Materialmappe zur Inszenierung von JESUS CHRIST SUPERSTAR

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Materialmappe zur Inszenierung von JESUS CHRIST SUPERSTAR
Materialmappe zur Inszenierung
von
JESUS CHRIST SUPERSTAR
von Andrew Lloyd Webber
Premiere: 23.10.2008, Großes Haus
Musikalische Leitung: Ariane Müller/
Gordian Teupke
Inszenierung: Werner Pichler
Bühne: Britta Lammers
Kostüme: Andrea Hölzl
Gott, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!
JESUS
Nele Neitzke Theater Ulm Herbert-von-Karajan-Platz 1 89073 Ulm
Tel: 0731-161 4411 E-Mail: theaterpaedagogik@ulm.de
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Liebe Lehrerinnen und Lehrer,
wir glauben, dass das Erlebnis Theater erst dann richtig beginnt, wenn man begreift.
Schüler sollten auf den Theaterbesuch vorbereitet werden, damit sie ihn genießen können. Die kleinen Materialsammlungen zu den Inszenierungen am Theater Ulm sollen
Ihnen zur Vorbereitung des Theaterbesuchs mit Ihrer Klasse dienen.
Neben Hintergrundinformationen zu Autor und Werk enthalten sie Materialien, die für
den Zugriff des jeweiligen Regisseurs von Bedeutung sind. Außerdem am Ende einige
theaterpädagogische Anregungen, mit denen Sie bestimmte Themenkomplexe der Inszenierung mit ihren Schülern praktisch „anSPIELEN“ können.
Sie können sich aus diesen Materialien einzelne Dinge herausgreifen, sie abwandeln
oder das gesamte Material verwenden.
Viel Freude beim Ausprobieren und dem Theaterbesuch wünscht
Nele Neitzke
Altersempfehlung: Ab 13 Jahren
Dauer: 2 Stunde 15 Minuten, eine Pause
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Eine der größten Erzählungen de Menschheitgeschichte erzählt Andrew Llloyd Webber hier in Musical-Form: die letzten sieben Tage im Leben Jesus Christus. Das letzte Abendmahl, Jesus´ Verhältnis zu Maria Magdalena (spätestens seit dem „Da Vinci
Code“ in aller Bewusstsein), der Verrat durch Judas, die historienträchtige Entscheidung des Statthalters und schließlich der Tod am Kreuz.
DER KOMPONIST
Andrew Lloyd Webber wurde 1948 im englischen Westminster (London) geboren. Er
stammt aus einer musikalischen Familie: sein Vater war Organist, Professor für Musiktheorie und Komposition sowie Direktor am London College of Music, seine Mutter
eine anerkannte Musikpädagogin und sein Bruder ist der Cellist Julian Lloyd Webber.
Zunächst lernte er Horn und Klavier sowie die englische Volks- und Kirchenmusik und
die klassische englische Musik des 20. Jahrhunderts (Britten, Elgar, Holst) kennen
und verfasste erste Kompositionen (u.a. eine Suite für Kindertheater und Popsongs).
Dann studierte er am Royal College of Music und wandte sich schon bald dem Musicalbereich zu.
Mit 17 Jahren lernte er den Lyriker Tim Rice kennen, mit dem er etliche Songs sowie
1968 das Pop-Oratorium „Joseph And The Amazing Technicolor Dreamcoat“ schrieb,
das 1972 beim Edinburgh Festival einen großen Erfolg hatte. Es folgten weltweit präsentierte Filmmusiken und Musicals, unter denen „Jesus Christ Superstar“ (1971).
„Evita“ (1978). „Cats“ (1981), „Starlight Express“ (1984) und „The Phantom Of The Opera“ (1986) nur die populärsten sind. 2000 kam „The Beautiful Game“ heraus, und zuletzt feierte Lloyd Webber am Londoner Westend mit seiner Musicaladaption von „The
Woman in White“ Erfolge. „Das Phantom der Oper“ wurde im Januar 2006 zum am
längsten laufenden Musical in der Geschichte des Broadway.
Lloyd Webber gewann zahlreiche Tony Awards, Drama Desk Awards, drei Grammys
(1986 für sein „Requiem“ in der Kategorie für die „beste klassische zeitgenössische
Komposition“) und fünf Laurence Olivier Awards. 1992 wurde er zum Ritter der Kunst
geschlagen, 1995 in die American Songwriter‘s Hall of Fame aufgenommen. Im selben Jahr erhielt er auch den Praemium Imperiale Award for Music, 1996 den Richard
Rodgers Award for Excellence in Musical Theatre und 1997 gemeinsam mit Tim Rice
den Golden Globe und einen Oscar für den Besten Original-Song für die Filmmusik zu
„Evita“. In Königin Elizabeths Neujahrs-Ehrung des Jahres 1997 wurde er zum Lord
Lloyd-Webber of Sydmonton erhoben. 2000 liefen weltweit 27 Lloyd Webber-Shows
gleichzeitig.
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DER AUTOR
Tim Rice wurde 1944 in Amersham (Buckinghamshire) geboren. Für kurze Zeit ging
er an die Pariser Sorbonne, um Jura zu studieren, wollte aber eigentlich Pop-Sänger
werden. Er wirkte sodann in der Schallplattenindustrie und wurde als Rundfunksprecher und Fernsehansager einem breiten Publikum bekannt. Nach den fast anderthalb Jahrzehnten des gemeinsamen Schaffens mit Andrew Lloyd Webber arbeitete
Tim Rice für und mit vielen anderen bedeutenden Künstlern, so mit Elton John für den
Oscar-gekrönten Titelsong des Disney-Films „König der Löwen“ (1995) und für das
Musical „Aida“ (1999). Neben seiner Tätigkeit als Song- und Stücktexter widmet sich
Rice der Herausgabe von Büchern, dem Verfassen von Kolumnen im Londoner „Daily
Telegraph“ und seiner Aufgabe als Vorsitzender der britischen Foundation for Sport
and the Arts. Für seine Leistung auf diesem Gebiet wurde er 1994 von der Königin in
den Adelsstand erhoben.
INHALT DES STÜCKES
In Jerusalem und Umgebung: Die Geschichte der letzten sieben Tage im Leben Jesus‘
wird aus der Sicht von Judas Iscariot erzählt. Jedoch ist es nicht der Judas der christlichen Mythologie, der hier beschrieben wird. Der Mann, dessen Name gleichbedeutend
mit dem Begriff „Verräter” geworden ist, ist vielmehr ein normaler Mensch, der mit
wachsender Besorgnis beobachtet, wie die neue ethisch-religiöse Bewegung, an der
er teilhat, zum Ziel von Fanatikern wird und wie ihr Anführer Jesus von seinen hysterischen Anhängern in solch einem Ausmaß verehrt wird, daß Anlaß zu Sorge besteht. Judas‘ Versuche, seinen Herrn und Meister auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen,
ihn an seine eigentliche Mission zu erinnern, werden von dem überspannten Jesus,
auf den nur Maria Magdalena einen beruhigenden Einfluß zu haben scheint, launisch
abgeblockt. Die Besorgnis ist berechtigt, denn die Priester Jerusalems sind beunruhigt über den von Jesus verursachten Wirbel, der die Aufmerksamkeit der römischen
Machthaber auf diesen Teil der Welt zu lenken droht. Sie beschließen, die gefährliche
Bewegung samt ihrem aufrührerischen Führer auszuschalten, zumal Jesus sich auch
durch die Appelle des Hohenpriesters Caiaphas nicht von seinem Weg abbringen läßt
und der Mob den Haß auf die römischen Besatzer geschürt wissen möchte. Als die
Lage sich immer stärker zuspitzt und Jesus Anzeichen zeigt, unter dem auf ihm lastenden Druck zusammenzubrechen (der Statthalter Pontius Pilatus hat unterdessen
von einem Traum berichtet, in dem er für den Tod eines Manns aus Galiläa verantwortlich gemacht wird, und Jesus die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel vertrieben), schiebt Judas alle Zweifel beiseite. Er glaubt, die einzige Möglichkeit, Gewaltakte
unter der Bevölkerung zu verhindern, sei die, Jesus einsperren zu lassen. Deshalb
sucht er die Priester auf und verrät ihnen für 30 Silberlinge, die er nur widerstrebend
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annimmt, wann und wo sie Jesus allein und ohne Gefahr gefangennehmen und so einen Aufruhr verhindern können. Beim letzten Abendmahl sieht Jesus sein Schicksal
voraus und deutet auf Judas als den Verräter, der sein Verhalten jedoch damit rechtfertigt, daß Jesus seinen Idealen untreu geworden sei. Im Garten Gethsemane wird Jesus von Soldaten aufgespürt und verhaftet; der Jünger Peter leugnet, ihn überhaupt zu
kennen. Judas erkennt, daß er von Gottes Fügung benutzt worden ist, die Bestimmung
Jesus‘ auf Erden zu vollenden, und erhängt sich voller Verzweiflung. Weder Pilatus
noch Herodes, der König von Galiläa, wollen den Gefangenen aburteilen, aber die von
den Priestern aufgewiegelte Volksmenge, die sich von Jesus betrogen fühlt, der sich
nicht verteidigen und keine Wunder vor ihren Augen vollbringen will, zwingt Pilatus,
ihn zum Tod zu verurteilen. Jesus wird gekreuzigt, während Judas‘ Stimme die Frage
stellt, warum alles so kommen mußte, wie es gekommen ist: War es Teil eines Plans,
Jesus zu einem “Superstar” zu machen, an den man sich in alle Ewigkeit erinnern
würde?
SONGS
Heaven on Their Minds
What‘s the Buzz
Strange Thing Mystifying
Everything‘s Alright
This Jesus Must Die
Hosanna
Simon Zealotes Poor Jerusalem
Pilate‘s Dream
The Temple
I Don‘t Know How to Love Him
Damned for All Time
Blood Money
The Last Supper
I Only Want to Say
The Arrest
Peter‘s Denial
Pilate and Christ
King Herod‘s Song
Could We Start Again, Please
Judas‘ Death
The Trial Before Pilate
Superstar
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LLOYD WEBBER ÜBER DAS STÜCK
„Wir wollten etwas schreiben mit vielen Mitwirkenden, etwas Dramatisches, das alle
Leute anspricht und eine Oper, weil ich persönlich gern ein ernstes Stück mit populären Techniken machen wollte , nicht bloß Techniken, sondern ein-fach mit meiner
persönlichen Liebe zur Melodie, darauf läuft es letzten Endes hinaus. Wir wandten
uns dem Christus-Stoff zu, weil er Tim erlaubte, sich als Dichter zu versuchen und die
Christusgeschichte in neuer Art zu interpretieren. Er tat es auch, indem er Judas zum
Helden der Geschichte machte. Er schildert ihn als Mann des praktischen Lebens, der
einer Gestalt wie Christus zugetan ist, die zu der Zeit schon ihre Aufgabe erfüllt hat
und während der letzten sieben Tage des Lebens ihre Kraft verbraucht. Es ist eine sehr
menschliche Version von Christus, die seine Größe nicht leugnet, doch die Göttlichkeit
einfach nicht zur Diskussion stellt. Dieser Standpunkt zwingt dazu, menschliche Reaktionen von anderen einer großen Gestalt gegenüber zu behandeln. Tims Text führt
die Fi-guren, die um Christus sind, zusammen, der selbst in den Augen der Leute keine klaren Umrisse hat. Maria Magdalena ist die weltliche, die sich in ihn verliebt hat;
Pilatus sieht sich mit ihm konfrontiert; Judas hatte laut Bibel die Aufgabe, die Gelder
zu kontrollieren; Simon ist der Revolutionär, der in Christus die Leit-figur einer Bewegung zur Überwindung der Welt durch Gewalt sieht.“
ENTSTEHUNG UND WIRKUNG
Jesus Christ Superstar war das erste abendfüllende Werk des Teams Lloyd Webber und
Rice und folgte der für Schulaufführungen geschriebenen Mi-niaturkantate Joseph and
the Amazing Technicolor Dreamcoat (1968), die auf der Josephslegende basiert. Nach
dem Erfolg dieses Stücks war eins der ersten Ergebnisse ihrer Zusammenarbeit der
Song “Superstar”, den die Autoren aber als Teil eines größeren Ganzen betrachteten:
Ihnen schwebte ein Bühnenmusi-cal mit der Geschichte Jesu vor, das in Kantatenform
wie Joseph gehalten sein und dessen Titelsong „Superstar“ werden sollte. Ihr Agent
David Land konnte zunächst keinen Produzenten für ein Stück solchen Inhalts finden;
statt dessen gelang ihm ein Abschluß mit einer Plattenfirma, die Jesus 1970 veröffentlichte. Diese Aufnahme war (vor allem in den Vereinigten Staaten) so erfolgreich, daß
trotz religiöser Bedenken (Juden und Christen könnten gleichermaßen verstört auf ein
Musical dieser Thematik reagieren) wieder eine Bühnenfassung in Be-tracht gezogen
wurde. Zwar wollte der für seine spektakulären Musicalproduk-tionen bekannte Impresario Harold Fielding Jesus in bester Opernmanier auf die Bühne bringen, jedoch
gaben die Autoren dem andersgearteten Konzept Robert Stigwoods, des Produzenten
der Londoner Version von MacDermots Hair (1967), den Vorzug.
