehen, Stereopsis), Sakkaden (Transport der Fovea zu Blickzielen, Abtasten
von Objekten, Gesichtern und Szenen usw.), Folgebewegungen (Fixieren eines bewegten
Objekts), Optokinetischer Nystagmus/Vestibulookulärer Reflex (visuelle Stabilisierung
der visuellen Wahrnehmung bei Eigenbewegung), Gesichtsfeld (Überblick, Entdecken
und Lokalisieren von Reizen, Simultansehen), räumliche Kontrastsensitivität (räumliche
Auflösung von Formdetails, Sehschärfe, Stereosehschärfe), Sehschärfe (Formsehen,
Entfernungssehen), Farbsehen (Objekterkennung), Raumsehen (Abstands- und Entfernungswahrnehmung), Formsehen (Objekt-, Gesichter- und Szenenwahrnehmung, Lesen), Objektwahrnehmung (Erkennen/Wiedererkennen von Objekten) und Gesichterwahrnehmung (Erkennen/Wiedererkennen von Gesichtern und Personen [einschließlich des eigenen Gesichts]) (vgl. S. 24). Die Beschreibung des physiologischen Sehens
i. w. S. greift also auf eine umfangreiche Liste von Sehfunktionen und –leistungen
zurück. Die (alltägliche) Diagnostik im Rahmen der anstehenden Korrektur eines
Brechungsfehlers (Myopie, Hyperopie, Astigmatismus, Presbyopie etc.) verengt den
Fokus dabei natürlich auf einen notwendigen Ausschnitt. Bei der Analyse des physiologischen Sehens bei Menschen mit Beeinträchtigungen des Sehens reicht diese
Einengung nicht aus.
Verwendungszusammenhang 3: Pädagogischer Aspekt
Im schulischen Kontext existierte die Schriftfrage als klassische, wenngleich nie wirklich abgesicherte und nie vollständig funktionstüchtige Einteilung der Schülerinnen
und Schüler: als blind galt, wer Punktschrift nutzte, als sehbehindert, wer unter Einsatz von Hilfsmitteln Schwarzschrift lesen konnte. In der aktuellen Empfehlung der
Kultusministerkonferenz zum Förderschwerpunkt Sehen werden die Ausprägungen
von Beeinträchtigungen des Sehens im pädagogischen Kontext wie folgt definiert:
„Blinde Kinder und Jugendliche können nicht oder nur in sehr geringem Maße auf
der Grundlage visueller Eindrücke lernen. Sie nehmen Informationen aus der Umwelt insbesondere über das Gehör und den Tastsinn sowie über die Sinne der Haut,
des Geruchs und des Geschmacks auf. ... Kinder und Jugendliche mit einer Sehbehinderung können ihr eingeschränktes Sehvermögen nutzen. Sie sind in vielen Situa-
72
Das visuelle System des Menschen I
tionen auf spezielle Hilfen angewiesen. Sie bedürfen besonderer Anleitung, sonderpädagogischer Förderung und technischer Hilfen“ (Kultusministerkonferenz
1998/2000, S. 179). Damit wird die Grenze zwischen Blindheit und Sehbehinderung
nicht durch das verwendete Schriftsprachsystem, sondern durch eine grundsätzliche
Gestaltung des Lernumfeldes sowie die Frage nach einem Zugang zu Lernprozessen
gezogen. Gleichzeitig wird anerkannt, dass eine fließende Grenze existiert, da auch
blinde Kinder und Jugendliche mit Einschränkungen visuell lernen, während sehbehinderte Kinder und Jugendliche mitunter auf blindenspezifische Hilfen und Hilfsmittel angewiesen sind. In einem pädagogischen Rahmen stellt sich damit das Problem, dass ein Visusbezug i. e. S. oder auch ein ophthalmologischer Bezug i. w. S. allein nicht ausreichend für eine Bescheibung der Begriffe „Blindheit“ und „Sehbehinderung“ sein kann.
Das Funktionale Sehen
Ein wesentlicher Lösungsansatz für dieses Problem liegt in dem Ansatz von Lea
Hyvärinen, einer Ophthalmologin aus Finnland. Durch eine Orientierung an vier
funktional ausgerichteten Sehfunktionen gelingt es hierbei, kind- und aufgabenbezogen diagnostisch und pädagogisch zu agieren. „Bei der Untersuchung der Schulkinder und der Erwachsenen sind die folgenden vier Bereiche der Sehfunktionen von
Bedeutung:
1.
Kommunikation (sowohl von Person zu Person als auch in der Gruppe),
2.
Orientierung und Mobilität (der gesamte Bereich ‚Wahrnehmung und
Bewegung‘),
3.
Lebenspraktische Fertigkeiten oder Alltagspraktische Fertigkeiten und
4.
Aufgaben, die ein länger andauerndes Sehen in der Nähe erfordern, z.B. Le-
sen und Schreiben (auf englisch ‚sustained near vision tasks‘) (Hyvärinen o. J.).
Je nach Ausprägung der Sehschädigung kann es einen individuellen Bedarf in diesen
Bereichen aus den klassischen Feldern „Blindentechniken“, „Sehbehindertentechniken“, „Sehendentechniken“ in Abhängigkeit von den gegebenen konkreten Sehbedingungen geben. Dem Modell folgend werden also auch pädagogische Entscheidungen am konkreten Kind, den dazugehörigen (Lern-)Aufgaben sowie dem jeweiligen
Lernort und nicht an einer abstrakten Kategorie „blind“ oder „sehbehindert“ ausgerichtet.
73
Das visuelle System des Menschen I
Diagnostik
Diagnostik hat – wenngleich in verschiedenen Zusammenhängen im Detail etwas anders definiert – die Aufgabe, zu erkennen, zu unterscheiden und im Vergleich zu einer Norm zu beurteilen. Dazu sind geeignete Methoden und Instrumente notwendig.
Diagnostik ist im Kern verbunden mit einer Entscheidung für eine Behandlung, eine
Therapie, eine Förderung etc. Letztere folgen dem Ziel, die festgestellte Abweichung
von der Norm abzubauen oder zu nivellieren. Im Zusammenhang mit Menschen, deren Gesundheit und deren Lebensqualität bedeutet dies auch immer einen Eingriff in
die Autonomie: oft gewollt und notwendig z. B. im Falle einer Erkrankung – aber
auch immer fremdbestimmt. Der sich aus dieser Situation ergebenden Struktur sollte
sich jede/r diagnostisch Tätige bewusst sein und Problembereiche der mit einer Diagnose zusammenhängenden Zuschreibung ebenso betrachten, wie die Frage, ob das
gewählte Instrument wirklich das Gesuchte, das zu Erkennende misst? Wenn die im
Folgenden beschriebenen Verfahren nach deren Validität im konkreten Einzelfall
hinterfragt werden, wird deutlich, dass dies nicht nur bei der Intelligenzdiagnostik ein
Problem ist, sondern auch im Bereich der Diagnostik des Sehens. Kann z. B. ein
Kind, das beim Visustest mit Landoltringen unsicher oder verzögert antwortet, nicht
gut sehen oder verfügt es noch nicht sicher über die Kategorien „oben“, „unten“,
„rechts“ und „links“ oder ist es sprachlich oder motorisch nicht in der Lage, die
„richtige“ (weil im Sinne des Tests positiv bewertete) Antwort zu geben? Es wird
deutlich, dass diagnostisches Tun einer umfangreichen und breiten interdisziplinären
Qualifikation der Durchführenden bedarf; gesichert u. a. durch hohe Standards in
Aus-, Fort- und Weiterbildung der beteiligten Berufsgruppen.
Die Diagnostik des physiologischen Sehens folgt der Struktur der Sehleistungen und
-funktionen. Aus pädagogischer Perspektive hat jedoch die Diagnostik des funktionalen Sehens eine zentrale Bedeutung. Das funktionale Sehen beschreibt die tatsächliche Nutzung des instrumentell messbaren Sehvermögens einer Person im täglichen
Lebensumfeld – bei Kindern also vorrangig im (schulischen) Lernen. Neben materialgebundenen Instrumentarien sind Verhaltensbeobachtungen herausragende Zugänge zu den Sehleistungen des Kindes: Spielverhalten, Bewegungen des Kindes in Alltagssituationen, Analyse kompensatorischer Kopfbewegungen, Formen und Farbgebungen von Kinderzeichnungen, Umgang mit Medien u. v. a. m. Diese Verhaltensbeobachtungen sind auch – und im Kontext pädagogischer Zielstellungen ausdrück-
74
Das visuelle System des Menschen I
lich – in Situationen länger andauernden Sehens erforderlich. Hier enden zumeist die
Möglichkeiten der Augenheilkunde; denn experimentelle Zugänge in einer Augenklinik oder Sehschule sind von begrenzter Dauer und sind in künstlich geschaffenen
Umwelten platziert. Hyvärinen listet in diesem Zusammenhang folgende zehn Punkte auf, die eine Lehrerin / ein Lehrer über die Sehfunktionen des Kindes wissen sollte:
1
„Hat das Kind eine anteriorische oder posteriorische Sehschädigung(1) oder beides?
2
Motorische Funktionen:
•
Fixation, ist sie zentral/exzentrisch, stabil oder flüchtig? Liegt ein Nystagmusmit oder ohne eine Nullposition vor?
•
Sind die Sakkadenbewegungen exakt? Gebraucht das Kind kompensatorische
Kopfbewegungen?
•
Wie exakt sind die Folgebewegungen? (...)
•
Gibt es unwillkürliche Augenbewegungen während Spasmen oder epileptischer Anfälle?
3
Sensorische Funktionen:
•
Sehschärfe, Fern- und Nahvisus, die kleinste gelesene und die optimale Textgröße
•
Kontrastempfindlichkeit
•
Farbensehen, Konfusionsgebiete; welche Farben und Farbkombinationen
soll man vermeiden?
•
Gesichtsfeld für die Orientierung und für das Lesen
•
Visuelle Adaptation; hat das Kind Schwierigkeiten in der Dämmerung oder
bei Sonnenschein?
•
Wiedererkennen; kennt das Kind Leute am Gesicht? Wenn nicht, welche
kompensatorische Techniken kann man benutzen?
•
Gesichtsausdrücke; erkennt das Kind Gesichtsausdrücke?
•
Bewegungssehen
75
Das visuelle System des Menschen I
•
Kann das Kind Größen und Längen visuell wahrnehmen oder benutzt es
haptische Informationen?
4
•
Linienrichtung; kann das Kind Linienrichtungen visuell wahrnehmen?
•
Einzelheiten; kann das Kind sie in bunten Bildern sehen/finden?
•
Puzzles; kann das Kind altersgemäß mit ihnen spielen?
•
Auge-Hand-Koordination; ist sie normal oder gibt es Probleme?
Das Sehvermögen für den Bereich Orientierung und Mobilität; sind Modifikationen für den Sportunterricht notwendig?
5
Wie ist das Sehen bei Aufgaben, die ein länger andauerndes Sehen in der Nähe
erfordern; welche Sehhilfen hat das Kind? Wie ist die Motivation diese zu benutzen? Welche neuen Sehhilfen werden während des Schuljahres aktuell?
6
Beleuchtung; welche Spezialbedürfnisse hat das Kind in der Klasse und in den
Gängen/Fluren.
7
Soll die Schule spezielle Hilfsmittel kaufen?
8
Hat das Kind ein normales, symmetrisches Gehör?
9
Hat das Kind irgendwelche anderen Behinderungen oder Krankheiten?
10 Kennt man die Prognose der Sehbehinderung und weiterer Behinderungen?
(Hyvärinen o.J.)
(1) Anmerkung:
„Je nach dem, wo die Verletzung geschehen ist, sprechen wir von anteriorischen
oder posteriorischen Sehschädigungen. Die anteriorischen, vorderen Schädigungen sind im Auge oder
im Bereich des ersten Neurons bis zum Kniehöcker oder bis zu einem tectalen Nukleus; die posteriorischen, hinteren Sehschädigungen befinden sich hinter dem Kniehöcker. Die Schädigungen in der
Radiatio optica und in der visuellen Hirnrinde verursachen Skotomata. Die Schädigungen in der
höheren assoziativen visuellen Hirnrinde verursachen keinen Ausfall des Gesichtsfeldes, sondern
Veränderungen in spezifischen visuellen Funktionen, von denen es mehr als dreißig verschiedene
gibt“ (Hyvärinen 2002).
Im Rahmen eines Comenius-Projektes der EU (mit Projektpartnern aus Belgien, Luxemburg, Norwegen, der Tschechischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland) wurde der Ansatz des funktionalen Sehens umfangreich und detailliert bei Kindern mit mehrfachen Behinderungen aufbereitet. Für jeden Punkt, des in der Abbildung 1 abgebildeten Beurteilungsbogens gibt es ausführliche Hinweise zur Definition, zu Beobachtungsmöglichkeiten und zur pädagogischen Dimension. Die mögli-
76
Das visuelle System des Menschen I
chen Maßnahmen zur Umweltgestaltung und pädagogische Konsequenzen werden
exemplarisch illustriert (vgl. Henriksen & Henriksen 2006).
Abbildung 1
Diagnostik des Sehens und Sehförderung im Dunkelraum
Diagnostische Instrumente und Trainings-, Therapie- und Förderansätze im medizinischen Kontext sind – dem den beruflichen Selbstverständnis sowie den berufsbedingten Rahmenbedingungen folgend – stark strukturiert, formalisiert und auf experimentelle sowie Laborbedingungen ausgerichtet (vgl. dazu auch Niedeggen & Jörgens 2005). Ausgewählte Beispiel-Therapiepläne belegen bei Zihl und Priglinger
(2002) jedoch eine Reihe von Förderzielen und -maßnahmen, die klare Überschneidungen zu pädagogischen Ansätzen einer Förderung der visuellen Wahrnehmung im
Frühförderbereich und in der Arbeit mit schwerstbehinderten Kindern und Jugendlichen aufweisen. So werden z. B. die Ziele „Steigerung der visuellen
Aufmerksamkeit“ und „Anbahnung der visuellen Neugierde“ ([17] S. 149) genannt.
Zur Umsetzung werden Medien, wie Farbfolien, Seidenpapier, Luftballons, Diaprojektionen, Taschenlampen und weitere Lichtquellen in ausgeleuchteten und abgedunkelten Räumen empfohlen ([17], S. 149, 155). Die pädagogische Perspektive der Diagnostik und Förderung des Sehens ist seit vielen Jahren zentraler Bestandteil blindenund sehbehindertenpädagogischen Selbstverständnisses. Das Ziel pädagogischen
Tuns ist die Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten der Kinder – in Lernzusam77
Das visuelle System des Menschen I
menhängen und natürlich auch im Alltag. Ein Aspekt auf dem Weg zum Erreichen
dieses Ziels ist die Arbeit im Dunkelraum (Low-Vision-Raum, Seherziehungsraum ...)
zur Diagnostik und Förderung des Sehens. Dort werden selbstleuchtende und reflektierende Materialien mit hohen Helligkeits- und Farbkontrasten eingesetzt. LightBox, Taschenlampen, Spot-Leuchten, reflektierende oder mit Glitzerfolie beklebte
Keksbüchsen, Bälle unterschiedlicher Farben, Größen und Materialien, Spielzeug,
farbige Bänder, Wärmedecken usw. Die Materialienbreite folgt dem individuellen
Diagnostik- und Förderbedarf der Kinder und Jugendlichen und wächst mit der Erfahrung der Professionellen sowie durch neue technische Entwicklungen, z. B. in der
LED-Technologie.
Sehgeschädigtengerechte Raumgestaltung
Auf Grundlage der Diagnostik des funktionalen Sehens werden pädagogische Entscheidungen getroffen; eine davon betrifft den Bereich der Gestaltung des Lernraums der Schüler i. e. S. Bei der Diskussion um eine sehgeschädigtengerechte Raumgestaltung sind die reflektierten Erfahrungen aus der schulischen Praxis (vgl. u. a.
Naish, Clunies-Ross & Bell 2003) und die rechtlichen Grundlagen (für die Beleuchtung eines Klassenraums: DIN EN 12464-1:2002(D)) sowie die aktuellen „Folgepapiere“ (z. B. vom Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI
2007) und die BGR 131-1/2 (Berufsgenossenschaftliche Regeln für Sicherheit und
Gesundheit bei der Arbeit; HVBG 2006)) zusammenzuführen. In der DIN EN
126464-1:2002(D) sind Definitionen, Grenz- und Richtwerte sowie weitere Angaben
zu den Gütemerkmalen für die Beleuchtung (Leuchtdichteverteilung, Beleuchtungsstärke, Blendung, Lichtrichtung, Lichtfarbe und Farbwiedergabe, Flimmern und Tageslicht) festgehalten. Besonders hervorzuheben ist die „Öffnungsklausel“, die das
enge und dogmatische Auslegen der – bereits für den Normalfall in der Regelschule
zu tief angesetzten – 300-lux-Empfehlung für Klassenzimmer verhindern kann: „Der
Wert der Beleuchtungsstärke kann um wenigstens eine Stufe der Beleuchtungsstärken-Skala … angepasst werden, wenn die Sehbedingungen von den üblichen Annahmen abweichen. … Der geforderte Wartungswert der Beleuchtungsstärke sollte erhöht werden, wenn:
78
●
die Sehaufgabe für den Arbeitsablauf kritisch ist,
●
die Behebung von Fehlern zu erhöhten Kosten führen,
Das visuelle System des Menschen I
●
Genauigkeit oder höhere Produktivität von großer Bedeutung sind,
●
das Sehvermögen der arbeitenden Person unter dem Durchschnitt liegt,
●
die Sehaufgabe besonders kleine Details oder besonders niedrige Kontraste
aufweist,
●
die Sehaufgabe für eine besonders lange Zeit ausgeführt werden muss (DIN
2002, S. 6, 7).
Bei der Suche nach aus den gesetzlichen Vorgaben abgeleiteten Standards in den Bereichen Licht und Beleuchtung sowie Farbe und Kontrast für sehgeschädigte Nutzerinnen und Nutzer wird jedoch schnell deutlich, dass es weder „das“ Optimum noch
ein unanfechtbares Kriteriensystem gibt. Dennoch ist eine regelmäßige, offene und
kontroverse Diskussion um Standards der Raumgestaltung unumgänglich.
Folgende Eckpunkte einer sehgeschädigtengerechten Gestaltung eines Klassenzimmers sollten in dieser Diskussion platziert werden:
Für die Beleuchtung mit künstlichem und natürlichem Licht:
●
Wartungswert für Beleuchtungsstärke: 1000 lx,
●
dimmbar / variabel schaltbar,
●
Lichtfarbe (4000K - 6500K oder auf cirkadiane Prozesse ausgerichtet),
●
möglichst hohe Farbwiedergabequalität,
●
elektronisch gestartet (flimmerfei, ohne Störgeräusche),
●
Blendfreiheit,
●
ausgewogene, aufgabenbezogene Mischung von direkter und indirekter Beleuchtung
Für die Farb- und Kontrastgestaltung:
●
Trend: Decken hell - Boden dunkel,
●
Wände möglichst gleich/ähnlich (lasierte / nicht-satte Farben),
●
Wände nicht komplett (bunt) zustellen (Nicht-Parken-Zonen einrichten),
●
Farb- und Helligkeitskontrast Wände-Boden beachten und realisieren,
●
Türen (Türrahmen), Fensterrahmen abheben,
●
kritische Flächen definieren und bewusst gestalten,
●
Zonen des Raumes visuell herausarbeiten,
79
Das visuelle System des Menschen I
●
Wirrwarr beseitigen.
Weiterhin können folgende Forderungen festgehalten werden:
●
Ein Raum kann nie allen Anforderungen gleichermaßen gerecht werden! Es
kann nur Kompromisse geben!
●
Die Wünsche und Vorstellungen der Kinder und Jugendlichen sind mit einzubeziehen!
●
Raumgestaltung ist ständige Veränderung!
●
Wesentlich ist das regelmäßige und geplante Einnehmen der Perspektive der
Kinder!
●
Die Raumgestaltung sollte fester Gegenstand der internen Evaluation sein.
Forschungsaufgaben
Beide Felder der Diagnostik und Förderung des Sehens, die Arbeit im Dunkelraum
und die sehgeschädigtengerechte Gestaltung der (schulischen) Lernumgebungen, generieren eine große Anzahl von Forschungsfragen. Einige davon sind aus unserer
Sicht:
●
Tageslicht und künstliche Beleuchtung in dem Spannungsfeld notweniger Intensität und Dosis und potenziellen Gesundheitsschäden (UV-Schutz – vorrangig der Augen - beim Aufenthalt im Freien; kritische Diskussion des Einsatzes von UV-Strahlern im Dunkelraum zur Realisierung fluoreszierender
Effekte (vgl. Degenhardt 2006 & 2007a; Buser 2007),
●
Chancen der LED-Technologie im Bereich der Diagnostik und Förderung
des Sehens.
●
Einsatzszenarien einer Circadianen Beleuchtung im Rahmen der Tag- NachtProblematik bei blinden Menschen (analog zur Problematik der Demenz: vgl.
u. a. Ehrenstein 2006, Bieske & Dierbach 2006; geplanter Themenschwerpunkt auf dem XXXIV. Kongress der Blinden- und Sehbehindertenpädagoginnen und –pädagogen im Juli 2008 in Hannover: Ehrenstein, Kunz, Sust,
Rudolph).
80
Das visuelle System des Menschen I
Literatur
[1] Bieske, Karin und Oskar Dierbach (2006) Evaluation des Einsatzes von
tageslichtähnlichem Kunstlicht in der gerontopsychiatrischen Pflege und Betreuung
Hochbetagter. In: Kaase, Heinrich und Felix Serick (Hrsg.), Licht und
Gesundheit. TU Berlin, 108 - 121.
[2] Buser, Fritz (2007) UV-Strahlung des "Schwarzlichtes" ist nicht stärker als diejenige
der Sonne. In: blind-sehbehindert: Zeitschrift für das SehgeschädigtenBildungswesen, 127, 2, 105 - 109.
[3] DBSV - Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. (Hrsg.) (2004)
Ratgeber
Recht
für
blinde
und
sehbehinderte
Menschen.
Berlin.
(http://www.dbsv.org/publik/publik.html - entnommen am 29.12.2006)
[4] Degenhardt, Sven (2006) Zeit für eine Trennung: UV-Strahlung und
Blindenpädagogik Konsequenzen für die Low-Vision-Arbeit. In: blindsehbehindert: Zeitschrift für das Sehgeschädigten-Bildungswesen, 126, 3, 217
- 232.
[5] Degenhardt, Sven (2007a) "Alles zurück auf Start" - Beruhigung als Maxime? Gedanken zu BUSERs Replik auf den Artikel "Zeit für eine Trennung: UVStrahlung und Blindenpädagogik - Konsequenzen für die Low-Vision-Arbeit" aus blindsehbehindert 3/2006. In: blind-sehbehindert: Zeitschrift für das
Sehgeschädigten-Bildungswesen, 127, 2, 111 - 116.
[6] Degenhardt, Sven (2007b) Blindheit und Sehbehinderung. In: Borchert, Johann
(Hrsg.), Einführung in die Sonderpädagogik. München, Wien: Oldenbourg
Wissenschaftsverlag, 39 - 75.
[7] DIN - Deutsches Institut für Normung e. V. (Hrsg.) (2002) EN
12464-1:2002 (D): Licht und Beleuchtung: Beleuchtung von Arbeitsstätten, Teil 1:
Arbeitsstätten in Innenräumen. Berlin, Wien, Zürich: Beuth.
[8] Ehrenstein, Wolfgang (2006) Management der circadianen Beleuchtung: Indikation Anforderung - Perspektiven. In: Kaase, Heinrich und Felix Serick (Hrsg.), Licht
und Gesundheit. TU Berlin, 77 - 105.
[9] Henriksen, Anne und Christoph Henriksen (Hrsg.) (2006) Informationen für die
Beratung bei Kindern und Jugendlichen mit mehrfachen Behinderungen und Sehschädigung
- Comenius-Projekt der Europäischen Union. Schleswig: Staatliche Schule für
Sehgeschädigte.
[10]HVBG - Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (Hrsg.)
(2006) BGR 131-1: Natürliche und künstliche Beleuchtung von Arbeitsstätten, Teil 1:
Handlungshilfen für den Unternehmer. Köln: Carl Heymanns Verlag.
(http://www.hvbg.de/d/bgz/entwicklung/pdf_bild/bgvr03_pdf/bgr_131_1
.pdf (entnommen am 25.07.2007))
[11]HVBG - Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (2006)
BGR 131-2: Natürliche und künstliche Beleuchtung von Arbeitsstätten, Teil 2:
Leitfaden zur Planung und zum Betrieb der Beleuchtung. Köln: Carl Heymanns
Verlag.
(http://www.hvbg.de/d/bgz/entwicklung/pdf_bild/bgvr03_pdf/bgr_131_2
.pdf (entnommen am 25.07.2007))
[12]Hyvärinen, Lea (2002) Sehen im Kindesalter: Möglichkeiten und Grenzen der
Diagnostik (Ein Festvortrag am 30. Januar 2002 in Dortmund).
(http://www.lea-test.fi/ - entnommen am 29.12.2006)
81
Das visuelle System des Menschen I
[13]Hyvärinen, Lea (o.J.) Das Funktionale Sehen in der Frühbetreuung und im
Spezialunterricht
der
sehgeschädigten
Kinder.
In.
(http://www.leatest.fi/de/sehuberp/waldkirc.html)
[14]Kultusministerkonferenz (1998/2000) Empfehlungen zum Förderschwerpunkt
Sehen. In: Drave, Wolfgang, Franz Rumpler und Peter Wachtel (Hrsg.),
Empfehlungen zur Sonderpädagogischen Förderung - Allgemeine
Grundlagen und Förderschwerpunkte (KMK) mit Kommentaren. Würzburg:
edition bentheim, 177 - 197.
[15]Naish, Lucy, Louise Clunies-Ross und Judy Bell (Hrsg.) (2003) Exploring
Access: How to audit your school environment, focusing on the needs of children who have
multiple disabilities and visual impairment. London: Royal National Institute of the
Blind.
[16]Niedeggen, Michael und Silke Jörgens (2005) Visuelle Wahrnehmungsstörungen.
Göttingen: Hogrefe.
[17]Zihl, Josef und Siegfried Priglinger (2002) Sehstörungen bei Kindern - Diagnostik
und Frühförderung. Wien, New York: Springer.
[18]ZVEI - Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e. V. (Hrsg.)
(2005) ZVEI-Leitfaden zur DIN EN 12464-1. Frankfurt am Main: ZVEI Zentralverband
Elektrotechnikund
Elektronikindustrie
e. V.
(http://www.licht.de/fileadmin/shopdownloads/zvei_leitfaden_12464_1.pdf (entnommen am 25.07.2007))
Autoren
Prof. Dr. Sven Degenhardt
Universität Hamburg
Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft
Institut für Behindertenpädagogik
Fachrichtungen Blinden- und Sehbehindertenpädagogik
Sedanstraße 19
20146 Hamburg
Tel.: +49 (0) 40 42838-6785
Fax: +49 (0) 40 42838-3709
Email: degenhardt@erzwiss.uni-hamburg.de
Homepage: http://www2.erzwiss.uni-hamburg.de/personal/degenhardt/degenhardt.htm
Florian Peter Hilgers
Staatliche Schule für Sehgeschädigte Schleswig
Lutherstraße 14
24837 Schleswig
Tel.: +49 (0) 4621 807-5
Fax: +49 (0) 4621 807-405
Email: f.hilgers@ sfs-schleswig.de
Homepage: www.sfs-schleswig.de
82
Das visuelle System des Menschen I
Umgebungslicht als Unterstützung für ältere Menschen
Markus Canazei
Bartenbach Lichtlabor, 6071 Aldrans, Rinnerstrasse 14, Österreich.
Zusammenfassung
Neben einer kurzen Darstellung des Einflusses von Licht auf ältere Menschen soll
beschrieben werden, unter welchen Lichtverhältnissen diese sowohl in ihren eigenen
Haushalten als auch in Pflegeinstitutionen leben. Anschließend wird eine Laborstudie
vorgestellt, in welcher ältere Menschen auf kognitive Akuteffekte untersucht wurden,
die durch Kunstlicht evoziert worden sind. Schließlich soll ein gerade laufendes EUProjekt vorgestellt werden, in dem Umgebungslicht als Unterstützung für allein lebende Menschen eingesetzt und in Echtzeit mittels physiologischer Kenngrößen das
Lichtsystem geregelt wird.
Abbauprozesse beim älteren Menschen
Im Manuskript werden Personen mit einem Lebensalter von 65 Jahren und mehr,
unabhängig von ihrem bio-psycho-sozialen Status, als ältere Menschen bezeichnet.
Älter werdende Menschen leiden oftmals unter den Folgen einer schwächer ausgeprägten zirkadianen Rhythmik physiologischer Parameter. Diese artikuliert sich beispielsweise in einer geringeren nächtlichen Melatoninausschüttung [4, 6, 20] oder in
einer gestörten Schlaf-Wachrhythmik [19] (siehe Abb.2 und 3).
83
Das visuelle System des Menschen I
Quelle: [4]
Abb.1: altersabhängige 24-Stunden Melatoninausschüttung - signifikante Unterschiede
der Melatoninmenge traten zwischen 23.00 Uhr und 11.00 Uhr in Abhängigkeit vom Lebensalter auf (eine Abflachung der zirkadianen Amplitude geht oftmals mit einer erhöhten Störanfälligkeit einher) [4]
Abb.2: Aktivitäts- und Lichtmonitoring einer älteren Versuchsperson [9]
Daneben erschweren Schlafstörungen (40-70% der älteren Personen leiden unter diesen, im speziellen unter einer verlängerten Einschlafzeit, einem häufigeren nächtlichen Erwachen, einer verkürzten Schlafdauer oder einer vorzeitigen Ermüdung am
Abend bzw. einem frühen Erwachen am Morgen [16, 19, 21, 24]), Einbußen in der
kognitiven Performanz (z.B. der Daueraufmerksamkeit und Merkfähigkeit) und Befindlichkeitsstörungen (z.B. depressive Verstimmung) das Leben älterer Menschen.
Zur Synchronisation und Stabilisierung zirkadianer physiologischer Rhythmen dienen
dem Menschen neben spezifischen Zeitgeber-Genen externe Zeitgeber wie beispielsweise Licht, sozialer Kontakt und körperliche Aktivität. Dem Licht kommt hierbei
84
Das visuelle System des Menschen I
eine herausragende Stellung zu. Es wird als stärkster externer Zeitgeber angesehen
[18]. Daneben existieren noch andere Zeitgeber wie die tageszeit-abhängigen Temperaturunterschiede oder die Zeiten der Nahrungsaufnahme. Diese sind allerdings dem
Licht in ihrer Wirkkraft nachgeordnet. Die angeführten Zeitgeber treten mit zunehmendem Alter deutlicher in den Hintergrund. So halten sich viele ältere Personen
kürzer im Freien auf [2, 3, 5, 10], machen weniger Bewegung und haben nach dem
Ausscheiden aus dem Berufsleben oftmals weniger sozialen Kontakt.
Neben physiologischen, kognitiven und emotionalen Einschränkungen, welche das
Alter mit sich bringen und bei denen Licht wirksam werden kann, ergeben sich zusätzlich altersbedingte Einschränkungen des visuellen Apparates [14, 26]. Diese sind
einerseits progressiv fortschreitend und umfassen eine sukzessive stärker werdende
Trübung der Augenlinse - welche das ins Auge fallende Licht spezifisch filtert (siehe
Abb.2) und die visuelle Wahrnehmung hinsichtlich Kontrastsensitivität und Farbdiskriminationsfähigkeit (vor allem bei bläulichen Farben [22]) einschränkt - eine häufig
stärker werdende Weitsichtigkeit, eine geringere Öffnungsweite der Pupille (so dass
weniger Licht ins Auge gelangen kann) und das Zunehmen von körpereigenen Abbauprodukten im Glaskörper (welche eine Aufstreuung des einfallenden Lichts und
damit letztendlich Blendung verursachen). Schließlich nimmt auch die Sensitivität der
Retina progressiv ab (dies erklärt sich über eine morphologische Veränderung und
eine reduzierte Dichte der Zapfen und Stäbchen und durch eine geringere Anzahl
von retinalen Ganglienzellen).
Abb. 3: altersabhängige Linsentransmission [8]
Neben diesen progressiven Einschränkungen des Sehapparats leiden ältere Personen
vielfach unter Augenerkrankungen, beispielsweise unter Glaukom, Katarakt, Makuladegeneration oder diabetischer Retinopathie.
85
Das visuelle System des Menschen I
Gerade die Trübung der Linse zeigt deutlich auf, dass über verbesserte Lichtsysteme
ein Zuwachs an Lebensqualität für ältere Personen zu erreichen ist. So ist beispielsweise für eine 50-jährige Person 50% mehr Licht notwendig, um dieselbe retinale Beleuchtungsstärke zu erhalten wie für eine halb so alte Person. Eine 82-jährige Person
würde im Vergleich zu einer 25-jährigen Person sogar, allein aufgrund der reduzierten Linsentransmission, das Zweifache an Lichtintensität bzw. 100% mehr Licht
brauchen. Mehr Licht kann aber auch hinderlich sein, speziell dann wenn es blendet.
Unter der Annahme, dass für nicht visuelle Lichtwirkungen über das Auge (z.B. die
Stabilisierung und Resynchronisation zirkadianer Rhythmen der Melatoninausschüttung oder Körperkerntemperaturvariation [7]) neben der Licht-intensität gerade kurzwellige Lichtanteile besonders erforderlich sind (allein die Trübung der Linse bedingt
schon eine geringere Transmission in diesem spektralen Strahlungsbereich), spielt
auch die Lichtfarbe eine entscheidende Rolle für Beleuchtungssysteme von älteren
Personen (siehe Abb.4).
Abb.4: 24-Stunden Melatoninprofil älterer Personen in Pflegeheimen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit jungen Probanden (0 entspricht in der Graphik 24 Uhr und -4
entspricht 20 Uhr). Demente Heimbewohner unter Alltagsbedingungen („baseline period“) zeigen eine signifikant geringere Melatoninausschüttung als unter täglicher 4-stündiger Lichtexposition („light exposure period“). Ihre Melatoninausschüttung ähnelt der
einer Kontrollgruppe mit jungen Probanden („grau schattierter Bereich in obiger Graphik“) und ist deutlich höher als die Melatoninausschüttung einer gesunden Kontrollgruppe von Heimbewohnern mit gleichem Alter („EC“). [7]
86
Das visuelle System des Menschen I
Tages- und Kunstlichtverhältnisse älterer Menschen
Unterschiedliche Studien im Großraum von San Diego hatten die tägliche Lichtexposition von Menschen unterschiedlichen Alters zum Inhalt [11, 12, 13].
Die folgenden Abbildungen 5 und 6 veranschaulichen einige Studienergebnisse. Es
wird ersichtlich, dass mit zunehmendem Alter und Schweregrad der Demenz Lichtexpositionen über 1000 Lux bzw. 2000 Lux zum kostbaren Gut werden und damit
Licht psychophysiologisch kaum wirksam werden kann.
Tägliche Lichtexposition über 2000 Lux
100
Minuten
80
90
60
59
40
20
29
0
21-42 Jahre
55-81 Jahre
62-84 Jahre
(Heimbewohner mit
Alzheimer)
Abb.5
Minuten
Tägliche Lichtexposition über 1000 Lux
70
60
50
40
30
20
10
0
58
9
40-64 Jahre
60-100 Jahre
(Heimbewohner mit
leichter Demenz)
1
60-100 Jahre
(Heimbewohner mit
schwerer Demenz)
Abb.6
Sogar gesunde ältere Personen (55-81 Jahre) sind in ihrer Lichtexposition im Vergleich zu einer jüngeren Kontrollgruppe (21-42 Jahre) deutlich eingeschränkt (siehe
Abb.5). Dass die Studienergebnisse jedoch stark variieren, veranschaulicht die folgende Abbildung. Eine in den Niederlanden 2006 durchgeführte Studie protokollierte
die Expositionszeit über bestimmten Lux-Werten für 14 gesunde, nicht institutionalisierte ältere Personen [5]. Aus ihr wird ersichtlich, dass die Tageslichtexposition entscheidend dafür ist, wie lange ältere Personen Licht über 1000 Lux bzw. 3000 Lux
ausgesetzt sind. Im Sommer wurden drei Stunden Lichtexposition mit mindestens
1000 Lux gemessen, wohingegen im Winter nur mehr die Hälfte der Zeit für eine
derartige Lichtexposition erlangt werden konnte.
87
Das visuelle System des Menschen I
Abb.7: jahrzeitabhängige Lichtexpositionen [5]
Der aufmerksame Leser wird sich möglicherweise fragen, wieso gerade 1000 Lux und
mehr als eine entscheidende Lichtexposition angesehen wird. Dies rührt daher, dass
die zumeist mit Aktigraphen am Handgelenk gemessenen Helligkeitswerte in etwa
denjenigen für eine signifikante Melatoninunterdrückung entsprechen und die Melatoninunterdrückung als maßgebend für die zirkadiane Einflußstärke angenommen
wird.
In der Zwischenzeit wurden zahlreiche Feldstudien zur Erfassung des Einflusses von
Kunstlicht vor allem auf die Schlafqualität und Schlafarchitektur, zirkadiane physiologische Parameter und die Stabilisierung des Schlaf-Wachrhythmus älterer Personen
publiziert. Dabei kamen vielfach Lichttherapiegeräte, leuchtende Decken oder zusätzliche Raumleuchten entweder in den frühen Morgenstunden, vier bis sechs Stunden um die Mittagszeit oder am Abend zur Anwendung [1, 9, 17], die den Lichtmangel mit höheren Lichtintensitäten (ab 2500 Lux) oder spezifischen Lichtfarben (z.B.
weißes Licht mit einer Farbtemperatur von 6500 K oder blaues LED-Licht) auszugleichen versuchten.
Interessanterweise ergab eine Befragung von älteren Personen [15], dass Licht und
Beleuchtung ein nachgeordnetes Problem darstellt. Es fehlt sozusagen das Bewusstsein dafür, dass mit Licht altersbedingten Sehschwächen als auch psychophysiologisch instabil gewordenen Prozessen vorgebaut werden kann. So gaben allein lebende
ältere Personen an (siehe Abb.8), dass sie hauptsächlich unter Lärm, Staub und Hitze
im Sommer leiden. Erst an 12.Stelle wurden Probleme mit der Beleuchtung angeführt. Davor reihten sich sogar noch Probleme mit der Raumgröße und der Heizung.
88
Das visuelle System des Menschen I
Abb.8: Probleme im Haushalt allein lebender älterer Personen [15]
Wurden die älteren Personen nach ihren Erwartungen an ein Kunstlichtsystem gefragt, nannten diese eine ausreichende Helligkeit zum Lesen, Blendfreiheit, geringer
Energieverbrauch, eine warme Lichtfarbe und ein Leuchtenstil, der in ihr häusliches
Ambiente passt. Beispiele für installierte Leuchten in Haushalten älterer Personen
finden sich in Abb.9. Diese Leuchten sind überwiegend Deckenleuchten, die sich
entweder in der Raummitte oder direkt über dem Tisch befinden.
Abb.9: Leuchtensysteme in Haushalten allein lebender älterer Personen [15]
89
Das visuelle System des Menschen I
Über lichttechnische Messungen in diesen Haushalten wurden häufig auftretende
Mängel in der Licht- und Beleuchtungssituation erfasst:
●
hohe Fensterleuchtdichten
●
ungleichmäßige Helligkeitsverteilung
●
zu geringe Helligkeit am Arbeitstisch (siehe Abb.11)
●
sehr geringe Helligkeit im Flur
●
dunkle Möbeloberflächen, Teppiche und Böden („schlucken
viel Licht“ – siehe Abb.12)
●
Nachtlicht im Flur und WC nicht dimmbar („Weckimpuls
durch helles Licht“)
●
Ineffiziente Leuchten (Leuchtmittelwahl und Lampenschirme)
●
ungünstige Position des Fernsehers (Reflexe, Blendung) – siehe Abb.13
Abb.11: Lichtsituationen in privaten Haushalten älterer Personen
90
Das visuelle System des Menschen I
Abb.12: typische dunkle Einbaumöbel
Abb.13: ungünstige Position des Fernsehers
Betrachtet man die Hauptaktivitäten älterer allein lebender Personen, so spielt vor allem das Umgebungslicht eine wichtige Rolle, z.B. beim Fernsehen, Entspannen und
Radio hören (siehe Abb.13). Das Zeitung lesen, als visuell anspruchsvolle Leistung,
nimmt dahingegen nur eine Stunde pro Tag Zeit in Anspruch. Es bleibt zu erwähnen, dass etwa zwei Drittel der allein lebenden älteren Personen (126 von 196 Befragten) sich über zwei Stunden täglich im Freien aufhalten und somit hohe Lichtdosen erhalten.
91
Das visuelle System des Menschen I
Abb.13: zeitliche Verteilung täglicher Aktivitäten allein lebender älterer Personen [15]
Akuteffekte von Kunstlicht
Im Rahmen des derzeit laufenden EU-Projektes „Aladin“ wurde in einem Laborexperiment untersucht, ob und wie stark verschiedene Lichtintensitäten und Lichtfarben akute kognitive Effekte auslösen können [25].
Dazu wurden insgesamt 15 Versuchspersonen zwischen 65 und 82 Jahren zweimal
ins Bartenbach Lichtlabor eingeladen, um einen sechsminütigen Daueraufmerk-samkeitstest unter fünf verschiedenen Lichtbedingungen (Kontroll-Licht: 4000 K und
500 Lux horizontal im Arbeitsbereich und 350 Lux auf Aughöhe bzw. vier TestLichter: 4000 K bzw. 6500 K jeweils mit 1000 Lux horizontal und 700 Lux auf Aughöhe bzw. 2000 Lux horizontal und 1400 Lux auf Aughöhe) nach jeweils fünfminütiger Adaptationszeit an die Lichtsituation durchzuführen. Neben den Leistungsdaten
wurden physiologische Parameter (Herzfrequenz und Hautleitwert) erhoben und ein
Fragebogen zur Lichtsituation vorgelegt.
Insgesamt zeigten sich unter der Testlichtbedingung 6500 K und 2000 Lux signifikant mehr korrekte (+3%) und weniger ausgelassene Antworten (-33%) als unter
4000 K und 500 Lux. Tendenziell gilt dies ebenfalls für die Testlichtbedingung
92
Das visuelle System des Menschen I
4000 K und 2000 Lux, so dass geschlossen werden kann, dass die Daueraufmerksamkeitsleistung vor allem mit höheren Lichtintensitäten akut gesteigert werden kann.
Physiologisch zeigte sich nur für die Lichtbedingung 6500 K und 2000 Lux eine tendenziell erhöhte Herzrate und eine signifikant reduzierte parasympathische Aktivität
(errechnet aus der Herzratenvariabilität). Unter den anderen Testlicht-Bedingungen
zeigten sich keine physiologischen Lichteffekte. Subjektiv bewerteten die Versuchspersonen jedoch die Lichtbedingung 4000 K und 2000 Lux als am hellsten und aktivierendsten und zogen die Lichtfarbe 4000 K der Lichtfarbe 6500 K vor.
„Aladin“ – Ambient Lighting Assistance for an Ageing Population
„ALADIN aims at developing an intelligent assistive system based on ambient lighting to support
mental alertness and memory performance as well as relaxation in specific situation. The system is
also expected to assist with regulating circadian rhythms.“ (www.ambient-lighting.eu)
Das im Forschungsprojekt zum Einsatz kommende Lichtsystem wird dabei physiologisch mittels künstlicher Intelligenz geregelt (es wurden zwei Ansätze implementiert:
genetischer Algorithmus bzw. Simulated Annealing):
Abb.14: Schema eines physiologisch geregelten Lichtsystems
Das Lichtsystem (siehe Abb.15) verändert aufgrund des momentan, aus Parametern
des Hautleitwertes und der Herzfrequenz, errechneten physiologischen Status, sowohl die Lichtintensität als auch die Lichtfarbe und Lichtverteilung.
93
Das visuelle System des Menschen I
Abb.15: Schema des eingesetzten Lichtsystems
Die physiologischen Daten werden dabei an der nicht dominanten Hand mit einem
neu entwickelten Sensorhandschuhs abgenommen (siehe Abb.16).
Abb.16: Aladin - Sensorhandschuh
Momentan läuft die Datenerhebung in 12 Haushalten allein lebender älterer Personen.
94
Das visuelle System des Menschen I
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Danksagung
Das Projekt „ALADIN - Ambient Assisted Living for the Ageing Society“ (FP6 –
IST – 2005 -045148) wird von der Europäischen Union gefördert und läuft vom Jänner 2007 bis Dezember 2008. Das Aladin-Konsortium besteht aus 7 Projektpartnern.
96
Das visuelle System des Menschen II
Das visuelle System des Menschen II
Licht und Netzhaut:
wann sichtbares Licht gefährlich werden kann.
Charlotte E. Remé, Prof. em.
Labor für Zellbiologie der Netzhaut, Universitäts–Augenklinik Zürich
Frauenklinikstrasse 24 CH-8091 Zürich
Die Sehzellen der Vertebraten Netzhaut, die Stäbchen und Zapfen, sind zur Lichtrezeption geschaffen. Während die Zapfen für Tages- und Farbsehen und hohe Auflösung zuständig sind, vermitten die Stäbchen das Sehen in der Dämmerung mit hoher
Empfindlichkeit. So besitzt das menschliche Sehsystem eine bemerkenswerte Funktionsbreite: von der Wahrnehmung im Sternenlicht von ca 0.0001 lx bis zum Sehen im
hellsten Sonnenlicht mit 10’000 bis 100’000 lx. Trotz dieser enormen Anpassungsfähigkeit können die Sehzellen durch eine Überdosis Licht geschädigt werden. Sowohl
Sonnenlicht als auch Kunstlichtquellen, sowohl weisses als auch monochromatisches
Licht bestimmter Wellenlängen können dem Auge zur Gefahr werden (3).
Die primären Vermittler eines Lichtschadens der Photorezeptoren sind die Sehpigmente, im Falle der Stäbchen das Rhodopsin, das am besten untersucht ist. Fehlt in
einer Netzhaut das Rhodopsin, entsteht kein Lichtschaden. Diese Untersuchungen
zeigen, dass andere lichtabsorbierende Moleküle, sogenannte Chromophore, in der
Netzhaut keine wesentliche Rolle spielen bei der Vermittlung eines Lichtschadens.
Für Schäden durch weisses Licht spielt die Geschwindigkeit der Rhodopsinregeneration nach Bleichung durch Lichtabsorption eine entscheidende Rolle. Schäden durch
blaues, kurzwelliges Licht sind unabhängig davon. Schäden durch weisses und blaues
Licht folgen einer Dosis–Wirkungskurve: Schwellenschäden betreffen die Aussensegmente der Sehzellen, die aus Phospholipid–Membranen aufgebaut sind, in welche die
Sehpigmente eingebettet sind. Ist die Lichtdosis höher, sterben die Sehzellen durch
Apoptose. Apoptose ist eine gen-regulierte Form des Zelltodes, die ubiquitär in der
Natur zu finden ist, vom Einzeller bis zum Menschen. Die Schadensschwelle kann
durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden, zum Beispiel durch photosensibili97
Das visuelle System des Menschen II
sierende Medikamente, durch die Kinetik der Rhodopsin–Regeneration und Varianten bestimmter Gene, die am Sehakt und Sehzyklus beteiligt sind (3, 4, 5).
Kurzwelliges blaues Licht hat ein hohes Schadenspotential durch seine hohe Photonen–Energie. Unsere Studien deuten darauf hin, dass bei der Lichtabsorption entstehende Retinoide eine schädigende Rolle spielen können. Ausserdem löst Blaulicht
eine deutliche Entzündungsantwort in der Netzhaut aus. Einwandernde Makrophagen sowie retinale Gliazellen transformieren sich in aktive Phagozyten, die die sterbenden Sehzellen abräumen sowie auch an einer Ausschüttung inflammatorischer
Zytokine und Chemokine (Regulatorische Proteine) und reaktiver Radikale beteiligt
sind. Es kommt zu Ablagerungen unterhalb der Netzhaut, die den Transport von
Sauerstoff und lebenswichtigen Molekülen in die Photorezeptorschicht behindern.
Wichtige neuere Untersuchungen zeigen, dass bestimmte genetisch bedingte Netzhauterkrankungen die Sehzellen besonders lichtempfindlich machen. Die autosomal
–dominant vererbte Form der Retinitis Pigmentosa (RP) ist durch eine Vielzahl verschiedener Mutationen im Molekül des Sehpigments Rhodopsin gekennzeichnet. Einige dieser Mutationen führen dazu, dass schon “normale” diagnostische Lichtexpositionen die Netzhaut schädigen können (1).
Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) wird durch bestimmte Gen–Varianten im Komplement–System, einem Entzündungs– und Immunabwehrsystem, gefördert: ein Genträger hat ein Risiko, das bis zu 60% höher ist als bei einem Nicht–Genträger. Auch hier könnte zuviel Licht gefährlich werden, da, wie wir gesehen haben,
Licht eine Entzündungsreaktion in der Netzhaut auslösen kann (2).
Diese Untersuchungen machen deutlich, dass bei Patienten mit Netzhautdegenerationen Vorsicht geboten ist, wenn sie hellem Licht ausgesetzt werden, wie zum Beispiel bei der Lichttherapie zur Behandlung von Winterdepression oder Störungen der
zirkadianen Rhythmen, die im Gefolge von jet lag oder Schichtarbeit auftreten können (4).
Zusammenfassend gilt auch für das Licht der Spruch des Paracelsus: dass es nämlich
die Dosis ist, die eine Substanz / Medikament zum Gift macht. So absolut unerlässlich das Licht für Leben, Gesundheit und Wohlbefinden ist, so gefährlich kann es unter bestimmten Bedingungen und bei allzu hoher Dosis werden.
98
Das visuelle System des Menschen II
Literatur:
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99
Das visuelle System des Menschen II
Sehen in der Dämmerung
Stephan Völker
Einführung
„Nachts sind alle Katzen grau“, ist eine alte Volksweisheit. Nicht nur die Lichttechniker wissen seit über 100 Jahren, dass sich das Sehen in der Dämmerung vom Tagessehen unterscheidet. Dennoch wurde diese Tatsache in der angewandten Lichttechnik weitestgehend ignoriert. Selbst die CIE (Internationale Beleuchtungskommission)
gibt bis auf den heutigen Tag keine standardisierte Hellempfindlichkeitsfunktion für
den Bereich des Dämmerungssehens an.
Der vorliegende Artikel möchte sich mit den Hintergründen beschäftigen und aktuell
diskutierte Lösungsansätze aufzeigen. Dabei werden neben den Fragen eines möglichen Energieeinsparpotenzials auch Sicherheitsaspekte angerissen. Für die Nutzung
einer 'Fotometrie der Dämmerung' sind neben entsprechenden Modellen geeignete,
international akzeptierte Messmethoden notwendig. Wie die vorgestellten Modelle
zeigen, sind viele Probleme noch ungelöst. Eine offene Diskussion der Fragen rundet
den Artikel ab.
Physiologische Grundlagen
Die Netzhaut des menschlichen Auges enthält lichtempfindliche Zapfen und Stäbchen als Rezeptoren. Beide sind untereinander durch Ganglienzellen verschaltet. In
Abhängigkeit des Reizes verändern sich diese Verschaltungsstrukturen. Wir wissen
heute, dass Zapfen und Stäbchen nicht nur unterschiedliche spektrale Empfindlichkeiten besitzen (Abbildung 1), sondern auch unterschiedlich auf der Netzhaut verteilt
sind (Abbildung 2). Zudem weisen beide Typen unterschiedliches örtliches Auflösungsvermögen auf.
100
Das visuelle System des Menschen II
Spektrale Empfindlichkeits-funktionen von Zapfen und Stäbchen
Dichte der Rezeptoren / 10 4/m m²
Abbildung 1
Abbildung 2
18
15
Stäbchen
Stäbchen
12
9
6
3
Zapfen
Zapfen
0
60°
40°
20°
0°
20°
40°
60°
temporal
nasal
Fovea
Blinder Fleck
80°
Stäbchen- und Zapfenverteilung auf der Netzhaut [CuAl91]
Diese Erkenntnis führt zu drei Konsequenzen.
1. Die spektrale Empfindlichkeit ist abhängig vom Leuchtdichteniveau, da Zapfen und Stäbchen unterschiedliche Hellempfindlichkeitsbereiche aufweisen.
2. Die spektrale Empfindlichkeit hängt vom Ort des Reizes auf der Netzhaut ab
und müsste streng genommen ortsaufgelöst bestimmt werden.
101
Das visuelle System des Menschen II
3. Aufgrund des unterschiedlichen örtlichen Auflösungsvermögens beeinflusst
zudem die Reizgröße bzw. dessen Form die Erkennbarkeit des Testobjektes.
1924 wurde die spektrale Hellempfindlichkeitsfunktion V(λ) für die Zapfen durch die
CIE standardisiert. Diese gilt für foveale Beobachtung, ein Beobachterfeld von 2°
und Leuchtdichten größer 10 cd/m². Auch wenn neuere Untersuchungen nachgewiesen haben, dass Stäbchen durchaus noch bis 80 cd/m² aktiv sein können, so ist
ihr Einfluss auf die spektrale Hellempfindlichkeit in der Fovea Centralis für Leuchtdichten größer 10 cd/m² vernachlässigbar. Anders sieht es hingegen aus, wenn wir
größere periphere Felder betrachten [Orr05]. Aber das soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden, da es über den Bereich des Dämmerungssehens hinausgeht.
1951 folgte die Festlegung der spektralen Empfindlichkeit der Stäbchen für das
Nachtsehen (skotopisches Sehen). Sie gilt für ein 10-°-Beobachterfeld und für
Leuchtdichten unterhalb 0,001 cd/m² [CIE78]. Für kleinere Leuchtdichtewerte liefern die Zapfen nach heutigem Wissen keine bioelektrischen Signale.
Offen ist bis heute der Bereich zwischen 0,001 cd/m² und 10 cd/m², welcher den
Leuchtdichtbereich abdeckt, der in der Dämmerung auftritt. Dieser heißt auch mesopischer Bereich. Wie bereits angedeutet, sind in diesem Leuchtdichtbereich beide
Empfängersorten aktiv. Zwischen der spektralen Hellempfindlichkeit der Zapfen
V(λ) und Stäbchen V'(λ) gibt es einen kontinuierlichen Übergang.
Kokoschka [Kok97] bestimmte diesen Übergang entsprechend Abbildung 3. Dargestellt wird hier die spektrale Hellempfindlichkeit in Abhängigkeit von der Wellenlänge und der Leuchtdichte (Kurvenschar). Das Maximum der am weitesten nach
rechts verschobenen Kurve steht für das photopische Sehen (10 cd/m²) und das Maximum der am weitesten nach links verschobenen Kurve für das skotopische Sehen
(0,001 cd/m²).
102
Das visuelle System des Menschen II
spectral sensitivity
3
2
1
0
380
420
460
500
540
580
620
660
700
[nm]
Abbildung 3
Verschiebung der spektralen Empfindlichkeit in Abhängigkeit der
Leuchtdichte (0.001 (dunkelblau) und 10 cd/m² (hellblau)) [nach Kok97]
Leider ist die hier dargestellte Kurvenschar von vielen Parametern abhängig (wie weiter oben bereits angedeutet), sodass eine Standardisierung bisher nicht erfolgt ist.
Dies könnte sich jedoch ändern, wenn der neue Vorschlag des bei der CIE verantwortlichen Technischen Komitees TC 1.58 von der CIE dieses Jahr angenommen
wird.
Fotometrische und geometrische Bedingungen
Wenn wir an Sehen in der Dämmerung denken, haben wir zunächst den Kraftfahrer,
den Fußgänger, aber vielleicht auch die Beleuchtung eines Kinos oder die Notbeleuchtung vor Augen. Wahrscheinlich gibt es unzählige Anwendungsbeispiele für geringe Leuchtdichteniveaus, die sowohl Arbeitsplätze als auch den Freizeitbereich betreffen. Unter dem Blickwinkel einer möglichst energieeffizienten Beleuchtung steht
z. Z. die Straßenbeleuchtung im Mittelpunkt der politischen Diskussion. Daher sollen im Folgenden die fotometrischen und geometrischen Bedingungen für diesen
Anwendungsfall diskutiert werden.
Die photopischen Leuchtdichten liegen heute je nach Straßentypen zwischen 0,3 und
2 cd/m² [Ray04]. Schnee und Regen können jedoch sehr schnell zu Leuchtdichten
zwischen 3 und 5 cd/m² führen [Ekr07].
103
Das visuelle System des Menschen II
Abbildung 4
Leuchtdichtebild einer Straße mit Kfz-Beleuchtung in Falschfarbendarstellung in cd/m²
Mit der kraftzeugeigenen Beleuchtung beträgt die Leuchtdichte unmittelbar vor dem
Fahrzeug einige Candela pro Quadratmeter und sinkt zwischen 50 und 70 m vor dem
Fahrzeug rasch auf 50 bis 100 mcd/m² ab, siehe Abbildung 4. Da die Straße jedoch
nicht das gesamte Blickfeld des Fahrers bzw. Fußgängers erfasst, müssen weitere Teile berücksichtigt werden. Dies können ebenso Himmelsleuchtdichten sein, welche
zeitweise im skotopischen Bereich liegen, als auch einige Megacandela pro Quadratmeter, welche von entgegenkommenden Scheinwerfern oder Straßenleuchten stammen. Die einzelnen Teile der Netzhaut werden in einer solchen Beobachterszene lokal sehr unterschiedlich adaptiert sein.
Da unser Blick auf der Straße in aller Regel nicht ein Objekt fixiert, sondern immer
wieder nach neuen Objekten sucht, ändern sich die Leuchtdichten in den einzelnen
Netzhautarealen ständig. Für die Beobachtung sind als Verkehrsteilnehmer besonders die peripheren Gesichtsfelder von Interesse. Viele Objekte werden hier zunächst
wahrgenommen. Das Auge bewegt sich, um diese in die Fovea Centralis zu bringen.
Dort können sie dann scharf abgebildet und damit erkannt werden. Erst wenn dieser
letzte Schritt geschehen, beginnt der kognitive Entscheidungsprozess. Das Ergebnis
kann eine muskuläre Reaktion (Weglaufen, Bremsen, etc.) sein.
104
Das visuelle System des Menschen II
Daran wird deutlich, dass die alleinige Beschreibung der Fovea Centralis, wie sie
durch die V(λ) Funktion heute geschieht, keinesfalls für das Dämmerungssehen ausreichend ist. Die für den Wahrnehmungsprozess bedeutendere Peripherie wird, wie
wir gesehen haben, nicht mit den vorhandenen Modellen abgebildet.
