Pflege von älteren Menschen - Mobilisation zur Sturzverringerung.
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Pflege von älteren Menschen - Mobilisation zur Sturzverringerung.
Fachbereichsarbeit Zur Erlangung des Diploms für den gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege an der Gesundheits- und Krankenpflegeschule, St. Vinzenz Sanatoriumstrasse 43, Zams Pflege von älteren Menschen Kann durch richtige Mobilisation einem Sturz vorgebeugt werden? Betreuerin: DGKS Zangerl Beate Verfasser: Wille Urban 2004/2005 urban.wille@gmx.at „Abb. 1: Titel unbekannt, I. Köther et. al. 2000; S. 256“ ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Abb. Abbildung bzw. beziehungsweise DGKS Diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester d. h. das heißt et. al. – et alii und andere evt. eventuell ggf. gegebenenfalls GuKPS Gesundheits- und Krankenpflegeschule HOPS Hirnorganisches Psychosyndrom max. maximal S. Seite s. siehe u. a. unter anderem usw. und so weiter vgl. vergleiche z. B. zum Beispiel zit. zitiert z. T. zum Teil INHALTSVERZEICHNIS 1. EINLEITUNG 1 2. BEGRIFFSBESTIMMUNG 3 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 Sturz – verschiedene Definitionen Sturzprophylaxe Altern Mobilität Sturzgefahr Verletzungsgefahr 3 4 4 4 4 5 3. ANATOMISCHE UND PHYSIOLOGISCHE GRUNDLAGEN DER BEWEGUNG, VERÄNDERUNGEN IM ALTER 6 3.1 Grundlagen der Bewegung 3.2 Veränderungen im Alter 3.2.1 Ernährung 6 6 6 4. 8 STÜRZE 4.1 Möglichkeiten zur Einschätzung des Sturzrisikos 4.1.1 Geriatrisches Assessment 4.1.2 Sturzrisikofaktoren 4.1.3 Sturzrisikoskala nach Siegfried Huhn 4.1.4 Care – Card ™ 4.1.5 Sturzrisikoskala nach Runge 4.2 Medikamente als Sturzursache 4.3 Sturzereignisprotokoll 4.4 Sturzfolgen 9 9 10 11 14 15 17 17 21 5. 22 MOBILISATION ZUR VERRINGERUNG EINES STURZES 5.1 Bewegungsübungen 5.1.1 Aktive Bewegungsübungen 5.1.2 Assistive Bewegungsübungen 5.1.3 Resistive Bewegungsübungen 5.2 Begleitmaßnahmen 5.2.1 Schuhwerk 5.2.2 Hüftprotektoren 5.2.3 Kleidung 5.2.4 Hörgerät und Brille 5.2.5 Kontraktur und Kontrakturenprophylaxe 5.3 Gehhilfe 5.3.1 Gehen mit Gehhilfe 5.3.2 Fehler und Probleme in der Handhabung von Gehhilfen 25 25 27 28 28 28 29 30 31 31 32 33 37 6. VORSCHLÄGE, ANREGUNGEN 40 7. LITERATURVERZEICHNIS 42 8. ABBILDUNGSVERZEICHNIS 43 9. ERKLÄRUNG 45 Seite 1 1. EINLEITUNG In einem Pflegeheim können Heimbewohner stürzen. Einige dieser Stürze wären vermeidbar, wenn dem Problem „Sturz“ mehr Beachtung beigemessen werden würde. Ich wurde im Rahmen eines Praktikums in meinem ersten Ausbildungsjahr in einem Pflegeheim auf diese Problematik aufmerksam. Ich beobachtete, dass viele Heimbewohner Probleme hatten, sich fortzubewegen. Einige benutzten Gehhilfen, andere saßen die meiste Zeit auf einem Stuhl oder einer Bank, wieder andere waren noch so mobil, dass sie selten auf der Station anzutreffen waren, wenige verließen ihr Zimmer nur zu den Mahlzeiten. Bewegung wurde von vielen Heimbewohnern auf ein Minimum reduziert. Folgeprobleme waren Kontrakturen sowie Kraftverlust durch fehlende Bewegung. Dieser Kraftverlust und die fehlende Bewegung führten zu Standund Gangunsicherheit und somit früher oder später zu einem Sturz. Das Ziel meiner Arbeit ist es, Schüler/Innen der GuKPS, vor allem aber diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal in Pflegeheimen sowie in Krankenhäusern auf die Sturzproblematik aufmerksam zu machen und zum Nachdenken anzuregen. Weiters möchte ich Möglichkeiten das Sturzrisiko zu erkennen sowie Maßnahmen zur Verringerung des Sturzrisikos aufzeigen und die Mobilisation in diesem Zusammenhang ansprechen. Diese Möglichkeiten und Maßnahmen müssen dann individuell an die Gegebenheiten angepasst werden. Meine Arbeit stützt sich auf Literatur, persönliche Erfahrungen und Beobachtungen während meiner Praktika. Im zweiten Kapitel werden zunächst einige wichtige Begriffe definiert, im dritten Kapitel gehe ich auf anatomische und physiologische Grundlagen sowie auf die Veränderungen im Alter ein. Im vierten Kapitel möchte ich verschiedene Möglichkeiten aufzeigen, das Sturzrisiko zu erkennen, Sturzfaktoren und Sturzfolgen erarbeiten. Seite 2 Im fünften Kapitel werden alle Aspekte der Mobilisation sowie Gehhilfen beschrieben. Der Schluss bildet eine Zusammenfassung und einige Anregungen für die Praxis. Wegen des besseren Leseflusses habe ich in dieser Fachbereichsarbeit die männliche Personenbezeichnung gewählt. Seite 3 2. BEGRIFFSBESTIMMUNG 2.1 Sturz – verschiedene Definitionen Sturz – Pschyrembel Fallen: Synonym stürzen: 1. rasches Absinken des Körpermittelpunktes durch gestörtes Gleichgewicht, 2. reduzierte Fähigkeit, das Gewicht des Körpers in verschiedenen Positionen zu halten (durch z. B. Schwäche). (vgl. S. Wied, S. Warmbrunn 2003, S. 223) Sturz – Stürze, Sturzverhütung und Mobilitätsförderung „Ein Sturz wird als unvorhergesehenes Ereignis definiert, das den Betroffenen aus liegender, sitzender oder höherer Position mit Kopf, Rumpf oder Gliedmaßen auf den Boden oder einen Gegenstand aufschlagen lässt.“ (Raspe et. al 1994, zit. in Stürze, Sturzverhütung und Mobilitätsförderung; http://www.pflegekongress.de/scripte/sturz_vorl.pdf, S. 6) Sturz – Die Schwester/Der Pfleger Ein Sturz wird als ein Ereignis definiert, bei dem die Person versehentlich oder absichtlich auf ein tieferes Niveau fällt, nachdem sie das Gleichgewicht beim Gehen oder anderen Aktivitäten verloren hat. (vgl. Die Schwester/Der Pfleger 9/02, S. 721) In der Literatur habe ich viele verschiedene Sturzdefinitionen gefunden. Ich habe diese drei Definitionen gewählt, weil jede für sich zwar einen Sturz definiert, ich aber der Meinung bin, dass ein Sturz nur durch Aspekte aller drei Beschreibungen definiert werden kann: • Nicht willentliches Ereignis • Absinken des Körpers auf ein tieferes Niveau • Aus einer aktuellen Position (sitzen, stehen, gehen usw.) • Durch Verlust des Gleichgewichtes oder durch Erkrankung (z. B. Epilepsie, Schwäche usw.) Seite 4 2.2 Sturzprophylaxe Sturzprophylaxe beinhaltet alle Maßnahmen, einem Sturz vorzubeugen. In der Pflege bedeutet dies, dass alles daran gesetzt werden muss, schon im Vorfeld sturzgefährdete Personen (durch ein Assessment) herauszufinden bzw. sturzfördernde Ursachen zu beseitigen. 2.3 Altern Der Begriff „altern“ oder „alt, älter werden“ lässt sich nicht leicht definieren. Altern ist ein fortlaufender Prozess, der aber in einem bestimmten Ausmaß verringert werden kann. Altern ist auch gleichzusetzen mit „weise werden“. In meinem sozialen Umfeld gibt es einige alte Menschen, die noch sehr mobil sind und ihren Kräften entsprechend Tätigkeiten ausführen. Alter in Bezug auf Mobilität hängt sicher viel von der beruflichen Tätigkeit, vom Leben allgemein (Krieg, Unfälle usw.), vom soziokulturellen Umfeld und von der körperlichen Verfassung jeder Person ab. Altern ist ein „Prozess, der als normales Geschehen alle Lebewesen vom Augenblick ihrer Zeugung durch alle Lebensphasen hindurch bis zum Tod betrifft und mit physiologischen Veränderungen einhergeht. (vgl. S. Wied, S. Warmbrunn 2003, S. 19) 2.4 Mobilität Grad der körperlichen Beweglichkeit eines Patienten; wird im Pflegeprozess erfasst und bei Bedarf gefördert, unterstützt bzw. aufrechterhalten. (vgl. S. Wied, S. Warmbrunn 2003, S. 447) 2.5 Sturzgefahr „Eingeschränkte Fähigkeit, sich koordiniert zu bewegen mit der Folge, das Gleichgewicht zu verlieren und zu fallen.