Die Uraufführung (Regie: Tom O‘Horgan; Judas: Ben Vereen) war phantasievoll und
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ideenreich, jedoch lenkten die Bühneneffekte und die poppige Ausstattung eher vom
Inhalt ab und waren nicht nach jedermanns Geschmack (beispielsweise wurde der gekreuzigte Jesus von einem Gabelstapler von der Bühne gefahren). So liefen religiöse
Gruppen denn auch Sturm gegen das Stück. Die einen protestierten gegen die sexuelle
Beziehung zwischen Jesus und Mary Magdalene, die andern störten sich an der Darstellung Jesus‘ mit einem Koller, noch andere stuften das Musical als antisemitisch
ein, da die Priester als blutrünstige Bestien gezeigt wurden. Beim Publikum jedoch, das
sehen wollte, wie eine Schallplatte in ein Bühnenspektakel umgesetzt wird, hatte das
Stück großen Erfolg; es brachte es auf 720 Vorstellungen am Broadway; Lloyd Webber
wurde mit dem Drama Desk Award ausgezeichnet. Bald folgten erste Auslandsproduktionen, von denen die australische besonders hervorzuheben ist: Sie verzichtete
auf Exzentrizitäten und war in einem strengen, modernistischen Stil gehalten, der sich
als so wirkungsvoll erwies, daß der Regisseur Jim Sharman auch für die Inszenierung
in London verpflichtet wurde, wo das Stück 1972 im Palace Theatre, allerdings in mehr
traditioneller Form, herauskam und zum Musical mit der längsten Laufzeit (zehn Jahre) in der Geschichte des britischen Theaters wurde. Jesus Christ Superstar ging rund
um die Welt, wurde aber in Südafrika aus religiösen Gründen verboten; in Deutschland
wurde es 1972 in Münster (Westf.) herausgebracht. Der Verfilmung (1973) von Norman
Jewison fehlte der Reiz der Bühnenshow. Das Broadway-Revival von 1977 konnte an
den Erfolg der Originalproduktion nicht anknüpfen und wurde nach nur 96 Vorstellungen abgesetzt.
„JESUS CHRIST SUPERSTAR“ URAUFGEFÜHRT
Anfang der 1970er Jahre erwachte in den USA eine neue Religiosität. Nach James
Dean, Elvis, den Beatles und Woodstock wurde Jesus Christus zum neuen Idol weiter
Teile der Jugend. Sichtbarer Ausdruck dieser Welle war der enorme Erfolg der Rockoper „Jesus Christ Superstar“. Sie machte den Komponisten Andrew Lloyd Webber und
den Texter Tim Rice über Nacht weltberühmt.
Der internationale Triumph von „Jesus Christ Superstar“ begann bereits 1970, als ein
Jahr vor der Uraufführung des Musicals in New York die gleichnamige Schallplatte in
Großbritannien veröffentlicht wurde - allerdings wies zunächst gar nichts auf einen
Verkaufserfolg hin. Das änderte sich jedoch, als die Musik in den USA wie eine Rakete
einschlug und zweieinhalb Millionen Schallplatten innerhalb von zwölf Monaten verkauft wurden. Für Webber und Rice öffnete das die Türen zum Broadway.
„Jesus Christ Superstar“ war das erste Musical in der Broadwaygeschichte, das auf einer Plattenproduktion basierte und das erste, das schon vor den Proben ein Erfolg war.
Als sich der Vorhang im New Yorker Mark Hellinger Theater zur ersten von insgesamt
720 Aufführungen hob, war das Stück bereits für sechs Wochen im Voraus ausverkauft
und hatte schon im Vorverkauf über eine Million Dollar eingespielt.
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Kunst oder Blasphemie?
„Phantastisch“ - so lauteten mehrheitlich die spontanen Reaktionen des Premierenpublikums auf das Musical, das in einer als Song-Zyklus gestalteten epischen Bilderfolge die letzten sieben Tage des Lebens von Jesus Christus schildert. Regisseur war
Tom O´Horgan, der 1968 schon das Musical „Hair“ inszeniert hatte.
Am 12. Oktober 1971 wird in New York das Musical „Jesus Christ Superstar“ uraufgeführt. Die Rockoper bringt dem Komponisten Andrew Lloyd Webber und dem Texter
Tim Rice über Nacht Weltruhm - und Jesus Christus wird zum neuen Idol weiter Teile
der Jugend.
Während im Saal das Publikum die Rockoper von Webber und Rice mit stehenden Ovationen feierte, protestierten vor den Türen des Theaters konservative religiöse Gruppen. Unbeeindruckt von den Rufen „Blasphemie“ hatte sich auch New Yorks damaliger
Bürgermeister John Lindsay seinen Weg durch die Demonstranten gebahnt. Auf die
Frage, ob er das Musical anstößig finde, meinte er: „Nein, ich finde es großartig.“
Extravagante Premierenparty
Zu den Kritikern gehörte auch das American Jewish Committee. Dort befürchtete man
durch eine angebliche Stilisierung der Juden als Mörder eine Verschlechterung der
christlich-jüdischen Beziehungen.
Dazu meinte ein jüdischer Besucher der Premiere: „Das Stück geht überhaupt nicht
hart mit den Juden um. Da stehen im Neuen Testament ganz andere Sachen.“ Katholische Kreise warfen der Inszenierung vor, die Göttlichkeit von Jesus zu leugnen und
Judas zum Helden zu machen.
Während Schauspieler und Musiker in der Nacht vom 12. Oktober 1971 mit ihren geladenen Gästen im Lokal „Tavern On The Green“ eine der bis dato teuersten und extravagantesten Premierenparties feierten, fieberten Webber, Rice, O´Horgan und Produzent Robert Stigwood den ersten Kritiken entgegen. Diese fielen nicht gerade prächtig
aus, wenn man von der „Daily News“ absieht, die das Stück als „Triumph“ feierte. Der
Fernsehsender „ABC“ war weniger begeistert: „Enttäuschend“ lautete hier das Urteil.
Es war vor allem die Inszenierung selber, die viele Kritiker als zu ereignislos bezeichneten. Doch weder Proteste noch die schlechten Kritiken konnten den weltweiten Erfolg von „Jesus Christ Superstar“ beim Publikum aufhalten.
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CHRISTUS AUF DER BÜHNE
Die Jesus-Figur kam im Mittelalter auf die europäischen Bühnen, als das Theater hier
eine zweite Hoch-Zeit (nach der Antike) erlebte. Doch wie das antike hellenistische
Theater hat sich auch das mittelalterliche in engster Verbindung mit und durch den
Gottesdienst als „geistliches Spiel“ entwickelt. Diese Mysterienspiele thematisierten
Aspekte/“Geheimnisse“ des Glaubens. Sie waren demnach eher inhaltlich als die Form
betreffend bedeutsam.
Die Darstellung der Jesus-Figur wurde äußerst zögerlich angegangen. Diverse theatralische Neudarstellungen beschränkten sich auf die Zitierung oder Paraphrasierung von Christus-Worten und konnten höchstens durch die Auswahl der Passagen
Varianten des Jesus-Bildes zeichnen: So gibt es den derben, spöttischen Jesus, den
lehrhaft-ernsten, den gerecht-strengen und den von der Frauenmystik geprägten milden und liebenden Jesu.
Neben den Mysterienspielen entwickelte sich im späten Mittelalter eine stark moralisierende Spielart, die sogenannten „Moralitäten“, die gern mit allegorischen Figuren,
wie „das Laster“, „der Glaube“, ‚“der Reichtum“ arbeiteten und stets von der Bühne
herab eine eindringliche Lehre verkündeten.
Das Schwinden orthodoxer Gläubigkeit seit der Aufklärung brachte eine rationalisierende Darstellung hervor, die in Christus wie etwa N. de Bohaire Dutheiß „Jesus-christ
ou la veritable religion“ nur den Tugendhelden und Lehrer sah oder gefühlsmäßige
Aneignung des Stoffes wie in Klopstocks „Messias“. Bedeutende Pläne zur Bewältigung des Jesus-Stoffes sowohl von Richard Wagner als auch von Friedrich Hebbel und
Otto Ludwig bleiben unausgeführt oder führten bestenfalls zu Fragmenten.
Das einschneidende bibelkritische Werk „Das Leben Jesu“ (1835) von D. F. Strauss
lieferte die theoretischen Grundlagen der folgenden Interpretationen, die Jesu als mythisierte Persönlichkeit, als Sozialrevolutionär, aber auch als pathologischen Fall darstellten. Weitere Säkularisierungstendenzen führten dann dazu, im 20. Jahrhundert
beispielsweise Jesu als atheistischen Kommunisten zu sehen.
Nachdem die Jesus-Welle für die Massenmedien zum Thema geworden war, versuchte
auch das immerfort suchende Showbusiness dem allgemeinen Trend zu entsprechen,
mit dem sogenannten „Jesus-Rock“. Unter diesem Begriff wurden biblischreligiöse
Themen in Rockmanier zusammengefaßt; wobei es häufig recht schwierig ist, zu beurteilen, ob sich hinter den entsprechenden Stücken ein bilderstürmender Blick auf
die Revolution verbirgt oder ob es sich eher um einen aufrichtigen Versuch handelt,
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die religiöse Botschaft in zeitgerechte Begriffe und Bilder zu übertragen, die von der
jüngeren Generation verstanden werden können.
Das Musical „Salvation“ (Erlösung) aus dem Jahre 1969 warf keine derartigen Probleme auf. Es gab sich betont anti-religiös; obwohl es als eine Art Gospel-Erweckungsgottesdienst aufgezogen war, der durch eine psychedelische Lightshow ergänzt wurde. Die befreiende Erlösung sahen die Musical-Autoren Peter Link und C. C. Courtney
in Sex und Drogen.
Aus Washington kamen die Musicals „Sweet Jesus“, und „Jesus Christ, Lawd Today“
und in Belgien das Rock-Oratorium „Gloria Halleluja 2000“ heraus.
Mit der off-Broadway-Show „Godspell“ von Stephen Schwartz und der Rockoper „Jesus Christ Superstar“ von Tim Rice und Andrew Lloyd Webber entstanden 1971 zwei
Musicals, die erstmals wortwörtlich Jesus-Rock auf die Bühne brachten. „Godspell“
stellt Jesus und die Jünger als Clowns in der Tradition der Commedia dell‘ arte vor.
Nichtsdestotrotz blieb es zusammen mit der kompromißlosen Rock-Musik, den seltsam anmutenden Dekorationen und einer flapsigen Respektlosigkeit eine unmittelbare schlichte Bibelstory. „Jesus Christ Superstar“ erzählt die biblische Passionsgeschichte: die letzten sieben Tage im Leben Jesu.
Trotz, oder vielleicht gerade wegen heftiger Opposition kirchlicher Kreise, erreichte
die Botschaft beider Musicals den Kontakt zur Jugend der siebziger Jahre.
Das Genre Jesus-Rock wurde 1976 noch einmal mit dem Farbigen-Spektakel „Your
Arm‘s Too Short to Box with God“ aufgegriffen, das im schnoddrigen Slang und mit
aktuellen Verfremdungen wie „Godspell“ und „Jesus Christ Superstar“ gleichfalls auf
dem Matthäus-Evangelium des Neuen Testaments basiert.
