Sanierung der Schulen – teurer und später

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Sanierung der Schulen – teurer und später
Immer mehr, immer billiger: Fleischfabrik Deutschland – Seite 2
Wie die Immunabwehr
gegen Krebs
helfen könnte – Seite 21
Zehn Tage, 150 Künstler:
Das Poesiefestival
in Berlin – Seite 9
BERLIN, MONTAG, 6. JUNI 2016 / 72. JAHRGANG / NR. 22 779 *
C
IN EIGENER SACHE
Schwer vermittelbar:
Das Imageproblem
von Hillary Clinton – Seite 3
WWW.TAGESSPIEGEL.DE
BERLIN / BRANDENBURG 1,50 €, AUSWÄRTS 2,00 €, AUSLAND 2,20 €
D
Vor der Fußball-EM
Neue Spitze
für den
Aufsichtsrat
Sorge, Hoffnung,
Sehnsucht
Von Friedhard Teuffel
Freie
Fahrt
N
Mit einer Sternfahrt ins Zentrum Berlins haben
Tausende Radfahrer am Sonntag für bessere
Bedingungen für den Fahrradverkehr
demonstriert. Mit grünen Luftballons und der
Aufschrift „Fahr Rad!“ forderten sie, Berlin
zur Fahrradhauptstadt zu machen – Seite 10
Foto: Kay Nietfeld/dpa
Dieter von Holtzbrinck wird zu seinem 75. Geburtstag im September
denAufsichtsratsvorsitzderDvH-Medien-Holding an seinen langjährigen
Kollegen Michael Grabner übergeben. Er bleibt Verleger und wird weiterhin zentrale Entscheidungen bei
der Tagesspiegel-Gruppe, dem „Handelsblatt“ und der „Zeit“ mit treffen.
Holtzbrinck sagte am Wochenende:
„Die drei Verlage mit ihren großen Titeln sind in einer so ausgezeichneten
Verfassung, dass ich mit bestem Gewissen die Nachfolgeregelung in
Kraft setze.“ Die Führungskräfte in
Verlagund Redaktionlobte er als„charismatisch und zugleich selbstkritisch, mutig, aber nicht tollkühn“.Tsp
Erklärt sich
Joachim Gauck
heute?
Sanierung der Schulen – teurer und später
Hasselfeldt (CSU) als
Nachfolgerin im Gespräch
Berlin - Der Sanierungsbedarf der Berliner Schulen ist wesentlich höher als bisher angenommen. Dies belegen die ersten Rückmeldungen aus den Bezirken,
die zurzeit alle Schulen nach einem einheitlichen „Gebäudescan“ überprüfen.
Demnach hat sich nach Informationen
des Tagesspiegels allein in Lichtenberg
die bisher veranschlagte Summe auf 330
Millionen Euro vervierfacht. Gleichzeitig
zeichnet sich ab, dass vor den Wahlen
keine belastbaren Zahlen für ganz Berlin
vorliegen werden.
Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus schließt nicht mehr aus, dass sich
die noch 2014 mit zwei Milliarden Euro
— Seite 4
Von Susanne Vieth-Entus
In Paris findet eine Nahost-Friedenskonferenz ohne Israelis und Palästinenser
statt. Was soll das?
Der Sommer ist eine relativ reisefreie
Zeit, und Paris ist immer eine Messe
wert. Und Präsident François Hollande
muss in seiner verzweifelten Lage daheim nach Ablenkung gesucht haben.
Anders lässt es sich nicht erklären, wieso
da einer nach rund zwölf gescheiterten
Versuchen seit dem Sechs-Tage-Krieg
1967 den Unsinn probt – und dann ohne
Israelis und Palästinenser. Dazu in einer
Arena, wo deren Problem zur Side Show
geworden ist – wo von Syrien bis Irak,
von Libyen bis Iran (dessen Weg zur
Bombe nur verlangsamt worden ist) die
gefährlichsten Konflikte toben. Wo es
zum direkten Zusammenstoß zwischen
Amerika, Russland, Türkei und Iran
kommen kann – und zwar nicht wegen
Westbank undGaza.Die französische Diplomatie war auch mal besser.
Bei den Republikanern läuft einer nach
dem anderen zu Donald Trump über. Alles Opportunisten?
Ein Schuft, der sich Böses dabei denkt.
Wer sich von Trump keine Zukunft verspricht, bleibt beim Nein oder „no comment“: Jeb Bush sowie Bruder W., Papa
George H.W. und Ex-Vize Cheney. Der
allererste Überläufer, Chris Christie,
hatte sich die Vizepräsidentschaft erhofft. Derlei Hoffnung mag auch viele
veranschlagten Gesamtkosten für alle
Berliner Schulen verdoppeln könnten.
Von den zwölf Berliner Bezirken haben
bislang nur zwei ihre Zahlen gemeldet.