“ (Michalke, C. et. al. 1999, S. 480) Seite 5 2.6 Verletzungsgefahr „Eingeschränkte Fähigkeit sich angemessen vor Gewalteinwirkung auf den Körper zu schützen.“ (Michalke, C. et. al. 1999, S. 480) Seite 6 3. ANATOMISCHE UND PHYSIOLOGISCHE GRUNDLAGEN DER BEWEGUNG, VERÄNDERUNGEN IM ALTER 3.1 Grundlagen der Bewegung Durch unseren Bewegungsapparat, der aus passivem und aktivem Bewegungsapparat besteht, können wir Bewegungen ausführen. Zur Bewegung benötigen wir aber noch die Informationen vom Gehirn und den Sinnesorganen. Koordinierte Bewegungen können nur ausgeführt werden, wenn der Bewegungsapparat und die Steuerung der Bewegung fehlerfrei funktionieren. 3.2 Veränderungen im Alter Durch Veränderungen an Knochen, Muskeln und Gelenken nimmt die Beweglichkeit des Körpers und die Muskelkraft allmählich ab. Knochen werden brüchiger und dadurch weniger belastbar. Die Augenlinse verliert an Elastizität, die Tastempfindung der Haut nimmt ab, die Ohren können nicht mehr alle hörbaren Frequenzen hören, ebenso kann das Gleichgewichtsorgan altersbedingten Veränderungen unterworfen sein. Der Kalziumgehalt der Knochen nimmt ab, diese werden dadurch instabiler, brüchiger und weniger belastbar. Ein Teil der Muskulatur wird im Laufe der Zeit in Fettgewebe umgewandelt, dadurch nimmt die Muskelkraft ab. Dieser Abbauprozess kann durch richtige Ernährung zwar nicht gestoppt, aber verringert werden. 3.2.1 Ernährung Verringerte Nahrungsaufnahme bewirkt eine Abnahme der Muskelkraft, begünstigt verschiedene Erkrankungen auf Grund eines Vitaminmangels und beeinträchtigt dadurch die Mobilität und das körperliche Wohlbefinden. Besonders bei älteren Personen sollte auf die richtige Energiezufuhr geachtet werden. Durch die fortschreitende Abnahme der Muskelmasse im Alter ist es von enormer Wichtigkeit, diesen Menschen genug Eiweiß zuzuführen, damit dem Abbau dieser entgegengewirkt werden kann. Seite 7 Da Dehydration zu Verwirrtheitszuständen führt, ist auch auf eine ausreichende Zuführung von Flüssigkeit zu achten. Seite 8 4. STÜRZE „Abb. 2: Titelblatt, Die Schwester/Der Pfleger 9/02“ Um Sturzursachen zu erkennen, bedarf es genauer Kenntnis über die allgemeinen Sturzursachen, die räumliche Situation des Pflegeheimes und die körperliche und geistige Situation der Bewohner. Seite 9 4.1 Möglichkeiten zur Einschätzung des Sturzrisikos 4.1.1 Geriatrisches Assessment Zur Einschätzung des Sturzrisikos kann auch ein geriatrisches Assessment, welches sich in zwei Teile, dem geriatrischen Screening und dem geriatrischen Basisassessment, gliedert, durchgeführt werden. Das geriatrische Screening wird vom Arzt durchgeführt, der sein Augenmerk auf folgende Punkte richtet: • Sehen • Hören • Beweglichkeit der Arme • Beweglichkeit der Beine • Harninkontinenz • Stuhlinkontinenz • Ernährung • Kognitiver Status • Aktivität • Depression • Soziale Unterstützung • vorangegangener Krankenhausaufenthalt • Sturz • Medikamenteneinnahme • Schmerzen (vgl. Arbeitsgruppe Geriatrisches Assessment 1997, S. 19 – 20) Durch das geriatrische Screening werden Ursachen, die zu einem Sturz führen können, erkannt. Der Arzt entscheidet im Anschluss daran, ob ein geriatrisches Basisassessment durchgeführt wird. Das geriatrische Basisassessment erhebt Daten unterschiedlicher Bereiche: Selbstständigkeit, Gedächtnis, Depression, soziale Situation, Handgriffstärke, Geschicklichkeit, Beweglichkeit usw. Diese Daten können mit folgenden Tests erhoben werden: • Barthel Index • Mini – Mental State Examination • Geriatrische Depressions – Skala • Soziale Situation • Handkraft • Geldzählen Seite 10 • Timed „Up & Go“ • Mobilitätstest nach TINETTI • Clock Competition (Uhren ergänzen) (vgl. Arbeitsgruppe Geriatrisches Assessment 1997, S. 21 – 46) Um sturzgefährdende Ursachen zu erkennen, müssen nicht alle Tests durchgeführt werden. Durchgeführt werden sollte aber: • Mini – Mental State Examination: mit diesem Test werden Gedächtnisstörungen erkannt. • Mobilitätstest nach TINETTI: bei diesem Test werden die Balancefähigkeit sowie der Gang beobachtet und Abweichungen erkannt. • Clock Competition: Dieser Test kann als Verlaufskontrolle für kognitive Defizite, für Hirnleistungsstörungen (Apraxie, Neglect) sowie für Gesichtsfeldeinschränkungen herangezogen werden. Er ergänzt die Mini – Mental State Examination. 4.1.2 Sturzrisikofaktoren Dies sind Merkmale, die mit einem erhöhten Sturzrisiko einhergehen; wichtige Sturzrisikofaktoren sind Stürze in der Vergangenheit, Muskelschwäche, Gang- und Balancestörung, Benutzung von Hilfsmitteln zur Fortbewegung, Sehstörungen, Arthritis, Depression, kognitive Einschränkungen, Einnahme von Psychopharmaka und Antiarrhythmika sowie das Lebensalter. Je mehr Risikofaktoren ein Mensch aufweist, umso sturzgefährdeter ist er. (S. Wied, S. Warmbrunn 2003, S. 628) Um diese Risikofaktoren für jeden Bewohner richtig einschätzen zu können, wurden Hilfsmittel wie die Sturzrisikoskala nach Huhn, die Care – Card ™ oder die Sturzrisikoskala nach Runge entwickelt. Diese Skalen sind Formulare in Tabellenform, in der sturzfördernde Ursachen aufgelistet sind und je nach Zutreffen ein Punktewert erreicht wird. Je höher die Punktezahl ist, umso höher ist das Sturzrisiko. Seite 11 4.1.3 Sturzrisikoskala nach Siegfried Huhn Die Sturz – Risiko – Skala stellt eine Hilfe dar, sturzgefährdete Personen zu identifizieren bzw. das Ausmaß der Gefährdung zu erkennen. Sie schult die Wahrnehmung der Anwender und kann auch die Richtung für eine Sturzprävention aufzeigen. Die nachfolgenden Erläuterungen sollen die Handhabung der Skala erleichtern. Wo in den Punktfeldern der Skala kein Text steht, müssen die Anwender sich zwischen den Einzelfeldern entscheiden. Bei der Entwicklung schien es unwichtig, hier eine weitere Differenzierung vorzunehmen. Parameter Alter Stürze nehmen mit zunehmendem Alter in der Häufigkeit zu und nehmen ab dem 60. Lebensjahr eine besondere Bedeutung an. Mentaler Die Einschätzung des mentalen Zustands betrifft z. B. Bewohner mit Zustand Krankheitsbildern wie HOPS, Multiinfarktsyndrom oder Demenz. Untersuchungen haben gezeigt, dass akute Verwirrtheit (delirantes Syndrom) zu mehr Unruhe und zu noch mehr Stürzen führt. Deshalb hierfür die höhere Punktezahl im Vergleich zur Demenz. Ausscheidung Bewohner mit Inkontinenz neigen bei Nässe oder Harndrang schnell zu Unruhe oder Unsicherheit. Das kann Grund für ein Sturzrisikoverhalten sein. Stürze in der Die Einschätzung betrifft ein oder mehrere Stürze, die sich im letzten Vorgeschichte Erhebungszeitraum ereignet haben Dabei erhöhen mehrere Stürze eine weitere Sturzneigung. Normalerweise werden Stürze erfasst, die bis zu einem Jahr zurück liegen. Aktivitäten Je größer die Einschränkung der Eigenaktivität umso höher das Sturzrisiko. Dies betrifft besonders Krankheitsbilder, die dauerhaft die Eigenaktivität einschränken, z. B. Amputationen, Parkinson, MS oder Apoplexie. Gang und Je größer die Mobilitätseinschränkung, umso größer das Sturzrisiko. Gleichgewicht Das betrifft besonders Krankheitsbilder, die dauerhaft die Mobilität einschränken, wie z.B. Amputationen, Parkinson, MS oder Paresen sowie Bewohner die körperlich stark geschwächt sind (z. B. dehydrierte Personen) und stark unter- oder übergewichtige Personen. Medikamente Hinzu zählen besonders die Einnahme von Analgetika, Psychopharmaka, Diuretika, ß-Blocker, Antihypertensiva und Hypnotikae, Ausschlaggebend ist die Menge der Medikamente, weniger das einzelne Medikament. Nahrungsmittelergänzungen, z.B. Vitamine, finden keine Berücksichtigung. Alkohol Der Genuss von Alkohol kann zu Gangunsicherheit, Schwindel sowie zu situativer Fehleinschätzung führen, wodurch es zu einer Sturzneigung kommen kann. „Siegfried Huhn, E-Mail am 12. 