WHO IS WHO IN DER BIBEL
JESUS
Jesus‘ Lebensdaten sind bis heute unbekannt. Neueste Forschungen zeigen, dass er
ca. 12 v. Chr. geboren und zwischen 30 und 35 n. Chr. gekreuzigt wurde. Von seiner
Kindheit und Jugend weiß man wenig und die Authentizität der kaum vorhandenen
Schriften wird angezweifelt. Seine Lehre und sein Tod sind hingegen sehr genau durch
die vier Evangelien dokumentiert. Durch seine Empfängnis durch den heiligen Geist
und die spätere Auferstehung, die in den Traditionen des Judentums nicht vorkommen, wurde Jesus zum Gründer einer neuen Religion.
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JUDAS
Judas Iskarioth bedeutet Judas aus Kerijot, einem Ort in Judäa. Innerhalb der Gruppe
der zwölf Jünger um Jesus hatte er den Posten als Verwalter der Kasse inne. Nach
jüdischer Überlieferung gehörte Judas zu der Gruppe der Zeloten, die einen bewaffneten Widerstand gegen die Römer forderten. Seine Berühmtheit war das Ergebnis
des Verrates an Jesus, den Judas an die Hohenpriester verkaufte. Welche Ambitionen
ihn so weit trieben, ist in den letzten Jahrzehnten immer wieder thematisiert worden,
vor allen Dingen nach Auffindung des Judas-Evangeliums. Mittlerweile ist innerhalb
der katholischen Kirche eine heiße Diskussion entfacht, ob Judas nicht sogar heilig
gesprochen werden sollte.
MARIA MAGDALENA
Maria aus Magdala oder Maria Magdalena tritt erst spät den Anhängern Jesu bei. Der
genaue Zeitpunkt ist unklar. Allgemein wird vermutet, dass Maria Magdalena die Sünderin ist, die Jesus im Haus des Pharisäers die Füße wäscht und sie mit ihren Haaren
trocknet. Doch ein eindeutiger Hinweis fehlt. Maria ist weiterhin die erste, die feststellt, dass Jesus‘ Grab leer ist und ebenfalls die erste, die ihn nach der Aufstehung
trifft, auch wenn sie denkt, sie spräche mit einem Gärtner.
KAIPHAS
Kaiphas (oder Kajaphas) war Hohepriester in Jerusalem von 18 bis 36 n. Chr. und beim
Prozess gegen Jesus anwesend. Außerdem war er der Schwiegersohn des Hohenpriesters Annas und gehörte damit zu der Familie, die in der Priesterschaft Jerusalems den Ton angab.
ANNAS
Annas (oder Hannas) war Hohepriester in Jerusalem und Oberhaupt einer Familie, die
dieses Amt sozusagen als Monopol inne hatte. Er wurde im Jahr 15 n. Chr. des Amtes
enthoben. Er wird im Johannes Evangelium am Rande erwähnt, da Jesus erst ihm
vorgeführt wird, bevor er zu Kaiphas, dem amtierenden Hohenpriester und Schwiegersohn Annas‘, kommt.
SIMON
Simon der Zelot war einer der zwölf Apostel Jesu. Es ist unsicher, wie er den Märtyrertod erlitt: ob er gekreuzigt oder in zwei Teile gesägt wurde.
PILATUS
Pontius Pilatus war von 27 bis 36 n. Chr. Statthalter von Judäa. Jedoch erregte er immer wieder den Zorn der Juden, da er ständig zwischen Taktlosigkeit und unnötigem
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Auftrumpfen hin- und herschwankte. Am Ende wurde er seines Amtes enthoben. Obwohl Pilatus spürte, dass Jesus ein Unschuldiger war, musste er dem Druck der Menge nachgeben und ihn nach letzten friedlichen Lösungsversuchen kreuzigen lassen.
PETRUS
Simon, ein Fischer aus Galiläa, war der wichtigste von den Jüngern Jesu und ragt in
allen Evangelien aus dem Kreis der Jünger heraus. Daher erhielt er den Beinamen
„Petrus“ (griech. Fels), obwohl er Jesus drei Mal verleugnete. Zu einem späteren Zeitpunkt ging Petrus nach Rom, wo er während der Neronischen Verfolgung den Märtyrer
Tod starb: angeblich wurde er mit dem Kopf nach unten gekreuzigt. Petrus wird zudem
als der erste Papst bezeichnet. Einige Wissenschaftler und auch die katholische Kirche behaupten bis heute, sein Grab befinde sich unter dem Petersdom. Außerdem war
Petrujs der einzige Jünger, von dem berichtet wird, er habe eine Frau gehabt.
HERODES
Herodes Antipas (4 v. Chr. 39 n. Chr.) war der Sohn von Herodes des Großen, der den
Kindermord in Bethlehem befahl. Er übernahm nach dem Tod seines Vaters als Tetrarch die Herrschaft über Galiläa. Auf den Wunsch seiner Stieftochter Salome, ließ er
Johannes den Täufer köpfen und ihr den Kopf auf einem silbernen Tablett servieren.
Als Jesus auf Veranlassung von Pontius Pilatus zu Herodes geführt wurde, weigerte er
sich Verantwortung zu übernehmen und schickte ihn wieder zurück.
DER SPIEGEL: DER GÖTTLICHER BOTE
In nur 300 Jahren stieg das Christentum von einer Provinzsekte zur Weltreligion
auf – trotz schlimmster Verfolgungen. Neue archäologische Funde zeigen:
Die Bewegung breitete sich über die jüdischen Viertel aus. Dann kamen vor allem
heidnische Frauen dazu. Am Ende gab sich das römische Kaiserreich geschlagen.
Um 45 n. Chr. bestieg ein energischer Mann, gehüllt in eine Wollkutte, im Hafen von Antiochia ein Schiff und nahm Kurs auf Zypern. Von Beruf war er Zeltmacher. Quellen beschreiben ihn als „klein von Gestalt, mit kahlem Kopf und
krummen Beinen“. Unauffällig mischte sich der Seefahrer unter die Passagiere. Im
Herzen trug er einen tollkühnen Plan: Er wollte, so der Bibelforscher Friedhelm Winkelmann, einen „als politischen Verbrecher rechtskräftig Verurteilten, der die Todesstrafe der niedersten sozialen Schicht erlitten hatte“, zum Gottessohn erhöhen. Im
Apostel Paulus ballt sich ein Ursprungsrätsel des Christentums. Dieser Mann vor allem war es, der den Kreuzestod Jesu in ein religiöses System aus Sühne und Erlösung
umdachte, das die gesamte antike Sittenwelt zum Einsturz brachte. 16000 Kilometer
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legte der rastlose Prediger bei seinen Reisen zurück. Heiden und Krüppel umlagerten ihn. Er wurde verprügelt, verspottet, verehrt. Er war in Ankara und auch in Milet,
der Urstadt der Mathematik. In (laut Bibel) 13 Briefen hat Paulus seine Missionen beschrieben. Sieben davon stammen wirklich aus seiner Feder. Das älteste Schreiben,
der 1. Thessalonicher-Brief, verfasst im Winter 50/51 n. Chr., ist das früheste beglaubigte Zeugnis des Christentums überhaupt. In „edler Haltung“ und mit „Augen voller
Freundlichkeit“, heißt es in frühkirchlichen Texten, habe der Mann seine frohe Botschaft einer Welt der Sklaverei und bluttriefender Amphitheater vorgetragen. „Ich will
euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben“, rief er süß, „und will das
steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen.“ Aber er konnte auch ganz anders.
Der heiße Atem des Kampfs weht aus seinen Episteln. „Parteisoldat Jesu“ wurde er
genannt. Feinde schmähte er als „Hunde“. Exakt an der Stelle, wo der erstaunliche
Prediger vor fast 2000 Jahren zu seiner ersten Fahrt aufbrach, sitzt Hatice Pamir auf
einem hohen Steinquader. Es ist ein Teil der alten Hafenmole vor Antiochia. Heute heißt
der Ort Antakya und liegt in der Türkei. Ende Februar blühen hier schon die Blumen,
lauer Wind fegt vom Mittelmeer heran. Die Archäologin von der örtlichen MustafaKemal-Universität arbeitet an einem spannenden Projekt. Sie erkundet die Wiege der
Christenheit. Fest steht: Antiochia, drittgrößte Metropole des Römischen Reichs, war
die Schaltstelle der Bewegung. Nicht nur Paulus lebte hier (von 36 bis 48 n. Chr.), sondern auch Petrus, der erste Jünger Jesu. Matthäus schrieb hier wahrscheinlich sein
Evangelium. (...) Besondere Aufmerksamkeit gilt einer Urkirche, die in einem steilen
Berghang liegt. Wer das Portal durchschreitet, gerät in eine Grotte. Von den grünschimmernden Felswänden rinnt Wasser in ein klobiges Taufbecken. Neben dem Altar
öffnet sich ein Tunnel, durch den die Gläubigen einst bei Gefahr fliehen konnten. In dieser schummrigen Höhle, so wird angenommen, hielt vor fast 2000 Jahren der Apostel
Petrus die ersten Gottesdienste ab.
Religionsforscher verfolgen die Untersuchungen in der Türkei mit Spannung. Sie erhoffen sich Aufschluss über eine Grundfrage, die sie seit langem quält: Wie gelang
es den Christen, dieser „winzigen und obskuren messianischen Bewegung“ aus dem
randständigen Galiläa (so der US-Soziologe Rodney Stark), das klassische Heidentum
zu verdrängen und zum Staatskult aufzusteigen? Überraschend schnell glückte dieser
Vormarsch. Winkelmann spricht von einer „erstaunlichen Expansion“. Zum Zeitpunkt
der Kreuzigung, so viel ist klar, war die Gruppe noch sehr klein. Angeblich besaß sie
anfangs nur 120 Anhänger. Im antiken Schrifttum taucht die Truppe als „lichtscheue
Gesellschaft“ auf, „stumm in der Öffentlichkeit, in Winkeln geschwätzig“. Sueton berichtet, dass sie 49 n. Chr. in Rom „Unruhe“ stiftete. Schnell gründete die Sekte Ableger in Ephesus und Alexandria. Später griff sie nach Lyon und Köln aus. Im Bauch des
Römischen Reichs waren ethische Untergrundkämpfer am Werk. Im Jahr 312 n. Chr.
hatte der Glaube bereits Roms obersten Staatslenker erfasst: Kaiser Konstantin, der
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lorbeergekrönt auf dem Palatin residierte, schob das Christentum mit Staatsgeldern
an. Auf sein Geheiß hin entstand der Vorläufer des Petersdoms und auch der Urbau
der Hagia Sophia in Istanbul. 50 Bibeln mit goldenen Lettern ließ der Herrscher herstellen. Für jede einzelne starben 700 Ziegen für das Herstellen des Pergaments. Auf
dem Sterbebett erklärte sich dieser Cäsar (der den eigenen Sohn meuchelte und mit
Astrologen verkehrte) schließlich zur Taufe bereit und beugte sich dem Messias. Die
Forscher sprechen von einer „weltgeschichtlichen Epochengrenze“. Nur warum verlief alles so rasant? Die ganze Seltsamkeit des christlichen Siegeszugs wird deutlich,
wenn man die Rahmenbedingungen bedenkt: Als die ersten Apostel ausschwärmten,
stand ihnen eine gnadenlose Macht gegenüber. Rom war aus Milliarden Schwerthieben
errichtet worden. Rund 30 Legionen hielt das Land unter Waffen. Von den Urwäldern
Germaniens bis nach Mesopotamien führten sie Krieg. Ganze Völkerschaften wurden
entwurzelt und versklavt. 90 Prozent der Einwohner lebten im Dreck. Die Städte waren
randvoll mit Dirnen, Bettlern, Analphabeten. Kein guter Nährboden fürs Evangelium
der Liebe. Wegen ihrer Weigerung, dem Kaiserbild Wein und Weihrauch zu opfern,
war die Gemeinde von Anbeginn politisch verdächtig. Caligula machte den Auftakt,
er ließ Christen martern. Später, während der Pogrome des 3. und frühen 4. Jahrhunderts, kamen Fleischklammern und glühende Eisen zum Einsatz. Allzu redseligen
Märty- rern schnitten die Henker die Zunge heraus. Zudem gab es viel Konkurrenz am
Him- mel. Die einen verehrten die Fruchtbar- keitsgöttin Isis, andere schliefen sich
im Heiligtum des Serapis gesund. Aus dem Osten kam Mithras ins Reich geschwappt.