Auswirkungen
In der Fotometrie werden alle Messempfänger auf die spektrale Hellempfindung der
Zapfen kalibriert, d. h., die höhere Empfindlichkeit der Netzhaut für kürzere Wellenlängen in der Dämmerung wird ignoriert. Mit dieser Entscheidung wurde und wird
die gesamte Lichttechnik geprägt. Lichtquellen werden auf hohe photopische Lichtströme und Lichtausbeuten optimiert. Messtechnik für das Dämmerungssehen existiert nicht.
Vor diesem Hintergrund entwickelte sich in den vergangenen drei Jahren eine heftige
internationale Diskussion, ob bestimmte Lichtquellen denn tatsächlich so energieeffizient in der Außenbeleuchtung seien, wie bei photopischer Betrachtung immer angenommen wurde.
Während die eine Seite argumentiert, wir können deutlich Energie sparen bzw.
gleichzeitig die Sicherheit erhöhen, wenn wir nur Lichtquellen mit hohen kurzwelligen Anteilen einsetzen, behauptet die andere Seite, das Ganze sei nur ein akademischer Streit, der in der realen Welt keinerlei praktische Relevanz hat. Schließlich nutzen wir fast 100 Jahre erfolgreich die V(λ) Funktion für die Straßenbeleuchtung.
Sollte die letzte Seite Recht behalten, wären all die Untersuchungen zwar für die Wissenschaft interessant, brächten aber keinerlei messbaren Nutzen. Sollte die erste Seite
Recht behalten, wäre es denkbar, mit geringeren photopischen Leuchtdichten Straßen zu beleuchten (und damit Energie zu sparen), ohne die Sicherheit zu reduzieren.
Methodische Bestimmung
Aus Untersuchungen zur Bestimmung der spektralen Hellempfindlichkeitsfunktion
V(λ) ist bekannt, dass die Form dieser Kurve stark von der verwendeten Methode
abhängt. Daraus ergibt sich die Frage, welche Methode für die Bestimmung der spek105
Das visuelle System des Menschen II
tralen Hellempfindlichkeit im mesopischen Bereich am geeignetesten ist bzw. der Sehaufgabe in diesem Leuchtdichtbereich am Nächsten kommt. Eine der bekanntesten
Methoden zur Bestimmung der V(λ) Funktion – die Flimmerfotometrie - ist beispielsweise im mesopischen Leuchtdichtbereich nicht anwendbar, da Stäbchen und
Zapfen unterschiedliche Flimmerverschmelzungsfrequenzen aufweisen. Alternativ
könnte man das ebenso bekannte Verfahren des Brightness matching einsetzen (Vergleich einer Testfläche mit einer Referenzfläche). Dies ist insbesondere dann zu empfehlen, wenn man den Helligkeitseindruck der Fahrbahn vergleichen will, welcher
mit Halogenscheinwerfern bzw. mit LED-Scheinwerfern erzeugt wird. Geht es jedoch um die Frage, welchen Einfluss hat die spektrale Verteilung einer Lichtquelle
auf die Erkennbarkeit peripherer Objekte hat, wie z. B. eines Fußgängers am Straßenrand, so muss auf andere Verfahren zurückgegriffen werden. Hierfür eignen sich
Reaktionszeitmessungen oder Schwellenkontrastbestimmungen von peripheren Objekten.
Lösungsansätze
Lösungsansätze gab es in der Vergangenheit viele [CIE89]. Ein Großteil dieser Ansätze beruht auf der Methode des Brightnessmatching. Diese Methode mag gut geeignet sein, Helligkeiten von Flächen (z. B. Straßenoberflächen) zu beurteilen. Ob
diese Ergebnisse jedoch übertragbar sind, unterschiedliche Schwellenkontraste zu beurteilen, die sich durch unterschiedliche spektrale Strahldichten ergeben, mag bezweifelt werden. Aus diesem Grund wurde im Jahr 2000 von der CIE ein Technisches Komitee gegründet, welches die Aufgabe hat, ein mesopisches Modell vorzuschlagen, das auf Sehleistungsdaten in diesem Bereich beruht.
Sehleistung wurde von der CIE definiert als Leistung des visuellen Systems, welche
z. B. über die Geschwindigkeit oder die Sehschärfe gemessen wird, die für eine bestimmte Sehaufgabe benötigt wird [CIE87]. Für die Messung der Sehleistung muss
daher zunächst eine Sehaufgabe definiert werden. Da ein Verkehrsteilnehmer sehr
unterschiedliche Sehaufgabe hat [CIE92], [Cha97], wurden drei typische Sehaufgaben
ausgewählt: 'Kann man ein Objekt sehen?' 'Wie schnell kann man es sehen?' und
'Was ist es?'. Die Frage, ob ein Objekt sichtbar ist oder nicht, lässt sich nur dann beantworten, wenn der achromatische Kontrast des Sehobjektes und sein unter diesen
Bedingungen notwendiger achromatischer Schwellenkontrast bekannt sind. Bevor je106
Das visuelle System des Menschen II
doch eine willentliche Handlung erfolgt, muss das Objekt erkannt werden [Vár07].
Die Reaktionszeit gilt als wichtiger Indikator, ob gefährliche Situationen vermeidbar
sind oder nicht. Wie verschiedene Autoren zeigten [BuRe00], [PlMu02], hängen Reaktionszeit und Unfallzahlen unmittelbar zusammen.
Neben der abhängigen Größe (Schwellenkontrast, Reaktionszeit), müssen die veränderbaren unabhängigen Variablen definiert werden. Diese wären, die Leuchtdichte,
der Kontrast, die Form, die Lage und die spektrale Verteilung.
Für die untere Grenze der Leuchtdichte gilt 0.001 cd/m² [CIE78]. Für die obere
Grenze werden sehr unterschiedliche Zahlen genannt, siehe Tabelle 1.
Tabelle 1: Obere Leuchtdichtegrenzen ausgewählter Autoren (Blickfeld in °)
LeGrand [LeG72]
Kokoschka CIE 1978 He
[Kok97]
Obere L/cd/m² 5 (für 3°) 15 (für 25 °) 10
Re
MOVE
[CIE78]
[HBR98] [RBF04] [MOVE05]
einige
1
10
10
Wie die Tabelle zeigt, sollte die Leuchtdichte für mesopische Untersuchungen zwischen 0,001 und 10 cd/m² liegen.
Bestimmt man aus Leuchtdichtebildern den Kontrast (C = >|Lo – Lstr|/Lstr) von gerade erkennbaren Fußgängern oder Tieren auf der Fahrbahn in statischen Versuchen
zur Erkennbarkeit, so liegt dieser zwischen 0,3 und 0,6 [Sla06], [Völ06]. Wie hoch
der Schwellenkontrast von Objekten im dynamischen Straßenverkehr tatsächlich ist,
ist bislang unbekannt. Sehr wahrscheinlich dürfte er bei unerwarteten Objekten darüber liegen. Für Testobjekte sollte der Kontrast daher zwischen 0,5 und 1 gewählt
werden.
Als Standardsehobejekt für Untersuchungen im Bereich der Straßenbeleuchtung
dient häufig eine Graukarte mit einer Größe von 0,2 mal 0,2 m und einem Reflexionsgrad von 0,2 (STV - Smal Taget Visibility) [DeB67]. Für den Bereich der Kraftfahrzeugbeleuchtung zeigt eine Graukarte von 0,3 mal 0,3 m mit einem Reflexionsgrad von 0,05 eine ähnliche Erkennbarkeitsentfernung, wie dunkelgekleidete Fußgänger [Völ06]. Auch wenn derartige Standardsehobejekte sehr umstritten sind, liefern
sie doch vergleichbare Ergebnisse.
107
Das visuelle System des Menschen II
Wie bereits am Anfang diskutiert, sollten die Sehobjekte sowohl foveal als auch peripher untersucht werden.
Da die spektrale Verteilung des reflektierten Lichtstromes direkt in die Berechnung
einer mesopischen Leuchtdichte eingeht, sollte diese bei Untersuchungen über einen
möglichst großen Bereich variiert werden. Üblicherweise wird zur Kennzeichnung
der spektralen Verteilung das S/P-Verhältnis verwendet. Dies ist definiert, als das
Verhältnis von photopischem zu skotopischem Lichtstrom der Lichtquelle. Es variiert zwischen 0,23 für Natriumdampfniederdrucklampen über 0,6 für Natrumdampfhochdrucklampen bis hin zu 2.4 für tageslichtweiße Metallhalogendampflampen. Zu
bedenken ist jedoch, dass dieses Verhältnis nur dann anwendbar ist, wenn die Probe
aselektiv ist, was bestenfalls für Graukarten oder graue Kleidung zutrifft. Ist sie es
nicht, kann aus dem S/P-Verhältnis allein keine Aussage über die Wirksamkeit einer
bestimmten spektralen Verteilung auf das Dämmerungssehen abgeleitet werden.
Nachdem nun alle Parameter definiert sind, soll zum Schluss noch eine Lösung vorgestellt werden, die möglicherweise in einigen Monaten für die Berechnung einer
mesopischen Leuchtdichte von der CIE empfohlen wird.
Voraussetzung für das Modell waren folgende Punkte:
●
Additivität
●
Stetigkeit
der
Funktion,
d. h.
V(λ)
Bewertung
für
Leuchtdichten
größer/gleich 10 cd/m² und V'(λ) für Leuchtdichten kleiner/gleich 0,001 cd/
m².
Daraus ergibt sich aus praktikablen Gründen die Form:
Vmes(λ) = x V(λ) + (1 - x) V'(λ),
wobei x eine Funktion ist, die von der Leuchtdichte selbst abhängt.
Die Daten zur Ermittlung von x beruhen auf umfangreichen empirischen Untersuchungen [MOVE05], [EVH05], [Elo05], [FEK07], [VCE06], [WOB07] u. a. an denen 109 Versuchspersonen teilgenommen haben. Es wurde sowohl Schwellenkontraste für die Detektion und Identifikation, als auch die Reaktionsgeschwindigkeit gemessen.
108
Das visuelle System des Menschen II
Abbildung 5
Adaptationskoeffizient x aus Untersuchungen von Orrevetelainen
[Orr05]
Abbildung 5 zeigt den Adaptationskoeffizienten x nach Orrevetelainen für den
Leuchtdichtebereich zwischen 0,003 cd/m² und 10 cd/m². Die dargestellten Daten
wurden mit unabhängigen Daten des L-LAB validiert. Ohne an dieser Stelle auf alle
Details eingehen zu können, zeigt der Ansatz, wie zukünftig mesopische Leuchtdichten zu berechnen sind.
Zusammenfassung
Der Artikel zeigte nicht nur, dass Nachts alle Katzen grau sind, sondern, dass wir vieles über das Sehen in der Dämmerung noch immer nicht exakt wissen. Erste Forschungsergebnisse lassen jedoch hoffen, dass zukünftig eine deutlich wirklichkeitsgetreuere Helligkeitsbewertung möglich ist. Dazu zählt nicht nur eine der Leuchtdichte
angepasste spektrale Bewertung, sondern ebenso eine leuchtdichte- und winkelabhängige örtliche Auflösung. Letzteres konnte in diesem Beitrag nur angerissen werden [Völ06]. Erst wenn wir die heute existierenden Modelle messtechnisch implementiert haben, können wir prüfen, inwieweit der höhere Aufwand einer exakten
mesopischen Bewertung auch ökonomisch gerechtfertigt ist. Denn – die Validierung
109
Das visuelle System des Menschen II
der Laborversuche in realen Feldversuchen steht noch aus. Es bleibt aber eine spannende Aufgabe, die es in den kommenden Jahren zu lösen gilt.
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Das visuelle System des Menschen II
Zur Photometrie nichtvisueller Lichtwirkungen
Prof. Dr. Christoph Schierz
TU Ilmenau, Fachgebiet Lichttechnik, Postfach 100 565, 98684 Ilmenau
christoph.schierz@tu-ilmenau.de
1
Einleitung
Bisherige Beleuchtungsplanung und -bewertung beruht auf den Jahrzehnte alten Erfahrungen der Photometrie. Den Größen wie Beleuchtungsstärke in Lux oder
Leuchtdichte in cd/m² liegt die Überlegung zugrunde, dass das Sichtbarmachen von
Objekten die Hauptaufgabe natürlicher oder künstlicher Beleuchtung ist. So simuliert
ein Luxmeter die spektrale Empfindlichkeit der Netzhaut für ein 2-Grad-Gesichtsfeld am Ort der Netzhautgrube (Fovea), der Stelle schärfsten Sehens. Ein Leuchtdichte-Photometer simuliert zusätzlich die optischen Eigenschaften des Auges für
Abbildungen an diese Stelle.
In den letzten Jahren wurden in zunehmendem Maße auch in der Lichttechnik unspezifische biologische Lichtwirkungen diskutiert. Diese werden nicht durch den für
das Sehen verantwortlichen spezifischen neuronalen Pfad übertragen (NIF: NonImage-Forming). Solche nichtvisuellen Lichtwirkungen verlangen daher nach neuen
Messmethoden. Messtechnisch neu auszulegen sind sowohl die spektrale, die räumliche als auch die zeitliche Integration des Lichts. Dafür muss bekannt sein, welche
spektralen Empfindlichkeiten die zuständigen Rezeptoren besitzen, wie sich deren
Signale über die Netzhaut summieren und welches deren Adaptationsverhalten bei
zeitlichen Änderungen ist.
2
Zur spektralen Integration
Folgende Faktoren sind bestimmend für die spektrale Integration:
●
Der spektrale Transmissionsgrad der Augenmedien, insbesondere der Augenlinse.
●
Das Alter der Person, welches die spektrale Transmission verändert.
●
Der spektrale Absorptionsgrad der relevanten Photopigmente.
112
Das visuelle System des Menschen II
Die Wirkung anderer Photorezeptoren (Zapfen, Stäbchen) auf nichtvisuelle
●
Effekte.
2.2
Spektrale Transmission des Auges
Eine Lichtwirkung entsteht, wenn Photonen von einem Molekül absorbiert werden –
im diskutierten Fall von einem Photopigment. Dazu muss es zuerst, ohne absorbiert
zu werden, durch die Augenmedien gelangen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist abhängig von der Wellenlänge (Abb. 1).
Die Augenlinse erleidet mit zunehmendem Alter eine Gelbfärbung. Dies ist auch im
spektralen Transmissionsgrad des Auges durch einen Abfall im blauen Bereich des
spektraler Transmissionsgrad
Spektrums zu erkennen.
1,0
0,8
15 Jahre
0,6
0,4
75 Jahre
0,2
0,0
350
400
450
500
550
600
650
Wellenlänge [nm]
Abbildung 1
Spektraler Transmissionsgrad des Auges, in Abhängigkeit des Alters
(berechnet nach [2]). Bereits in jungen Jahren gehen über 30% des Lichts in den Augenmedien, insbesondere in der Augenlinse verloren. Da die Kurven gegen das Blaue
nach unten geneigt sind, ist der Transmissionsgrad generell für warmweiße Lichtquellen
höher als für tageslichtweiße.
Wie im nächsten Kapitel gezeigt wird, ist die spektrale Empfindlichkeit für nichtvisuelle Lichtwirkungen zwischen 430 und 460 nm, also im blauen Spektralbereich maximal (vgl. Abb. 2), gerade da, wo die Transmission besonders stark mit dem Alter reduziert wird. Ältere Menschen benötigen daher für nichtvisuelle Lichtwirkungen
mehr Intensität als jüngere und auch mehr, als man mit konventionellen photometrischen Messungen erwarten würde.
113
Das visuelle System des Menschen II
2.3
Spektrale Empfindlichkeit der Rezeptoren
Die spektrale Empfindlichkeit der Melatonin-Suppression zeigte sich gegenüber der
bekannten spektralen Hellempfindlichkeit V(λ) ins Blaue verschoben (Abb. 2). Zudem konnte gezeigt werden, dass eine ähnliche spektrale Empfindlichkeit auch für
die zeitliche Stabilisierung der biologischen Uhr [16] und für die Steigerung des subjektiven und physiologischen Wachheitsgrades gelten muss [17]. Allerdings sind für
diese weiteren nichtvisuellen Lichtwirkungen noch keine vollständigen Kurven der
Spektralempfindlichkeit bekannt.
Bei der Lichttechnik und der Lampenindustrie gelangten als erstes diese auf den neu
erkannten Rezeptoren beruhenden Spektralempfindlichkeiten in den Fokus des Interessens. So wurde vorgeschlagen, die Verschiebung der spektralen Empfindlichkeit
mit Hilfe eines Korrekturfaktors in der Photometrie zu berücksichtigen [11]. In Entwicklung und auf dem Markt befinden sich bereits entsprechende Messgeräte [9][10].
Laufende Normungsarbeiten haben zum Ziel, eine neue spektrale Empfindlichkeitsfunktion für die nichtvisuellen Lichtwirkungen zu tabellieren, um von Lampenherstellern neu entwickelte Lampen, welche im blauen Spektralbereich stärker abstrahlen, charakterisieren zu können.
Es darf aber nicht übersehen werden, dass die Datenlage noch relativ spärlich ist. Die
publizierten 14 Datenpunkte (Abb. 2) weisen um 500 nm eine relativ große Unsicherheit auf. Zudem setzt die Integration eines Lichtspektrums, gewichtet mit einer
spektralen Empfindlichkeitsfunktion voraus, dass sich die Gesamtwirkung additiv
aus den Einzelwirkungen monochromatischer Strahlung zusammensetzt (Gesetz
nach Abney).
114
relative spektrale Empfindlichkeit
Das visuelle System des Menschen II
1,0
Hellempfindlichkeit V(λ )
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0
400
450
500
550
600
650
700
Wellenlänge [nm]
Abbildung 2
Spektrale Empfindlichkeit für Melatonin-Suppression, im Vergleich zur
spektralen Hellempfindlichkeitskurve V(λ) [14][15].
Wissenschaftliche Erkenntnisse deuten darauf hin, dass dies bei nichtvisuellen Wirkungen nur in erster Näherung gilt [5], da Zapfen (oder auch Stäbchen) einen zusätzlichen Einfluss zu nehmen scheinen. Dies kann auch auf Grund von Tierversuchen
bis jetzt nicht ausgeschlossen werden. In einer andern Studie wurde die circadiane
Rhythmik mit rotem Licht (95% der Energie oberhalb von 600 nm) gleich gut verschoben, wie mit weißem Licht [21], was ebenfalls einer einfachen spektralen Integration widerspricht.
3
Zur räumlichen Integration
Folgende Faktoren sind bestimmend für die räumliche Integration:
●
Die optische Abbildungsvergrößerung des Auges in Abhängigkeit des Netzhautortes.
●
Die Transmissionsgrade der okulären Medien, abhängig von den verschiedenen optischen Weglängen und vom Alter der Person.
●
Die Dichteverteilung der relevanten Rezeptoren auf der Netzhaut.
●
Die Größe der relevanten Rezeptoren in Abhängigkeit des Netzhautortes.
115
Das visuelle System des Menschen II
●
Die Empfindlichkeit der relevanten Rezeptoren in Abhängigkeit des Netzhautortes.
●
3.1
Die Art der Summation über beide Augen.
Abbildende Eigenschaften des Auges
Eine Schwierigkeit liegt in der Forschungspraxis begründet, als Maß für die Lichtintensität die vertikale Beleuchtungsstärke an der Hornhaut (Cornea) des Auges zu verwenden.
Cornea
Retina
Abbildung 3
Unterschiedliche Beleuchtungssituationen, welche gleiche Hornhaut-Beleuchtungsstärken, aber unterschiedliche Netzhaut-Beleuchtungsstärken erzeugen.
Dies führt zu uneindeutigen, wenn nicht gar falschen Angaben der Wirkungsstärke.
Eine 5 cm große, 50'000 cd/m² helle Glühlampe in 1 m Entfernung erzeugt dieselbe
Beleuchtungsstärke von 100 lx auf der Hornhaut, wie eine großflächige Lichtquelle
mit weniger als 50 cd/m². Man geht also implizit davon aus, dass intensives, auf eine
Stelle der Netzhaut (Retina) fokussiertes Licht dieselbe Wirkung hat, wie entsprechend weniger intensives, aber über die ganze Netzhaut verteiltes Licht (Abb. 3 und
4).
116
Melatoningehalt im Blutserum [pg/ml]
Das visuelle System des Menschen II
50
<10 lx
40
200 lx
30
400 lx
20
600 lx
10
Lichtexposition
0
22
23
0
1
2
Tageszeit
3
4
5
Abbildung 4
Unterdrückung der Melatonin-Produktion durch Licht in der Nacht. Zeitlicher Verlauf der Melatonin-Suppression während dreistündiger Lichtexposition unterschiedlicher Hornhaut-Beleuchtungsstärke (nach [13]). Die Beleuchtungsstärke wurde
mit Hilfe der Distanz der Lichtquelle eingestellt. Die Netzhaut-Beleuchtungsstärke blieb
somit konstant, nur die Bildgröße der Lichtquelle auf der Netzhaut variierte.
Für eine adäquate Beurteilung der Lichtintensität müßte nicht die Hornhaut-Beleuchtungsstärke sondern diejenige auf jeder Netzhautstelle bekannt sein. Letztere ist proportional zur Leuchtdichte (bzw. Strahldichte) des vom Auge abgebildeten Objekts,
z.B. einer Lichtquelle. Viele Arbeiten erläutern die Lichtbedingungen im Experiment
nicht im Detail. Dadurch läßt sich die Leuchtdichteverteilung und die Verteilung der
Netzhautbeleuchtungsstärke nicht mehr rekonstruieren.
Hornhaut
(Cornea)
Netzhaut
(Retina)
Ziliarmuskel
Zonulafasern
Linse
Iris
Fovea
blinder Fleck
(Papille)
Glaskörper
vordere und hintere
Augenkammer
Sehnerv
Lederhaut
(Sclera)
Abbildung 5
Da, anders als in der Photometrie vorausgesetzt, auch die periphere
Netzhaut nichtvisuelle Lichtwirkungen anregt, ist zu berücksichtigen, dass Lichtstrahlen
mit unterschiedlichen Einfallswinkeln auch unterschiedliche Weglängen und Auftreffwinkel aufweisen. Als Faustregel gilt: der Auftreffwinkel ist halb so groß, wie der Einfallswinkel. In der Optik ist die Auswirkung solcher Effekte unter dem Begriff „Randlichtabfall“ bekannt.
117
Das visuelle System des Menschen II
Die optischen Eigenschaften des Auges haben zur Folge, dass Lichtstrahlen mit unterschiedlichen Einfallswinkeln (Abb. 5), unterschiedlich hohe Beleuchtungsstärken
auf der Netzhaut erzeugen (Stichworte dazu sind: Asphärische Hornhaut, Vignettierung durch Pupille, variierende optische Weglängen und damit der Lichtabsorptionen, Krümmung der Netzhaut). Es resultiert eine Schwächung der Beleuchtungsstärke auf der Rezeptorfläche mit zunehmendem Einfallswinkel. Diese fällt aber nicht so
1.0
0.9
xm
er
et
0.6
0.5
,
ut
ha g
tz hri
Ne -jä
60
.0.7
,
ut
ha ig
t z hr
Ne 0-jä
2
0.8
Lu
rel. Beleuchtungsstärke auf Netzhaut [-]
stark aus, wie sie ein kosinus-korrigiertes Luxmeter vornimmt (Fig. 6).
0.4
0.3
0.2
0.1
0.0
0
10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Lichteinfallswinkel ins Auge [°]
Abbildung 6
Durch die Optik bestimmte Richtcharakteristik des menschlichen Auges
und diejenige von kosinus-korrigierten Luxmetern (nach [8] für 2 mm Augenpupille, altersabhängige Lichtabsorption zusätzlich berücksichtigt). Die weitgehend unbekannten
lokalen Sensitivitäten jeder Netzhautstelle sind nicht berücksichtigt. Im schraffierten Bereich mit Winkeln > 55 Grad wird das Auge vertikal und gegen die Nase abgeschirmt.
Licht aus diesem Winkelbereich gelangt nur von der Schläfenseite her in jeweils ein
Auge.
Selbstverständlich bleibt das Auge unter natürlichen Bedingungen nicht fixiert. Ständige Augenbewegungen „verschmieren“ die Richtcharakteristik. Dabei spielt auch
die zeitliche Trägheit der Übertragungskette eine Rolle. Erstaunlicherweise gibt es
zur arbeitsplatzbezogenen Häufigkeitsverteilung von Blickrichtungen kaum Literatur
(für erste Untersuchungen siehe [3]). Auch für Blendung und Helligkeitsadaptation
wären Untersuchungen zur Blickverteilung in vertikaler Richtung und zum Einfluss
von Fenstern von besonderem Interesse. Ein weiterer moderierender Faktoren für
nichtvisuelle Lichtwirkungen ist die mit der Adaptationsleuchtdichte variierende Pupillengröße. Letztere wirkt als Regler für Helligkeitsänderungen kompensierend [6].
118
Das visuelle System des Menschen II
3.2 Sensitivitäten der Netzhautstellen
Weitgehend offen sind die Sensitivitäten der Netzhautstellen für nichtvisuelle Lichtwirkungen. Die ganze Netzhaut scheint beteiligt zu sein, wobei die Fovea – anders
als bei spezifischen Lichtwirkungen – keine hervorragende Rolle spielt (Abb. 7). Vergleicht man die Zellendichte mit derjenigen von Sehzapfen oder Stäbchen, fällt auf,
dass sie um Größenordnungen kleiner ausfällt. So stehen in der Peripherie den 5 bis
20 nichtvisuell wirksamen Zellen rund 100’000 bis 150’000 Stäbchen und immerhin
noch 5000 Zapfen pro mm2 gegenüber [4]. Oder anders formuliert: Innerhalb eines
in der Photometrie üblichen, 2° großen Kreises befinden sich in der Peripherie des
Gesichtsfelds nur etwa 1 bis 6 nichtvisuelle Rezeptoren, in der Fovea keine.
mittlere Zellendichte [mm-2]
25
20
15
10
5
0
0
2
4
6
8 10 12 14 16 18
Netzhaut-Exzentrizität [mm]
Abbildung 7
Mittlere Zellendichte der für nichtvisuelle Lichtwirkungen (speziell Melatonin-Suppression) verantwortlichen Ganglienzellen in der Netzhaut bei Makaken-Affen
(nach [1]). Bei der Exzentrizität Null befindet sich die Fovea. Sie enthält praktisch keine
dieser Zellen. Wenn das Makaken-Auge die gleichen Abmessungen hätte, wie das menschliche Auge, entsprächen einer Exzentrizität von 12 mm auf der Netzhaut einem Sehwinkel von 40°. Damit ist die Peripherie des Gesichtsfeldes besonders wirksam, da sie
eine größere Fläche aufweist als die Fovea-nahen Bereiche bei 2 bis 4 mm Exzentrizität.
Mit der Verteilung der Rezeptoren auf der Netzhaut ist noch nicht geklärt, wieviel jeder Rezeptor zum wirksamen Summensignal beiträgt. Es gibt erste Hinweise, dass
dies uneinheitlich sein könnte. Licht das von oben ins Auge fällt, unterdrückt die Melatonin-Produktion wirksamer als Licht von unten [12]. Demnach ist die Netzhaut
23 Grad unterhalb der Fovea sensitiver als 23 Grad oberhalb. 30 Grad von der Seite
einfallendes Licht zeigte sich von schläfenseitig (temporal) kommend wirksamer als
von nasenseitig (nasal) kommend [18]. Hier wirkt aber normalerweise das zweite
119
Das visuelle System des Menschen II
Auge teilweise kompensierend. Für schläfenseitige Einfallswinkel > 55 Grad ist dies
aber nicht mehr der Fall, weil die Nase das andere Auge abdeckt (Schraffur in Abb.
6). Für Melatonin-Suppression sind zwei Augen wirksamer als eines allein [20]. Von
den visuellen Lichtwirkungen her gesehen ist dies nicht selbstverständlich: Einäugig
erscheint die Umwelt nicht dunkler als zweiäugig.
Auch die Lichttherapie von SAD-Patienten wirkt dann, wenn nicht direkt auf die
Lichtquelle geblickt wird. Die periphere Retina erscheint hier also ebenfalls als bedeutsam. Dennoch sieht es derzeit auf Grund der unterschiedlich wirksamen Intensitätsbereiche und der vermutlich anderen spektralen Empfindlichkeit so aus, dass diese Lichtwirkung anders zu behandeln ist.
4
Zur zeitlichen Integration
Mit zeitlich veränderlichem Licht stellt sich die Frage, wie schnell die chemischen,
physiologischen oder informationsverarbeitenden Prozesse einer Lichtänderung folgen können. Sind die Prozesse langsamer, hinkt die Wirkung der Ursache hinterher
und man spricht von Adaptationsvorgängen. Nur während des unadaptierten Zustands unterscheidet sich die dynamische von der statischen Lichtwirkung. So reagiert die Helladaptation auf Intensitätssprünge schneller als die Dunkeladaptation
und das Auge ist damit nicht auf mittlere, sondern auf hohe Leuchtdichten adaptiert.
Wie in Kap. 3 gezeigt wurde, sind jeweils nur wenige nichtvisuell wirksame Photorezeptoren pro Raumwinkel beteiligt. Werden diese durch eine hohe, kleinflächige und
damit lokal begrenzte Lichtquelle bestrahlt, laufen sie Gefahr, in Sättigung zu gehen
und damit weniger zum Gesamtsignal beizutragen als man es aufgrund der Leuchtdichte erwarten würde. Diese Problematik stellt sich beim normalen Sehvorgang
nicht, da die visuelle Information ortsspezifisch bleibt und (vermutlich) nicht zu einem Summensignal verarbeitet wird. Üblicherweise gelangen neuronale Zellen nur
kurzzeitig in Sättigung und passen sich danach durch Adaptation an die neue Situation an. Daher ist ein möglicherweise vorhandenes Adaptationsverhalten der nichtvisuell wirksamen Rezeptoren zu berücksichtigen. Das ist aber bisher noch wenig untersucht worden.
Es zeigte sich in einer Arbeit [7], dass die Wirkung der Beleuchtung auf die biologische Uhr kaum beeinträchtigt wird, wenn sie zwischendurch für ein beträchtliches
Zeitintervall ausgeschaltet wird. Bei gleicher Belichtung (lx·h) wirkt zeitlich veränder-
120
Das visuelle System des Menschen II
liches Licht somit stärker als statisches (Abb. 8). Sind hingegen die Lichtänderungen
langsamer als die verarbeitenden Prozesse, ist der Organismus zu jedem Zeitpunkt an
08
06
07
07
05
06
04
05
09
08
09
09
08
07
06
95 04
00
0 lx
lx
95 04
00
0 lx
lx
95 04
00
0 lx
lx
95
00
0 lx
lx
05
05
06
07
08
09
die Lichtsituation angepasst.
Phasenverschiebung [h]
8
6
4
2
0
-2
-4
0
10k
20k
30k
40k
50k
Belichtung [lx·h]
Abbildung 8
Intermittierendes Licht verschiebt die circadiane Rhythmik deutlich effektiver als kontinuierliches Licht. Abwechslungsweise wurde für 5,3 min Licht mit 9500
lx ein- und für 19,7 min wieder ausgeschaltet. Dies ergibt für eine Dauer von 5 h eine
Belichtung von 11’000 Lux-Stunden. Das sind 23% gegenüber kontinuierlichem Licht mit
47'500 Lux-Stunden. Die Wirkung betrug aber 71% derjenigen mit Dauerbelichtung.
Dies kann als Adaptationseffekt gedeutet werden: Licht zu Beginn der Exposition ist
wirksamer als später. Durch zwischenzeitliches Abschalten regeneriert das System und
wird wieder empfindlicher.
5 Diskussion
Selbstverständlich ist es bereits heute möglich, ein Messgerät zu entwickeln, welches
einzelne Aspekte der genannten Lichtwirkungen erfasst. Dies ist etwa bezüglich der
spektralen Empfindlichkeit bereits erfolgt, obwohl noch keine international anerkannten Tabellenwerte dafür existieren. Problematisch erscheint die Verwendung
von Beleuchtungs- bzw. Bestrahlungsstärken an der Hornhaut, ohne sich dabei Rechenschaft darüber abzulegen, dass unterschiedliche Lichtverteilungen im Raum auf
der Hornhaut zwar ein (physikalisches) Summensignal erzeugen, dieses aber durch
die Optik des Auges wieder als Lichtverteilung auf der Netzhaut aufgeteilt wird.
Richtungsabhängige optische Eigenschaften des Auges, inhomogen verteilte Netzhautempfindlichkeiten und durch helle Lichtquellen übersteuerte, eventuell adaptie121
Das visuelle System des Menschen II
rende Rezeptoren verlangen eine ortsaufgelöste Vorverarbeitung (z. B. Gewichtung
oder Transformation), bevor ein der Physiologie nachempfundenes Summensignal
gebildet wird. Eine ortsaufgelöste Leuchtdichtemessung, zusammen mit ortsaufgelösten Korrekturfaktoren für die spektrale Verschiebung, bieten einen ersten flexiblen
Schritt in diese Richtung. Angesichts der Tatsache, dass einerseits bei guten photometrischen Messgeräten sehr viel Wert auf exakte Anpassung an die Richtungsempfindlichkeit und an die spektrale Empfindlichkeit gelegt wird und andererseits die messtechnisch relevanten Informationen über nichtvisuelle Lichtwirkungen
noch spärlich sind, wird deren Photometrie die Lichttechnik noch längere Zeit in
Entwicklung, Forschung und Standardisierung beschäftigen.
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Die Rolle von Singulett-Sauerstoff bei der photodynamischen Inaktivierung von Bakterien mit sichtbarem Licht
Tim Maisch
Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Regensburg
In Deutschland hat sich die Prävalenz von methicillin-resistentem Staphylococcus aureus
(MRSA) in den letzten zwei Jahrzehnten dramatisch von 1,7 Prozent (1990) auf 22,6
Prozent (2004) erhöht. Zusätzlich durch das Auftreten von MRSA mit neu hinzugewonnener Resistenz gegenüber Vancomycin (Reserve-Antibiotika) und eine mögliche Ausbreitung sog. cMRSA („community acquired“ MRSA) Stämme hat sich die
Therapie bakterieller Erkrankungen zunehmend erschwert. Auch in Bezug auf die
Resistenzentwicklung bei Gram(-) Bakterien zeigte sich ebenfalls eine drastische Zunahme. Im Vergleich zwischen 1998 und 2004 stieg bei E. coli die Resistenzzunahme
gegenüber Fluoroquinolone (Ciprofloxacin), von 7.7% auf 21,9%. Die Resistenz bei
E. coli gegenüber Ampicillin hat sich seit Mitte der 80er Jahre verdoppelt auf nun
50,7% resistenter Stämme [1, 2].
Dies hat zur Folge, dass Infektionen, die früher problemlos antibiotisch behandelt
werden konnten, zu lebensbedrohlichen Zuständen mit ansteigender Morbidität, verbunden mit kostenintensiven Therapiemaßnahmen geführt haben.
Daraus resultiert die Notwendigkeit zur Entwicklung alternativer Verfahren.
Als mögliche Alternative ist die antibakterielle photodynamische Therapie zu nennen. Dabei werden pathogene Gram(+) als auch Gram(-) Bakterien mit Hilfe eines
Farbstoffes sensibilisiert und durch Bestrahlung mit sichtbarem Licht geeigneter Wellenlänge in Anwesenheit von Sauerstoff effizient abgetötet (Abb. 1). Photosensibilisatoren wie Haematoporphyrin, Phthalocyanine, Photofrin, 5-ALA und die neue
Klasse der Fullerene zeigten bisher gute Erfolge bei der Inaktivierung von Bakterien
in vitro und im Tiermodell, wobei die oxidative Schädigung nach Bestrahlung von S.
aureus, E. coli oder P. aeruginosa durch veränderte Zellwandstrukturen, verlängerte
Bakterien ohne Trennung von Tochterzellen und cytoplasmatische Veränderungen
gekennzeichnet ist [3-6].
124
Arnold-Rikli-Preis 2007
Licht
λ em: 380-480nm
e
anin
y
c
halo erene
t
h
l
P
Ful
Porphyrine 5-AL
PS
O2 O2 Infiziertes
O2 PS
Gewebe
O2
PS
A
Phototoxizität
in vivo ???
Abbildung 1
Voraussetzungen der antibakteriellen photodynamischen Inaktivierung
Für eine effiziente antibakterielle photodynamische Inaktivierung müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: (I) ein Photosensibilisator (PS), welcher durch (II) Licht geeigneter Wellenlänge angeregt werden kann und die (III) Anwesenheit von Sauerstoff. Sind diese drei Voraussetzungen erfüllt, können reaktive Sauerstoffspezies erzeugt und zum Abtöten von Pathogenen eingesetzt werden.
Prinzip der photodynamischen Inaktivierung von Bakterien
Grundlage der photodynamischen Inaktivierung von Bakterien ist die Generierung
von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) durch einen in Bakterien lokalisierten Photosensibilisator (PS), der durch Licht entsprechender Wellenlänge angeregt wird, in Anwesenheit von Sauerstoff (Abb. 2). Dabei kann man zwischen zwei photooxidativen
Prozessen unterscheiden. Bei der Typ-I Reaktion entstehen Radikale, die wiederum
mit Sauerstoff reagieren können und Oxidationsprodukte bilden. Die Richtung des
Elektronentransfers wird dabei durch das Redoxpotential zwischen PS und Substrat
bestimmt. Bei der Typ-II Reaktion erfolgt der Energieübertrag des angeregten PS direkt auf molekularen Sauerstoff. Dabei entsteht der hochreaktive Singulett-Sauerstoff
(1O2), der mit entsprechenden Zielstrukturen in seiner nächsten Umgebung reagiert.
Bei beiden Reaktionen steht die Photooxidation von Biomolekülen, die sich in direkter Nachbarschaft (wenige nm) zu den ROS befinden, im Vordergrund. Derzeit wird
125
Arnold-Rikli-Preis 2007
angenommen, dass die Typ-II Reaktion und damit der Singulett-Sauerstoff die entscheidende Rolle bei der photodynamischen Inaktivierung von Bakterien spielt.
Angeregtes Niveau von PS*
.
H202 HO
.02
Fluoreszenz
Licht
Typ–
–I
ROS
Hitze
Typ – II
( 102 )
Lokalisations-abhängiger
oxidativer Schaden
bei
Bakterien u. Zellen
Grundzustand des PS
400
500
Abbildung 2
700 nm
Schema zur Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies
Nach Lichtabsorption gelangt der Photosensibilisator (PS) von einem Grundzustand
in einen angeregten Zustand PS*. Dieser angeregte PS*-Zustand kann dabei die
Energie als Wärme und auch als Fluoreszenz wieder abgeben. Bei der Typ-I Reaktion
entstehen Superoxidanionen-Radikale (O2.-) oder Hydroxyl-Radikale (OH.). Bei der
Typ-II Reaktion findet ein direkter Energieübertrag vom PS* auf molekularen Sauerstoff statt. Dies führt zum einen zur Relaxation des PS, zum anderen aber auch zur
elektronischen Anregung von Sauerstoff im Grundzustand in den niedrigsten Singulett-1g-Zustand. Dieser sehr reaktive Singulett-1g-Zustand wird auch als SingulettSauerstoff (1O2) bezeichnet. Bei beiden Reaktionen steht die Photooxidation von
Biomolekülen, die sich in direkter Nachbarschaft (wenige nm) zu den ROS befinden,
im Vordergrund.
126
Arnold-Rikli-Preis 2007
Einfluss von 1O2 und der Sauerstoffkonzentration beim inaktivieren von Bakterien
Die Effizienz der 1O2-Sauerstoffbildung ist sehr stark von dem vorherrschenden Sauerstoffpartialdruck abhängig. Somit führt die Erzeugung von Singulett-Sauerstoff
und die nachfolgende oxidative Schädigung der Bakterien lokal zu einem Sauerstoffverbrauch (Singulett-Sauerstoff Erzeugung = Sauerstoffverbrauch durch Oxidationsvorgänge). D.h. die 1O2-Erzeugung ist ein selbstlimitierender Prozess, da Sauerstoff
durch oxidative Prozesse mit dem Ziel der Inaktivierung von Pathogenen verbraucht
wird (Abb. 3).
Durch den Einsatz hochempfindlicher Infrarot-Photomultiplier ist es möglich, Singulett-Sauerstoff direkt mittels Lumineszenzmessung bei 1270nm nachzuweisen. Unserer Arbeitsgruppe ist es gelungen, das Ratenverhältnis der Singulett-Sauerstoff Lumineszenz als Indikator für den aktuellen Sauerstoffpartialdruck, innerhalb lebender
Bakterien einzusetzen [7]. Dies ist von besonderer Bedeutung, um eine Abschätzung
der lokalen Sauerstoffkonzentration bei der Generierung von Singulett-Sauerstoff direkt innerhalb von Bakterien zu erhalten (viele Bakterien : wenig/viel Sauerstoff vs.
wenige Bakterien : wenig/viel Sauerstoff). Diese Erkenntnisse sind wichtig, um eine
erfolgreiche Inaktivierung von Bakterien zu erzielen. Denn bei bakteriellen Infektionen liegen die Keime als Agglomerate/Biofilme unterschiedlichster Konzentrationen
vor und sind somit auch einem unterschiedlichen Sauerstoffpartialdruck ausgesetzt,
der die Generierung von Singulett-Sauerstoff und somit auch das Ausmaß der oxidativen Schädigung (Inaktivierung von Bakterien) beeinflussen kann.
127
Lumineszenzsignale
Arnold-Rikli-Preis 2007
Dramatischer
Sauerstoffverbrauch
ineffiziente
Inaktivierung
Ausreichend
Sauerstoff
Bakterien-Konzentration
effiziente
Inaktivierung
[mg/ml]
Abbildung 3
Singulett-Sauerstoff als Senor für die Effizienz der antibakteriellen photodynamischen Inaktivierung
Die Abklingraten der Lumineszenzsignale von Singulett-Sauerstoff sind abhängig
von der Bakterienkonzentration. Der Nachweis der Lumineszenz von Singulett-Sauerstoff kann als Sensor zur intrazellulären Sauerstoffkonzentration verwendet werden. Der Sauerstoffgehalt ist ein essentieller Faktor, der die Effizienz der antibakteriellen photodynamischen Therapie maßgeblich beeinflusst. Vor allem dann, wenn
Bakterien als Haufen oder als Biofilm wachsen, ohne ausreichende Sauerstoffversorgung.
Einsatzmöglichkeiten der antibakteriellen photodynamischen Inaktivierung
Im Hinblick auf mögliche Indikationen in der Dermatologie wird die Anwendung
der antibakteriellen PDT bei lokalen Haut- und Wundinfektionen, infizierten Ulzera
oder zur Reduktion einer nosokomialen Besiedelung multi-resistenter Bakterien von
Hautarealen diskutiert. Der entscheidende Vorteil bei der lokalen Applikation von
Photosensibilisatoren mit anschließender Bestrahlung liegt darin, dass unabhängig
vom Resistenzmuster eines Bakteriums eine Inaktivierung ähnlich wie bei einem Antiseptikum erfolgt.
128
Arnold-Rikli-Preis 2007
Allerdings werden die Pharmakokinetik, die Art des Photosensibilisators, die Dauer
der Behandlung, die Lichtapplikation und die Bestrahlungsareale mit darüber entscheiden, ob die antibakterielle PDT in der Zukunft eine alternative Behandlungsform darstellen wird.
Literaturverzeichnis
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129
IR-Strahlungswirkungen
Klinische Anwendungen von wassergefiltertem Infrarot A
(wIRA)
Gerd Hoffmann
Johann Wolfgang Goethe-Universität, Institut für Sportwissenschaften,
Ginnheimer Landstrasse 39, 60487 Frankfurt am Main
Grundlagen, Wirkprinzipien und klinische Wirkungen von wIRA
Die Erfahrung der angenehmen Wärme der Sonne in gemäßigten Breiten entsteht
durch die Filterung der Wärmestrahlung der Sonne durch Wasserdampf in der Erdatmosphäre /1, 2, 3, 4/. Durch die Wasserfilterung werden die Strahlungsanteile gemindert (Wasserabsorptionsbanden innerhalb des Infrarot A sowie die meisten Teile
des Infrarot B und C), die sonst durch Wechselwirkung mit Wassermolekülen in der
Haut eine unerwünschte thermische Belastung der obersten Hautschicht hervorrufen
würden /1, 2, 3, 4, 5/, s. Abbildung 1.
Abbildung 1: Vergleich der Spektren der Sonne auf Meereshöhe und eines wIRA-Strahlers
Spektrale Bestrahlungsstärke der Sonne auf der Erdoberfläche auf Meereshöhe (mit der
Sonne am Zenith und bei mittlerem Erde-Sonne-Abstand) (adaptiert aus /1, 45/) und
spektrale Bestrahlungsstärke eines wIRA-Strahlers (Hydrosun®-Strahler 501 mit 10 mm
Wasserküvette und Orangefilter OG590) bei ca. 210 mW/cm² (= 2,1 x 10³ W/m²) Gesamtbestrahlungsstärke (adaptiert aus /1, 2/).
Das Spektrum der Sonne auf Meereshöhe umfasst Ultraviolett-Strahlung (UV, <400 nm),
sichtbares Licht (VIS, 380-780 nm) und Infrarotstrahlung (IR, >780 nm). Das Spektrum
des wIRA-Strahlers umfasst nur sichtbares Licht (VIS) und Infrarotstrahlung (IR); der
sichtbare Teil hängt vom verwendeten Farbfilter ab; der wIRA-Strahler emittiert keine Ultraviolett-Strahlung (UV).
Beide Spektren zeigen die verminderten Bestrahlungsstärken im Bereich der Wasserabsorptionsbanden.
130
IR-Strahlungswirkungen
Technisch wird wassergefiltertes Infrarot A (wIRA) in speziellen Strahlern erzeugt, in
denen die gesamte Strahlung eines Halogen-Strahlers durch eine Wasser enthaltende
Küvette hindurchtritt, so dass die genannten unerwünschten Strahlungsanteile innerhalb des Infrarot gemindert oder herausgefiltert werden /1, 2, 3, 6/, s. Abbildung 2.
Innerhalb des Infrarot stellt das verbleibende wIRA (im Bereich 780-1400 nm) vorwiegend Strahlung mit gutem Eindringvermögen in das Gewebe dar und erlaubt gegenüber ungefilterter Infrarotstrahlung einen mehrfachen Energieeintrag in das Gewebe bei geringerer thermischer Belastung der Hautoberfläche, vergleichbar der Sonnenwärmestrahlung in gemäßigten Breiten /1, 2, 3/. Typische wIRA-Strahler emittieren keine Ultraviolett-Strahlung (UV) und nahezu keine Infrarot-B- und Infrarot-CStrahlung, und der Anteil der Infrarot-A-Strahlung ist im Verhältnis zum Anteil des
sichtbaren Lichts (380-780 nm) betont /1/, s. Abbildung 1.
Wassergefiltertes Infrarot A als spezielle Form der Wärmestrahlung mit hohem Penetrationsvermögen in das Gewebe bei geringer thermischer Oberflächenbelastung
wirkt sowohl über thermische (auf Wärmeenergietransfer bezogene) und temperaturabhängige (mit Temperaturänderung auftretende) als auch über nicht-thermische und
temperaturunabhängige Effekte /1, 2, 3, 7/. wIRA erzeugt ein therapeutisch nutzbares Wärmefeld im Gewebe (bis ca. 5 cm Tiefe) /1, 2, 3, 8/ und steigert Temperatur (z.B.
oberflächlich von 32.5°C um fast 6°C auf 38.2°C /9/, in 2 cm Gewebetiefe um
2,7°C /10/) und Sauerstoffpartialdruck im Gewebe (in 2 cm Gewebetiefe um ca. 30% /
10/) sowie die Gewebedurchblutung (oberflächlich ca. Verachtfachung /9/, Steigerung bis
ca. 5 cm Tiefe nachweisbar /8/), drei entscheidende Faktoren für eine ausreichende
Versorgung des Gewebes mit Energie und Sauerstoff /1, 2, 10, 11/. Da generell Regenerations- und Heilungsprozesse wie z.B. Wundheilung und Infektionsabwehr
(Granulozytenfunktion einschließlich ihrer antibakteriellen Sauerstoffradikalbildung)
entscheidend von einer ausreichenden Versorgung mit Energie und Sauerstoff abhängen /1, 2, 10, 11/ und z.B. chronische Wunden oft extrem hypoxisch sind /1, 2,
10, 11, 12/, stellt die Verbesserung sowohl der Energiebereitstellung pro Zeit (Steigerung der Stoffwechselleistung) als auch der Sauerstoffversorgung eine Erklärung für
die klinisch gute Wirkung von wIRA bei einer Reihe von Erkrankungsbildern wie
z.B. Wunden und Wundinfektionen dar /1, 2, 10, 11, 13/. Zusätzlich haben wIRA
und Infrarot A auch nicht-thermische und ohne relevante Temperaturänderung auftretende Effekte /14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22/, die darauf beruhen, direkte Rei-
131
IR-Strahlungswirkungen
ze auf Zellen und zelluläre Strukturen (z.B. Cytochrom-C-Oxidase /15, 23, 24/) zu
setzen.
Abbildung 2: Querschnitt durch einen wassergefilterten Infrarot-A-Strahler
Die gesamte inkohärente Breitband-Strahlung einer 3000-Kelvin-Halogen-Lampe geht
durch eine Wasser enthaltende Küvette, die die unerwünschten Wellenlängen innerhalb
des Infrarot (die meisten Teile des Infrarot B und C und die Wasserabsorptionsbanden innerhalb des Infrarot A) absorbiert oder mindert. Das Wasser ist in der Küvette hermetisch
eingeschlossen. Ein Lüfter sorgt für die Luftkühlung der Küvette, um ein Kochen des Wassers zu verhindern. (adaptiert aus /1/)
Innerhalb des Spektrums von Infrarot-A- und wIRA-Strahlung wurden Effekte insbesondere von den energiereichen Wellenlängen nahe dem sichtbaren Licht – ca.
780-1000 nm (800-900 nm /14/, 800 nm /16/, 820 nm /15/, 830 nm /1/) – sowohl
in vitro als auch in vivo beschrieben, und diese Wellenlängen scheinen den klinisch
wichtigsten Teil von Infrarot A und wIRA darzustellen /1, 7/.
wIRA vermag Schmerzen deutlich zu mindern (mit bemerkenswert niedrigerem Analgetikabedarf)
und eine erhöhte Sekretion (bei Wunden oder z.B. tracheal/bronchial) und Entzündung herabzusetzen sowie positive immunmodulierende Effekte zu zeigen /1, 2, 10, 11, 25, 26, 27/.
wIRA kann grundsätzlich immer dann in Erwägung gezogen werden, wenn klinisch
eine tiefenwirksame Wärmeapplikation mit hoher Leistungsdichtetoleranz und hohem Energiefluss ins Gewebe erwünscht ist und wenn mindestens ein Faktor (Temperatur, Sauerstoffpartialdruck, Durchblutung im Gewebe) gestört oder suboptimal
ist oder ein Symptom (z.B. Schmerz, Hypersekretion, Infektion) vorliegt, das durch
die thermischen und nicht-thermischen Effekte von wIRA positiv beeinflusst werden
132
IR-Strahlungswirkungen
kann. Dabei können selbst ungestört „normal“ ablaufende Vorgänge, wie eine Regeneration nach sportlicher Belastung oder ein normaler Wundheilungsprozess, durch
wIRA noch verbessert werden. Entsprechend relativ breit sind die Anwendungsmöglichkeiten von wIRA.
Neben den beschriebenen Effekten von wIRA wirkt eine Bestrahlung mit wIRA und
sichtbarem Licht VIS vermutlich mit endogenen Porphyrinen (z.B. Protoporphyrin
IX) quasi als milde Photodynamische Therapie PDT zellregenerationsfördernd und
damit z.B. wundheilungsfördernd und wahrscheinlich auch infektionspräventiv bzw.
antibakteriell /2, 13, 22, 26/.
Für wIRA in therapeutischen Bestrahlungsstärken und -dosen konnte nicht nur gezeigt werden, dass wIRA für menschliche Haut unbedenklich ist /1, 2, 7, 20, 21/,
sondern dass wIRA zellschützende Effekte hat /1, 2, 7, 13, 17, 18, 19, 20, 21/, Diskussion hierzu insbesondere in /7/ und /1/ sowie /28/.
Ausführlicher werden die Wirkungen von wIRA und ihr Beleg durch Messungen und
klinische Untersuchungen in den drei zusammengehörigen Übersichtsarbeiten /1, 25,
26/ sowie der Übersichtsarbeit /2/ mit Bezug zur Wundheilung dargelegt.
Anwendung von wIRA
wIRA ist ein kontaktfreies, verbrauchsmaterialfreies, leicht anwendbares, als angenehm empfundenes Verfahren mit guter Tiefenwirkung, das der Sonnenwärmestrahlung auf der Erdoberfläche in gemäßigten Klimazonen (Filterwirkung des Wasserdampfs der Erdatmosphäre) nachempfunden ist /1, 2, 3/. Die Bestrahlung der typischerweise unbedeckten Haut (oder Wunde) erfolgt senkrecht zur Haut mit einem
wIRA-Strahler je nach Indikation z.B. täglich ein- bis zweimal über 20-30 Minuten
oder länger mit moderater, als angenehm empfundener Bestrahlungsstärke (typischerweise 60-120 mW/cm² wIRA bzw. 80-160 mW/cm² wIRA und sichtbares
Licht VIS) /1, 2, 7/. Wenn es dem Patienten zu warm wird, ist rechtzeitig der Abstand etwas zu vergrößern, d.h. die Bestrahlungsstärke zu verringern /1, 2/. Spezielle
Vorsicht ist geboten, d.h. ein größerer Bestrahlungsabstand ist zu wählen, bei Patienten mit gestörtem Sensorium (z.B. diabetischer Polyneuropathie) oder gestörter
Rückäußerungsfähigkeit, bei schlecht durchblutetem Gewebe, bei kaltem Gewebe
oder geringem Unterhautgewebe (z.B. Schienbeinkante) /1, 2/.
133
IR-Strahlungswirkungen
wIRA bei Wunden
wIRA kann sowohl bei akuten als auch bei chronischen Wunden einschließlich infizierter Wunden die Wundheilung beschleunigen (Verkürzung der Zeitdauer bis zu einer definierten Wundflächenreduktion oder bis zum kompletten Wundschluss /27,
29/) oder bei stagnierender Wundheilung verbessern (Wundheilung bei zuvor nichtheilenden chronischen Wunden /11, 27/) /1, 2, 25, 26/. Selbst der normale Wundheilungsprozess kann verbessert werden /1, 2, 10, 25, 26/.
wIRA bei akuten Wunden
Eine prospektive, randomisierte, kontrollierte, doppeltblinde Studie mit 111 Patienten nach großen abdominalen Operationen in der Chirurgischen Universitätsklinik
Heidelberg /2, 10, 25/ zeigte mit täglich zweimal 20 Minuten Bestrahlung (beginnend am zweiten postoperativen Tag) in der Gruppe mit wIRA und sichtbarem Licht
VIS (wIRA(+VIS), maximal ca. 175 mW/cm² wIRA und ca. 45 mW/cm² VIS) verglichen mit der Kontrollgruppe mit nur VIS eine signifikante und relevante Schmerzreduktion verbunden mit einer deutlich verminderten erforderlichen Analgetikadosis:
während 230 einzelner Bestrahlungen mit wIRA(+VIS) nahm der Schmerz ausnahmslos ab, siehe Abbildung 3, während der Schmerz in der Kontrollgruppe unverändert blieb (p<0,001). Die erforderliche Analgetikadosis war in den Untergruppen
mit wIRA(+VIS) 57-70% niedriger im Vergleich zu den Kontrolluntergruppen mit
nur VIS (p<0,001). Während der Bestrahlung mit wIRA(+VIS) stieg der subkutane
Sauerstoffpartialdruck wesentlich um ca. 30% und die subkutane Temperatur um ca.
2,7°C an (beides in 2 cm Gewebetiefe), während beide in der Kontrollgruppe unverändert blieben: nach Bestrahlung lag der Median des subkutanen Sauerstoffpartialdrucks bei 41,6 (mit wIRA) versus 30,2 mm Hg in der Kontrollgruppe (p<0,001), der
Median der subkutanen Temperatur bei 38,9 versus 36,4°C (p<0,001). Die Gesamtbeurteilung des Effekts der Bestrahlung einschließlich Wundheilung, Schmerzen und
kosmetischem Ergebnis, erhoben mit einer VAS (0-100 mit 50 als Indifferenzpunkt
ohne Effekt) durch den Chirurgen (Median 79,0 versus 46,8, p<0,001) oder den Patienten (79,0 versus 50,2, p<0,001) war in der Gruppe mit wIRA wesentlich besser
verglichen mit der Kontrollgruppe. Dies galt auch für die einzelnen Aspekte Wundheilung und kosmetisches Ergebnis.
134
IR-Strahlungswirkungen
Abbildung 3: Abnahme der postoperativen Schmerzen während Bestrahlung in der Gruppe mit wassergefiltertem Infrarot A und sichtbarem Licht (wIRA(+VIS)) und in der Kontrollgruppe mit nur sichtbarem Licht (VIS) (Studie Heidelberg)
(erhoben mit einer visuellen Analogskala; dargestellt mit Minimum, 25%-Perzentile, Median, 75%-Perzentile und Maximum (Box-Whiskers-Darstellung; die Box repräsentiert die
Interquartil-Spanne), adaptiert aus /10, 25/). Bemerkenswerterweise nahm der Schmerz
während 230 einzelner Bestrahlungen mit wIRA(+VIS) ausnahmslos ab, während der
Schmerz in der Kontrollgruppe unverändert blieb (p<0.001, signifikant).
Außerdem zeigte sich ein Trend zugunsten der wIRA-Gruppe hin zu einer niedrigeren Rate von Wundinfektionen insgesamt (3 von 46, ca. 7%, versus 7 von 48, ca.
15%) einschließlich später Infektionen nach der Entlassung, hervorgerufen durch
eine unterschiedliche Rate von späten Infektionen nach der Entlassung: 0 von 46 in
der wIRA-Gruppe und 4 of 48 in der Kontrollgruppe. Und es gab einen Trend hin
zu einem kürzeren postoperativen Krankenhausaufenthalt:
9 Tage in der wIRA-Gruppe versus 11 Tage in der Kontrollgruppe (p=0,037). Das
135
IR-Strahlungswirkungen
Hauptergebnis der Studie war, dass postoperative Bestrahlung mit wIRA selbst einen normalen
Wundheilungsprozess verbessern kann /2, 10, 25/.