07. 04 im Dateianhang: Erläuterung zur Sturzrisiko Skala“ Seite 12 „Abb. 3: Sturzrisiko – Skala“ http://www.pflegeberatung-siegfried-huhn.de/Huhn_Sturzrisiko-Skala.pdf Anhand der erreichten Punktezahl lässt sich das Sturzrisiko einschätzen. Seite 13 • bis 4 Punkte: geringes Sturzrisiko • ab 4 Punkte: Maßnahmen zur Sturzverhütung einleiten • 5 – 10 Punkte: hohes Sturzrisiko • 11 – 24 Punkte: sehr hohes Sturzrisiko Bei einem geringen Sturzrisiko sowie ab einem Punktewert von 4 (Maßnahmen zur Sturzverhütung einleiten) müssen sturzverringernde Maßnahmen entsprechend der Parameter (Mentaler Zustand, Ausscheidung, Stürze in der Vorgeschichte, Aktivitäten, Gang und Gleichgewicht, Medikamente, Alkohol) getroffen werden. Verringert werden kann das Sturzrisiko bzw. die Sturzfolgen durch. • Brennen Lassen eines Nachtlichtes, um für ausreichende Sichtverhältnisse z. B. auf dem Weg zur Toilette zu sorgen. • Ausreichend Haltegriffe sowie Sitzflächen im Heimbereich, damit sich der Bewohner halten oder zum Ausruhen niedersetzen kann. • Während der Nacht das Bett in unterste Stellung bringen, eventuell eine Matratze vor dem Bett auf den Boden legen, damit ein Sturz aus dem Bett keine Verletzungen mit sich bringt. • Geeignetes Schuhwerk und Kleidung, um ein Ausrutschen oder Hängen bleiben zu vermeiden. Seite 14 4.1.4 Care – Card ™ Care Card ™ Sturzprävention Punkte 2 3 Risikofaktoren Verwirrtheit, Unruhe Depression, Teilnahmslosigkeit 2 Veränderte Ausscheidung: Inkontinenz, nächtliches Wasserlassen, erhöhte Frequenz > 4 mal pro Tag 2 Herabgesetzte Mobilität, genereller Schwächezustand (ab Stufe 2 auf der CareCard „Mobilität managen“) 05/2002 2 Schwindelneigung Addieren Sie die zutreffenden Punkte; bestimmen Sie die Gefährdungsstufe mit dem Index auf der Rückseite; nutzen Sie die Vorschläge für die Pflegeplanung; orientieren Sie sich an den Praxisrichtlinien und dem Pocket Guide; weitere Hintergrundinfos zum Thema finden Sie unter www.i-care-ac.de © i-care 2002 Punkte Gestürzt im letzten Vierteljahr? Ja Stufe Nein 0 x 0 2 x 1 0-2 x 3-6 3-6 x 2 x 3 x >6 >6 Maßnahmen (Zentrale Punkte) x 4 Gestalte die Umgebung übersichtlich; beseitige Stolperfallen; bringe das Bett in die unterste Position; arretiere die Bettbremse; bringe Licht, Klingel, Nachttisch und Abfallbehälter in Reichweite des Pflegebedürftigen; kontrolliere Schuhe auf Stabilität und Rutschfestigkeit; überprüfe bei Seh- und Hörschwäche die ausreichende Versorgung mit Hilfsmitteln; auf Vit.D-, Calzium und Magnesiumzufuhr achten Zusätzlich: vor dem Aufstehen auf der Bettkante sitzen und Beine bis zu 2 Minuten baumeln lassen; in der Dokumentation und am Bett auf Gefährdungsstufe hinweisen; Transfers nach kinästhetischen Regeln durchführen Zusätzlich: Therapiebedarf (KG/Ergo) überprüfen; stelle ggf. Hilfsmittel (z.B. Hüftschutzhosen) bereit; unterstütze bei Toilettengängen; plane 2 x täglich für jeweils 10 Minuten Muskelaufbautraining; z.B. am Esstisch, direkt vor oder nach den Mahlzeiten, isometrische Übungen durchführen Zusätzlich: gewährleiste 2 stdl. Kontrollbesuche; prüfe die Notwendigkeit der Installation eines Bettausstiegalarmsystems ( z.B. Kontaktmatten, Lichtschranke); lege Matratze ggf. auf den Boden Zusätzlich: Interdisziplinäres Konsil veranlassen; prüfe die Notwendigkeit einer Verlegung oder einen Umzug an einen sichereren Ort „Abb. 4: Care – Card ™ (oben: Vorderseite, unten: Hinterseite)“ http://www.i-care-ac.de/Produkte/Management/Care_Cards/Sturz/sturz.html Seite 15 Die Care – Card ™ bietet auf ihrer Rückseite eine Übersicht an Tätigkeiten, die bei einem bestimmten Punktewert durchzuführen sind. Natürlich müssen zu diesen Tätigkeiten aber noch bauliche Gegebenheiten des jeweiligen Pflegeheimes berücksichtigt werden. 4.1.5 Sturzrisikoskala nach Runge „Abb. 5: Sturzrisikoskala nach Runge, A. Lauber, P. Schmalsteig 2004, S. 327“ Seite 16 „Abb. 6: Sturzrisikoskala nach Runge, A. Lauber, P. Schmalsteig 2004, S. 328“ Die Sturzrisikoskala nach Runge ist anhand von Merkmalen aufgegliedert. Diesen Merkmalen Medikamenteneinnahme, (Gangstörung, positive Balancestörung, Sturzanamnese Kraftminderung, usw.) wurde eine Erläuterung gegenübergestellt, anhand dieser das Merkmal genauer definiert wird. Somit ist eine Punktevergabe einheitlicher möglich, weil jede Pflegeperson dieselben Beobachtungskriterien hat. Ein Vergleich dieser Sturzrisikoskalen ist nicht möglich. Somit bleibt es jedem Pflegeheim bzw. jeder Einrichtung überlassen, welches Instrument zur Beurteilung des Sturzrisikos verwendet wird. Es ist aber empfehlenswert, bereits bekannte, gut strukturierte Richtlinien als Grundlage zu nehmen. Diese Skalen stellen eine Hilfe zur Risikoeinschätzung dar, die Werte sind aber nur dann korrekt, wenn die Beobachtung jedes Mitarbeiters im Hinblick auf Gangunsicherheit, richtiges Benutzen der Gehhilfe, Stolperfallen usw. geschult wird. Auch müssen die Beobachtungskriterien bekannt sein und das Sturzrisiko laufend aktualisiert werden (durch laufende Beobachtung, durch Validation der erhobenen Daten, durch Teambesprechungen usw.). Seite 17 Zu beachten ist aber folgendes: • Die ausgewählte Skala muss mit allen Mitarbeitern genau besprochen werden. • Jeder Mitarbeiter muss die Beobachtungskriterien kennen. • Jeder Mitarbeiter muss die ausgewählte Skala gleich anwenden. • Eine laufende Neueinschätzung des Sturzrisikos muss durchgeführt werden. 4.2 Medikamente als Sturzursache Die Sturzgefahr ist am größten bei der Einnahme von Arzneimitteln mit verlängerten Halbwertszeiten (über 24 Stunden) und steigt mit der Anzahl der Medikamente, die eingenommen werden. Die Leistungsfähigkeit der Leber, Medikamente zu metabolisieren, kann beeinträchtigt sein, wobei dies in hohem Maße auf Benzodiazepine und Psychopharmaka zutrifft. Die am häufigsten mit Stürzen in Verbindung gebrachten Medikamente sind Diuretika, Hypnotika und Sedativa, Psychopharmaka sowie Antihypertensiva. Die Gang- und Balancefähigkeit kann negativ beeinflusst und somit ein Sturz ausgelöst werden. (vgl. R. Tideiskaar 2000, S. 47 – 48) Eine beträchtliche Menge der eingenommenen Medikamente von Heimbewohnern fällt unter die oben beschriebenen Medikamentengruppen. Hier müsste der Arzt in das Sturzproblem miteingebunden werden und gemeinsam eine adäquate Medikamentendosierung für jeden Bewohner besprochen werden. 