Neben Lichtenberg ist dies Reinickendorf. Reinickendorf hat seinen mit knapp
410 Millionen Euro angegeben – knapp
100 Millionen mehr als noch Ende 2014,
wobei nochnicht einmaldie Baunebenkosten enthalten sind: „Da kämen also noch
einmal 20 bis 35 Prozent hinzu“, rechnet
die grüne Bildungs- und Haushaltsexpertin Stefanie Remlinger vor. Damit läge der
Bezirk bei rund 500 Millionen.
Remlinger hatte Ende Mai Akteneinsicht genommen, um sich „Klarheit über
die Probleme bei der Erhebung des Sanierungsbedarfs zu verschaffen“. Zuvor war
die Abgabefrist für die Bezirksdaten zweimal verschoben worden und liegt jetzt auf
dem 30. Juni. Dabei stieß Remlinger darauf, dass im Land Berlin „18 unterschiedliche Versionen“ der Software existieren,
die für die Erfassung des Sanierungsbedarfs eingesetzt wird.Die Bildungsverwaltung reagierte am Sonntag auf dieses Problem mit dem Hinweis, dass die Erfassung
der Daten und Flächen vorläufig mit Excel-Tabellen erfolgen werde, „um so
schnell wie möglich zu einem Ergebnis
über die Höhe des Bedarfs zu gelangen“.
Wann die Erfassung und Prüfung der Ergebnisseabgeschlossenist,konntedieVerwaltung allerdings nicht sagen.
Es mangelt aber nicht nur an passender
Software und Absprachen, sondern offen-
Vier Fragen an Josef Joffe
daten, der die Einheit der Republikaner
retten will.
Was macht
die Welt?
Die Chinesen wollen die deutsche Roboterfirma Kuka kaufen. Soll Sigmar Gabriel das verhindern?
Die Chinesen werden anständiger. Früher haben sie Hochtechnologie geklaut
oder Auslandsinvestoren gezwungen,
die Blaupausen als Preis des Einstiegs
mitzuliefern. Jetzt legen sie Geld hin.
Aber machen wir uns nichts vor: Das Ziel
bleibt die Aneignung westlicher
Hightech. Amerika, die Nr. 1, verkauft
den Chinesen auch nicht alles, zumal
Rüstungstechnik. Bloß: Wie will Gabriel
ein deutsch-europäisches Konsortium
hinkriegen, das bei Kuka einsteigt? Die
Autobauer zieren sich, weil sie den
China-Markt nicht verlieren wollen. Für
Gabriel sollte gelten: Rüstungstechnik
bleibt zu Hause, bei allen anderen Dingen gilt der beiderseitige Vorteil.
Auf eine Nominierung
als Trump-Vize hoffen
und Blaupausen kaufen
der jüngeren Ex-Kandidaten animieren.
Ungebeugt bleibt Mitt Romney, der mit
seinem Nein „besser schlafen“ kann.
Wirklich bedeutsam ist Paul Ryan, der
mächtige Chef des Unterhauses. Mit seinem Ja zu Trump denkt er an die eigene
Zukunft in vier Jahren, um dann Hillary
Clinton aus dem Weißen Haus zu vertreiben. Also gibt er den guten Parteisol-
Ein letztes Wort zum Brexit ....
Das fällt am 23. Juni. Seit acht Monaten
gibt es in den Umfragen keine Mehrheit
für den Brexit. Der jüngste Stand ist 46
Prozent für Drinbleiben, 43 Prozent für
„Raus mit uns!“ Zwölf sind unentschieden. WmdW wettet: In der Kabine entscheiden sich die Leute für den Teufel,
den sie kennen – nicht für das Abenteuer.
— Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“.
Fragen: fal
bar auch an konkreten Vorgaben, wie der
Sanierungsbedarf zu erfassen ist. Zwar
gibt es für alle Bezirke ein einheitliches
Formular, in dem für jede einzelne Schule
eingetragen werden soll, in welchem Zustand die Gebäudeteile sind. Jedoch
wurde nicht vorgegeben, wie diese Daten
zu erheben sind. So wurde niemand durch
die Schulen geschickt, um den aktuellen
Zustand der Toiletten, Fenster, Flure und
Turnhallen zu erfassen, sondern die Bezirke gaben die veranschlagten Sanierungskosten nach Aktenlage an. Spandaus
Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank
(SPD) gibt denn auch zu, dass es sich bei
dem mit viel Spannung erwarteten Gesamtkosten abermals um eine „Schätzung“ handelt.
C
HINWEIS
D
Liebe Leserin, lieber Leser,
wegen eines technischen Fehlers
erschien das Interview mit dem
Architekten Volkwin Marg am Sonntag
nur teilweise. Sie finden es heute in
voller Länge auf den Seiten 16 und 17.
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INDEX
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ROTE KARTE VOM CHEF . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Freitag beginnt die Fußball-EM:
Welche Ansprüche Arbeitnehmer
haben, um die Spiele sehen zu können
– und welche nicht.
WETTER
............................................ 2
Am Montag scheint in Berlin
den ganzen Tag die Sonne.
Meist ist es wolkenlos.
26 /13
Gewitter sind keine mehr zu erwarten.