Eine prospektive, randomisierte, kontrollierte, doppelt-blinde Studie mit 45 schwerbrandverletzten Kindern in der Kinderchirurgie des Kinderkrankenhauses Park
Schönfeld in Kassel /2, 25, 29/ zeigte bei den 25 konservativ behandelbaren Kindern mit Verbrennungen vom Grad 2a mit täglich 30 Minuten Bestrahlung (ab dem
Tag der Verbrennung) in der Gruppe mit wIRA und sichtbarem Licht VIS
(wIRA(+VIS), ca. 75% wIRA, ca. 25% VIS) verglichen mit der Kontrollgruppe mit
nur VIS eine deutlich schnellere Abnahme der Wundfläche: in der Gruppe mit wIRA
wurde eine Abnahme der Wundfläche im Median um 50% bereits nach 7 Tagen verglichen mit 9 Tagen in der Kontrollgruppe und eine Abnahme der Wundfläche im
Median um 90% nach 9 Tagen verglichen mit 13 Tagen in der Kontrollgruppe erreicht. Außerdem zeigte die Gruppe mit wIRA bessere Ergebnisse bis
3 Monate nach der Verbrennung hinsichtlich der chirurgischen Gesamteinschätzung
der Wunde, hinsichtlich des kosmetischen Ergebnisses und hinsichtlich der Einschätzung des Effekts der Bestrahlung sowie einen tendenziell kürzeren Krankenhausaufenthalt, jeweils verglichen mit der Kontrollgruppe /2, 25, 29/.
In einer prospektiven, randomisierten, kontrollierten Studie mit 12 Probanden an der
Universitätsklinik Charité in Berlin /25/ mit experimentellen mittels Saugblasentechnik erzeugten oberflächlichen Wunden (5 mm Durchmesser) als ein Modell für akute
Wunden zeigte eine Laser-Scan-Mikroskopie mit einem Score-System /30/ hinsichtlich der Bildung des Stratum corneum (von der ersten Schicht von Korneozyten bis
zur vollen Ausbildung) im Vergleich zwischen 4 Behandlungsarten über 10 Tage insbesondere für die Tage 5-7 die schnellste Ausbildung des Stratum corneum bei Wunden, die mit wIRA(+VIS) und Dexpanthenol-Salbe behandelt wurden, am zweitschnellsten war wIRA(+VIS) alleine, an dritter Stelle lag Dexpanthenol-Salbe allein
und an letzter Stelle waren die unbehandelten Wunden /25/. Keimzahlbestimmungen der Wunden (alle 2 Tage) zeigten, dass wIRA(+VIS) und die Kombination von
wIRA(+VIS) mit Dexpanthenol-Salbe in der Lage waren, die Kolonisation mit physiologischer Hautflora bis zum Tag 5 im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen
(untherapierte Gruppe und Gruppe mit nur Dexpanthenol-Salbe) zu verhindern. Zu
allen untersuchten Zeitpunkten war das Maß an Kolonisation unter Therapie mit
136
IR-Strahlungswirkungen
wIRA(+VIS) allein niedriger (mehr supprimiert) als in der Gruppe mit wIRA(+VIS)
und Dexpanthenol-Salbe /25/.
Während der Rehabilitation nach Hüft- und Knie-Endoprothesen-Operationen war
durch Bestrahlung mit wIRA(+VIS) die Resorption von Wundseromen und Wundhämatomen sowohl klinisch als auch sonographisch schneller und die Schmerzen waren reduziert: wIRA stellt eine nicht-invasive Alternative zu Punktionen und Wundrevisionsoperationen dar /2, 25/.
wIRA kann persistierende postoperative Schmerzen z.B. nach Thorakotomie eindrucksvoll mindern /25/.
Da positive Effekte bereits sowohl für präoperatives /31/ wie auch postoperatives /
10, 32/ Erwärmen des Operationsgebietes gezeigt wurden, erscheint es klinisch sinnvoll, zukünftig wIRA sowohl prä- als auch postoperativ z.B. bei abdominalen und
thorakalen Operationen einzusetzen /25/. wIRA kann präoperativ (z.B. während 1-2
Wochen) zur Präkonditionierung der Entnahme- und der Empfängerstellen von
Hautlappen, Transplantaten oder Spalthauttransplantaten und postoperativ zum Verbessern der Wundheilung und zum Mindern von Schmerz, Entzündung und Infektion an allen genannten Stellen verwendet werden /25/. wIRA kann zum Unterstützen einer prä- oder postoperativen Routine-Antibiotika-Gabe eingesetzt werden und
es kann auch diskutiert werden, dies unter bestimmten Umständen durch wIRA zu
ersetzen /10, 25/.
wIRA stellt auch eine Alternative zur Vakuumversiegelung dar.
wIRA bei chronischen Wunden
Eine prospektive, randomisierte, kontrollierte Studie in Basel /2, 26, 27/ mit 40 Patienten mit chronischen venösen Unterschenkelulzera ergab bei zusätzlich dreimal wöchentlich 30 Minuten Bestrahlung mit wIRA+VIS über maximal 6 Wochen eine signifikant und relevant schnellere Wundheilung (18 versus 42 Tage bis zum kompletten Wundschluss, Restulkusfläche nach 42 Tagen 0,4 cm2 versus 2,8 cm2) sowie einen
signifikant (p<0,001) und relevant geringeren Schmerzmittelverbrauch gegenüber einer in gleicher Form therapierten, aber nicht bestrahlten Kontrollgruppe.
Eine weitere prospektive Studie der Universität Tromsø/Norwegen und des Krankenhauses in Hillerød/Dänemark /2, 11, 26/ mit 10 Patienten mit u.a. auch aufwendiger thermographischer Verlaufskontrolle ergab unter wIRA+VIS (maximal ca. 140
137
IR-Strahlungswirkungen
mW/cm² (ca. 75%) wIRA und ca. 45 mW/cm² (ca. 25%) VIS) eine vollständige oder
fast vollständige Abheilung (96-100% Reduktion der Wundfläche) vorher therapierefraktärer chronischer Unterschenkelulzera (eines der Einschlusskriterien: Ulkusgröße
bis 5 cm Durchmesser) bei 7 sowie eine deutliche Ulkusverkleinerung bei 2 der 10
Patienten, eine ausgeprägte Minderung der Schmerzen und der erforderlichen
Schmerzmedikation (von z.B. 15 auf 0 Schmerztabletten täglich), eine Normalisierung des thermographischen Bildes (vor Therapiebeginn typischerweise hyperthermer Ulkusrandwall mit relativ hypothermem Ulkusgrund; nach Abschluss der Therapie weitgehend ausgeglichene Temperaturdifferenzen), deutliche Verbesserungen der
Beurteilung der Wundheilung, des kosmetischen Ergebnisses und der Gesamtbeurteilung des Effekts der Bestrahlung sowie im Einzelfall bei einem Seitenvergleich
(Therapie eines Beins mit einem Ulkus mit wIRA+VIS, Therapie des anderen Beins
mit einem Ulkus nur mit VIS) deutliche Unterschiede zugunsten von wIRA. Ein Beispiel für einen erfolgreichen Therapieverlauf mit wIRA ist in der Abbildung 4 mit
normaler Aufsicht, thermographischem Bild und Temperaturprofil durch das Ulkus
– jeweils vor Therapie und nach Abschluss der Therapie – dargestellt /2, 11, 26/. Bei
den 6 Patienten ohne Begleitprobleme (ohne periphere arterielle Verschlußkrankheit,
Rauchen oder fehlende Kompressionstherapie) wurde mit im Median 27 Bestrahlungen innerhalb von im Median 50 Tagen ausnahmslos eine vollständige oder fast vollständige Abheilung erreicht. Selbst bei den 4 Patienten mit Begleitproblemen (mit
Ulzera an 5 Beinen) wurden Reduktionen der Wundfläche um 100%, 92%, 50% bzw.
42% erreicht. Nur bei einer Patientin mit fehlender Kompressionstherapie kam es
zur leichten Zunahme der Wundfläche um 8%.
Erste Zwischenergebnisse einer weiteren prospektiven, randomisierten, kontrollierten, doppelt-blinden Studie der Hautklinik der Universität Freiburg /26/ mit ca. 50
Patienten mit chronischen venösen Unterschenkelulzera (eines der Einschlusskriterien: Ulkusfläche 1-200 cm²) bestätigen die positiven Effekte von wIRA bei chronischen Wunden: Die deskriptive Auswertung der ersten 23 Patienten mit Kompressionstherapie, Wundsäuberung und standardisierten Wundauflagen sowie 30 Minuten
Bestrahlung fünfmal pro Woche über 9 Wochen (und weiteren 4 Wochen ohne Bestrahlung) zeigt in der Gruppe mit wIRA+VIS (maximal ca. 140 mW/cm² (ca. 75%)
wIRA und ca. 45 mW/cm² (ca. 25%) VIS) verglichen mit einer Kontrollgruppe mit
nur VIS eine bessere und schnellere Wundheilung (relative Änderung der Wundflä-
138
IR-Strahlungswirkungen
che), eine bessere Granulation und eine günstige Beeinflussung der mikrobiologisch
bestimmten Keimlast der Wunden.
Abbildung 4: Beispiel für einen Heilungsverlauf eines chronischen venösen UnterschenkelUlkus unter Therapie mit wIRA (28mal 30 Minuten Bestrahlung mit wassergefiltertem Infrarot A (wIRA) und sichtbarem Licht (VIS) innerhalb von 52 Tagen = ca. 7 Wochen)
(Studie Tromsø/Hillerød) mit normaler Aufsicht, thermographischem Bild und Temperaturprofil durch das Ulkus – jeweils links vor Therapie und rechts nach Abschluss der Therapie. Der Pfeil und der lange Arm des Drahtes zeigen im Abschlussthermographiebild auf
die Stelle, an der die Wunde war. Durchmesser der roten Kreise: 16 mm. (adaptiert aus /
2, 11, 26/)
Bei chronischen Wunden werden mit wIRA vollständige Abheilungen erreicht, die
zuvor nicht erreicht wurden /2, 26/.
Auch Prophylaxe und Therapie von Dekubitalulzera sind mit wIRA möglich /2, 26/.
wIRA kann außerdem auch bei Wunden zur Resorptionsverbesserung und damit
Wirkungsverstärkung topisch aufgetragener Substanzen eingesetzt werden /1, 2, 33,
34/. Auch eine Kombination mit Photodynamischer Therapie PDT in antiinfektiver
Indikation /35/ ist möglich /2, 13, 26/.
139
IR-Strahlungswirkungen
wIRA bei anderen Hauterkrankungen
wIRA bei vulgären Warzen
Vulgäre Warzen können mit 6-9 einwöchigen Therapiezyklen mit kontinuierlicher
Keratolyse mit Salizylsäurepflaster und jeweils einer unblutigen Kürettage und einer
wIRA(+VIS)-Bestrahlung von 30 Minuten erfolgreich therapiert werden /3/. In einer prospektiven, randomisierten, kontrollierten, doppeltblinden Studie der Hautklinik der Universität Jena mit 80 Patienten mit therapierefraktären Warzen wurden bei
nur 3 dreiwöchigen Therapiezyklen (somit nur insgesamt 3 Bestrahlungen) in den
beiden Untergruppen mit wIRA(+VIS) eine Minderung der Gesamtwarzenfläche pro
Patient im Median um 94%/99% im Vergleich zu 47%/73% in den beiden Untergruppen mit nur VIS sowie 72% versus 34% völlig verschwundene Warzen und 42%
versus 7% warzenfreie Patienten erreicht /3/. In einer weiteren prospektiven, randomisierten, kontrollierten, doppeltblinden Studie der Hautklinik der Universität Bern
wurden mit 6-9 einwöchigen Therapiezyklen mit kontinuierlicher Keratolyse mit Salizylsäurepflaster und jeweils einer unblutigen Kürettage und einer wIRA(+VIS)-Bestrahlung von 30 Minuten bereits nach 6 Wochen hohe Abheilungsraten erreicht.
wIRA bei anderen virusbedingten Hauterkrankungen
wIRA kann auch zur Therapie von Condylomata acuminata eingesetzt werden /1,
2/.
wIRA beschleunigt die Abheilung von Herpes labialis und mindert die Schmerzen
bei Herpes zoster /1, 2/.
wIRA bei Sklerodermie und Morphea
wIRA kann bei Sklerodermie eine Befindlichkeitsbesserung, weniger Schmerzen und
eine Minderung der Raynaud-Symptomatik bewirken /1, 2/. Bei Morphea kann
wIRA zu einer Rückbildung der Sklerose (mit Rückbildung von Hauthärte und Größe von Plaques) und Abnahme des Juckreizes und der Schmerzen führen /1, 2, 36/.
wIRA bei Akne papulopustulosa
Eine Therapie mit wIRA(+VIS) allein dreimal pro Woche über 4 Wochen führt vor
allem zu einer Reduktion der Entzündungszeichen. Eine Kombination mit z.B. Adapalen ist möglich.
140
IR-Strahlungswirkungen
wIRA zur Resorptionsverbesserung topischer Dermatika und Substanzen
wIRA kann zur Resorptionsverbesserung topischer Dermatika und Substanzen (z.B.
Cortison, Lokalanästhetika) als Alternative zum Okklusivverband eingesetzt
werden /33, 34/.
Photodynamische Therapie PDT mit wIRA(+VIS) bei aktinischen Keratosen
und Basaliomen
wIRA kann im Rahmen einer PDT zusammen mit einer oder mehreren Wirkbanden
im sichtbaren Bereich VIS und einem topisch aufgetragenen Photosensibilisator
(oder einer Vorstufe hiervon) eingesetzt werden bei aktinischen Keratosen /37, 38/
und (flachen) Basaliomen /38/. Gegenüber anderen für PDT verwendeten Bestrahlungsquellen ist wIRA(+VIS) schmerzärmer.
wIRA im Rahmen von Physiotherapie, Sportmedizin und Orthopädie
Die klinische Anwendung von wIRA kann präventiv, therapeutisch, regenerativ oder
rehabilitativ erfolgen. Da wIRA Temperatur, Sauerstoffpartialdruck und Durchblutung im Gewebe steigert und Schmerzen und Entzündung mindert, kann wIRA eingesetzt werden bei muskulären Verspannungen, Myogelosen /39/ (muskelentspannender Effekt der Wärme), Lumbago, Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises /40/, M. Bechterew /41/, Arthrosen, Arthritiden (entzündungsmindernder Effekt), Kontusionen und in der postoperativen Rehabilitation /1, 2/.
wIRA kann zur muskulären Regeneration nach Sport /42/ (wIRA in Ruhe oder
wIRA in Kombination mit Bewegung, s.u.) verwendet werden: Nach stufenweise ansteigender ausbelastender Ergometrie verbesserte sich bei 25 Probanden einer
Studie /42/ während anschließender Bestrahlung der ventralen Oberschenkelmuskulatur mit wIRA(+VIS) in Ruhe über 20 Minuten (Tag mit Bestrahlung) das Befinden
der Muskulatur auf einer visuellen Analogskala (0-100) von 36 auf 71 signifikant
(p=0,0138) mehr als in Ruhe ohne Bestrahlung (von 34 auf 54, Kontrolltag) und erreichte nach Bestrahlung erstaunlicherweise binnen 20 Minuten wieder den Ausgangswert vor Ergometrie von 70. Die Leistungsfähigkeit sank von der ersten Ergometrie zu der sich nach den 20 Minuten anschließenden zweiten Ergometrie am Tag
mit Bestrahlung signifikant weniger (p=0,0128) als am Kontrolltag /42/.
141
IR-Strahlungswirkungen
wIRA kombiniert mit Bewegung
Da wIRA – im Gegensatz zu anderen wärmeapplizierenden Verfahren wie Fango
oder heiße Rolle – ein kontaktfreies Verfahren ist, kann wIRA mit Bewegung kombiniert werden. In einer randomisierten kontrollierten Studie mit 40 adipösen Frauen
(BMI 30-40 (Median: 34,5), Körpergewicht 76-125 (Median: 94,9) kg, Alter 20-40
(Median: 35,5) Jahre, isokalorische Ernährung), 20 in der Gruppe mit wIRA(+VIS)
und 20 in der Kontrollgruppe, wurde untersucht, ob Bestrahlung mit wIRA(+VIS)
während moderater (aerober) Fußkurbelergometer-Ausdauerbelastung (einer Laktatkonzentration von 2 mmol/l entsprechend) für 45 Minuten dreimal pro Woche über
4 Wochen Wirkungen insbesondere auf die lokale Fettabnahme und auf die Gewichtsabnahme hat, die über die Wirkungen der Ergometerbelastung allein hinausgehen /43/. In der Gruppe mit wIRA(+VIS) wurden außerdem große Teile des Körpers (einschließlich Taille, Hüfte und Oberschenkel) während aller Ergometrien der
Interventionsperiode mit 10 um ein geschwindigkeitsunabhängiges Fußkurbelergometer angeordneten Strahlern mit wIRA(+VIS) bestrahlt. Die "Summe der Umfänge von Taille, Hüfte und beiden Oberschenkeln von jeder Probandin" verminderte sich während der 4 Wochen signifikant mehr (p<0,001) in der Gruppe mit
wIRA(+VIS) als in der unbestrahlten Kontrollgruppe: Mediane und Interquartilspannen: -8,0 cm (-10,5 cm/-4,1 cm) versus -1,8 cm (-4,4 cm/0,0 cm). Auch nahm das
Körpergewicht während der 4 Wochen in der Gruppe mit wIRA(+VIS) deutlich
mehr als in der Kontrollgruppe ab: Mediane und Interquartilspannen der Körpergewichtsänderung: -1,9 kg (-4,0 kg/0,0 kg) versus 0,0 kg (-1,5 kg/+0,4 kg); der Median
des Körpergewichts veränderte sich von 99,3 kg auf 95,6 kg (wIRA) versus von 89,9
kg auf 89,6 kg (Kontrolle). Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass wIRA – während moderater Fußkurbelergometer-Ausdauerbelastung als lipolytischem Reiz – die
lokale Lipolyse (Oberschenkel) in dem sonst bradytrophen und hypothermen Fettgewebe steigert und die mobilisierten Fette in der Muskulatur während der Ergometerbelastung verbrannt werden. Genutzt werden kann dies, um in Verbindung mit einer
angemessenen Ernährung die Körperzusammensetzung, insbesondere die lokale
Fettverteilung, und die Abnahme von Fett und Körpergewicht bei adipösen Personen zu verbessern.
Auch zur Therapie der Fibromyalgie kann die Kombination von wIRA(+VIS) mit
Bewegung (mit hierbei nur niedriger Belastung) mit der gleichen Bestrahlungseinheit
142
IR-Strahlungswirkungen
(Ergometer und 10 wIRA-Strahler) zur erfolgreichen Minderung der Schmerzen genutzt werden /1, 2/.
wIRA in weiteren Bereichen
wIRA in der Neonatologie
wIRA kann bei Neugeborenen zur Aufrechterhaltung oder Erhöhung der Körpertemperatur und zum Aufbau eines "Wärmedepots" vor einem Transport verwendet
werden /44/.
wIRA in der Onkologie
wIRA zur lokalen oder systemischen Hyperthermie kann mit Strahlentherapie (z.B.
beim metastasierenden Mamma-Ca) oder Chemotherapie kombiniert werden /1, 2/.
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Industries GmbH, Baesweiler, Germany.
IR-Strahlungswirkungen
Wirkungen von Infrarotstrahlung auf die menschliche
Haut in vivo und in vitro
Hans Meffert, Helmut Piazena, Gerhard Kolde
Dermatologisches Zentrum Berlin, Potsdamer Chaussee 80, 14129 Berlin
1
Einleitung
Etwa 43 % der die Erdoberfläche erreichenden Solarstrahlung sind dem Infrarot (IR)
zuzurechnen. Wegen der im Vergleich zum Ultraviolett (UV) geringen Quantenenergie der IR-Strahlung wurde letzterer bislang wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Über
günstige Wirkungen von Ganzkörper-IR-Anwendungen wie Sauna und IR-Kabinen
zu Prophylaxe, Therapie, Fitness und Wellness wurde anlässlich des V. Symposium
„Licht und Gesundheit“ berichtet [2]. Jetzt geht es um lokale Effekte in vivo und in vitro.
Abb. 1: Die Tiefe der Penetration optischer Strahlung in helle menschliche Haut bis zur
Abschwächung der unmittelbar unter der Oberfläche gegebenen Bestrahlungsstärke auf
36,79 % (1/e) als Funktion der Wellenlänge (siehe heutigen Vortrag von Piazena und
Meffert).
147
IR-Strahlungswirkungen
Kurzwelliges IR (IR-A) dringt tiefer in die Haut ein als UV, Licht (VIS) oder mittelund langwelliges IR (IR-B und IR-C, siehe Abb. 1). So kann es auf tiefer gelegene
Strukturen der Haut direkt einwirken. Andererseits verteilt es sich sofort über größere Gewebevolumina als UV oder VIS und die entstandene Wärme kann effektiv mit
dem strömenden Blut verteilt werden. Die Frage, ob IR eine Ursache erwünschter
oder unerwünschter Wirkungen der Solarstrahlung sein kann, ist unbeantwortet.
Wichtige Fragen harren der Antwort. Trägt das IR des Sonnenscheins zur Verbesserung der UV-induzierten Vitamin-D-Ausbeute in der Haut bei? Oder wirkt es dort
karzinogen?
2
Das IR-Erythem
Anders als im UV sind im IR keine Aktionsspektren bekannt. Um spektral verteilte
Wirkungen im IR beschreiben zu können, sollte zunächst – wie im UV – der Einfluss
der Wellenlänge auf Art und Ausprägung des IR-Erythems charakterisiert werden.
Wird menschliche Haut durch Schablonen erythemwirksam UV-bestrahlt, so resultieren scharf begrenzte, uniform tingierte Erytheme:
Abb. 2: Muster einer Schablone für UV-Testbestrahlungen der Haut mit Testfeldern unterschiedlicher Größe zur Untersuchung der Erythembildung (links) und UV-Erytheme
nach erfolgter Bestrahlung (rechts).
Unseres Wissens sind durch isoliertes IRC provozierte Erytheme bisher nicht untersucht worden. Wie im UV erwiesen sich in unseren Untersuchungen IRC-Erytheme
als abhängig von der
●
Dosis
●
Bestrahlungsstärke und
●
Wellenlänge.
148
IR-Strahlungswirkungen
Anders als im UV waren die IR-C-Erytheme gekennzeichnet durch
●
kurze Latenzzeit (Minuten)
●
Rückbildung je nach Bestrahlungsstärke und Dosis im Verlauf von etwa 30
Minuten bis zu 6 Stunden
●
uneinheitliche Tingierung
●
unscharfe Begrenzung
●
netz- oder baumartige Struktur, daneben diffus gerötet
●
Ausdehnung über die bestrahlte Fläche hinaus
●
Änderungen von Form, Färbung und Ausdehnung innerhalb von Minuten.
Ein relativ mild ausgeprägtes IRC-Erythem (500 W/m²; 1200 kJ/m²) lässt neben
leichter Rötung auch dendritische (baumartige) Strukturen erkennen, beschränkt sich
weitgehend auf die bestrahlte Fläche und bildete sich innerhalb von weniger als 30
Minuten vollständig zurück:
Abb. 3: Wärmeerythem an der Rückenhaut eines Probanden nach Exposition mit langwelliger IR-Strahlung (IR-C, Bestrahlungsstärke 500 W m-2, Dosis 1200 kJ m-2) unmittelbar nach der Exposition (links oben) sowie nach einer Abklingzeit von 15 min (rechts
oben), 30 min (links unten) und 60 min (rechts unten).
Nach 750 W/m² und 1800 kJ/m2 erschien rasch ein zunächst überwiegend diffuses
Erythem, das sich bald über die bestrahlte Fläche hinaus ausdehnte, sich dabei dendritisch umstrukturierte und noch 60 Minuten nach Bestrahlungsende deutlich zu erkennen ist:
149
IR-Strahlungswirkungen
Abb. 4: Wärmeerythem an der Rückenhaut eines Probanden nach Exposition mit langwelliger IR-Strahlung (IR-C, Bestrahlungsstärke 750 W m-2, Dosis 1800 kJ m-2) unmittelbar nach der Exposition (links oben) sowie nach einer Abklingzeit von 15 min (rechts
oben), 30 min (links unten) und 60 min (rechts unten).
Nach weiterer Erhöhung der IRC-Bestrahlungsstärke und -Dosis (1000 W/m²;
480 kJ/m²) ist die Haut noch intensiver und über Stunden persistierend gerötet:
Abb. 5: Wärmeerythem an der Rückenhaut eines Probanden nach Exposition mit langwelliger IR-Strahlung (IR-C, Bestrahlungsstärke 1000 W m-2, Dosis 480 kJ m-2) unmittelbar nach der Exposition (links oben) sowie nach einer Abklingzeit von 15 min (rechts
oben), 30 min (links unten) und 60 min (rechts unten).
IRC-Erytheme sind demnach
●
teils dendritisch oder netzartig
●
teils diffus.
Die diffuse Rötung tritt zunächst auf und wird vermutlich durch Mediatoren vermittelt, die zu gesteigerter Durchlässigkeit kleiner Blutgefäße führen. Die diffuse Rötung
150
IR-Strahlungswirkungen
klingt ab und es kommen persistierende, netzartige oder dendritische Strukturen zum
Vorschein.
Ganz anders stellen sich die hier ebenfalls erstmals publizierten IRA-Erytheme dar.
Unter Bestrahlung mit wassergefilterter IR-Strahlung (wIRA; Gesamtbestrahlungsstärke: 3000 W/m²; 1440 kJ/m²) stieg die Hautoberflächentemperatur innerhalb von
8 Minuten auf 43,2 °C an. Wegen des zu diesem Zeitpunkt deutlichen Hitzeschmerzes wurde die Bestrahlung abgebrochen. Es zeigte sich eine homogene Rötung, die
nur wenig auf die nicht bestrahlte Haut übergriff, unmittelbar nach der Bestrahlung
am stärksten ausgeprägt war und innerhalb von etwa 120 Minuten verschwand. Zum
gleichen Zeitpunkt hatten sich auch Hauttemperatur und Lab-Werte wieder normalisiert. Netzartige oder dendritische Strukturen bildeten sich nicht aus. In der folgenden Abbildung ist menschliche Haut vor IRA-Bestrahlung und 10, 20 und 40 Minuten danach dargestellt. Die blauen Kreise entsprechen dem Bestrahlungsfeld von 10
cm Durchmesser:
Haut vor IRA-Bestrahlung und
unmittelbar, 20 und 40 Minuten danach
Abb. 6: Haut vor der Exposition (links oben) und Wärmeerythem an der Rückenhaut eines Probanden nach Exposition mit wassergefilterter, kurzwelliger IR-Strahlung (wIRA,
Gesamtbestrahlungsstärke 3000 W m-2, Dosis 1440 kJ m-2) unmittelbar nach der Exposition (rechts oben) sowie nach einer Abklingzeit von 20 min (links unten) und 40 min
(rechts unten).
151
IR-Strahlungswirkungen
Die Intensität künstlich erzeugter IR-Strahlung kann die der Sonne übertreffen (siehe
Abb. 7). Auch deshalb sind Untersuchungen der Wirkungen unterschiedlicher IR-
IR-Rad1.fpw
2.0
1: Sonneneinstrahlung
Spektrale Bestrahlungsstärke [W m
-2
-1
nm ]
emittierender Strahlenquellen auf die Haut dringend erforderlich.
2
Berlin, 19.7.1999
wolkenloser Himmel
o
Sonnenhöhe: 58
-2
Etot= 695 W m
1.5
2: wIRA-Strahler
mit Rotfilter
-2
Etot= 1000 W m
1
3: IR-Halogenlampe
1.0
(CCT= 1750 K)
-2
Etot= 1000 W m
4: IR-C radiator
(T= 708 K)
-2
Etot= 1000 W m
0.5
3
4
0.0
10
2
10
3
10
4
Wellenlänge [nm]
Abb. 7: Spektrum der solaren Bestrahlungsstärke als Funktion der Wellenlänge auf einer
horizontalen Fläche in Berlin bei wolkenlosem Himmel und bei einer Sonnenhöhe über
dem Horizont von 58° mit einem Gesamtbetrag von Etotal = 695,07 W m-2 (1) im Vergleich zu den Spektren der Bestrahlungsstärke eines wIRA-Strahlers (Typ Hydrosun 505
mit Rotfilter RG 665/3 mm, Kurve 2), einer IR-Halogenlampe (Philips, 750 W, Tc= 1750
K, Kurve 3) und eines IR-C-Strahlers mit Reflektor (T= 708 K, Kurve 4). Die Gesamtbestrahlungsstärke eines jeden dieser Strahler betrug Etotal = 1000 W m-2.
Berufsbedingt können Schweißer besonders stark der IR- (und UV-) Strahlung ausgesetzt sein. Trotz aller Fortschritte im Arbeitsschutz kommen bei ihnen in Zeiten
großen Arbeitsdruckes selbst massive Hitze-Erytheme häufig vor, Hautkrebse dagegen selten [1]. Große IR-Dosen werden zur Laser- oder LED-Skin rejuvenation (Hautverjüngung [!]) angewandt. So besserten sich die schlaffen Doppelkinne von Greisen
nach 1100-1800-nm-Bestrahlungen dramatisch [4]. Gesichtsfalten und
-verfärbungen als Folgen der Lichtalterung besserten sich nach monatelangen täglichen IRC-Bestrahlungen [5]. Diese und weitere ähnliche Beobachtungen erfolgten an
Menschen. Weitaus schwieriger zu deuten und zu bewerten sind Ergebnisse von invitro-Experimenten mit isolierten biologischen Substraten. Solchen Versuchen zufolge kann IR-Strahlung krebsverursachend, -auslösend, -verhindernd oder sogar -hei152
IR-Strahlungswirkungen
lend wirken. Das unmittelbare Übertragen der Ergebnisse von In-vitro-Experimenten
auf den lebenden Menschen ist nicht zulässig. Das oft vernachlässigte Bindeglied
zwischen Grundlagenforschung und Anwendung am Menschen ist die hier weitgehend unerledigte Anwendungsforschung.
3
Erythema ab igne
Nicht mit den bisher besprochenen Erythemen sollte das 1911 von A. Buschke beschriebene Erythema ab igne (EAI; Buschkesche Hitzemelanose) verwechselt werden.
Ein EAI kann an Stellen entstehen, die gewohnheitsmäßig überwärmt werden. Die
dabei auftretende Hitze reicht für regelrechte Verbrennungen nicht aus. Sie lässt
nach Monaten bis Jahren netzförmige bis baumartige Flecken entstehen, die zunächst rötlich, dann zunehmend bräunlich aussehen. Schilderungen von Hautschäden durch künstlich erzeugte Wärmestrahlen oder durch den Hautkontakt mit erhitzten Materialien finden sich bereits in Publikationen aus der Frühzeit der Gewerbedermatologie. Es waren Summationseffekte, die bei den damaligen Hitzeberufen
Schmied, Schlosser, Schweißer, Glasmacher, Glasbläser, Lokomotivheizer, Bäcker
oder auch bei im Rampenlicht agierenden Schauspielern ein EAI hervorriefen. Auf
dem Boden des EAI können sich Plattenepithelkarzinome entwickeln. Diese wurden
eher als regionale Kuriosa bekannt, als "schottischer Kaminkrebs", „Turf Fire Cancer“
irischer Bäuerinnen oder asiatischer "Kangri-Krebs." Letzterer entstand nach häufigen Hitzeexpositionen durch unter dem Mantel getragene Öfchen oder erhitzte Steine.
Heute ist das EAI eine Rarität, die der Hautarzt gelegentlich über den Schulterblättern von Personen sieht, die sich gewohnheitsmäßig mit dem Rücken an einen Kachelofen schmiegen oder nach sehr häufigem Gebrauch von Heizkissen an der
Bauchhaut bzw. Laptops auf dem Schoße. Gegenwärtig interessiert uns, ob das EAI
als Warnsignal für bevorstehende Entstehung von Hautkrebs genutzt werden kann.
Im feingeweblichen Bild weist es Anzeichen auf (Angiomatose), die bösartigen Strukturen täuschend ähnlich sind. Zumindest in frühen Stadien bildet sich das EAI nach
Meiden der angeschuldigten Hitze- oder IR-Quellen zurück [6].
153
IR-Strahlungswirkungen
4
Literatur
1. Tenkate TD. Optical radiation hazards of welding arcs. Rev Environ Health.1988;
13: 131-146.
2. Meffert H, Piazena H. Wieviel UV, VIS und IR braucht der Mensch? V.
Symposium Licht und Gesundheit. Berlin, 23.-24. Februar 2006.
3. Scherf H-P, Meffert, H, Röder, K-H, Kuschmann A. Lokale Infrarot-AHyperthermie in der allgemeinärztlichen Praxis. In: Wärmetherapie mit
wassergefilterter Infrarot-A-Strahlung. Vaubel P, Krüger W (Hrsg). Stuttgart:
Hippokrates;1992. Seite 85-90.
4. Goldberg DJ et al. Treatment of skin laxicity of the lower face and neck in older
individuals with a broad spectrum infrared light device. J Cosmet Laser Ther
2007; 9: 35-40.
5. Lee JH et al. Effects of infrared radiationon on skin photo-aging and
pigmentation. Yonsei Med J 2006; 47: 485-490.
6. Mitsubashi et al. Cutaneous reactive angiomatosis occuring in erythema ab igne
can cause atypia in endothelial cells: potential mimic of malignant vascular
neoplasma. Pathol Int 2005; 55: 431-435.
154
IR-Strahlungswirkungen
Qualitätsrichtlinien für
Infrarot-Wärmekabinen eine Orientierungshilfe zur Vermarktung
Ernst F. Lange Dr. jur., Geschäftsführer
Gütegemeinschaft Infrarot-Wärmekabine e.V.
Am Allersberg 29, 65191 Wiesbaden
Einleitung
Wissensdrang und Forschung sind die Triebfeder für viele Entdeckungen. Entdeckungen knüpfen aber oftmals an Vorhandenes an, entwickeln es weiter und schaffen Neues.
Dies könnte als Grundaussage für die Nutzung der Infrarot-Strahlung für den
menschlichen Körper stehen.
William Herschel ist bei seinen Arbeiten auf den wärmenden Effekt der Strahlung
auf den menschlichen Körper gestoßen, die über den sichtbaren Teil des Spektrums
des Lichts hinausgeht. Diese Strahlung wurde als positiv medizinisch wirkend eingestuft.
Völlig unabhängig von den wissenschaftlichen Betrachtungen haben Menschen vor
Jahrhunderten in Fernost mit Hilfe von Wärmeöfchen, die unter der Kleidung getragen wurden, Wärmestrahlung auf ihren Körper gebracht, ohne die wissenschaftlichen
Zusammenhänge der Strahlung zu kennen. Hintergrund waren die klimatischen Verhältnisse. Die Menschen suchten in ihren bescheidenen Behausungen körperliche Erwärmung.
Die Wissenschaft hat sich mit der Thematik weiter beschäftigt. Es wurden Bestrahlungsgeräte als sogenannte Medizinprodukte entwickelt. Gewisser- maßen parallel
dazu wurden Geräte entwickelt, die auf die Nutzung der körperlich wohltuenden Infrarotbestrahlung ausgerichtet waren.
155
IR-Strahlungswirkungen
Sie wurden im Wellnessbereich eingesetzt. Neben Sauna, Whirlpool und anderen
Wellnesseinrichtungen hat die Infrarot-Wärmekabine inzwischen ihren festen Platz
in der gesamten Angebotspalette.
Heute werden am Markt die Infrarot-Wärmekabinen über alle gängigen Vertriebsformen angeboten: unmittelbar vom Hersteller an den Endverbraucher (ob für private
oder gewerbliche Nutzung), über den Fachhandel, über Großvermarkter (z.B.
Baumärkte).
In den deutschen Markt gehen nach Einschätzung von Fachleuten jährlich ca. 15 000
bis 20 000 Geräte. Eine amtliche Statistik besteht nicht.
Als Folge der regen Nachfrage und im Hinblick darauf, dass die Infrarot-Wärmekabine leicht herstellbar ist, hat sich ein scharfer Wettbewerb entwickelt. Die Gleichheit
der Produkte untereinander hat zu erheblichen Preisunterschieden geführt, die den
Verbraucher verunsichern. Dabei sind die Produkte nur auf den ersten Blick gleich,
in Wirklichkeit bestehen teilweise erhebliche Unterschiede in der Verarbeitung, beim
eingesetzten Material und in der Gebrauchstauglichkeit. Der Verbraucher kann dies
aber fachlich nicht beurteilen.
1.
Qualität - der Orientierungsfaktor
Die Qualität ist ein herausragendes Bewertungsmerkmal für ein Produkt. Ganz
gleich, ob es sich um ein Einfachprodukt oder um ein Produkt mit vielseitiger Gebrauchsfähigkeit handelt: auf Güte im Sinne von sachgerechter Beschaffenheit und
Gebrauchstüchtigkeit wird Wert gelegt.
Das Anforderungsmerkmal „Qualität“ erlangt eine besondere Bedeutung bei einem
Vergleich von Produkten, die demselben Zweck dienen. Der Verbraucher will beim
Vergleichen die Unterschiede einzelner Produkte feststellen und stellt die Frage nach
ihrer sachlichen Notwendigkeit.
Stellt er eine sachliche Notwendigkeit fest, so bewertet er dies und berücksichtigt es
bei seinem Entscheidungsprozess „für oder gegen“ ein Produkt.
Der Verbraucher ist kein Allwissender. Zwar sind technische Grundkenntnisse weit
verbreitet, und der Verbraucher ist heute geschult, gut informiert und beachtet die
vom Hersteller gegebenen Produktinformationen. Aber er braucht weiterführende
156
IR-Strahlungswirkungen
Hinweise, und dabei spielt die Neutralität der Informa-tionsstelle eine große Rolle.
Hinzukommt:
Der Verbraucher begegnet jedem Marktangebot mit einer mehr oder weniger ausgeprägten kritischen Haltung. Je marktschreierischer ein Angebot unterbreitet wird, je
zurückhaltender und kritischer wird es vom Verbraucher beurteilt. Dabei darf nicht
übersehen werden, dass ein als besonders günstig angepriesenes Angebot durchaus
seinen reellen Wert haben kann (z.B. eine dem Verderb drohende Ware wird mit
großem Preisnachlass lauthals angeboten).
2.
Umkämpfte Märkte und Qualitätsrichtlinien
In umkämpften Märkten können sich Produkte langfristig nur durchsetzen, wenn sie
durch gute Qualität auffallen, die Qualität vom Verbraucher gewünscht und ein daraus resultierender höherer Preis gegenüber Konkurrenzprodukten im Niedrigpreissektor akzeptiert wird. Entscheidend kommt es auf Bewertungen an, die bei der Beurteilung der Qualität zugrunde gelegt werden.
Vom Hersteller erstellte Qualitätsprüfungen nach selbst geschaffenen Richtlinien
markieren eine eigene Beurteilung. Sie soll die Identifikation des Produktes mit dem
Unternehmen dokumentieren (z.B. Miele-Waschmaschinen = Qualität). Dem Verbraucher wird gesagt, dass das Produkt ausgereift sei, der letzte Wissensstand bei der
Fertigung sei berücksichtigt, und das Unternehmen stehe für Qualitätsarbeit.
Diese Hürde der Selbsteinschätzung schaffen nur wenige. Verbreitet sind deshalb
Qualitätsanforderungen, die von dritter Seite erarbeitet werden. Sie müssen nachprüfbar und in der Fachwelt anerkannt sein und einer neutralen fachlichen Begutachtung standhalten. Eine derartige Richtlinie darf nicht auf einen bestimmten Marktanbieter ausgerichtet sein. Der Vorgang, der zur Richtlinie führt, muss reproduzierbar
sein.
Die Anerkennung derartiger Qualitätsrichtlinien fällt höchst unterschiedlich aus.
3.
RAL - eine Institution für Qualitätsrichtlinien – seit 1925 am Markt
Wirtschafts- und Regierungskreise gründeten 1925 den „Reichs-Ausschuss für Lieferbedingungen“, später in Kurzform RAL genannt.
157
IR-Strahlungswirkungen
Aufgabe des RAL war, die auftretende Zersplitterung bei technischen Lieferbedingungen zu beseitigen, was auf Qualitätsanforderungen und deren Kontrolle hinauslief. Die gegründete Institution bewährte sich. Aus kleinen Anfängen ist heute eine
über die Bundesgrenzen hinaus arbeitende Institution entstanden. Sie ist europaweit
anerkannt. Sie hat die alleinige Kompetenz zur Schaffung von Gütezeichen, die in
Form von Regelwerken von Fachkreisen der Wirtschaft auf der Basis von Gütegemeinschaften erarbeitet werden. Der Prozess geschieht auf freiwilliger Basis, er unterliegt aber der Kontrolle des Staates und bindet Verkehrskreise ein. Hersteller, die
ihre Produkte einem RAL Qualitätsanforderungsprofil unterwerfen, unterliegen einer
stetigen neutralen Überwachung. Sie tun dies nach außen durch Führen des entsprechenden RAL-Gütezeichens kund. Die Abnehmer der Produkte, also insbesondere
der Verbraucher, hat eine verlässliche Information über die Gebrauchsfähigkeit und
Qualität.
Gegenwärtig sind 160 Gütezeichen am Markt, die von mehr als 10 000 Unternehmen
aus allen Branchen der Wirtschaft getragen werden.
4.
Warum RAL-Qualitätsrichtlinien für Infrarot-Wärmekabinen?
Infrarot-Wärmekabinen sind dem Marktsegment Wellness zuzuordnen. Dieses Segment liegt im Grenzbereich von Nachfrageströmungen, die dem Wohlbehagen und
Wohlempfinden einerseits und der allgemeinen Gesundheit und Stärkung der natürlichen Abwehrkräfte gegen Erkrankung andererseits dienen.
Die Gefahr einer Fehlinterpretation der Anwendung und Wirkung des Produktes Infrarot-Wärmekabine ist daher sehr groß. Schon durch verbale Akzente vom Hersteller und/oder Vertreiber kann ein falscher Eindruck beim Verbraucher entstehen, er
erwerbe mit einer Infrarot-Wärmekabine ein dem Heilungsprozess dienendes Gerät
(Medizinprodukt).
Als Folge der Globalisierung der Märkte werden Infrarot-Wärmekabinen von in- und
ausländischen Herstellern angeboten. Es herrscht freier Wettbewerb. Infolgedessen
sind Kabinen der unterschiedlichsten Bauart am Markt. Der Endpreis bestimmt vielfach das Marktgeschehen. Durch klar formulierte Anforderungen an das Produkt
und seine Bauweise ist das RAL-Gütezeichen eine Orientierungshilfe, insbesondere
für den Verbraucher. Er kann sicher sein, dass eine dem RAL-Gütezeichen-Regel158
IR-Strahlungswirkungen
werk unterliegende Kabine den im Regelwerk aufgestellten Qualitätsanforderungen
entspricht und Gebrauchssicherheit gegeben ist.
5.
Verfahrensgang
RAL-Qualitätsrichtlinien werden auf freiwilliger Basis durch den jeweiligen Verkehrskreis erarbeitet. Hieran kann jeder Fachinteressent als Hersteller oder Zulieferer mitarbeiten.
Die im einzelnen festgelegten Grundsätze dürfen nicht auf einen bestimmten Marktanbieter ausgerichtet sein. Es werden Anforderungsgrundsätze erarbeitet; dem einzelnen Hersteller ist es überlassen, die jeweiligen technischen Lösungen zu finden. Das
Regelwerk wird unter Federführung von RAL den einschlägigen Verkehrskreisen zur
Stellungnahme vorgelegt. Das Bundeswirtschaftsministerium begleitet den Vorgang;
Kartellbehörde und Wettbewerbszentrale überprüfen das Regelwerk auf Gesetzeskonformität. Erhobene Bedenken müssen ausgeräumt werden. Erst danach wird das
Regelwerk anerkannt, von der RAL-Institution in Verkehr gebracht und kann seine
Wirkung entfalten.
Das RAL-Regelwerk – Eckpunkte
1.
Grundsatz
Eine privat genutzte Infrarot-Wärmekabine soll unter Beachtung einschlägiger Normen und Verordnungen den Grundsätzen von Betriebssicherheit, Wirtschaftlichkeit
und Gebrauchstüchtigkeit entsprechen.
Das im Entwurf dem RAL zur Einleitung des Anerkennungsverfahrens vorgelegte,
von namhaften Fachfirmen (Kabinenhersteller und Zulieferer) erarbeitete Regelwerk
hat in die Bewertung u.a. einbezogen
Konstruktion
Wärmedämmung
Innenausstattung
Emitter
elektrische Installation
Schalt-, Regel- und Sicherheitseinrichtungen
159
IR-Strahlungswirkungen
Im einzelnen:
1.1
Konstruktion
Mindestmaße hinsichtlich Breite, Tiefe, Höhe einer Kabine
Holztür mit Sichtfenster von 400 mm2 oder
Glastür aus Einscheibensicherheitsglas.
1.2
Wärmedämmung
Infrarot-Wärmekabinen bedürfen einer
Dämmung, soweit sie durch das Emittersystem
erforderlich ist.
1.3
Innenausstattung
Die Oberfläche aller innenliegenden Teile muss so beschaffen
sein, dass Verletzungsgefahren ausgeschlossen sind. Sitz- und
Liegebänke müssen einer gleichmäßigen Belastung von
200 kg/m standhalten.
1.4
Emitter
Je nach Emitter bestehen unterschiedliche Anforderungen
an den Wandaufbau der Infrarot-Wärmekabine,
z.B. Wärmedämmung, Hinterlüftung, Schutz gegen unbeabsichtigtes
Berühren.
Montageanweisung der Komponentenhersteller ist zu beachten.
1.5
Elektrische Installation
VDE 0100 muss eingehalten sein.
Die elektrischen Installationsleitungen müssen in einer
Umgebungstemperatur von 55° C dauerhaft wärmebeständig sein.
1.6
Schalt-, Regel- und Sicherheitseinrichtungen
eine Heizzeitbegrenzung muss eingebaut sein,
separater Sicherungskreis.
2.
Gesetze, Verordnungen, Normen
2.1
Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (in Kraft ab 1.5.2004)
2.2
EN 60335-2 Teil 53 Besondere Anforderungen
an Saunageräte und Infrarotmodule , (z.Zt. im
Normungsverfahren)
2.3
DIN / VDE 0100-703
Errichten von Niederspannungsanlagen
160
IR-Strahlungswirkungen
3.
Prüfbestimmungen
3.1
Prüfplan
3.2
Erstprüfung
3.3
Eigenüberwachung
3.4
Fremdüberwachung
3.5
Verleihung und Führung des Gütezeichens
Zusammenfassung
–
Wissenschaft und Wirtschaft bedingen einander. Wissenschaftliche Erkenntnisse
werden von der Wirtschaft in ökonomische Vorgänge transformiert.
–
Auf gesättigten und umkämpften Märkten, gekennzeichnet durch rigorosen
Preiswettbewerb bei vergleichbarem Warenangebot, wird der Verbraucher verunsichert.
–
Der Wunsch nach Qualität ist ein berechtigtes und immer wieder feststellbares
Anliegen der Marktbeteiligten (Hersteller, Verbraucher).
–
Das RAL-Gütezeichen steht für nachgewiesene Qualität unter stetiger neutraler
Überwachung. Davon profitieren Hersteller und Verbraucher.
Literatur
1. AL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V.
(Bundesanzeiger Nr. 33 vom 16. Februar 2007)
2. Gütezeichen – RAL – Güte
herausgegeben vom RAL, Siegburger Straße 39, 53757 Sankt Augustin Juni 2007) www.RAL.de
3. RAL Güte – Eine Informationsschrift
über: 80 Jahre – das Zeichen für Güte
und: sichere Orientierung für den Verbraucher
(RAL, Siegburger Straße 39, 53757 Sankt Augustin) www.RAL.de
161
IR-Strahlungswirkungen
Optische Eigenschaften der Haut und
die photobiologischen Grundlagen zur Dosierung von
IR-Hautbestrahlungen in vivo und in vitro
H. Piazena1 und H. Meffert2
1
Charité, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Bonhoefferweg 3, 10117 Berlin
2
Dermatologisches Zentrum Berlin, Potsdamer Chaussee 80, 14129 Berlin
(helmut.piazena@charite.de, hans.meffert@web.de)
1.
Einleitung
In vielerlei Hinsicht ist die Erforschung von Wirkungen optischer Strahlung auf den
Menschen ein äußerst schwierige Angelegenheit. Oft müssen nebeneinander physikalische, technische, biologische, physiologische und gar medizinische Gesetze, Methoden und Denkweisen angewandt und berücksichtigt werden.
Nicht selten findet man in Publikationen zu erwünschten wie auch zu unerwünschten Wirkungen infraroter Strahlung methodische Fehler, Fehlinterpretationen, unzutreffende Schlußfolgerungen. Ursachen sind häufig unvollständige, nicht alle wesentlichen Einflußgrößen charakterisierende Expositionsbedingungen, unzulässige Vernachlässigungen der optischen Hauteigenschaften und physiologischer Begrenzungen
(Kompartimente) bei der Übertragung von in vitro-Daten auf die Bedingungen in vivo,
Fehler bei der Anwendung photobiologischer Gesetzmäßigkeiten der Strahlungswechselwirkung mit dem Gewebe und unzureichende spektrale Differenzierungen
der Strahlungswirkungen.
Zur Definition der photobiologischen Grundlagen einer korrekten Dosierung von
Expositionen der Haut in vivo sowie isolierter Hautzellen (in vitro) werden diskutiert:
●
die optischen Hauteigenschaften im IR-Bereich
●
die Penetration der Strahlung in das Gewebe am Beispiel spektral unterschiedlicher IR-Strahlungsquellen
162
IR-Strahlungswirkungen
●
Hautoberflächentemperaturen und die Wärmeerythembildung als begrenzende Soforteffekte von IR-Hautbestrahlungen in vivo in Abhängigkeit von den
Expositionsbedingungen
●
die zu berücksichtigenden Einflußgrößen, Randbedingungen und photobiologischen Gesetze.
2.
Material und Methoden
Berechnungen. Die optischen Hauteigenschaften werden nachfolgend durch den spektralen Reflexionsgrad und durch die Tiefe im Gewebe charakterisiert, in der die unmittelbar unter der Oberfläche gegebene Bestrahlungsstärke auf 36,79 % (1/e) abgefallen ist. Die Daten des spektralen Reflexionsgrades heller und schwarzer Haut wurden Sutter [18] entnommen und gelten für eine senkrechte Strahlungsinzidenz (Abb.
1).
Die Penetration optischer Strahlung in das Gewebe wurde mit Hilfe des effektiven
spektralen Schwächungskoeffizienten berechnet, der zuvor aus Daten des an Hautproben (ex vivo) von verschiedenen Autoren für unterschiedliche Wellenlängen ermittelten spektralen Absorptions- und des spektralen Streukoeffizienten bestimmt wurde ([2], [8], [13], [14], [15], [17], [21], [22], [23]). Die Berechnungen erfolgten unter
der Voraussetzung homogen verteilter Chromophore in der Haut. Die Einflüsse der
Durchblutung und der Pigmentierung wurden hierbei nicht berücksichtigt.
Die Analyse der Penetration der Strahlung spektral unterschiedlicher IR-Quellen in
das Gewebe und der Energiedissipation in den Gewebeschichten basiert auf Berechnungen der spektralen Bestrahlungsstärke in unterschiedlichen Hauttiefen unter Berücksichtigung des Strahlungsverlustes durch Reflexion an der Oberfläche heller
Haut nach Sutter [18] und unter Anwendung des effektiven spektralen Schwächungskoeffizienten.
163
IR-Strahlungswirkungen
Reflex-S.fpw
Spektraler Reflexionsgrad
0.7
0.6
1: helle Haut
2: schwarze Haut
1
0.5
(nach Sutter, 2002)
2
0.4
0.3
0.2
0.1
0.0
UV
VIS
IR-A
500
1000
IR-B
1500
2000
Wellenlänge [nm]
[Schubert,
2003]
Abb. 1: Der spektrale Reflexionsgrad optischer Strahlung an heller (1)Quelle:
und an
dunkler
menschlicher Haut (2) bei senkrechter Inzidenz als Funktion der Wellenlänge (nach
[18]).
IR-Strahlungsquellen. In die Untersuchungen einbezogen wurden folgende Quellen:
-
Solarstrahlung auf einer horizontalen Fläche in einer Höhe von etwa 60 m über
Meeresspiegel nach spektralradiometrischer Messung in Berlin am 19.7.1999 bei
einer Sonnenhöhe über dem Horizont von 58°, bei wolkenlosem Himmel und
bei schwach getrübter Atmosphäre
-
ein wassergefiltertes, zu therapeutischen Zwecken genutztes IR-A-Bestrahlungsgerät („wIRA-Strahler“, Typ Hydrosun 505, Fa. Hydrosun Medizintechnik, Müllheim)
-
eine ungefilterte IR-Halogenlampe (Philips, 750 W) mit einer Farbtemperatur Tcp
= 1750 K und mit einem Emissionsmaximum im Spektralbereich IR-B sowie
-
ein metallischer, in IR-Wärmekabinen eingesetzter IR-C-Radiator mit einer Temperatur von etwa 708 K.
Zur spektralen Vermessung der Quellen im Spektralvereich 0,25 μm – 2000 μm wurden thermostatisierte und gemäß NIST-Standard kalibrierte DoppelmonochromatorSpektralradiometer (OL 754 und OL 750, Optronic, Orlando, Fl., USA) eingesetzt,
164
IR-Strahlungswirkungen
die mit Ulbrichtschen Kugeln ausgerüstet waren. Die Spektralverteilung des IR-CStrahlers wurde ergänzend unter Anwendung des Planck´schen Strahlungsgesetzes
berechnet. Messungen zur Variation der Bestrahlungsstärke erfolgten mit einem IRRadiometer des Typs KRS-5 (IHP Jena), dem zur spektralen Selektion der Teilbereiche IR-A und IR-B cut-off- und Bandpaßfilter vorgeschaltet waren.
Messung thermischer Effekte der IR-Strahlung an der Haut (in vivo) und Probanden. Zur Bewertung der thermischen Wirkungen spektral unterschiedlicher IR-Strahlungen und
Dosierungen wurden exemplarische Messungen an der Haut freiwilliger, gesunder
Erwachsener im Alter zwischen 18 Jahren und 72 Jahren unter Berücksichtigung zuvor definierter Ein- und Ausschlußkriterien vorgenommen. Meßgrößen waren die
Hautoberflächentemperatur und das stimulierte Wärmeerythem, die objektiv erfaßt
wurden. Für die Untersuchungen lag ein positives Votum der Ethikkommission der
Charité mit Datum vom 20.12.2002 vor.
3. Ergebnisse
3.1 Optische Hauteigenschaften und Penetration der IR-Strahlung in das Gewebe
Penetration der Strahlung in das Gewebe. Abbildung 2 ist zu entnehmen, daß kurzwellige
IR- Strahlung (IR-A) bis in die Subkutis penetriert, während sich die Eindringtiefe
mit zunehmender Wellenlänge immer weiter verringert, um im Bereich IR-C nur auf
den oberflächennahen Bereich beschränkt zu bleiben. IR-A-Strahlung kann daher
ebenso wie sichtbare Strahlung (VIS) direkt von den in der Haut enthaltenen Chromophoren absorbiert werden ([2], [9], [10], [14]) und anders als mittel- und langwellige IR-Strahlung nicht nur thermische Wirkungen, sondern bei hinreichend hoher Bestrahlungsstärke und Dosis auch athermische Primäreffekte hervorrufen.
165
IR-Strahlungswirkungen
Opt-Pene.fpw
Tiefe der Penetration (1/e) [mm]
0
Epidermis
-0.5
Dermis
-1.0
Subkutis
-1.5
-2.0
UV
VIS
IR-A
IR-B
-2.5
0.5
1.0
1.5
2.0
2.5
3.0
Wellenlänge [ µ m]
Abb. 2: Die Tiefe der Penetration optischer Strahlung in helle menschliche Haut bis zur
Abschwächung der unmittelbar unter der Oberfläche gegebenen Bestrahlungsstärke auf
36,79 % (1/e) als Funktion der Wellenlänge. Berechnung unter Nutzung von Meßdaten
des spektralen Absorptions- und Streukoeffizienten verschiedener Autoren ([2], [8],
[13], [14], [15], [17], [21], [22], [23]) an Hautproben.
Charakterisierung der Strahlungspenetration und –dissipation spektral unterschiedlicher IR-Strahler in der Haut. Auf Basis der Daten in den Abbildungen 1 und 2 konnten Abschätzungen des Strahlungsverlustes durch Reflexion und Remission an der Hautoberfläche sowie der Penetration in das Gewebe und der Strahlungsdissipation in den Gewebeschichten vorgenommen werden. Abbildung 3 zeigt zunächst die Spektren der
Bestrahlungsstärke für die in die Analyse einbezogenen Strahler. Die relativen Anteile
der IR-Komponente an der emittierten Strahlung belaufen sich auf 33,58 % für die
Solarstrahlung, auf 81,76 % für den wIRA-Strahler, auf 99,11 % für die Halogenlampe und auf 100 % für den IR-C-Strahler. Die Strahlung des IR-C-Strahlers entfällt
vollständig auf den Teilbereich IR-C (3,0 µm – 1000 µm). Dagegen wird die Emission der Solarstrahlung an der Erdoberfläche und des wIRA-Strahlers im IR-Bereich
durch die kurzwellige Komponente (IR-A, 0,78 µm – 1,40 µm) dominiert, während
die Halogenlampe Emissionen in allen drei Teilbereichen mit einem Maximum im
Teilbereich IR-B (1,40 µm – 3,0 µm) aufweist (vgl. Abb. 3).
166
IR-Strahlungswirkungen
Die in Abbildung 3 ersichtlichen spektralen Unterschiede der Strahlungsquellen wirken sich unmittelbar auf die Reflexion der inzidenten Strahlung an der Oberfläche
und auf ihre Penetration in das Gewebe aus und verursachen qualitativ unterschiedlich lokalisierte thermische Senken und eröffnen damit die Möglichkeiten zu diffe-
F-3b.fpw
1.5
2
-2
-1
Spektrale Bestrahlungsstärke [W m nm ]
renzierten biologisch/medizinischen Anwendungen.
1: Sonne
Berlin, 19.7.99
wolkenlos
o
Sonnenhöhe: 58
1
2: wIRA-Strahler
1.0
mit Rotfilter
3: IR-Halogenlampe
ungefiltert
(Tc= 1750 K)
4: IR-C-Strahler
(T= 708 K)
0.5
3
Spektren normiert zu
-2
E total = 695.07 W m
4
0.0
2
10
3
10
4
10
Wellenlänge [nm]
Abb. 3: Spektren der Bestrahlungsstärke als Funktion der Wellenlänge in Normierung
zum Gesamtbetrag der bei wolkenlosem Himmel auf einer horizontalen Fläche in Berlin
und bei einer Sonnenhöhe über dem Horizont von 58° gemessenen solaren Bestrahlungsstärke von Etotal = 695 W m-2 (1). Kurve 2: wIRA-Strahler (Typ Hydrosun 505 mit
Rotfilter RG 665/3 mm), Kurve 3: IR-Halogenlampe (750 W, Tcp= 1750 K), Kurve 4: IRC-Strahler (T= 708 K).
