Zukunft des Strom- und Wärmemarktes

Transcription

Zukunft des Strom- und Wärmemarktes
Fernwärme-Forum
9. Tagung am 21. Januar 2010 im Kongresshaus in Biel:
„Von der Vision zur Praxis“
Zukunft des Strom- und Wärmemarktes
Dipl.-Ing. Helmut Ernst, Bereichsleiter „Technik und Normung“ des AGFW, Frankfurt a. M.
Kurzfassung:
Klimawandel und Ressourcenverbrauch – welche Entwicklung steht uns bevor - was kann
die Energiewirtschaft positiv beeinflussen?
Die Mechanismen in unserem Ökosystem sind derart komplex und vielfältig, dass exakte
Vorhersagen nicht möglich sind. Trends werden definiert im Zusammenspiel von Wissenschaftlern und Gutachtern, der Industrie und der Politik. Die Energiemärkte umfassen drei
Haupt-Sektoren – Transport/Verkehr sowie Strom und Wärme. In Deutschland sind die beiden Märkte Strom und Wärme überwiegend getrennte Märkte.
Der Energiemarkt in Deutschland ist sehr heterogen. Er wird beeinflusst von vier international agierenden Verbundunternehmen, deren Kerngeschäfte im Bereich des Strom- und Gasmarktes liegen. Die Ver- und Entsorgung in der Regional- und Stadtebene wird hauptsächlich von Kommunalversorgern, vorwiegend städtische Eigenbetriebe, realisiert. Hier umfasst
der Wirkungsbereich häufig alle Sparten: Strom, Gas, Fernwärme, Wasser, Abwasser, Abfallwirtschaft und Telekommunikation bis hin zum öffentlichen Personennahverkehr und dem
Betrieb der öffentlichen Bäder. Mit zunehmender Nutzung erneuerbarer Energien werden
auch Kleinstbetriebe und Privatpersonen zum Strom- und Wärmeversorger.
Im vergangenen Jahr basierte die deutsche Stromerzeugung auf Braunkohle 24 %, Kernenergie 23 %, Steinkohle 20 %, Erdgas 13 %, Sonstige 8 %, Wind 6 %, Wasser 4 % sowie
Erdöl 2 %. Der weit überwiegende Anteil des Stromes wurde in großen zentralen Erzeugungsanlagen durch international agierende Verbundunternehmen auf der Basis fossiler
Brennstoffe erzeugt. Der durchschnittliche Wirkungsgrad der Stromerzeugung liegt bei knapp
unter 40 %. In den Gesamtstatistiken wird die vorwiegend aus erneuerbaren Brennstoffen
erzeugte Energie als „Sonstige“ bezeichnet. Hierbei handelt es sich um eine Erzeugung –
vorwiegend in kleineren dezentralen Anlagen – auf der Basis von Biomasse, Biogas, Grubengas, Deponiegas, Restmüll, Photovoltaik sowie Geothermie.
Der aktuelle Trend ist ein Zusammenwirken von Energieeinsparungen, Effizienzsteigerungen
und massiver Steigerung der Nutzung „Erneuerbarer“. Gestützt wird der Ausbau der dezentralen kleinräumigen Strukturen durch gesetzliche Vorgaben wie z. B. dem „ErneuerbareEnergien-Gesetz“. Die Förderungen waren bis 2008 begrenzt auf Kleinanlagen bis max. 20
MW Leistung. Je kleiner die Anlagen, desto höher die spezifischen Fördersätze. Kleine Anlagen bis 20 MW Leistung unterliegen nicht dem Emissionszertifikatehandel.
In Zukunft werden im Strommarkt (politisch gewollt) der Einsatz von Kernenergie, Steinkohle
und Braunkohle zu Gunsten des Ausbaus der Erneuerbaren deutlich zurückgehen. In Verbindung mit der strukturellen Veränderung der Erzeugungsanlagen – Aufbau kleiner und
kleinster dezentraler gasbetriebener KWK-Anlagen (Mini- und Mikro-BHKWs) wird die Abhängigkeit von dieser fossilen Ressource vermutlich unverändert erhalten bleiben.
Den Rückgängen in den Absatzmärkten Strom und Gas versuchen die Energieversorgungsunternehmen durch raschen Aufbau von Märkten für Elektro- und Erdgasfahrzeuge, sowie
für „stromerzeugende Heizungen“ (Grundlage virtueller Kraftwerke) zu begegnen.
Kurzfassung „Zukunft des Strom- und Wärmemarktes“ aus deutscher Sicht_Helmut Ernst
1
Die Verbindung des Strom- und Wärmemarktes erfolgt über die Kraft-Wärme-Kopplung. Im
Strommarkt beträgt der KWK-Stromanteil derzeit ca. 11 %. Die Kommunalunternehmen erzeugen nur 15 % des Stromes, aber 75 % der Fernwärme. Hier liegt also die wesentliche
Kraft der Effizienzsteigerung durch KWK, zur Ressourcenschonung und CO2-Minderung.
Der Wärmemarkt wird getragen von Erdgas 45 %, Erdöl 23 %, Fernwärme 14 %, Erneuerbare 9 %, Strom für Trinkwassererwärmung, Nachtspeicherheizungen und Wärmepumpen 8 %
sowie von Kohleheizungen 1 %.