MEDIEN/TV-PROGRAMM . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
IMPRESSUM & ADRESSEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
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ISSN 1865-2263
10023
4 190662 202006
Foto: Mike Blake/Reuters
Berlin - Bundespräsident Joachim Gauck
hat Bundeskanzlerin Angela Merkel
(CDU) offenbar bereits darüber in Kenntnis gesetzt, dass er nicht für eine weitere
Amtszeit zur Verfügung steht. Nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ erwägt das Staatsoberhaupt, die Öffentlichkeit bereits am
heutigen Montag auf einer Pressekonferenz von seinerEntscheidung zu informieren.
Unterdessen geht die Diskussion über
mögliche Nachfolger Gaucks weiter.
Im Gespräch sind unter anderen Bundestagspräsident Norbert Lammert und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide
CDU), die scheidende CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt sowie
Außenminister Frank-Walter Steinmeier
(SPD). Unter den Befürwortern eines gemeinsamen Kandidaten von SPD, Linken
und Grünen wird die Chefin des Wissenschaftszentrums Berlin, Jutta Allmendinger, gehandelt. Sollte sich Gauck wie erwartet zurückziehen, will die FDP ihr
Wahlverhalten in der Bundesversammlung nichtvon koalitionspolitischenErwägungen abhängig machen. „Die FDP verbindet mit der Wahl des Staatsoberhaupts
keinerlei Koalitionssignale, sondern wird
allein über die persönliche Eignung der
Kandidaten entscheiden“, sagte FDP-Vize
Wolfgang Kubicki dem Tagesspiegel. Sowohl Bundestagspräsident Lammert als
auch Außenminister Steinmeier könnten
das höchste Amt im Staat ausfüllen, fügte
er hinzu: „Beide würden unser Land mit
Würde
vertreten.“
Finanzminister
Schäuble könne hingegen nicht mit der
Unterstützung der FDP rechnen. „Ich
kenne niemanden in der FDP, der in der
Bundesversammlung Wolfgang Schäuble
wählen würde“, sagte Kubicki. Er begründete dies unteranderem mit dessen „Kampagne gegen Steuersenkungen“ in der vergangenen Wahlperiode. „Mit seinem Verhinderungskurs hat Schäuble die FDP regelrecht gemobbt, da kann er jetzt von uns
keine Unterstützung erwarten.“
has
Berliner Bezirke melden erheblich höhere Kosten / CDU rechnet mit Verdopplung auf vier Milliarden Euro
och fünf Tage bis zum Anstoß.
Noch fünf Tage, um die innere
Aufstellung vorzunehmen. Vor
dieser Fußball-Europameisterschaft in
Frankreich zerren schließlich gerade zahlreiche Gefühle an den Menschen. Überspielen wir einfach mal, dass viele schon
jetzt von diesem Turnier genug haben,
weil es kein Auto und keine Bratwurst
mehr gibt, die nicht mit Fußball beworben werden. Kommen wir gleich zu den
tieferen Gefühlen vor dieser EM: Sorge,
Hoffnung, Sehnsucht.
Selten wirkte eine sportliche Großveranstaltung so verletzlich wie diese. Sicherheit ist diesmal keine Angelegenheit
von behördenmäßiger Routine. Dazu hallen die Explosionen vor dem Stade de
France im November zu sehr nach. Die
Vorgeschichte eines großen Fußballturniers war wohl noch nie so düster. Die
Sorge in Hoffnung und Entspannung umzuwandeln, wird gerade am Anfang die
große Herausforderung, um sich ganz auf
den Fußball einzulassen.
Die EM ist auch ein europäisches Fest,
daran denken sicher vor allem diejenigen, die es gut mit Europa meinen, mit
dem europäischen Zusammenhalt, auch
dem institutionellen. Sie haben Sehnsucht nach europäischer Gemeinschaft.
Es ist ein Turnier inmitten der Flüchtlingskrise, inmitten eines Wachstums national-populistischer Parteien. Was ein
Fußballturnier politisch ausrichten kann?
Nicht viel, wenn man es von vorneherein
erwartet, verlangt – und damit überfrachtet. Die Griechen können sich für ihren
märchenhaften Europameistertitel von
2004 schon lange nichts mehr kaufen.
Der organisierte europäische Fußball
steht ohnehin nicht gut da. Der Mann,
der den Siegerpokal mit überreichen
sollte, Europas ehemals bester Fußballspieler Michel Platini, ist als Präsident
des europäischen Verbands gesperrt. Verstrickt wie Joseph Blatter in das Selbstbedienungssystem des internationalen Fußballs. Er darf die Veranstaltung, die er
selbst mit konzipiert hat, nicht im Stadion erleben. Denn um gewählt zu werden, versprach er mehr Teilnehmer. So
spielen diesmal 24 statt 16 Mannschaften. Ganz europäisch eigentlich, die Lösung, die von Liebhabern des Sportlich-Elitären gegeißelt, von Freunden der
Underdogs gefeiert wird. Nun sind die
Ungarn dabei, in der europäischen Gemeinschaft politisch zuletzt eher umstritten, EU-Beitrittskandidat Albanien und
Island, das bei jedem internationalen Finanzskandal immer für einen Sidekick
gut zu sein scheint. Das Vereinigte Königreich ist gleich dreifach vertreten, mit
England, Nordirland und Wales. Während das Land über den Brexit streitet,
spielen seine einzelnen Teile so stark wie
nie auf europäischer Bühne mit.