Zu berücksichtigen sind zunächst die Strahlungsverluste durch Reflexion an der
Oberfläche und durch Remission, die nach den Daten in Tabelle 2a und 2b für helle
Haut dargestellt wurden und für die Solarstrahlung und den wIRA-Strahler bei etwa
50 %, für den untersuchten IR-Halogenstrahler bei 16,6 % und für den IR-C-Strahler
bei 5,4 % liegen und sich in den unterschiedlichen Bestrahlungsstärken unmittelbar
unter der Hautoberfläche wiederspiegeln (vgl. Abb. 4).
Abbildung 4 zeigt für jeden Strahlertyp die für die Penetration in heller Haut berechneten Tiefenprofile der Bestrahlungsstärke im Gesamtbereich (a) und für die Infrarot-Komponente (b) aus denen einerseits die in Tabelle 1 zusammengestellten Tiefen
für den Abfall der Bestrahlungsstärke auf 36,79 % (1/e) des Betrages an der Oberflä167
IR-Strahlungswirkungen
che wie auch die Energiedissipation in den einzelnen Hautschichten und in der Subkutis berechnet wurden (Tab. 2).
Nach den Daten in Abbildung 4 und in den Tabellen 1 und 2 fallen die Reflexionsverluste, die Eindringtiefen und die Strahlungsdissipation in den Hautschichten für
die betrachteten IR-Strahler völlig unterschiedlich aus:
Die Strahlungsverluste durch Reflexion an der Hautoberfläche sind bei der Exposition mit kurz- und mit mittelwelliger IR-Strahlung wesentlich und müssen bei der Bewertung von Hautexpositionen in vivo wie auch zur Übertragung von Dosierungen in
vitro auf in vivo-Bedingungen berücksichtigt werden.
●
Die Eindringtiefen der Strahlung in das Gewebe bis auf 36,79 % (1/e) des
Ausgangswertes liegen für Solarstrahlung und für IR-A in der Dermis, falls
die Strahlungsschwächung auf die Bestrahlungsstärke an der Hautoberfläche
bezogen wird, und in der Subkutis bei Berücksichtigung der Reflexionsverluste an der Oberfläche. Hierzu im Unterschied wurden die entsprechenden
Eindringtiefen für die durch IR-B dominierte Strahlung der IR-Halogenlampe in der Dermis und für den IR-C-Strahler im Grenzbereich zwischen stratum corneum und Epidermis gefunden.
●
Die Strahlungsabsorption der Solarstrahlung wie auch kurzwelliger IR-Strahlung (IR-A) ist im stratum corneum vernachlässigbar, fällt in der Epidermis klein
aus und erreicht wesentliche Beträge in der Dermis und in der Subkutis. Dagegen findet die Absorption der Strahlung der IR-Halogenlampe hauptsächlich in der Epidermis und in der Dermis statt, während die absorbierten Beträge im stratum corneum und in der Subkutis klein sind. Die Strahlungssenken
des IR-C-Strahlers liegen dagegen im stratum corneum und in der oberen Epidermis, so daß die stimulierten Erwärmungsprozesse in der Haut mit langwelliger IR-Strahlung denen mit konvektiver oder konduktiver Wärmeübertragung ähneln.
168
Relative Bestrahlungsstärke [%]
IR-Strahlungswirkungen
F-4a.fpw
100
Gesamtbestrahlungsstärke im Vergleich
zum Betrag an der Oberfläche
90
1: Solarstrahlung o
wolkenlos, γ =58
2: wIRA-Strahler
mit Rotfilter
3: IR-Halogenlampe
(Tc= 1750 K)
4: IR-C-Strahler
(T= 708 K)
80
70
3
60
1
50
2
40
36.79 %
(1/e)
30
4
Subkutis
20
stratum
corneum
10
Epidermis
Dermis
0
1
0
2
10
3
10
4
10
10
Eindringtiefe (helle Haut) [ µ m]
Relative Bestrahlungsstärke [%]
Abb. 4a: Tiefenprofile der auf den Betrag an der Oberfläche normierten Gesamtbestrahlungsstärke in heller Haut für die untersuchten Strahlungsquellen (Erläuterungen s. Abb.
3).
F-4b.fpw
100
IR-Bestrahlungsstärke im Gewebe im Vergleich
zur inzidenten Gesamtbestrahlungsstärke
90
1: Solarstrahlung o
wolkenlos, γ = 58
2: wIRA-Strahler
mit Rotfilter
3: IR-Halogenlampe
(Tc= 1750 K)
4: IR-C-Strahler
(T= 708 K)
80
70
3
60
4
50
2
40
30
Subkutis
1
20
10
stratum
corneum
Epidermis
Dermis
0
0
1
10
2
10
3
10
4
10
Eindringtiefe (helle Haut) [ µ m]
Abb. 4b: Tiefenprofile der auf den Betrag der inzidenten Gesamtbestrahlungsstärke an
der Oberfläche normierten IR-Bestrahlungsstärke in heller Haut für die untersuchten
Strahlungsquellen (Erläuterungen s. Abb. 3).
169
IR-Strahlungswirkungen
Tab. 1: Tiefe des Abfalls der Gesamtbestrahlungsstärke in der Haut auf 36,79 % (1/e)
des Ausgangswertes an der Oberfläche (1) und unmittelbar unter der Oberfläche (2) sowie Tiefe des Abfalls auf 36,79 % der unmittelbar unter der Hautoberfläche gegebenen
IR-Komponente (3).
Tiefe und Schicht des Abfalls der Bestrahlungsstärke auf
36,79 % (1/e) des Ausgangswertes [µm]
Solarstrahlung
wIRAIR-HalogenIR-CStrahler
lampe
Strahler
(γ = 58°)
mit Rotfilter
(Tc= 1750K)
(T= 708 K)
Ausgangswert
Gesamtbestrahlungsstärke
an der Oberfläche (1)
Gesamtbestrahlungsstärke
unter Oberfläche (2)
IR-Komponente unter der
Oberfläche (3)
235
obere Dermis
1000
Dermis
2025
Subkutis
550
Dermis
2400
Subkutis
2600
Subkutis
140
Epidermis
210
obere Dermis
210
obere Dermis
16,5
s.c./ED
18
s.c./ED
18
s.c./ED
Tab. 2a: Reflexionsverluste bei der Exposition heller Haut mit den in Abbildung 3 gegebenen Strahlungsquellen und Dissipation der eingestrahlten Gesamtenergie im Gewebe.
Hautschicht
Reflexionsverlust
stratum corneum
(0 – 10 µm)
Epidermis
(10 – 100 µm)
Dermis
(100 – 1000 µm)
Subkutis
( > 1000 µm)
Reflexionsverlust an der Oberfläche und Energiedissipation in den
Gewebeschichten (Gesamtspektrum, inzidente Bestrahlungsstärke =
100 %)
SolarstrahwIRAIR-Halogenlampe
IR-Clung
Strahler
(Tc= 1750K)
Strahler
Mit Rotfilter
(T= 708 K)
(γ = 58°)
47.33 %
52,56 %
16,60 %
5.37 %
0.78 %
0.22 %
14,93 %
48.57 %
6,14 %
1.89 %
26,71 %
43.34 %
26,68 %
14,64 %
31,44 %
2,60 %
19,07 %
30,69 %
10,32 %
0,13 %
Tab. 2b: Reflexionsverluste bei der Exposition heller Haut mit den in Abbildung 3 gegebenen Strahlungsquellen und Dissipation der infraroten Strahlungskomponente im Gewebe.
Hautschicht
ReflexionsVerlust
stratum corneum
(0 – 10 µm)
Epidermis
(10 – 100 µm)
Dermis
(100 – 1000 µm)
Subkutis
( > 1000 µm)
170
Reflexionsverlust an der Oberfläche und Energiedissipation in den
Gewebeschichten (IR-Komponente, inzidente Bestrahlungsstärke =
100 %)
Solarstrahlung
wIRAIR-Halogenlampe
IR-CStrahler
(Tc= 1750 K)
Strahler
(γ = 58°)
mit Rotfilter
(T= 708 K)
46.08 %
49.95 %
16.20 %
5.37 %
0.38 %
0.21 %
15.06 %
48.57 %
3.17 %
1.83 %
26.93 %
43.34 %
19,71 %
14,45 %
31,56 %
2,60 %
36,67 %
33,56 %
10,26 %
0,13 %
IR-Strahlungswirkungen
3.2 Effekte spektral unterschiedlicher IR-Expositionen auf Hautoberflächentemperatur und Wärmeerythem
Da Überdosierungen von IR-Hautbestrahlungen zu unerwünschten Akuteffekten
und bei gehäufter Anwendung zu chronischen Schadwirkungen wie Photoalterung
der Haut, Wärmeurtikaria und Erythema ab igne mit nachfolgenden Plattenepithelkarzinomen führen können, müssen die Bestrahlungsstärken und –dosen und die Anwendungshäufigkeiten unter Berücksichtigung der Spektralverteilung der angewandten Strahlung begrenzt werden.
Die verfügbaren Grenzwerte zur Bestrahlung der Haut mit infraroter Strahlung basieren auf den Anforderungen des Arbeitsschutzes und sind für Anwendungen unzureichend, deren Ziel gerade darin besteht, dem Körper über die Haut Strahlungsenergie als therapeutisches Mittel zur Prophylaxe oder für Wellness zuzuführen vgl. ([1],
[3], [4], [5], [6], [7], [11], [12], [19], [20]). Darüber hinaus sind sie weder hinreichend
spektral differenziert noch geeignet, auf den Schutz vor chronischen Schadwirkungen angewandt zu werden (vgl. Anhang, Tab. A1 und A2).
Als limitierendes Phänomen einer akuten Überdosierung tritt Hitzeschmerz auf, der
Anlaß zu Abwehrreaktionen und zum Abbruch der Exposition ist. Aus zahlreichen
Berichten ist bekannt, daß chronische Schadwirkungen auch bei wiederholten Überwärmungen des Gewebes bereits unterhalb der Hitzeschmerzgrenze verursacht werden. Hiermit im Zusammenhang stehen möglicherweise abnormal persistierende
Erytheme, die sich in Struktur und Form von den durch Weitstellung der peripheren
Blutgefäße charakterisierten, nach Expositionsende rasch abklingenden Wärmeerythemen unterscheiden und auf schädigende Effekte der Strahlung an den Gefäßen
und im Gewebe hinweisen (s. heutigen Vortrag von Meffert, Piazena und Kolde).
Gegenwärtig wird geprüft, ob die Persistenz, die Form und die Struktur der stimulierten Wärmeerytheme neben der Hautoberflächentemperatur geeignete Größen sind,
IR-Hautexpositionen mit dem Ziel der Erwärmung hinreichend zu dosieren. In den
Abbildungen 5 und 6 werden hierzu erste Ergebnisse mitgeteilt.
Abbildung 5 zeigt, daß die Maxima der Hautoberflächentemperatur nach Erreichen
des thermischen Gleichgewichtszustands in einer bis zu 40 Minuten andauernden,
großflächigen Bestrahlung unter vergleichbaren Randbedingungen nicht nur von der
Bestrahlungsstärke, sondern aufgrund der oben beschriebenen Unterschiede in Reflexion und Penetration auch von der Spektralverteilung der IR-Strahlung abhängen.
171
IR-Strahlungswirkungen
Vorzeitige Abbrüche der Bestrahlungen aufgrund von Hitzeschmerz waren bei Anwendung des IR-C-Strahlers bei einer Bestrahlungsstärke von 1000 W m-2 nach einer
Expositionszeit von 8 Minuten und bei Anwendung des mit dem Filter RG
665/3mm ausgerüsteten wIRA-Strahlers bei einer Gesamtbestrahlungsstärke von
3000 W m-2 ebenfalls 8 Minuten nach Bestrahlungsbeginn erforderlich.
In Abbildung 6 wurden die zugeordneten Abklingzeiten der stimulierten Wärmeerytheme nach der Beendigung der Bestrahlung dargestellt. Bei Anwendung des IR-CStrahlers mit Bestrahlungsstärken über 500 W m-2 zeigten sich erhebliche, mit der Bestrahlungsstärke anwachsende Verlängerungen der Persistenz des Wärmeerythems
von etwa 20 – 35 Minuten bei 500 W m-2 bis hin zu etwa 6 Stunden bei der Bestrahlungsstärke von 1000 W m-2 trotz des vorzeitigen Abbruchs der Exposition nach 8
Minuten. Darüber hinaus waren die Wärmeerytheme mit verlängerter Persistenzdauer durch veränderte Strukturen und Formen gekennzeichnet, die auf thermische
Schädigungen in der Haut hinweisen (s. heutigen Vortrag von Meffert, Piazena und
Kolde).
Als hilfreich auf dem Wege zur Suche nach geeigneten Begrenzungen von Hautexposition mit langwelliger IR-Strahlung erscheint der Vergleich mit der Bilanz der Wärmeübertragung an die Haut durch Strahlung und durch konvektive und konduktive
Wärmeströme in der Sauna, die wegen begrenzter Erträglichkeit in der Summe insgesamt auf maximal 400 – 500 W m-2 begrenzt sind und aufgrund der Senken langwelliger IR-Strahlung im stratum corneum und in der oberen Epidermis (vgl. Abb. 4 und
Tab. 1 und 2) durchaus zur Diskussion von Maximalwerten der Bestrahlungsstärke
herangezogen werden können (vgl. [16]).
Im Vergleich zu den durch IR-C stimulierten Wärmeerythemen bildeten sich die
Wärmeerytheme nach wIRA-Bestrahlung auch bei vergleichsweise kleinen Bestrahlungsstärken langsamer, jedoch abhängig von der Bestrahlungsstärke zurück, was auf
unterschiedliche Adaptationszeiten der über Gefäßweitstellung in der Haut ablaufenden thermoregulativen Prozesse und auf grundlegende Unterschiede zwischen einem
durch langwellige IR-Strahlung und einem durch kurzwellige IR-Strahlung verursachten Wärmeerythem hinweist.
Anders als beim IR-C-Wärmeerythem zeigte selbst das aufgrund von Hitzeschmerz
nach vorzeitigem Abbruch der Exposition beobachtete IR-A-Wärmeerythem keine
172
IR-Strahlungswirkungen
Strukturänderungen und eine auf etwa 2 Stunden begrenzte Abklingdauer (s. heuti-
o
Maximale Hautoberflächentemperatur [ C]
gen Vortrag von Meffert, Piazena und Kolde).
E-TMAX3.fpw
48
47
46
Hautverbrennung
45
1
44
Hitzeschmerz
43
42
extrapoliert
41
3
2
40
39
1: IR-C-Strahler
2: IR-Halogenlampe
3: wIRA-Strahler
(mit Rotfilter)
38
37
36
35
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
-2
Bestrahlungsstärke an der Hautoberfläche [W m ]
Abb. 5: Maximalwerte der Hautoberflächentemperaur bei großflächiger Exposition des
Rückens mit dem IR-C-Strahler (1), mit dem IR-Halogenstrahler (2) und mit dem wIRAStrahler (mit Rotfilter, 3) als Funktion der Gesamtbestrahlungsstärke an der Hautoberfläche nach einer Expositionsdauer von 30 Minuten. Randbedingungen: Lufttemperatur
(24 – 26 °C), Relative Luftfeuchte (40 – 55 %), keine Luftventilation, Probanden im Ruhezustand, kein Schwitzen.
173
IR-Strahlungswirkungen
10
IR-TP4.fpw
3
Dauer der Persistenz [min]
Persistenz des IR-Wärmeerythems
Strahlungsquelle
(8 min)
(
(
) IR-C-Strahler
) wIRA-Strahler
(8 min)
10
2
(40 min)
(30 min)
(40 min)
10
1
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
-2
Bestrahlungsstärke [W m ]
Abb. 6: Die Persistenz des IR-Wärmeerythems als Funktion der Bestrahlungsstärke bei
Anwendungszeiten von 30 min bzw. 40 min ohne Hitzeschmerz und nach vorzeitigem
Abbruch infolge Hitzeschmerz nach 8 Minuten. Expositionen am Rücken mit dem wIRAStrahler (Sterne) und mit dem IR-C-Strahler (volle Kreise).
4. Schlußfolgerungen und Ausblick
Die thermischen Effekte der IR-Strahlung in der Haut und ihre limitierenden Phänomene wie Hitzeschmerz und Wärmeerythembildung hängen nicht nur von der Dosis
der IR-Strahlung ab, sondern wie die mitgeteilten Daten zeigen, auch von der Spektralverteilung, von der Bestrahlungsstärke und von den Randbedingungen der Exposition.
Hieraus ergeben sich für die Dosierung von IR-Expositionen der Haut wie auch für
ihre Bewertung wichtige Konsequenzen:
(1) die Nichtanwendbarkeit des Bunsen-Roscoe´schen Gesetzes auf die Bestimmung
von Schwellendosen thermischer Wirkungen der IR-Strahlung im Gewebe als
veränderten Bestrahlungsstärken, da die nach der Strahlungsabsorption sekundär
stimulierten, konvektiven und konduktiven Wärmetransportprozesse im Gewebe
limitiert sind.
174
IR-Strahlungswirkungen
(2) die Notwendigkeit zur Definition von Grenzwerten in Abhängigkeit von der
Spektralverteilung und von der Bestrahlungsstärke unter Berücksichtigung wesentlicher Randbedingungen. Hierzu gehören:
-
die Größe der exponierten Hautfläche
-
die geometrischen Bedingungen der Exposition, wie die Homogenität des
Strahlungsfeldes auf der exponierten Hautfläche und das Direkt-/DiffusVerhältnis der Strahlung
-
die Wärmebilanz an der Hautoberfläche, die konvektive, konduktive, latente und metabolisch bedingte Wärmeaustauschprozesse mit der Umgebung umfaßt
-
Gegenregulationen
des
Organismus
infolge
Wärmestreß
wie
„Schwitzen“, Weitstellung der Poren, Erhöhung der peripheren Durchblutung
-
die Häufigkeit der Anwendungen.
Für die Dosierung von isolieren Zellen in in vitro-Experimenten ist darüber hinaus zu
berücksichtigen, daß die Exposition der Zellen in der Haut der Modifikation des
Strahlungsfeldes durch das darüberliegende und umgebende Gewebe unterliegt. Eine
korrekte, den Bedingungen in vivo entsprechende Dosierung von Zellen in vitro erfordert daher folgende Maßnahmen:
(1) Reduktion der Bestrahlungsstärke zur Berücksichtigung der strahlungsschwächenden Wirkung der in der Haut über den Zellen liegenden Hautschichten
und der Strahlungsverluste durch Reflexion an der Oberfläche
(2) Anpassung des auf die Zellen in vitro angewandten Strahlungsspektrums an
die an die in vivo gegebenen spektralen Änderungen im Gewebe infolge spektral unterschiedlicher Absorptionseigenschaften der Chromophore
(3) Berücksichtigung des Grotthus-Draper´schen Gesetzes, nach dem nur absorbierte Strahlung Wirkungen hervorruft. Hieraus folgt, daß
-
Dosis-Wirkungs-Beziehungen nicht auf die inzidente Strahlung in dieser
Schicht, sondern auf die von den Zellen absorbierte Strahlung bezogen
werden müssen und
175
IR-Strahlungswirkungen
-
Zusätzliche Expositionen der Zellen durch Strahlungsreflexion an den
Versuchsaufbauten zu vermeiden sind.
(4) Berücksichtigung der für Bestrahlungen in vivo auf Grund limitierender Effekte geltenden Maximalwerte der Bestrahlungsstärke und ihre Übertragung auf
die Expositionsbedingungen in vitro.
Die mitgeteilten Daten sind erste Ergebnisse und stehen daher unter Vorbehalt.
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177
IR-Strahlungswirkungen
Anhang: Gegenwärtig verfügbare Grenzwerte
Tab. A1: Grenzwerte der Temperatur für den Körperkern und für die Hautoberfläche beiErwärmung und Abkühlung nach DIN 33403/2.
Körperkern
Hautoberfläche
Temperaturgrenzwert [°C]
Unteres Limit
Oberes Limit
35
38,5
40 – 45
(Hitzeschmerz)
12
45
(Verbrennung)
Tab. A2: Empfehlungen zulässiger Obergrenzen der Bestrahlungsstärke bei der Infrarotbestrahlung der Haut und der Augen für Bestrahlungszeiten oberhalb 1000 s.
Empfehlung
Augen
Haut
Teilkörper
Haut
Ganzkörper
Obergrenze der Bestrahlungsstärke [W m-2]
• TNO 12 F (1993), • DIN 33403-3*
IESNA – RP 27 ACGIH
• R88/445*
• DIN 5031/10**
(2007)
• Gezondheids• DIN EN 60825/1***
raad (1993)**
100
1000
100
(IR-A und (* und **)
IR-B)
300 – 500
-
-
100
-
1000**
Komfortbereich
Dauerbelastungsgrenze
-
-
300 – 400*
-
-
-
Therapie
-
-
-
178
1000 *
(Schmerzgrenze)
100 ***
(IR-C)
< 300 *
(je nach
Arbeitsenergieumsatz)
≤ 1200 **
(IR-A)
BGV B9
(2002)
100
(IR-A und
IR-B)
100
100
-
UV-Strahlungswirkungen
UV-Strahlungswirkungen
Vitamin D Status in Deutschland
Birte Hintzpeter1, Gert BM Mensink 1, Christa Scheidt-Nave1
1
Robert Koch-Institut, Seestraße 10, 13353 Berlin
1 Introduction
Vitamin D is unique as it can be produced from both endogenous sources through
ultraviolet-B (UVB) radiation of the skin as well as exogenous sources including intake of various dietary forms. There is general agreement that serum 25-OHD is the
best indicator of vitamin D status as it reflects the total production of vitamin D
from both endogenous and exogenous sources. However, it is difficult to clearly define cut-off levels for vitamin D deficiency. The question of an optimal threshold for
25-OHD concentrations has focused mainly upon the relationship between serum
PTH and serum 25-OHD. Hence, cut-off values can be set according to Lips. There
is no doubt that 25-OHD concentrations below 12.5 nmol/L can result in bone diseases such as rickets among children or osteomalacia among adults. Values below 25
nmol/L can lead to functional alterations such as secondary hyperparathyroidism and
therefore to osteoporosis, especially in the elderly. In order to ensure normal bone
turnover, serum 25-OHD concentrations above 50 nmol/L are required, indicating a
vitamin D replete status.
There is increasing body of evidence from recent studies showing an inadequate vitamin D status to be associated with the pathogenesis of various chronic diseases involving the immune system and low grade inflammation. There is evidence that
1,25-OH2D is not exclusively produced in the kidney, but in many other tissues, such
as prostate, colon, skin and osteoblasts. This extrarenal synthesis occurs under the influence of cytokines and is important for paracrine regulation of cellular functions,
including cell growth. 1,25-OH2D has an antiproliferative effect and downregulates
inflammatory markers. Thus, vitamin D deficiency may play a role in the development of several diseases such as multiple sclerosis, cardio vascular diseases, type 1
and 2 diabetes, and specific types of cancer .
179
UV-Strahlungswirkungen
In Germany, the daily recommended intake of vitamin D is 5 µg for people aged
1-64 years, including pregnant and lactating women. 10 µg/d vitamin D are recommended during infancy (newborns below 1 year) and older ages (65 years and above).
Vitamin D supplementation of 10-12.5 µg/d is recommended for infants until the
age of 1 year in order to avoid rickets, optionally continuing in the second winter.
Vitamin D deficiency is not only prevalent in European countries; it even appears to
be much higher than in Asia, Australia or in the USA. In large parts of Europe, vitamin D fortification of food is not common, and nutritional vitamin D supply is generally low. Endogenous synthesis can not entirely compensate for the low nutritional
intake due to the location of Europe at high latitudes. In wintertime, the wave angle
of the sun is strongly decreasing with the consequence that UVB is being absorbed
by the ozone layer instead of reaching the earth’ s surface. There is a clear seasonal
variation in the concentration of 25-OHD, resulting in difficulties to ensure a sufficient vitamin D status for relevant parts of the year.
2 Vitamin D status in Germany
2.1 Objectives
Analyses are based on data of the National Health Interview and Examination Survey for Children and Adolescents (KiGGS) as well as the German Nutrition Survey
(GeNuS) 1998, which was part of the German National Health Interview and Examination Survey 1998. Both surveys provide a unique source of representative data to
assess vitamin D status of people of a wide age range (1-79 year old) in Germany.
We analyzed serum 25-hydroxyvitamin D (25-OHD) concentrations, socio-demographic and health-related variables collected among 1-17-year old boys and girls
(n=10,015) who participated in the German Health Interview and Examination Survey for Children and Adolescents (KiGGS). The proportion of migrants was 25.4 %,
corresponding well to its percentage in the population.
Furthermore, we analyzed serum 25-OHD concentrations of 1763 men and 2267
women, 18- to 79 years old, who participated in the representative German National
Health Interview and Examination Survey 1998 and the integrated German Nutrition
Survey.
180
UV-Strahlungswirkungen
2.2 Results
Apart from seasonal influences, there were large age- and migrant-associated, and
smaller sex-specific disparities. Overall, vitamin D deficient states were strongly related to season with a higher prevalence in winter. During the sun-deprived months,
children and adolescents show unexpectedly high prevalence rates of vitamin D deficient states compared to adults, including a high prevalence of severe vitamin D deficiency. This was not the case in 1-2 year old children (likely to be explained by the
recommended the use of vitamin D supplements during infancy). In summer, vitamin D deficient states were most prevalent among women 65 years and older.
Among children and adolescents, prevalence of mild vitamin D deficiency was more
or less similar among migrants and non-migrants during wintertime. However, severe
and moderate vitamin D deficient states were more prevalent in migrant boys and
girls, even among 1-2 year old participants. In summer, children and adolescents with
a migrant background showed consistently higher prevalence rates of vitamin D deficient states compared to non-migrants. Severe vitamin D deficiency was most prevalent among 11-17 year old migrant girls in summer.
These findings demonstrate a high prevalence of vitamin D deficiency among the
German population, especially during wintertime. Even in summer, women aged 65
years and older, as well as migrant boys and girls aged 3-17 years show a high prevalence of vitamin D deficient states. 11-17 year old migrant girls even show a high
percentage of severe vitamin D deficiency. Thus, children and adolescents with a migrant background and the elderly (especially women), are high risk groups of vitamin
D deficient states, even in summer. The same was true for children and adolescents
on a diminished level.
3 Conclusion
Our results demonstrate that moderate and mild vitamin D deficiency affects a large
proportion of the population in Germany, and is already prevalent in younger age
groups. Specific risk groups include children and adolescents, migrants and the elderly. Together with the observed demographic shift towards an elderly population in
Germany, this is a serious public health problem. Attention should be paid to optimizing vitamin D status, especially in high risk groups. An increase of vitamin D in181
UV-Strahlungswirkungen
take from diet or supplements as well as an increase of sun exposure should be considered. In order to clarify in how far our observations have implications on health
and health care responsibilities, in particular preventive actions, prospective observational and interventional studies are urgently needed.
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UV-Strahlungswirkungen
Von Finsen zum Vitamin-D-Rezeptor,
oder: Wieviel Vitamin D braucht der Mensch?
R. Krause, M. Bühring, R. Stange
Abt. f. Naturheilkunde, Charité - Universitätsmedizin Berlin
Vor 100 Jahren erhielt der Däne Nils Finsen den Nobelpreis für Medizin aufgrund
seiner Erfolge mit der Lichttherapie der Hauttuberkulose. Bis in die 50’er Jahre des
vorigen (20.) Jahrhunderts war die Klima- und Sonnentherapie die einzige effektive
Behandlung der Knochen- und Lungentuberkulose.
Man ging davon aus, dass die Sonnenstrahlen antibakteriell wirksam seien. Erstmals
war 1877 den blauen und violetten Anteilen des Sonnenspektrums eine bakterizide
Wirkung zugeordnet worden.
Zeitgleich wurde im letzten Viertel des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts die
antirachitische Wirkung der Sonnenstrahlung entdeckt. 1921 berichtete der Berliner
Kinderarzt Huldschinsky über seine Erfolge mit der Höhensonne. Diese Wirkungen
wurden einem „Vitamin D“ zugeschrieben.
1928 erhielt der deutsche Chemiker Adolf Windaus den Nobelpreis für Chemie für
die Aufklärung der chemischen Struktur der D-Vitamine. In den 80’er Jahren des 20.
Jahrhunderts konnten die D-Vitamine schließlich als Hormonsystem identifiziert
werden.
Zum Ende des 20. Jahrhunderts wurde ergänzend ein Vitamin-D-Rezeptor System
erstmals beschrieben, welches inzwischen an fast allen Organen nachgewiesen werden konnte. So kann am Dünndarm mittels der lokalen Vitamin-D-Rezptoren z.B.
die Calciumaufnahme gesteuert, und am Knochen kann die Reifung der Osteoblasten reguliert werden.
Darüber hinaus haben viele Organe die Fähigkeit, ortständig autokrin den hormonell
wirksamen Vitamin-D-Metaboliten Calcitriol zu bilden, der dann direkt über die zellulären Vitamin-D-Rezeptoren seine Wirkung entfaltet. Dies setzt allerdings einen
183
UV-Strahlungswirkungen
normalen Vitamin-D-Status, d.h. einen ausreichend hohen Blutspiegel an 25-Hydroxy-Vitamin D3 voraus.
So ergibt sich die Frage: Wie viel Vitamin D braucht der Mensch?
Nach dem aktuellen Kenntnisstand ist der Vitamin-D-Bedarf einzelner Organe unterschiedlich. Der Knochen hat wohl die niedrigste Schwelle, glatte Gefäßmuskulatur
oder Tumorzellen haben wohl höhere Schwellen. Deshalb ist inzwischen der Normalbereich für 25-Hydroxy-Vitamin D3 angehoben worden auf 30-60 ng/ml.
Zusätzlich muss eine individuelle Empfindlichkeit der Vitamin-D-Rezeptoren berücksichtigt werden, der sog. Vitamin-D-Rezeptor Polymorphismus. Erstmals wurde
darüber Anfang der 80’er Jahre des vorigen Jahrhunderts im Zusammenhang mit der
Osteoporose berichtet.
Unter Berücksichtigung dieser Kenntnisse sind die derzeitigen Empfehlungen für
eine Vitamin-D-Substitution in der Regel zu niedrig. Auch 1000 IE Vitamin D2 (Ergocalciferol) oder D3 (Choleclaciferol) pro Tag reichen oft nicht aus, um diese o.g.
Normalwerte zu erreichen. (s. Tab. 1 u. 2)
Andererseits muß ein (hoch-)normaler Vitamin-D-Status heute als wichtiger Präventivfaktor zum Schutz vor Diabetes, vor Hypertonie, vor verschiedenen Organkarzinomen und für die allgemeine Resistenz angesehen werden. (s. Abb. 1 u. 2)
Vor wenigen Jahren endlich konnten die „Beobachtungen“ von Finsen und die Erfolge der „Sonnenkuren“ zur Tuberkulosebehandlung tatsächlich als Vitamin-D-vermittelte Wirkungen aufgeklärt werden. Bei direktem Kontakt mit Bakterien bilden die
in der Erregerabwehr aktiven Blutzellen (Makrophagen und Monozyten) über ihren
im Zellkern lokalisierten Vitamin-D-Rezeptor das Eiweiss Cathelicidin, welches u.a.
auch das Mykobakterikum tuberkulosis abtötet.
Ein guter Vitamin-D-Status ist also ein wichtiger Gesundheitsfaktor. Die Vitamin-DAktivierung über die Haut dürfte weiterhin die Basis dafür bilden, dass einerseits die
Abgabe in das Blut bedarfsgerecht gesteuert wird und andererseits die Speicher für
Vitamin-D-arme Zeiten aufgefüllt werden.
184
UV-Strahlungswirkungen
Tab. 1
Tab. 2
MF Holick: Vitamin D, Humana Press 1999
185
UV-Strahlungswirkungen
Rostand, SG: Ultraviolet Light May Contribute to Geographic and Racial Blood Pressure
Differences – Hypertension 1997; 30: 150-156
Abb. 1
Breast Cancer and Latitude
r² = 0.62
Garland CF et al.: Preventive Medicine 1990
Abb. 2
186
UV-Strahlungswirkungen
Positive und negative Wirkungen der UV-Exposition der
Haut: Wie viel Sonnenlicht braucht der Mensch?
Jörg Reichrath
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar, Deutschland.
1.
Einleitung
Übermäßige UV-Exposition ist ein wesentlicher Risikofaktor für die Entstehung von
epithelialem Hautkrebs (Basalzellkarzinome, Plattenepithelkarzinome der Haut).
Deshalb stellen Maßnehmen zum Sonnenschutz einen wichtigen Bestandteil der Programme zur Prävention von Hautkrebs dar. Im Gegensatz zu kurzzeitiger intensiver
Sonnenlichtexposition konnte weniger intensive, chronische Sonnenlichtexposition
nicht als Risikofaktor für die Entwicklung des malignen Melanoms identifiziert werden. Wir wissen heute, dass ca. 90% des vom menschlichen Organismus benötigten
Vitamin D in der Haut unter UV-B-Einwirkung gebildet werden muß – ein ernsthaftes Problem, da ein Vitamin D Mangel entgegen der früheren Ansicht nicht ausschließlich für den Kalzium- und Knochenstoffwechsel von Bedeutung ist. Neben
zahlreichen weiteren positiven Effekten (u.a. auf Muskulatur und Herz-Kreislaufsystem; protektive Wirkung gegen Autoimmunerkrankungen) wird der kutanen Vitamin
D – Synthese inzwischen auch eine krebsprotektive Wirkung zugeschrieben. In diesem Beitrag wird das Spannungsfeld zwischen positiven und negativen Effekten der
UV-Strahlung unter Berücksichtigung neuer Forschungsergebnisse erörtert.
2. Vitamin D Synthese der Haut und UV-Schutz:
wieviel Sonnenlicht braucht der Mensch?
2.1
UV-Exposition und Hautkrebs
Übermäßige UV-Exposition stellt den wesentlichen Faktor für die Entstehung von
epithelialem Hautkrebs (Basalzellkarzinome und Plattenepithelkarzinome der Haut)
187
UV-Strahlungswirkungen
dar. Unabhängige Untersuchungen haben übereinstimmend einen Zusammenhang
zwischen der Entwicklung des malignen Melanoms und kurzzeitiger, intensiver UVExposition gezeigt, insbesondere nach Sonnenbränden in der Kindheit [1]. Deshalb
stellt der UV-Schutz einen essentiellen Bestandteil der Präventionsprogramme zur
Protektion vor Hautkrebs dar. Im Gegensatz zu kurzzeitiger intensiver Sonnenlichtexposition konnte weniger intensive, chronische Sonnenlichtexposition allerdings
nicht als Risikofaktor für die Entwicklung des malignen Melanoms identifiziert werden, in einigen Studien wurde hier sogar ein protektiver Effekt gefunden. Es wurde
auch darüber spekuliert, inwieweit diese Zusammenhänge die Berichte über ein erhöhtes Melanomrisikos nach Anwendung von Sonnenschutzmitteln erklären. Allerdings wurde kürzlich in einer umfassenden Analyse der Literatur, basierend auf 14
publizierten Studien, kein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Melanomen nach
Sonnenschutzmittelanwendung gefunden [2].
2.2
Die kutane Synthese von Vitamin D – nicht nur wichtig für Knochen-
und Kalziumstoffwechsel sondern auch zur Prävention von Krebs und anderen Erkrankungen
Ca. 90% des vom Organismus benötigten Vitamin D muß in der Haut unter UV-BEinwirkung gebildet werden – ein ernsthaftes Problem da ein Vitamin D Mangel entgegen der früheren Ansicht nicht ausschließlich für den Kalzium- und Knochenstoffwechsel von Bedeutung ist. Neben zahlreichen weiteren positiven Effekten (u.a. auf
Muskulatur und Herz-Kreislaufsystem; protektive Wirkung gegen Autoimmunerkrankungen, Infektionserkrankungen) wird Vitamin D inzwischen auch eine krebsprotektive Wirkung zugeschrieben [3-5]. Epidemiologische Untersuchungen zeigten,
daß mit zunehmender Entfernung des Wohnorts vom Äquator das Risiko ansteigt,
an verschiedenen malignen Tumoren (u.a. Mamma-, Ovarial-, Kolon-, und Prostatakarzinom) zu versterben. Ein Zusammenhang dieser Beobachtung mit erniedrigten
Vitamin D Serumspiegeln wurde nachgewiesen. Die Entwicklung unseres Verständnisses über die Rolle von Vitamin D bei Krebserkrankungen zeigt auffällige Parallelen zu der Entwicklung unseres Verständnisses von der Rolle von Vitamin D bei der
Rachitis. In beiden Erkrankungen gingen epidemiologische Beobachtungen zur Sonnenlichtexposition weiteren experimentellen und klinischen Studien voran und wurden schließlich durch diese bestätigt.
188
UV-Strahlungswirkungen
Inzwischen konnte gezeigt werden, daß im Gegensatz zu früheren Annahmen Haut,
Kolon, Mamma, Prostata und zahlreiche weitere Gewebe die enzymatische Maschinerie besitzen um 25(OH)D zu seinem aktiven Metaboliten 1,25(OH)2D zu konvertieren [6]. Heute wird 1,25(OH)2D deshalb als ein in zahlreichen Geweben zur lokalen Wachstumskontrolle ortsständig produzierter Faktor angesehen. Konsequenterweise spricht eine große Anzahl von kürzlich publizierten Studien für einen protektiven Effekt von lokal produziertem 1,25(OH)2D bei der Pathogenese unterschiedlicher Malignome. Es wurde auch über einen Zusammenhang zwischen dem Vitamin
D Stoffwechsel der Haut und der Entwicklung des malignen Melanoms berichtet.
Ein Polymorphismus des VDR-Gens korreliert mit einer ungünstigen Prognose des
malignen Melanoms [7]. Erniedrigte 25-Hydroxyvitamin D Serumspiegel wurden bei
Melanompatienten nicht gefunden [8]. Im Gegensatz zu zahlreichen internen Malignomen ist es beim Malignen Melanom bekannt, daß die Inzidenz mit der Nähe des
Wohnortes zum Äquator zunimmt.
3.
Zusammenfassung
Zusammengefasst kann nach dem heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstand davon
ausgegangen werden, daß bei einer maßvollen, nicht intensiven Sonnenlichteinstrahlung die protektiven gegenüber den mutagenen Effekten überwiegen. Es wurde postuliert, dass in letzter Konsequenz auch die Zahl der Krebstodesfälle durch vorsichtige Sonnenlichtexposition oder sicherer durch orale Gabe von Vitamin D reduziert
werden könnte [5,9]. Deshalb sollten die dermatologischen Empfehlungen zum Sonnenschutz modifiziert werden. Wir wissen heute, daß in den meisten Regionen kurzzeitige und begrenzte Sonnenlichtexposition genügt um ausreichende Vitamin D
Spiegel zu erzielen [3,10,11]. Die Exposition des Körpers in Badekleidung mit einer
minimalen Erythemdosis (MED) Sonnenlicht entspricht in etwa der oralen Einnahme von 10.000 IU Vitamin D. Deshalb wurde von einigen Autoren die Exposition
von weniger als 18% der Körperoberfläche (z.B. Hände, Arme und Gesicht)
2-3x/Woche mit einer Dosis von bis zu 1/3 oder ½ MED im Frühjahr, Sommer und
Herbst als ausreichend angesehen (etwa 5 min für Personen mit Hauttyp II in Boston
im Juli zur Mittagszeit). Bei längerer Sonnenlichtexposition sollte unbedingt ein ausreichender Sonnenschutz durchgeführt werden um einem Sonnenbrand und anderen
schädlichen Folgen exzessiver Sonnenlichtexposition vorzubeugen [3,9-11].
189
UV-Strahlungswirkungen
Es muß betont werden, daß insbesondere auch bei Populationen mit einem hohen
Risiko der Entwicklung eines Vitamin D Mangels (z.B. bettlägerige Menschen in
Pflegeheimen, Menschen mit Hauttyp I, oder Patienten die unter immunsuppressiver
Behandlung einen konsequenten Sonnenschutz betreiben müssen) der Vitamin D
Serumspiegel konsequent überwacht werden sollte [3,9,10]. Ein Vitamin D Mangel
sollte unbedingt behandelt werden, beispielsweise durch orale Vitamin D Substitution. Die einmal wöchentliche orale Gabe von 50.000 IU über insgesamt acht Wochen
stellt eine effiziente und sichere Methode zur Behandlung des Vitamin D Mangels
dar. Eine Maßnahme zur Sicherstellung einer ausreichenden Vitamin D Versorgung,
besonders bei bettlägerigen Patienten in Pflegeheimen, besteht in der monatlichen
Gabe von 50.000 IU Vitamin D.
Wir und andere konnten zeigen, daß konsequente UV-Protektion zu Vitamin DMangel führen kann [9-14]. Deshalb ist ein Monitoring des Vitamin D-Status, (insbesondere des 25(OH)D3–Serumspiegel) in allen Patientenkollektiven zu fordern, die
eine konsequente UV-Protektion betreiben müssen. Im Falle eines Vitamin D Mangels sollte eine orale Substitution von Vitamin D erfolgen. Diese Zusammenhänge
sind gerade für den Dermatologen von ganz besonderer Bedeutung und müssen
auch im Rahmen der Hautkrebs-Präventivprogramme berücksichtigt werden.
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cancers. South Med J:98(10):1024-7.
Korrespondenzanschrift:
Prof. Dr. med. Jörg Reichrath
Leitender Oberarzt und ständiger Vertreter des Klinikdirektors
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Universitätsklinikum des Saarlandes
66421 Homburg/Saar
Deutschland
Tel: 06841/1623801
Fax: 06841/1623845
E-mail: hajrei@uniklinik-saarland.de
191
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
„Wirkung des Lichts auf den Menschen“
Über die Arbeit des ZVEI TAG 12.7 und DIN FNL 27
Alfred Wacker
OSRAM GmbH, Hellabrunnerstr. 1, 81543 München
Die Wissenschaft (Medizin, Chronobiologie, Psychologie, Lichttechnik) arbeitet seit
einigen Jahren sehr intensiv an der biologischen Wirkung des Lichts auf den Menschen. Die Entdeckung des sogenannten dritten Rezeptors (Brainard, Tapan) ist inzwischen „Allgemeingut“ für Forschung und Diskussion aber noch nicht Basis für
konkrete Vorhaben der Lichtindustrie. Man geht davon aus, dass diese neuen Erkenntnisse in Zukunft erheblichen Einfluss auf die Grundlagen der künstlichen Beleuchtung haben werden. Es ist zu erwarten, dass sich Produkte (Lampen, Leuchten,
Lichtmanagementsysteme) und Grundsätze (Lichtplanung, Vorschriften und Normen, Gepflogenheiten) verändern werden. Hier wird die Lichtindustrie (Lampen-,
Leuchten- und Komponentenhersteller) direkt involviert sein.
Deshalb hat die deutsche Lichtindustrie nach Initiative und entsprechender Vorarbeit
einzelner Firmen bzw. deren Vertreter im ZVEI (Zentral Verband Elektrotechnik
und Elektronikindustrie e.V., Frankfurt) im April 2006 eine technische Arbeitsgruppe
TAG 12.0.1 gegründet. Das Thema „Wirkung des Lichts auf den Menschen“ wurde
als strategisch eingestuft, deshalb fand die Gründung über die TAG 12.0 „Strategie
Lichttechnik“ statt.
Von Anfang an beteiligten sich namhafte Firmen aus den Bereichen technische
Leuchten (Büro- und Industriebeleuchtung) sowie Systemleuchten mit ihren Wissensträgern an dieser Arbeitsgruppe:
●
Zumtobel (Dehoff)
●
Waldmann (Eiselt)
●
Siteco (Leibig, Krebs)
●
Semperlux (Schmits)
●
Schuch (Weis)
192
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
●
OSRAM (Weitzel, Wacker (Vorsitz))
Es wurde auch angestrebt, Österreich und die Schweiz wenigstens informell einzubinden. In der Zwischenzeit kamen folgende Firmen oder Organisationen hinzu:
●
RZB ( Bickel)
●
Holophan (Giffels)
●
Trilux (Rudolph)
●
Philips (Fassian)
●
FVLR (Cornelius) - Fachverband Tageslicht und Rauchschutz e.V.
Einbindung Österreich und Schweiz:
●
Zumtobel A (Dehoff)
●
Regent CH (Hess) -FVB Fabrikantenverband der Beleuchtungsindustrie
Folgende Ziele und Aufgaben wurden festgestellt:
•
Integrative Betrachtung von Lampen, Leuchten und Lichtsteuerung
•
Schaffung eines Wissenspools
•
Entwicklung neuer Planungsgrundsätze
•
Entwicklung neuer Lichtlösungen
•
Kooperation mit der CIE
•
Laufzeit über mehrere Jahre
Als wissenschaftliche Fragestellungen wurden formuliert:
●
Systematische Auswertung existierender wissenschaftlicher Arbeiten
●
Quantifizierung der biologischen Effekte des Lichts
●
Biologische Photometrie
●
Wechselwirkung zwischen Licht und anderen Einflüssen
●
Einfluss der spektralen Verteilung
●
Einfluss der Dynamik der verschiedenen Parameter
193
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
Aus dieser TAG 12.7 (mittlerweile nicht mehr 12.0.1 als Untergruppe von 12.0. sondern eigenständige TAG) wurde im September 2006 beim deutschen Wirtschaftsministerium BMWi ein Förderantrag für das Programm INS (Innovation durch Normen und Standards) gestellt. Die Begründung war, dass von allen Experten vorhergesagt wird, dass die Berücksichtigung der biologischen Wirkung des Lichts zu neuen
Normen und Standards führen müsse. Das bisherige Normenpaket ist „nur“ unter
Berücksichtigung der visuellen Wirkung des Lichts entstanden.
Die Förderung im Rahmen des INS-Programms wurde zunächst für 2007 genehmigt
und ist inzwischen auch für 2008 und 2009 freigegeben. Dazu wurde nun im Januar
2007 ein Fachnormenausschuss FNL 27 mit dem gleichen Titel „Wirkung des Lichts
auf den Menschen“ im DIN (Deutsches Institut für Normung e.V.) gegründet. Erste
Sitzung war im Januar 2007.
Damit war es auch möglich geworden, neben der Lichtindustrie weitere Disziplinen
(Biologie, Medizin, Psychologie, wissenschaftliche Lichttechnik) mit einzubeziehen.
Gründungsmitglieder des FNL 27 (Personen) sind:
●
Büntemeyer
●
Cornelius
●
Dehoff
●
Fassian
●
Kunz
●
Lang
●
Moghtader DIN
●
Pajek ZVEI
●
Schierz
●
Schmits
●
Soestmeyer BG - Berufsgenossenschaft Bergbau
●
Wacker (Obmann)
●
Weis
194
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
Heutiger Stand (zusätzlich):
●
Schlangen
●
Kockott - FNL 7 Strahlenkunde
●
Stockmar
●
Piazena
●
Rudolph
Von Anfang an war klar, dass es bis zu einer Norm ein langer Weg sein würde. Im
ersten Schritt sollten Arbeitspapiere entstehen sowie eine Vornorm, die Begriffe und
Definitionen einführt, um sicherzustellen, dass bei weiteren Arbeiten, Studien oder
Forschungen „die gleiche Sprache gesprochen“ wird. Die Vornorm ist als Entwurf
erarbeitet und soll bei der nächsten Sitzung des FNL 27 im April 2008 verabschiedet
und dann in die offiziellen „Prozeduren“ eingearbeitet werden.
Weiter wurden mit Vorarbeiten der ZVEI TAG 12.7 gemeinsame „Planungsempfehlungen für biologisch effektive Beleuchtung“ erarbeitet, die in dieser Tagung durch
Peter Dehoff vorgestellt werden.
Mit dem Fördergeld konnte im Mai 2007 im DIN ein Expertenforum mit ca. 40 Teilnehmern durchgeführt werden, mit 10 eingeladenen Vorträgen und anschließender
Podiumsdiskussion. Über die Ergebnisse dieses Expertenforums wird hier im Anschluss Dieter Lang berichten.
Mit der Förderung 2008 und 2009 wird der FNL 27 sein Programm fortführen
können, z.B. ist für Juni 2008 ein 2. DIN Expertenforum „Wirkung des Lichts auf
den Menschen“ in Planung.
195
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
Bericht über das 1. DIN Expertenforum
„Wirkung des Lichts auf den Menschen“
Dieter Lang
OSRAM GmbH, Hellabrunner Str. 1, 81536 München, d.lang@osram.de
Einleitung
Die Arbeitsgruppen beim ZVEI (TAG 12.7) und beim DIN (FNL 27) tragen beide
die Bezeichnung „Wirkung des Lichts auf den Menschen“ (vgl. Vortrag A. Wacker).
Diese Namen und die gleichnamige Bezeichnung des Expertenforums, das beim
DIN am 23. Mai 2007 gehalten wurde, sind zunächst vielleicht missverständlich.
Daher beginne ich mit einer Eingrenzung auf das Themengebiet, mit dem sich die
oben genannten Arbeitsgruppen befassen: Es geht in beiden Arbeitsgruppe um die
nichtvisuellen Wirkungen von Licht, welche im Wesentlichen über lichtempfindliche
Ganglienzellen in der Netzhaut vermittelt werden. Dabei hat die TAG 12.7 eine eher
strategische / organisatorische Ausrichtung, während der FNL 27 an den inhaltlichen
Themen arbeitet.
Dazu gehören z.B. Wirkungen wie
Melatoninunterdrückung in der subjektiven Nacht
Wirkung von Licht als Zeitgeber für die Innere Uhr
Beeinflussung des circadianen Rhythmus’ durch Licht
Wirkung von Licht bei der Behandlung von saisonalen Störungen (SAD)
Lichteinfluss auf vegetative Funktionen
Aktivierung durch helles Licht
Einfluss von Licht auf kognitive Leistungen
Im Umkehrschluss bedeutet diese Eingrenzung, dass z.B. Wirkungen von nicht sichtbarer Strahlung wie UV < 380 nm oder IR > 780 nm nicht im Fokus der Arbeitsgruppe stehen. Ebenso wenig Wirkungen, welche nicht über das Auge, sondern über
196
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
die Haut vermittelt werden (z.B. Vitamin D-Produktion, Bräunung, Wirkung von rotem Licht bei der Wundheilung u.ä.).
Dabei gibt es Themengebiete, die nahe aneinander grenzen, so dass eine Überlappung mit bestehenden Arbeitsschwerpunkten anderer Arbeitsgruppen durchaus
möglich ist. Es besteht daher beim FNL 27 ein ausgeprägtes Interesse an einer Zusammenarbeit und einem Erfahrungsaustausch mit diesen anderen Arbeitsgruppen,
wie z.B. mit dem FNL 7 (Strahlenkunde). Solche angrenzenden Gebiete sind z.B. die
potenziell netzhautschädigenden Wirkungen von kurzwelligen Licht (Blue Light Hazard als akute und Makula-Degeneration als Langzeitwirkung). Auch die Altersabhängigkeit der optischen Eigenschaften des Auges (z.B. Linsentrübung) beeinträchtigt visuelle und biologische Wirkungen von Licht gleichermaßen.
Die Themen des FNL 27 gehen über die bisherige Lichttechnik weit hinaus und umfassen in hohem Maße auch Disziplinen wie Medizin, Chronobiologie, Schlafforschung, Psychologie und andere angrenzende Gebiete. Im FNL 27 hat man sich daher von Beginn an bemüht, neben der Industrie und der wissenschaftlichen Lichttechnik auch Spezialisten aus diesen o.g. Bereichen einzubeziehen.
Manche Lichtwirkungen verschließen sich noch dem Zugang der Expertengruppen –
auch wenn es für einige dieser Wirkungen Anhaltspunkte und Erfahrungswerte gibt.
Dazu gehören insbesondere die emotionalen Wirkungen von Licht - Stichwort Farbpsychologie - aber auch gesundheitliche Wirkungen von farbigem Licht, welche z.B.
bei der Farbtherapie genutzt werden. Zu diesen Wirkungen gibt es zahlreiche Veröffentlichungen und Lehrmeinungen, die jedoch kein einheitliches Bild geben, welches
eine Berücksichtigung bei der Standardisierung erlauben würde. Auch das Expertenforum konnte hier keine Klarheit bringen, wie diese Themen im Sinne einer Standardisierung weitergeführt werden können.
Die Arbeitsgruppe im FNL 27 hat das Ziel die Voraussetzungen für eine Standardisierung unter Berücksichtigung der o.g. biologischen Wirkung von Licht zu erarbeiten. Das Expertenforum sollte den Mitarbeitern des FNL 27 die Basis schaffen, hierzu einen gemeinsamen Standpunkt zu entwickeln. Bekannte, wissenschaftlich akzeptierte und offene Punkte sollten gegeneinander abgegrenzt und erste in eine Standardisierung überführbare Punkte definiert werden. Aus den offenen Punkten sollten
zukünftige Forschungsthemen abgeleitet werden.
197
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
Beim Expertenforum wurde versucht, die eingangs genannten Themengebiete soweit
möglich abzudecken und Experten für die verschiedenen Themen zu Wort kommen
zu lassen. In einer anschließenden Podiumsdiskussion konnten alle Teilnehmer die
Themen erörtern.
Der FNL 27 organisiert gerade das 2. Expertenforum für Juni dieses Jahres und hat
vor, im nächsten Jahr ein drittes durchzuführen.
Vortragende und Themen
Moderiert wurde das 1. DIN Expertenforum vom Obmann des FNL 27, Herrn Alfred Wacker, OSRAM und Herrn Prof. Bruno Weis, SCHUCH. Nachfolgend sind
die gehaltenen Vorträge in chronologischer Reihenfolge genannt:
Planungsempfehlungen für biologisch wirksame Beleuchtung'
Herr Dipl.-Phys. Lang, OSRAM GmbH
Forschungsschwerpunkte
Herr Prof. Dr. rer. nat. Kaase, TU Berlin
Auswirkung von realen Lichtquellen auf die abendliche
Melatoninsektretion
Herr Dr. Kunz, Charité Krankenhaus Berlin
Light and the biological clock: Considerations for a healthy society
Frau Prof. Merrow, University of Groningen (NL)
Toxisches Potenzial von Kunstlicht
Herr Wunsch, Arzt
Wirkung von Helligkeit, Farbe und Kontrast auf die Sehleistung
Herr Prof. Dr.-Ing. Kokoschka, TU Karlsruhe
Farbe – Licht – Gesundheit
Herr Brädikow, LUGH Licht Umwelt GesundHeit
Beeinflussung des Wohlbefindens am Büroarbeitsplatz durch Variation
der Lichtfarb- und Leuchtdichteverteilung
Herr Dipl.-Ing. Pickelein, DIAL
198
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
Farbe und Gesundheit in der Lichtplanung
Herr Dipl.-Ing. Büntemeyer, TOB
Über die räumliche Integration biologischer Lichtwirkungen
Herr Prof. Dr. sc. nat. Schierz, TU Ilmenau
Eine Broschüre mit den Kurzfassungen der Vorträge ist beim Beuth Verlag erschienen.
Ich werde im Folgenden nicht auf die Vorträge im Einzelnen eingehen, sondern werde aus den Vorträgen und den anschließenden Diskussionen die wesentlichen Punkte
zusammenfassend darstellen. Dabei beziehen sich Referenzen mit Namen ([Name])
auf die im Expertenforum gehaltenen Vorträge und Referenzen mit Nummern ([n])
auf die am Ende dieses Manuskripts aufgeführten Veröffentlichungen. Wesentliche
Diskussionsbeiträge kamen auch von den Zuhörern des Expertenforums in der anschließenden Podiumsdiskussion. Diese werden ebenfalls mit dem Namen des Teilnehmers referenziert.
Ergebnisse des Expertenforums
1. Allgemeine Bemerkungen
Das Interesse an den biologischen Wirkungen von Licht ist in den letzten Jahren
stark gestiegen. Mit dem Nachweis des 3. Photorezeptors hat man dadurch auch die
Möglichkeit erkannt, die biologische Wirkung einer Beleuchtung zu erhöhen, ohne
gleichzeitig den Energieverbrauch zu steigern [Lang]. Es ist jedoch anzumerken, dass
die grundlegenden Arbeiten [1], [2] sich auf die nächtliche Melatoninunterdrückung
beziehen und unter Laborbedingungen entstanden sind –z.B. mit monochromatischem Licht, mit medikamentös geweiteten Pupillen und unter genau kontrollierten
Bedingungen hinsichtlich der Licht- Vorgeschichte (Referenznächte im Dunkeln und
Dunkelheit in den Stunden vor dem Experiment). Eine unmittelbare Übertragung
auf realitätsnahe Bedingungen ist somit nur eingeschränkt möglich [Kunz]. Dies zeigt
einerseits die Notwendigkeit für zukünftige Feldstudien unter realistischen Bedingungen [Kunz], [Schierz], ist aber andererseits kein Grund, den bestehenden Erkenntnis-
199
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
stand nicht als Basis für eine Standardisierung anzuerkennen [Kaase], [Schierz].
2. Der Begriff „circadian“
Bei einer Standardisierung ist eine exakte Beschreibung der Bedingungen für Gültigkeit und eine genaue Wortwahl erforderlich. So wird z.B. in der gängigen Fachliteratur die Wirkung des Lichts auf die nächtliche Melatoninunterdrückung vereinfachend
als „circadiane“ Wirkung bezeichnet, z.B. in [1]. Auch in den Vorträgen beim Expertenforum wurde dies z.T. so gehandhabt. Die nächtliche Melatoninunterdrückung ist
aber nur ein Teil der biologischen Wirkung von Licht. Melatonin ist der deutlichste
und auch ein messtechnisch relativ leicht zugänglicher „Marker“ für die circadiane
Phase [Merrow]. Wirkungen von Licht auf die Innere Uhr, welche den circadianen
Rhythmus bestimmt, treten aber unter ungestörten realistischen Bedingungen hauptsächlich am Tage auf, wo Melatonin selbst noch keine Rolle spielt. Die Einflüsse,
welche Licht am Tag auf die Melatoninsekretion und den Melatoninspiegel in der
Nacht haben, sind noch nicht quantitativ bekannt. Es gibt ausreichend Hinweise für
die Annahme, dass auch die Wirkungen von Licht am Tage über das gleiche Rezeptorsystem im Auge vermittelt werden [Kunz]. Eine gleichartige Empfindlichkeit für
„circadiane“ Wirkungen am Tage zu vermuten wie für nächtliche Melatoninunterdrückung, ist daher naheliegend. Insbesondere die Abhängigkeit der Lichtwirkungen
am Tage vom Spektrum ist bis heute jedoch nicht quantitativ durch Messdaten belegt. Bei einer Definition von Wirkungsspektren in der Standardisierung sind diese
Unterschiede zu berücksichtigen. So sollte der Begriff „circadian“ in der Standardisierung nicht verwendet werden, wenn sich die Aussagen lediglich auf die nächtliche
Melatoninsuppression beziehen.