Aktuell liegt der Anteil von Fernwärme im Wärmemarkt bei ca. 14 %. Die durch Fernwärme
gelieferte Wärme besteht in Deutschland zu über 84 % aus sehr effizient erzeugter KWKWärme. In großen Heizkraftwerken mit mehreren Hundert Megawatt Leistung ist in der Praxis ein Brennstoffausnutzungsgrad von ca. 90 % realisierbar.
Die Endlichkeit der Ressourcen wird in Zukunft ein gemeinsames Denken und Handeln erfordern – nicht Gegeneinander oder Nebeneinander, sondern ein Miteinander der unterschiedlichen Primärenergieträger und Erzeugungstechnologien muss das Motto für eine lebenswerte Zukunft sein. Ressourcenschonung durch Effizienzsteigerung, mit Emissionsminderung und anteiliger Substitution fossiler Ressourcen durch Erneuerbare lassen sich nur
gemeinsam realisieren. Richtig gesteuert profitieren wir alle davon. Ein sinnvoller Energiemix
mit einer möglichst optimalen Nischennutzung der einzelnen Energiesysteme ist zukunftsfähig. Die Nischen werden hierbei definiert über die Energiedichte in den einzelnen Versorgungsgebieten und die Fähigkeit der einzelnen Energiesysteme zur optimalen Bereitstellung
der erforderlichen Energiemenge unter ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten.
Die Grenzen der einzelnen Nischen sind variabel, sie werden beeinflusst durch die Kosten
(Energiesysteme und Gebäude, Investitions- und Betriebskosten) und Interessen sowie Möglichkeiten der Gebäudeeigentümer und Gebäudenutzer.
Zur Förderung des KWK-basierten Fernwärmeausbaus und Steigerung der Nutzung erneuerbarer Energien hat die Bundesregierung entsprechende Gesetze und Verordnungen erlassen, aber auch Förderprogramme entwickelt. Die Wichtigsten sind das „Kraft-WärmeKopplungsgesetz“ (KWKmodG) und das „Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz“ (EEWärmeG) mit dem Marktanreizprogramm. Seit 01.01.2009 ist die Größenbegrenzung aufgehoben, so dass auch große Heizkraftwerke von der KWK-Förderung profitieren können. Je
kleiner die Anlagen, desto höher sind die spezifischen Fördersätze. Die genannten Vorgaben
und Förderprogramme wurden auf Bundesebene entwickelt. Zusätzlich können die einzelnen
Bundesländer jeweils in ihren länderspezifischen Gesetzen/Vorgaben die Bundesvorgaben
deutlich verschärfen – aber auch zusätzliche Anreize mit weiteren Fördermitteln schaffen.
Die Volatilität der Öl- und Gas- sowie Strompreise, sowie die Sorge um die Verfügbarkeit der
Primärenergieträger werden maßgeblich die zukünftigen Entscheidungen beeinflussen. Wie
kann die Substitution fossiler Rohstoffe forciert werden? Wo liegen die Vor- und Nachteile
von zentralen oder dezentralen Erzeugungsanlagen? Mit einer Mentalität „Kernkraft nein
Danke“ und „Kohle oder Öl nein Danke“ wird sich die nahe Zukunft nicht gestalten lassen.
Energieeinsparung und Ausbau der KWK-basierten Fernwärme sind die Mittel zur Energieeffizienzsteigerung und Verringerung der Abhängigkeit von den einzelnen Energieträgern. Eine
effiziente Fernwärmeversorgung verringert den Ressourcenverbrauch und den Schadstoffausstoß und ermöglicht großflächig einen – gegenüber der Gebäudeeinzelversorgung – sehr
einfachen Brennstoffwechsel.
Die Substitution von Einzelheizungen durch den Auf- und Ausbau von Fernwärmeversorgungsgebieten aber auch durch Verdichtung in bestehenden Fernwärmeversorgungsgebieten lässt sich umso leichter realisieren, je mehr Standardprodukte für die Fernwärmeversorgung zur Verfügung stehen. Die benötigten Standardkomponenten werden im Idealfall direkt
ab Lager, „just in time“, den mit der Ausführung beauftragten Unternehmen zur Verfügung
gestellt. Eine wesentlich schnellere, kostengünstigere und dennoch sichere Projektabwick-
Kurzfassung „Zukunft des Strom- und Wärmemarktes“ aus deutscher Sicht_Helmut Ernst
2
lung kann dadurch realisiert werden. Reduzierte Kosten sind die Voraussetzung, um mit der
Fernwärme auch Gebiete mit geringerer Wärmedichte wirtschaftlich versorgen zu können.
Das Klimaschutzziel und die für Deutschland geforderte Verdoppelung des KWKStromanteils können nur mit einem massiven Ausbau der KWK-basierten Fernwärme realisiert werden. Der AGFW hat auf die Herausforderungen der Zukunft reagiert, die praktischen
Voraussetzungen für einen sicheren und wirtschaftlichen Fernwärmeausbau sind geschaffen.
Die Bevölkerung wird zukünftig durch die neue Fernwärme-Marke und entsprechende Marketingmaßnahmen auf ihrer „Schatzsuche“ unterstützt. Fernwärme ist die Komfort-Energie!
Auch die europäischen Fernwärmeverbände müssen zukünftig noch enger zusammenrücken, um gemeinsam abgestimmt den Fernwärmeausbau voran zu bringen.
Packen wir’s an, die Zeit drängt – mit Komfort-Energie in die Zukunft!
Kurzfassung „Zukunft des Strom- und Wärmemarktes“ aus deutscher Sicht_Helmut Ernst
3