Das alles ist zunächst Symbolik. Wenn
daraus mehr europäischer Zusammenhalt werden sollte, dann bietet der Sport
sich immerhin als Rahmenhandlung an.
Gespielt wird aber auch um innergesellschaftlichen Zusammenhalt. Das macht
etwa die deutsche Nationalelf. Ohne Gastarbeiter kein wirtschaftlicher Erfolg,
ohne Einwandererkinder kein sportlicher. Da ist der Gastgeber Frankreich Vorbild mit seiner Equipe multiculturelle,
die 1998 im eigenen Land Weltmeister
wurde. In Zeiten gesellschaftlicher Desorientierung muss auch das Selbstverständliche offenbar betont werden: Fußball ist ein Spiel mit 22 Leuten, Boateng
hält die Abwehr zusammen und vorne
macht Özil das Spiel. Wer im Abseits ist,
entscheidet der Schiedsrichter.
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2
Fragen DES TAGES
DER TAGESSPIEGEL
Fleischfabrik
Deutschland
Von Dagmar Dehmer
Anton Hofreiter klingt kämpferisch: „Immer mehr, immer billiger – mit dem irren
System der industriellen Massentierhaltung muss Schluss sein! Wir brauchen
eine Agrarwende für gutes Essen und
eine faire Tierhaltung.“ So preist der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag sein Buch „Fleischfabrik Deutschland“ an, das er am Dienstag gemeinsam
mit Kanzleramtsminister Peter Altmaier
(CDU) vorstellen wird.
Das ist eine gleich doppelte Demonstration: ein Flirt mit Schwarz-Grün, an dem
Hofreiter wie Altmaier mit Blick auf die
Bundestagswahl 2017 ein strategisches
Interesse haben. Und es ist ein Signal an
die erstarkende Bewegung, die die Folgen der Massentierhaltung nicht mehr
hinnehmen will. Die Agrarwende-Bewegung gehört zu den derzeit stärksten sozialen Bewegungen, auf die sich die Grünen im kommenden Jahr zubewegenwollen und – das mag Hofreiter hoffen – an
deren Spitze sie sich stellen können.
Die Tierproduktion hat sich in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt.
Welche Folgen hat die Massentierhaltung für Mensch, Vieh und Umwelt?
Kiel
Schwerin
erin
Hamburg
Bremen
Bremen
Potsdam
dam
Was ist die „Fleischfabrik Deutschland“?
Hannov
Hann
over
er
Hannover
Der studierte Biologe Hofreiter hat sich
Magdeburg
Magdeburg
die Auswirkungen der Massentierhaltung für Tiere, Umwelt und
Gesundheit angeschaut. Dabei
ist nach eigenem Bekunden
keine Bibel für Vegetarier herausgekommen, sondern ein
Düsseldorf
Plädoyer für einen maßvollen, Düsseldorf
bewussten
Fleischkonsum
Erfurt
Er
furt
und eine nachhaltige Landwirtschaft. Dafür, dass die
Landwirtschaft weniger als einen Prozentpunkt an der deutaden
Wiesbaden
schen Wirtschaftsleistung ausmacht und weniger als 1,5 ProMainz
zent der Arbeitsplätze stellt, ist
das Maß der ökologischen, geSaarbrück
aarbrücken
en
Saarbrücken
sundheitlichen und sozialen Probleme, die die Branche anrichtet,
deutlich überproportional.
1994 ist in Deutschland noch weniger
Stuttgart
Stuttgart
Schweine- und Geflügelfleisch produziert worden, als konsumiert wurde. DaMünchen
mals sind nach Angaben des Statistischen
Bundesamts 2,7 Millionen Tonnen
Schweinefleisch produziert worden,
2014 waren es bereits 5,5 Millionen Tonnen. Beim Hühnerfleisch waren es 1994
noch 342 000 Tonnen, 2014 aber schon
872 000 Tonnen. Inzwischen exportiert
Deutschland stetig größere Mengen an
Schweinehälften und gefrorenen Hühnerteilen in alle Welt. Die Produktionsausweitung fand in den ostdeutschen Bundesländern statt. Die Zahl der Tiere ist
deutlich gewachsen, die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe aber ist um
etwa 90 Prozent gesunken. Produziert
und geschlachtet wird in immer größeren Einheiten. Und immer noch werden
neue Bauanträge für Großställe gestellt.
Schweine
Welche Folgen hat der Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung?