Auch gab es jede Menge kraftvolle Heroen – von Jupiter bis Sol. Jesus dagegen kam
auf dem Grautier daher. Eine antike Kritzelei zeigt ihn mit einem Eselskopf. Was hatte
er zu bieten?
Eine lüsterne und unzüchtige Welt musste der Apostel Paulus da bekehren. Die Wandbilder aus Pompeji zeugen vom deftigen Geschlechtsleben der Römer. Huren gab es
zuhauf. In der Hauptstadt am Tiber boten gallische Dirnen und geschminkte Transvestiten ihre Dienste an. Paulus hielt das für „Dreck“. Im Körper sei überhaupt „nichts
Gutes“, er sei ein „Todesleib“, Sitz der Begierde und „Feindschaft gegen Gott“.
Immer wieder erregte sich der Prediger über die „Unzucht“ („porneia“), das „Laster“,
die „Werke der Finsternis“. Frauen rührte er nicht an. Er hob sie zwar empor – aber
nur um den Preis totaler Entsinnlichung. Wehe, sie reizten. Im Gottesdienst sollten
sie schweigen und einen Schleier tragen. Der Historiker Tacitus, der um 112 n. Chr.
als Statthalter in der Provinz Asia lebte – wo sich die Urchristen am schnellsten ausbreiteten –, brauchte bloß aus seiner Villa zu blicken, um die Leute zu beobachten.
Für ihn war das Ganze ein „verhängnisvoller Aberglaube“. Wer also, das ist eine der
Schlüsselfragen der Religionsgeschichte, hörte überhaupt auf die Botschaft von der
Nächstenliebe? Welche Schicht entflammte sich für den Heiland aus der Provinz? Die
Sache ist deshalb so vertrackt, weil aus dem 1. und 2. Jahrhundert kaum Zeugnisse
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vorliegen. Fast unsichtbar formierte sich die Schar. Der Bibel zufolge traf sie sich anfangs privat „in den Häusern“. Schweigend trank die Gemeinde das Blut des Herrn und
pries dessen in Brotform gereichten Leib als „Arznei der Unsterblichkeit“. Kulinarische Kontemplation statt Kochshow.
Auch in den Katakomben von Rom wurde nach den Ur-Anfängen gefahndet. Mehr als
60 Tunnelsysteme ziehen sich durch den Tuffstein. Es sind Friedhöfe der Frühchristen.
Ausgräber stießen auf Skelette sowie Duftlampen gegen den Verwesungsgeruch. In
diesen modrigen Gängen prangen zwar die frühesten christlichen Bilder. Zu sehen
sind etwa die drei Magier aus dem Morgenland oder der Jesusknabe im Schoße Marias. Doch die ältesten dieser Zeichnungen stammen aus dem 3. Jahrhundert.
Erst neuerdings fällt etwas mehr Licht in die Wiege der abendländischen Moral. Mit
modernen Techniken wird die Zwielichtzone der ersten 200 Jahre erhellt. Mit der C-14Methode bestimmen Forscher das Alter von Reliquien. Wiener Archäologen erkunden
derzeit mit Laserscannern die 15 Kilometer langen Gänge der Domitilla-Katakombe.
Beim Herumkrauchen haben sie bereits neue Malereien aufgespürt. Und auch in Israel hat der staatliche Antikendienst in jüngster Zeit reichlich Beute gemacht. Jesus
zeigt sein wahres Gesicht. Zudem liegen verblüffende Schriftfunde vor. Eine wichtige
Entdeckung kommt aus Nag Hammadi am Nil. In einem Tongefäß lagen 13 zerfledderte Bücher. Sie enthalten Texte, die von den Päpsten später verfemt wurden („Apokryphen“).
Insgesamt schälen sich vier Aspekte heraus:
• Träger des Christentums waren anfangs fast nur Juden. Die Ausbreitung lief über
ihre Viertel – deshalb der schnelle Verlauf.
• Das Angebot der Fürsorge und Nächstenliebe wirkte wie Sozialkitt im Römischen
Reich. Es milderte die Rassenunruhen und Spannungen.
• Attraktiv war der neue Glaube vor allem für Frauen.
• Am Ende half ein Babyboom. Während die Heiden im großen Stil Kinder abtrieben
und Säuglinge töteten, erklärten die Christen die Leibesfrucht für unantastbar.
(...) Mit all diesen Befunden gerät eine Weltreligion neu ins Blickfeld, die vor rund 2000
Jahren im bäuerlichen Galiläa entstand. Jesu Heimatdorf Nazareth war so arm, dass
viele Leute in Wohnhöhlen lebten. Der Alttestamentler Wolfgang Zwickel spricht von
einer „Klitsche“ mit kaum 200 Einwohnern.
Schon vorm Morgengrauen mussten die Frauen raus und Brot backen, das die Männer
mit auf die Felder nahmen. Fisch gab es gelegentlich, Fleisch fast gar nicht. Ganz Arme
löffelten Malvensuppe. Die Skelette der Region weisen Eisen- und Proteinmangel auf.
Da Männer ab 14 Jahre zur Kopfsteuer veranlagt wurden, ist damit zu rechnen, dass
auch der junge Jesus zu dem Zeitpunkt einem bezahlten Job nachging. Markus zufolge war er „Bauhandwerker“ – solche Leute mörtelten und setzten Steine. Erst Luther
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machte aus ihm einen „Zimmermann“. Arbeit gab es genug. Rom und seine jüdischen
Vasallenkönige waren gerade dabei, die rückständige Gegend mit einem neuen Way
of Life zu beglücken. Städte mit Badehäusern wurden errichtet und große Landgüter. Am See Genezareth entstand eine Fischindustrie mit Magdala als Pökelzentrum.
Nur sechs Kilometer von Nazareth entfernt, wo der Maurer Jesus abends erschöpft
aufs Bettlager fiel, saßen angepasste, hellenisierte Juden in der frisch hochgezogenen Prunkmetropole Sepphoris und vergnügten sich in einem Theater für 4200 Gäste.
Die einen prassten – die anderen hatten kaum zu essen. Viele Bauern überschuldeten
sich unter den neuen Zwingherrn und verloren ihr Ackerland. Der Zusammenhalt in
den Dörfern, die alte Solidarität waren bedroht. In dieser Zeit trat Jesus gleichsam als
Robin Hood der Levante auf. Sein Einklagen von mehr Nächstenliebe diente als Modell
der Umverteilung. Einen „gewaltlosen Widerstand gegen soziale und koloniale Unterdrückung“ habe er gepredigt, so der US-Forscher John Crossan. „Brich dem Hungrigen dein Brot“, sagt Christus, „und wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn.“
Zugleich war der bärtige Twen gegen den überbordenden Opferkult im Tempel von Jerusalem. Die Bauern Galiläas mussten hohe Abgaben zahlen. Wer den Steuerbütteln
„Widerstand zu leisten wagte, wurde mit Schlägen misshandelt“, schreibt der jüdische
Geschichtsschreiber Flavius Josephus.
Allzu viel Tamtam beim Ausüben der Religion lehnte Jesus ab. Mit dem Sabbat nahm
er es nicht so genau. Er wollte die Revolution der Herzen gegen eine erstarrte Gesetzlichkeit. Diese würzte er mit einer Prise Eschatologie: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe.“ Etwa ab 27 n. Chr., so sieht es der Berner Theologe Ernst Axel Knauf,
sei der „Bettelmönch“ in der Region tätig gewesen. Ein Kostverächter war er nicht.
Während Johannes der Täufer in der Wüste hauste und Heuschrecken aß, scheute sich
der Nazarener nicht, bei reichen Leuten zu
essen. Seine Feinde nennen ihn in der Bibel einen „Fresser und Weinsäufer“. Friedrich
Nietzsche verglich die Jüngerschar mit einer „buddhistischen Friedensbewegung“, die
ein „tatsächliches und nicht bloß verheißenes Glück“ anstrebte: Guru Jesus.
Selbst über dessen Privatleben lässt sich spekulieren. Der griechische Philosoph Kelsos nannte ihn einen unehelichen Sohn. Die Jungfrauengeburt sei erfunden worden,
um die „abstoßenden Umstände“ seiner Herkunft zu verschleiern.
Auch wird Jesus in der Bibel als „Rabbi“ bezeichnet. Tora-Lehrer waren stets verheiratet. Er ebenso? Als mögliche Kandidatin wird immer wieder seine Begleiterin Maria
Magdalena genannt. Ein lange verschollener Text aus dem 3. Jahrhundert berichtet,
dass diese Frau (und nicht Petrus) Jesu Erbe antrat und die erste Gemeinde in Jerusalem leitete. Auftrieb bekam das Gerücht auch durch eine andere Schrift aus Nag
Hammadi. Dort heißt es: „Der Erlöser liebte Maria Magdalena mehr als alle Jünger,
und er küsste sie oftmals auf ihren Mund.“ Zudem wird sie als „koinonos“ („Lebensgefährtin“) angesprochen.
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Als der Anführer vermutlich 30 n. Chr. auf der Richtstätte Golgatha am Kreuz hing,
reichte sein Ruf allenfalls in die Region. Im Römischen Reich war er ein Niemand. Ein
grausiger Fund aus einem Vorort Jerusalems lässt ahnen, was Jesus erlitt. In dem
Grab lag ein Gekreuzigter. In seinem Fersenknochen steckte ein 17 Zentimeter langer
Nagel. Beide Schienbeine waren durch gezielten Beilschlag glatt durchtrennt worden.
Diese Behandlung war noch gnädig. Aus antiken Quellen ist bekannt, dass die Kreuzigung mit einer Geißelung begann. Dabei kamen Peitschen zum Einsatz, an denen
Knochenstücke hingen. Ans Querholz gefesselt, schleppte sich der Delinquent dann
zur Richtstätte. Dort zog man ihn wie ein Vieh am Kreuz hoch. Um den Todeskampf zu
verlängern, besaß der Längsbalken eine Stütze für die Füße. Drohte der Gemarterte
wegen des enormen Zugs an den Armen zu ersticken, konnte er sich von dem Brettchen aus hochdrücken. So ging es manchmal über Tage. Mit seinen Gegnern hatte
Rom kein Mitleid.
Auf die Urgemeinde in Jerusalem wirkte die Quälerei wie ein Schock. Jesu Vision der
Liebe war zertreten worden. Also deutete die Gruppe das Geschehen radikal um. Wer
die Idee von der Auferstehung des Herrn und seiner nahen Wiederkunft ausheckte,
weiß bis heute niemand. Dann schlug die Gruppe los. Nach „Phönizien und Zypern und
Antiochia“, heißt es in der Bibel, seien die Blutzeugen des Messias ausgeschwärmt,
wobei sie vorerst „niemandem als allein den Juden das Wort verkündigten“.
Mit ihrer Vorstellung vom Erlöser eckte die Gruppe allerdings schnell an. Die Priester
in Jerusalem huldigten einem fernen,drohenden Gott. Die Propheten des Alten Testaments hatten Jahwes Weltgericht vielfach angekündigt, aber es kam und kam nicht.
Das Böse (nun in Gestalt der Römer) triumphierte weiter. Die Gerechten Israels blieben unerlöst. Dass Jesus Gottes Sohn sei, hielten die Strenggläubigen für schlimmste
Lästerung. Und sie hatten die Mittel, die Querulanten zu stoppen.
Hell schimmernd im Sonnenlicht, mit Türen aus feinstem Holz, stand der große JahweTempel auf einem Berg in Jerusalem. Priester in blauen Gewändern, an denen Schellen und Edelsteine hingen, schritten dort umher; sie wachten über die Speisegesetze
und die reine Lehre der Tora. Es gab allein 24 Dezernate für den Opferkult.
Wie hart der Kampf mit der neuen Splittergruppe ablief, zeigte sich alsbald. Etwa 36
n. Chr. wurde das ranghohe Gemeindemitglied Stephanus gesteinigt. Bald danach kamen - laut Bibel - alle Apostel in Haft. Petrus, der Leiter der Gemeinde, verteidigte sie.
Im letzten Moment entschlüpfte er ins rund 500 Kilometer entfernte Antiochia.
Paulus stand anfangs auf der anderen Seite. Unter dem Namen Schaul (Saul) in Tarsus
geboren, hatte er in Jerusalem beim Rabbi Gamaliel studiert. Danach schloss er sich
den Pharisäern an – einer Religionspartei der Juden –, die an die Auferstehung der
Toten glaubten und nach strengster Zucht lebten.