4.3 Sturzereignisprotokoll Einheitliche Erfassung eines Sturzes zur Dokumentation der Sturzumstände und individueller, z. B. im Umfeld begründeter Sturzrisikofaktoren, um entsprechende Maßnahmen abzuleiten. (vgl. S. Wied, S. Warmbrunn 2003, S. 628) Wenn ein Bewohner gestürzt ist, muss eine gründliche Analyse der Ursachen des jeweiligen Sturzes durchgeführt werden. Um nach einem Sturz die genaue Sturzursache erheben und erkennen zu können und diese für den jeweiligen Seite 18 Bewohner zu verringern, ist es wichtig, jeden Sturz zu dokumentieren. Dies kann mittels Sturzereignisprotokoll durchgeführt werden. Auch die Benutzung eines eigenen Sturzereignisprotokolls ist zu überdenken, in der auf die baulichen Gegebenheiten der Station bzw. des Pflegeheimes und der körperlichen Einschränkungen der Bewohner gezielt eingegangen werden kann. In Anschluss wird das Sturzereignisprotokoll von Herrn Siegfried Huhn vorgestellt. Dies ist das einzige Sturzereignisprotokoll, das ich im Zuge meiner Recherche der Fachliteratur sowie im Internet gefunden habe. Dieses Sturzereignisprotokoll erfasst die Umstände, die zum Sturz geführt und unter denen sich der Sturz ereignet hat. Durch die Auswertung der so erhobenen Daten kann die genaue Sturzursache ermittelt und Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Seite 19 „Abb. 7: Sturzereignisprotokoll, Die Schwester/Der Pfleger 9/02, S. 730“ Seite 20 „Abb. 8: Sturzereignisprotokoll, Die Schwester/Der Pfleger 9/02, S. 731“ Seite 21 Positiv zu erwähnen ist die Vielfalt der abgefragten Daten. Somit wäre dieses Sturzereignisprotokoll sowohl in einer Langzeitpflegeeinrichtung sowie in einem Krankenhaus oder in der häuslichen Pflege einsetzbar. Wenn verwirrte Bewohner den Heimbereich verlassen und auf dem Gehsteig oder an einem anderen Platz stürzen, ist die Erhebung der Sturzumstände nicht immer gewährleistet. Somit ist auch keine genaue Sturzdokumentation möglich. Auch wird die genaue Sturzerhebung problematisch, wenn sich der Bewohner nicht mitteilen oder nach dem Sturz an den Unfallhergang nicht erinnern kann. Diese Probleme betreffen hauptsächlich Punkt 5. Auch der Punkt 14 (Informationsweitergabe) müsste eventuell noch erweitert werden. Bei den Punkten: Bewusstseinslage, Pupillenreaktion, Schmerzäußerung, Hautveränderungen und Psychische Reaktion ist nur die Möglichkeit gegeben, den entsprechenden Punkt anzukreuzen. Aber gerade um Informationen nach einem Sturz zu dokumentieren, müssten diese Punkte genauer beschrieben werden. Auch wäre es von Vorteil, wenn ein Körper in Vorder- und Hinterseite abgebildet wäre, an dem man gleichzeitig die Verletzungen anzeichnen und kurz dokumentieren könnte. 4.4 Sturzfolgen Ein Sturz kann zahlreiche Folgen haben. Die Angst, sich bei einem Sturz zu verletzen, ist bei jedem Menschen gegeben. So auch bei älteren Menschen, deren Gegenmaßnahmen (ausstrecken der Arme, versuchen, das Gleichgewicht wiederzuerlangen usw.) verlangsamt ausgeführt werden. Sturzfolgen können Verletzungen, dadurch kurzzeitige oder länger andauernde Immobilität mit den Folgekomplikationen (Dekubitus, Kontraktur, Pneumonie usw.) sein. Auch die Angst vor einem neuerlichen Sturz mit der Folge des sozialen Rückzuges, Bewegungseinschränkung und extreme Vorsicht bei allen Bewegungen kann die Folge eines Sturzes sein. Seite 22 5. MOBILISATION ZUR VERRINGERUNG EINES STURZES Kann durch richtige Mobilisation einem Sturz vorgebeugt werden? Je mehr sich die Menschen bewegen, desto länger bleiben sie mobil und haben Freude und Spaß am Leben. Da jeder Mensch eine eigene Lebensgeschichte hat, kann nicht generell gesagt werden: Wer sich bewegt, Sport treibt und seinen Körper fit hält, ist mobil bis ins hohe Alter. Aber für viele Menschen trifft dies zu. Viele Menschen, die jetzt schon ihren Ruhestand genießen oder kurz davor stehen, haben in ihrer Kindheit, Jugend und in ihrem Erwachsenenalter viele körperliche Belastungen auf sich nehmen müssen. Bedenken wir, dass viele Männer während des Krieges „dienen“ mussten und im Anschluss daran entweder noch einige Zeit in Kriegsgefangenschaft verbrachten oder wieder zu Hause angekommen, sich eine neue Existenz aufbauen mussten. Auch Frauen mussten in dieser Zeit schwere körperliche Belastungen und Anstrengungen auf sich nehmen, um ihre Existenz zu sichern und ein Überleben möglich zu machen. Diese körperlichen Belastungen, die zu dieser Zeit an alle Menschen (ob jung oder alt) gestellt wurden, dürfen wir bei der Mobilisation nicht vergessen. Wenn jetzt ein Mann oder eine Frau ihr Leben lang täglich schwere körperliche Arbeit verrichtet hat und sich die ganze Zeit auf ein ruhiges Leben im Ruhestand gefreut hat, dann muss auch die Mobilisation an dieses „ersehnte Leben“ angepasst werden. Aber viele Menschen fühlen sich in einem Pflegeheim, wenn sie den ganzen Tag nichts zu tun haben, nicht wohl. Ihnen fehlt das Gefühl, dass sie gebraucht werden, oder dass sie noch etwas tun können. Wie kann aber durch Mobilisation einem Sturz vorgebeugt werden? Ein Sprichwort lautet: Wer rastet, der rostet. Dieses Sprichwort sollten wir uns auch in der Pflege zu Herzen nehmen und danach handeln. Seite 23 Use it ore lose it „Abb. 9: Bed is bad, I. Köther, E. Gnomm 2000, S. 259“ Gebrauch es oder du wirst es verlieren, dies bringt es auf den Punkt: Alle Bewegungsmöglichkeiten bleiben nur erhalten, wenn sie regelmäßig ausgeübt werden. Wird der Bewegungsumfang auf ein Minimum reduziert, das Gelenk also ruhig gestellt, so drohen Versteifungen und dauerhafte Bewegungseinschränkung. (vgl. Michalke, C. et. al. 2001, S. 237) Was heißt „Mobilisation“? Unter Mobilisation fallen alle „Maßnahmen, die zur körperlichen Aktivierung eines Menschen oder bestimmter Körperteile dienen. Ziel der Mobilisation ist es, Beweglichkeit, Aktivität und Selbstständigkeit zu erhalten und Komplikationen von Immobilität wie Kontrakturen, Dekubitus und Thrombose zu verhindern“. (vlg. S. Wied, S. Warmbrunn 2003, S. 447) Auch gehen, definiert durch „Bewegen des Körpers von einer Stelle zu einer anderen durch schrittweises Bewegen der Beine“ (S. Wied, S. Warmbrunn 2003, S. 260) dient der Mobilisation und der Mobilität. Mobilisation umfassend betrachtet, bedeutet: • Mobilisation erhalten: Die körperlichen Fähigkeiten, die der Heimbewohner hat müssen so lange wie möglich erhalten bleiben. • Mobilisation wiedererlangen: Wenn ein Heimbewohner in irgend einer Weise (z. B. durch einen Schlaganfall, kurzfristige Bewegungseinschränkung oder während der Resignationsphase nach dem Heimeintritt) eingeschränkt ist, gewisse Tätigkeiten vorher selbst ausgeführt hat, muss alles daran gesetzt werden, dass der Heimbewohner diese Fähigkeiten wieder selbst ausführen kann. • Geistige und soziale Mobilisation: Dies bedeutet, dass der Heimbewohner nicht nur körperlich mobilisiert wird, sondern auch Seite 24 geistig beansprucht wird, um seine sozialen Kontakte wahrzunehmen und zu fördern. Dies kann geschehen durch Sprichwörter, Rätsel, 10 – Minuten Aktivierung, Gesellschaftsspiele usw. Diese drei Aspekte der Mobilisation lassen sich aber nur in einem Team, bestehend aus diplomiertem Gesundheits- und Krankenpflegepersonal, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Heimhilfen und ehrenamtlichen Mitarbeitern bewältigen, die ihrem Tätigkeitsbereich und ihrer Ausbildung entsprechend alles daran setzen, dass der Heimbewohner dieses Maß an Zuwendung und Förderung bzw. Forderung erhält, die er benötigt. Weiters ist es wichtig, dass die Mobilisation der Bewohner im Pflegeprozess Beachtung findet. Hier muss genau definiert sein, in welchem Umfang und in welcher Reihenfolge bzw. Dauer die Mobilisation durchgeführt wird. Wenn die Mobilisation genau dokumentiert wird, ist es eher unwahrscheinlich, dass die Mobilisation nicht einheitlich durchgeführt wird. Auch müssen die Hilfsmittel der Mobilisation definiert und laufend an den Mobilisationsfortschritt angepasst werden. Je nach körperlichem und geistigem Zustand ist es möglich, dass der Bewohner so viel wie möglich selbstständig durchführt. Die Selbstständigkeit sowie die Autonomie, über vieles selbst zu entscheiden, erhält auch in einem Pflegeheim die Lebensfreude. Wenn