Je größer die Ställe werden, desto schwieriger ist es, die Tiere darin gesund zu halten. Wenn ein Huhn eine Erkältung hat,
kann esgleich einpaarTausend weitere anstecken. Deshalb werden diese Tiere
mehr oder weniger prophylaktisch gleich
mit behandelt. Bei Hühnern ist es nahezu
unmöglich, jedes kranke Huhn rechtzeitig
zu isolieren. Vor einigen Jahren wurden
Antibiotika sogar zur Mast eingesetzt. Die
Tiere nehmen schneller zu, wenn sie damit behandelt werden. Das ist inzwischen
verboten, und in langwierigen Verhandlungen mit dem grünen Landwirtschaftsminister Niedersachsens, Christian
Meyer haben sich Geflügelwirtschaft und
Tierarztverbände auf eine Minderungsstrategie für den Einsatz von Antibiotika
im Stall geeinigt. Denn der übermäßige
Antibiotika-Einsatz in Großställen hat zur
Folge, dass die Wunderwaffe gegen Bakterienentzündungen immer öfter nicht
mehr wirkt. In Verbindung mit einem viel
zu großzügigen Antibiotika-Einsatz in der
je 100 Hektar Landfläche
0 bis unter 20
20 bis unter 100
100 bis unter 200
200 bis unter 300
300 und mehr
keine Angaben
Quelle: Fleischatlas 2016 Regional/LWZ
Humanmedizin hat das verheerende Folgen für die Behandlung multiresistenter
Bakterienarten. Aus einer trivialen Entzündung kann so eine lebensbedrohliche
Krankheit werden.
Ist Fleisch gesund?
Die deutsche Gesellschaft für Ernährung
empfiehlt Erwachsenen, pro Woche nicht
Berlin
erlin
Dresden
den
Tierdichte im bundesweiten Vergleich
Rinder- und Schweinebesatz in den kreisfreien Städten und Landkreisen
Kiel
Schwerin
erin
Waren/Müritz
22/12
Prenzlau
22/10
Schwedt
22/10
Berlin
Rathenow
25/14
Berlin
27/14
Frankfurt/Oder
25/12
Brandenburg
26/14
Luckenwalde
25/14
Lübben
25/13
Finsterwalde
23/12
Cottbus
23/13
HEUTE IN BERLIN
Am Montag scheint in Berlin und
Umgebung verbreitet die Sonne.
Letzte Restwolken in den Morgenstunden lösen sich rasch
auf. Meist ist es wolkenlos. Gewitter sind keine mehr zu erwarten. Die Tageshöchsttemperaturen liegen um 26 Grad. Die
Nacht verläuft sternenklar, die
Temperaturen sinken auf rund
13 Grad.
Wind: Der Wind weht nur
Mi
Do
Fr
Kiel
23/15
schwach mit Windstärke 2 bis 3
aus Nordost bis Ost.
Biowetter: Pollenallergiker müssen sich auf starke Belastungen
durch Gräserpollen einstellen.
Sonst wirkt sich das sonnige und
stabile Wetter hingegen oft positiv auf den Organismus aus. Lediglich Menschen mit einem
niedrigen Blutdruck können auf
die Temperaturverhältnisse mit
leichtem Schwindel reagieren.
27/14
Hamburg
25/16
Bremen
26/17
Hannover
26/15
Magdeburg
25/14
Dortmund
27/16
22/13
20/13
Köln
26/17
GESTERN IN BERLIN
Ozon
um 13 Uhr
131 bis 133
µg/m3
(Grenzwert 180)
Tegel
Tempelhof
Dahlem
Schönefeld
Potsdam
16
15.8
15
14.8
15.9
27
26.7
25.8
27.3
27.3
0
0
0
0
0
12
13
12.6
13.9
13.7
Berlin
26/13
Leipzig
24/12
Frankfurt
26/16
Erfurt
24/13
Dresden
24/13
Nürnberg
25/14
Stuttgart
25/16
Saarbrücken
25/16
München
22/13
Freiburg
23/15
19˚C
19˚C
18˚C
18˚C
19˚C
SONNE & MOND
20.06.
27.06.
06:27
04.07.
12.06.
22:29
Namenstage: Norbert, Kevin, Bertrand
HEUTE IN DEUTSCHLAND
Am Montag scheint zunächst verbreitet die Sonne, über der Südhälfte gibt es aber auch einige
Nebel- und Hochnebelfelder. Im
Tagesverlauf entstehen im Süden und Westen sowie im Bereich der Mittelgebirge allerdings
wieder einige Quellwolken und
Ausgehend von einem Tief über
dem Atlantik erreicht eine schwache Störungszone den Nordwesten der Iberischen Halbinsel sowie die französische Atlantikküste und die Britischen Inseln.
Hier steigt die Schauerneigung
wieder an. Auch von Westrussland über die Ukraine bis zum
Balkan sowie im Alpenraum und
Norditalien ist mit zahlreichen
Regenschauern und Gewittern
zu rechnen. An der Flanke eines
ausgedehnten Hochdruckgebietes mit den Zentren Tobias I und
II fließen aber allmählich trockenere Luftmassen nach Mitteleuropa. Generell stabiles Wetter
gibt es in Nordeuropa. Aber auch
im Mittelmeerraum überwiegt
der Sonnenschein.