3. Wirkungen von Licht auf die Innere Uhr, den circadianen Rhythmus und
Störungen
3.1. Gesicherte Einflüsse von Licht (qualitativ und quantitativ)
Die nächtliche Melatoninunterdrückung durch monochromatisches Licht wurde von
Brainard und Thapan beschrieben [1], [2] und von Gall als Basis für den Aufbau einer „circadianen“ Photometrie herangezogen [3], [4]. Obwohl die Daten auf Untersuchungen mit monochromatischem Licht basieren, haben erste Untersuchungen mit
polychromatischem Licht (3000K, 4000K, 8000K Leuchtstofflampen) die grundsätz200
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
liche Brauchbarkeit des Gall’schen Vorschlages für eine Vorhersage der Melatoninsuppression mit realen Lichtquellen gezeigt [Lang], [Kunz], [Schierz]. Diese Aussagen
wurden auch von Teilnehmern des Expertenforums bestätigt (Piazena, Kockott, Ehrenstein).
Es herrschte breite Übereinstimmung unter den Teilnehmern, dass im Zuge der
Standardisierung die Definition einer Wirkungsfunktion für Melatoninunterdrückung
sinnvoll ist, damit eine einheitliche Bewertung gewährleistet ist – selbst wenn diese
Wirkungsfunktion in der Realität nur unter bestimmten Voraussetzungen gültig sein
sollte. Der Gall’sche Vorschlag wird dafür als geeignet angesehen. Ziel von zukünftigen Forschungsarbeiten muss es sein, eine Photometrie zu entwickeln, welche es erlaubt, auch die direkten Einflüsse von Licht auf das circadiane System und auf andere
biologische Funktionen zu bewerten.
3.2. Qualitativ gesichert sind die folgenden Einflüsse:
3.2.1. Kumulative Wirkungen, Langzeitwirkungen von Licht:
Es gibt ein „Gedächtnis“ für das Licht der letzten Tage, d.h. Licht hat eine „Langzeitwirkung“ auf die Innere Uhr und damit den circadianen Rhythmus. [Merrow]
3.2.2. Wirkung von Licht am Tag:
Helles Licht am Tage erhöht den Melatoninspiegel in der Nacht und reduziert die
Empfindlichkeit gegenüber Störungen durch Licht in der Nacht [Kunz], [Merrow].
Ausreichend Licht am Tag mit Tageslichtqualität stabilisiert die Innere Uhr
[Merrow].
3.2.3. Störungen durch Licht zur falschen Zeit:
Die meisten heute bestehenden Beleuchtungsanlagen sind nicht unter dem Gesichtspunkt einer biologischen Wirkung von Licht geplant und errichtet worden. Dennoch
üben sie ungewollt und unkontrolliert Einfluss auf die Innere Uhr und vegetative
biologische Funktionen der Menschen aus, die sich im Licht dieser Beleuchtungsanlagen aufhalten [Ehrenstein].
Die Innere Uhr des Menschen, der Chronotyp und die Wechselwirkungen mit Licht
werden bei der künstlichen Beleuchtung nicht ausreichend berücksichtigt [Merrow],
[Kunz]. Licht kann einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung des circadianen
Rhythmus leisten und umgekehrt kann Licht zum falschen Zeitpunkt zu Störungen
201
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
der circadianen Rhythmik und gesundheitlichen Schädigungen führen [Merrow]. Zu
viel Licht in der „inneren“ Nacht und zu wenig am „inneren“ Tag führen gemeinsam
mit äußeren Zwängen zu „social jetlag“ als chronische Diskrepanz zwischen der
chronobiologisch vorgegebenen Inneren Uhr und dem äußeren Tagesablauf [Merrow]. Licht kann zur gezielten Verschiebung der Inneren Uhr eingesetzt werden [5],
wird aber zu selten zu ihrer Stabilisierung verwendet.
Aus den Erkenntnissen der Chronobiologie ergibt sich eine weitere Problematik bei
der Planung einer Beleuchtung unter dem Aspekt der biologischen Wirkung des
Lichtes: Da jeder Mensch ein individueller Chronotyp ist, kann es keine statische Beleuchtung geben, die jedem zur gleichen Zeit gerecht wird. Empfehlungen zur
künstlichen Beleuchtung müssen die Individualität berücksichtigen [Merrow].
Licht mit hohen Farbtemperaturen – was gleichbedeutend mit einer hohen biologischen Wirksamkeit ist - kann am Abend wenn der Melatoninspiegel beginnt anzusteigen, bereits 10 Minuten nach Beginn der Lichtexposition zu einer signifikanten Änderung im Anstieg des Melatoninspiegels führen. Dies gilt schon bei „üblichen“ Beleuchtungsstärken von 300-500 lx am Auge. Bei Licht mit niedrigen Farbtemperaturen konnte kein Einfluss auf den Anstieg des Melatoninspiegels gefunden werden.
Es wurde in diesem Zusammenhang auch der Begriff der „Lichtkatastrophe“ für
Licht zur falschen Zeit verwendet [Kunz].
Als ein weiteres Beispiel für die Diskrepanz zwischen Innerer Uhr und äußeren Abläufen, die durch falsches Licht ungünstig beeinflusst werden können, wurden Schulen genannt, bei denen der Beginn für Heranwachsende um bis zu 2h zu früh liegt,
zu einem Zeitpunkt da deren Innere Uhr noch auf Nacht eingestellt ist [Merrow].
Gleichzeitig ist die Beleuchtung in den Schulen häufig unzureichend. Eine Optimierung der lichttechnischen Ausstattung von Schulen auch unter dem Gesichtspunkt
einer positiven Wirkung des Lichts auf Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden wird
derzeit in einem Projekt in Berlin geplant [Kaase]. Weitere Planungen bestehen für
die Optimierung der Beleuchtung in Altenheimen, damit auch dort durch verbesserte
Beleuchtung am Tage der circadiane Rhythmus der Bewohner gestärkt und das
Wach-/Schlafverhalten verbessert wird [Kaase]. Über ein anderes Projekt zum Thema Beleuchtung in Altenheimen, das sich bereits in der Phase der Datenerhebung
befindet, wird Herr Dehoff im Rahmen dieses Symposiums einen eigenen Vortrag
halten.
202
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
3.2.4. Unterschiede in den Anforderungen an „circadian“ wirksame Beleuchtung im Vergleich zu Beleuchtung für visuelle Aufgaben:
Standards für die Bewertung von visuellen Aufgaben verwenden im Wesentlichen die
Beleuchtungsstärke als Bewertungsgröße [Büntemeyer]. Dies ist sinnvoll, da ein relativ eng begrenzter Bereich der Sehaufgabe auf den fovealen Bereich der Netzhaut abgebildet wird und dort gut wahrgenommen werden kann, wenn die Beleuchtungsstärke ausreichend hoch ist. Für die biologische Wirkung des Lichts hinsichtlich Melatoninunterdrückung oder circadianer Wirkungen ist dies nicht mehr ausreichend, da die
für diese Wirkungen verantwortlichen Rezeptoren auf der Netzhaut großflächig verteilt sind und Licht, welches auf den unteren Halbraum der Netzhaut trifft, wirksamer ist, als im oberen Halbraum [Lang], [Schierz], [6], [7]. Als Verbesserung kann die
Leuchtdichte zur Bewertung herangezogen werden, da diese der retinalen Beleuchtungsstärke entspricht [Schierz], [Büntemeyer]. Allerdings ist hierbei zusätzlich die
räumliche Komponente von Bedeutung. Nur Leuchtdichten, welche großflächige Bereiche des Gesichtsfeldes abdecken, werden auch auf die entsprechenden Rezeptorzellen abgebildet und können diese effizient anregen [Lang], [Schierz]. Dabei wirken
Flächen, die in beide Augen abgebildet werden, stärker als die, die nur in ein Auge
treffen [Schierz]. Aus dem Kreis der Teilnehmer wurde ergänzt, dass hinsichtlich Melatoninunterdrückung bei gleichen Beleuchtungsstärken an der Augenhornhaut große
leuchtende Flächen mit niedrigen Leuchtdichten effizienter wirken als kleine Flächen
mit hohen Leuchtdichten [Piazena].
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die spektrale Wirkung von Materialien in Leuchten
und im Raum. Bei der visuellen Bewertung fällt eine Farbverschiebung durch spektrale Effekte relativ leicht auf und kann vermieden werden oder auch gezielt zur Effektbeleuchtung zum Einsatz kommen. Im Gegensatz dazu entgehen Veränderungen
in der Absorption oder Reflexion im blauen Spektralbereich einer einfachen visuellen
Beurteilung und sind somit nur über spektrale Messtechnik sinnvoll zu erfassen. Die
biologische Wirksamkeit einer Beleuchtungsanlage kann durch diese Veränderungen
erheblich beeinflusst werden, was bei der Planung zu berücksichtigen ist. Z.B. reduzieren gelbe oder braune Wandfarben die Reflexion im Blauen deutlich. Ebenso absorbieren manche Kunststoffe blaue Spektralanteile und reduzieren damit die biologische Wirkung des transmittierten Lichts [Lang]. Von Bedeutung ist dies beispielsweise bei der Beleuchtung von Altenheimen oder Krankenhäusern wenn eine hohe
203
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
biologische Wirksamkeit der Beleuchtung im Einklang mit harmonischer Farbgestaltung der Räume angestrebt wird.
3.2.5. Akzeptanz von Lichtsituationen
Neben den physiologisch messbaren Wirkungen von Licht mit verschiedenen spektralen Zusammensetzungen sind Fragen nach der Akzeptanz einer Beleuchtungssituation ganz wesentlich für das Wohlbefinden der Personen, die dem Licht ausgesetzt sind. Maximale Akzeptanz finden offenbar die „gewohnten“ Lichtfarben um
4000K. Auch im Bereich zwischen 2700K und 8000K wurden noch hohe Werte für
die Akzeptanz festgestellt. Für höhere Farbtemperaturen gibt es aus verschiedenen
Untersuchungen unterschiedliche Aussagen zur Akzeptanz und somit noch kein einheitliches Bild. Als ein ganz wesentlicher Aspekt hat sich neben der Lichtfarbe die
Gestaltung des Lichts im Raum herausgestellt. Lichtakzente an der Wand erhöhen
die Akzeptanz deutlich, unabhängig davon, welche dominante Lichtfarbe gewählt
war. Ebenso verbessert die Kombination direkter und indirekter Beleuchtung die Akzeptanz deutlich [Pickelein], [8]. Diese Gesichtspunkte erweitern die Anforderungen
an eine Lichtplanung vom visuellen über den biologischen auf den emotionalen Bereich. Gleichzeitig sind die Forderungen nach indirekter Beleuchtung und nach sichtbaren Akzenten an der Wand, welche sichtbare flächige Leuchtdichten darstellen, in
Übereinstimmung mit den unter Punkt 3.3.2.4. genannten Anforderungen an biologisch wirksame Beleuchtung.
3.3. Alternative Ansätze
3.3.1.Ganzheitliche Lichtplanung
Die bereits diskutierten Ansätze bei der Einbeziehung von biologischen Wirkungen
von Licht in die Planung zielen im Allgemeinen darauf ab, neben dem etablierten
System der Lichtmesstechnik und Lichtplanung ein Parallelsystem aufzubauen, welches die biologischen Wirkungen einbezieht. Eine Alternative dazu wäre ein integraler Ansatz im Umgang mit farbigem Licht. Dies erfordere einen Standpunktwechsel
und bringe den inneren Wert des Lichts zurück. Es liefere die Erkenntnis, dass farbiges Licht mehr ist als nur Buntheit oder Dekoration. Einsatz von Farbe in der Architekturbeleuchtung erfordere ein klares Konzept, und biete neben den bekannten äs-
204
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
thetischen Aspekten des farbigen Lichtes positive Wirkungen im Bereich von Wohlbefinden und auch unter gesundheitlichen Aspekten [Brädikow].
3.3.2. „Toxische“ Wirkung von Licht aus Leuchtstofflampen
Es wurde die Hypothese geäußert, Licht aus Leuchtstofflampen - insbesondere mit
hohen Blauanteilen - wirke toxisch, da der Körper in Annahme, es handele sich um
Tageslicht mit hohem UV-Anteil Stresshormone bilde, um den UV-Wirkungen zu
entgegnen. Bei künstlicher Beleuchtung ohne UV wirkten diese Hormone allerdings
toxisch. Auch die Blauanteile aus Leuchtstofflampen könnten auf der Netzhaut zu
oxidativen Schäden (Blue Light Hazard, Makuladegeneration) führen, die bei natürlichem Licht oder Glühlampenlicht nicht aufträten, da sie durch das gleichzeitig auftretende nahe Infrarotlicht wieder repariert würden [Wunsch].
Der FNL 27 wird zu diesen Fragestellungen weitere Mediziner hinzuziehen, um Ausmaß und Wahrscheinlichkeit solcher Wirkungen zu ermitteln.
3.4. Offene Themen für zukünftige Forschungsarbeiten
Aus den Vorträgen, der anschließenden Podiumsdiskussion und den Sitzungen des
FNL 27 zur Nachbereitung des Expertenforums wurden die folgenden Punkte, die
z.T. oben schon ausführlicher dargestellt worden sind, als Schwerpunkte für zukünftige Forschungsarbeiten herausgearbeitet. Die Themen werden nachfolgend, ohne
Anspruch auf Vollständigkeit und ohne dass die Reihenfolge eine Aussage über die
Priorität darstellt, aufgelistet:
Retinale Rezeptoren und biologische Wirkungen:
•
Wirkungsspektrum für Melatoninunterdrückung bei polychromatischem
Licht
•
Übertragbarkeit der Wirkungsfunktion für Melatoninunterdrückung auf
andere
•
„circadiane“ Effekte (Aktivierung, circadiane Phasenverschiebung, u.a.)
•
Altersabhängigkeit der Rezeptorempfindlichkeit
•
Ortsabhängigkeit (in der Netzhaut) der Rezeptorempfindlichkeit
•
Gültigkeit einer Dosiswirkung für circadiane Effekte
205
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
•
Bedeutung einer „circadian“ bewerteten Leuchtdichte, vertikale / horizontale
Beleuchtungsstärken
•
untere Grenze einer circadian bewerteten Beleuchtungsstärke für eine biologische Wirksamkeit
•
Sättigung der Rezeptoren bei hohen Beleuchtungsstärken / Leuchtdichten
•
Spektrale Wirkungsfunktion für Lichttherapie (SAD Behandlung)
•
Mechanismen für Langzeitschäden an der Netzhaut (Makuladegeneration)
•
Wirkung von hellem, blauarmen Licht auf Wachsamkeit, Aufmerksamkeit,
Aktivierung
•
Wechselwirkung mit den visuellen Photorezeptoren (Zapfen und Stäbchen)
Innere Uhr, circadiane Phase
•
Einfache Erkennbarkeit und Messbarkeit der circadianen Phase
•
Abhängigkeit der Wirkungsfunktion von der circadianen Phase
•
Langzeitwirkungen, Dosiswirkung von biologisch wirksamem Licht
•
Vorgaben von dynamischen Steuerkurven für künstliche, am Tageslicht angelehnte Beleuchtung
•
Empfehlungen für Beleuchtungsszenarien bei Schichtarbeit / Wechselschicht
/ rotierende Nachtschicht / Dauernachtschicht
3.5. Kritische Stimmen
Zum Ansatz des FNL 27, eine Standardisierung im Hinblick auf die biologischen
Wirkungen von Licht anzustoßen, gab es beim Expertenforum auch kritische Stimmen, die im Folgenden dargestellt werden sollen.
Da bereits heute die Standards an eine gute Beleuchtung für visuelle Aufgaben bei
den Lichtplanern häufig nicht bekannt sind und keine ausreichende Berücksichtigung
finden, erscheint es fraglich ob eine Standardisierung für die Bewertung von biologischen Wirkungen sinnvoll ist. Der Mensch / Nutzer einer Beleuchtungsanlage
kommt in den Normen praktisch nicht vor. Auch ist das Wissen und Verständnis für
die Messung von Licht schon in Standardsituationen nicht gut genug verbreitet. Auf
206
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
alle Fälle wird vor einer vorschnellen Normung gewarnt, welche sich nur auf Melatoninunterdrückung bezieht. [Büntemeyer].
Die Modelle zur Optimierung der Sehleistung müssen weiterhin Gültigkeit behalten
[9], [10], [11]. Die Berücksichtigung von „circadianen“ Wirkungen darf nicht zu einer
Vernachlässigung der klassischen Ansätze der Lichtplanung führen. Da bereits heute
ein zu geringes Lichtbewusstsein herrscht, sollte die Öffentlichkeit nicht mit Aussagen verunsichert werden, die nicht vollständig gesichert sind. Vor einer Standardisierung sind neue Forschungsansätze notwendig, um die bisher unterschätzte Wirkung
des Lichts auf den Menschen besser zu verstehen. Erforderlich sind sehr breit angelegte, statistisch aussagefähige Experimente in realistischen Umgebungen [Kokoschka].
4. Abschließende Bemerkungen
Insgesamt war die Resonanz der Teilnehmer auf die Inhalte und Ergebnisse des Expertenforums sehr gut. Viele Themen konnten in der Kürze der Zeit nur andiskutiert
werden und sind zunächst in eine Sammlung von Aufgaben und Fragen aufgenommen worden, die von den Mitarbeitern des FNL 27 weiter bearbeitet werden sollen.
Aufgrund der guten Resonanz wird derzeit für den 25. Juni dieses Jahres ein zweites
Expertenforum organisiert. Der Teilnehmerkreis soll diesmal etwas erweitert werden,
damit die Thematik auch an andere Kreise herangetragen wird. So sind z.B. Lichtplaner, Vertreter von Berufsverbänden, Krankenkassen, Presse u.a. als Teilnehmer vorgesehen.
Für das Jahr 2009 ist ein drittes Expertenforum geplant.
Ich möchte mich zum Abschluss bei allen Mitarbeitern des FNL 27 für ihre Beiträge
bedanken und für das Vertrauen, dass ich hier die vielen Beiträge korrekt und ohne
eigene Wertung wiedergebe.
Ein weiterer Dank gebührt den Mitarbeitern des DIN, die bei der Vorbereitung,
Durchführung und Nachbereitung des Expertenforums wertvolle Unterstützung geleistet haben.
Die Arbeiten des FNL 27 beim DIN werden unterstützt durch eine Förderung des
Bundeswirtschaftsministeriums im Rahmen des Programms Innovationen mit Normen und Standards INS.
207
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
Referenzen
[1]
[2]
BRAINARD G.C., HANIFIN, J.P., GREESON, J.M., BYRNE, B., GLICKMAN,
G., GERNER, E., AND ROLLAG, M.D., 2001
Action spectrum for melatonin regulation in humans: evidence for a novel circadian
photoreceptor.
J. Neurosci. 21, 6405-6412.
THAPAN K, ARENDT J & SKENE DJ
An action spectrum for melatonin suppression: evidence for a novel nonrod, noncone photoreceptor system in humans, J. Physiol. 535, pp. 261-267, 2001.
[3]
Gall D, Lapuente V
Beleuchtungsrelevante Aspekte bei der Auswahl eines förderlichen
Lampenspektrums Licht 54 (2002) 7/8, S. 860 – 871
[4]
Gall, D : Die Messung Circadianer Strahlungsgrössen, 2004
http://www.tuIlmenau.de/fakmb/fileadmin/template/fglt/publikationen/2004/Vortrag_Gall2004
.pdf
REVELL VL & EASTMAN CI
How to trick mother nature into letting you fly around or stay up all night
Journal of Biological .Rhythms, Vol 20, pp. 353-365, 2005.
Glickman, G. et al.: Inferior Retinal Light Exposure Is More Effective than Superior
Retinal Exposure in Suppressing Melatonin in Humans
Journal of Biological Rhythms, Vol. 18, No. 1 (2003), p71-79
Rüger M. et al.: Nasal versus Temporal Illumination of the Human Retina: Effects
on Core Body Temperature, Melatonin, and Circadian Phase
Journal of Biological Rhythms, Vol. 20, No. 1 (2005), p.60-70
[5]
[6]
[7]
[8]
[9]
[10]
[11]
208
Polle D, Pickelein A
Präferierte Lichtfarbenkombinationen und Verteilungen unter Berücksichtigung von
Tageslicht und dem Einfluss von akzentuiertem Licht
Konferenzbeitrag Licht 2006, Bern
Boyce, PR et al
Lighting quality and office work: two field simulation experiments
Lighting Res. Techn. 38,3 pp.191-233, 2006
Boyce, PR
Education: The key to the future of lighting practice
Lighting Res. Techn. 38,4 pp.283-294, 2006
Kokoschka, S.
Modelle der visuellen Leistungsfähigkeit für die Innenbeleuchtung
Tagungsband LICHT 2000, Goslar, 20.-22-9. 2000
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
Vergleich von zwei circadianen Modellen im Rahmen des
Projektes PLACAR
R. Kozakov, Q. Long, H. Schöpp, D. Kunz*
Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V.
Felix-Hausdorff-Str. 2, 17489 Greifswald
* Institut für Physiologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin (CBF)
Arnimallee 22, 14195 Berlin
Im Rahmen des Projektes PLACAR (Plasma LAmpen für CirCAdiane Rhythmen)
wurde die Wirkung verschiedener Lichtquellen auf das Verhalten und die Unterdrückung von Melatonin untersucht. Während der Untersuchungen wurde die Melatoninunterdrückung für fünf verschiedene Lichtsituationen gemessen, wobei sowohl
Fluoreszenz- als auch Hochdrucklampen verwendet wurden. Es kamen Lampen mit
unterschiedlichen Farbtemperaturen bzw. spektralen Zusammensetzungen zum Einsatz. Die Extremfälle mit sehr niedrigen und sehr hohen Farbtemperaturen wurden
untersucht. Die Auswahl der Lichtsituationen entsprach den normalen täglichen Situationen, wie sie im Büro, beim Einkaufen und abends im Bad auftreten. Die Probanden wurden 30 Minuten dem Licht ausgesetzt. Die Charakterisierung der Lichtsituation und der Lichtmenge erfolgte durch lichttechnische und spektrale Messungen.
Die Melatoninwerte wurden mit Hilfe von Speichelproben während und nach der
Belichtung entnommen. Die circadiane Wirkung des Lichtes wurde nach den zwei
publizierten Modellen von Gall und Rea abgeschätzt. Ein Vergleich der gemessenen
Werte mit den Vorhersagen der Modelle wurde durchgeführt.
1. Einleitung
Das Licht hat einen großen Einfluss auf circadiane Rhythmen. Die Wirkung des
Lichtes wird nicht nur durch visuelle Lichtrezeptoren wie Stäbchen und Zäpfchen
übertragen. Vor kurzer Zeit wurde ein neues lichtempfindliches Pigment – melanopsin- entdeckt. Die Ganglionzellen mit diesem Pigment sind lichtempfindlich und
nehmen an der Transmission der Lichtreize vom Auge zum circadianen Taktgeber
im Gehirn teil. Das circadiane System steuert zahlreiche Prozesse im menschlichen
209
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
Organismus. Unter diesen sind tägliche Variationen von Körpertemperatur, Hormonausschüttung und Herzfrequenz. Für die gesundheitlichen Aspekte ist es wichtig,
das circadiane System nicht zu stören. Ein moderner Mensch lebt einen großen Teil
seines Tageslebens unter künstlicher Beleuchtung. Die moderne Beleuchtung besteht
zum großen Teil aus Lampen, welche für die Lichterzeugung ein Plasma benutzen.
Zurzeit werden verschiedene Typen von Plasmalampen produziert. Die Lichteigenschaften, insbesondere die spektrale Verteilung der Lichtintensität, ändern sich von
Typ zu Typ erheblich. Eine Niederdruck-Natriumlampe erzeugt z. B. ein monochromatisches Spektrum und eine Hochdruck-Metalldampflampe kann ein quasi-kontinuierliches Spektrum ausstrahlen. Abends auf dem Weg von der Arbeit nach Hause setzen wir uns der Wirkung verschiedener künstlicher Lichtquellen aus. Deren Einfluss
auf das circadiane System spielt eine grosse Rolle in unserer Gesundheit. Die Auswirkung der verschiedenen Plasmalampen in täglichen Situationen auf einige Aspekte
des circadianen Systems wird im Rahmen des Projektes PLACAR untersucht.
2. Modelle für die circadiane Lichtwirkung
Seit der Entdeckung des Lichteinflusses auf die circadianen Rhythmen wurden zahlreiche Untersuchungen durchgeführt. Eine zuverlässige Methode zur Bestimmung
der circadianen Phase ist die Messung der Konzentration des Hormons Melatonin im
Blut. Die Konzentration des Melatonins steigt abends kurz vor der habituellen Einschlafzeit und sinkt morgens kurz vor dem Erwachen. Mit der Verschiebung der circadianen Phase verschiebt sich auch der Verlauf der täglichen Melatonin-Niveau-Änderung. Basierend auf den Messungen der Melatoninkonzentration im Blut wurden
die spektralen Empfindlichkeitskurven der nicht-visuellen Photorezeptoren bestimmt
[1, 2].
2.1 Modell nach Gall [3]
Auf Grund dieser Messungen wurde ein Aktionsspektrum vorgeschlagen und eine
Metrik des biologischen Einflusses des Lichtes eingeführt. Das Modell setzt eine lineare Antwort auf die Lichtmenge voraus. Außerdem wird die Antwort auf monochromatisches und breitbandiges Licht mit dem gleichen Aktionsspektrum gewichtet.
210
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
Eine Richtgröße bei diesem Modell ist der biologische Wirkungsfaktor acv, dieser
wird definiert als
780
a cv =
∫E
λ
c λ dλ
380
780
,
(1)
∫ E V dλ
λ
λ
380
wobei Eλ die spektrale Verteilung der Bestrahlungsstärke, Vλ die visuelle Empfindlichkeitskurve des Auges und cλ die biologische nichtvisuelle Empfindlichkeitskurve
ist (Abb.1). Der biologische Stimulus einer Lichtquelle kann durch folgenden Ausdruck beschrieben werden:
780
CS G =
∫E
λ
c λ dλ
(2)
380
bzw.
780
CS G = a cv ∫ E λ Vλ dλ
.
(3)
380
Damit kann der biologische Stimulus direkt aus der Messung mit einem lichttechnischen Gerät durch Multiplizierung mit dem Wirkungsfaktor der Lichtquelle bestimmt
werden. Das erlaubt einen einfachen Vergleich der Wirksamkeit von Lichtquellen bezüglich ihrer biologischen Wirkung.
Abb. 1: Circadianes Aktionsspektrum nach Gall und visuelle Empfindlichkeitskurve.
211
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
2.2 Modell nach Rea [4]
Das einfache lineare Modell kann nicht alle experimentell bestimmten Befunde des
Lichteinflusses beschreiben. Es wird z.B. beobachtet, dass die Melatoninunterdrückung eine nichtlineare Antwort auf die Lichtintensität aufweist. Die Abhängigkeit kann durch das sigmoidal dose-response Modell beschrieben werden [5]. Es
wurde auch gezeigt, dass die spektrale Empfindlichkeit bezüglich eines monochromatischen und auch eines breitbandigen Lichtes unterschiedlich ist [6]. Diese beiden
Tatsachen wurden in dem Modell von Rea berücksichtigt. Der biologische Stimulus
(CS) wird durch folgenden Ausdruck definiert [4]
CS R =
[(a ∫ M
1
)
λ E λ dλ − b1 + a 2
(∫ S



λ E λ dλ − k ∫ V10 λ E λ dλ − b2 − a 3  1 − exp  −



)
]
∫ Vλ E λ dλ  
'
rodSat  

(4)
für ∫ S λ Eλ dλ − k ∫ V10λ Eλ dλ > 0,
und
CS R = a1 ∫ M λ E λ dλ − b1
für ∫ S λ Eλ dλ − k ∫ V10λ Eλ dλ < 0
wobei Mλ die spektrale Empfindlichkeit des Melanopsin Photopigmentes, Sλ die
spektrale Empfindlichkeit der S-Zäpfchen, V10λ die visuelle spektrale Empfindlichkeit
für 10 Grad Beobachter (gleiche Empfindlichkeiten für L- und M -Zäpfchen), V’λ die
visuelle spektrale Empfindlichkeit des Nachtsehens und Eλ die spektrale Verteilung
der Bestrahlungsstärke ist. Die verschiedenen Rezeptortypen Melanopsin-Ganglionzellen (mGZ), S-Zäpfchen (S), LM-Zäpfchen (LM) und Stäbchen sind gewichtet mit
den Koeffizienten k=0.31, a1=0.285, a2=0.2 und a3=0.72. Die Konstanten b1=0.01
und b2=0.001 beschreiben die Empfindlichkeitsschwellen und rodSat=6.5 beschreibt
die Sättigung des Stäbchensignals.
In diesem Modell wird eine komplexe Wechselwirkung zwischen verschiedenen Beiträgen zum CS beschrieben. Dieser besteht aus zwei Beiträgen, einem von mGZ
und einem von Zäpfchen. Die beiden Beiträge sind nicht gleichwertig und gehen in
einen komplexen Zusammenhang in das Modell ein. Die Rolle der Stäbchen besteht
im Drosseln des Effektes bis zu einer bestimmten Intensitätsschwelle (Sättigung der
Stäbchen). Die Experimente [6] zeigen die circadiane Gegenwirkung, d.h. Abschwächung des CS durch das grün-gelbe Licht. Das Modell berücksichtigt diesen Effekt
durch das Einbinden der spektralen Empfindlichkeiten von S- und LM-Zäpfchen mit
verschiedenen Vorzeichen.
212
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
Abbildung 2 zeigt die Antwort des Modells und deren Einzelbeiträge auf monochromatische Strahlung. Beim Betrachten der Kurven von rechts nach links wird die Antwort zuerst nur durch Melanopsin bestimmt. Wenn der Zäpfchenbeitrag positiv
wird, ermöglicht er ein Absenken des CS durch das Stäbchensignal und wird gleichzeitig zum endgültigen Signal addiert.
Abb. 2
Antwort des Rea-Modells auf monochromatische Strahlung.
Der vorhergesagte Stimulus ähnelt den Aktionsspektren der Melatoninunterdrückung, gemessen mit monochromatischem Licht [1, 2]. Für ein breitbandiges
Spektrum nimmt das Aktionsspektrum verschiedene Formen an, je nach spektraler
Verteilung.
Das beschriebene Modell erlaubt es, den Wert des circadianen Stimulus bei gegebenem Spektrum auszurechnen. Um den so bestimmten Wert mit der experimentell bestimmten Melatoninunterdrückung zu vergleichen, braucht man ein weiteres Modell
für die Beschreibung des Zusammenhanges zwischen CS und dem prozentualen
Wert der Melatoninunterdrückung. Nach Angaben aus [7] wird dafür folgender Ausdruck (sigmoidale dose-response) verwendet:
y=
a− c
+ c ,
1 + ( x / b) d
(5)
213
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
wobei y die Melatoninunterdrückung in Prozent, a die minimale mögliche Unterdrückung, c die maximale mögliche Unterdrückung und b=0.037 und d=0.864 die
Parameter des Modells sind. Für die Werte a=0% und c=75% [7] bekommt man eine
Funktion entsprechend der Abb.3.
Abb. 3: Sigmoidal dose-response Modell der Melatoninunterdrückung.
Der prozentuale Wert der Melatoninunterdrückung hängt nicht nur von der Beleuchtungsstärke, sondern auch von der Länge der Lichtexposition ab. Die vorgestellte sigmoidale Funktion bezieht sich auf die experimentelle 30-minütige Melatoninunterdrückung durch Lichtexposition [8,9]. Bei anderen Expositionszeiten verschiebt sich
die Kurve nach rechts oder links, je nach Länge der Exposition relativ zu der hier gezeigten 30 Minuten Kurve.
3. Untersuche Lichtsituationen
Im Rahmen des Projektes PLACAR wurden eine Reihe von Plasma-Lichtquellen untersucht. Ziel des Projektes ist es, die Auswirkung der herkömmlichen Lichtsituationen auf die Melatoninunterdrückung zu untersuchen und die Modifizierung der
Lichtquellen vorzunehmen, um die Störungen des circadianen Systems zu minimieren.
214
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
Für eine erste Untersuchungsreihe wurden 5 Lichtsituationen ausgesucht, die in Tabelle 1 zusammengefasst sind. Die vermessenen Spektren der Lichtquellen sind in
Abb 4. dargestellt. Die Beleuchtungssituationen entsprechen denen, die man jeden
Tag trifft, wie z.B. Bürobeleuchtung oder Zähneputzen mit tageslichtweißen Leuchtstofflampen oder die Hallenbeleuchtung mit Hochdrucklampen (HID). In dieser
Phase wurden auch zwei Situationen mit modifizierten Lichtquellen ausgewertet.
Eine „gelbe“ Leuchtstofflampe mit der Farbtemperatur von 2000 K und die PLANON Lampe. Bei diesen beiden Lampen sollen die blauen Quecksilber- Linien unterdrückt sein bzw. fehlen und damit die Melatoninunterdrückung geringer sein. Bei
der Leuchtstofflampe wird das durch ein spezielles Fertigungsverfahren sowie durch
spezielle Leuchtstoffe und bei der PLANON Lampe durch den Einsatz von Xenon
als leuchtstoffanregendes Mittel erreicht.
Für die Auswertung der Lichtwirkung wurden Speichelproben entnommen und auf
den Melatoningehalt untersucht. Die Lichtexposition betrug 30 Minuten in der Zeit
des abendlichen Melatoninanstieges (dim light melatonin onset DLMO).
Die Untersuchungen wurden in einer Probandengruppe von 9 Personen durchgeführt. Detaillierte experimentelle Angaben sind in [10] dargestellt.
Tabelle 1. Liste der untersuchten Lichtquellen.
Lichtquelle
Leuchtstofflampe
(NARVA BEL)
Leuchtstofflampe
Farbtem-
Beleuchtungs-
CSG/
CSR/
peratur /K
stärke /lx
W/m2
W/m2
6000
500
0.33
0.08
6000
130
0.11
0.01
2000
130
0.01
0.0
keine
2800
500
0.29
0.09
Hallenleuchte
5000
500
0.35
0.04
Leuchte
Deckenleuchte
Spiegelwand-
(NARVA BEL)
Leuchtstofflampe
leuchte
Spiegelwand-
(NARVA BEL)
PLANON
leuchte
(OSRAM)
HID
(NARVA GLE)
Die ausgerechneten Werte der circadianen Stimuli hängen von dem relativen blauen
Anteil des Spektrums und von den absoluten Werten der Beleuchtungsstärke ab. Die
Tabelle illustriert die Uneindeutigkeit des Zusammenhanges zwischen der Farbtemperatur und der circadianen Wirksamkeit. Die Deckenleuchte und die PLANON
Leuchte haben ungefähr die gleichen CS Werte, obwohl ihre Farbtemperaturen sich
um einen Faktor 2 unterscheiden.
215
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
Abb. 4: Spektren der untersuchten Lichtquellen. (a) Leuchtstofflampe 6000 K Deckenleuchte; (b) Leuchtstofflampe 6000 K Spiegelwandleuchte; (c) Leuchtstofflampe 2000 K
Spiegelwandleuchte; (d) PLANON 2800 K; (e) NARVA HID 5000 K Hallenleuchte.
4. Ergebnisse
Für den Vergleich zwischen den Modellen wurden die CSG- und CSR- Werte auf den
maximalen Wert normiert. Für das Modell nach Gall ist dieser Maximalwert die HID
Hallenleuchte und für das Rea-Modell die PLANON Leuchte. Der Vergleich ist in
dem Balkendiagramm (Abb. 5) dargestellt.
Abbildung 5: Vergleich der relativen biologischen Stimuli der untersuchten Lichtquellen
216
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
Beide Modelle liefern insgesamt eine ähnliche Vorhersage des Lichteinflusses. Einige
Unterschiede sind trotzdem vorhanden. Die modifizierte 2000 K Leuchtstofflampe
zeigt im Rahmen des linearen Gall-Modells eine vorhandene biologische Wirkung,
obwohl bei dieser Lichtquelle der blaue Teil des Spektrums fast vollständig fehlt. Das
ist die Folge der Linearität des Modells. Die Vorhersage des Rea Modell liefert in diesem Fall den Wert Null, weil die biologische Wirkung nicht über den Schwellwert
hinaus geht. Ein deutlicher Unterschied ist auch bei den Tageslicht-Leuchtstofflampen (Spiegelwandleuchte und Bürobeleuchtung 6000 K) zu sehen. Das Modell von
Gall sagt fast den doppelten relativen Stimulus als das von Rea voraus. Dieses folgt
aus der Tatsache, dass das Modell von Rea verschiedene spektrale Antworten für verschiedene breitbandige Spektren voraussetzt. Während das Gall-Modell eine lineare
Modell bezüglich der spektralen Beiträge ist, ändert sich beim Modell von Rea das
spektrale Aktionsspektrum in Abhängigkeit des vorgegebenen Lichtspektrums.
Das Rea Modell [6, 7] liefert die Möglichkeit, die absolute prozentuale Melatoninunterdrückung nach 30 Minuten Lichtexposition vorherzusagen. Abbildung 6 illustriert
die durch das Rea Modell gelieferten Werte. Diese Werte können mit den gemessenen Melatoninwerten verglichen werden. In Tabelle 2 werden die Ergebnisse des
Einflusses der fünf Lichtsituationen auf den Melatoningehalt im Speichel dargestellt
[10]. Ausserdem werden dort die durch das Rea Modell vorhergesagten Werte aufgeführt.
Abb. 6: Die prozentuale Melatoninunterdrückung, bestimmt nach dem Rea Modell.
217
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
Tabelle 2 Vergleich der gemessenen und vorhergesagten prozentualen Werte der Melatoninunterdrückung. In Klammern sind die Standardabweichungen angegeben. Fett gestellte Nummern sind statistisch signifikant. Übrige Angaben sind im Text erläutert.
Experiment
(Ende der Lichtexposition)
Δm (SD)
(melatonin in salvia
pg/ml)
Prozent zur Ba-
Modell
selinie
Spiegelwandleuchte, 2000 K
-0.03 (1.9)
0.2 %
0%
Büro, 6000 K
1.4 (2.7)
12 %
50 %
Spiegelwandleuchte 6000 K
2.1 (2.2)
18 %
23 %
PLANON, 2800 K
3.1 (2.3)
27 %
52 %
Hallenleuchte HID 70 W
4.1 (3.5)
36 %
39 %
Die absoluten Werte in der Tabelle zeigen folgende Größe:
∆
m
 mlightoff + m+ 10 + m+ 30 m− 30 + m− 10 + mlighton 
= 
−

3
3

 BASELINE
 mlightoff + m+ 10 + m+ 30 m− 30 + m− 10 + mlighton 
−
,


3
3

 LEUCHTE
(6)
wobei mt die Melatoninkonzentration in der Zeit t ist. Die Größen in den eckigen
Klammern sind die gemittelten Melatoninunterschiede nach und vor der Lichtexposition. Die Größe Δm zeigt die Differenz des Melatoninunterschiedes zur BaselinieMessung (ohne Lichtexposition). Beispielsweise ergibt die Bürobeleuchtung einen
um 1.4 pg/ml kleineren Anstieg der Melatoninkonzentration im Speichel als bei
Dunkelheit. Die prozentualen Werte beziehen sich auf den mittleren Wert der Baselinie zu Begin der Lichtexposition (11.5 pg/ml).
Die Angaben in Tabelle 2 zeigen, dass die gemessene prozentuale Melatoninunterdrückung kleiner ist als die Vorhersagen vom Rea-Modell. Bei manchen Leuchten
sind die Unterschiede gering („gelbe“ und tageslichtweisse Spiegelwandleuchte und
die Hallenleuchte), bei anderen unterscheiden sich die Modell-Vorhersagen und experimentellen Daten um einen Faktor 2 (PLANON Leuchte) bis 4 (Büroleuchte).
218
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
Der vierfache Unterschied bei der Bürobeleuchtung kann durch fehlende statistische
Signifikanz der experimentellen Daten erklärt werden. Der Unterschied im Fall der
PLANON Leuchte ist wahrscheinlich auf Unvollständigkeiten des Modells zurückzuführen.
5. Zusammenfassung
Die vorgestellte Arbeit nutzt zwei aktuelle Modelle der biologischen nicht-visuellen
Wirkung des Lichtes. Erste Untersuchungen im Rahmen des Verbund-Projektes
PLACAR werden vorgestellt. Fünf typische Lichtsituationen wurden untersucht. Ein
Vergleich von Vorhersagen der Modelle und der experimentell bestimmten Werte
zur Melatoninunterdrückung wurden durchgeführt. Statistisch signifikante Daten der
Melatoninunterdrückung wurden für drei Lichtsituationen gewonnen. In zwei der
drei Fälle gibt es eine gute Übereinstimmung zwischen den Vorhersagen und dem
Experiment.
Danksagung
Diese Arbeit wurde im Rahmen des Verbundprojektes „PLACAR“ durchgeführt und
vom BMBF unter FKZ 13N8968 gefördert.
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Kunz D. et al. submitted
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
Auswirkungen von Beleuchtung mit hohen
Farbtemperaturen auf Gesundheit und Wohlbefinden
Luc J.M. Schlangen
Philips Lighting, Global Organisation Applications Lighting, PO Box 80020,
5600 JM, Eindhoven, Niederlande (luc.schlangen@philips.com)
Zusammenfassung
Kurzwelliges Licht ruft bekanntermaßen sehr vorteilhafte nicht-visuelle, biologische
Wirkungen hervor. Dazu gehören unter anderem die akute Unterdrückung der
nächtlichen Melatoninausschüttung, die Erhöhung der Herzfrequenz, die Beeinflussung der Thermoregulation sowie die Steigerung der Wachheit und/oder Leistungsfähigkeit.
In Büros, Industrieanlagen und Kliniken werden derzeit neu entwickelte weiße
Leuchtstofflampen mit einem hohen Blauanteil eingeführt, deren Licht relativ kurzwellig ist. Aus diesem Grund wird vermutet, dass sie erhebliche biologische Auswirkungen haben. In Tests wurden verschiedene Personengruppen – während der normalen Bürozeiten sowie im Mehrschichtbetrieb tätige Angestellte sowie unter Winterdepression (SAD) leidende Patienten – einer Beleuchtungen mit hohen Farbtemperaturen ausgesetzt und anschließend befragt.
Die Beleuchtung mit hoher Farbtemperatur wird in Büroumgebungen sehr positiv
aufgenommen. In einem in zwei Schichten arbeitenden Callcenter konnte die Konzentration der Beschäftigten durch die Installation von ActiViva Active Leuchtstofflampen mit einer ähnlichsten Farbtemperatur von 17.000 K signifikant verbessert
werden. Für eine jeweils 30 Minuten dauernde Lichttherapie von unter Winterdepression leidenden Patienten mit einer Beleuchtungsstärke von 10.000 Lux erwiesen
sich sowohl 5.000 K als auch 17.000 K Lampen als überaus effektiv. Es bleibt zu untersuchen, ob die Behandlung mit kälterem Licht auch bei einer geringeren Beleuchtungsstärke den Lichttherapien mit einer niedrigeren Farbtemperatur überlegen ist.
Diese Ergebnisse verdeutlichen das Erfordernis zur Entwicklung neuer Strategien für
die Innenbeleuchtung, die die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden steigern und
221
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
gleichzeitig den menschlichen Bedürfnissen in Bezug auf die visuellen und nicht-visuellen, biologischen Auswirkungen des Lichts besser gerecht werden können.
1 Einleitung
Das in unsere Augen einfallende Licht ist die Grundlage für ein gutes Sehvermögen.
Außerdem regelt es den Wach-Schlaf-Zyklus sowie alle anderen natürlichen Tagesrhythmen unseres Körpers. Die Menge und Qualität des Lichts beeinflussen aber
auch die Vitalität [1], Aufmerksamkeit [2, 3], den morgendlichen Kortisolspiegel [4]
sowie die psychomotorische Wachheit und Leistungsfähigkeit [5] überaus positiv.
Darüber hinaus haben Studien gezeigt, dass natürliches Tageslicht den nächtlichen
Melatoninspiegel [6-8] und die Schlafqualität [6, 9, 10] verbessert. Kurzwelliges Licht
ist längeren Wellenlängen sowohl bei der Unterdrückung der nächtlichen Melatoninausschüttung [11-13] als auch bei der Beeinflussung der Aufmerksamkeit [13-15], der
Thermoregulation [13], der Hirnaktivität [16, 17], den Phasenverschiebungen des
Biorhythmus [14, 18] sowie bei der Behandlung Saisonal Abhängige Depressionen
(SAD) [19]signifikant überlegen.
Lampen mit einer höheren Farbtemperatur enthalten im Vergleich zu Lampen mit
geringeren, konventionelleren Temperaturwerten einen deutlich höheren Anteil blauen Lichts. Man kann deshalb davon ausgehen, dass sie den menschlichen Tagesrhythmus stärker unterstützen. Zahlreiche Studien befassen sich mit dem Einfluss hoher
Farbtemperaturen auf die mentalen Aktivitäten, das Zentralnervensystem sowie die
Aufmerksamkeit. Ein Vergleich von Beleuchtungen mit 7.500 K und 3.000 K verdeutlichte, dass eine höhere Farbtemperatur bei 1.000 Lux die mentalen Aktivitäten
deutlich besser unterstützt [20]. Darüber hinaus befand eine Studie mit Beleuchtungsstärken von 100, 300 und 900 Lux, dass höhere Farbtemperaturen sowohl das
parasympathische als auch das sympathische Nervensystem stärken können [21]. Andererseits wurde festgestellt, dass bei 30 Lux die Schläfrigkeit unter einer Farbtemperatur von 3.000 K deutlich höher ist als unter einer Beleuchtung mit 5.000 K [22].
Weitere Forschungen beschäftigen sich mit der Wirksamkeit kälteren Lichts in Bezug
auf die akute nächtliche Melatonin-Unterdrückung [23].
Die aktuellen Normen für die Bürobeleuchtung schreiben ein Niveau von ca. 500
Lux vor, während die Helligkeit im Freien tagsüber in der Regel zwischen 2.000 und
100.000 Lux liegt. Gebäude sind also im Vergleich zur natürlichen Tageslichteinwirkung, der man normalerweise im Freien ausgesetzt ist, deutlich dunkler. Die Mög222
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
lichkeit künstlicher Lichtquellen, nicht-visuelle, biologische Wirkungen hervorzurufen, ist in Büros deshalb ohnehin erheblich eingeschränkt. Das zusätzliche, in Lampen mit hohen Farbtemperaturen enthaltene blaue Licht kann dafür jedoch auf energieeffizientere Weise eine Abhilfe schaffen. Aus diesem Grund wurden neue ActiViva Leuchtstofflampen entwickelt, die einen hohen Farbwiedergabeindex (> 80) mit
einem hohen Blauanteil verbinden und eine hohe ähnlichste Farbtemperatur von
8.000 K (Philips ActiViva Natural) bzw. 17.000 K (Philips ActiViva Active) erreichen.
Die neuen ActiViva Active Lampen werden schon in verschiedenen Arbeitsbereichen eingesetzt. Sie dienten außerdem bereits zur klinischen Behandlung von Patienten mit Winterdepression. In den Niederlanden leiden 3,0% der Bevölkerung unter
jahreszeitlich bedingten Depressionen, während 8,2% gewisse derartige Anzeichen
aufweisen. Für andere europäische Länder gelten ähnliche Werte [24].
2 Methoden
Der Einfluss von Leuchtstofflampen mit einer hohen ähnlichsten Farbtemperatur
(17.000 K) auf das Wohlbefinden, die Aktivität und die Arbeitsleistung von Menschen wurde bereits in zahlreichen Umgebungen untersucht.
2.1 Büro-/Industrieumgebung im Ein-Schicht-Betrieb
Im 1. Quartal 2006 wurden die Auswirkungen von 17.000-K-Beleuchtung in einem
niederländischen Verteilzentrum untersucht. Die Vergleichsbüros (n=15) wurden
kontinuierlich mit 4.000 K beleuchtet. Eine andere Bürofläche (n=22) sowie der
Kommissionierungs- und Versandbereich einer Werkhalle (n=17) wurden jeweils 3
Wochen lang mit Beleuchtungen einer niedrigen (4.000 K) bzw. hohen (17.000 K)
Farbtemperatur versehen. Die horizontale Beleuchtungsstärke an den Arbeitsplätzen
lag zwischen 500 und 1.000 Lux. Die Vorteile in Bezug auf einen besseren Schlaf,
höhere Aufmerksamkeit und Vitalität sowie die Selbsteinschätzungen der Leistungsfähigkeit wurden mit Hilfe standardisierter Fragebögen erfasst [25].
2.2 Callcenter im Schichtbetrieb
In einem britischen Callcenter wurde die Leistungsfähigkeit der (in zwei Schichten tätigen) Angestellten auf zwei verschiedenen Etagen anhand von fünf Punkten des
SF-36-Fragebogens und einer modifizierten Columbia Jet-Lag-Skala beurteilt. Außerdem wurden die (i) Selbsteinschätzung der Arbeitsleistung aus dem WHO-Fragebo223
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
gen sowie (ii) die Selbsteinschätzung der allgemeinen Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit berücksichtigt. Der Fragebogen wurde zu Beginn der Studie sowie
nach Abschluss der dreimonatigen Testzeit ausgefüllt. Während dieser Zeit wurde
eine Etage (n=46) durch neue Lampen mit einer hohen ähnlichsten Farbtemperatur
(17.000 K) beleuchtet, während in der anderen (n=23) weiterhin die normale Bürobeleuchtung (2.900 K) zum Einsatz kam [26]. Die horizontale Beleuchtungsstärke an
den Arbeitsplätzen lag etwa bei 350 Lux. Zum Vergleich der Eigenschaften der beiden Gruppen zu Beginn der Studie und zur Beurteilung der Veränderungen in der
Interventions- und der Kontrollgruppe nach Ablauf der Testperiode wurden zweiseitige T-Tests mit Bonferroni-Fehlerkorrektur für Fehlertyp I verwendet.
2.3 Lichttherapie bei Saisonal Abhängiger Depression
Im Winter 2005/2006 wurden in einer über 22 Tage laufenden Studie 52 Patienten
mit Saisonal Abhängigen Depressionen (SAD) jeweils zwei Wochen lang werktags
von 7:45 bis 8:45 Uhr einer Lichttherapie unterzogen. Diese Behandlung (mit Philips
DAP, Energy Light® ) beinhaltete eine 30-minütige Einwirkung von 10.000 Lux mit
5.000 K bzw. 17.000 K. Die Teilnehmer machten auf einem Fragebogen täglich (beginnend 3 Tage vor der Behandlung) Angaben zu ihrer Stimmung, Schläfrigkeit und
Schlafqualität. Die Ernsthaftigkeit der Depression wurde an vier Tagen (Tag 1, 8, 15
und 22) anhand einer entsprechenden Skala (SIGH-SAD) beurteilt.
3 Ergebnisse
3.1 Büro-/Industrieumgebung im Ein-Schicht-Betrieb
Die neue 17.000-K-Beleuchtung wurde positiv aufgenommen. 86% der Beschäftigten möchten weiter unter diesen Lampen arbeiten. Die Testpersonen gaben an, dass
sie sich beim Arbeiten unter der neuen Beleuchtung deutlich frischer, vitaler und aufmerksamer fühlten. In den verwendeten standardisierten Umfragen zur Gesundheit
und zum Wohlbefinden ließen sich jedoch keine signifikanten Veränderungen feststellen.
3.2 Callcenter im Schichtbetrieb
Die Zahlen an der X-Achse von Abbildung 1 zeigen die Werte der jeweiligen Punkte
des Fragenbogens zu Beginn der Studie (1. Woche), während die Balken die prozentuale Verbesserung am Abschluss der Untersuchung (14. Woche) angeben. Die von
den Beschäftigten der Interventionsgruppe selbst eingeschätzte Konzentrationsfähig224
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
keit unterschied sich am Ende der Studie wesentlich (p < 0,05) von der Kontrollgruppe. Der mittlere individuelle Wert der Interventionsgruppe verbesserte sich auf
einer 5-Punkte-Likert-Skala um 36,8%, während die Kontrollgruppe nur 1,7% aufwies. Der Großteil dieser Steigerung (34%) wurde in den ersten 7 Wochen der über
14 Wochen laufenden Untersuchung erreicht.
ActiViva lights (17000 K )
Control (2900 K)
30
20
10
6.4
2.5
48.4
8.49 43.2
7.0
64.3
62.8
th
2.9
3.0
M
en
ta
lH
ea
l
2.0
ita
lit
y
2.8
2.1
2.0
of
W
ea
kn
Li
es
gh
s
t-h
ea
de
d
&
di
zz
D
ay
y
tim
e
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ss
W
or
k
pe
rf
A
or
le
rt
m
ne
an
ss
ce
&
C
on
ce
nt
ra
tio
n
A
le
rt
ne
ss
Fa
tig
ue
2.0
2.7
2.9
V
2.5
2.9
2.5
Fe
el
in
gs
2.9
C
on
ce
nt
ra
tio
n
0
D
ay
tim
e
% improvement over baseline
40
Abb. 1: Punkte des Fragebogens, bei denen die Interventionsgruppe (n=46) im Vergleich zum jeweiligen Ausgangswert signifikant bessere Werte erzielte. Die entsprechenden Veränderungen in der Kontrollgruppe (n=23) sind weniger deutlich ausgeprägt und
weichen nicht allzu stark vom Ausgangswert ab [20]. Die Ausgangswerte der beiden
Gruppen sind jeweils an der X-Achse angegeben. Beim ersten Punkt (Konzentration),
der durch die Frage „Haben Sie Probleme, sich zu konzentrieren oder klar zu denken?"
ermittelt wurde, unterschied sich die Verbesserung bei der Interventionsgruppe bis zum
Ende der Studie signifikant (p < 0,05) vom entsprechenden Wert der Kontrollgruppe.
Übersetzungen zur Abbildung 1
English
ActiViva lights (17000 K)
Control (2900 K)
% improvement over baseline
Concentration
Fatigue
Daytime Alertness
Feelings of Weakness
Light-headed & dizzy
Daytime sleepiness
Work performance
Alertness & Concentration
Vitality
Mental Health
Deutsch
ActiViva-Lampen (17000 K)
Kontrollgruppe (2900 K)
Verbesserung gegenüber Ausgangswert in %
Konzentration
Ermüdung
Aufmerksamkeit
Schwächegefühl
Benommenheit & Schwindelgefühl
Schläfrigkeit
Arbeitsleistung
Aufmerksamkeit & Konzentration
Vitalität
Psychische Verfassung
225
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
Wird der Abschluss der Studie für beide Gruppen mit dem jeweiligen Anfangswert
verglichen, zeigen sich bei der Interventionsgruppe in den anhand der modifizierten
Columbia Jet-Leg-Skala bewerteten Bereichen Ermüdung (26,9%), Aufmerksamkeit
(28,2%), Schläfrigkeit (31,0%) und Arbeitsleistung (19,4%) sowie in den mit dem
SF-36-Fragebogen ermittelten Bereichen Vitalität (28,4%) und psychische Verfassung
(13,9%) wesentliche Verbesserungen (siehe Abb. 1).
3.3 Lichttherapie bei Saisonal Abhängige Depression
Die SIGH-SAD-Bewertung am Tag 22 fiel für beide Gruppen deutlich geringer aus
als am Tag 1 (75%, SE 6,7 bei 5.000 K bzw. 65%, SE 5,6 bei 17.000 K). Zwischen
den beiden Bedingungen wurden keine statistisch signifikanten Unterschiede festgestellt, weder anhand einer prozentualen Verringerung des SIGH-SAD-Wertes noch
bei der Anzahl der Personen mit einer Reduzierung von mehr als 50% (76% und
71% bei 5.000 K bzw. 17.000 K) oder der genesenen Patienten [27]. Wenn wir „Genesung“ als SIGH-SAD-Verringerung ≥ 50% und Endwert ≤ 8 definieren, erreichte
die Gruppe bei 5.000 K eine Genesungsquote von 76% und die Gruppe bei 17.000
K eine Quote von 57%. Beide Behandlungsbedingungen erwiesen sich also als überaus effektiv. Erste Analysen der täglichen Bewertungen zeigten keine eindeutigen
Unterschiede in der Geschwindigkeit des Genesungsprozesses.
4 Bewertung und Ausblick
In unserer 24 Stunden Ökonomie sind Schläfrigkeit und Ermüdung weit verbreitete
Leiden. Der Einsatz geeigneter Lichtquellen kann die Aufmerksamkeit, Wachsamkeit, Stimmung und Schlafqualität der Menschen deutlich verbessern. Die Beleuchtung kann so erheblich zur Steigerung der Sicherheit und Leistungsfähigkeit in Büro-,
Industrie- und Krankenhaus-umgebungen, rund um die Uhr tätigen Einrichtungen,
im Verkehr, in Schulen, im Sport und in vielen anderen anspruchsvollen Aktivitäten
des täglichen Lebens beitragen.
Studien haben gezeigt, dass das helle natürliche Tageslicht die nächtliche Melatoninausschüttung [6-8] und die Schlafqualität [6, 9, 10]verbessert. Auch wenn in der vorliegenden Arbeitsplatzstudie kein helles Licht verwendet wurde, konnte der höhere
Anteil kurzwelligen Lichts in Lichtquellen mit einer hohen ähnlichsten Farbtemperatur unter Umständen einen Eindruck erwecken, der dem natürlichen Tageslicht deut226
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
lich näher kommt. Die Auswirkungen von Tageslicht(-systemen) auf die Schlafqualität und Physiologie wurden hier nicht untersucht, sollten jedoch weiter erforscht
werden.
Die Bewertung anhand der Columbia Jet-Lag-Skala und einige Werte aus dem SF-36Fragebogen (siehe Abb. 1) scheinen auf entsprechende Licht-veränderungen zu reagieren. Diese Fragen sollten in künftigen Beleuchtungs-studien näher erörtert werden.
Bei 10.000 Lux erwiesen sich die Behandlungen der Winter-Depressionen mit Licht
geringer und hoher Farbtemperatur als gleichermaßen wirksam. Obwohl das Licht
mit hoher Farbtemperatur einen höheren Anteil biologisch aktiveren kurzwelligen
Lichts enthält, erbrachte sie im Vergleich zur normalen Behandlung mit Licht einer
geringeren Farbtemperatur keine signifikanten Vorteile. Dies könnte an einer gewissen Sättigung im Signalweg liegen. Bei geringeren Beleuchtungsstärken könnte Licht
mit einer hohen Farbtemperatur Depressionen allerdings effektiver behandeln als
normales Licht. Diese Frage sollte näher untersucht werden.
Lampen mit einem höheren Anteil kurzwelligen Lichts weisen im Vergleich zu konventionellen Lichtquellen eine stärkere phasenverschiebende Wirkung auf [28]. Dies
könnte ein erstes Anzeichen dafür sein, dass sich damit nicht-visuelle, biologische
Effekte auf energieeffizientere Weise erzielen lassen. Mit höheren Farbtemperaturen
lässt sich eine gegebene biologische Wirkung bei einer geringeren Beleuchtungsstärke
als bei niedrigeren Temperaturen erzielen. Angesichts der zunehmenden Bedeutung
des globalen Umweltschutzes und Energieverbrauchs sollten zu dieser Frage weitere
Studien durchgeführt werden.