sich Bewohner so lange es geht, selbst waschen, anziehen oder ihr Bett machen, dann ist das auch schon ein Teilbereich der Mobilisation. Auch Beschäftigung auf der Station wie z. B. mithelfen beim Decken des Tisches, Gießen der Blumen, Dekorieren der Zimmer und des Aufenthaltsbereiches zu den verschiedenen Anlässen (Geburtstage, Weihnachten, Ostern oder entsprechend der Jahreszeit) würde einigen Bewohnern das Gefühl geben, noch „gebraucht“ zu werden. Sie ziehen sich nicht zurück und nehmen aktiv am Geschehen teil. Damit wird Mobilisation „nebenbei“ durchgeführt. Seite 25 5.1 Bewegungsübungen Voraussetzung für Bewegungsübungen im Pflegeheim oder in einem Altenwohnheim bzw. Betreutes Wohnen ist, dass die Bewohner gewillt sind, diese Übungen täglich mehrmals mitzumachen. Auch ist eventuell nicht jeder Bewohner in der Lage, jede Bewegungsübung durchzuführen. Hier muss die Bewegungsübung individuell auf die jeweilige körperliche Situation des Bewohners angepasst werden bzw. führt der Bewohner gewisse Bewegungen in abgewandelter Form aus. Grundsätzlich kann jede Bewegung, die der Heimbewohner selbstständig oder unter Hilfe ausführt, als Bewegungsübung angesehen werden. „Banale“ Tätigkeiten, wie das Streichen des Frühstücksbrotes, das Binden eines Schuhes, das Trinken aus einer Tasse oder das Zuknöpfen des Hemdes usw. sind Übungen für die Konzentration und die Koordination. Durchgeführt werden können diese Bewegungsübungen je nach Möglichkeit des Bewohners als: • Aktive Bewegungsübungen, bei denen der Patient aktiv ohne Unterstützung einer Pflegekraft die Bewegung ausführt. • Assistive Bewegungsübung, bei der der Patient aktiv die Bewegung durchführt, die Pflegekraft unterstützt und führt. • Resistive Bewegungsübungen, bei denen die Bewegung gegen einen tatsächlichen oder gedachten Widerstand ausgeübt wird. (vgl. N. Menche et. al. 2001, S. 233) 5.1.1 Aktive Bewegungsübungen Unter aktive Bewegungsübungen fallen alle Tätigkeiten, bei denen der Bewohner selbst seinen Körper bewegt. Zur Förderung der Koordination können gezielt Bewegungsübungen durchgeführt werden. Diese Übungen dienen zur Verbesserung der Standfestigkeit und der Balancefähigkeit sowie zur Erhaltung der Muskelkraft. Seite 26 Übungen könnten sein: • Durchführen von Übungen, die die Muskulatur kräftigt z. B. Treppensteigen, aufstehen aus einem Stuhl. Den Bewohner in stehender Position an den Armen halten und ein Bein anheben lassen. Das angehobene Bein soll nun nach vorne, hinten, oder seitlich bewegt und dort abgestellt werden. Gekräftigt werden hierbei das Standbein sowie das Übungsbein. Auf den Boden eine Linie mit Isolierband kleben und den Bewohner auffordern über diese Linie zu steigen. Die Beine sollten nach so hoch wie möglich dabei angehoben werden. • Durchführen von Übungen, die die Koordination fördern z. B. den Bewohner an den Armen halten und dann einen Schritt auf ihn zugehen oder weggehen, so dass der Bewohner seiner Gewichtsverlagerung folgen muss => er muss einen Schritt nach hinten oder nach vorne machen. Diese Übung kann auch mit einem Schritt seitlich durchgeführt werden. • im Sitzen: Heben oder ausstrecken des rechten und anschließend des linken Beines bzw. gleichzeitige Berührung des rechten Knies mit der linken Hand und umgekehrt. Weiters kann zur Erhaltung der Mobilität der Bewohner zum Gehen animiert werden. Je nach körperlichem Zustand kann die zu gehende Strecke gewählt werden. Mehrmals kürzere Strecken wie vom Zimmer zum Speisesaal, auf die Toilette, in den Waschraum oder in den Park können genügen. Diese Strecken müssen aber mit dem Bewohner vorerst besprochen werden, eventuell sind gewisse Anreize nötig, z. B. eine Tasse Kaffee (wenn der Bewohner diesen gern mag), eine Zigarette im Park, ein Glas Wein usw. Auch der Seniorentanz ist eine Beschäftigung in Gemeinschaft, mit dem Zweck, miteinander zu singen, zu kommunizieren und sich zu bewegen. Der Seniorentanz kräftigt die Muskulatur (durch die verschiedenen Tänze, Tänze mit Handgeräten wie Kirschsäckchen, Softbälle usw.), ist gleichzeitig Gedächtnistraining (durch verschiedene koordinative Übungen) und fördert die Stimmung und die Geselligkeit. Seite 27 Der Seniorentanz ist sicher keine Bewegungsübung für alle Heimbewohner. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass nur sehr wenige Heimbewohner den Seniorentanz mitmachen. Gründe dafür könnten sein, dass der Seniorentanz zu wenig propagiert wird, dass einige Heimbewohner ihren festgelegten Tagesablauf nicht mehr ändern wollen oder dass der Begriff „Seniorentanz“ ihnen nicht das vermittelt, was vermittelt werden sollte. Verbessernd wirken würde eventuell die Umbenennung von Seniorentanz in „Bewegung und Spaß“. Das Pflegepersonal hat hier eine entscheidende Rolle. Es muss den Heimbewohnern die Vorurteile gegen diese Veranstaltung nehmen, eventuell im kleinen Rahmen (stationsintern) z. B. vor der Nachmittagsjause kur für fünf bis zehn Minuten einige Übungen machen. Heimbewohner, denen diese Übungen Spaß machen, würden dann vielleicht den „Seniorentanz“ mitmachen. Vergessen dürfen wir aber auch nicht die Bewohner, die nicht tanzen wollen. Sie werden den „Seniorentanz“ sicherlich niemals mitmachen. 5.1.2 Assistive Bewegungsübungen Hier hilft der Heimbewohner aktiv mit, die Pflegekraft führt und unterstützt die Bewegung. Als assistive Bewegungsübungen kann der Bewohner alle aktiven Bewegungen mit Unterstützung durch Pflegekräfte durchführen z. B. mit Unterstützung sich selbst waschen, das Bein anheben oder abwinkeln usw. Viele pflegerische Tätigkeiten, die bei bettlägerigen Patienten durchgeführt werden, können im Rahmen von assistiven Bewegungsübungen durchgeführt werden. Das Ziel dieser Übungen ist es, die vorhandene Kraft und Beweglichkeit während der Phase der Immobilität zu erhalten sowie die Selbstständigkeit des Heimbewohners zu fördern. Seite 28 5.1.3 Resistive Bewegungsübungen Resistive Bewegungsübungen werden gegen einen tatsächlichen oder gedachten Widerstand ausgeführt. Sie können sehr gut bei bettlägerigen Bewohnern durchgeführt werden. Übungen können sein z. B. mit dem Bein gegen das Bettende drücken, um die Beinmuskulatur zu kräftigen, die Arme vor der Brust zusammendrücken, um die Brustmuskulatur zu kräftigen usw. 5.2 Begleitmaßnahmen Während der Mobilisation der Bewohner genügt es aber nicht, mit ihnen einfach aufzustehen bzw. ein paar Schritte zu gehen, sondern auch auf den richtigen Einsatz der Hilfsmittel (Gehhilfe, Brille, Hörgerät, Kleidung usw.) ist zu achten! Die Räume sollten ausreichend beleuchtet sein (auch während der Nacht), wobei der Bewohner vom Licht nicht geblendet werden darf, Handgriffe zum Festhalten sollten an wichtigen Punkten der Räume angebracht werden (Dusche, Badewanne, Stiege), an denen sich der Bewohner festhalten kann. Weiters dürfen keine Stolperfallen (aufgeworfene Teppiche, Türschwellen, Hindernisse wie Stühle usw.) auf den Gehflächen vorhanden sein. Durch die Abnahme der Muskelmasse und Kraft der Muskulatur, die den Fuß anhebt, kann es vorkommen, dass Bewohner über diese Hindernisse stolpern und stürzen. 