Der junge Mann sprühte vor Geist. Auch die aktuelle griechische Philosophie war ihm
geläufig.
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Die Apostelgeschichte erzählt, dass Paulus als Spitzel begann. Auf dem Weg nach Damaskus, wo er wohl im Auftrag des Tempels Christen verfolgen sollte, sei ihm plötzlich Jesus in einer Vision erschienen und habe ihn umgestimmt.
Später bildete der Bekehrte die typisch gequälten Züge des Konvertiten aus. Seine
Sprache war präzise, aber auch schroff und aufbrausend.
Ausgangspunkt seiner Arbeit war ab etwa 36 n. Chr. das herrliche Antiochia. Bereits
kurz vor dem Zweiten Weltkrieg barg ein Grabungsteam aus Chicago dort Hunderte
Mosaike, mit denen die Villen der römischen Präfekten und jüdischen Kaufleute gepflastert waren. Es sind die prächtigsten der antiken Welt.
Etwa 300000 Menschen lebten dicht gedrängt in der Stadt, darunter Inder und germanische Söldner. Die Viertel der Syrer und Griechen waren durch eine Mauer getrennt.
Immer wieder kam es zu Krawallen. In den Gassen und Souks roch es nach Koriander
und Hammeldung. In den Tempeln räucherte Götzenfleisch. Reiche ließen sich des
Nachts aus Angst von bewaffneten Sklaven mit Fackeln den Weg weisen.
„Mit ihrer irrwitzigen ethnischen Heterogenität und den daraus resultierenden bitteren Konflikten“, sagt der Soziologe Stark, sei das erst 64 n. Chr. angegliederte Antiochia eine typische Stadt des Imperiums gewesen: „Rom schuf seine ökonomische und
politische Ordnung zum Preis des kulturellen Chaos.“
Aus diesem Sumpf entstieg die Sehnsucht nach Erlösern. Die Cäsaren hatten die antike
Welt globalisiert. Sie war reif für einen Monotheismus, der zu allen Völkern sprach.
Basis dieser Idee waren eindeutig die jüdischen Viertel in den Großstädten, wo der
neue Glaube zuerst Fuß fasste. Unter dem Honigmond der Orients saßen um 45 n. Chr.
jene Umstürzler zusammen, die das Urchristentum ausheckten.
Wie weiland bei den K-Gruppen oder den Leuten um Robespierre kam es aber auch bei
diesen Weltverbesserern sogleich zum Richtungsstreit. Es brach ein Problem auf, das
die Sekte alsbald in eine schwere Krise führen sollte. Das kam so: Die im Schmelztiegel
Antiochia tätigen Frühchristen wandten sich auch an Heiden. Einige der Ungläubigen
fanden Gefallen an der Botschaft von der Auferstehung des Herrn und schlossen sich
der Gemeinde an. Ein verschworener Clan bildete sich, der Gottesdienste feierte und
gemeinsam aß. Sowohl Petrus als auch Paulus hielten solche Mahlgemeinschaften
ab. Locker kochten die jüdischen und die vormals heidnischen Christen zusammen.
Das aber verstieß gegen die Ritualgesetze im 3. Buch Mose. Juden durften kein Schwein
essen, nicht Ersticktes, nicht Blutwurst, weder Hasen, Uhus noch Shrimps, Aale und
anderes Wassergetier ohne Schuppen. Verboten war es, Milch- und Käsegerichte neben dem Fleisch zuzubereiten: „Du sollst das Böcklein nicht kochen in der Milch seiner
Mutter.“ Das war durchaus ehrenhaft gedacht – in diesem Fall zugunsten der Ziege.
Auch das seltsame Gebot, Obst von Bäumen unter vier Jahren nicht anzurühren, ließe
sich mit den hohen jüdischen Moralvorstellungen begründen – als Früchteschutz für
Babybäume. Im Jahr 48 kam es deshalb zur Krisensitzung in Jerusalem. Noch empNele Neitzke Theater Ulm Herbert-von-Karajan-Platz 1 89073 Ulm
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fand man sich als innerjüdische Gruppierung. Jakobus, ein leiblicher Bruder Jesu, lud
zum Konvent. Schließlich wurde ein harter Kurs beschlossen: kein Verzehr von Blut,
von unkoscheren Speisen und kein Sex mit den Heidenchristen. Petrus gehorchte –
vorerst. Er löste seine Tischgruppe auf. Der Weg zur Weltreligion, kaum angedacht,
schien schon wieder verbaut. Einzig Paulus hielt mit einigen Getreuen dagegen. Mit
einem Eifer, den nur der Glauben entfacht, versuchte er, die Konventsbestimmungen
auszuhebeln. Paulus wollte die Pforten des Tempels aufstoßen und das Heil allen Menschen predigen, nicht nur den Juden. Der Ansatz, den der Abtrünnige dabei verfolgte,
ist bis heute für die Kirche von größter Bedeutung. Weder die Beschneidung noch das
starre Einhalten von Essriten stimme Gott gnädig, argumentierte er. Viel- mehr sei
es allein der Glaube an Christus, der durch seinen Tod den Menschen von der Sünde erlöst habe. Dieser habe einen „neuen Bund“ mit dem Allmächtigen geschaffen,
die Beschneidung sei überflüssig. Ein universeller Heilsplan schwebte dem religiösen
Denker vor. Israel sollte sein Exklusivrecht aufgeben. Wohl 49 n. Chr. brach der Mann
in Antiochia die Zelte ab und machte auf eigene Faust weiter. Was folgte, war ein lebensgefährlicher Sturmlauf. Rückblickend wird Paulus sagen: „Ich bin oft in Todesnähe gewesen. Von den Juden habe ich fünfmal erhalten 40 Geißelhiebe weniger einen;
ich bin dreimal mit Stöcken geschlagen, einmal gesteinigt worden, dreimal habe ich
Schiffbruch erlitten.“
Zuerst wandte sich Paulus nach Kleinasien – von vielen Griechen bewohnt, eine Wiege
der Kunst, des Sports, der Mathematik –, das seit über 100 Jahren schon von Roms Legionen unterjocht war. Nur mit Wanderstab und Papyrusrolle eilte er auf dem Landweg
nach Europa. Früher stellte man sich den Prediger wie die Redner im Hyde Park vor.
Doch er scheute eher die öffentlichen Plätze. Seine Anlaufstationen waren die Synagogen, die durchreisenden Juden auch Bett und Frühstück boten. Schon damals gab es
in allen größeren Städten des Römischen Reichs jüdische Gemeinden, ob in Korinth,
Ephesus oder Philippi. In Rom standen rund ein Dutzend Synagogen, in Alexandria
noch weit mehr. Dort lebten gebildete Juden, die mit der griechischen Kultur aufgewachsen waren und zugleich enge Verbindung zum Tempel in Jerusalem hielten. Paulus’ Angebot – Freiheit von Beschneidung, Speisegesetzen und Festkalender – war für
diese Zuhörer durchaus verlockend. Sie lebten unter dem Druck der Anpassung. „Mein
Volk“, „meine jüdischen Geschwister“, rief der Prediger zärtlich. Über sich selbst sagte er: „Ich bin Israelit, aus dem Stamm Benjamin.“ Dann redete er Tacheles. Das Ritualgesetz nannte er „Kot“, nur Dummköpfe würden es sklavisch befolgen. Mit einem –
für das Altertum – ungeheuren Gedanken hielt der Prediger dagegen. Alle Schranken
des Sozialen, der Kulturen und des Geschlechts wollte er einreißen – zumindest im
Glauben. Das Erlösungsangebot Jesu stehe allen Menschen offen, meinte er: „Hier
ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch
Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ Große Worte.
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(...) Gegenmissionare wurden tätig, von Paulus als „Lügenbrüder“ und „Falschapostel“
beschimpft. Als die Gemeinden in Galatien umschwenkten und vom gemeinsamen Essen mit den Heidenchristen Abstand nehmen wollten und sogar deren Beschneidung
forderten, geriet er in Wut. Auch mit anderen Gemeinden gab es immer wieder Stress.
Mal „unter Tränen“, mal polternd versuchte er seine Schäfchen bei der Stange zu halten: „Wer euch ein anderes Evangelium verkündet, den trifft Gottes Fluch.“ Es ist diese
– unsägliche – Auseinandersetzung, die Schatten auf die Frühkirche wirft.
Den „Herrn“ hätten die Orthodoxen getötet, rief Paulus, auch „uns haben sie verfolgt
und gefallen Gott nicht und sind alle Menschen Feinde, indem sie uns wehren, den Heiden zu predigen“. Johannes spricht später von der „Synagoge des Satans“: „Ihr habt
den Teufel zum Vater.“ Die Altgläubigen vom Tempel hielten dagegen. In einem ihrer
wichtigsten Gebete hieß es: „Und die Noserim (wohl Nazarener) und die Minim (Ketzer) mögen augenblicklich vergehen, getilgt werden aus dem Buch des Lebens.“ Aber
auch bei der griechischen Bevölkerung hatte es die Jesus-Truppe schwer. Die Idee
der Wiederauferstehung, gedacht als körperliche Rückkehr aus dem Grab, galt den
in Chemie bewanderten Hellenen als unsinnig und anstößig. Es klang ihnen wie eine
Neuauflage des Mumienkults der Ägypter. (...) Unter Nero kam es 64 n. Chr. zur ersten
großen Verfolgung. Nach einem Großfeuer standen 10 der 14 Stadtteile in Flam- men.
Ein Sündenbock wurde gesucht. Deshalb habe der Kaiser die Christen, diese „wegen
ihrer Untaten verhassten Leute“, in Tierhäute stecken und von Hunden zerreißen lassen, so Tacitus. Andere verbrannten nach Einbruch der Dunkelheit als nächtliche Fackeln. Auch den „Apostelfürsten“ Petrus soll es damals erwischt haben. Kopfüber sei
er ans Kreuz genagelt worden. Doch die brutale Geschichte steht erst in den – um
180 n. Chr. verfassten – „Petrusakten“. Sonderlich glaubwürdig sind sie nicht. In diesem legendenhaften Bericht treten auch sprechende Hunde und schwimmende Räucherfische auf. Alle Versuche der Päpste, den Gründer des Stuhls Petri (auf dem sie
als Nachfolger sitzen) dingfest zu machen, sind bislang gescheitert. Angeblich liegen
seine bleichen Gebeine in einer Krypta unter dem Petersdom in Rom. Über eine geschwungene Freitreppe, vorbei an vier gewundenen Bronzesäulen, geht es hinab ins
Gewölbe mit dem Petrus-Schrein. Nachforschungen ergaben indes: Es ist ein heidnischer Grabplatz aus der Zeit um 200 n. Chr.
Und doch formte sich der Kreuzesclan heimlich zu immer größerer Stärke. Das gesamte Neue Testament entstand zwischen 50 und 120 n. Chr.
Zunächst gab es nur Briefe und eine Spruchsammlung mit Jesu Worten. Der Apostel
Markus schuf dann eine neue literarische Form. Um 70 n. Chr. griff der Autor (ein Jude
und Begleiter von Paulus) zur Feder und schrieb einen Roman vom Leben und Sterben
des Herrn – sein Evangelium.
Die neue Erzählweise traf den Nerv der Massen. Bald zogen Matthäus und Lukas nach.
Als Letzter schrieb um 95 n. Chr. Johannes, der auch noch einen deftigen WeltunterNele Neitzke Theater Ulm Herbert-von-Karajan-Platz 1 89073 Ulm
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gang verfasste.
Das Aufblühen des christlichen Schrifttums war offenbar eng verzahnt mit dem Niedergang der orthodoxen Gegner. 66 n. Chr. begann in Palästina eine Katastrophe. Nach
einer Revolte schlug das Imperium erbarmungslos zurück. Vier Legionen eilten herbei. Jerusalem wurde mit Rammböcken gestürmt, der Tempel geschleift.
Im Jahr 132 n. Chr. folgte die noch härter geführte letzte Runde im Kampf Jupiter gegen
Jahwe. „Etwa die Hälfte der jüdischen Bevölkerung Palästinas, circa eine halbe Million, verlor während des Aufstands ihr Leben“, schreibt der Historiker Markus Sasse.
Judäa lag in Asche. Kaiser Hadrian erließ damals sogar ein Verbot der Beschneidung.