Reisewetter
am Nachmittag steigt die
Schauer- und Gewitterneigung
an. Im Norden und Osten bleibt
es sehr sonnig und trocken. Der
Wind weht meist nur schwach
mit Windstärke 3 aus Ost. Die
Höchstwerte liegen zwischen 21
bis 29 Grad.
DEUTSCHLAND
Reykjavik
13
H
TOBIAS I
Oslo
20
T
Stockholm Helsinki St. Petersburg
16
18
14
Kopenhagen
17
Dublin
21
H
Riga
16
Wilna
16
Moskau
14
Berlin TOBIAS II
Warschau
26
20
Brüssel
Kiew
25
17
Zürich Wien
23
Bordeaux
23
Budapest
26
Venedig
25 Bukarest
22
Cannes
22
Madrid
Lissabon
Dubrovnik
FRIEDERIKE
20 Rom
29
Sofia Istanbul
23
22
Palma
23
21
23
Malaga
26
26
Algier
Athen
Antalya
Las Palmas
Tunis
23
28
27
22
26
London
23
Paris
24
T
H
Eine schwache atlantische Störungszone bringt in Frankreich sowie ab der Wochenmitte auch
wieder in Mitteleuropa zunehmend unbeständiges Wetter.
Skandinavien wird von einem
markanten Tiefdruckgebiet erfasst. Sonst sorgt Hoch Tobias
für sonniges und stabiles Wetter. Auch von Westrussland bis
zum Balkan geht die Schauerund Gewitterneigung zurück.
H Hochdruckzentrum
Warmfront
Kaltfront
Mischfront
Schauerlinie
WASSERTEMPERATUREN
Nordsee
Ostsee
Biskaya
Adria
Ägäis
Schwarzes Meer
15˚
16˚
18˚
21˚
23˚
21˚
Westliches Mittelmeer
Östliches Mittelmeer
Algarve
Kanarische Inseln
Karibik
Thailand
Auf unserer Internetseite: Das neue
Berlin-Wetter – mit der Wetterlage und den Aussichten
für jeden einzelnen Berliner Bezirk. Zu finden unter:
wetter.tagesspiegel.de
Aachen
Bonn
Brocken
Düsseldorf
Feldberg/Schw.
Fichtelberg
Garmisch-P.
Hof
Karlsruhe
Konstanz
Passau
Schwerin
Sylt
Trier
Weimar
Würzburg
Zugspitze
leichte Regenschauer
leichte Regenschauer
Regenschauer
leichte Regenschauer
Regenschauer
leichte Regenschauer
leichte Regenschauer
leichte Regenschauer
heiter
leichte Regenschauer
leichte Regenschauer
sonnig
sonnig
leichte Regenschauer
heiter
heiter
leichte Regenschauer
25˚
26˚
20˚
26˚
17˚
21˚
20˚
21˚
26˚
22˚
23˚
24˚
19˚
24˚
25˚
23˚
10˚
EUROPA UND DIE WELT
T
T Tiefdruckzentrum
AUSSICHTEN
WASSERTEMPERATUREN
Wannsee
Müggelsee
Ruppiner See
Müritz
Halensee
04:45
21:25
Wie werden Rinder gehalten?
Milchkühe werden immer seltener auf
der Weide gehalten. Viele sehen ihr ganzes Leben keine Wiese, sondern werden
im besseren Fall in Laufställen gehalten.
Im schlechteren Fall werden sie angebunden und können sich kaum hinlegen. Die
Kühe geben nur Milch, wenn sie Kälber
haben. Die Kälber werden aber schon
kurz nach der Geburt von den Kühen getrennt. Nach etwa fünfeinhalb Jahren
sind die Milchkühe am Ende. Ein Zuchtbulle, der die Spermien für die künstliche
Befruchtung der Milchkühe produziert,
kommt auf etwa drei Jahre Lebenszeit.
Mastrinder werden gerade mal 18 bis
24 Monate alt, bis sie geschlachtet werden. Kälber werden nach etwa acht Monaten geschlachtet. Allen Kälbern werden
in den ersten Lebenswochen ihre Hörner
ausgebrannt. Denn in engen Ställen könnten sich die Kühe mit den Hörnern gegenseitig verletzen. Eine Betäubung ist auch
für diese Prozedur nicht vorgesehen, sondern wird nur dort praktiziert, wo sich
die Höfe zu einer besonders tierfreundlichen Haltung entschlossen haben, beklagt die Welttierschutzgesellschaft, die
sich besonders für eine bessere Milchkuhhaltung einsetzt.
Europa
Rostock
22/12
Eberswalde
23/11
Potsdam
26/14
26/13
Di
Sonnenstunden
vorgestern
Wittenberge
25/14
Am Dienstag setzt sich in Berlin
das strahlend sonnige Wetter
fort. Der Wind weht nur schwach
aus Ost. Die Tageshöchstwerte
liegen um 27 Grad. Erst ab Mittwoch steigt die Schauer- und Gewitterneigung an den Nachmittagen wieder an. Ab Donnerstag ist
es auch etwas kühler.
Niederschlag
bis 12 Uhr (mm)
Neuruppin
24/12
Hamburg
Wie geht es deutschen Schweinen?
