„Interactive Newspapers“ – ein Muß für amerikanische - WAN-IFRA
Transcription
„Interactive Newspapers“ – ein Muß für amerikanische - WAN-IFRA
ELEKTRONISCHE MEDIEN http://www.ifra.com „Interactive Newspapers“ – ein Muß für amerikanische Verlage Für die Zeitungen in Amerika ist es keine Frage mehr, daß sie im Internet präsent sein müssen. Zwar verdient dort der durchschnittliche Verlag kein Geld (wenigstens das hat er mit Microsoft gemeinsam), doch stört das wenig in Zeiten, in denen die Geschäfte mit der gedruckten Zeitung Überschüsse erwirtschaften wie nie. Die Zeitungen haben eine äußerst erfolgreiche Phase des Abspeckens hinter sich und sind nun entschlossen, das Feld der „interaktiven Zeitung“ selbst kräftig zu erschließen. So trafen sich im Februar 1998 rund 1100 Zeitungsleute aus 44 Ländern bei der alljährlich Konferenz zu diesem Thema, die von der Zeitschrift „Editor & Publisher“ in Seattle, Wash., organisiert worden war. Zwei Megatrends prägten die Konferenz Daß hoher Einsatz nötig ist, sieht man an zwei Megatrends, welche die Konferenz prägten: Zum einen konkurriert man im Internet plötzlich mit Informationsanbietern wie Microsoft, den Fernsehanstalten und Unternehmen, deren Budget praktisch unbegrenzt ist. Zum anderen wächst eine Generation nach, die offenbar grundsätzlich keine Zeitung mehr liest und sich alle scheinbar verfügbaren Informationen aus dem Internet zusammenklaubt. Zeitungen tun sich in dieser Umgebung noch ziemlich schwer. Colin Philips, Verleger von Editor & Publisher, berichtete, daß sein Unternehmen rund 8000 Internet-Sites regelmäßig auswertet, darunter 2500 von Zeitungen. Unter den Internet-Angeboten, die von wem auch immer zu den zehn besten der Welt gekürt wurden, rangiert nur eine Zeitung: USA Today auf Platz zehn. Dramatische Verschiebungen habe es in den letzten zwölf Monaten im Anzeigengeschäft gegeben. Die Erklärung für die explosionsartig wachsende Zahl der Anzeigen im Internet bekam man in Seattle am Rande der Konferenz von rund 60 Ausstellern, die Software für Internet-Anbieter liefern. Sie können rubrizierte Anzeigen aus traditionellen Zeitungssystemen übernehmen, den Text analysieren und alle nur denkbaren Kriterien automatisch in Datenbanken ablegen. Die Suche „Chevrolet, drei bis fünf Jahre alt“ ist dann ein Kinderspiel. Der Anzeigenmarkt steht allen offen Allerdings ist dieser Anzeigenmarkt im Internet nicht mehr davon abhängig, daß man einen Zeitungsverlag betreibt. Eine weitere schmerzliche Erkenntnis war, daß Internet-User bei intensiven Beobachtungen keinerlei Interesse an schöner Gestaltung zeigen, wie der ChefDesigner von Knight-Ridder Media, Bill Skeet, berichtete. Für die Surfer zählt ausschließlich Navigation (also die Führung durch das Internet-Angebot) und Inhalt. www. cnn.com, das Produkt des Fernsehsenders mit den bis zum Überdruß rotierenden Nachrichten, gilt den Zeitungsleuten als die häßlichste Adresse im Internet, aber es ist die am häufigsten besuchte Site. 54 Während der Konferenz war auch die angebliche Affäre des US-Präsidenten mit einer Praktikantin im Weißen Haus auf ihrem Höhepunkt. Es ist dies, wie etwas distanziertere Medienleute meinen, die erste vom Internet ausgelöste Regierungskrise. Noch läßt sich der Klatschkolumnist namentlich identifizieren, der als Internet-Guru lehrt, daß auch alle ungeprüften Nachrichten veröffentlicht werden müssen. Doch wenn dieser Matt Drudge inzwischen auf allen Fernsehkanälen verbreiten darf, daß er nur der erste von 300 Millionen Reportern dieses „neuen Typs“ sei, dann wird die Glaubwürdigkeit der Medien in der Tat stark gefährdet. So erntete Merill Brown, Chefredakteur des InternetKombinates von Microsoft und NBC wenig Widerspruch, daß seine Internet-Welt www.msnbc.com dem Ideal der personalisierten Zeitung schon recht nahe kommt. Um so entschiedener wurde er beschuldigt, daß die hemmungslose Sensationsberichterstattung in MSNBC zum Verfall des Ansehens der Journalisten beitrage. M. Brown wehrte sich mit dem Hinweis, daß seine Redaktion mit seriösen Partnern wie dem Wall Street Journal zusammenarbeitet. Sein Team besteht übrigens aus rund 200 Personen – und ist, wie er freimütig bestätigte, „vastly unprofitable“, also noch tief in den roten Zahlen. Dennoch ist M. Brown mit Blick auf die Konkurrenz zu den Zeitungen überzeugt: „Wir sind die Lösung, nicht das Problem.