Das schwächte die Altgläubigen enorm. Viele Forscher glauben, dass die DiasporaJuden nun im großen Stil zum Christentum umschwenkten. Die neue Religion sei eine
Art „Judentum light“ gewesen, erklärt der Theologe Knauf „damit konnten die unter
starken Assimilationsdruck Stehenden besser leben.
Klar ist, dass die beiden Bruder-Religionen weit länger ineinander verschlungen waren, als die Päpste später wahrhaben wollten. Noch um 230 n. Chr. focht der Kirchenvater Origenes mit mosaischen Gelehrten ein Rededuell „vor Schiedsrichtern“ aus.
Die aktuellen Grabungen bestätigen das Bild: Die frühesten Kirchen aus dem 3. und 4.
Jahrhundert standen allesamt in den jüdischen Vierteln.
Selbst die erste Gemeindeordnung (um 120 n. Chr.) liest sich wie ein Zerrspiegel der
Tora. „Eure Fastentage sollen nicht mit den Heuchlern zusammen sein“, so heißt es da
schroff, „sie (die Juden) fasten nämlich am Montag und Donnerstag; ihr aber sollt am
Mittwoch und Freitag fasten.“
Aber auch unter den Griechen im Osten des Reichs gewann die Sekte nun zunehmend
Anhänger – sie verließ gleichsam die Ghettos. „Nicht nur über die Städte, sondern
auch über die Dörfer und Felder hat sich die Seuche dieses Aberglaubens ausgebreitet“, schreibt im Jahr 112 n. Chr. der Statthalter von Bithynien (in Kleinasien). Dies ist
das erste Zeugnis für eine flächendeckende Invasion des Christentums. Im Orient ging
es voran. Der ruppige Norden dagegen blieb zurückhaltend. In Gallien und der Provinz
Germania waren die Vorbehalte groß. Rom liebte Pferderennen, deftige Schauspiele,
blutigen Sport – alles Dinge, die den Christen verboten waren. „Wer nicht arbeiten will,
der soll auch nicht essen“, heißt es bei Paulus. Matthäus sagt: „Ihr könnt nicht Gott
dienen und dem Mammon.“ Solche Sätze gefielen den Senatoren, die auf Fressbetten
lagen und gegarte Flamingozungen speisten, in keiner Weise. All die goldbetressten
Feldherrn, Latifundienbesitzer und Bankiers, deren Sklaven in den Silberminen schufteten, mochten die Bibel nicht. Besonders übel stieß ihnen der Spruch von der Gleichheit von Mann und Frau auf. Zwar machte Paulus an anderer Stelle Einschränkungen
(„Ihr Frauen ordnet euch euren Männern unter“, Epheser 5,22). Gleichwohl wies er
ihnen wichtige Aufgaben in der Urkirche zu. Bald stiegen Frauen zu Diakoninnen und
Leiterinnen von Hauskirchen auf. In der heidnischen Machowelt stand die Frau bis daNele Neitzke Theater Ulm Herbert-von-Karajan-Platz 1 89073 Ulm
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hin viel weiter unten. Sie galt als biologisch minderwertig. Witwen verarmten schnell
und bettelten zu Tausenden auf den Straßen. Mädchenwurden zwangsweise - ab zwölf
Jahren - verheiratet, oder man tötete sie gleich nach der Geburt. Gegen diese rohe Sitten stemmten die Christen eine neue Moral. Weder erlaubten sie die Scheidung (was
ein Verelenden der Frauen verhinderte), noch überließen sie Witwen ihrem Schicksal.
Ein enges Helfernetz wurde aufgebaut - das Kreuz als soziale Bindung. Entsprechend
groß war der Zulauf. Ein antiker Gegner der Sekte sah es so: „Aus der untersten Hefe
des Volkes sammeln sich da die Dummen und die leichtgläubigen Weiber, die wegen
der Beeinflussbarkeit ihres Geschlechts ohnedies auf alles hereinfallen.“ Doch gerade
weil die Urkirche die wirtschaftliche Stellung und die Würde der Frau hob, kam sie
immer besser in Schwung. Sie wuchs und wuchs – nicht zuletzt deshalb, weil sie sich
auch streng gegen die Kinderverhütung aussprach. Was den Samen von der Scheide
fernhielt, galt als Sünde. Der Apostel Barnabas schimpfte über jene „verdorbenen Weiber, die mit ihrem Munde das Böse tun“. Ganz anders die Heiden: Manche verhüteten
mit Kondomen aus Ziegenblasen. Bei der Abtreibung kamen schwere Gifte oder gebogene Klingen und Haken zum Einsatz, mit dem der Fötus gewaltsam entfernt wurde.
Arme Leute – 90 Prozent des Volks – konnten es sich einfach nicht leisten, mehrere
Kinder durchzubringen. Seneca hielt das Ertränken von Neugeborenen, vor allem von
Mädchen, aber auch von schwachen Babys, deshalb für ebenso vernünftig wie üblich.
(...) Zwar hielt der Staat dagegen. Früh wurden Gesetze erlassen, um Kinderlose finanziell zu bestrafen und ihnen Rechte zu entziehen. Doch es half alles nichts. Schon
um die Zeitenwende sei die Geburtenrate im Römischen Reich „unter die Ersatz- und
Reproduktionsschwelle“ gefallen, schreibt der US-Soziologe Stark.
Die Christen dagegen waren fruchtbar und mehrten sich. „Unsere Zahl wächst von Tag
zu Tag“, frohlockte einer von ihnen. Ein anderer gab sich staatstragend: „Wir müssen
Lasten auf uns nehmen, welche von den Heiden meistenteils vermieden werden.“ Diese seien durch „Kindsmord dezimiert“. Der Ton der anschwellenden Gemeinde wurde
denn bald auch kecker – und irrationaler. Ihre Wortführer zogen über den „teuflischen“
Geist der Heiden her. „Unter Verachtung der heiligen Schriften Gottes beschäftigen
sie sich mit Geometrie“, schimpfte der Kirchenvater Eusebius. Ergebnis: Die Wissenschaft fiel bald ins Dauerkoma.
Jetzt, im 3. Jahrhundert, wuchs die Bewegung langsam zu einem Kreuzzug heran. Sie
verließ die jüdischen Viertel. Vor allem die Griechen begeisterten sich nun für Taufe
und Abendmahl. Aber auch einfache Leute stiegen ein, Handwerker und Sklaven. Der
Sozialist Friedrich Engels sprach von einer „Bewegung Unterdrückter“.
Doch noch war der Kaiser zu keiner Gnade bereit. Ab 249 n. Chr. kam es zu fürchterlichen, reichsweiten Pogromen. Das Imperium schlug zurück.
Aufwiegler kamen in Bergwerke. Geschoren, angekettet und gebrandmarkt taten sie
in Marmorbrüchen Dienst. Als vier christliche Bildhauer in einem pannonischen SteinNele Neitzke Theater Ulm Herbert-von-Karajan-Platz 1 89073 Ulm
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bruch ankamen, pickelte dort bereits ein Bischof aus Antiochia.
Es nutzte nichts. Vor allem über die Frauen, gleichsam durch die Hintertür, brach sich
das Christentum nun endgültig Bahn. Um 370 n. Chr. war die Hausmission bei Heidinnen so erfolgreich, dass der Kaiser Valentinian ein letztes Mal die Notbremse zog. Er
verbot das religiöse Klinkenputzen. Denn war erst mal die Mutter getauft, riefen die
Kinder bald ebenfalls Hosianna. Die Forscher sprechen von „Sekundärbekehrung“.
Auch der große Kaiser Konstantin kam so mit dem neuen Glauben in Kontakt. Seine
Mutter Helena, eine Wirtstochter, war von ihrem Mann verstoßen worden und lag lange in der Gosse. Dort nahm sie den Jesus-Glauben an.
Als der Sohn sie „vom Mist auf den Thron“ hob, wie es in der Antike hieß, lag sie ihm
ständig mit der frohen Botschaft in den Ohren. Noch im Alter von über 70 Jahren reiste
die Dame ins Heilige Land und besuchte jesu Geburtsstätte in Nazareth.
Dann wuchsen prächtige Kirchen empor. Beamte, Kaiser, Feldherren ließen sich taufen. Im Jahre 380 n. Chr. war es soweit: Der Glaube aus dem Orient wurde zur Staatsreligion.
Mit dem Einströmen breiter Volksschichten vergaß das Christentum allerdings immer
mehr seine jüdischen Wurzeln. Das alte Bilderverbot fiel. Eine neue Form von Götzendienst entstand. In den Katakomben von Rom erhielt Jesus erstmals ein Gesicht. Meist
wurde er anfangs als Wundertäter und Zauberer dargestellt, etwa beim Erwecken des
Lazarus von den Toten. Schließlich rückte man ihn sogar als Herrscher und König ins
Bild. Das Christentum hatte triumphiert. An Roms Grenzen ging es damals allerdings
militärisch bergab. Christliche Gutmenschen gab es nun genug, kämpfen wollte keiner
mehr. (...) Dort aber war alles erlaubt. „Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es“, heißt
es bei Erich Kästner. Diesen Satz hätte der Mann aus Galiläa unterschrieben. Sein
Vermächtnis ist einfach.
Rabbi Hillel, ein Zeitgenosse Jesu, drückte es so aus: „Was dir nicht lieb ist, das tue
auch deinem Nächsten nicht. Das ist die ganze Tora.“
Von: Matthias Schulz in: Der Spiegel 13/2008
GÖTTLICHE SHOW - PREMIERENKRITIK
Eine mitreißende Rock-Oper am Theater Ulm: „Jesus Christ Superstar“
Das Theater Ulm hat jetzt einen Hit auf dem Spielplan: Andrew Lloyd Webbers RockOper „Jesus Christ Superstar“. Nicht nur Henrik Wager, der sich in der Titelpartie die
Seele aus Leib singt, ist ein Erlebnis.
Er quält sich die Treppe hoch. Droben ist die Wand aufgezogen zu einem riesigen,
lichtdurchtluteten Kreuz. Geschunden, gefoltert zieht sich Jesus die Stufen hoch, der
Erlösung entgegen. Auch verspottet hatten sie ihn: Herodes zum Beispiel, der aasige
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Partylöwe im Smoking, ist mit seinen Stepptänzern und Soulgirls über die Szene gejagt und hat diesen Jesus, den sie als König der Juden feierten, böse verlacht. Und vom
Himmel kommt einer im Fahrstuhl mit Engelsflügeln nieder: Judas, das Comeback
des Verräters in Weiß, der schon immer gewusst haben wollte, dass sein Freund Jesus
mit seiner messianischen Bewegung auf den falschen Weg geraten ist. „Wolltest Du
wirklich so sterben? Ist das schief gelaufen, oder wusstest Du, dass Dein Krepieren
ein Hit werden würde?“ Jetzt schlotzt Judas genussvoll und unbeteiligt Eis am Stiel,
während Jesus sich ins Kreuz stellt und die Arme ausbreitet - bis sein Kopf sich zur
Seite neigt. Auch der verzweifelt angeflehte Vater hat ihm nicht geholfen. Stille, Nacht.
Jesus, als Superstar? Früher haben Pietisten gerne an Theatereingängen den Besuchern der Rock-Oper Andrew Lloyd Webbers eine Bibel in die Hand gedrückt, auf dass
sie in der Heiligen Schrift nachlesen könnten, was wirklich passiert ist
mit Gottes Sohn. Natürlich stand „Jesus Christ Superstar“ in einschlägigen Kreisen
immer unter Blasphemie-Verdacht, auch deswegen, weil der Heiland eine Freundin hat, Maria Magdalena. Bigotter Eifer aber war jetzt bei der Premiere am Theater
Ulm nicht mehr zu beobachten. Webbers „Jesus“ ist ja längst Musicalgeschichte und vor allem eine ziemlich wortgetreue, ernste Passion, die einen berührt. Aber die
mit lokalen Rock-Pop-Größen aufgemischte philharmonische Band, der Opernchor,
der Gospelchor „Hope“, das Ballen und das Sängerensemble zelebrieren in Ulm auch
eine mitreißende Show: Rockkonzert und Gospel-Gouesdienst der 70er Jahre. Werner
Pichler hat das so inszeniert: Er zeigt Jesus als einen Menschen. Einfach als einen
Menschen, der das Kreuz auf sich nimmt. Der weiß, dass ihm keiner hilft; den Judas
küsst er selbst, ihm vergebend.