Eine Zuchtsau ist eine arme Sau. Die meisten Sauen werden einen Großteil ihres
etwa dreijährigen Lebens im sogenannten Kastenstand gehalten. Mit sieben Monaten werden sie das erste Mal künstlich
besamt, tragen die Ferkel aus, gebären in
einem engen Käfig, in dem sie sich nicht
einmal umdrehen können, die Ferkel sitzen hinter einer Stange und können gerade mal die Zitzen erreichen. Die Sauen
können kaum Kontakt zu ihren Ferkeln
aufnehmen. Begründet wird diese Haltung damit, dass sie ihre Ferkel erdrücken könnten. In Haltungsformen mit
mehr Platz ist die Verlustrate jedoch nach
Angaben der Tierschutzorganisation
Vier Pfoten nicht höher als im Kastenstand. Seit 2013 müssen die Sauen nach
etwa vier Wochen, in denen sie ihre Ferkel zumindest säugen dürfen, in Gruppen
gehalten werden. Doch zügig danach landen sie wieder im Käfig, um erneut besamt zu werden.
Die Ferkel erleben schon Tage nach ihrer Geburt das erste Mal, dass sie eine
Ware sind. Dann werden die männlichen
Ferkel betäubungslos kastriert. Eberfleisch hat einen Eigengeruch, den viele
Konsumenten nicht akzeptieren. Christian Schmidt und seine Kollegen aus den
Niederlanden und Dänemark wollen nun
zumindest erreichen, dass die Ferkel betäubt werden müssen, bevor geschnitten
wird. Wenig später werden den Ferkeln
die Schwänze abgeschnitten. Denn in
den engen Ställen, in denen sie gemästet
werden, haben sie so wenig Platz, dass
sie sich gegenseitig die Schwänze abbeißen. Um die damit verbundenen Verletzungen zu vermeiden, werden den Ferkeln auch noch die Eckzähne abgeschliffen. Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten kritisiert seit Jahren, dass nicht die
Verhältnisse in den Ställen für Schweine
erträglich gestaltet werden, sondern die
Schweine an die unerträglichen Haltungsbedingungen angepasst werden.
Die Schweinewirtschaft ist so spezialisiert, dass die Mastschweine inzwischen
mehrere längere Transporte erleiden
müssen. Die Ferkel werden zunächst bei
einem Mäster abgesetzt, und womöglich
nach ein paar Wochen auf einem weiteren spezialisierten Hof bis zur Schlachtreife gemästet. Erst dann treten sie ihren
letzten Transport zum Schlachthof an.
Schweine können übrigens 20 Jahre alt
werden, wenn sie gute Bedingungen vorfinden, also Beschäftigungsmöglichkeiten, die Möglichkeiten zum sozialen Kontakt mit anderen Schweinen, und Möglichkeiten zu graben und sich zu suhlen.
So leben allenfalls Schweine, die besonders tierschutzgerecht gehalten werden.
WETTERLAGE
Temperatur
um 14 Uhr
Pritzwalk
24/12
Womit werden die Tiere gefüttert?
Die Futtermittel für die Großställe werden schon lange nicht mehr in Deutschland produziert. So viel könnten die deutschen Bauern gar nicht produzieren. Und
seit es im Zuge der BSE-Krise verboten
ist, Schlachtabfälle, die zu Tiermehl verarbeitet wurden, in die Tröge der Tiere
zu werfen, kommt ein Großteil der Futtermittel aus Südamerika. Sojaschrot wird
zu 90 Prozent in der Tiermast verfüttert
und zu etwa zehn Prozent an Milchkühe.
4,5 Millionen Tonnen Sojaschrot werden
aus Brasilien, Argentinien und Paraguay
für die deutsche Massentierhaltung jährlich importiert. Der Sojaanbau ist in allen
drei Ländern stark ausgeweitet worden.
Die Savannengebiete der drei Länder
sind überwiegend dem Sojaanbau zum
Opfer gefallen. Ein Großteil davon ist
gentechnisch veränderte Soja.
Was passiert in den Hühnerställen?
Seit das Bundesverfassungsgericht
1999 entschieden hat, dass ein DIN
A4-Blatt nicht genug Platz für
Berlin
erlin
eine Legehenne in einer KäfigbatPotsdam
dam
Hannover
Hannov
Hann
over
er
terie und diese Haltungsform ein
Magdeburg
Magdeburg
Verstoß gegen das Tierschutzgesetz ist, hat sich die Lage für die
Legehennen verbessert. Im vergangenen Monat hat Agrarminister Schmidt eine Verordnung in Kraft gesetzt, nach
der die im Anschluss eingeDüsseldorf
Düsseldorf
führte neue Käfighaltung in
Dresden
den
Erfurt
Er
furt
so genannten ausgestalteten
Käfigen verboten wird. Die
Betriebe, die noch so produzieren haben
allerdings eine lange Übergangszeit bis
Wiesbaden
aden
2025, um die Käfighaltung für Hennen in
Deutschland endgültig zu beenden.