5.2.1 Schuhwerk Das Schuhwerk (Hausschuhe, Straßenschuhe) müssen eine gute Passform und rutschfeste Sohlen haben. Eine gute Passform bedeutet, dass der Schuh nicht zu groß bzw. zu klein ist (vor allem wichtig bei Personen mit Durchblutungsstörungen, bei Diabetikern, deren Schmerzempfindung herabgesetzt ist), ein gutes Fußbett hat und keinesfalls „ausgelatscht“ ist. Auch ist es wichtig, dass der Schuh während des Gehens formstabil ist und dem Fuß am Boden guten Halt und Stabilität gibt. Seite 29 In Pflegeheimen haben viele Bewohner während des Tages Hausschuhe an. Viele dieser Hausschuhe entsprechen nicht den oben genannten Kriterien für gutes Schuhwerk. Das Hauptproblem ist, dass viele Hausschuhe keine rutschfesten Sohlen haben, die, wenn das Zimmer oder die Station gereinigt/gewischt wird, dem Bewohner einen sicheren Auftritt gewährleisten. 5.2.2 Hüftprotektoren „Abb. 10: Hüftprotektor, N. Menche et. al. 2001, S. 217“ Der Hüftprotektor besteht aus zwei anatomisch geformten Schalen, die in eine Fixationshose integriert sind. Die ovalen Schalen bestehen aus elastischem Kunststoff. Hüftprotektoren gibt es in verschiedenen Ausführungen: • In die Hose eingearbeitet • Aus der Hose herausnehmbar • Durch ein Pflaster mit Klettverschluss ohne Hose tragbar Hüftprotektoren sind in verschiedenen Größen sowie für Männer (mit Eingriff) und für Frauen (ohne Eingriff) erhältlich. Hüftprotektoren verringern das Risiko eines Oberschenkelhalsbruches bei kachektischen Heimbewohnern. Inkontinenzhilfsmittel sowie Dauerkatheter sind zwar hinderlich, aber wenn die Größe der Hose richtig gewählt wird, stellen sie kein Problem dar und führen auch nicht zu Bewegungseinschränkung. Bei Dauerkathetern ist die Verwendung von Beinbeuteln anzustreben. Seite 30 5.2.3 Kleidung Auch auf die richtige Bekleidung ist Wert zu legen. Kleidungsstücke dürfen nicht zu weit sein, so dass der Bewohner hängen bleiben kann oder z. B. die Hose während des Gehens nach unten rutscht, weil der Gürtel vergessen wurde. Auch zu enge Kleidungsstücke müssen vermieden werden, weil dadurch der Bewohner unter Umständen nicht richtig einatmen kann, sich nicht richtig bewegen und er daher in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt sein kann. Es kann ein drohender Sturz eventuell nicht abgewendet werden. Auch der Jahreszeit nicht angepasste Kleidung kann unter Umständen zu einem Sturz führen. Wenn z. B. im Winter ein Bewohner in den Park geht und kein geeignetes Schuhwerk trägt oder ihm zu kalt wird und er daraufhin in seiner Bewegungsgeschwindigkeit und Reaktionsgeschwindigkeit verlangsamt ist, kann es zu einem Sturz kommen. Wenn einem Bewohner die Autonomie genommen wird, seine Kleidung selbst auszusuchen, kann dies dazu führen, dass er sein Zimmer nicht mehr verlässt, weil er sich nicht richtig angezogen fühlt. Durch dieses oft unbewusste Handeln von Seiten der Pflegepersonen kann der Bewohner in seiner Mobilität eingeschränkt werden. Hier kann aber ein möglicher Konflikt entstehen, wenn die Kleidung, die sich der Bewohner aussucht, ein Sturzrisiko mit sich bringt. Ein gewisses Maß an Toleranz dem Bewohner gegenüber kann ein Lösungsansatz sein. Wenn z. B. im Winter von einem Bewohner ein kurzärmeliges Oberteil angezogen werden möchte, keine Beeinträchtigung der Kälteempfindung vorhanden ist, wird ihm sicher bald zu kalt werden. Hier wäre ein Lösungsansatz, wenn dieser Bewohner kurz vor die Tür begleitet, nach kurzer Zeit auf die Kälte aufmerksam gemacht wird, und anschließend die richtige Bekleidung anzieht. Das Pflegepersonal muss auf dieses Problem angemessen reagieren, aber seine Meinung nicht sofort und stur durchsetzen. Seite 31 5.2.4 Hörgerät und Brille Der Bewohner soll sein Hörgerät und seine Brille auch während des Tages tragen. Die Brillengläser müssen sauber sein, damit der Bewohner alles klar sehen kann. Auch darf die getragene Sonnenbrille nicht zu dunkel sein. Das Hörgerät muss funktionstüchtig und richtig eingestellt sein, damit der Bewohner Warnungen, die von Mitbewohnern oder Pflegekräften ausgesprochen werden, hören kann. Die Wahl des Hörgerätes ist für die tägliche Benutzung und die Akzeptanz des Hörgerätes wichtig. Jedes dieser Geräte hat verschiedene Vor-, und Nachteile, die abzuwägen sind. Unser Gehör hilft uns, uns im Raum zu orientieren. Beim Gehen hören und fühlen wir den Untergrund, z. B. das Rascheln von Laub, das Knirschen von Kies usw. Diese Informationen veranlassen sofort eine gewisse Einstellung und Haltung beim Gehen. Mal gehen wir vorsichtiger und langsamer, wenn der Untergrund rutschig ist oder schneller und unbekümmert, wenn uns der Untergrund keine Gefahr eines Sturzes signalisiert. 5.2.5 Kontraktur und Kontrakturenprophylaxe Kontraktur: „Dauerhafte Verkürzung von Muskeln, Sehnen und Bändern mit der Folge einer irreversiblen Bewegungseinschränkung und Versteifung eines Gelenkes.“ (N. Menche et. al. 2001, S. 214) Kontrakturenprophylaxe: Pflegerische und physiotherapeutische Aktivitäten (Lagerung, Bewegung) zur Vermeidung von Fehlhaltungen, Bewegungseinschränkungen, Fehlstellungen der Gelenke bei länger immobilen Patienten. (vgl. S. Wied, S. Warmbrunn 2003, S. 390) Das Ziel der Kontrakturenprophylaxe ist es, die Beweglichkeit der Gelenke der Bewohner so lange wie möglich zu erhalten. Die Kontrakturenprophylaxe kann in alle Tätigkeiten, die der Bewohner oder das Pflegpersonal mit dem Bewohner durchführt, integriert werden. Seite 32 Als Beispiel möchte ich hier die Körperpflege anführen: Wenn sich ein Bewohner selbst wäscht, dann werden die meisten Gelenke des Oberkörpers bewegt. Der Heimbewohner sollte unter Anleitung alle seine Gelenke aktiv bewegen. Die Gelenke, die er nicht selbstständig bewegen kann, werden im Anschluss durch die Pflegekraft bewegt. Es muss bei jedem Bewohner darauf geachtet werden, dass der Umfang der Beweglichkeit nicht abnimmt. Eine beginnende Kontraktur lässt sich in einer Bewegungseinschränkung und/oder Gelenksschmerzen während der Bewegung erkennen. Daher ist eine „Lagerung des Patienten in physiologischer Mittelstellung und Lagerungswechsel“ (N. Menche et. al. 2001, S. 215) zur Verhinderung der Bildung einer Kontraktur wichtig, wenn ein Bewohner eine gewisse Zeit das Bett nicht verlassen darf/kann. Auch ist während dieser Zeit die Spitzfußbildung durch richtige Lagerung zu verhindern. 5.3 Gehhilfe Gehhilfe: Sammelbegriff für Hilfsmittel zur Unterstützung möglichst selbstständigen Gehens bei Patienten mit Gangunsicherheit und Schwäche oder zur Übung und Entlastung einer Extremität. (vgl. S. Wied, S. Warmbrunn 2003, S. 260) Alle Gehhilfen (Gehstock, Unterarmstützkrücke, Rollator usw.) haben die Aufgabe, dem Bewohner wieder Sicherheit zu geben und körperliche Defizite bzw. Einschränkungen (Balancedefizite, verminderte Muskelkraft usw.) zu entlasten und somit das Sturzrisiko zu senken. Durch mehrere Kontaktpunkte zum Boden, erhöhen Gehhilfen auch die Stand- und Gehfläche. Seite 33 „Abb. 11: Standfläche, R. Tideiskaar 2000, S. 92“ 5.3.1 Gehen mit Gehhilfe „Gehen mit der Nutzung von einem oder mehreren Gehhilfen wie orthopädisches Schuhwerk, künstliche Glieder/Gliedmaßen, Stock, Schiene, Krücken, Rollen.