“ South China Morning Post ist Microsoft-Kooperationspartner Daß Microsoft auch in der Software-Entwicklung kompromißlos die Führungsrolle anstrebt, sieht man übrigens nicht nur bei MSNBC. In Seattle outete sich auch die South China Morning Post als Microsoft-Kooperationspartner bei der Entwicklung von äußerst leistungsfähigen InternetKomponenten: PostNet-Manager Christopher Justice präsentierte nicht nur prachtvolle Hongkong-Videos im Internet, sondern auch den Beweis, daß ein Internet-Angebot ausschließlich mit Microsoft-Komponenten (SQL-Server, Internet Explorer und vielen derzeit noch nicht am Markt verfügbaren Microsoft-Komponenten) keine Konkurrenz zu scheuen braucht. Als Repräsentant der Nicht-Leser brillierte Stuart Ugelow, 22-jähriger Herausgeber von campus-spezifischen Tageszeitungen im Internet (www.student.com), dessen Unternehmen wohl aus der Phase der Anfangsverluste herausgekommen sein dürfte. Für antiquierte gedruckte Zeitungen hat er weder Zeit noch Verständnis. Alles, was er aus einer Zeitung bekommen könnte, so glaubt er, liefert ihm der CNN-feed zu seinem Pager. Tatsächlich liefert dieser „feed“ nur ein paar kümmerliche Headlines. Offenbar hat S. Ugelow noch nie eine gedruckte Zeitung in der Hand gehabt. zeitungstechnik März 1998 http://www.ifra.com ELEKTRONISCHE MEDIEN Die Anzeigen-Web-Site der „South China Morning Post“ im Internet. Bei den Zeitungen läuft das Internet-Geschäft angesichts solcher Extreme eher solide. Es gibt ausgesprochene Erfolgsgeschichten wie beispielsweise die von Bob Cauthorn vom Arizona Star, dessen www.azstarnet.com inzwischen täglich 20 % der Leser der gedruckten Zeitung besuchen. B. Cauthorn schwört auf gemeinsame Strategien der Zeitungsverleger. So bietet er seine Software für die Handhabung von rubrizierten Anzeigen kostenlos an, um einen einheitlichen Standard zu schaffen. Der Streit, ob die Zeitungsredaktion und die Online-Abteilung auf Synergie bedacht sein sollten, blieb unentschieden; jedenfalls bot der Executive Editor der Tacoma News Tribune, David Zeeck, als Platzhirsch einige überaus kluge und provokative Thesen, warum man diese Welten besser getrennt betrachtet. Ganz das Gegenteil praktiziert John Haile, Editor und VP des Orlando Sentinel, bei dem vor einigen Wochen mit großem Spektakel ein UFO mitten im Newsroom landete. Die futuristische Kanzel ist der Leitstand für alles, was mit Electronic Publishing zu tun hat. Das herkömmliche Zeitungmachen spielt sich nur noch als Peripherie ab. Allerdings konnte manch einer, der das Sensationsvideo betrachtete, sich ein Grinsen nicht verkneifen: Standen doch auf den Schreibtischen der Zeitungsredakteure überall VDTs von Atex – ein Terminaltyp, der älter ist als die ältesten IBM-PCs der frühen achtziger Jahre. Mit diesem System dürfte man wohl auch in der Nachbarschaft von zeitungstechnik März 1998 Disneys Epcot-Welt kaum erfolgreich Hypertext produzieren. 14 EPpys für vorbildliche Web-Sites Die Konferenz bot auch Gelegenheit, überaus gelungene Internet-Angebote der Zeitungen gebührend zu würdigen. Editor & Publisher hatte 14 „EPpys“ ausgelobt, um die sich rund 400 Verlage aus aller Welt beworben. Mit gleich drei ersten Plätzen war die Chicago Tribune der absolute Favorit: Die Preise für den besten Gesamteindruck aller US-Titel, den besten Wirtschaftsteil und das beste Design gingen an www.chicago.tribune.com. Die Community Newspaper Company mit www.townonline.com in Needham, Mass. war zweimal siegreich: als beste Wochenzeitung der USA und mit der besten kommerziellen Anwendung bei Online-Zeitungen. Die anderen preisgekrönten sites: www.charlotte-florida.com (bester US-Online-Service), www.scmp.com (beste ausländische Zeitung), www. news.com (bester Nicht-Zeitungs-Online-Dienst), careers. boston.com (beste Promotion eines Online-Dienstes), www.nytimes.com (bester Nachrichtenteil), www.sportserver.com (bester Sportteil), www.startribune.com (bester Unterhaltungsteil), www.phillynews.com („Blackhawk down“, beste Spezial-Sektion) und www.kcstar.com (bester Gebrauch von Interaktivität). Ein Blick in diese Online-Zeitungen lohnt sich. KvP 55