5 Fazit
Leuchtstofflampen mit einer hohen ähnlichsten Farbtemperatur sind sinnvolle Ergänzungen für vorhandene allgemeine Beleuchtungssysteme. Sie können das Wohlbefinden und die Produktivität am Arbeitsplatz, in Schulen oder in Pflegeeinrichtungen deutlich verbessern. Einige erste Anzeichen ihrer vorteilhaften Wirkungen wurden bereits festgestellt. Es sind aber weitere Feldstudien erforderlich, um feststellen
zu können, ob die bekannten vorteilhaften biologischen Effekte von Tageslicht, wie
die Verbesserung des Wach-Schlaf-Zyklus sowie der Stimmung und Aufmerksam227
Wirkungen sichtbarer Strahlung I
keit, auch mit der Beleuchtung normaler Arbeitsplätze erzielbar sind. Lichtquellen
mit hohen Farbtemperaturen erscheinen als überaus interessante Möglichkeit zur
Entwicklung derartiger biologisch stimulierender Beleuchtungssysteme.
Danksagung
Wir danken P. Mills, S. Tomkins, M. Gordijn, D.’t Mannetje, Y. Meesters, A. Caljouw, A. Verhaard, L. Geerdinck und G. Kok für Ihre Beteiligung an den verschiedenen Studien.
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229
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
Verbundforschungsprojekt PLACAR
Leuchten für Plasmalampen zur Beeinflussung circadianer
Rhythmen
H. Rudolph
TRILUX GmbH & Co. KG
Heidestraße 4, 59759 Arnsberg
Das Forschungsprojekt PLACAR (Plasma LAmpen für CirCAdiane Rhythmen)
wurde als Verbundforschungsprojekt mit Förderung (FKZ.: 13N8974) durch das
Bundesministerium für Bildung und Forschung im Frühjahr 2006 mit einer Laufzeit
von 3 Jahren gestartet. An diesem Projekt sind beteiligt:
●
AG Schlafforschung und Chronobiologie der Psychiatrischen Universitätskliniken der Charité, Berlin
●
Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V., Greifswald
●
Litec-LLL GmbH, Greifswald
●
NARVA Lichtquellen GmbH + Co. KG, Brand-Erbisdorf
●
NARVA G.L.E. Gesellschaft für lichttechnische Erzeugnisse mbH, Berlin
●
OSRAM GmbH, München
●
TRILUX GmbH & Co. KG, Arnsberg
Zielsetzung
Wissenschaftliches Arbeitsziel des Projektes ist es, die Lichtspektren zu definieren
und zu generieren, die zum einen jederzeit hinreichend helles Licht mit guter Farbwiedergabe ausstrahlen, zum anderen wahlweise viel beziehungsweise wenig Licht
des Teils des Spektrums enthalten, welches normalerweise die Synchronisation des
natürlichen Hell-Dunkel-Zyklus mit dem circadianen System des Menschen bewirkt.
Besondere Aufgabenstellungen sind beispielsweise, trotz Unterdrückung der blauen
Spektralbereiche einen möglichst hohen Farbwiedergabeindex CRI zu erhalten oder
230
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
die zeitliche Konstanz von Lichtstrom und ähnlichster Farbtemperatur zu gewährleisten. Selektiv auf das emittierte Spektrum der Lichtquellen einwirkende lichtlenkende Materialien des optischen Systems der Leuchte müssen dabei ebenso beachtet
werden, wie Reflexionseigenschaften der Versuchsräume oder die "Lichthistorie" der
untersuchten Probanden.
Versuchsdurchführung
Im Gegensatz zu früheren Studien unter strengen Laborbedingungen [1], [2], [3], [4]
und langen Expositionszeiten, fanden die Versuchsreihen unter nahezu naturalistischen Bedingungen statt. So gingen die Probanden tagsüber ihren normalen Tätigkeiten nach und wurden nur am Abend jeweils 1 Stunde vor der habituellen Zubettgehzeit dem Testlicht von spektral angepassten Lichtquellen ausgesetzt. Demzufolge
wird die Frage nach der Generalisierbarkeit der wissenschaftlichen Untersuchungen
zur Beeinflussung der menschlichen Physiologie durch Licht gestellt.
An der Untersuchungsreihe haben 9 Probanden (6 Männer, 3 Frauen) im Alter von
22 - 33 Jahren teilgenommen. In der sog. 7-tägigen Entrainmentphase vor Beginn der
eigentlichen Untersuchung sollten die Probanden zu ihrer habituellen Bettgehzeit
(+/- 1 Stunde) zu Bett gehen. Dies wurde durch Aktometrie und Schlaftagebuch dokumentiert.
In der sich anschließenden Laborphase wurden die Probanden an 6 aufeinander folgenden Abenden unterschiedlichen Beleuchtungsbedingungen ausgesetzt, hierin enthalten war die Bestimmung der "Baseline" am 1. Abend bei wenig Licht (10 lx). An
den darauf folgenden Abenden wurden die Probanden zuerst mit einer Lichtsituation
mit geringen Beleuchtungsstärken konfrontiert (Dim-Light, ca. 10 lx), bis etwa 1
Stunde vor der habituellen Bettgehzeit jedes Probanden. Dann wurden die Probanden für 30 Minuten einer von 5 unterschiedlichen Beleuchtungssituationen ausgesetzt und anschließend wieder in die Dim-Light-Situation gebracht. Die Reihenfolge
der Beleuchtungssituationen wurde stets variiert.
Die Melatoninkonzentration im Speichel wurde alle 30 Minuten gemessen - im Zeitraum 10 Min. vor bis 10 Min. nach der Lichtexposition, wurde in 10-minütigem Abstand gemessen.
231
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
Der Nachweis der Beeinflussung des menschlichen Organismus durch Licht geschah
durch Messung des Melatoningehalts im Speichel. Da die Melatoninsekretion am
Abend einsetzt, wurden die Versuchsreihen in diesen Zeitraum gelegt.
232
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
Untersuchte Beleuchtungssituationen
1. Spiegelwandleuchten mit warmweißer Leuchtstofflampe
Lichtquelle:
1 * T8 18W, CCT = 2.070 K
Lichtaustrittsfläche:
600 * 100 mm
Lichteinfallswinkel:
65° zur Senkrechten
Raumwinkel: 0,101 sr
Ev:
130 lx
Melatoninunterdrückung:
0,2%
Aus der Unterdrückung nahezu des gesamten kurzwelligen Spektralanteils im Emissionsspektrum der Lichtquelle resultiert ein unbeeinflusster Anstieg des abendlichen
Melatoninspiegels.
233
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
2. Spiegelwandleuchten mit tageslichtweißer Leuchtstofflampe
Lichtquelle:
1 * T8 18W, CCT = 6.000 K
Lichtaustrittsfläche:
600 * 100 mm
Lichteinfallswinkel:
65° zur Senkrechten
Raumwinkel: 0,101 sr
Ev:
130 lx
Melatoninunterdrückung:
18%
Bereits nach 10 Minuten Lichtexposition ist ein Rückgang im Anstieg des abendlichen Melatoninspiegels zu beobachten.
234
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
3. Hängeleuchten mit langgestreckten Leuchtstofflampen
Lichtquelle:
3 * T5 54W, CCT = 6.000 K
Lichtaustrittsfläche:
1120 * 128 mm
Lichteinfallswinkel:
30° zur Senkrechten
Raumwinkel: 0,083 sr
Ev:
500 lx
Melatoninunterdrückung:
12%
Trotz höherer vertikaler Beleuchtungsstärke im Vergleich zur Spiegelwandleuchte
fällt die Melatoninunterdrückung geringer aus, was mit dem kleineren Areal der beleuchteten Retina und dem steileren Lichteinfall zusammenhängen kann.
235
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
4. Deckeneinbau-Downlight mit Hochdruckentladungslampe
Lichtquelle:
1 * NCT8 70W, CCT = 4.000 K
Lichtaustrittsfläche:
200 * 200 mm
Lichteinfallswinkel:
30° zur Senkrechten
Raumwinkel: 0,014 sr
Ev:
500 lx
Melatoninunterdrückung:
36%
Für diese Versuchsanordnung fällt die Melatoninunterdrückung am höchsten aus.
Die Wand im Blickfeld des Probanden wird durch die Leuchte großflächig angestrahlt, somit trägt das von ihr reflektierte Licht trotz moderater Leuchtdichten zur
Melatoninsuppression bei.
236
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
5. Flächenhaft abstrahlende Leuchtstofflampe Planon
Lichtquelle:
1 * Planon 100W, CCT = 2.850 K
Lichtaustrittsfläche:
400 * 300 mm
Lichteinfallswinkel:
90° zur Senkrechten
Raumwinkel: 0,120 sr
Ev:
500 lx
Melatoninunterdrückung:
27%
Trotz warmweißer Lichtfarbe sind noch Blauanteile im Emissionsspektrum dieser
Lichtquelle enthalten. Hohe vertikale Beleuchtungsstärke am Auge und großer
Raumwinkel führen zu merklicher Melatoninsuppression bereits nach 10 Minuten.
237
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
Bewertung der Untersuchungsergebnisse
Neben den von den Lichtquellen emittierten Spektren, sowie humanbiologisch bedingten Parametern, wie der Trübung der Augenlinse oder des Glaskörpers sind folgende Parameter von entscheidender Bedeutung zur Bewertung des "circadianen"
Einflusses von Beleuchtungssituationen:
●
Anzahl und Position der Leuchten
●
Beleuchtungsstärke am Auge in Hauptblickrichtung
●
Scheinbare Größe der Lichtaustrittsfläche
●
Lichtverteilung im Raum
●
Reflexionsgrade der Raumbegrenzungsflächen und des Mobiliars
●
Verwendete lichtlenkende Materialien
Um die örtlichen Besonderheiten der Untersuchungsräume zu dokumentieren, wurden umfangreiche lichttechnische und spektrale Messungen durchgeführt. In den
lichttechnischen Messlabors wurden Lichtquellen, lichtlenkende Materialien und die
Leuchten ausgiebigen Prüfungen unterzogen.
Weitere wissenschaftliche Zusammenhänge werden in dem Vortrag "Vergleich von
zwei circadianen Modellen im Rahmen des Projektes PLACAR" von R. Kozakov, Q.
Long, H. Schöpp und D. Kunz erläutert.
Schlussfolgerungen
Der differentielle Effekt der Beleuchtung mit den untersuchten Lichtquellen auf Melatoninsuppression weist folgende Merkmale auf:
•
Beginn der Wirksamkeit bereits nach 10 Minuten
•
Keine Adaptation, Zunahme des Effektes mit der Zeit
•
Ende des Effektes kurz nach Ende der Lichtexposition
•
Der Effekt ist abhängig von Lichtintensität, Lichtrichtung und spektraler
Verteilung
Daher kann der Schluss gezogen werden, dass bereits kurzzeitige Lichtexpositionen
am Abend Physiologie und Verhalten des Menschen beeinflusst.
238
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
Literatur
[1] Melatoninsuppression bei Blinden
(Czeisler CA et al. 1995)
[2] Dosisabhängige Melatoninsuppression am Abend (ab 80 lx)
(Zeitzer JM, Dijk DJ et al. 2000)
[3] Aktionsspektrum für Melatoninsuppression (max 459-484nm)
(Thapan K, Arendt J, Skene D 2001)
( Brainard GC, Hanifin JP et al. 2003)
[4] Sofortige Melatoninsuppression mit 5000 Lux
(Wirz-Justice A, Kräuchi K et al. 2004 )
239
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
Auswirkung unterschiedlicher Beleuchtungen auf
Demenzkranke – erste Ergebnisse
Charlotte A. Sust1, Dieter Lorenz2 & Peter Dehoff3
1
ABoVe GmbH, Dresdener Straße 11, 35435 Wettenberg,
Fachhochschule Gießen-Friedberg, Wiesenstr. 14, 35390 Gießen
2
Zumtobel Lighting GmbH, Schweizer Straße 30, 6850 Dornbirn (Austria)
3
1.
Ausgangssituation
In verschiedenen Altenheimen wurde teilweise eher zufällig bemerkt, dass ein höherer Lichteintrag durch eine veränderte Beleuchtung zu positiven Effekten auf Wohlbefinden und Sozialverhalten bei den Bewohnern führte. Dies wurde beispielsweise
in Mülheim („Haus Ruhrgarten“) oder in Bremerhaven („Haus im Park“) systematisch durch den Einbau von Lichtdecken genutzt. In Mülheim bestand die überdies
die Möglichkeit, die Auswirkungen während einer Beobachtungsphase von ca. 4 Wochen genauer zu untersuchen. Trotz der nicht befriedigenden Datenlage kann aber
berechtigt vermutet werden, dass mit einer geeigneten Beleuchtung eine Positivspirale erzeugt wurde: Erhöhung sozialer Aktivitäten führt zu größerer Müdigkeit, was
wiederum einen erholsameren Schlaf bewirken sollte und damit zu positiven Folgen
für die mentale und emotionale Verfassung.
Wenn also, wie in Mülheim geschehen, positive Effekte erzielt wurden, dann ist es
Wert, dies genauer und vor allem langfristiger zu untersuchen. Demenzkranke sind
dabei eine interessante Zielgruppe, weil bei vielen neben anderen Beeinträchtigungen
eine Störung des circadianen Rhythmus angenommen werden kann. Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Demenzarten, wobei die weitaus häufigste die vom Alzheimertyp ist (ca. 80 %). Es handelt sich dabei um eine primäre, neurodegenerative Demenz, die durch Gedächtnisdefizite sowie weitere kognitive Beeinträchtigungen (z.B.
Verminderung des Urteilsvermögens, der Planungsfähigkeit, Informationsverarbeitung) und auch Veränderungen im Verhalten und im affektiven Bereich (z.B. emotionale Labilität, Reizbarkeit, Apathie) gekennzeichnet ist. Verursacht wird sie durch
Ablagerungen im Gehirn (Plaques) und/oder Veränderungen in den Nervenzellen
(Neurofibrillen, vgl. [1, 2]), wobei zurzeit noch strittig ist, ob die Plaques eine Hei-
240
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
lungsreaktion des Körpers auf die Neurofibrillen sind. Bei vaskulären Demenzen,
ebenfalls primär und neurodegenerativ, kommt es zu Beeinträchtigungen aufgrund
von Durchblutungsstörungen. Degenerative Demenzen verlaufen progredient, das
heißt, über mehrere Stadien sind Verschlechterungen beobachtbar, die vom Ausmaß
der Beeinträchtigungen abhängig sind. Gerade die zunehmend auftretenden Verhaltensauffälligkeiten – z.B. Sundowning: abendliche/nächtliche Unruhe, Tagesmüdigkeit, Desorientiertheit – lassen vermuten, dass hormonelle Prozesse involviert sind
und der circadiane Rhythmus beeinträchtigt ist. Dies wird unter anderem auf eine zu
geringe Lichtexposition zurückgeführt [vgl. 2]. Im hier darzustellenden Projekt geht
es nun darum, diesen Mangel auszugleichen und zu ermitteln, welche Beleuchtungskonzepte eine positive Wirkung – insbesondere mit Blick auf den Einfluss auf den
circadianen Rhythmus – auf Demenzkranke haben. Auch wenn der progrediente
Verlauf wahrscheinlich nicht gestoppt wird, so besteht aber doch berechtigte Hoffnung, ihn abzumildern.
2.
Untersuchungskonzept
2.1
Rahmenbedingungen
Die Untersuchungen finden in einem Altenheim, St. Katharina, in Wien statt. Das
Haus wird von Ordensschwestern geführt und beherbergt insgesamt ca. 100 Bewohner. Aufgrund üblicher Verschleißerscheinungen erfolgte 2006 eine Totalsanierung
des Hauses, bei dem eine Wohngruppe speziell für maximal dreizehn Demenzkranke
eingerichtet wurde. Damit sollte ein auch für das Haus neues Pflegekonzept realisiert
werden, das schon in ähnlicher Weise in einer Reihe von Häusern auch in der Bundesrepublik erfolgreich eingesetzt wurde und wird [z.B. 3]. Für diese Wohngruppe
wurde der erste Stock des Heims in spezieller Weise umgebaut, so dass außer den sieben Einzel- und zwei Doppelzimmern ein großzügiger Wohn- und Essbereich neu
eingerichtet wurde, in den ebenfalls eine Küche integriert wurde. Damit ist potenziell die Möglichkeit geschaffen, wenigstens teilweise Mahlzeiten gewissermaßen autark
zuzubereiten.
Mit der architektonischen Veränderung wurde aber auch ein anderes Pflegekonzept
implementiert. Das heißt, für eine homogene Gruppe demenziell Erkrankter wird
eine familienähnliche Situation zu schaffen, in der sich die Bewohner mit ihren verbliebenen Fähigkeiten potenziell einbringen können (Aktivitäten beim Kochen und/
241
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
oder hauswirtschaftlichen Tätigkeiten). Seitens des Heims war also zunächst einmal
die Implementierung des Pflegekonzepts der Mäeutik (erlebnisorientierende Pflege
nach van der Koj [vgl. 3, 33ff]) im Vordergrund, um insbesondere in der Wohngruppe für demenziell Erkrankte eine aktivierenden Pflege zu realisieren. Die Ressourcen
der Bewohner werden dabei ermittelt, um ihre Autonomie zu erhalten und zu fördern. Da das Konzept der aktivierenden Pflege im gesamten Heim etabliert werden
soll, werden sukzessive alle Pflegekräfte entsprechend geschult, vor allem aber diejenigen, die in der Wohngruppe arbeiten. Insgesamt sind dort für die Tagespflege sieben Pflegekräfte, davon drei diplomierte Schwestern, eingesetzt.
Unabhängig von der Implementierung des neuen Pflegekonzeptes bot die Totalsanierung auch die Gelegenheit, im Rahmen des sogenannten Lichtprojekts in dieser
Wohngruppe ein Beleuchtungskonzept zu realisieren, das die systematische Untersuchung unterschiedlicher Beleuchtungsszenarien auf das Wohlbefinden und Verhalten
der Bewohner ermöglichen sollte. Vorgabe des Heims sowie der Wunsch der Angehörigen war dabei, die Bewohner nach Möglichkeit nicht mit Messungen zu behelligen, die Wohnlichkeit des Wohn-/Essbereichs so wenig wie möglich zu beeinträchtigen und die Arbeit der Pflegekräfte möglichst nicht zu stören. Weder auf die Zusammensetzung der Bewohner noch der Pflegekräfte kann Einfluss genommen werden.
2.2
Fragestellung
Unter diesen Bedingungen wurden die Fragestellung der Untersuchung zunächst sehr
global formuliert: Welche Beleuchtungskonzepte bewirken eine Verbesserung des
Wohlbefindens demenziell erkrankter Bewohner? Dem liegt zunächst die Annahme
zugrunde, dass Licht überhaupt einen positiven Effekt auf das Wohlbefinden hat,
was grob verkürzend beschrieben u.a. der Steuerung des Melatoninhaushalts und damit des circadianen Rhythmus (verbesserter Schlaf, damit verbesserte Erholung, damit verbesserter kognitiver und psychomentaler Status) geschuldet ist [4]. Da wie bereits oben angemerkt, der circadiane Rhythmus Demenzkranker vom Alzheimer-Typ
häufig beeinträchtigt ist (Tagesmüdigkeit, nächtliche Aktivität), besteht die Hoffnung,
dass durch ein geeignetes Beleuchtungskonzept ein Beitrag zur Normalisierung geleistet werden kann. Die positiven Auswirkungen auf Personen mit depressiven Symptomen sind ebenfalls hinreichend bekannt.
242
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
Ziel ist es nun, genauere Informationen darüber zu erhalten, welche Parameter sich
auf das Wohlbefinden der Bewohner in welcher Weise auswirken.
2.3
Unabhängige/abhängige Variablen, Untersuchungsdesign, Auswer-
tungsverfahren
Das Beleuchtungskonzept als unabhängige Variable wurde dahingehend operationalisiert, dass neben der Standardsituation (Normbeleuchtung) als Referenz insgesamt
drei Lichtsituationen realisiert werden. Dabei beinhaltet die Lichtsituation 1 eine statische Erhöhung der Intensität (von 300 lx auf 2200 lx), Lichtsituation 2 eine statische Veränderung der Lichtfarbe (von 3000 K auf 6500 K (Flur) bis 8000 K
(Wohn-/Essbereich)) und Lichtsituation 3 eine dynamische Veränderung der Intensität und Lichtfarbe in Abhängigkeit vom Tagesverlauf.
Die Operationalisierung der abhängigen Variablen des „Wohlbefindens“ der Bewohner erwies sich insgesamt als noch komplexer, da dieses ja nicht direkt erfragt werden
kann. Daher werden umfassend Daten gesammelt, sowohl über Personen als auch
über Technik (Sensoren).
Die Datensammlung über menschliche Beobachter erfolgt in zweierlei Weise, über
Personen, die ausschließlich zur Beobachtung eingesetzt werden und über die Pflegekräfte, die in regelmäßigen Abständen zur Einschätzung der Bewohner befragt werden. In Anbetracht der kleinen Stichprobe wurde das Instrument, das im Projekt
„Haus Ruhrgarten“ realisiert wurde [5, 6], zugrunde gelegt und für den vorliegenden
Zweck angepasst. Dies zielt einerseits auf eine Vergrößerung der vorhandenen Datenlage, andererseits beinhaltet dies ggf. eine Option zum Vergleich der Ergebnisse.
Untersucht wird die Vitalität – Bewegungen/Aufenthalt im Sozialbereich, Essen und
Trinken –, Kommunikation – Gesprächsbeteiligung mit Mitbewohnern, Angehörigen, Pflegekräften, Interesse zeigen – und emotionaler Befindlichkeit – Äußerungen
von Aggression, Angst, (Un)Zufriedenheit. Die Beobachtungen des Beobachters erfolgen für jeweils alle Bewohner, die sich im sozialen Bereich der Station aufhalten
(Wohn-/Essbereich, Terrasse, Flur) im 10-Minuten-Takt, jeweils täglich von 8.30 bis
12.30 und 14.30 bis 17.30. Neben den Bewohnerdaten werden zusätzlich erhoben die
tägliche Wettersituation, die Einstellung der Jalousien sowie die Besetzung seitens der
Pflegekräfte.
243
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
Aus diesen Rohdaten werden verschiedene Indices, jeweils pro Person, bestimmt, die
in der Folge je nach Datenlage deskriptiv und/oder inferenzstatistisch ausgewertet
werden.
Die technische Datensammlung erfolgt über zwei Sensorgruppen, die den Schlaf und
die Bewegungen der Bewohner registrieren. Das heißt, an den Betten befinden sich
Sensoren, die die Bewegungen der Bewohner während der Nacht aufzeichnen. Darüber hinaus ist jeder Bewohner mit einem „tag“ ausgestattet, der tagsüber die Bewegungen im Sozialbereich an entsprechend installierte Empfangsstationen sendet.
Da das Sample nur dreizehn Personen umfasst, die zudem nur in begrenztem Maße
vergleichbar sind (vgl. Abschnitt 2.4), wird dem im Untersuchungsdesign dahingehend Rechnung getragen, dass von Einzelfallanalysen ausgegangen wird. Daher werden für jede Person umfassend Daten erhoben, um so ein angemessenes Bild zu erhalten. Das erfordert hinreichend lange Erhebungszeiträume für die einzelnen Untersuchungsphasen, um hinreichend valide Daten zu erhalten. Für jede Untersuchungssituation wurden ca. acht Wochen angesetzt, wobei die Lichtsituationen jeweils einmal zu einer anderen Jahreszeit wiederholt werden. Die Untersuchungen starten mit
einer Standardsituation (300 lx, 3000 K), die als Baseline fungiert. Start der Untersuchungen war August 2007 (Pilotphase), die eigentliche Standardsituation – tagsüber
kein Ausschalten des Lichts möglich – wurde ab September bis Mitte November realisiert. Von Mitte November 2007 bis Ende Januar 2008 lief die Lichtsituation 1, seit
Februar läuft die Lichtsituation 2, ab April wird auf Lichtsituation 3 umgestellt und
dann erfolgt der zweite Durchlauf.
2.4
Beschreibung des Samples
Insgesamt beherbergt die Wohngruppe dreizehn Bewohner, 11 Frauen und 2 Männer, im Alter von 80 bis 99 Jahren (Durchschnittsalter zu Beginn der Untersuchungen) von 88.7 Jahren (Abb. 1), davon sind zwei ledig, zwei geschieden und alle übrigen verwitwet.
244
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
100
Alter absolut
98
94
87
82
80
80
99
98
96
87
86
81
88,7
83
82
60
40
20
0
1010a
1020a
1031a
1032a
1041b
1042a
1050a
1060a
1070a
1080a
1090b
1100a
1110a
MW
Bewohner nach Zimmerkodierung
Abbildung 1
Beschreibung des untersuchten Samples: Altersverteilung
Von sieben Bewohnern ist bekannt, dass sie berufstätig waren, im jeweils erlernten
Beruf oder als mitarbeitendes Familienmitglied oder als Selbständige/r.
Alle Bewohner wurden mit dem Mini Mental Status (MMS) getestet (Abb. 2). Nach
Kriterien dieses Screeningverfahrens sind bis auf zwei Personen alle als dement zu
betrachten. Beide Personen (Zimmerkodierung 1070a und 1110a) weisen allerdings
zum Teil erhebliche Gedächtnisdefizite auf, sodass eine Demenz dennoch vorliegen
könnte. Anhand der Aktenlage ist lediglich bei zwei Personen vermerkt, dass eine
Demenz vorliegt, eine vaskulär und eine vom Alzheimer-Typ.
Absolutwerte
40
30
21
20
10
14,25
20
16,5
15,5
9
8
11,5
10
13
14,5
4,5
0
0
1010a 1020a 1031a 1032a 1041b 1042a 1050a 1060a 1070a 1080a 1090b 1100a 1110a
Ergebnisse Mini Mental Status
Abbildung 2
Status
Beschreibung des untersuchten Samples: Ergebnisse des Mini Mental
Von den 10 Personen, deren Anlass der Einweisung (Abb. 3) bekannt ist, sind nahezu zwei Fünftel explizit aufgrund ihrer Demenz eingewiesen worden, bei einem weiteren Fünftel kann aufgrund des angegebenen Selbstfürsorgedefizits ein demenzieller
Hintergrund vermutet werden.
245
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
23,1
Aufnahmeanlass
k .A.
Pfle ge be dürftigk e it
nach Krank he it
e ige ne r Wuns ch
15,4
0,0
38,5
De m e nz
23,1
Se lbs tfürs orge de fizit
0
20
40
60
80
100
Angaben in %
Abbildung 3
Beschreibung des untersuchten Samples: Einweisungsanlass
Aufgrund der Ergebnisse des MMS, der Aktenlage, der beobachteten Verhaltensauffälligkeiten sowie der Tatsache, dass keiner der Bewohner der Demenzgruppe mehr
in der Lage ist, seinen Alltag selbständig und ohne Hilfe zu gestalten, kann vermutet
werden, dass beim überwiegenden Teil der Personen eine mittelschwere Demenz
vorliegt.
3.
Erste Ergebnisse und Ausblick
Die Untersuchungen laufen w. e. seit August 2007 und im Folgenden werden einige
Ergebnisse aus den Beobachtungs- und Sensordaten vorgestellt. Im Wesentlichen
sind Grundlage für die ersten Ergebnisse die Beobachtungen zum Aufenthalt der Bewohner im Sozialbereich der Wohngruppe. Hierzu wurde ein Aktivitäts-Index bestimmt: Das heißt, hier wurde ermittelt, ob die Personen, wenn sie sich im Sozialbereich aufhalten, ihre Position beibehalten oder durch die Station wandern. Die Beobachter bestimmen dies im 10-Minuten-Takt.
Zunächst lässt sich festhalten, dass es mehr oder weniger aktive Bewohner gibt, wie
die folgenden Abbildungen zeigen. Die Bewohnerinnen 1032a und 1050a weisen
einen relativ hohen Aktivitätsindex auf. Sie sind beide vergleichsweise selten in ihren
Zimmern und halten sich überwiegend im Sozialbereich auf. Die Bewohnerin 1031a
hält sich ebenfalls sehr häufig im Sozialbereich auf, sitzt aber meistens auf ihrem
„Stammplatz“. Bei mehreren Personen sind deutliche Veränderungen zu beobachten,
bei einer eine Zunahme der Aktivität und den meisten anderen eine mehr oder minder deutliche Reduzierung der Aktivität (Abb. 4).
246
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
Aktivitä t B a seline
Aktivitä t L ic htsitua tion1
1,00
0,80
0,60
0,40
0,20
0,00
1010a 1020a 1031a 1032a 1041b 1042a 1050a 1060a 1070a 1080b 1090b 1100a 1110a
Abbildung 4
Aktivitätsindex aller Bewohner (Mittelwert aus allen Beobachtungen pro
Person; Baseline: August 2007 bis Mitte November 2007; Lichtsituation 1: Mitte November 2007 bis Mitte Januar 2008)
Betrachtet man dagegen die Standardabweichung, ist feststellbar, dass, obschon einerseits eine Reduzierung der Aktivität zu beobachten ist, andererseits aber auch eine
Verstetigung, also eine Reduzierung der Standardabweichung, festgestellt werden
kann.
Aktivitä t B a seline
Aktivitä t L ic htsitua tion1
1,00
0,80
0,60
0,40
0,20
0,00
1010a 1020a 1031a 1032a 1041b 1042a 1050a 1060a 1070a 1080b 1090b 1100a 1110a
Abbildung 5
Aktivitätsindex aller Bewohner (Standardabweichung aus allen Beobachtungen pro Person; Baseline: August 2007 bis Mitte November 2007; Lichtsituation 1:
Mitte November 2007 bis Mitte Januar 2008)
Betrachtet man die Einzelperson wird offenkundig, dass die Aktivität gleichmäßiger
wird (Abb.6).
247
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
P103-2a - Vitalität 1
(Aufenthalt in Sozialbereichen der Station)
Aktivität Baseline
Aktivität Lichtsituation 1
Wochenindex (0 bis 1)
1,0
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
MW
s
Kalenderw ochen
Abbildung 6
Aktivitätsindex der Bewohnerin 1032a (Mittelwert aus allen Beobachtungen; Baseline: August 2007 bis Mitte November 2007; Lichtsituation 1: Mitte November
2007 bis Mitte Januar 2008; MW = Mittelwert, s = Standardabweichung)
Dies gilt im Übrigen auch bei der Bewohnerin, bei der als Einziger eine Zunahme
der Aktivität in der Lichtsituation 1 zu verzeichnen ist. Auch bei dieser Bewohnerin
reduziert sich die Standardabweichung (Abb. 7).
P104-1b - Vitalität-1
(Aufenthalt in Sozialbereichen der Station)
Aktivität Baseline
Aktivität Lichtsituation 1
Wochenindex (0 bis 1)
1,0
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0
1
2
3
4
5
6
7
8
MW
s
Kalenderwochen
Abbildung 7
Aktivitätsindex der Bewohnerin 1041b (Mittelwert aus allen Beobachtungen; Baseline: August 2007 bis Mitte November 2007; Lichtsituation 1: Mitte November
2007 bis Mitte Januar 2008; MW = Mittelwert, s = Standardabweichung)
248
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
Während sich aus diesen Aktivitätsprofilen verhältnismäßig allgemeine Tendenzen
ablesen lassen, besteht aufgrund der Sensordaten die Möglichkeit, sehr detailliert einzelne Bewegungsverläufe zu analysieren, wie aus Abb. 8 hervorgeht.
Abbildung 8
Aufzeichnungen des Bewegungsprofils der Bewohnerin 1032a während
der Baseline-Situation (links mit Unterlegung des Grundrisses des Sozialbereichs, rechts
in 3D-Darstellung über den Zeitraum eines Tages)
Auf der Basis der bisher ausgewerteten Daten ist es noch zu früh, um zu Schlussfolgerungen zu kommen. Festhalten lässt sich bis jetzt, dass die Effekte der Beleuchtung zu beobachten sind. Ob diese in der Tat positiv zu bewerten sind, wird sich erst
dann zeigen, wenn weitere Auswertungen, sowohl in Bezug auf Kommunikation und
soziale Aktivitäten als auch in Bezug auf das Schlafverhalten vorliegen. In den ersten
Wochen nach Einführung der Lichtsituation 1 berichten die Nachtdienstschwestern
über verstärkte Unruhe der Bewohner in den Abendstunden, das heißt, die Bewohner haben sich wie gewohnt früh zu Bett gelegt, sind dann aber wieder für ein bis
zwei Stunden aufgestanden. Da die Auswertungen zur Sensorik noch nicht vorliegen,
ist ein genaueres Bild noch nicht zu erhalten, welche Personen eine höhere Aktivität
in den Abendstunden in welchem Ausmaß zeigen. Die Aufschriebe der letzten drei
Januarwochen zeigen keine ungewöhnliche Häufung von Aktivitäten mehr. Es ist
nicht auszuschließen, dass eine mögliche erhöhte Aktivierung kein Ventil in Form eines entsprechenden Angebots an Aktivität gefunden hat. Aufschlüsse darüber werden die weiteren Auswertungen erbringen.
249
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
Danksagung
Das Projekt wird gefördert durch das österreichische Bundesministerium für Arbeit
und Soziales, Projektträger ist das Kompetenzzentrum Licht in Aldrans (Tirol/Österreich) und wird realisiert im Altenheim St. Katharina der Barmherzigen Schwestern
unter Beteiligung der Unternehmen Zumtobel AG, Osram AG, der Bene Consulting
ges. GmbH, Frau DDrs. Marina Kojer sowie der privaten Universität UMIT Hall
(Tirol/Österreich).
Literatur
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
250
H. Förstl, H.-D. Schweiger: Demenz. Grundlagen. Diagnostik. Formen.
GOVI-Verlag Pharmazeutischer Verlag, Eschborn, 2007
U. Kastner, R. Löbach: Handbuch Demenz. Elsevier Urban & Fischer,
München/Jena 2007
E. Kasten, C. Utecht, M. Waselewski: Den Alltag demenzerkrankter
Menschen neu gestalten. Schlütersche Verlagsgesellschaft, Hannover, 2004
R. J. Reiter, J. Robinson: Melatonin. Droemer Knaur, München, 1996
K. Bieske, O. Dierbach, Evaluation des Einsatzes von tageslichtähnlichem
Kunstlicht in der gerontopsychiatrischen Pflege und Betreuung
Hochbetagter. Tagungsband Licht 2004 (2004), 108 ff.
M. Brach, W. Ehrenstein, O. Dierbach: Lichtmanagement in der Altenpflege.
Tagungsband Licht 2004 (2004), 40ff.
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
Licht und Farbe im Heim
Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität älterer Menschen in Pflegeheimen durch den gezielten Einsatz von
Licht und Farbe
Dipl.-Ing. Elisabeth Schneider-Grauvogel
Referentin im Fachbereich Architektur und Wohnen
Kuratorium Deutsche Altershilfe, Wilhelmine-Lübke-Stiftung e.V.
An der Pauluskirche 3, 50677 Köln
Das Kuratorium Deutsche Altershilfe / Wilhelmine-Lübke-Stiftung e.V. ist ein gemeinnütziger, kommerziell unabhängiger Verein, der sich seit über 40 Jahren um die
Belange älterer Menschen sorgt und es sich zur Aufgabe gemacht hat, deren Situation
gesellschaftlich, pflegerisch und in Hinblick auf ihr Wohnumfeld stetig zu verbessern, sowie die Öffentlichkeit darüber zu informieren.
Speziell der Fachbereich Architektur und Wohnen im Alter betrachtet es als seine
wesentliche Aufgabe, neue ambulante und stationäre Wohnkonzepte für ältere, vor
allem auch pflegebedürftige und demenziell erkrankte Menschen zu beobachten, weiter zu entwickeln und voranzutreiben. Hierbei arbeiten Architekten, Soziologen,
Pflegewissenschaftler und andere Professionen im Kontext aktueller Entwicklungen
und Rahmenbedingungen im KDA Hand in Hand.
Durch die langjährige konzeptionelle und architektonische Erforschung und Beratung u.a. von ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen im gesamten Bundes251
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
gebiet ist das KDA in der Lage, die allgemeine Situation und deren Entwicklungspotenzial zu überblicken, realistisch einzuschätzen und bedarfsgerecht darauf zu reagieren.
Aufgrund der demografischen Entwicklung ist die Planung von Altenwohn- und
Pflegeeinrichtungen für Architekten zu einer interessanten und für die Zukunft ausbaufähigen Bauaufgabe geworden. Diese Aufgabe erfordert breites Hintergrundwissen über die Strukturen der Altenhilfe und die Kompetenzen und Defizite älterer
Menschen, welches das KDA in diversen eigenen Veröffentlichungen vermittelt.
Darüber hinaus sind architektonische Gestaltungsinstrumente und -maßnahmen, die
die Wohnatmosphäre und die Umgebung älterer Menschen positiv beeinflussen, ein
Thema, dem in letzter Zeit zunehmend Aufmerksamkeit zukommt. Der sinnvolle
und bewusste Einsatz von Licht, Farbe und Material in der Architektur verbessert
nachweislich das Befinden des Menschen, die Wahrnehmung der Umgebung, die
Orientierung und die Anregung der Sinne. Gerade in der Altenhilfe kann damit –
auch bereits bei kleinem Budget - große Wirkung, sowohl im Bestand als auch bei
Neubaumaßnahmen erzielt werden.
Demenziell Erkrankte erleiden mit dem Verlauf ihrer Krankheit zunehmend kognitive Defizite. Es verbleibt ihnen jedoch die Sinneswahrnehmung auf emotionaler Ebene. Eine Verbesserung des räumlichen Umfeldes, eine ansprechende, wohltuende,
anregende aber auch nicht überfordernde Umgebung fördert dabei das Wohlbefinden ganz entscheidend. Lange dunkle Flure, kalt wirkende Aufenthaltsräume in denen sich keiner der Bewohner aufhalten möchte, fehlende Alltagsaktivitäten im
Wohnbereich mangels konzeptioneller aber auch räumlicher Möglichkeiten sind vor
allem in bestehenden Pflegeheimen immer wiederkehrende Mängel. Gleichzeitig
wächst der Anteil demenziell erkrankter Heimbewohner von heute 50 bis 70 Prozent, stetig. Eine intensive Auseinandersetzung mit den Bedürfnislagen der Betroffenen und eine darauf eingehende Verbesserung des Wohnmilieus ist also dringend erforderlich.
Um jedoch heutige Konzepte und die damit verbundenen pflegerischen und gestalterischen Ansätze nachvollziehen zu können, ist es notwendig, die Entwicklung der
Pflegeeinrichtungen der letzten Jahrzehnte zu kennen.
252
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
Die Entwicklung der Pflegeeinrichtungen
Das Generationenmodell
Betrachtet man die Entwicklung im Pflegeheimbau der Nachkriegszeit, so lassen sich
bis heute im Wesentlichen vier Typologien oder „Pflegeheimgenerationen“ unterscheiden.
Diese Typologien bilden über die Jahrzehnte einen konzeptionellen und architektonischen Entwicklungsprozess der Altenhilfe ab. Konzeptionell ist im Laufe der Zeit
eine Tendenz zur immer spezifischeren, individuellen und ganzheitlichen Betrachtung und Förderung der einzelnen Bewohnerin bzw. des einzelnen Bewohners zu beobachten. Baulich kommt diese Entwicklung durch stetige Verringerung von Belegungsstärken, größere Flächenanteile pro Person, Abbau von Mehrbettzimmern bis
hin zum heute überwiegenden Einzelzimmer und Steigerung der Wohnlichkeit im
Heim zum Ausdruck.
Die Architektursprache lässt deutliche Rückschlüsse auf die jeweils geltenden Leitbilder der Altenhilfe, die konzeptionellen Rahmenbedingungen und die Rolle alter
Menschen in der Gesellschaft zu.
Jede dieser Pflegeheimgenerationen entsprach etwa zwei Jahrzehnte lang den jeweiligen Konzeptionen von Altenhilfe. Aus allen frühen Generationen sind demzufolge
auch heute noch Häuser in Betrieb, die meist mit hohem Sanierungs- und Kostenaufwand an heutige Konzepte angepasst und modernisiert wurden bzw. angepasst werden. Über Jahrzehnte erfolgte eine langsame und dennoch stetige Auflösung institutioneller Anstaltsarchitektur von der klassischen Zweibündigkeit nebeneinander auf-
253
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
gereihter Zimmer mit langem Mittelflur bis hin zu wohnungsähnlichen Gruppengrundrissen.
Die jahrzehntelange geschossweise und institutionelle Funktionstrennung „Schlafen
in den Obergeschossen – Aufenthalt, Therapie und Mahlzeiteneinnahme im Erdund Untergeschoss“, die weder den Bedürfnissen noch den Fähigkeiten pflegebedürftiger Menschen entspricht, ist heute längst überwunden.
Die Orientierung an der Normalität des früheren Lebensalltags hat mit dem derzeitigen Hausgemeinschaftskonzept der vierten Generation vielmehr bis zur Auflösung
sämtlicher zentraler Versorgungsstrukturen wie Großküche, Wäscherei und Verwaltung und zur Zusammenführung all dieser Bereiche in jeder einzelnen Wohngruppe
geführt.
Die erste Generation: Anstaltskonzept (bis ca. Anfang der 1960er Jahre)
●
Aus hohem Bedarf und wirtschaftlichen Zwängen resultierende einfachste
Versorgungsform
●
Pflegebedürftiger „Insasse“ wird „verwahrt“...
●
Extrem hohe Belegungsdichte und räumliche Enge
●
2- bis 6-Bett-Zimmer
●
Zentrale Sanitäranlagen
●
Fehlende Funktions- und Gemeinschaftsräume
254
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
●
Minimalausstattung
●
Grundrissbeispiel: 13,1 qm NF pro Bewohnerin/Bewohner
Die zweite Generation: Stationskonzept (ca. 1960er bis 1970er Jahre)
●
Leitbild Krankenhaus
●
Optimierung von Pflegeabläufen (z.B. Fäkalienbeseitigung)
●
Überbetonung von Technik und Hydrotherapie
●
Stereotype räumliche Organisation
●
Reaktive, defizitorientierte Pflege
●
Rehabilitation erfolgt außerhalb der Station
●
Heimbewohner werden als Patienten gesehen
●
Parallelentwicklungen: Umzug je nach Bedürftigkeit alter Menschen in Altenheime, Altenwohnheime oder Altenpflegeheime
●
Grundrissbeispiel: insgesamt 28,5 qm NF pro Person
Die dritte Generation: Wohnbereichskonzept (seit den 1980er Jahren)
•
Erste Verknüpfungen von Pflegeanforderungen mit Wohnbedürfnissen
•
Diskretes Angebot der technischen Versorgung
•
Räumliche Gestaltung des Wohnumfeldes
•
Förderung von Motivation und Selbstständigkeit
•
Aktivierende Pflege im Wohnbereich
•
Zunahme an Individualität, Privatheit und Kommunikation
•
Parallelentwicklung von Heimalternativen und Verbundeinrichtungen: teilstationäre Pflege, Betreutes Wohnen, ambulante Pflegedienste
•
Bewohnerzimmer erhalten direkt zugeordnete Duschbäder
•
Grundrissbeispiel: 38,8 qm NF pro Bewohnerin/Bewohner
In den zahlreichen Häusern dieser Generation, die auch derzeit für Neubauten noch
eine häufige Typologie der Pflegeeinrichtungen darstellt, leben heute meist ca. 80
Menschen in mehreren Wohnbereichen von ca. 20 bis 40 Bewohnerinnen und Bewohnern zusammen.
255
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
Die vierte Generation: Hausgemeinschaftskonzept (seit den 1990er Jahren)
●
Mensch mit seinen Bedürfnissen steht im Mittelpunkt
●
Überschaubare Wohngruppen mit 8–12 Bewohnerinnen/Bewohnern
●
Ganzheitliches biografieorientiertes Pflege- und Betreuungskonzept
●
Ständig anwesende Präsenzkraft als Bezugsperson
●
Abbau zentraler Versorgungssysteme
●
Aufhebung der Trennung zwischen Pflege, Hauswirtschaft und sozialer Betreuung
●
Parallelentwicklungen: ambulant betreute Wohngemeinschaften, Quartierskonzepte
●
Grundrissbeispiel ca. 40 qm NF pro Person
Seit Mitte der 90er Jahre prägen Hochaltrigkeit und Demenz die Bewohnerschaft stationärer Pflegeeinrichtungen, während jüngere und in ihrer Mobilität eingeschränkte
Pflegebedürftige häufiger andere Wohnformen als Alternativen zum Pflegeheim finden.
Das herausfordernde Verhalten vieler demenziell erkrankter Menschen und ganzheitlichere, biografiegeleitete Pflege- und Betreuungskonzepte verlangen kleinteiligere,
kleingruppenorientierte Wohnkonzepte, in denen die traditionelle Trennung von
Hauswirtschaft, Pflege und sozialer Betreuung räumlich und personell aufgehoben
wird.
Die klassischen zentralen Heimstrukturen mit Großküche, Wäscherei und Verwaltungstrakt fern der Bewohnerschaft, die trotz aller Bestrebungen nach Wohnlichkeit
auch in den Wohnbereichskonzepten der dritten Generation vorherrschten, werden
mit dem Hausgemeinschaftskonzept erstmals völlig aufgelöst.
Der Alltag in einer Hausgemeinschaft orientiert sich an gewohnter, häuslicher Normalität, die Architektur dementsprechend an einem großen Wohnungsgrundriss. Bewohnerferne Funktions- und Personalbereiche sind in diesem Konzept entbehrlich,
alle Flächen stehen den Hausgemeinschaftsmitgliedern zur Verfügung.
Kleinteiligkeit und Normalität
Mit Veränderung der konzeptionellen Ausrichtung der Heime und der größtmöglichen Hinwendung zu Normalität und Wohnlichkeit, haben sich auch die Raumnut256
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
zungen und ihre Gestaltungsschwerpunkte verändert. Große hotelartige und repräsentative Eingangshallen und großzügige Speisesäle im Erdgeschoss haben sich aufgelöst, zugunsten größerer und wohnlich gestalteter Gemeinschaftsräume auf den
Bewohnerebenen. Mit einer integrierten offen gestalteten Küche und einer dezentral
organisierten Speisenversorgung bilden sie den Mittelpunkt einer Wohngruppe /
Hausgemeinschaftsgruppe. Das Bewohnerzimmer – möglichst als Einzelzimmer innerhalb einer Gruppe von 8 bis 12 Bewohnern – bietet dabei eine individuell gestaltete Rückzugsmöglichkeit. Flure sind nicht nur reine Verkehrsflächen, sondern sind
als Orte der Begegnung und des Verweilens gestaltbar.
Gemeinschaftsräume
●
Flexible Nutzungsmöglichkeit
●
Integrierte Küche zur Zubereitung des Essens für die Gruppe
●
Teilhabe und Teilnahme bei der Essenszubereitung (Anregung der Sinne)
●
Rückzug und Aktion im Gemeinschaftsbereich sollte gleichermaßen möglich
sein können
Nutzungsvielfalt
●
offene Wohnküche
Esskultur
Tageslicht verbessert die Wohnatmosphäre und gibt Ausblicke in den Außenraum frei
●
Unterschiedliche Lichtquellen und Lichtstärken für unterschiedliche Aktivitäten (Stimmungslicht, Ruhezonen, Aktion, Mahlzeiteneinnahme, feine Sehaufgaben etc.)
Bewohnerzimmer
●
Neutrale Grundgestaltung für individuelle Ergänzung
●
Wohnlichkeit
●
Direktes persönliches Umfeld – kein Krankenzimmer!
●
Flexible Möblierung ermöglichen
257
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
Lichtleiste diktiert die Bettenaufstellung
individueller Gestaltungsraum
●
Variable Belichtung über unterschiedliche Lichtquellen
●
Belichtung für unterschiedlichste Sehaufgaben (Stimmungslicht, Licht zum
Lesen, o.ä., aber auch ausreichend Licht für die Pflegesituation)
●
Angenehme Grundbeleuchtung und individuell einstellbare Akzentbeleuchtung
●
Wohnliches Leuchtendesign!
Flure
●
Verkehrsfläche aber auch Aufenthalt
●
Angebote im Flurbereich stimulieren und fordern zum Verweilen auf
●
gestalterische Akzente fördern die Orientierung
Sitznische / Tageslicht
●
Akzentbeleuchtung / Angebot
Gleichmäßiges Licht ohne Blendung und extremen Schattenwurf (Sicherheit
und Sturzprophylaxe)
●
Tageslicht / Ausblicke verhelfen den Standort wiederzuerkennen
●
Grundbeleuchtung und Akzentbeleuchtung
258
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
Fazit
Pflegeheime unterliegen einer starken konzeptionellen Veränderung und erfordern
auch für den Gestalter eine intensive Auseinandersetzung mit der Zielgruppe. Menschen die – meist unfreiwillig – in ein Heim ziehen müssen, da sie im häuslichen
Rahmen nicht mehr weiter betreut werden können, sind mittlerweile meist im hohen
Alter, stark pflegebedürftig und leiden zum größten Teil an einer Demenz.
Auf Grund ihres Leidens, oder auch weil es ihnen baulich und konzeptionell nicht
ermöglicht wird, halten sich Bewohner einer stationären Einrichtung nahezu zu 100
% in geschlossenen Räumen auf.
Sie sind dadurch tagtäglich einem hohen Tageslichtmangel ausgesetzt. Im Zusammenspiel mit einer starken Unruhe oder auch Antriebslosigkeit aufgrund der demenziellen Erkrankung, leiden viele Bewohner an einem gestörten Tag-Nachtrythmus.
Hier können – wie bereits in einigen Untersuchungen bewiesen – darauf abgestimmte Lichtsysteme ansetzen und zu einer verbesserten Tagesverfassung bzw. einem gestärkten Tag-Nachtrythmus beitragen.
Die Angabe „500 Lux“ geht in der Szene der Altenhilfe, losgelöst von allen zusätzlichen Informationen zu den Möglichkeiten des Lichteinsatzes, seit einigen Jahren um.
Daraufhin haben einige Einrichtungsträger den Mut aufgenommen, in ihren Einrichtungen zu experimentieren und insbesondere in den Flurzonen extreme Lichtstärken
anzubringen. Oftmals mit dem Erfolg, dass die Bewohner mit Schrecken und Verunsicherung reagieren, statt, wie erhofft, mit positiver Aktivierung und gestärkter Orientierung. Dies kann nur dort erfolgreich sein, wo mit Bedacht und Kenntnis über
die Bedürfnislagen zusammen mit dem Wissen über lichttechnische Möglichkeiten
agiert wird.
Nach wie vor sind die jetzigen Nutzer der Pflegeheime diffuse Lichtverhältnisse gewohnt, schalten zu viel Lichtstärke aus um Strom zu sparen und sind natürlich auch
nicht in Kenntnis darüber, wie essentiell das Licht für ihr eigenes Wohlbefinden ist.
Daher wäre es notwendig, eine positive Grundbeleuchtung herzustellen, die auch
von den Bewohnern nicht zu beeinflussen ist (in Abhängigkeit zum Tageslicht) und
zudem Leuchten zu installieren, die gestalterisch einen stark wohnlichen Charakter
vermitteln und von ihren Nutzern leicht zu bedienen sind. Dabei ist es uns ein
259
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
großes Anliegen, immer wieder zu betonen, dass es sich hier um eine Wohnform –
oftmals über Jahre – handelt und nicht nur um einen vorübergehenden Aufenthalt.
Die neueren – und mittlerweile in ihren Ergebnissen äußerst positiv zu bewertenden
– Wohngruppenkonzepte (Hausgemeinschaften), vermitteln in ihrer Tagesstruktur
ein Höchstmaß an Alltagsnormalität. Die Bewohner sind in alle Haushaltstätigkeiten
involviert (Stimulation) und erleben die Gruppe als ihr Zuhause und nicht als „Institution Heim“. Die Pflege ist dabei in ihrer Dominanz gegenüber dem häuslichen
Umfeld zurückgetreten. Der gezielte Einsatz gestalterischer Mittel – Licht, Farbe und
Material – spielt dabei für die Umsetzung des Konzeptes eine wesentliche Rolle.
Die Gestaltung der Leuchten sollte weniger an einen Krankenhausaufenthalt erinnern, denn mehr an eine Wohnsituation, mit der sich die Bewohner auch identifizieren können.
Oftmals erleben wir zwar ein Bemühen um mehr Lichtstärken, aber eine zu starre
und direkte Übertragung von Krankenhaussituationen. Altenpflegeheime sind jedoch
kein „Nebenprodukt“ der Krankenhäuser, sondern erfordern eine eigenständige und
intensive Auseinandersetzung als facettenreiche und herausfordernde Bauaufgabe der
Zukunft.
Dipl.-Ing. Elisabeth Schneider-Grauvogel
KDA im Januar 2008
Literatur
„Das Generationenmodell“ entnommen aus:
Kaiser, Gudrun:
Vom Pflegeheim zur Hausgemeinschaft,
Empfehlungen zur Planung von Pflegeeinrichtungen
Kuratorium Deutsche Altershilfe (Hrsg.),
KDA, Köln 2008 (Architektur + Gerontologie Bd. 5)
260
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
Planungsempfehlungen für
biologisch wirksame Beleuchtung
Peter Dehoff, Zumtobel Lighting GmbH, Peter.Dehoff@zumtobel.com
Dieter Lang, OSRAM GmbH; d.lang@osram.de
Prof. Dr. Paul Schmits, Semperlux AG; p.schmits@selux.de
Prof. Dr. Bruno Weis, Adolf Schuch GmbH; weis@schuch.de
Kurzfassung
Der Nachweis eines dritten, blauempfindlichen Fotorezeptortyps in der Netzhaut
des Menschen, welcher für biologische Wirkungen von Licht verantwortlich ist, hat
in der Lichtindustrie, der wissenschaftlichen Lichttechnik und anderen Disziplinen
wie Medizin und Biologie zu intensiven Forschungs- und Entwicklungsarbeiten geführt, die das Ziel haben, diese biologischen Wirkungen besser zu verstehen. Diese
Arbeiten erfolgen in hohem Maße interdisziplinär unter Beteiligung von Lichttechnikern, Medizinern, Biologen, Psychologen und anderen Disziplinen. Wenngleich die
aktuelle Forschung noch nicht alle offenen Fragen beantworten kann, ist heute schon
ganz klar abzusehen, dass die Anforderungen an eine dem Menschen angepasste Beleuchtung den Aspekt der biologischen Wirkung mit einbeziehen müssen. Neue Planungsempfehlungen, Normen und Standards für Beleuchtung müssen unter dem Gesichtspunkt der biologischen Wirkung des Lichts entwickelt und eingeführt werden.
Die bestehenden Standards hinsichtlich der Lichtqualität im visuellen Bereich und
hinsichtlich Energieeffizienz sind dadurch nicht in Frage gestellt, sie werden aber unter Einbeziehung der biologischen Wirkung weiterzuentwickeln sein.
Biologisch effiziente Beleuchtung, die gleichzeitig hohen Ansprüchen an Energieeffizienz und Lichtqualität genügt, ist nur durch eine Optimierung der spektralen Zusammensetzung des Lichtes zu erreichen. Energieeffiziente Lichtquellen wie Leuchtstofflampen oder LEDs bieten hierfür die richtige Grundlage. Leuchtstofflampen wie
die SKYWHITE mit einer im Blauen verstärkten Emission erfüllen die Ansprüche
an Energieeffizienz (η > 85 lm/W), an gutes Sehen (Ra > 80) und an eine dem Tageslicht ähnliche biologische Wirkung auf das circadiane System (acv = 1). LEDs bieten aufgrund der einfachen Farbsteuerbarkeit, der Verfügbarkeit verschiedenster
261
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
„weißer“ Lichtfarben und ihrer hohen Energieeffizienz optimale Möglichkeiten, die
visuelle und die biologische Wirkung gleichzeitig und in gewissen Grenzen unabhängig voneinander zu optimieren. Die OLED als Lichtquelle der Zukunft bringt den
weiteren Vorteil einer flächigen Beleuchtung, wie sie für eine erhöhte biologische
Wirkung wünschenswert ist. Die Kombination verschiedener Lichtquellen mit geeigneten Leuchten und intelligenten Steuerungen ermöglicht ein Lichtmanagement, das
den natürlichen biologischen Rhythmus unterstützt und unser Wohlbefinden nachhaltig verbessert.
Abstract
The proof of the existence of a third type of photoreceptor in the retina of the human eye has led to intensive research work in the lighting industry, scientific lighting
institutes and other disciplines like medicine and biology. The goal is a better understanding of these biological, non image forming effects of light. This research work is
pursued in a highly interdisciplinary way with contributions of experts for lighting,
medical doctors, biologists, psychologists and others.
Even though the current research results cannot answer all the open questions, it
seems clearly visible, that the requirements on illumination will have to take into account much more than before the aspects of biological effects of light on humans.
New recommendations for lighting design as well as norms and standards for illumination have to be developed and introduced under the aspect of the biological effects of lighting.
The existing standards for illumination are not being challenged, but they have to be
further developed by taking into account the biological effects of lighting.
Biological efficient illumination, simultaneously satisfying high demands on energy
efficiency, is only possible by optimization of the spectral composition of the light.
Energy efficient light sources like fluorescent lamps or LEDs are the suitable basis
for this purpose. Fluorescent lamps like the SKYWHITE with an enhanced emission
in the blue spectral region are fulfilling the requirements on energy efficiency (luminous efficiency > 85 lm/W), on good light quality for vision (CRI > 80), and on a biological efficiency which is comparable to daylight and can effectively address the circadian system (acv = 1). As the color of LEDs can easily be controlled and various
different “white” colors are possible, they are offering a distinguished potential to
262
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
optimize visual and biological properties simultaneously and to a certain extend independently. The OLED as the future light source will add the advantage to be a laminar light source as requested for increased biological efficiency.
The combination of different light sources with suitable luminaires and intelligent
controls enables a light management that supports the natural biological rhythm and
has a lasting effect on improving our well-being.
1. Biologische Grundlagen
Die Dynamik des Tageslichtes, der Wechsel von Tag und Nacht im 24h Rhythmus
und die räumliche Herkunft des natürlichen Lichtes von „oben“ begleiten und bestimmen die Evolution des Lebens seit Millionen und Abermillionen von Jahren. Die
genetischen Grundlagen der menschlichen Entwicklung bestimmen, wie wir auf
Licht reagieren und welche Bedeutung es für unser tägliches Leben hat. Trotzdem
hat die Wissenschaft erst in diesem neuen Jahrtausend wesentliche Beiträge geliefert,
die uns die Zusammenhänge zwischen Licht und dessen Wirkung auf den menschlichen Körper klarer machen. Während die Wirkung und die Bedeutung von Licht für
das visuelle System seit vielen Jahren verstanden und Gegenstand kontinuierlicher
Verbesserungen ist, wird die biologische Wirkung, welche Licht durch das Auge auf
das vegetative System des Menschen hat erst allmählich klar. Diese Erkenntnisse
sind in den letzten Jahren in den wissenschaftlichen Tagungen der Lichttechnik ausgiebig dargestellt worden und sollen hier nicht ein weiteres Mal behandelt werden.