Denn Jesus hat begriffen, dass er das Opfer sein muss in einer Welt, die sich nach
Märtyrern sehnt, auf die sie alles abladen kann.
Ein schmutzig grünes Halbrund fasst die Szenerie ein, dazu eine ausladende Treppe
und eine Empore. Regisseur Pichler, Britta Lammers (Bühne) und Andrea HölzI (Kostüme) haben den „Jesus“ nicht oberammergaumäßig nachgestellt, eine Passion ohne
Auspeitschen, Holzkreuz, Dornenkrone. Andererseits lässt sich zunächst der Schauplatz nicht orten: Pilatus, Hohepriester, Polizisten agieren im Grau der Gegenwart,
während Jesus und seine Jünger bunt und naiv das Hippie-Zeitalter beschwören. Der
Background-Chor sieht aus wie eine Formation schwarz geschminkter Mainzer Hofsänger mit Afro-Perücke, als parodiere Pichler unfreiwillig eine Gospelmesse in den
„Blues Brothers“. Und was da so in der Choreografie Roberto Scafatis getanzt wird, ist
oft clownesker Kitsch: Soll das etwa Ironie sein? Aber dann arbeitet Pichler in starken
Bildern die Leidensgeschichte heraus - und es gelingt etwas SeItenes: eine stimmige
Mischung aus Show und ehrlicher Emotion. Da werden nicht nur populäre Nummern
abgespult, da nimmt der fantastische Henrik Wager in der Titelpartie die „Rock-Oper“
wörtlich und gestaltet geradezu seelentiefe Arien: mit wunderschön hellem Falsett,
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aber aufrüttelnder Pop-Röhre. Das macht sowieso die überregionale Klasse dieser
Produktion aus, dass eben nicht im Musical-Einheitssound gesungen wird, sondern
mit Stimme. Auch Frank Felicetti gelang das als Judas beeindruckend, wenn er die innere Zerrissenheit zu dissonantem E-Gitarrensound (Patrick Wieland gibt in der Band
ziemlieh Gas) herausheult. Auch das Opernensemble, das sich locker aufs Genre einlässt, begeistert. Hélène Lindqvist glänzt als rastazöpfige Maria Magdalena mit sanftem, ausdrucksstarkem Pop-Sopran, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. ,,I Don‘t
Know How to Love Him“ - damit kann die Schwedin Hitparaden stürmen. Und „Pilate‘s
Dream“: mit Tomasz Kaluznys weichem Bariton tatsächlich ein Traum. Auch stark:
Hans-Günther Dotzauer als Herodes und Girard Rhoden als Simon. Angetrieben von
Gordian Teupke am Dirigentenpult und Ariane Müller am Keyboard ging bei der Premiere die Post ab: Die Band hat Klang und groovt (nur der Trompeter torkelte anfangs).
„Jesus Christ Superstar“ ist eine Wucht - das Publikum jubelte ausgelassen.
BESETZUNG
Jesus von Nazareth
Maria Magdalena
Judas Ischariot
Pontius Pilatus
Kaiphas
Annas
Petrus
Herodes
Simon Zelotes
Drei Priester
Mädchen am Feuer
Soldat
Ein alter Mann
Drei Soul-Girls
von: Jürgen Kanold in: Südwest Presse, 25.10.2008
Henrik Wager
Hélène Lindqvist
Frank Felicetti
Tomász Kaluzny
Alexander Egorov
Alexander Schröder
Burkhard Solle
Hans-Günther Dotzauer
Girard Rhoden
Thomas Schön
Michael Burow-Geier
Frank Moll
Melanie Zacharias
Rochus Bliesener
Joachim Pieczyk
Melanie Zacharias / Katharina Peters*
Anita Hartinger
Eleonora Halbert
sowie Hauschor, Gospelchor „Hope“, Ballett, Statisterie, Band, Mitglieder des Philharmonischen Orchesters der Stadt Ulm
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THEATERPÄDAGOGISCHE ANREGUNGEN
GESPRÄCHSANLÄSSE
Wie hat euch das Stück gefallen?
Wie hat euch das Bühnenbild gefallen?
Wie haben euch die Kostüme gefallen?
Welche Figur hat euch am besten gefallen? Und warum?
Welche Figur hat euch nicht so gut gefallen? Und warum?
Welche Szene hat Euch am besten gefallen und warum?
Welche Szene hat euch nicht gefallen und warum?
VORBEREITUNG
BILDBETRACHTUNG
Eine Inszenierung hat immer mit Entscheidungen zu tun, die teilweise sehr subjektiv
sein können. Der Regisseur muss sich zu den Figuren eines Stückes verhalten, muss
entscheiden, wie er diese sieht und es den Sängern/Schauspiellern vermitteln. Dazu
muss er erst einmal selbst heraus finden und klar benennen können, was er denkt.
Gerade bei Jesus Christus als Protagonist ist es wichtig, sich über die eigene Sicht klar
zu werden, da sich verschiedenste Bilder, Erzählungen und Metaerzählungen überlagern. Die Klärung der Sicht von Schülern dient die folgende Aufgabe.
Sie benötigen: Bilder mit Jesus Darstellungen (Internet, Bücher, Bilder, Ikonen...)
Hängen Sie die Bilder im Klassenraum aus oder verteilen Sie sie in Kopie. Die Bilde sollten über einen längeren Zeitraum nach eigenem Ermessen betrachtet werden
können, daher besser kein Overhead-Projektor. Die Schüler sollen sich wie in einer
Galerie fühlen und sich die Bilder genau ansehen. Dann sollen sie folgende zuordnungen vornehmen:
- Aus welcher Zeit ist das Bild?
- Mit welchem Adjektiv würde ich Jesus hier bezeichnen?
- Welches Bild gefällt dir am besten? Schreib die Nummer auf ein Blatt und gib diesem
Bild einen Titel: Jesus, der __________________ (z.B. Jesus, der Revolutionär / Jesus,
der Sanfte, Softie / Jesus, der Erlöser .....)
- Es gibt eine Führung mir der ganzen Klasse und jeder sagt warum er/sie das Bild
ausgewählt hat.
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Im Anschluss: Gespräch über die unterschiedlichen Sichtweisen und Präferenzen. Jeder macht sich sein eigenes Bild von Jesus, aber: ein Bild zeigt nicht das ganze Wesen
einer Person, sondern jeweils Ausschnitte.
SPIELANLÄSSE
Warm-up
DAS VOLK ca. 10 Min.
Die Volksmenge bestimmt in JESUS CHRIST SUPERSTAR maßgeblich das Geschehen
um Jesus. Zuerst jubeln sie ihn hoch, verehren ihn. Dann wenden sie sich gegen ihn,
steinigen ihn sogar. Das Gefühl für dieses Geschehen soll durch diese Übung geschärft
werden.
Die Schüler stehen in einem engen Kreis. Einer in der Mitte. Dieser wird von allen
anderen bejubelt und beklatscht. Die Gruppe ruft immer wieder: „Hosanna!“. Dann
wendet sich das Blatt: Derjenige in der Mitte wird böse angeschaut und die Gruppe
spricht als Chor so bedrohlich wie möglich: „Crucify him!“. Verschärft werden kann
diese Situation, indem derjenige in der Mitte sich hinkniet oder sitzt. Er also kleiner ist
als die um ihn stehenden Personen.
Tip: Um empfindliche Charaktere wieder zu beruhigen, kann die „freundliche“ Phase
dann noch einmal wiederholt werden.
STÜTZUNG DURCH DIE GRUPPE ca. 15-20 Min.
Jesus wird von seinen Anhängern zu Beginn belobigt, gestützt und bewundert. Ein
solches Gefühl kann die folgende Übung vermitteln.
Die Schüler stehen in einem engen Kreis. Einer steht in der Mitte mit geschlossenen
Augen. Er lässt sich sanft in eine Richtung fallen. Der Kreis fängt ihn vorsichtig an den
Schultern auf und „gibt ihn herum“ bzw. reicht ihn vorsichtig auf die gegenüber liegende Seite. Der Spieler in der Mitte pendelt sozusagen weich herum.
Wichtig: Der Spieler in der Mitte muss möglichst steif sein. Die Gruppe muss leise,
langsam und sehr konzentriert sein.
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ARBEIT MIT ROLLENTEXTEN
WER BIN ICH? ca. 10 Min.
Für diese Übung können die Rollentexte aus dem Anhang verwendet werden oder die
Schüler schreiben selbst Rollentexte oder -biographien.
Der Lehrer gibt jedem Schüler einen Rollentext, dabei sollte darauf geachtet werden,
dass bei der Verteilung alle Figuren gleichmäßig vergeben werden. Bei 32 Schülern
wären es z.B. 4 komplette Ensembles. Die Schüler bewegen sich durch den Raum
und lesen die Rollentexte laut und für sich. Auf Anweisung des Lehrers probieren die
Schüler für ihre Figur verschiedene Möglichkeiten des Sprechens und der Bewegung
aus, bis sie meinen, eine angemessene gefunden zu haben. So kann Schritt für Schritt
eine Figur entwickelt werden.
-
Welche Körperhaltung hat die Figur (aufrecht, gebückt, angespannt...)?
-
Wie würde die Figur sich hinsetzen?
-
Welche Bewegungen macht die Figur?
-
Hat die Figur einen Tick (z.B. immer Haare zurückstreichen, Nägel kauen...)?
-
Wie setzt die Figur ihre Füße auf?
-
Wie ist der Gang der Figur?
-
Welche Sprache benutzt die Figur (Wütend, ängstlich, mutig, böse, nett...)?
FIGURENGANG ca. 10 Min.
Die Schüler stehen im Raum verteilt erstarrt in einer Körperhaltung, die zu ihrer Figur
passt. Der Spielleiter tippt den ersten Schüler an. Dieser läuft in der Körperhaltung
seiner Figur los zu einem anderen Schüler. Er sagt dem Schüler den Satz seiner Figur
in einer passenden körperlichen und sprachlichen Haltung. Dann erstarrt der Schüler wieder. Der angesprochene Schüler läuft in der Körperhaltung seiner Figur los zu
einem weiteren Schüler. Er sagt dem weiteren Schüler den Satz seiner Figur in einer
passenden körperlichen und sprachlichen Haltung. Dann erstarrt er Schüler wieder.
Dieses Prozedere wiederholt sich, bis jeder Schüler dran gewesen ist.
BEZIEHUNGSGEFLECHT/SOZIOGRAMM – WAS WOLLEN DENN DIE VON MIR?
a) 5 Min.: Nun teilen sich die Schüler in Gruppen zu jeweils sieben, in jeder Gruppe
sind Jesus, Judas, Maria Magdalena, Simon Zelotes, Petrus, Kaiphas/Annas, Pontius
Pilatus, König Herodes. Wenn die Gruppe nicht durch acht glatt teilbar ist, können
Kaiphas/Annas auch doppelt vergeben werden oder man kann Figuren in den Ensembles weglassen. Z.B. könnte das Dreigestirn Jesus - Judas - Maria Magdalena in einer
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Gruppe auftreten. Zuerst erzählen die Schüler in den Gruppen sich gegenseitig, wer
die jeweiligen Figuren sind und zeigen erneut, wie sie sich ihrer Meinung nach bewegen, wie sie gehen und sprechen. In den Kleingruppen entsteht so ein erstes Verständnis für die Struktur der Verhältnisse im Stück. Die reine Gesprächsphase sollte nicht
lange dauern, lieber schnell mit dem Ausprobieren anfangen.
b) 10 Min: Die Figuren gehen nacheinander auf eine von der Gruppe festgelegte Bühne,
und stellen sich mit der Körper-, Bewegungs- und Sprechhaltung in Ich-Form vor. Am
Ende sprechen sie das von ihnen ausgewählte Zitat der Figur aus dem Text. Zu dem
Satz soll eine entsprechende Haltung und Position auf der „Bühne“ gefunden werden,
in der die Figuren „einfrieren“. Die folgenden Figuren ordnen sich den schon stehenden Figuren zu. Die erste Figur sollte in diesem Fall Jesus sein. Dabei zu beachten: An
wen richtet sich das Zitat?
c) je nach Gruppengröße 10-20 Min.: Eine Bühne und ein Zuschauerraum werden festgelegt. Eine Gruppe beginnt damit, ihr Standbild vor den anderen Gruppen aufzubauen, wieder werden die Haltungen eingenommen, das Zitat wird gesprochen und die
Figuren frieren zum Standbild ein. Die anderen Gruppen sehen zu.