“ (S. Wied, S. Warmbrunn 2003, S. 260) Im Folgenden möchte ich auf einige Gehhilfen genauer eingehen, sie erklären und Fehler in der Benutzung aufzeigen. „Abb. 12: Drei verschiedene Gehstöcke, N. Menche et. al. 2001, S. 229“ Seite 34 „Abb. 13: zwei Vier – Punkt – Gehstützen mit verschiedenem Schwerpunkt, N. Menche et. al. 2001, S. 229“ „Abb. 14: Unterarmstützkrücke, N. Menche et. al. 2001, S. 229“ Der Gehstock, Gehstock mit Vierfuß und die Unterarmstützkrücke können nur von Bewohnern verwendet werden, deren Kraft der Unterarm-, bzw. Handmuskulatur ausreicht, den Griff fest zu umschließen und damit bei Gangunsicherheit das Balancedefizit auszugleichen. Weiters ist die Koordination von Armen und Beinen bzw. das Reaktionsvermögen des Bewohners während des Gehens wichtig, damit er nicht stolpert. Je nach Einschränkung kann eine bzw. beide Körperhälften mit diesen Gehhilfen unterstützt werden. Seite 35 „Abb. 15: Gehbock, S. Wied, S. Warmbrunn 2003, S. 260“ Die Benutzung des Gehbockes stellt für den Bewohner sicher eine Herausforderung dar, wenn zu spät mit der Benutzung begonnen wird. Dadurch dass der Gehbock vom Boden hochgehoben werden muss, benötigt der Bewohner auch genügend Kraft der Arm- und Schultermuskulatur, um ein Vorwärtskommen zu ermöglichen. Auch muss eine kurzfristige Standfähigkeit des Bewohners vorhanden sein, damit die Bewegung ausgeführt werden kann. Probleme treten bei unebenem Gelände bzw. bei rutschigem Untergrund auf. Hier ist es wichtig, dass der Bewohner seinen Weg vorausschauend wählt. Mit der Benutzung eines Gehbockes sollte begonnen werden, solange der Bewohner noch die Kraft hat, diesen vom Boden hochzuheben. Als Alternative bietet sich aber der Gehwagen oder das Deltarad an, wenn eine Betätigung der Bremsen durchführbar ist. „Abb. 16: Gehwagen, S. Wied, S. Warmbrunn 2003, S. 261“ Seite 36 „Abb. 17: Zusammenklappbares Delta – Gehrad, N. Menche et. al. 2001, S. 229“ Wenn die Betätigung der Bremse nicht möglich ist, ist eine mögliche Alternative die Verwendung eines Rollators, der beim Gehen nur hinten angehoben werden muss. Durch den Druck auf die Griffe beim Gehen ist ein Wegrutschen nicht möglich. „Abb. 18: Zusammenklappbarer Rollator, N. Menche et. al. 2001, S. 229“ Bei der Benutzung eines Gehwagens, Rollators oder eines Gehrades ist es wichtig, dass der Bewohner dazu angehalten wird, sich aufrecht hinter die zu benutzende Gehhilfe zu stellen und seinen Blick nach vorne zu richten. Es sollte der Standpunkt in etwa auf Höhe der hinteren Räder sein, damit der Bewohner jederzeit stehen bleiben oder die Richtung ändern kann. Auch ist dann gewährleistet, dass der Bewohner das Tempo macht und nicht der Gehhilfe hinterher geht. Dies geschieht, wenn sich der Bewohner während der Benutzung in einer gebückten Haltung nach vorne auf die Gehhilfe abstützt. Das Delta – Gehrad birgt noch eine zusätzliche Gefahrenquelle: Wenn ein Bewohner nicht die nötige Balancefähigkeit und Reaktionsfähigkeit besitzt, um Seite 37 bei einer einseitigen Fehlbelastung ein Seitwärtskippen auszugleichen z. B. bei verzögerter Reaktion, kann es auf einem leicht unebenen Weg zu einem Sturz kommen. „Abb. 19: Gehbarren, S. Wied, S. Warmbrunn 2003, S. 260“ „Abb. 20: Gehwagen, C. Michalke et. al. 2001, S. 266“ 5.3.2 Fehler und Probleme in der Handhabung von Gehhilfen Der größte Fehler der vielfach gemacht wird ist, dass Bewohner, die mobil sind, deren Mobilität aber abnimmt, zu spät an die Benutzung der Hilfsmittel gewöhnt werden. Die Folge ist, dass diese Bewohner viel mehr Zeit benötigen, um den einwandfreien Umgang und die richtige Benutzung zu erlernen. Daher muss schon frühzeitig der Umgang mit den Hilfsmitteln trainiert werden, damit der Bewohner die Benutzung dieser Gehhilfe automatisieren kann. Seite 38 Probleme können sein, dass sich der Heimbewohner „blöd“ vorkommt, weil er eine Gehhilfe noch nicht benötigt. Hier wäre es eventuell sinnvoll, den Bewohner im Zimmer oder einem sonst abgeschlossenen Raum mit der Gehhilfe vertraut zu machen. Auch der richtige Zeitpunkt dieser Maßnahme ist für die Akzeptanz der Gehhilfe sehr entscheidend. Auch sind hier zur Konfliktbewältigung aufklärende Gespräche und Information wichtig. Wenn aber zu früh mit der Benutzung von Gehhilfen begonnen wird, verlernen die Heimbewohner ihren natürlichen Gang. Wann aber der richtige Zeitpunkt ist um eine Gehhilfe zu benutzen, kann nicht eindeutig festgelegt werden. Diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal muss die Stärken der Bewohner erkennen. Information über die richtige Gehhilfe zur richtigen Zeit hilft eventuell gewisse Ängste und Vorurteile abzubauen und die Akzeptanz einer Gehilfe zu fördern. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass Heimbewohner die zur Verfügung gestellten Gehhilfen falsch benutzen oder diese nicht richtig angepasst sind. Alle Gehhilfen müssen auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft werden. Deshalb müssen Gehhilfen von geschultem Personal für den jeweiligen Einsatz beim Bewohner richtig eingestellt werden und dieser muss bezüglich richtiger Handhabung und Verwendung der Gehhilfe geschult werden. Auch die laufende Kontrolle des richtigen Einsatzes der Gehhilfe muss gewährleistet sein. Auf die Sicherheit und unfallfreie Benutzung der Gehhilfen ist besonders Wert zu legen. Die periodische Wartung und Instandsetzung der Gehhilfen muss sichergestellt sein und jede Fachkraft muss Mängel sofort weitermelden bzw. die Gehhilfe austauschen oder zur Reparatur geben. Während der Benutzung von Gehhilfen jeglicher Art treten oftmals Probleme auf. Meistens sind es immer die Gleichen: die Gehhilfen werden nicht richtig angepasst, gewartet oder instand gehalten. Während meiner Ausbildung habe ich einige Gehhilfen gesehen, deren Qualität mangelhaft war. So war z. B. ein Gehbock sehr flexibel in seinen Einstellungsmöglichkeiten der Höhe. Diese Flexibilität ging auf Kosten der Stabilität. Der Gehbock berührte jeweils nur mit drei Beinen den Boden. Dieser Seite 39 Gehbock war so instabil, dass keine sichere Mobilisation durchgeführt werden konnte. Ein weiterer Fehler ist, dass viele Bewohner während der Bewegung vor sich auf den Boden sehen. Gerade bei der Benutzung von Gehhilfen, auf denen man sich abstützen kann (Rollator, Gehwagen und Gehrad) ist dieses Verhalten auffällig. Die Folge ist, dass Hindernisse erst sehr spät bemerkt werden, die Körperhaltung eher nach vorne gebückt ist und der Bewohner den aufrechten Gang „verlernt“. Einerseits ist diese gebückte Haltung durch den Kraftverlust, andererseits durch eine Gangunsicherheit zu erklären. Diese Bewohner müssen immer wieder aufgefordert werden nach vorne zu blicken und sich „groß“ zu machen. Eine bestimmte Anzahl von Heimbewohnern ist harninkontinent. Dies ist für jeden von ihnen ein großes Problem, da ja der Harnbeutel für alle anderen Bewohner und Besucher sichtbar ist. Hier wäre die Verwendung von „Beinbeuteln“ eine gute Lösung. Diese könnten am Unterschenkel unter der Kleidung getragen werden. Der positive Effekt wäre, dass soziale Kontakte wieder pflegt werden würden, weil die „Inkontinenz“ nicht offensichtlich ist. Seite 40 6. VORSCHLÄGE, ANREGUNGEN Stürze in einem Pflegeheim lassen sich nicht verhindern, aber verringern. Wenn Heimbewohner ab dem Heimeintritt laufend auf ihr Sturzrisiko gescreent werden und bei Eintreten eines Risikos darauf reagiert wird, ist die Sturzwahrscheinlichkeit schon verringert. Das Geriatrische Assessment, die Verwendung einer Sturzrisikoskala sind Möglichkeiten, das Sturzrisiko zu erheben. Bewegungsübungen, Kräftigungsübungen, Spiele und die richtige Benutzung von Gehhilfen sind Möglichkeiten, dem Sturzrisiko entgegenzuwirken. Ein gravierender Beitrag wäre aber, den Bewohner so lange wie möglich zur Selbstständigkeit anzuhalten. Dies kann einfach durch Eingliederung in den Tagesablauf der Station geschehen. Wenn mobile/selbstständige Bewohner eine fixe Tätigkeit zugewiesen bekommen, die