Insbesondere die von Brainard und anderen erkannten spektralen Zusammenhänge
haben zu umfangreichen Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet geführt, an denen
sich sowohl die Lampen- und Leuchtenindustrie als auch die wissenschaftliche Lichttechnik beteiligen.
263
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
LICHT
Biologische Wirkung
Visuelle Wirkung
•
•
•
•
•
•
•
Abbildung 1
Abbildung
Lichtintensität
Kontrast
Muster, Formen
Bewegung
Wahrnehmung •
•
Information
•
•
•
Emotionale
Wirkung
Emotionen
Wohlbefinden
Komfort
Akzeptanz
Zufriedenheit
• Circadianer
Rhythmus
• Innere Uhr
• Wachsamkeit
• Müdigkeit
• Hormonproduktion
• Vitalität
• Blutkreislauf
• Stoffwechsel
biologische und visuelle Wirkungen von Licht
Die Möglichkeit nun nicht mehr nur durch höhere Beleuchtungsstärken, sondern
durch Veränderungen im Lampenspektrum die biologische Wirkung des Lichts zu
beeinflussen, hat zu Neuentwicklungen von Lichtquellen mit veränderten Lampenspektren geführt. Nicht nur die Lampenindustrie hat daraufhin Lichtquellen mit erhöhtem Blauanteil entwickelt, auch von der Leuchtenindustrie wurden verstärkt
Leuchten realisiert, mit dem Anspruch eine biologische, gesunde, das Wohlbefinden
verbessernde Beleuchtung zu ermöglichen.
Abbildung 2
Ergebnisse von Brainard aus [6] und Vorschlag für eine circadiane
Funktion c(λ) von Gall nach [8] im Vergleich mit der v(λ)-Kurve
Basierend auf den Daten von Brainard hat Gall von der TU Ilmenau 2003 und 2004
eine Metrik vorgeschlagen, die eine vergleichende Bewertung der melatoninunterdrückenden Wirkung verschiedener Lichtquellen ermöglicht [8]. Gall hat die Ähnlichkeit des von Brainard gezeigten Aktionsspektrums für nächtliche Melatoninunter-
264
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
drückung mit der v(λ)-Kurve (Augenempfindlichkeit für Sehen im Hellen) als Basis
genommen und eine circadiane Wirkungsfunktion c(λ) vorgeschlagen. Lampenspektren können danach sowohl visuell mit v(λ) als auch „circadian“ mit c(λ) bewertet
werden. Das Verhältnis beider Bewertungen wurde als circadianer Wirkungsfaktor acv
bezeichnet. Damit ist ein relativer Vergleich der biologischen Wirkung verschiedener
Lichtquellen möglich.
780 nm
circadian bewerteteStrahlung
a cv =
=
visuell bewertete Strahlung
∫Φ
eλ
⋅ c(λ ) ⋅ dλ
∫Φ
eλ
⋅ v(λ ) ⋅ dλ
380 nm
780 nm
380 nm
Abbildung 3
Spektrum einer 8000K Leuchtstofflampe mit den Wirkungsfunktionen
v(λ) für Tagsehen und c(λ) für die biologische, melatoninunterdrückende Wirkung nach
Gall.
Die Entwicklung von Leuchtstofflampen mit erhöhtem Blauanteil war die erste Reaktion der Lampenindustrie auf den Nachweis des „dritten Photorezeptors“ und das
wachsende Verständnis um die Bedeutung der biologischen Wirkung des Lichts. Jede
andere Lichtquelle kann aber ebenso hinsichtlich ihrer biologischen Wirkung bewertet und auf maximale oder minimale Wirkung hin optimiert werden. Lichtquellen wie
die LED bringen die Möglichkeit einer gezielten Anpassung des Lichtspektrums bereits mit. So bieten weiße LED, deren Spektrum aus einer Kombination von blauem,
im Halbleiter erzeugtem Licht, und dem im Leuchtstoff erzeugten breitbandigem
Grün-Gelb Anteil zusammengesetzt ist, die Möglichkeit durch Anpassung der Blauund Gelbanteile die biologische Wirkung gezielt zu verändern. Rein gelbe LED haben nur eine minimale biologische Wirkung, rote LED überhaupt keine mehr. Die
einfachen Möglichkeiten, mit LED die Lichtfarbe zu beeinflussen, eröffnen das Potenzial zu einer gezielten Anpassung der biologischen Wirkung einer Beleuchtung. So
265
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
können z.B. warmweiße Leuchtstofflampen mit blauen LEDs oder tageslichtweiße
mit gelben und roten LEDs in Hybrid-Lichtquellen kombiniert werden. Das Verhältnis von biologischer zu visueller Wirkung kann damit in weiten Grenzen variiert werden.
Abbildung 4
Spektrum einer weißen LED mit 4500K und einem circadianen Wirkungsfaktor a(cv)=0,55 im Vergleich zu einer gelben LED, die nur einen a(cv) von 0,01 aufweist.
Die Bedeutung von hellem, tageslichtähnlichem Licht zur Verbesserung des Wohlbefindens und zur Stabilisierung des circadianen Rhythmus, d.h. der inneren Uhr, ist
weitgehend unumstritten. Dennoch fehlen bis heute allgemein anerkannte Planungsempfehlungen zur Umsetzung dieser Erkenntnisse in Beleuchtungsanlagen, die neben einer guten Beleuchtung auch die biologischen Wirkungen von Licht effizient
ausnutzen. Dies soll im Folgenden weiter behandelt werden.
Zum Zweck der gemeinsamen Erarbeitung solcher Empfehlungen wurde eine Arbeitsgruppe von Vertretern der Lichtindustrie beim ZVEI gegründet. In der TAG
12.7 diskutieren Vertreter der Lampen- und Leuchtenindustrie aktuelle Themen der
biologischen Wirkung von Licht auf den Menschen mit dem Ziel, gemeinsame Anwendungsempfehlungen zu erarbeiten. Aus dieser Arbeitsgruppe heraus wurde im
Rahmen des Projektes INS (Innovationen durch Normen und Standards) der Fachnormenausschuss Lichttechnik FNL 27 „Wirkung des Lichts auf den Menschen“
beim DIN gegründet. Dieser hat zum Ziel, die Voraussetzungen für eine Normierung von Begriffen und Messverfahren zur Bewertung der biologischen Wirkung von
Licht zu erarbeiten. Hier sind auch Experten aus den Bereichen Medizin und Chronobiologie sowie Vertreter der wissenschaftlichen Lichttechnik mit einbezogen.
Konkretes Ziel ist die Erstellung einer Vornorm zur Bewertung von Lichtquellen
266
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
und ggf. Beleuchtungssituationen unter dem Gesichtspunkt ihrer biologischen Wirkung.
2. Biologisch wirksame Beleuchtung
Die biologische Wirkung von Licht auf das circadiane System wird zwar durch das
Auge vermittelt, hat jedoch nichts mit dem Sehvorgang zu tun. Die retinalen Ganglienzellen wirken nicht bildgebend. Auch bei einer biologisch wirksamen Beleuchtung
sind im Innenraum die anerkannten und standardisierten Anforderungen an eine
energieeffiziente und für visuelle Aufgaben hochwertige Beleuchtung zu erfüllen. Es
gelten aber darüber hinaus noch weitere Regeln bei der Gestaltung einer Beleuchtungsanlage für biologisch effiziente Beleuchtung. Während die für das Sehen am
Tage verantwortlichen Photorezeptoren – die Zapfen – im Zentrum der Netzhaut in
der Sehgrube (Fovea, Gelber Fleck) konzentriert sind, sind die melanopsinhaltigen
Ganglienzellen, welche die biologische Wirkung vermitteln, über die gesamte Retina
verteilt. Biologisch wirksames Licht sollte möglichst viele der retinalen Ganglienzellen erreichen. Dazu muss das Licht aus einer großflächigen Lichtquelle kommen, die
einen erheblichen Teil des Gesichtsfeldes einnimmt. Dabei ist die Empfindlichkeit
für Melatoninunterdrückung im unteren und nasalen Bereich der Retina höher als im
oberen Bereich [1], [2]. Damit die Rezeptoren im unteren Bereich der Netzhaut angeregt werden, muss das Licht somit bevorzugt von oben kommen.
Abbildung 5
Schematische Darstellung der Abbildung einer flächigen Lichtquelle im
oberen Halbraum des Gesichtsfeldes auf den unteren Netzhautbereich.
Eine effiziente Anregung größerer Netzhautbereiche mit melanopsinhaltigen Rezeptoren ist nur über die Abbildung leuchtender Flächen auf diese Netzhautbereiche
267
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
möglich. Dies ist eine Erweiterung der bisherigen Standards, die sich im Wesentlichen auf eine gute Ausleuchtung der Sehaufgabe konzentrieren und die Peripherie
nur insoweit mit berücksichtigen, dass Blendwerte und Kontraste begrenzt werden.
Mindestwerte für vertikale Beleuchtungsstärken sind nur in Ausnahmefällen definiert.
3. Anforderungen an Leuchten
Die Anordnung und Empfindlichkeit der retinalen Ganglienzellen in der Netzhaut
haben zur Folge, dass für eine biologisch effiziente Beleuchtung großflächige, für das
Auge sichtbare Leuchtdichten an Wänden oder größeren Flächen notwendig sind.
Flächige Lichtquellen wie z.B. die OLED als Lichtquelle der Zukunft sind dafür ideal
geeignet. Heute sind flächige Leuchtstofflampen wie die PLANON denkbar. Die
meisten Lampen sind jedoch stabförmig oder punktförmig und besitzen relativ hohe
Leuchtdichten. Diese können nur durch die geeignete Bauform von Leuchten beherrscht werden. Leuchten können mit großen Lichtaustrittsflächen konstruiert werden, die das Licht streuen oder lenken. Dabei können leicht mehrere Lampen in verschiedenen Lichtfarben eingebaut werden, um einen Wechsel der Farberscheinung
zu ermöglichen. Bei vertikalen direkt sichtbaren Leuchtdichten ist die Blendbegrenzung zu beachten. Des Weiteren sind Leuchten geeignet, die über einen hohen Indirekt-Anteil verfügen und so die Decke erhellen. Ebenfalls geeignet sind Wallwasher,
die Wände oder vertikale Flächen anstrahlen. Es gibt auf dem Leuchtenmarkt bereits
einige Beispiele, die diese Anforderungen mit Lichtquellen wie z.B. T5-Leuchtstofflampen sehr gut umsetzen.
Abbildung 6
vertikale, ins Auge abbildbare Leuchtdichten im Raum für eine effiziente
Anregung der „biologischen“ Rezeptoren im Auge
268
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
4. Die Bedeutung von Materialeigenschaften
Zusätzlich zu dem Bestreben einen möglichst hohen Leuchtenwirkungsgrad im Visuellen zu erreichen, kommt bei der biologischen Wirkung die Notwendigkeit hinzu,
Verluste im Blauen zu minimieren. Hierbei ist besonderes Augenmerk darauf zu richten, dass der von der Lampe zur Verfügung gestellte erhöhte Blauanteil nicht durch
ungeeignete Materialien in der Leuchte wieder zunichte gemacht wird. In modernen
Leuchten wird gezielte Lichtlenkung häufig durch vielfache Reflexionen und Streuungen von Licht bewirkt. Verwendete Materialien sind daher bezüglich ihrer spektralen Eigenschaften hinsichtlich Reflexion und Transmission zu bewerten. Mehrfachreflexionen in Leuchten können bereits relativ geringe Farbverschiebungen verstärken.
So kann es durch Leuchten- oder Raumeinflüsse leicht vorkommen, dass von den
8000K Farbtemperatur einer Lampe nur noch 6500K im Raumlicht übrigbleiben und
damit auch die biologische Wirkung reduziert wird.
Abbildung 7
Schematische Darstellung eines semitransparenten und eines reflektierenden Elements an einer Leuchte zur Erzeugung vertikaler Leuchtdichten.
Die spektralen Eigenschaften von Materialien sind gerade im blauen Spektralbereich
häufig nicht genügend bekannt, da Reflexion und Transmission im Allgemeinen nur
integral, d.h. v(λ)-bewertet, gemessen werden. Beim Design von Leuchten unter dem
Gesichtspunkt der biologischen Wirkung ist es hingegen notwendig, die spektralen
Eigenschaften von Materialien und deren Alterungsbeständigkeit unter Einwirkung
von Licht mit höherem Blauanteil bei erhöhten Temperaturen zu beachten. Bei
LEDs, die für Allgemeinbeleuchtungszwecke häufig mit Linsensystemen aus Kunststoffen versehen werden, ist darauf zu achten, dass die Kunststoffe gute Transmissionseigenschaften im blauen Spektralbereich haben und diese auch über die Lebensdauer behalten.
269
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
Transmission eines leicht vergilbten
Kunststoffelements
Abbildung 8
Reduzierter Blauanteil im abgestrahltem Licht einer Leuchte durch Absorption in Kunststoffelementen (vgl.Bild 3). Das Absorptionsspektrum ist in rot dargestellt
Auch der Einfluss von Raumelementen spielt bei Licht mit höherem Blauanteil eine
wichtige Rolle. Holzelemente oder Rot- und Brauntöne bei Wandfarben können
durch Absorption der Blauanteile die biologische Wirkung einer Lichtquelle erheblich reduzieren. Bei der Bewertung der spektralen Eigenschaften ist neben der integralen v(λ)-bewerteten Transmission oder Reflexion im visuellen auch eine circadian
bewertete Transmission oder Reflexion zu berücksichtigen.
Abbildung 9
Beispiele für die Transmission verschiedener Kunststoffmaterialien hinsichtlich der biologischen Wirkung (c(λ)-bewertet) aufgetragen gegen die Transmission
im optischen Bereich (v(λ)-bewertet). Ein Wert von 1 bedeutet dabei, dass die Wirkung
der Lichtquelle nicht verändert wird.
270
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
5. Dynamisches Licht
Es wäre nun falsch, die bestehenden technischen Möglichkeiten dahingehend auszunutzen, dass die biologische Wirkung pauschal maximiert wird. Aufgrund der starken
Beeinflussung der inneren Uhr durch biologisch wirksames Licht ist es erforderlich,
die Lichtwirkung im Einklang mit dem → circadianen Rhythmus der betroffenen
Personen zu gestalten. Vereinfacht ausgedrückt kann man sagen, dass eine stärkere
biologische Wirkung in Zeiten erhöhter Aktivität gewünscht ist, während in Ruhezeiten die biologische Lichtwirkung reduziert werden sollte. Der natürliche Verlauf von
Lichtfarben und Intensitäten des Tageslichts ist das Vorbild für eine an der menschlichen Biologie orientierte Beleuchtung.
Abbildung 10 Die mit Kunstlicht nicht vollständig realisierbare Dynamik des Tageslichtes kann dennoch als Orientierungshilfe dienen
Auch wenn die volle Dynamik des Tageslichtes nicht durch Kunstlicht realisierbar
ist, so ist doch die Kenntnis der natürlichen Verläufe eine wichtige Orientierungshilfe
für die Realisierung von dynamischen Tageslichtsimulationen. Statt statischer Beleuchtungssituationen ermöglicht dynamische Tageslichtsimulation eine an der Natur
orientierte Beleuchtung, während bei üblicher Standardbeleuchtung die Lichtverhältnisse im Büro selbst in Räumen mit Fenstern kaum durch das Tageslicht beeinflusst
werden (vgl. Bild 11).
271
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
10000
Lux außen
4500
Beleuchtungsstärke [lx]
Farbtemperatur (CCT)
Natürliche Beleuchtungsstärke 21.11.2006, München,
Halbraum, vertikal, Richtung Norden, Nebel
Lux innen,
Schreibtisch
4000
3500
3000
2500
2000
1500
1000
9000
Farbtemperatur [K]
5000
CCT außen
8000
7000
CCT innen,
Schreibtisch
6000
5000
4000
3000
500
0
07:30 08:30 09:30 10:30 11:30 12:30 13:30 14:30 15:30 16:30
Tageszeit
2000
07:30 08:30 09:30 10:30 11:30 12:30 13:30 14:30 15:30 16:30
Tageszeit
Abbildung 11 Dynamik des Tageslichtverlaufs bzgl. Farbtemperatur und vertikaler Beleuchtungsstärke an einem trüben Novembertag im Vergleich zur Bürobeleuchtung
Durch Kombination effizienter Lichtquellen mit intelligenter Steuerungstechnik und
moderner Sensorik ist eine dynamische Tageslichtsimulation möglich, ohne die Standards in Bezug auf Energieeffizienz oder Beleuchtungsqualität einschränken zu müssen.
Abbildung 12 mit zwei Lichtfarben bestückte Leuchte zur dynamischen Simulation des
Tageslichtverlaufs, links direkt-indirekt-strahlend, rechts transmittierend
Geeignete Lampen, Leuchten, intelligente Vorschaltgeräte und Licht-ManagementSysteme um dies zu realisieren, stehen zur Verfügung: z.B. direkt / indirekt strahlende Leuchten, die mit zwei Lichtfarben bestückt sind und durch eine DALI Steuerung
in Intensität und Lichtfarbe verändert werden können. So kann z.B. ein Farbtemperaturverlauf wie er dem Anwender aus der Natur vertraut ist, in Innenräumen nachgebildet werden.
Abbildung 13
Lichtfarben
272
schematische Darstellung der Ansteuerung von zwei verschiedenen
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
Beleuchtungsanlagen, die eine erhöhte biologische Effizienz anstreben, sollten dies
bezüglich Beleuchtungsniveau, Lichtfarbe und Verlauf berücksichtigen.
Speziell in Räumlichkeiten, in denen sich Menschen über sehr lange Zeiten aufhalten,
ist eine sich verändernde Lichtführung von großer Bedeutung. Ein Beispiel sind Heime für ältere Bewohner, in denen ein unterstützter Tagesablauf große Akzeptanz findet. Speziell das Wach- und Schlafverhalten wird so unterstützt. Umsetzbar ist dies
mit Lichtsteuerung und der Leuchte CIELOS:
Quelle: []
Abbildung 14 Ablauf einer sich verändernden Lichtsituation in einem Altenheim. Von
morgens über mittags bis zum Abend verändern sich die Farbtemperatur und die Lichtstimmung
Für Personen, die am Tage arbeiten, aber aufgrund ihrer Tätigkeit in Innenräumen
weitgehend vom natürlichen Tageslicht abgeschlossen sind, ist eine Orientierung der
Beleuchtung am Tageslichtverlauf sinnvoll.
Bei Nachtschichtarbeitern ist die Situation schwieriger, da hier zum Licht in der
Nacht auch schwer kontrollierbare Einflüsse durch Licht am Tage hinzukommen.
Schichtarbeiter werden nicht einfach den Tag über verschlafen um sich nicht dem
Licht auszusetzen, auch wenn dies von der Stabilisierung der circadianen Rhythmik
her die vielleicht beste Lösung wäre. Hier ist es erforderlich, Schichtarbeitsmodelle
zu entwickeln, die unter Einbeziehung einer optimierten Beleuchtung am Arbeitsplatz und im häuslichen Bereich bei gleichzeitiger Berücksichtigung der sozialen
Aspekte die innere Uhr nicht ständig durcheinander bringen. Zu diesen Themen sind
weitere Studien notwendig, welche z.T. im Rahmen der aktuellen Forschungsarbeiten
bereits begonnen wurden. Für die nächsten Jahre werden hier interessante Ergebnisse erwartet.
273
Wirkungen sichtbarer Strahlung II
6. Literaturhinweise
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]
274
Glickman, G. et al.: Inferior Retinal Light Exposure Is More Effective than Superior
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Rhythms, Vol. 18, No. 1 (2003), p71-79
Rüger, M. et al.: Nasal versus Temporal Illumination of the Human Retina: Effects
on Core Body Temperature, Melatonin, and Circadian Phase. Journal of Biological
Rhythms, Vol. 20, No. 1 (2005), p.60-70
Schierz, C.: Leben wir in der “biologischen Dunkelheit”. Licht 2002; Sept.
2002, Maastricht; Tagungsband S. 381-389
Rea, M.: Light – Much more than vision
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Health: EPRI/LRO 5th International Lighting Research Symposium: Palo
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Institute (2002): p.1-15
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August 15 (2001), 21(16):p. 6405–6412
Thapan, K., Arendt, J., and Skene, D. J.: An action spectrum for melatonin
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in humans. The Journal of Physiology 2001, 535 (1) 261
Berson, D. M., et al.: Phototransduction by Retinal Ganglion Cells That Set the
Circadian Clock. SCIENCE Vol. 295 (2002), p.1070
Gall, D.: Die Messung Circadianer Strahlungsgrößen, 2004
http://www.tu-Ilmenau.de/fakmb/fileadmin/template/fglt/publikationen/
2004/Vortrag_Gall2004.pdf
Abschlussvortrag
Auge, Chronohygiene und Beleuchtung
Kurzfassung
Wolfgang Ehrenstein
Die ausführliche Fassung des Referates, einschließlich eines umfangreichen Literaturverzeichnisses, finden Sie auf der CD, die den Teilnehmern des Symposiums zusammen mit
dem Symposiumsband ausgehändigt wird.
Die Photorezeptoren der Augen dienen nicht nur dem Sehen und damit der räumlichen Orientierung in der Umwelt, sie sind auch maßgeblich für unsere zeitliche Orientierung.
Terrestrische und biologische Zeitordnung
Seit Jahrmilliarden dreht sich die Erde um ihre eigene Achse und um die Sonne. Dadurch ist die Oberfläche der Erde zeitweise der Sonne zugewandt und damit den
Sonnenstrahlen ausgesetzt, zeitweise von der Sonne abgewandt und dem Einfluss der
Sonnenstrahlung entzogen. Wir nehmen diese Änderungen mit unseren Augen wahr
als steten Wechsel zwischen Tag und Nacht.
Durch diesen Tag-Nacht-Rhythmus ändern sich die Lebensbedingungen auf der
Erde in vorhersagbarer Weise im 24-h-Rhythmus. Alle Lebewesen, die dem TagNacht-Wechsel in ihrer ökologischen Nische ausgesetzt sind, haben sich diesem
Rhythmus genetisch angepasst. Sie besitzen eine biologische Uhr, mit deren Hilfe sie
sich auf die tagesrhythmischen Änderungen in ihrer Umwelt rechtzeitig vorbereiten.
Als Ergebnis dieser komplexen Anpassung entsteht in jedem Organismus ein funktionelles Äquivalent zum äußeren Tag-Nacht-Wechsel. Wir sprechen vom Wechsel
zwischen innerem oder biologischem Tag und innerer oder biologischer Nacht.
Die Basis der biologischen Uhren liegt im Zellstoffwechsel jeder einzelnen Zelle begründet. Im Zentrum dieser Uhren befinden sich Gene, deren Genprodukte mit starker zeitlicher Verzögerung ihre eigene Produktion hemmen. Dadurch unterliegt die
Menge dieser Genprodukte unter konstanten Umgebungsbedingungen rhythmischen
Schwankungen. Deren Periodendauer beträgt etwa 24 Stunden (circadiane Rhythmen).
275
Abschlussvortrag
Natürliche Zeitgeber und Zeitnehmer, Timing System, zentraler Schrittmacher
Biologische Uhren müssen regelmäßig gestellt werden, damit sie richtig gehen und
äußerer und biologischer Tag zeitlich nicht auseinander fallen. Umweltfaktoren, die
die biologische Uhr stellen, werden in der Chronobiologie als Zeitgeber bezeichnet.
Der wichtigste Zeitgeber für Pflanzen, Tiere und Menschen ist das Sonnenlicht. Um
als Zeitgeber wirksam werden zu können, benötigt das Licht im Organismus Zeitnehmer, die das Sonnenlicht absorbieren.
Die weitaus meisten biologischen Uhren der Billionen von Körperzellen des Organismus von Menschen und Säugetieren besitzen keine Zeitnehmer für Licht. Sie erhalten Zeitgeberinformationen von den Zellen eines hierarchisch gegliederten Timing Systems, dessen oberste Schaltzentrale sich in den beiden suprachiasmatischen
Nuclei (SCN) des Hypothalamus befindet. Auch die Nervenzellen dieses zentralen
Schrittmachers enthalten keine Rezeptoren für Licht.
Zeitnehmer für den Zeitgeber ´Licht´ befinden sich vielmehr bei Menschen und Säugetieren ausschließlich in der Netzhaut des Auges. Dort sind die Stäbchen und Zapfen als spezialisierte Rezeptorzellen für Licht seit langem bekannt. Erst vor wenigen
Jahren wurde eine kleine Minderheit von retinalen Ganglienzellen entdeckt, die das
Photopigment Melanopsin enthalten. Diese Ganglienzellen sind dadurch selbst photosensitiv (intrinsically photosensitive Retinal Ganglion Cells, ipRGC), im Gegensatz
zu der großen Mehrheit der übrigen Ganglienzellen.
In der Netzhaut gibt es demnach 5 Typen von Rezeptorzellen für Licht: Stäbchen
mit dem Photopigment Rhodopsin, Zapfen mit drei unterschiedlichen Formen des
Photopsins und ipRGC mit dem Photopigment Melanopsin.
Das Maximum der spektralen Absorption des Melanopsins liegt im kurzwelligen Bereich des sichtbaren Spektrums bei etwa 460-480 nm. Die ipRGC sind über bipolare
und amakrine Zellen mit Stäbchen und Zapfen verbunden.
Alle fünf Photorezeptoren senden ihre Informationen über die Axone der retinalen
Ganglienzellen zum einen im Tractus opticus in die Hirnrinde zu den Zentren des
Gesichtssinns (visuelle Wirkungen), zum anderen im retinohypothalamischen Trakt
(RHT) in den Hypothalamus des Hirnstamms zu den Zentren der vegetativen Regu-
276
Abschlussvortrag
lation und zum zentralen Schrittmacher des Timing Systems (SCN) (biologische Wirkungen). Die meisten Fasern des RHT stammen aus den ipRGC.
Die Einwirkung des Lichts auf hypothalamische Zentren erfolgt auf zwei Wegen, mit
oder ohne Zwischenschaltung des zentralen Schrittmachers. Chronobiologen bezeichnen die eine Wirkung als Zeitgeberfunktion des Lichtes, die andere als Maskierung.
Das körpereigene Signal für die Dunkelheit der Nacht ist das Hormon Melatonin. Es
wird in der Zirbeldrüse gebildet. Seine Sekretion steht unter der Kontrolle des zentralen Schrittmachers.
Dieser besteht funktionell aus zwei Teilen: Mit fortschreitender Abenddämmerung
gibt der Abendoszillator die Sekretion von Melatonin frei, der Melatoninspiegel im
Blut steigt; im Verlauf der Morgendämmerung hemmt der Morgenoszillator mehr
und mehr die Sekretion von Melatonin, der Melatoninspiegel sinkt.
Abend- und Morgenoszillator sind aneinander gekoppelt. Die Kopplungsstärke kann
durch den Licht-Dunkel-Wechsel moduliert werden. Unter bestimmten Bedingungen
können sich die beiden Oszillatoren sogar vollständig entkoppeln.
Zeitgeberfunktion von Licht
Die Zeitgeberfunktion eines Lichtreizes hängt von mehreren Faktoren ab: 1. der circadianen Phase, 2. der Intensität, 3. der Dauer, 4. dem Spektrum und 5. der räumlichen Verteilung auf der Netzhaut.
In der Mitte des biologischen Tages besitzt Licht keine Zeitgeberfunktion. Am biologischen Nachmittag, biologischen Abend und in der ersten Hälfte der biologischen
Nacht wirkt ein Lichtreiz auf den Abendoszillator und verstellt ihn umso stärker
nach hinten (phase delay), je später der Lichtreiz gesetzt wird. In der zweiten Hälfte
der biologischen Nacht, am biologischen Morgen und am biologischen Vormittag
wirkt der Lichtreiz auf den Morgenoszillator und verstellt ihn umso stärker nach
vorn (phase advance), je früher der Lichtreiz gesetzt wird. Auf diese Weise kann der
zentrale Schrittmacher unter natürlichen Beleuchtungsbedingungen dem Wechsel der
Jahreszeiten Rechnung tragen, so dass unter natürlichen Beleuchtungsbedingungen
im Sommer die biologische Nacht kürzer ist als im Winter, ohne dass sich die Phase
zwischen äußerer und innerer Nacht verschiebt.
277
Abschlussvortrag
Je intensiver ein Lichtreiz und je länger seine Dauer, desto stärker die Wirkung. Dies
gilt nicht nur für das Sehen, sondern auch für die Zeitgeberwirkung des Lichts. Allerdings reagiert das Timing System ungleich träger und wesentlich unempfindlicher auf
Licht als das visuelle System.
Der kurzwellige Anteil des Spektrums wird als Zeitgeberreiz stark gewichtet. Kerzen
und Glühlampen sind daher schwache, Tageslicht und kaltes Kunstlicht hingegen
starke Zeitgeber.
Die ipRGC integrieren die Leuchtdichte im Gesichtsfeld. Einige Befunde sprechen
dafür, dass sie die unteren und nasalen Netzhautareale stärker berücksichtigen als die
oberen und schläfenseitigen. Auf den basalen Arealen wird bei horizontaler Blickrichtung im Freien der Himmel, in Innenräumen die Decke abgebildet. Die gleiche
Lichtmenge ist als Zeitgeberreiz bei Nacht wirksamer, wenn sie statt auf eine, auf
zwei Netzhäute verteilt wird.
Schlaf-Wach-Regulation
Die optimale Regulierung von Schlafen und Wachen ist für Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsbereitschaft des Menschen wesentlich. Ein einfaches Modell deutet
die Grundlagen der Schlaf-Wach-Regulation durch das Zusammenwirken von 2 Faktoren, dem circadianen Faktor C und dem homöostatischen Faktor S.
Man kann das Verhalten von Prozess S mit dem Laden und Entladen einer elektrischen Batterie vergleichen. Im Wachzustand wird S aufgeladen, anfangs schneller,
dann immer langsamer. Im Schlaf wird S entladen, zuerst schneller, dann immer
langsamer. Die Entladung im Schlaf erfolgt etwa doppelt so schnell wie die Aufladung im Wachzustand. Je höher der Ladezustand von S, desto größer die Schlafbereitschaft.
Die ergotrope circadiane Phase erhöht die Vigilanz, die trophotrope Phase senkt sie.
Das trophotrope Minimum fällt in etwa mit dem circadianen Minimum der Körperkerntemperatur zusammen.
Die nächtliche Schlafdauer des Menschen beträgt im Mittel etwa 7 – 8 Stunden. Einschlafen und Durchschlafen bis zum spontanen Erwachen sind am besten gewährleistet, wenn das circadiane Minimum der Kerntemperatur bei jüngeren Erwachsenen
etwa 2 Stunden vor dem spontanen Erwachen durchschritten wird. Bei älteren Men-
278
Abschlussvortrag
schen ist die Zeitspanne zwischen diesem circadianen Minimum und dem spontanen
Erwachen deutlich verkürzt.
Bei starken Verschiebungen des Schlaf-Wach-Rhythmus gegen den Tagesrhythmus
der Netzhautbelichtung, wie er beim plötzlichen Wechsel von Tagschichtarbeit zu
Nachtschichtarbeit oder nach den Flug über mehrere Zeitzonen hinweg als Jetlag beobachtet wird, fällt der Schlaf mit einer ungünstigen circadianen Phase zusammen
und ist daher gestört, entweder beim Einschlafen oder beim Durchschlafen oder bei
beidem. Das geht mit Missempfindungen und Minderungen der Vigilanz und Leistungsbereitschaft einher, die wieder verschwinden, sobald sich die normale Phasenlage zwischen Schlaf-Wach-Rhythmus und circadianer Phase wieder eingestellt hat.
Dauert die biologische Nacht im Winter zu lang, kann der Abendoszillator ein frühes
Zubettgehen begünstigen, dem in der Nacht eine längere Wachphase folgt, ehe der
Morgenoszillator gegen Morgen ein längeres Wiedereinschlafen ermöglicht.
Biologische Wirkung von natürlichem und künstlichem Licht
Vor der Einführung des elektrischen Lichts hatte die künstliche Beleuchtung von
Kerzen und Öllämpchen nur eine minimale biologische Wirksamkeit, die im Vergleich zum Tageslicht kaum ins Gewicht fiel. Daher standen die Menschen der damaligen Zeit weitaus stärker unter dem ´Diktat der Nacht´ als heutzutage, wo insbesondere das Licht von Leuchtstofflampen am Arbeitsplatz eine starke biologische Wirksamkeit besitzt.
Diese Wirksamkeit birgt in steigendem Maße Chancen und Risiken für Gesundheit,
Wohlbefinden und Leistungsbereitschaft der Menschen. Ohne ein gezieltes Management der Beleuchtung und die dafür erforderliche circadiane Beleuchtungs-Technologie dürften die Risiken zunehmen und die Chancen nur unzureichend genutzt werden können.
Chronohygienische Ziele, Konzepte und beleuchtungstechnische Anforderungen an ein Management der circadianen Beleuchtung
Mit dem Management der circadianen Beleuchtung sollen zwei Ziele verfolgt werden: eines für die betroffenen Individuen, das andere für die Gesellschaft. In beiden
Fällen soll die zeitliche Funktionsordnung phasenstabilisiert und optimiert werden.
Kurzrotierte Schichtsysteme, wie sie in Deutschland noch immer empfohlen werden,
sind mit diesen Zielen unvereinbar.
279
Abschlussvortrag
Für das Management müssen Konzepte der retinalen Beleuchtung entwickelt werden, die sich nicht auf die Zeit am Arbeitsplatz beschränken, sondern den ganzen 24Stunden-Tag umfassen.
Dieser lässt sich in erster Annäherung als die Abfolge von zwei Haupt- und zwei
Übergangsphasen konzipieren, wobei jede Phase ihr eigenes Beleuchtungskonzept
benötigt.
1. Hauptphase:
natürliche oder künstliche Nacht
(Schlafraum)
1. Übergangsphase:
natürliche oder künstliche Morgendämmerung
(Schlafraum, Toilette, Küche bzw. Wohnraum)
2. Hauptphase:
natürlicher oder künstlicher Tag
(Weg zur Arbeit, Arbeitsplatz)
2. Übergangsphase:
natürliche oder künstliche Abenddämmerung
(Heimweg, Feierabend)
1. Hauptphase: Im Schlafraum und bei Schlafunterbrechungen sollte während der
ersten Stunden des Schlafes absolute Dunkelheit herrschen oder nur eine schwache,
warme Beleuchtung zur groben Orientierung vorhanden sein. Am Tage sollte während der ersten Stunden der Hauptphase kein kaltes Tageslicht in den Schlafraum
dringen.
1. Übergangsphase:
Wenn draußen im Hochsommer schon längere Zeit vor dem
geplanten Erwachen helllichter Tag herrscht, sollte ein Vorhang das Tageslicht
dämpfen, aber nicht gänzlich fernhalten. Bei Dunkelheit im Winter sollte eine künstliche Morgendämmerung das Aufwachen einleiten. Das Licht der künstlichen Morgendämmerung sollte mit sehr hoher Farbtemperatur beginnen. Nach dem Erwachen könnten dem Licht durch Knopfdruck stärkere Komponenten aus dem langwelligen Spektrum beigemischt werden bei weiter ansteigender Intensität.
In Toilette, Küche und Wohnzimmer wird zu dieser Zeit Tageslicht oder Kunstlicht
hoher Farbtemperatur und Intensität benötigt. Die Zeit nach dem Aufstehen ist bei
Frühschichtarbeit der wirksamste Zeitpunkt zur Vorverlagerung des biologischen
Morgenoszillators in frühere Morgenstunden. Das gleiche gilt im Winter auch bei
normalem Arbeitsbeginn, wenn man aufstehen muss, während es draußen noch dunkel ist.
280
Abschlussvortrag
2. Hauptphase: Der Weg zur Arbeit erfordert keine Abschirmung des Tageslichts, sofern nicht die Gefahr der Blendung bei direkter Sonneneinstrahlung besteht. Am Arbeitsplatz sollte wenn möglich Tageslicht genutzt werden. Ist dieses unzureichend,
sollte ein Licht hoher Farbtemperatur und Intensität dargeboten werden. Licht sollte
während dieser Zeit aus energetischen Gründen nicht als Zeitgeber eingesetzt werden. Diese Aufgabe sollte den sensibleren Übergangsphasen vorbehalten bleiben, wo
mit geringerem energetischen Aufwand größere Wirkungen zu erzielen sind.
2. Übergangsphase: Wenn man nach dem Ende der Arbeitszeit bald zu Bett gehen
möchte, weil man z. B. gleich nach der Nachtschicht schlafen möchte, empfiehlt es
sich, auf dem Heimweg am helllichten Tag eine Sonnenbrille zu tragen, um den biologischen Feierabend vorzeitig einzuleiten.
Will man im Sommer vor einer Frühschicht abends rechtzeitig zu Bett gehen, muss
man bei Tageslicht die Fenster verdunkeln und die übliche warme und gedämpfte
Wohnungsbeleuchtung eingeschalten. Diese ´Feierabendbeleuchtung´ ermöglicht die
Sekretion von Melatonin, die dem physiologischen Einschlafen um einige Stunden
vorausgeht.
Wenn es im Winter bereits um 17 Uhr zu dunkeln beginnt und man erst um Mitternacht zu Bett gehen möchte, tut man besser daran, in den frühen Abendstunden die
warme Feierabendbeleuchtung zu meiden und sich noch eine Weile einem taghellen,
kalten Kunstlicht auszusetzen. Die nach dem Erwachen erwünschte, taghelle Badbeleuchtung ist abends vor dem Schlafengehen kontraindiziert und erst recht bei einer
Schlafunterbrechung in der Nacht beim Gang zur Toilette.
Die wenigen skizzenhaften Anmerkungen zeigen zweierlei. Die vorherrschende warme und gedämpfte Beleuchtung der Privatwohnungen ist für ein Management der
circadianen Beleuchtung unzureichend. Sie ist gut zur Entspannung am Feierabend,
aber nicht empfehlenswert als künstliche Beleuchtung nach dem morgendlichen Erwachen. Eine kältere und hellere Morgenbeleuchtung in der heimischen Wohnung ist
nicht nur bei Frühschicht, sondern auch im normalen Berufsleben während des Winters angezeigt. Eine kalte Tageslichtbeleuchtung wird auch am arbeitsfreien Wochenende einer längeren Nachtschichtperiode benötigt.
Wir brauchen nicht nur, aber vor allem in den Privatwohnungen statt der Single use eine Multi use Beleuchtung mit rechnergesteuerten Beleuchtungssystemen, die permanente Beleuchtungsszenarien generieren, in denen Spektrum und Intensität, In281
Abschlussvortrag
feld- und Umfeldbeleuchtung tagesrhythmisch programmiert und gespeichert sind
und die bei Bedarf durch Anknipsen des Schalters an den verschiedenen Stellen der
Wohnung jederzeit das passende Beleuchtungsszenario zur Verfügung stellen.
Der gegenwärtige Kenntnisstand gestattet es lediglich, Empfehlungen für ein Grobtuning solcher Beleuchtungssysteme zu geben. Die Systeme würden es aber gestatten,
durch individuelle Nachjustierung sinnvolle Korrekturen für einzelne Nutzer vorzunehmen.
Es geht nicht um die Frage, ob ein circadianes Beleuchtungsmanagement eingeführt
werden soll, denn dieses wird mit den derzeit zur Verfügung stehenden, beschränkten technischen Mitteln längst eher schlecht als recht praktiziert. Es geht darum, das
massenhafte Vorkommen von pathologischer Lichtsucht, Lichtdoping und sozialem
Jet lag zu reduzieren und durch Beleuchtungsszenarien zu ersetzen, die Gesundheit,
Wohlbefinden und Leistungsbereitschaft auf physiologische Weise verbessern.
Ein verbessertes Management der circadianen Beleuchtung eröffnet neue soziale und
volkswirtschaftliche Perspektiven. Es gibt Pilotstudien, die zu der begründeten Hoffnung Anlass geben, die Qualität der Schlaf-Wach-Regulation von Senioren durch ein
effizientes Management der circadianen Beleuchtung erheblich zu verbessern und damit nicht nur die Lebensqualität der Senioren zu erhöhen, sondern auch die Sozialkassen zu entlasten.
Wenn die spezifischen gesundheitlichen Beanspruchungen durch Nachtarbeit entfallen, könnte die Nachtarbeit für ältere und beruflich erfahrene Menschen attraktiv
werden, die heute in der Regel aus gesundheitlichen Gründen von Nachtarbeit freigestellt sind. Dadurch könnten junge Eltern in größerem Maße als bisher von Nachtarbeit befreit werden, die sich auf diese Weise besser um ihre Kinder kümmern
könnten. Heute tragen die Jungen die Hauptlast der stark belastenden Nachtarbeit,
da sie gesundheitlich dazu noch in der Lage sind.
Ein erhöhter Energieverbrauch darf kein Grund sein, die Entwicklung dieser Technologie zu verzögern. Licht gehört wie Wasser, Luft und Lebensmittel zu den
Grundbedürfnissen des Menschen, deren Qualität aus Gründen der Energieeinsparung nicht reduziert werden darf. Legitim, notwendig und Erfolg versprechend
ist es, die Qualität der Technologie und des Managements zu verbessern und dabei
gleichzeitig den Energieverbrauch zu reduzieren. Dafür geben die bisherige technische Entwicklung und der rasante Fortschritt auf den Gebieten der chronobiologischen Grundlagenforschung Grund zum Optimismus.
282
Poster
Biologische Wirkungen von Licht
Fedor Benisowitsch
Institut für Licht & Gesundheit
Kilchbergstrasse 19a
CH – 8134 Adliswil
+41 44 715 42 11 / +41 79 666 90 35
www.lichtinstitut.ch / info@lichtinstitut.ch
Hintergrund:
In der Schweiz, aber auch in anderen europäischen Ländern, wird zurzeit über ein
Verbot der Leuchtmittel der Energieklassen F & G, später auch E diskutiert. Die
Verteidiger der Glühlampe führen viele Argumente ins Feld. Weniger Energie bei der
Produktion, problemlose Entsorgung (Glas) also kein Sondermüll, der Stromspareffekt der Kompaktlampen ist von der Brenndauer abhängig, Glühlampen verbreiten
eine angenehme Atmosphäre (Candle-Light-Dinner), die Wirkung des Verbots ist ein
Tropfen auf den heissen Stein etc. Das Bundesamt für Energie in der Schweiz will
300-500 von knapp 60 000 Gigawattstunden einsparen. Ansonsten möchte ich aber
auf diese Argumente nicht eingehen. Hingegen werden aber auch gesundheitliche
Vorteile von Glühlampen und entsprechende Nachteile der Kompaktlampen proklamiert. Ziel dieses Reviews ist es, diese Aspekte auf der Basis der aktuellen Literatur
zusammenzufassen.
Geschichte:
Nimmt man eine Achse von 5m Länge und an deren Ausgangspunkt das Aussterben
der Dinosaurier, dann erscheinen die ersten Vorfahren von uns (Ramapithecus), die
es gewagt haben von den Bäumen zu klettern nach ca. 3,8m. Auf den letzten 2 mm
finden wir den aufrecht gehenden Menschen, später den Menschen der das Feuer beherrscht. Der moderne Menschen (Cro-Magnon) erscheint auf dieser Skala gerade
mal auf den letzten 2mm! Auf der kleineren Achse wäre dann der moderne Mensch
12m entfernt. Hier findet sich dann die ganze bekannte Entwicklungsgeschichte des
Menschen über die alten Ägypter, Christi Geburt und das Mittelalter bis hin zur Neu-
283
Poster
zeit. Wiederum auf den letzten 2mm sehen Sie dann die Erfindung der Glühbirne
durch Edison. (Slide 1)
Zeitachse = 4 000 000 Jahre
1,2 m
Ramapithecus
ältester Ahn
Homo erectus
erster Mensch
Aussterben
der Saurier
5m
1,2 m
Erste Stadt
Jericho
Cro-Magnon
Mensch
Peking Mensch
beherrscht das
Feuer
Cro-Magnon
Mensch
Heute
Erfindung
des Rades
Bau der
Pyramiden
Christi
Geburt
Erfindung
Glühbirne
Zeitachse = 10 000 Jahre
Die Evolution des Homo sapiens ist für das Leben mit dem Wechsel von
Tageslicht und Nacht, aber nicht für das Leben mit Kunstlicht gemacht.
Haaf G.: Adam und Eva – Ursprung und Entwicklung des Menschen; Praesentverlag Heinz Peter (S 20 - 21) 1982
Der Mensch hat sich also in der Evolution über 50 Mio. Generationen vom Ramapithecus bis zum Homo sapiens entwickelt, immer unter dem Einfluss von Tages- oder
Sonnenlicht und Nacht. Wir Menschen, aber auch alle anderen Lebewesen und
Pflanzen sind also optimal diesem Licht angepasst, sonst hätten wir, oder sie nicht
bis zur Neuzeit überlebt, das ist das Gesetz der Evolution. Erst seit ca. 5 Generationen gibt es Kunstlicht mit einem Energie – Spektrum, v.a. bei Glühbirnen das sehr
weit von dem des Sonnenlichts abweicht. Bei Menschen die sich im Winter fast ausschliesslich unter Kunstlicht aufhalten, z.B. Angestellte in einem Shoppingcenter die
über Mittag nicht ins Freie gehen, herrscht ein akuter Mangel an Tageslicht, wodurch
gesundheitlich Probleme auftreten können. Das bekannteste ist die klassische Winterdepression.
Nachgewiesene Wirkungen:
Die biologischen Wirkungen von Licht sind für unsere Gesundheit von grosser Bedeutung. Das Hormon Melatonin, das uns müde macht, das Hormons Serotonin das
uns glücklich macht und Vitamin D3, welches multiple Wirkungen auf unseren Organismus hat, werden durch Licht beeinflusst. Dazu kommt noch das Sehen als solches. Je besser das Licht, desto weniger muss sich das Auge anstrengen um zu Sehen,
desto geringer ist das Risiko für Augenbrennen, desto kleiner die Wahrscheinlichkeit
284
Poster
zu ermüden, denn auch das Auge leistet Arbeit, ausgezeichnete Arbeit, und das ohne
dass wir es merken.
1. Melatonin
Untersuchungen, dass Licht die Freisetzung von Melatonin hemmen kann, gibt es
schon seit einiger Zeit. Brainard und Kollegen haben in einer Publikation 2001 berechnet, dass die optimale Wellenlänge zur Hemmung der Melatoninfreisetzung bei
464 nm liegt. Lockley und Kollegen haben darauf eine weitere Untersuchung gemacht und zwar bei 16 (ansonsten) blinden Menschen. Diese wurden in einer parallelen Untersuchung Licht von entweder 460 oder 555nm Wellenlänge ausgesetzt. Die
Resultate zeigen eine signifikant bessere Unterdrückung des Melatonins bei 460 nm
was auf Grund der Untersuchung von Brainard zu erwarten und hiermit bestätigt
wurde. Interessant ist auch die Feststellung, dass diese Wirkung nichts mit der optischen Wahrnehmung zu tun hat, die untersuchten Personen waren ja blind. (Slide 2).
Einfluss der Wellenlänge auf die Unterdrückung der Melatonin Sekretion
Randomisierte Studie (n=16) zur
Untersuchung der Verzögerung
der Melatonin Freisetzung bei
Licht mit verschiedenen
Wellenlängen.
Die Exposition bei 460nm führte zu einer
beinahe doppelt so langen Verzögerung im
Vergleich zu gleich starkem Licht mit einer
Wellenlänge von 555nm. (p<0.0006)
Schlussfolgerung der Autoren:
„Der lx – Wert als Standard für die
Messung der Beleuchtungsstärke ist
ungenügend wenn es um die Steuerung
des zirkadianen Rhythmus geht“
Licht mit einer Wellenlänge von 460nm hat eine signifikant bessere
Wirkung auf die Unterdrückung der Melatonin – Sekretion als 555nm
Lockley S W, Brainard G C, Czeisler C A: High Sensitivity of the Human Circadian Melatonin Rhythm to Resetting by Short Wavelength Light; The Journal of Clinical
Endocrinology & Metabolism 88(9) (4502 - 4505) 2003
Leider haben viele Leuchtmittel, vor allem Glühbirnen kaum oder nur eine geringe
Energiefreisetzung auf dieser Wellenlänge. (Slide 3)
285
Poster
Energiefreisetzung von Kunstlicht bei 460nm und 555nm Wellenlänge
True-Light® hat eine deutlich höhere
Energiefreisetzung im entscheidende
Bereich der Wellenlänge von 460nm im
Vergleich zu anderen Beleuchtungen
460nm
555nm
TRUE-LIGHT® Lampen wirken auch dort (hohe Energiefreisetzung)
wo der zirkadiane Rhythmus gesteuert wird
2. Serotonin
Für unser Wohlbefinden spielt Serotonin eine entscheidende Rolle. Es ist ein Neurotransmitter welcher durch verschiedene Mechanismen aus dem präsynaptischen Neuron in den synaptischen Spalt freigesetzt wird um danach mit einem Signal auf die
nachgeschaltete Zelle zu wirken. Der genaue Mechanismus der zu einer manifesten
Depression führt ist zwar nicht endgültig geklärt, hingegen kann auf Grund der klinischen Ergebnisse darauf geschlossen werden, dass eine hohe Konzentration von Serotonin und anderen Neurotransmittern sich günstig auf das Befinden des Menschen
auswirken. Moderne Antidepressiva, die sogenannten SSRI (Selektive Serotonin Reuptake Inhibitors) vermindern die Wiederaufnahme von Serotonin in das präsynaptische Neuron während Licht die Freisetzung von Serotonin aus dem präsynaptischen
Neuron stimuliert. Das Resultat ist in beiden Fällen das gleiche, die Konzentration
im synaptischen Spalt steigt. (Slide 4).
286
Poster
Wirkmechanismus von SSRI und Licht bei Depressionen
Prä
Präsynaptisches
Neuron
Serotonin
SSRI*
AP
Licht
NTNT-Vesikel
*Selective Serotonin Reuptake Inhibitor
Signal
Synaptischer
Spalt
Nachgeschaltete
Zelle
NTNT- Rezeptor
•Moderne Antidepressiva und Licht
wirken in dem sie die Serotonin
Konzentration im synaptischen Spalt
erhöhen.
•SSRI hemmen die Wiederaufnahme
von Serotonin ins präsynaptische
Neuron.
•Licht stimuliert die Freisetzung von
Serotonin aus dem präsynaptischen
Neuron
Moderne Antidepressiva und Lichttherapie wirken beide durch
Erhöhung der Serotonin Konzentration im synaptischen Spalt
Im Jahre 2006 wurde in den USA die CAN-SAD Studie durchgeführt und zwar mit
96 Patienten die an einer schweren saisonalen Depression litten. Es war eine kontrollierte randomisierte Doppelblindstudie. Eine Gruppe wurde mit einer Lichttherapie
(30 Min. 10 000 Lux und einer Plazebo Tablette behandelt, die andere Gruppe erhielt
für 30 Min. schwaches Licht und eine Tablette à 20mg Fluoxetin (SSRI). Nach 8 Wochen Behandlung hatte sich der primäre Messparameter, der weltweit anerkannte Hamilton-Depression-Scale in beiden Gruppen signifikant um rund 18 Punkte verbessert. Nach der ersten Woche der Behandlung war Licht
(p < 0,05) besser als
das Medikament ansonsten gab es bezüglich Wirksamkeit keine signifikanten Unterschiede. Wie nicht anders zu erwarten war hingegen die Verträglich der Lichtbehandlung besser als diejenige mit Fluoxetin. (Slide 5)
Die Behandlung der Winterdepression mit Licht ist in der Schweiz anerkannt und
wird von den Krankenkassen erstattet.
287
Poster
Lichttherapie im Vergleich mit Fluoxetin (SSRI) bei SAD)
Randomisierte doppelblinde Plazebo
kontrollierte Studie bei schwerer SAD
(Hamilton Scale ≥ 23, Ø 29,9) über 8
Wochen(n=96). Es wurde eine Lichttherapie
mit 10 000 lx über 30 Minuten mit einer
Behandlung mit 20mg Fluoxetin verglichen
p<0,05
Nach einer Woche war die Wirkung von Licht
signifikant besser, danach gab es keine
Unterschiede mehr
Die Lichttherapie war besser verträglich,
Schlafstörungen, Agitation und Herzklopfen
traten unter Fluoxetin signifikant häufiger auf
als unter Lichttherapie
Vergleichbare Wirksamkeit der Lichttherapie bei SAD im Vergleich
zum Referenz SSRI Fluoxetin, bei besserer Verträglichkeit
Lam R W et. al.: The Can-SAD Study: A Randomized Controlled Trial of the Effectivness of Light Therapy and Fluoxetine in Patients With Winter Seasonal Affective
Disorder; Am J Psychiatry 163 (805-812) 2006
3. UV-B und Vitamin D3
Der UV-B Anteil im Licht stimuliert die Freisetzung von Vitamin D3 aus der Haut.
Vitamin D3 ist notwendig für die Resorption von Kalzium aus dem Magen-DarmTrakt. Kalzium ist ein ganz wichtiges Element bei der Entwicklung von Adoleszenten, Kinder in Schulen mit Vollspektrum Tageslicht mit UV Anteil erbringen eine
bessere Leistung und haben einen besseren Gesundheitszustand.
Der volkswirtschaftlich wichtigste Aspekt aber sind die direkten und indirekten Folgen der Osteoporose (Knochenschwund). Eine geringe Vitamin D3 Konzentration
im Blut korreliert signifikant mit der Knochendichte und die Kalzium Resorption
wird mit Vollspektrum Licht im Vergleich zu konventionellem Kunstlicht signifikant
verbessert.
Die kontrollierte, randomisierte Doppelblindstudie von Chapuy et. al. wurde bei
3270 Patienten mit manifester Osteoporose durchgeführt. Diese erhielten entweder 2
x Plazebo Tabletten oder eine kombinierte Behandlung mit Vitamin D3 plus Kalzium. Die Studie wurde 1992 im „New England Journal of Medicine“ publiziert und
zeigte äusserst deutliche Resultate. Das Risiko für Frakturen wurde signifikant gesenkt und zwar sowohl in Bezug auf die gefürchteten Hüftfrakturen als auch in Bezug auf andere nicht vertebrale Frakturen. (Slide 6)
288
Poster
Wirkung von Vitamin D3 in Kombination mit Calcium auf das Frakturrisiko
Randomisierte doppelblinde (Doppel) Plazebo kontrollierte Studie über 18 Monate (n=3270)
Sowohl
Oberschenkelhalsbrüche als
auch andere Frakturen
wurden mit der Behandlung
signifikant gesenkt
Kontrolle (Doppel-Placebo)
Behandlung mit Vitamin D3
und Calcium
Eine Vitamin D3 Behandlung in Kombination mit Calcium Substitution
führt zu einer signifikanten Senkung des Frakturrisikos
Chapuy M C et. al.: Vitamin D3 and calcium to prevent hip fractures in elderly women; New England Journal of Medicine 327 (1637-1642) 1992
Chel et. al. untersuchte bei 45 Patienten die Wirkung von Licht oder oraler Substitution von Vitamin D3 Substitution auf die Blutspiegel von Vitamin D3. Diese Studie
zeigte, dass die Wirkung von Licht absolut vergleichbar war mit derjenigen des Medikaments. (Slide 7)
Vitamin D3 Konzentration; Vergleich UVB, Substitution und Kontrolle
Randomisierte kontrollierte
Studie (n=45) über 16
Wochen
Vitamin D Substitution und UVB
Bestrahlung (halbe minimale
erythematöse Strahlung) erhöhten die
Konzentration, in der Kontrollgruppe
gab es keine Veränderung
Die Wirksamkeit einer UVB Bestrahlung (im sicheren Bereich) auf
Vitamin D3 ist vergleichbar mit einer oralen Substitution
Chel VGM et. al.: Ultraviolet irradiation corrects vitamin D deficiency and supresses secondary hyperparthyroidism in the elderly; J Bone Miner Res 13 (1238-1242) 1998
UV-B Strahlung, es wird vermutet über den Mechanismus von Vitamin D3, scheint
auch bei der Krebserkrankung eine wichtige Rolle zu spielen. Grant et. al. untersuchten in den vereinigten Staaten im Juli 1992 die Korrelation zwischen UV-B und
Krebsmortalität bei Männern und Frauen. An verschiedenen geografischen Orten
wurde die UV-B Strahlung gemessen und die Krebsmortalität an den entsprechenden
289
Poster
Orten erfasst. Sowohl bei Männern als auch bei Frauen konnte eine signifikante Korrelation zwischen Krebsmortalität und Mangel an UV-B Strahlung ermittelt werden.
Hingegen muss festgehalten werde, dass keine Untersuchungen gemacht worden
sind welche die Wirkung einer Lichttherapie auf die Krebsinzidenz untersucht haben.
(Slide 8)
Wirkung von UV Bestrahlung auf die Krebs – Mortalität in der USA
Korrelation zwischen UV-B Bestrahlung (July 1992
DNA-weighted ultraviolet B (UV-B) radiation by use of a total ozone mapping
spectrometer).
und Krebsmortalität bei Frauen
Untersuchung der Gesamtpopulation an
verschiedenen geografischen Orten.
Korrelation zwischen UV-B Bestrahlung (July 1992
DNA-weighted ultraviolet B (UV-B) radiation by use of a total ozone mapping
spectrometer).
und Krebsmortalität bei Männern
Untersuchung der Gesamtpopulation an
verschiedenen geografischen Orten.
Eine ungenügende UV-B Bestrahlung ist mit einem erhöhten
Krebsrisiko verbunden
Grant W B: An estimate of premature cancer mortality in the U.S. due to inadequate doses of solar ultraviolet-B radiation. Cancer 94 (1867-75) 2002
Negative Wirkungen
Es ist bekannt das Licht den Augen auch schaden kann, in grosser Höhe auf dem
Gletscher z.B. (bei geschätzten 25000 lx) muss man die Augen mit einer Sonnenbrille
schützen um nicht Schneeblind zu werden. In der Literatur ist aber nichts zu finden,
das darauf hindeutet, dass Kunstlicht mit einem hohen Blauanteil (bei 500 – 1000 lx)
zu einer Makuladegeneration oder anderen negativen Auswirkungen führen könnte.
Schlussfolgerungen
Aus gesundheitlicher Sicht ist das optimale Kunstlicht also dasjenige welches dem
natürlichen Sonnenlicht am nächsten kommt. Es mag viele andere Argumente geben
die der Verteidigung der Glühbirne dienen, gesundheitlich positive Wirkungen der
Glühbirne im Vergleich zu anderen Lichtquellen auf die Gesundheit gehören aber
ganz sicher nicht zu diesen Argumenten.