Wenn alle Figuren eines Ensembles auf der Bühne stehen, sollte Raum für „Korrekturen“ sein: Was sehen die Zuschauer? Meinen sie, dass noch etwas verändert werden
sollte? Wenn ja: Was? Und Wie? Wie geht es den einzelnen Figuren im Standbild? Sollte noch etwas verändert werden?
Dieses Prozedere wird mit allen Ensembles durchgespielt. Zum Ende der Übung haben die Schüler mehrere Standbilder gebaut, in denen sowohl die Beziehungen der
Figuren untereinander deutlich wurden, als auch jede Rolle kurz eingeführt wurde.
Durch die verschiedenen Ensembles wurden im besten Falle Charakterzüge und Beziehungen der einzelnen Figuren unterschiedlich beleuchtet.
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ANHANG
Rollentexte
Jesus
Jesus Ziel ist es, eine Bewegung ins Leben zu rufen, die auf Liebe basiert, die sich
nicht um Probleme der Zukunft sorgen will, sondern den Moment genießt. Am Anfang
ist er von seiner Bewegung begeistert und lässt sich feiern. Er führt eine Beziehung
mit Maria Magdalena, die er liebt. Er nimmt sie gegen ihre Zweifler, wie z.B. Judas, in
Schutz. Judas hatte zuvor kritisch hinterfragt, warum Jesus seine Zeit mit einer Frau
ihres Standes vergeude.
Alle akzeptieren sein Handeln, er akzeptiert die Leute, die Bewegung ist harmonisch.
Allerdings vereinsamt Jesus nach und nach in seiner Position als Anführer, da seine
Gefolgsleute zunehmend andere Auffassungen seiner Idee haben. Die Bewegung bekommt eine Eigendynamik, der Jesus nicht mehr Herr ist. Resignierend und verärgert
verlangt Jesus mehr Vertrauen in die Fähigkeiten und Kräfte der Einzelnen und überlässt damit seine Anhänger gewissermaßen sich selbst. Er will seinen Weg alleine
gehen, seine Kraft aus der Liebe schöpfen und weniger politisch agieren, als andere
es von ihm erwarten.
Den Verrat von Judas sieht er voraus, verurteilt ihn aber nicht. Kurz vor seinem Tod
sucht er nach den plausiblen Gründen für sein qualvolles Sterben und sieht ein, dass
er damit zu einer Art Ikone, einem Superstar wird. Er stirbt am Ende nicht für die Bewegung, denn die hat er verlassen. Er geht seinen eigenen Weg.
Am Ende verlangt er von Gott Vergebung für alle Menschen, da sie nicht wissen würden, was sie tun.
Zitate:
Gott, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!
Du hast nichts in der Hand. Deine Macht kommt von weit her. Alles ist bestimmt, du
kannst nichts ändern.
Was interessiert euch das? Denkt nicht immer an die Zukunft. Kümmert euch um die Gegenwart
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Judas
Judas ist Anhänger und Befürworter von Jesus. Vom Anfang an des Stückes ist Judas
aber der Meinung, dass Jesus die Bewegung bzw. der Kult um seine eigene Person außer Hand gerate. Die Person, die Jesus verkörpert, sei wesentlich wichtiger geworden,
als die Inhalte seiner Reden. Er wirft Jesus vor, zu wenig Pläne gemacht zu haben,
um die Bewegung zu lenken. Das Verhältnis zwischen Jesus und Maria Magdalena
betrachtet er mit Zorn und Eifersucht. Seiner Meinung nach, passt sie nicht zu den
Predigten Jesu. Er ist der Auffassung, Frauen seien schlecht und teuer. Außerdem sei
ihr Gewerbe politisch nicht korrekt.
In dem Zwiespalt zwischen Freundschaft zu Jesus und Glaube an die Bewegung beschließt Judas in tiefster Verzweiflung Jesus zu verraten, um aus Jesus einen Helden
zu schaffen. Er rechtfertigt seine Tat damit, dass es Gottes Wille sei und dass er es
für Jesus tue, um die Bewegung weiterzuführen. Allerdings nimmt Judas auch ein
Blutgeld an, welches er beim Verrat von Jesus erhält. Diese Tatsache steht im Widerspruch zu seiner Freundschaft und seinem Glauben.
Getrieben von seinem Zwiespalt, von Eifersucht, der Freundschaft zu Jesus und dem
Verrat, wählt er den Freitod. Am Ende kommt er zufrieden wieder auf die Bühne, da er
der Meinung ist das Richtige getan zu haben.
Zitate:
Es ist schon seltsam: Ein Mann wie du vergeudet Zeit mit einer solchen Frau.
An die Belohnung denke ich nicht. Ich bin nicht meinetwegen hier. Nur bitte: Sagt nicht,
ich sei verdammt für alle Zeit!
Wolltest du so sterben oder wusstest du, dein Tod wird der Hit? Bitte, ich will es nur verstehen!
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Maria Magdalena
Maria Magdalena ist eine Prostituierte und steht auf der Seite von Jesus. Sie ist die, die
Jesus die Kraft und Ruhe gibt, nach der er trachtet. Da Jesus allerdings so ein großer,
reiner Mann ist, hat sie das Gefühl, nicht gut genug für ihn zu sein. Auch kommen ihr
Zweifel, warum sie ihn liebt, da er eigentlich nur einer von vielen ist. Aber am Ende ist
sie die Einzige, die neben Simon Jesus nicht verleugnet, was auch ihre Liebe bekräftigt.
Zitate:
Bitte lass uns neu beginnen! Bis jetzt hatte ich Hoffnung. Nun geb ich zum ersten Mal
auf.
Schlaf tief heute Nacht! Die Welt soll sich ohne dich drehen. Wir versuchen, einmal ohne
dich auszukommen.
Er ist nur ein Mann. Ich hatte so viele vor ihm. Er ist nur einer mehr.
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Simon Zelotes
Simon Zelotes ist einer der Anhänger von Jesus. Im Gegensatz zu Jesus ist Simon
wesentlich politischer und animiert Jesus, er solle aktiv Hass gegen Rom schüren. Er
wiegt sich aber bis zur Festnahme Jesu wie die übrigen Apostel in Selbstzufriedenheit.
Beim letzten Abendmahl träumt er wie die anderen davon, dass sie niemals vergessen
werden und auf ewig in den Geschichtsbüchern stehen werden. Der wirkliche Glaube
an Jesus scheint untergeordnet Er verleugnet Jesus bis zum Ende nicht.
Zitate:
Lass sie jubeln, schüre ihren Hass auf Rom! Deine Macht wird zunehmen.
Es sind mehr als 50 000, die dir ihre Liebe zeigen. Und jeder von diesen 50 000 würde alles
für dich tun.
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35
Petrus
Petrus ist ein Anhänger Jesu. Er verleugnet Jesus dreimal, so wie Jesus es prophezeit
hatte. Am Ende, nach dem Verrat Jesu, übergibt Jesus ihm seine Handschriften, damit
er das Erbe fortführt mit Magdalena. Zusammen mit Magdalena klagt er nach einem
Neuanfang für die Bewegung.
Zitate:
Du musst mich verwechseln, ich kenne den Mann nicht.
Deine Botschaft ist deutlich. Dafür gingst du fast zu weit. Lass uns aufhören, bevor es beängstigend wird!
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Kaiphas/ Annas
Die Priester Kaiphas und Annas merken früh, dass Jesus zu einer Bedrohung werden
wird. Er köpnnte für ihren eigenen Fall sorgen beziehungsweise den Fall aller Priester.
Zusammen drängen sie Judas durch ein Kopfgeld dazu, Jesus zu verraten, um diesen
fernab der Menge festzunehmen.
Nach der Festnahme suchen sie nach Gründen für eine Verurteilung Jesu. Die Priester
versuchen also ein Todesurteil der römischen Besatzer zu provozieren. Als Argument
für eine Verurteilung nennen sie Pilatus, dass Jesus sich für den Sohn Gottes halte
und sich selbst als König der Juden deklariert. Die Königsfrage gerät in Konflikt mit
dem Herrschaftssystem, dass Caesar der einzige König ist, wäre also ein Grund für
eine Verurteilung.
Kaiphas und Annas sind maßgeblich an der Verurteilung Jesus beteiligt.
Zitate:
Hört nur dies Gesindel von Dummköpfen brüllen! Ein Trick mit Leprakranken und die
ganze Stadt steht Kopf.
Ich seh Blut und Zerstörung, unseren Untergang wegen eines Mannes! Blut und Zerstörung wegen dieses Mannes!
Lass die Beteuerungen, bring Informationen! Wir haben die Papiere für die Verhaftung.
Du kennst seine Pläne, wir das Gesetz.
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Pontius Pilatus
Pontius Pilatus, Statthalter von Judäa, ist die letzte Instanz, die Jesus verurteilt. Noch
bevor er Jesus zu Gesicht bekommt, erscheint ihm Jesus im Traum, den er als wundersam beschreibt. Am Ende dieses Traumes bekommt er die Schuld für den Tod Jesu
zugeschrieben.
Er befürchtet, durch die Verurteilung seinen Ruf zu verlieren, sollte er einem Unschuldigen verurteilen. Als man ihm Jesus zeigt, beteuert Pilatus entgegen der Menge, dass
er nichts Schuldiges an Jesus sehe. Ohne Verbrechen könne er keinen Menschen kreuzigen. Am Ende muss er die Steinigung und Kreuzigung Jesu aber billigend in Kauf
nehmen unter dem Druck der Masse und der Passivität Jesu. Er selbst wirft Jesus
diese Passivität und Selbstzerstörung vor. So wie sich Jesus verhalte, könne Pilatus
ihm nicht helfen. Dadurch befreit er sich von der Schuld für den Tod Jesu verantwortlich zu sein.
Zitate:
Ich sah Millionen Menschen weinen um diesen Mann. Plötzlich hörte ich sie meinen Namen sagen: Sie gaben mir die Schuld!
Gib Acht, sonst bist du bald tot. Könnte gut sein. Warum sagst du nichts? Dein Leben ist
in meiner Hand.
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König Herodes
Herodes ist ein extravaganter, verschwenderischer Charakter, der sich lieber mit seinen Frauen und Reichtümern aufhält, als mit Politik.
Da Pontius Pilatus sich aber zunächst nicht zuständig fühlt über Jesus zu richten,
schickt er ihn zu König Herodes, damit dieser sich Jesus anschaut. Herodes ist voller
Spott und drängt ihn lachend dazu ihm Wunder zu zeigen. Da Jesus aber kein Wunder
vollbringen will und schweigt, schickt Herodes in letzten Endes einfach wieder fort,
nachdem er ihn als Betrüger und Judenkönig verhöhnt hat.
Zitate:
Wandle über meinen Swimmingpool!
Du bist ein Witz und nicht der Herr, ein Betrüger bist du! Schafft ihn hier weg, er hat
nichts zu melden!
Du bist also der großartige Jesus Christus, beweis mir deine Göttlichkeit!
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LITERATUR- UND INTERNETHINWEISE
Songtexte Jesus Christ Superstar:
www.lyricsandsongs.com/lyrics/JESUS_CHRIST_SUPERSTAR.html
Hörbeispiele Jesus Christ Superstar:
www.geocities.com/RainForest/7565/JesusChristSuperstar.mid
www.geocities.com/RainForest/7565/kingherodssong.mid
www.geocities.com/RainForest/7565/pointofnoreturn.mid
www.geocities.com/jcjcsuperstar/
Jesus Christ Superstar im Religionsunterricht:
Religionsunterrichts mit der Rockoper Jesus Christ Superstar; in: rhs (Religionsunterricht an höheren Schulen) 1/1997. Düsseldorf: Patmos.
Jesus als Thema in der Gegenwart:
Langenhorst, Georg: Jesus ging nach Hollywood, Die Wiederentdeckung Jesu in Literatur und Film der Gegenwart. Düsseldorf, 1998.
Zu Webber-Stücken:
Keith Richmond, Die Musicals von Andrew Lloyd Webber, Berlin (Henschel) 1996.
Hansgeorg Mühe, Die Musik von Andrew Lloyd Webber, Hamburg (Kovac) 1995.
Michael Walsh, Andrew Lloyd Webber: Der erfolgreichste Komponist unserer Zeit,
Mainz (Schott) 1994.
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