sie auch gern machen (aufdecken, Kräuter schneiden, Kaffee kochen, den Abwasch erledigen), dann wird gleichzeitig zur Mobilisation das Selbstwertgefühl gesteigert. Aber auch diese Bewohner, die nichts machen wollen, müssen akzeptiert werden. Schließlich bezahlen sie ja für gewisse Leistungen (Unterkunft, Verpflegung usw.). Meine Vorschläge zur Verringerung von Stürzen sind: • Durchführen des geriatrischen Assessments. • Verwenden von Sturzrisikoskalen. • Beseitigung von Stolperfallen (aufgeworfene Teppiche, Kabel am Boden usw.). • Schaffen von Bewegungskorridoren, die breit genug sind und auf denen keine Gegenstände stehen. • Miteinbeziehen von Ergotherapeuten und Physiotherapeuten, die Bewegungsübungen durchführen. • Durchführen von Übungen, die die Muskulatur kräftigt z. B. Treppensteigen, aufstehen aus einem Stuhl usw. • Durchführen von Übungen, die die Koordination fördern z. B. auf den Boden eine Linie mit Isolierband kleben, über diese der Bewohner durch anheben der Beine steigt usw. Seite 41 • Für eine ausreichende Beleuchtung am Tag sowie bei Bedarf während der Nacht sorgen. • Auf „Bewegungsflächen“ Haltemöglichkeiten sowie Sitzmöglichkeiten schaffen, damit sich der Bewohner anhalten oder setzen und ausruhen kann. • Darauf achten, dass Brille und/oder Hörgerät der Seh- und Hörbeeinträchtigung entsprechen sowie funktionieren. • Der Jahreszeit entsprechende Bekleidung anziehen. Die Verringerung des Sturzrisikos erspart dem Bewohner viel Leid, welches mit einem Sturz einhergeht. Die Mobilität und Lebensfreude jedes Einzelnen wird verbessert, Folgekomplikationen (Schmerz, Immobilität, Kontraktur, Dekubitus usw.) verringert. Auch die Kosten der Krankenkassen können gesenkt werden. Weniger Stürze bedeutet weniger Behandlungen, weniger Krankenhaus- oder Rehabilitationsaufenthalte. Dennoch ist ein Sturz nicht immer zu verhindern. Jeder Sturz muss protokolliert werden, um den Sturzhergang und die Begleitumstände zu erheben. Mit diesem Wissen kann dann wieder der Sturzgefahr entgegengewirkt werden. Ich hoffe, das Verständnis für dieses Problem geweckt zu haben, um in Zukunft das Sturzrisiko und die damit verbundenen Probleme verringern zu helfen. Seite 42 7. LITERATURVERZEICHNIS ABRAHAM; I. et. al. (1999): Pflegestandards für die Versorgung alter Menschen, Hans Huber Verlag, Springer Publishing Company Inc. New York, USA ARBEITSGRUPPE GERIATRISCHES ASSESSMENT (1997): Geriatrisches Basisassessment – Handlungsanleitung für die Praxis, (2. Auflage), MMV Medizin Verlag GmbH, München Die Schwester/Der Pfleger 3/02; Bibliomed Medizinische Verlagsgesellschaft, Melsungen Die Schwester/Der Pfleger 9/02; Bibliomed Medizinische Verlagsgesellschaft, Melsungen KÖTHER; I., GNOMM; E. (2000): Altenpflege in Ausbildung und Praxis, (4. Auflage), Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York LAUBER; A., SCHMALSTEIG; P. (2004): Prävention und Rehabilitation, Georg Thieme Verlag, New York MENCHE; N. et. al. (2001): Pflege Heute, (2. Auflage), Urban und Fischer Verlag München, Jena MICHALKE; C. et. al. (2001): Altenpflege konkret – Pflegetheorie und Praxis (1. Auflage), Urban und Fischer Verlag München, Jena TIDEISKAAR; R. (2000); Stürze und Sturzprävention: Assessment – Prävention – Management, (1. Auflage), Verlag Hans Huber Bern, Göttingen, Toronto, Seattle WIED; S., WARMBRUNN; S. (2003): Pschyrembel® Wörterbuch Pflege – Pflegetechniken, Pflegehilfsmittel, Pflegewissenschaft, Pflegemanagement, Psychologie, Recht, Walter de Gruyter, Berlin, New York http://www.oegkv.at/3/stmk/krankenhausstuerze.pdf Stürze im Krankenhaus, Download am 02. 06. 2004 http://www.pflegeberatung-siegfried-huhn.de/Huhn_Sturzrisiko-Skala.pdf Sturzrisiko Skala, Download am 02. 06. 2004 http://www.pflegekongress.de/scripte/sturz_vorl.pdf Stürze, Sturzverhütung und Mobilitätsförderung, Download am 02. 06. 2004 Seite 43 8. ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung Titel Abb. 1: Titel unbekannt, KÖTHER; I., GNOMM; E. (2000): Altenpflege in Ausbildung und Praxis, (4. Auflage), Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York Abb. 2: Titelblatt, Die Schwester/Der Pfleger 9/02; Bibliomed Medizinische Verlagsgesellschaft, Melsungen Abb. 3: Sturzrisiko – Skala, http://www.pflegeberatung-siegfriedhuhn.de/Huhn_Sturzrisiko-Skala.pdf Abb. 4: Care – Card, http://www.i-careac.de/Produkte/Management/Care_Cards/Sturz/sturz.html Abb. 5: Sturzrisikoskala nach Runge, LAUBER; A., SCHMALSTEIG; P. (2004): Prävention und Rehabilitation, Georg Thieme Verlag, New York Abb. 6: Sturzrisikoskala nach Runge, LAUBER; A., SCHMALSTEIG; P. (2004): Prävention und Rehabilitation, Georg Thieme Verlag, New York Abb. 7: Sturzereignisprotokoll, Die Schwester/Der Pfleger 9/02; Bibliomed Medizinische Verlagsgesellschaft, Melsungen Abb. 8: Sturzereignisprotokoll, Die Schwester/Der Pfleger 9/02; Bibliomed Medizinische Verlagsgesellschaft, Melsungen Abb. 9: Bed dis bad, KÖTHER; I., GNOMM; E. (2000): Altenpflege in Ausbildung und Praxis, (4. Auflage), Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York Abb. 10: Hüftprotektor, MENCHE; N. et. al. (2001): Pflege Heute, (2. Auflage), Urban und Fischer Verlag München, Jena Abb. 11: Standfläche, TIDEISKAAR; R. (2000); Stürze und Sturzprävention: Assessment – Prävention – Management, (1. Auflage), Verlag Hans Huber Bern, Göttingen, Toronto, Seattle Abb. 12: Drei verschiedene Gehstöcke, MENCHE; N. et. al. (2001): Pflege Heute, (2. Auflage), Urban und Fischer Verlag München, Jena Abb. 13: Zwei vier – Punkt – Gehstützen mit verschiedenem Schwerpunkt, MENCHE; N. et. al. (2001): Pflege Heute, (2. Auflage), Urban und Fischer Verlag München, Jena Abb. 14: Unterarmstützkrücke, MENCHE; N. et. al. (2001): Pflege Heute, (2. Auflage), Urban und Fischer Verlag München, Jena Abb. 15: Gehbock, WIED; S., WARMBRUNN; S. (2003): Pschyrembel® Wörterbuch Pflege – Pflegetechniken, Pflegehilfsmittel, Pflegewissenschaft, Pflegemanagement, Psychologie, Recht, Walter de Gruyter, Berlin, New York Abb. 16: Gehwagen, WIED; S., WARMBRUNN; S. (2003): Pschyrembel® Wörterbuch Pflege – Pflegetechniken, Pflegehilfsmittel, Pflegewissenschaft, Pflegemanagement, Psychologie, Recht, Walter de Gruyter, Berlin, New York Seite 1 8 12 14 15 16 19 20 23 29 33 33 34 34 35 35 Seite 44 Abb. 17: Abb. 18: Abb. 19: Abb. 20: Zusammenklappbares Delta – Gehrad, MENCHE; N. et. al. (2001): Pflege Heute, (2. Auflage), Urban und Fischer Verlag München, Jena Zusammenklappbarer Rollator, MENCHE; N. et. al. (2001): Pflege Heute, (2. Auflage), Urban und Fischer Verlag München, Jena Gehbarren, WIED; S., WARMBRUNN; S. (2003): Pschyrembel® Wörterbuch Pflege – Pflegetechniken, Pflegehilfsmittel, Pflegewissenschaft, Pflegemanagement, Psychologie, Recht, Walter de Gruyter, Berlin, New York Gehwagen, MICHALKE; C. et. al. (2001): Altenpflege konkret – Pflegetheorie und Praxis (1. Auflage), Urban und Fischer Verlag München, Jena 36 36 37 37 Seite 45 9. ERKLÄRUNG Ich, Wille Urban, geboren am 04. 02. 1974, erkläre, die FBA persönlich und selbstständig erarbeitet zu haben. Ich habe die gesamte Literatur bzw. Quellen, die ich für die Erstellung der FBA verwendet habe, angeführt. Sowohl Literatur als auch alle anderen Quellen entsprechen den wissenschaftlichen Prüfkriterien. Ich erkläre mich bereit, meine FBA der GuKPS St. Vinzenz zur Verfügung zu stellen. Datum: Meine Arbeit darf gelesen und Unterschrift: vervielfältigt werden.