290
Poster
Referenzen:
1.) Haaf G.: Adam und Eva – Ursprung und Entwicklung des Menschen;
Praesentverlag Heinz Peter (S 20 - 21) 1982
2.) Smith K A, Schoen M W, Czeisler C A: Adaptation of Human Pineal Melatonin
Suppression by Recent Photic History; The Journal of Clinical Endocrinology
& Metabolism 89(7) (3610 – 3614) 2004
3.) Lockley S W, Brainard G C, Czeisler C A: High Sensitivity of the Human
Circadian Melatonin Rhythm to Resetting by Short Wavelength Light; The
Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism 88(9) (4502 - 4505) 2003
4.) Brainard G C et.al.: Action Spectrum for Melatonin Regulation in Humens:
Evidence for a Novel Circadian Photoreceptor; The Journal of Neuriscience
21 (16) (6405 – 6412) August 15, 2001
5.) Eastman C I et. al.: Bright light treatement of winter depression: a placebocontrolled trial; Arch Gen Psychiatrie Oct; 55 (10) (883-889) 1998
6.) Lam R W et. al.: The Can-SAD Study: A Randomized Controlled Trial of the
Effectivness of Light Therapy and Fluoxetine in Patients With Winter
Seasonal Affective Disorder; Am J Psychiatry 163 (805-812) 2006
7.) Ooms M E: Osteoporosis in elderly woman; vitamin D deficiency and other risk
factors; PhD thesis. Amsterdam: Vrije Universiteit 1994
8.) Chel VGM et. al.: Ultraviolet irradiation corrects vitamin D deficiency and
supresses secondary hyperparthyroidism in the elderly; J Bone Miner Res 13
(1238-1242) 1998
9.) Neer RM: A paper presented at the National Technical Conference of the
Illumination Engineering Society (IERI Symposium); The Massachusetts
General Hospital Boston Masschusetts (3-7) 1971
10.) Chapuy M C et. al.: Vitamin D3 and calcium to prevent hip fractures in elderly
women; New England Journal of Medicine 327 (1637-1642) 1992
11.) Grant W B: An estimate of premature cancer mortality in the U.S. due to
inadequate doses of solar ultraviolet-B radiation. Cancer 94 (1867-75) 2002
12.) Karpen D: A Study into the Effects of Types of Light on Children: A Case of
Daylight Robbery; Full-Spectrum Lighting Effects on Performance, Mood,
and Health Veith, J.A.: Internal Report, Institute for Research in
Construction, (IRC-IR) June 1994
291
Poster
Die Verteilung der individuellen UV-Expositionen
in der Bevölkerung
Peter Knuschke
TU Dresden, Klinik und Poliklinik für Dermatologie,
Fetscherstr. 74, 01307 Dresden
1
Einleitung
Der menschliche Einfluss auf die Umwelt birgt die Gefahr eines langfristigen Klimawandels. Damit verbunden wären Veränderungen des UV-Strahlenklimas durch Verringerung des stratosphärischen Ozons oder durch prognostizierte meteorologische
Änderungen im globalen Klimawandel - beispielsweise für den Nordosten Deutschlands mit geringeren Niederschlägen und damit höheren Sonneneinstrahlungen.
Vor diesem Hintergrund ist es bedeutsam, den tatsächlichen UV-Expositionslevel
durch biologisch-wirksame Solarstrahlung für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen zum gegenwärtigen Zeitpunkt als Vergleichswerte und als Basis für Modellrechnungen der photobiologischen Auswirkungen auf die Bevölkerung durch diese möglichen Veränderungen zu erfassen. Aber auch um UV-Expositionen von Personengruppen oder Einzelpersonen oder Patienten in deren Relation zur Gesamtbevölkerung einschätzen zu können.
Gefördert vom BMBF und der BAuA wurden dazu von 1996 bis 2006 die Untersuchungen „UV-Personendosimetrie mit Verwendung des Polysulfonfilms als UV-Sensor“ (Förderkennzeichen: BMBF 07UVB54B), „Mittlere UV-Expositionen der Bevölkerung“ (Förderkennzeichen: BMBF 07UVB54C/3) und „Personenbezogene
Messung der UV-Exposition von Arbeitnehmern im Freien“ (Förderkennzeichen:
BAuA F 1777) durchgeführt.
292
Poster
2
Individuelle UV-Expositionen in der Bevölkerung
2.1
UV-Personenmonitoring in Bevölkerungsgruppen
Es erfolgte die Erfassung von UV-Personendosen unter Alltagsbedingungen im jahreszeitlichen Verlauf für Bevölkerungsgruppen von Kindern (letztes Jahr Kindergarten/erstes Jahr Grundschule) bis zu Altersheimbewohnern [1]. Die Untersuchungen
wurden bei arbeitstätigen Personen nach Berufsgruppen mit Tätigkeitsfeld innen, außen oder wechselnd (innen/außen) durchgeführt [2, 3]. Die Daten liegen differenziert nach arbeitstäglichen UV-Expositionen und Freizeitexpositionen vor. Bezüglich
des Freizeitverhaltens sind die Beschäftigtengruppen in Personen mit eher geringen
Freizeitaktivitäten im Freien (≈ 80 % bei Innenbeschäftigten; ≈ 70 % bei Außenbeschäftigten) und Personen mit Freizeitaktivitäten betont im Freien (bedeutet nicht
Sonnenbaden) zu unterteilen [2]. Die UV-Expositionen der beiden Charakterisierungen unterscheiden sich unabhängig von der Jahreszeit um das 2- bis 3-fache.
In den untersuchten Personengruppen diente der Brustbereich als Referenzposition
für die personendosimetrischen Messungen. Zur Bestimmung der tätigkeitsabhängigen, mit dem Sonnenstand in der Jahreszeit variierenden Körperverteilung der UVExposition wurden derartige Verteilungsdaten unter Alltagsbedingungen für 19 Körperstellen über 3 Tage (Messperioden Sommerhalbjahr) bzw. 5 Tage (Messperioden
Winterhalbjahr) ermittelt [2, 3].
Die UV-Expositionen im Urlaub stellen einen wesentlichen Anteil der individuellen
kumulativen UV-Jahresdosis dar – bei Innenbeschäftigten trägt der Urlaub bis zu 50
% zur Jahresdosis bei. Für acht typische Urlaubregionen und -zeiträume der Deutschen wurden von je 30...40 Urlaubern pro Region über eine Urlaubswoche die UVExpositionen personendosimetrisch registriert [2, 3]. Die Tagesexpositionen beim
Wintersport liegen dabei im Bereich der mittleren Arbeitsplatzexpositionen von Bauarbeitern an einem Sommertag – die Sommerurlaubsexpositionen um ein Mehrfaches
darüber. Der Winterurlaub eines im Gebäude Beschäftigten zum Jahreswechsel im
sonnigen Süden, südlich des 30. Breitengrades (z.B. Karibik, Thailand, Südafrika),
führt zu einem 350-fachen Anstieg der biologisch-wirksamer UV-Personentagesdosis
zwischen letzten Arbeitstagen und mittlerer UV-Expositionen pro Urlaubstag!
293
Poster
Das bedeutet für die Haut von Innenbeschäftigten oder Kindern extreme, überfallartige UV-Expositionen verglichen mit den Alltagsexpositionen am Wohnort. Aber,
wie im letzten Beispiel auch für im Freien Beschäftigte als Urlauber [3].
2.2
Modell zur biometrischen Schätzung mittlerer UV-Jahresexpositionen
Der Datenpool von nahezu 1000 untersuchten Personen (Untersuchungen vorrangig
über zwei Jahre zur Berücksichtigung meteorologischer Einflüsse) ist in einer Datenbank abgelegt. Auf diese Datenbank greift ein Modell zur Bestimmung mittlerer UVJahresexpositionen für 19 Körperareale aus dem Jahresverlauf über 52 Kalenderwochen für wählbare Personen- und Verhaltensgruppen der Bevölkerung zu [2]. Neben
der biometrischen Validierung konnte das Modell zwischenzeitlich auch sehr gut experimentell bestätigt werden [3]. Für Arbeit, Freizeit und Urlaub werden in der Modellrechnung die jahreszeitlich variierende Körperverteilungen der solaren UV-Exposition berücksichtigt (s. o.). Über den Körper variiert die kumulative solare UV-Jahresexposition um nahezu einen Faktor 10. Die Relationen zwischen den einzelnen
Körperregionen hängen von den Solarstrahlungsbedingungen (Sonnenhöhe der Jahreszeit; wolkenlos, bedeckt) und der Körperhaltung durch das Tätigkeitsprofil ab und
können in der Modellrechnung berücksichtigt werden.
2.3
Individuelle UV-expositionsrelevante Faktoren
Zur Untersuchung derart komplexer Faktoren der alltäglichen UV-Exposition ist ein
UV-Personenmonitoring erforderlich, das neben der UV-Personendosimetrie auch
objektiv und subjektiv beeinflussende Faktoren erfasst. So werden simultan die solare
Globalstrahlung und meteorologische Daten erfasst. Zur Erfassung der UV-expositionsrelevanten Personendaten führen die untersuchten Personen ein Probandentagebuch zu den Aufenthaltszeiten im Freien, dem Bekleidungsstatus in diesen Zeiten,
dem Lichtschutzfaktor - im Fall von Lichtschutzsubtanzeinsatz beim Aufenthalt.
Darüber werden für die jeweilige Messperiode die aktuellen Freizeitaktivitäten sowie
die Art und Dauer des Arbeitsweges erfasst. Daraus wird eine Score zur UV-Expositionsrelevanz der Freizeitaktivitäten ermittelt. Weiterhin werden die hauttyprelevanten Personendaten erfragt und in der Datenbank des UV-Personenmonitoring abgelegt.
294
Poster
3
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Die UV-Personenmonitoringdaten bilden die Basis zur Bestimmung mittlerer verhaltensabhängiger UV-Jahresexpositionen für Bevölkerungsgruppen von Kindern bis
Senioren. Aus den Analysen in den Bevölkerungsgruppen ließen sich Basisexpositionen als Referenz ableiten, gegenüber denen verhaltensabhängige Expositionserhöhungen bewertet werden können [3], ob beruflich verursacht, in Freizeit und Urlaub
oder durch Solariennutzung [4].
Auch für Vergleichsdaten in der dermatologischen Photodiagnostik UV-sensitiver
Erkrankungen sind diese Vergleichsdaten von Nutzen, sowie für die Nutzen-RisikoAnalyse beim Einsatz der UV-Phototherapie bei chronischen Erkrankungen.
Neben diesen Risikoabschätzungen dienen diese Daten gesundheitlichen Aufklärungsprogrammen als fundiertes Zahlenmaterial um die Botschaft glaubhaft mit Zahlenmaterial untermauert „herüberzubringen“.
Literatur
[1]
[2]
[3]
[4]
Knuschke P., A. Krins: UV-Personendosimetrie Teil B: Mit Verwendung des
Polysulfonfilms als UV-Sensor. Schlussbericht BMBF-Vorhaben 07UVB54B
(Universitätsbibliothek und Technische Informationsbibliothek Standort:
F00B1544, Hannover, 2000)
P. Knuschke, M. Kurpiers, R. Koch, W. Kuhlisch, K. Witte. Mittlere UVExpositionen
der
Bevölkerung.
Schlussbericht
BMBF-Vorhaben
07UVB54C/3
(Universitätsbibliothek
und
Technische
Informationsbibliothek Standort: F05B898, Hannover, 2004)
P. Knuschke, I. Unverricht, G. Ott, M. Janßen. Personenbezogene Messung
der UV-Exposition von Arbeitnehmern im Freien. Forschung F 1777
(Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin,
Dortmund/Berlin/Dresden, 2007) ISBN 978-3-88261-060-4
Knuschke P. „Baseline-Reference of individual solar UV-Exposures“ to
assess the additional risc caused by sunbed use. 5th International Conference
of the European Society of Skin Cancer Prevention EUROSKIN, Hamburg,
14.-17.10.2007, Abstracts
295
Poster
Aufbau und zeitlicher Verlauf des natürlichen UV-Eigenschutzes der Haut - nach einzelnen künstlichen UV-Expositionen und unter solarer UV-Exposition über das Jahr
Peter Knuschke, 2Marko Janßen, 3Günter Ott,
1
Angela Thiele, 1Ines Unverricht
1
1
TU Dresden, Klinik und Poliklinik für Dermatologie,
Fetscherstr. 74, 01307 Dresden
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmed.,
2
F.-Henkel-Weg 1-25, 44149 Dortmund
1 Einleitung
Zur Reduktion beruflich bedingter Zusatzexpositionen durch künstliche UV-Strahlenquellen wurden spektrale Grenzwerte für den 8-h-Arbeitstag [1] festgelegt. Diese
gehen von einem Minimum des natürlichen Eigenschutzes der Haut gegen UVStrahlung aus, wie er beispielsweise im Winter vorliegt. Demgegenüber wurde für
ganzjährig im Freien Beschäftigte ein nicht unerheblicher Aufbau des natürlichen
UV-Eigenschutzes unter der solaren UV-Strahlung, angenommen. Deshalb kommt
der Grenzwertsatz [1] hier nicht zur Anwendung. Um ausgewogene, wissenschaftlich
fundierte Empfehlungen zum Gesundheitsschutz solarexponierter Arbeitsplätze zu
formulieren, stehen die folgenden Fragen:
●
Wie stark ist die Eigenschutzreaktion der Haut nach UV-Einzelexpositionen?
●
In welchem Maße werden die Eigenschutzkomponenten in der Haut UV-expositionsabhängig im Jahresverlauf aufgebaut und gehen im Herbst/Winter
wieder zurück?
Diese Fragestellungen waren Zielstellung der Forschungsprojekte der Bundesanstalt
für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) F 1986.
296
Poster
2 Eigenschutzreaktionen der Haut gegen UV-Expositionen
2.1 Melaninpigmentierung und Lichtschwiele
Nach einzelnen oder wiederholten UV-Bestrahlungen baut die Haut - abhängig vom
Hauttyp - einen mehr oder minder starken natürlichen Eigenschutz auf. Melaninpigmentierung: UV-Exposition(en) lösen in speziellen Zellen, den Melanozyten, die Photosynthese von Melanin aus. Die im UVB absorbierenden Melaninpigmentkörnchen
lagern sich in der unteren Epidermis (Oberhaut) schirmartig schützend über den
Kernen der Zellen an und schützen so in einem gewissen Umfang vor direkter
DNA-Schädigung.
Lichtschwiele: Diese Lichtakantose - eine vermehrte Zellbildung unmittelbar beginnend
nach der UV-Exposition - führt zur Verdickung der Epidermis und nachfolgend der
Hornschicht. Die so verringerte Transmission für UVB- und UVA-Strahlung stellt
auch für oberflächlich liegende Hautzellschichten einen begrenzten UV-Schutz dar.
Extremwerte des natürlichen Eigenschutzes der Haut: Die Haut der kaukasischen Rasse
(Hauttypen II, III, IV) vermag unter Extrembedingungen einen Eigenschutzfaktor
40 (Faktor 9 aus Melanin-Pigmentierung, Faktor 4,5 aus Lichtschwiele) prinzipiell
aufzubauen, nach täglicher Exposition mit der UV-Erythem(Sonnenbrand)-Dosis
über 20 Tage [2].
Normalwerte des natürlichen Eigenschutzes der Haut: Hautgesunde, im Gebäude Beschäftigte der Hauttypen II-IV bildeten bei normalem Freizeitverhalten zwischen
Winterende (März) und Herbstbeginn (September) einen um etwa das 1,4-fach erhöhten Eigenschutz aus [MED (September) : MED (März) = 1.37 ± 0.37] [3]
2.2 UV-Eigenschutzreaktionen der Haut im Jahresverlauf
In einem BAuA-Projekt wurden individuelle UV-Expositionen im Jahresverlauf von
verschiedenen Arbeitnehmergruppen ausschließlich im Freien Beschäftigter als auch
wechseld innen und außen Beschäftigter mittels UV-Personenmonitoring erfasst [4].
Analoge Vergleichsdaten lagen zu ständig im Gebäude Beschäftigten vor [5].
Im BAuA-Projekt F1986 wurde der Gesamt-UV-Eigenschutz der Haut (photodiagnostische MED-Bestimmung) im Freien Beschäftigter im Jahresverlauf untersucht,
der aus diesen Solarexpositionen resultiert [6]. Gleichzeitig wurden die Komponen297
Poster
ten des Eigenschutzes untersucht: (i) die Lichtschwielereaktion mittels nicht-invasiver Epidermisdickemessung durch Optische Kohärenztomographie OCT [7], (ii) der
Melanin-Pigmentierungsgrad qualitativ durch Hautfarbmessungen (L*, a*, b*). In einem UV-Personenmonitoring wurden die, die Eigenschutzreaktion bewirkenden, solaren UV-Expositionen kontinuierlich erfasst.
Untersucht wurden ständig im Freien Beschäftigte (Gruppe 1) am unbehandelten
Rücken (links) und am täglich mit LSF 40 applizierten Rücken (rechts). Eine Gruppe
2 von Innenbeschäftigten entsprach Berufseinsteigern. Eine Rückenhälfte (links)
wurde mit den mittleren UV-Gesichtsdosen von im Freien Beschäftigten im Jahresverlauf exponiert, die andere, unbehandelte Rückenhälfte (rechts) erhielt nur die solare Alltags- und Urlaubsexposition der Innenbeschäftigten im Vergleich. Eine Gruppe
3 im Freien Beschäftigter diente der Verifizierung der Messreihen zu Epidermisdicke
und Pigmentierungsgrad im Jahresverlauf. Die Untersuchungen erfolgten je Gruppen
für den Hauttyp II (≈ 55 % der Bevölkerung [8]) mit n = 9 und orientierend für den
Hauttyp III (≈ 35 %) mit n = 3.
Die Untersuchungen zum Jahresverlauf des UV-Eigenschutzes ergaben [3, 6, 9]:
●
Mittlere solare UV-Alltagsexpositionen im Freien Beschäftigter der Hauttypen II/III (≈ 90 % der Bevölkerung), die durch die Werktagsexpositionen
bestimmt werden, bewirken nur einen geringen Zuwachs des UV-Eigenschutzes der Haut:
●
Eigenschutzanstieg: etwa 1,5-fach (vergleichbar: LSF 1,5)
●
Die mittleren solaren UV-Werktagsexpositionen bewirken keine bemerkenswerte Lichtschwielereaktion.
●
Ein deutlicherer Zuwachs zum UV-Eigenschutz wird durch den Urlaub im
Sommer geliefert. Urlaubsreaktion Innenbeschäftigter liegen in vergleichbarem Ausmaß (Faktor 1,5-2), wie durch die Solarexpositionen Außenbeschäftigter im Jahresverlauf.
●
Es besteht trotz regelmäßigen Aufenthaltes im Freien für Außenbeschäftigte
immer ein latentes Sonnenbrandrisiko.
●
Die bisherige Annahme höher möglichen Eigenschutzes im Bereich 10 40fach beruht offensichtlich auf der Fehlinterpretation einer Forschungsarbeit.
298
Poster
2.3
UV-Eigenschutzreaktionen der Haut nach sub-erythematösen
UV-Einzelexpositionen
Ein weiteres Ziel war es, die Geschwindigkeit der Ausbildung und die zeitliche Beständigkeit des UV-Eigenschutzes der Haut (MED, Epidermisdicke, Hautfarbwerte)
zu ermitteln. Der zeitliche Verlauf über 8 Wochen wurde nach sub-erythematöser
Einzelexposition (Gruppe A) bzw. nach fünf seriellen, sub-erythematösen UV-Expositionen (Gruppe B) analysiert. Diese Bedingungen (je 1,8 SED ≈ 70 % MED für
Hauttyp II) sind beispielsweise vergleichbar der Situation an ersten heißen Tagen (im
Mai) an denen im Freien Beschäftigten erstmals im Jahr ggf. mit Freiem Oberkörper
arbeiten bzw. vergleichbar zu stärkerer Streustrahlung an Arbeitsplätzen mit künstlichen UV-Strahlenquellen. Für sub-erythematöse UV-Einzelexpositionen bzw. fünf
serielle UV-Expositionen ergab sich [3, 6, 9]:
●
Eine UV-Einzelexposition mit 1,8 SED (70 % der Sonnenbrandschwelldosis
eines mittleren Hauttyps II) zeigte keine Auswirkung auf den UV-Eigenschutz.
●
Serielle UV-Expositionen an 5 aufeinander folgenden Tagen mit je 1,8 SED
bewirkten bereits 24h nach Abschluss der Bestrahlungsserie einen Anstieg
des UV-Eigenschutzes um rund 30 % gegenüber dem Eigenschutz vor den
Expositionen. Nach 2 Wochen sank die Eigenschutzerhöhung auf + 20 %
und blieb auf diesem Niveau bis ans Ende der Beobachtungszeit nach 8 Wochen.
3 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Diese Erkenntnisse zum zeitlichen Ablauf des natürlichen Eigenschutzes der Haut
gegen UV-Exposition sind sowohl für die Gesundheitsschutzkonzepte von Arbeitsplätzen mit solarer, aber auch mit künstlicher UV-Strahlung bedeutsam. So kann
der natürliche UV-Eigenschutz der Haut mit lediglich einem Schutzfaktor 1,5-2fach
auf keinen Fall – wie teilweise beabsichtigt – als Schutzkomponente für Arbeitsplätze
mit solarer UV-Exposition herangezogen werden.
Für die Prävention der Allgemeinbevölkerung war abzuleiten, dass im Sommerurlaub
ein UV-Eigenschutzfaktor ≤ 2 aufgebaut wird. Es ist also auf jeden Fall im Urlaub
auf einen adäquaten Lichtschutz durch Textilien, ergänzt durch Lichtschutzsubstanzen zu achten.
299
Poster
Literaturbezüge:
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]
[9]
300
EU 2006: Richtlinie 2006/25/EG des europäischen Parlaments und des
Rates vom 5. April 2006 über Mindestvorschriften zum Schutz von
Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch
physikalische Einwirkungen (künstliche optische Strahlung) (19.
Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie
89/391/EWG)
E. G. Jung, I. Anton-Lamprecht. Untersuchung über Albinismus.
Arch.Derm.Forsch. 240 (1971) 123-137
P. Knuschke, I. Unverricht, E. Koch, A. Popp, G. Ott. Monitoring des
natürlichen Lichtschutzes der Haut. Optische Strahlung - EU-Richtlinie und
aktuelle Forschungsergebnisse (Herausgeber: Bundesanstalt für Arbeitsschutz
und Arbeitsmedizin, Dortmund, 2005) 32-37
P. Knuschke, I. Unverricht, G. Ott, M. Janßen. Personenbezogene Messung
der UV-Exposition von Arbeitnehmern im Freien. Forschung F 1777
(Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin,
Dortmund/Berlin/Dresden, 2007) ISBN 978-3-88261-060-4
P. Knuschke, M. Kurpiers, R. Koch, W. Kuhlisch, K. Witte. Mittlere UVExpositionen
der
Bevölkerung.
Schlussbericht
BMBF-Vorhaben
07UVB54C/3 (Standort: TIB Hannover F05B898, 2004)
P. Knuschke, I. Unverricht, G. Ott, M. Janßen. Untersuchung des
Eigenschutzes der Haut gegen solare UV-Strahlung bei Arbeitnehmern im
Freien. Forschung, F 1986 (Schriftenreihe der Bundesanstalt für
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund/Berlin/Dresden, 2008) ISBN
978-3-88261-xxx-x, in Vorbereitung
A. Popp, M. Wendel, L. Knels, P. Knuschke, M. Mehner, T. Koch, D. Boller,
P. Koch, E. Koch. Common-path Fourier domain optical coherence
tomography of irradiated human skin and ventilated isolated rabbit lungs.
Proceedings of SPIE, 5861 (2005) 145-153 (ISSN 1605-7422)
I. Unverricht, P. Knuschke. Verhalten von im Freien Beschäftigten
gegenüber solarer UV-Strahlung in Beruf und Alltag. Dermatol Beruf
Umwelt 55 (2007) 159-166
P. Knuschke. Personendosimetrische Messungen – Vorstellung der
Forschungsergebnisse. In: Optische Strahlung – Aktuelle Entwicklungen in
Forschung und Regelsetzung. (Herausgeber: Bundesanstalt für Arbeitsschutz
und Arbeitsmedizin, Dortmund/Berlin/Dresden, 2007) 46-70, ISBN
978-3-88261-065-9
Poster
Measurement and Assessment of Radiation responsible for
Melatonin Suppression
Dieter Kockott1, Helmut Piazena2, Rüdiger Goldau3,
1
Dr. Dieter Kockott UV-Technik Hanau/Germany (kockott@t-online.de)
Charite Berlin/Germany (helmut.piazena@charite.de)
2
3
MSS Elektronik GmbH Fröndenberg/Germany (info@mss-elektronik.com
1.
Introduction
Many circadian rhythms of humans are controlled by light transmitting the eye and
are linked to the concentration of melatonin in blood. As described by Thapan et
al. /2/ and by Brainard et al. /3/ the responsible photo receptors of melatonin suppression are located in the retina and show a spectral sensitivity which differs significantly from the spectral sensitivity of the receptors for vision for the adaptation of
the eye to both darkness and brightness. By using these experimental data, Gall and
Lapuente /1/ defined the action spectrum of light for circadian effects due to melatonin suppression. The poster describes the properties of a broadband radiometer for
measuring the circadian effective irradiance responsible for melatonin suppression of
natural and artificial light sources.
2.
Properties of the radiometer MSS 1000 “Circadian Check”
2.1
Spectral response
The spectral response of the radiometer is adapted to the action spectrum of circadian effects due to melatonin suppression (Fig. 1). It is very useful for performing direct measurements of the circadian effective irradiance of light sources with different
emission spectra such as solar radiation under different solar elevation angles and under different conditions of atmospheric transmittance as well as of different types of
lamps.
301
Relative spectral effectiveness
Poster
MSS-CD.fpw
1.1
1.0
1: Melatonin suppression
(Gall & Lapuente, 2002)
1
2
0.9
2: Radiometer MSS 1000
0.8
0.7
0.6
0.5
0.4
0.3
0.2
0.1
0.0
360 380 400 420 440 460 480 500 520 540 560 580 600
Wavelength [nm]
Fig. 1: The action spectrum of light for circadian effects due to melatonin suppression
(1) as defined by Gall and Lapuente /1/ in comparison with the spectral response of the
radiometer MSS 1000 “Circadian Check” (2).
2.2
Dependence on the incident angle (cosine response)
In order to approximate the geometric conditions of receiving light by the eyes the
radiometer was equipped with an optical head showing a proper cosine response for
zenith angles between 0° and about 70°. Figure 2 shows the data of the cosine error
at different zenith angles which were calculated according to {[E(Θ)/E( Θ = 0°) •
cos Θ] – 1) • 100}. The cosine errors are less than 10 % for zenith angles between 0°
and about 70°.
MSS-CDCF.fpw
60
Cosine error [%]
50
Radiometer
MSS 1000
40
30
20
10
0
-10
-20
-30
-40
-50
-60
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
o
Zenith angle θ [ ]
Fig. 2: The cosine error of the radiometer MSS 1000 “Circadian Check” as a function of
the zenith angle Θ.
302
Poster
2.3
Linearity and measurement range
The radiometer was tested by using incandescent and halogen lamps as well as different fluorescent tube lamps with different emission spectra. The circadian effective
irradiance data of the lamps were determined under identical geometric conditions by
measuring the spectral irradiance with a temperature stabilised double monochromator spectroradiometer (type 754, Optronic Lab., Orlando, Florida, USA), by weighting the spectral data with the action spectrum of circadian effects due to melatonin
suppression according to Gall and Lapuente /1/.
Figure 3 shows the comparison between MSS 1000 and OL 754 for 4 orders of magnitude.
-2
Ec (MSS 1000) [W m ]
10
10
MSS-OL2.fpw
1
incandescent lamps
solar irradiance
fluorescent lamps
0
(Tc < 3000 K)
fluorescent lamps
(Tc = 3000 ... 4000 K)
fluorescent lamps
10
-1
10
-2
10
-3
(Tc > 4000 K)
halogen lamps
10
-3
10
-2
10
-1
10
0
10
1
-2
Ec (OL 754) [W m ]
Fig. 3: The circadian effective irradiance Ec of different (incandescent, halogen and
fluorescent tube) lamps determined by using the radiometer MSS 1000 “Circadian
Check” in comparison with the data derived from measurements with the double-monochromator spectroradiometer OL 754 (Optronic Inc., Orlando, Fl. USA) performed under
identical geometric conditions.
2.4
Adaptation to the sensitivity of persons of different age
The action spectrum of melatonin suppression was defined for persons of a mean
age of about 25 years. The radiometer considers the changes of the transmittance of
the eye-lenses for persons of an age between about 10 and 90 years.
2.5
Example for measuring Ec
Fig. 4 shows Ec depending on time of a cloudy day in Berlin.
303
Poster
10
2
Circadian effective solar irradiance
10
10
0
-2
Ec [W m ]
Berlin, 12.10.2007
horizontal area
1
-1
10
-2
10
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
Central European Summer Time [h]
Fig. 4: Circadian effective irradiance Ec for a cloudy day October 12, 2007 in Berlin
3.
Conclusion
The radiometer MSS 1000 allows the determination of both the circadian effective irradiance Ec and the circadian effective radiance Lc responsible for melatonin suppression with sufficient accuracy. Compared to a spectroradiometer it is easier to handle
and also inexpensive. Thus, the radiometer MSS 1000 is suitable for both scientific
use and basic research as well as for practical application like monitoring of people
e.g. at working places.
References
/1/
Gall, D. und V. Lapuente: Beleuchtungsrelevante Aspekte bei der Auswahl
eines förderlichen Lampenspektrums.- Licht (Heft 7/8), Mai 2002
/2/
Thapan, K., Arendt, J. and D.J. Skene: An action spectrum for melatonin
suppression: evidence for a novel non-rod, non-cone photoreceptor system
in humans.- J. Physiol. 535.1 (2001) 261-267.
/3/
Brainard, G.C., Hanifin, J.P., Greeson, J.M., Byrne, B., Glickman, G., Gerner,
E. and M.D. Rollag: Action spectrum for melatonin regulation in humans:
Evidence for a novel circadian photoreceptor.- J. Neurosci. August 15, 2001,
21(16) 6405-6412.
304
Poster
Untersuchung zur optimalen spektralen
Zusammensetzung einer Lichtquelle bezüglich
der circadianen Wirksamkeit
R. Kozakov, St. Franke, H. Schöpp
Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V.
Felix-Hausdorff-Str. 2, 17489 Greifswald
Durch die Entdeckung der Ganglienzellen, die den circadianen Rhythmus beeinflussen, ist eine weitere Komponente gefunden worden, die für die Entwicklung von
biologisch wirksamen Lichtquellen bedeutsam ist. Derartige neue Lichtquellen sind
nicht nur durch ihre Farbwiedergabeeigenschaften und die Farbtemperatur gekennzeichnet, eine neue Größe ist die circadiane Wirksamkeit. Zur Abschätzung der circadianen Wirkung des Lichtes wurde die von Gall [1] vorgeschlagene circadiane Metrik
verwendet. Der Beitrag untersucht die Eigenschaften einer Lichtquelle bezüglich optimaler lichttechnischer und circadianer Wirkung. Im Rahmen eines Dreibandenmodells wurde die beste spektrale Zusammensetzung in Hinsicht auf die Farbwiedergabe, den visuellen Nutzeffekt (Vs) und den circadianen Wirkungsfaktor (acv) untersucht.
1 Einleitung
Die Optimierung des Spektrums einer Lichtquelle ist eine wichtige Aufgabe in der
Lichtindustrie. Das Ziel der Optimierung ist das Erreichen einer guten Farbwiedergabe und die Erhöhung des visuellen Nutzeffekts. Eine Grundvoraussetzung für die
Optimierung sind die spektralen Empfindlichkeitskurven der visuellen Rezeptoren
des menschlichen Auges.
Die Entdeckung der nichtvisuellen Lichtrezeptoren in den letzten Jahren führte zu
einer intensiven Forschung im Bereich der nichtvisuellen biologischen Wirkung des
Lichtes. Es wurde gezeigt, dass dieser neue Rezeptortyp verantwortlich ist für die
Synchronisierung des menschlichen circadianen Rhythmus mit den Tageslichtphasen.
305
Poster
Die Störungen einer solchen Synchronisierung sind verantwortlich für einige spezifische Krankheiten. Andererseits kann ein speziell ausgewähltes Spektrum zur Unterstützung des circadianen Rhythmus benutzt werden.
2 Circadianes Modell und spektrale Empfindlichkeit
Die spektrale Empfindlichkeit der Rezeptoren wurde schon vor der Entdeckung der
Rezeptoren vermessen [2, 3]. Es wurde gezeigt, dass die spektrale Empfindlichkeit
um 450 nm ein breites Maximum hat. Aufgrund dieser Messungen wurde ein Modell
vorgeschlagen [1]. Das Modell sagt eine lineare Antwort des circadianen Systems auf
ein Spektrum, gewichtet mit einer Empfindlichkeitskurve, voraus. Mit diesem Modell
kann die biologische Effektivität einer gegebenen Lichtquelle durch deren Spektrum
abgeschätzt werden. Allerdings existiert z.Z. kein allgemeines Modell der biologischen Wirkung eines Spektrums. Es ist bekannt, dass ein einfaches lineares Modell
keine präzise Beschreibung des Effektes liefert und somit ein logistisches dose-response benutzt werden muss [4]. Es ist auch bekannt, dass eine Antwort des circadianen Systems auf das monochromatische und breitbandige Licht unterschiedlich ist
[5]. Trotzdem können wir ein einfaches lineares Modell zur Bewertung der relativen
biologischen Effektivität von Lichtquellen benutzen.
Durch das Modell von Gall kann ein neuer Parameter zur Beschreibung einer Lichtquelle eingeführt werden, der als circadianer Wirkungsfaktor wie folgt definiert ist:
780
∫ E c d 
380
a cv= 780
∫ EV  d 
380
wobei Eλ eine spektrale Intensitätsverteilung des Lichtes, Vλ die visuelle Empfindlichkeit des menschlichen Auges und cλ die circadiane Empfindlichkeitskurve ist
(Abb. 1).
306
Poster
Abb. 1: Circadiane Empfindlichkeitskurve cλ [1] und visuelle Empfindlichkeitskurve V(λ).
Der Wert acv hat eine bestimmte Korrelation mit der Farbtemperatur. Diese Korrelation ist aber nicht eindeutig. Für einen bestimmten Wert der Farbtemperatur ist es
möglich, Spektren mit verschiedenen acv zu erhalten. Höhere Farbtemperaturen entsprechen aber meist höheren acv.
In diesem Beitrag wird ein dreibandiges Gaußsches Modell des Spektrums angewandt. Zur Optimierung des Spektrums wird eine „downhill simplex with simulated
annealing“ [6] Methode verwendet.
Die Lichtausbeute einer Strahlungsquelle ist definiert als η = KM*VS*ηe mit dem maximalen photometrischen Strahlungsäquivalent KM = 683 lm/W, dem visuellen Nutzeffekt
780
780
V s= ∫ E  V  d  /
380
∫ E d 
380
und der Strahlungsausbeute
780
e = ∫ E  d  / P .
380
Das Produkt KM*VS wird auch als Lichtausbeute der Strahlung bezeichnet und in
lm/W angegeben.
307
Poster
3 Verfahren zur Optimierung
Die Aufgabe zur Optimierung eines Spektrums kann durch beliebige Verfahren der
nichtlinearen Optimierung gelöst werden. Wir verwenden die o. g. Methode, sie ist
einfach und robust.
Wir nehmen ein dreibandiges Modellspektrum mit konstanter Halbwertsbreite von
peaks. Für die Halbwertsbreite wurde ein Wert von 30 nm gewählt, dieser entspricht
dem Mittelwert von Hochintensitäts-LEDs [7]. Das gewählte Modell beinhaltet 6
freie Parameter: die Peakpositionen λi und deren Intensitäten Ii, wobei 1 ≤ i ≤ 3.
Nach Anwendung der Regeln der Farbmischung bleiben nur 3 Parameter frei. Die
zusätzliche Bedingung für den acv beansprucht davon einen Parameter.
Ein optimales Spektrum wurde für einen Satz von lichttechnischen Parametern gesucht. Die Werte der Farbtemperatur, acv und Vs wurden konstant gehalten und das
Spektrum wurde auf den bestmöglichen Farbwiedergabeindex (Ra) optimiert. Es wurden 5 Farbtemperaturen untersucht: 2700 K, 4870 K, 5500 K, 6500 K und 8000 K.
Der Wert acv wurde durch den Planckschen Strahler mit entsprechender Farbtemperatur bestimmt.
4 Ergebnisse und Diskussion
Für den Vergleich der Ergebnisse wurde die Optimierung mit und ohne Bedingungfür acv durchgeführt. Ergebnisse für die Farbtemperaturen von 2700 K und 8000 K
sind in Abb. 2 dargestellt. Die Kurven mit und ohne Bedingung sind unterschiedlich. Der maximal erreichbare visuelle Nutzeffekt Vs wird für steigende Lichtausbeute nach Überschreiten eines Maximums kleiner. Außerdem sinkt Ra schneller mit steigendem Vs. Der allgemeine Kurvenverlauf bleibt erhalten. Mit steigender Farbtemperatur können kleinere Vs für gleiche Ra erreicht werden.
308
Poster
Abb. 2: Farbwiedergabeindex als Funktion der Lichtausbeute der Strahlung. Farbtemperatur: durchgezogene Linie – 2700 K; gestrichelte Linie – 8000 K; geschlossene Quadrate –
2700 K, acv = 0.342; offene Quadrate – 8000 K, acv = 1.1;
Abb. 3: Mögliche Änderungsbereiche des acv für gegebene Werte der Farbtemperatur.
Durchgezogene Linie – acv des Planckschen Strahlers.
Für biologisch angepasste Beleuchtung ist es notwendig, die Werte von a cv an die
Tageszeit anzupassen. Morgens führt ein größeres acv zu besserem Erwachen und zu
einer steigenden Leistungsfähigkeit. Ein kleiner acv am Abend stört nicht beim Einschlafen. Die möglichen Werte von acv im Rahmen des dreibandigen Modells sind in
Abb. 3 dargestellt. Für die Berechnungen wurde der Wert R a = 80 gesetzt und bei
konstanter Farbtemperatur nach dem besten Vs gesucht. Dabei wurden die minimalen und maximalen Werte von acv bestimmt. Die Abb. 3 zeigt, dass es sogar im Rahmen eines einfachen dreibandigen Modells möglich ist, die Werte von a cv zu variieren
und andere lichttechnische Parameter konstant zu halten.
5 Zusammenfassung
Das bestmögliche Verhältnis zwischen visuellem Nutzeffekt Vs und der Farbwiedergabe Ra im Rahmen eines dreibandigen Modells wurde untersucht. Die zusätzliche
Einschränkung für den maximal erreichbaren Vs, verursacht durch eine zusätzliche
Bedingung für acv, wurde berechnet. Beispielsweise erreicht man für eine Farbtemperatur von 2700 K bei einem Ra = 80 maximal einen visuellen Nutzeffekt von Vs =
0.625 (427 lm/W). In diesem Fall ist der circadiane Wirkungsfaktor mit acv = 0.235
aber kleiner als bei einem Planck’schen Strahler derselben Farbtemperatur. Mit der
309
Poster
zusätzlichen Bedingung acv = 0.342 wird ein maximaler visueller Nutzeffekt von Vs
= 0.58 (396 lm/W) erreicht. Die Absenkung des maximal erreichbaren Vs beträgt in
diesem Fall etwa 8 Prozent. Schließlich wurde gezeigt, dass bei gegebener Farbtemperatur und Farbwiedergabe sich im Rahmen des verwendeten Dreibandenmodells
der circadiane Wirkungsfaktor nur in bestimmten Grenzen variieren lässt.
310
Poster
Danksagung
Diese Arbeit wurde im Rahmen des Verbundprojektes „PLACAR“ durchgeführt und
vom BMBF unter FKZ 13N8968 gefördert.
Literatur
[1]
Gall, D.; Lapuente, V.: Beleuchtungsrelevante Aspekte bei der Auswahl eines
förderlichen Lampenspektrums. LICHT 54 (2002) 7/8, 860-871
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Brainard, G. C.; Hanifin, J. P.; Greeson, J. M.; Byrne, B.; Glickman, G.; Ger-
ner, E.; Rollag, M. D.: Action spectrum for melatonin regulation in humans: Evidence for a novel circadian photoreceptor. Journal of Neuroscience 21 (2001) 16,
6405-6412
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Thapan, K.; Arendt, J.; Skene, D. J.: An action spectrum for melatonin sup-
pression: evidence for a novel non-rod, non-cone photoreceptor system in humans.
Journal of Physiology-London 535 (2001) 1, 261-267
[4]
Zeitzer, J. M.; Dijk, D. J.; Kronauer, R. E.; Brown, E. N.; Czeisler, C. A.: Sen-
sitivity of the human circadian pacemaker to nocturnal light: melatonin phase resetting and suppression. Journal of Physiology-London 526 (2000) 3, 695-702
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Rea, M. S.; Figueiro, M. G.; Bullough, J. D.; Bierman, A.: A model of photo-
transduction by the human circadian system. Brain Research Reviews 50 (2005) 2,
213-228
[6]
Press, W.H., Teukolsky, S.A., Vetterling, W.T., Flannery, B.P. (Hrsg.): Nume-
rical recipes in C: the art of scientific computing. 2nd edition. Aufl. New York, 1992
[7]
Žukauskas, A.; Vaicekauskas, R.; Ivanauskas, F.; Gaska, R.; Shur, M. S.: Opti-
mization of white polychromatic semiconductor lamps. Applied Physics Letters 80
(2002) 2, 234-236
311
Poster
Messung optisch inkohärenter Strahlung
entsprechend den Normen, Richtlinien und Regelwerken
Frau Dipl.-Ing. Z. Özver-Krochmann
PRC Krochmann, Am Sandwerder 47, 14109 Berlin
1 Vorgaben
Vielfältige wissenschaftliche Untersuchungen der positiven sowie negativen Wirkungen der Strahlung im UV-VIS-IR Bereich belegten in den letzten Jahren deren Bedeutung für jede Lebensform. Entsprechend wurden die Forderungen der gesetzlichen und normativen Regelwerke national und international erweitert. Damit stieg
auch der Bedarf an einfacher qualitativ hochwertiger Erfassung der messtechnischen
Daten. Um den gesetzlichen und normativen Forderungen der Regelwerke gerecht
zu werden, ist umfangreiche Entwicklungsarbeit an Messgeräten geleistet worden.
Für folgende Strahlungsbereiche
Strahlungsbe-
UVC
UVB
UVA
VIS
IR-A
IR-B
380-780
780-1.400
1.400-3.000
reich
Wellenlänge [nm] 220-280 280-315 315-400
regeln die aufgelisteten Normen, Richtlinien und Regelwerke Grenz- und Mindestwerte der genannten Mess- und Rechengrößen:
1. DIN EN 12464-1 Licht und Beleuchtung - Beleuchtung von Arbeitsstätten – Teil 1 (2002): Arbeitsstätten in Innenräumen;
2. DIN 12193 Licht und Beleuchtung – Sportstättenbeleuchtung
3. DIN 5035 Beleuchtung mit künstlichem Licht (2006-7)
● Teil 3 Beleuchtung im Gesundheitswesen (2006-7)
● Teil 6 Messung und Bewertung (2006-11)
● Teil 7 Beleuchtung von Räumen mit Bildschirmarbeitsplätzen (2004-8)
4. DIN 5034 Tageslicht in Innenräumen
5. DIN EN ISO 29241 Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten
312
Poster
6. VDI 6011 Optimierung von Tageslichtnutzung und künstlicher Beleuchtung
7. ASR 7/3 Arbeitsstättenrichtlinie Künstliche Beleuchtung
8. BGR 131 Natürliche und künstliche Beleuchtung von Arbeitsstätten
9. Richtlinie 2006/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
(5. April 2006) Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen durch die Exposition gegenüber künstlicher optischer Strahlung
1.1 Relevante Mess- und Rechengrößen sind
photometrisch:
• Beleuchtungsstärke E [lx]
radiometrisch:
• Bestrahlungsstärke E [W m-2]
• vertikale Beleuchtungsstärke Ev [lx]
• spektrale Bestrahlungsstärke
• zylindrische Beleuchtungsstärke Ez [lx]
Eλ (λ,t), Eλ [W m-2 nm-1]
• Raumbeleuchtungsstärke Eo [lx]
• effektive Bestrahlungsstärke Eeff [W m-2]
• Gleichmäßigkeit der Beleuchtungsstär-
• Bestrahlung H [J m-2]
ken g
• effektive Bestrahlung Heff [J m-2]
• Leuchtdichte L [cd cm-2]
• S(λ) spektrale Gewichtung, 180 bis 400 nm
• Farbtemperatur Tcp,und Farbort x,y,
• R(λ) spektrale Gewichtung, 380 bis 1.400
• Farbwidergabeindex Ra
nm
2 Anwendungsbereiche von Messgeräten für Licht und Strahlung
Als Luxmeter:
• allgemeine Beleuchtungsmessungen am
Arbeitsplatz, in Krankenhäusern, Straßen
und Tunneln, Museen, Tageslichtmessungen, in der Medizin und Botanik
Als Radiometer:
• Messung der Bestrahlungsstärke im Labor
im Außenbereich, am Arbeitsplatz
• in medizinischen Bereichen zur Bestim-
• Überprüfung von Innen-, Außen-, Not-,
mung von UVA, UVB, UVC, IRA, ACGIH,
Studio- und Sportstättenbeleuchtung
Bilirubin, Blue-Light-Hazard, Direkte Pig-
• Bestimmung der zulässigen Expositionsdauer in Museen und Galerien
mentierung, Vitamin-D-Bildung,
UV-253,7 bei Entkeimungsanlagen
• Messung von langnachleuchtenden Pig-
• Überprüfung der Bestrahlungsstärke von
menten für die Sicherheitsbeleuchtung
Bestrahlungsgeräten wie Solarien, UVund Infrarotstrahlern
• Bestimmung der zulässigen Expositionsdauer von Bestrahlungsgeräten
313
Poster
3 Gütemerkmale der Photometer- und Radiometerköpfe
●
spektrale Anpassung an die Sollempfindlichkeitskurve
●
Die einfallende Strahlung wird cosinus-getreu bewertet, wie es für die allgemeinen Anwendungen erforderlich ist.
●
Der Temperatursensor in Kombination mit dem jeweiligen Messkopf ermöglicht mit Hilfe der Mikroprozessortechnik die Unabhängigkeit des Messfehlers von der jeweiligen Umgebungstemperatur, die zusätzlich angezeigt wird
(RadioLux 111).
●
Für den Außeneinsatz (Wetterüberwachung, Umweltforschung u.a.) werden
zusätzlich als Option eine Quarzglaskalotte oberhalb des Cosinus-Vorsatzes,
sowie eine Thermostatisierungselektronik in den Radiometerkopf eingebaut.
Dadurch werden einerseits Ablagerungen von Regenwasser, Schnee und
Staub von der strahlungsempfindlichen Fläche ferngehalten, andererseits die
physikalischen Eigenschaften des Radiometerkopfes trotz Temperaturschwankungen konstant gehalten. Ein spezieller Silikagelbehälter hält das Innere des Gehäuses trocken.
●
Eine Rückführbarkeit auf nationale oder internationale Normale wird durch
die Kalibrierung gegen PTB- bzw. NIST-Normale gewährleistet.
314
Poster
4 Beispiele für Photometer/Radiometer
4.1. UVA- und UVB-Radiometerköpfe
Spektrale Empfindlichkeit für UVA
1
relative spektrale Empfindlichkeit
0,9
0,8
0,7
0,6
Soll Funtion
0,5
Ist Funktion
0,4
0,3
0,2
0,1
0
300
320
340
360
380
400
420
Wellenlänge in nm
Abbildung 1
Relative spektrale Empfindlichkeit für UVA
1
0,9
rel. spectral responsivity
0,8
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
250
Abbildung 2
270
290
310
wavelength in nm
330
350
Relative spektrale Empfindlichkeit für UVB
315
Poster
Definitionsgemäß soll die Strahlung innerhalb des Wellenlängenbereiches spektral
unbewertet gemessen werden (Rechteckfunktion der Empfindlichkeit). Dieser Anforderung entsprechen die von PRC Krochmann hergestellten UVA- und UVB-Radiometerköpfe weitgehend (Bild 1 und 2).
4.2. UVC-Radiometerkopf
1
0,9
relative spectral responsivity
0,8
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
200
220
240
260
280
300
320
w ave le ngth in nm
Abbildung 3
spektrale Empfindlichkeit für UVC
Aufgrund der Absorption optischer Strahlung unterhalb von 200 nm durch die Luft,
ist die UVC-Strahlung auf den Bereich von 200 nm bis 280 nm sinnvoll eingeschränkt.
Weitere lieferbare Sensoren sind für:
Blue-Light-Hazard, Bilirubin, IR (800 nm -1100 nm), Direkte Pigmentierung, ACGIH- und V(λ)-Photometerköpfe
316
Poster
Präzise Labor- und Handmessgeräte erfüllen die Forderungen der Standards
und der Regelwerke:
RadioLux 111:
Photometer/ Radiometer 211:
Luxmeter der Klasse A nach DIN
bis zu 15 gespeicherte Kalibrierungen
5032-7 mit sehr guter V(λ) Anpassung
Dosis-Messungen
und sehr guter Cosinus-Korrektur
einfache menügeführte Bedienung
Messwertspeicher und Mittelwertbildung
hohe (16 Bit) Auflösung
Einzigartige Temperaturkompensation und
gute Ablesbarkeit
Temperaturanzeige
hohe Empfindlichkeit
Serielle Schnittstelle in der Advanced Ver- hohe Messrate
sion mit USB-Adapter
systemfähig
Leuchtdichtemessungen
Leuchtdichtemessungen
317
Poster
Begrenzungen der UV-A1-Hochdosistherapie
H. Piazena
Charité, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie,
Bonhoefferweg 3, 10117 Berlin
helmut.piazena@charite.de
Zusammenfassung
UV-A1-Strahlung bezeichnet den Teilbereich ultravioletter Strahlung mit Wellenlängen zwischen 340 nm und 400 nm. Die therapeutische Nutzung der UV-A1-Strahlung erfolgt nach den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zur UV-Phototherapie als niedrig dosierte
Therapie mit Dosen im Bereich UV-A1 (HUV-A1 ≤ 20 J cm-2), als mitteldosierte Therapie mit HUV-A1 ≈ 30 - 50 J cm-2 und als Hochdosistherapie mit HUV-A1 ≥ 130 J cm-2,
wobei die Schwellendosis des UV-Hauterythems Her = 250 J m-2 während der Expositionsdauer nicht überschritten werden darf. Berechnungen auf der Grundlage spektralradiometrischer Vermessungen von Mustern aller in Anwendung stehenden Gerätetypen zur UV-A1-Therapie zeigten, daß alle Geräte die Kriterien der niedrig dosierten und der mitteldosierten UV-A1-Therapie erreichen, keines aber die Kriterien zur
Hochdosistherapie. Diese Berechnungen wurden durch experimentelle Untersuchungen an Probanden mit einem UV-A1-Hochdosisgerät bestätigt, bei denen Erytheme
nach Bestrahlungen beobachtet wurden, die den vorausberechneten Maximaldosen
im UV-A1-Bereich entsprachen und Beträge HUV-A1 ≤ 90 J cm-2 aufwiesen. Weitere
Berechnungen zeigten, daß die cut-off Wellenlänge zur Filterung des Emissionsspektrums der Bestrahlungsgeräte Beträge oberhalb von 375 nm aufweisen muß, um Dosen HUV-A1 ≥ 130 J cm-2 bis zum Erreichen der Erythemschwellendosis Her = 250 J
m-2 überhaupt zu ermöglichen. Die vermessenen Bestrahlungsgeräte zur UV-A1Hochdosistherapie emittierten dagegen auch UV-Strahlung unterhalb dieser Wellenlänge, so daß das Erreichen der Erythemschwellendosis je nach Art der Strahlungserzeugung und Filterung die maximal möglichen Dosen im Spektralbereich UV-A1 auf
Beträge im Intervall 68 J cm-2 ≤ HUV-A1 ≤ 91 J cm-2 prinzipiell beschränkte. Andererseits zeigen die Berechnungen, daß zur Einhaltung der Kriterien der Hochdosisfähig318
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keit erforderliche Filterung der Geräte mit Verminderungen der Bestrahlungsstärke
im Spektralbereich UV-A1 zwischen 51% und 81 % verbunden wäre, die einerseits
den therapeutischen Effekt auf Grund einer möglichen Verletzung des Bunsen-Roscoe Gesetzes in Frage stellen und andererseits entsprechende Vergrößerungen der erforderlichen Bestrahlungsdauer bedingen. Aus den vorliegenden Daten ist zu schlußfolgern, daß die an UV-A1-Hochdosigeräte gestellte Forderung HUV-A1 ≥ 130 J cm-2
prinzipiell nicht erfüllbar ist. Ferner erscheint eine kritische Revision der vorliegenden Dosis-Wirkungsbeziehungen in der Literatur wie auch eine Neudefinition der
Anforderungen an die Dosierung in der UV-A1-Hochdosistherapie und zur Klassifizierung der Bestrahlungsgeräte als notwendig. Vorgeschlagen wird der Betrag HUV-A1
≥ 80 J cm-2 als Kriterium zur Charakterisierung der UV-A1-Hochdosistherapie wie
auch zur Einschätzung der „Hochdosisfähigkeit“ der Bestrahlungsgeräte.
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Circadian Effectiveness of
Ssolar and Artificial Radiation
in Dependence on Age
H. Piazena1, L. Franke1, D. Sülflow1, K. Stark1, D. Kockott2 and R. Uebelhack1
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité, Bonhoefferweg 3
1
D-10117 Berlin
2
Dr. D. Kockott UV-Technik, Hanau
Abstract
The aim of the investigation was to determine the threshold irradiance of sufficient
melatonin suppression for persons of different age with free pupil adaptation by using polychromatic radiation with different emission spectra and with different angles
of incidence on the cornea. These data were used to evaluate the circadian effectiveness of solar irradiance at the Earth´s surface and of different lamp types for children, young adults and seniors. Melatonin suppression was measured directly by analysing blood samples of volunteers classified by their age and exposed by polychromatic radiation in dependence on its spectral distribution, on its irradiance and on its
incidence angle on the cornea. Effective threshold irradiances to get saturation of
melatonin suppression were calculated by using the circadian action spectrum. Depending on the age, the data ranged between about 0.2 W m-2 and about 0.6 W m-2 in
the case of half spherical geometry and of different emission spectra of white light
lamps. In contrast, decreases of the incident angle resulted in decreases of melatonin
suppression even if the luminance was increased to get equivalent corneal irradiance.
However, the threshold irradiances experimentally determined for persons of different age are approximately in line with the thresholds calculated by extrapolation by
using age-dependent spectra of eye transmittance and threshold irradiance data of
melatonin suppression measured in young adults with dilated pupils and with monochromatic radiation. This result is discussed as reference to the applicability of the
additivity law of photobiology to evaluate circadian effectiveness of polychromatic
light sources by weighting with the circadian action spectrum, whereas the experimental data clearly show the violation of the Bunsen-Roscoe law as well as the need to
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establish “circadian weighted” measures to exclude confusion by using measures of
visual effectiveness which result in misinterpretation of circadian effectiveness. In addition, ageing effects of the eyes have to be considered to evaluate circadian effectiveness and effects of light. Outdoor sun light exposures during cloudless sky cause
sufficient melatonin suppression between sunrise and sunset for persons of all ages,
whereas the suitable daily periods are limited in case of cloud covered sky and depend on latitude, season, age, type of cloudiness and degree of cover.
Lamps show different ratios between circadian and visual effectiveness in dependence on a person´s age which may be used to stimulate or to prevent melatonin suppression.
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Erythema effectiveness of long-wave UV radiation –
LASER versus conventional radiation
H. Piazena1 und H. Meffert2
1 Charité, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Bonhoefferweg 3, 10117 Berlin
2 Dermatologisches Zentrum Berlin, Potsdamer Chaussee 80, 14129 Berlin
(helmut.piazena@charite.de, hans.meffert@web.de)
Abstract
Long-wave UV radiation is of increasing interest in the treatment of skin diseases,
tanning, premature skin aging and cancer. Calculated erythema effectiveness of mostly UV-A or UV-A1 emitting devices differs up to a factor of two whether the action
spectrum recommended by the CIE (1982) or the LASER supported action spectrum of Anders et al. (1995) was used. To learn about possible causes of these differences, threshold exposure times and doses predicted by calculation with both action
spectra were related to erythema formation and pigmentation on the previously unadapted back skin of volunteers determined by measuring the Colorimetric Erythema
Index (CEI) and the Individual Typological Angle (ITA°). The volunteers were exposed with a therapeutic UV-A1 device (CL 300.000, Photomed, Gehrden, Germany)
emitting mostly UV with wavelengths between 340 nm and 400 nm and in addition
by using an UV-B Erythemtester (Meffert and Dietz, 1982, equipped with a TL-12
bulb, Philips) to determine individual skin photo-types and to compare individual
threshold doses determined in the UV-B and in the UV-A1 range. The unweighted
irradiance of the UV-A1 device was measured at skin surface with a spectroradiometer (OL 754, Optronic Lab. Inc., Orlando, USA) to about 247 W m-2. The exposure
time to get 1 MED (250 J m-2) calculated for the UV-B Erythemtester was 45 s (CIE
action spectrum) and 53 s (Anders action spectrum) and differed by about 18%. In
contrast, exposures with the UV-A1 device resulted in markedly larger differences.
The observed exposure times to get individual erythema threshold doses varied between 28 and 55 min, depending on the individual erythema sensitivity of the volunteers which were classified into the skin photo-types I - III. This result fairly agrees
with the data predicted by using the CIE action spectrum (31 min for skin type I, 39
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min for skin type II and 55 min for skin type III); whereas calculations with the action spectrum of Anders et al. resulted in times between 18 min (skin type I) and 32
min (skin type III). In addition, the ratio between individual erythema threshold doses calculated with the CIE action spectrum for exposures with the UV-A1 device
and with the UV-B Erythemtester differed up to about ± 20 % (skin type II) and up
to about ± 40 % (skin types I and III), whereas calculations with the action spectrum
of Anders et al. resulted in differences by a factor of about 3 (skin type I) and of
about 1.6 (skin type III). Exposures with the UV-A1 device resulted not only in increases of the CEI but also in decreases of the ITA° which depended on exposure
time and on skin type. These differences probably are due to different irradiances in
the long-wave UV-A range which were used for establishing the two erythema action
spectra. Whereas the LASER technique allowed irradiances of about 1500 W m-2
and more correlated with exposure times to get 1 MED within some minutes (Anders action spectrum), high-pressure lamps required exposure times on the order of
hours (CIE action spectrum). However, exposure times on the order of 1 hour are
sufficient for some repair and inducing significant immediate pigmentation which decrease erythema sensitivity just during the exposure and which cause dependence of
the threshold dose on irradiance resulting in violation of the Bunsen-Roscoe law of
proportionality. Thus, the action spectrum of Anders et al. was proved to be photobiologically correct whereas the CIE erythema action spectrum considers the effects
of repair and pigmentation if the erythema threshold exposure time exceeds the need
of time to stimulate significant immediate pigmentation.
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