Mainz
Doch Masthähnchen oder Masthühnchen haben noch weniger Platz als Hennenin Batteriekäfigen.Siewerden indunkSaarbrücken
Saarbrück
aarbrücken
en
len Ställen gehalten und wachsen so
schnell heran, dass sie kurz vor der
Schlachtung manchmal nicht einmal
mehr eine Tränke erreichen können in
Stuttgart
Stuttgart
der Enge. Nach 40 Tagen werden die
Masthühnchengeschlachtet. Dienatürliche Lebenserwartung eines Huhns liegt
München
zwischen acht und zwölf Jahren.
Schlecht ergeht es auch den männlichen Küken, die in Hennenbrütereien
schlüpfen. Da sie keine Eier legen, werden 40 bis 50 Millionen männliche Küken pro Jahr in Deutschland an ihrem ersmehr als 600 Gramm Fleisch zu essen. Ein „Fleisch und Würstchen“ kein Gesund- ten Lebenstag vergast und geschreddert.
Seit Jahren kritisierten Tierschützer die
Wert zwischen 300 und 600 Gramm gilt heitsrisiko seien.
massenhafte Tötung gesunder Küken.
als gesund. Der tatsächliche Verbrauch
Auch
Bundeslandwirtschaftsminister
liegt doppelt so hoch. Die Internationale Wohin mit der Gülle?
Krebsforschungsagentur (IARC) hat zu- Der Nährstoffüberschuss in den Zentren Christian Schmidt (CSU) will die Praxis
dem gewarnt, dass Fleisch Krebs erre- der Massentierhaltung, beispielsweise bis 2017 beenden. Verbieten will er sie
gende Wirkung haben könnte. Landwirt- im Landkreis Vechta in Niedersachsen, jedoch nicht. Stattdessen fördert das
schaftsminister Christian Schmidt (CSU) ist inzwischen für die Trinkwasserversor- Agrarministerium ein Forschungsprojekt
beeilte sich damals zu betonen, dass gung bedrohlich geworden. Dort wird zur Geschlechtserkennung im Ei.
Bremen
Bremen
AUSSICHTEN
Tiefstwert
bis 8 Uhr
Schwerin
24/13
Heringsdorf
18/12
Rostock
22/12
0 bis unter 30
30 bis unter 60
60 bis unter 90
90 bis unter 120
120 und mehr
keine Angaben
Deutschland
06. 06. 2016
Kühlungsborn
20/13
der Nitrat-Grenzwert für Trinkwasser regelmäßig überschritten, weshalb das
Trinkwasser aufwendig behandelt und
mit weniger nitrathaltigem Wasser gemischt werden muss, bevor es durch die
Wasserhähne fließen darf. Der Umweltverband BUND hat im „Fleischatlas regional 2016“ recherchiert, dass aus dem Weser-Emskreis, der sich durch eine hohe
Tierdichte auszeichnet, 2,3 Millionen
Tonnen Gülle in ganz Niedersachsen verteilt werden. Im Landkreis selbst können
die Äcker den Reststoff schon lange nicht
mehr aufnehmen. Nun wird also das
ganze Bundesland überdüngt. Zeitweise
hoffte der Bauernverband, das Gülleproblem mit Bonuszahlungen für Biogasanlagen, in denen auch Gülle vergoren wird,
in den Griff zu bekommen. Das erwies
sich als teure Subvention für die Massentierhaltung und wurde mit dem Erneuerbare-Energien- Gesetz 2014 abgeschafft.
Die Massentierhaltung und die Probleme
mit der Gülle sind auch der wesentliche
Grund dafür, dass die EU-Kommission
Deutschland wegen der Nicht-Einhaltung der Nitratrichtlinie vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt hat.
je 100 Hektar Landfläche
Berlin und die Ostsee
Göhren
16/14
Rinder
NR. 22 779 / MONTAG, 6. JUNI 2016
21˚
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Amsterdam
Barcelona
Bern
Djerba
Eilat
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Hongkong
Innsbruck
Jerusalem
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Kreta
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Los Angeles
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New York
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Peking
Prag
Reykjavik
Salzburg
St. Moritz
Sydney
Tel Aviv
Tokio
Zermatt
sonnig
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leichte Regenschauer
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Regenschauer
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leichte Regenschauer
wolkig
Quelle: mowis GmbH / www.mowis.com
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DIE DRITTE SEITE
MONTAG, 6. JUNI 2016 / NR. 22 779
DER TAGESSPIEGEL
Zäsur. Am Donnerstag sprach Hillary Clinton in Kalifornien, wo am Dienstag Vorwahlen stattfinden - und griff ihren Konkurrenten Donald Trump überraschend scharf an.
3
Foto: David McNew/AFP
Schwer vermittelbar
H
illary Clinton mag mitunter
die Welt nicht mehr verstehen. Und mitunter könnte
man dieses Gefühl sogar verstehen. Denn Selbstdarstellung und Fremdwahrnehmung stehen bei
der Bewerberin um das amerikanische
Präsidentschaftsamt nicht selten in einem extremen Kontrast.
Vor ein paar Tagen zum Beispiel führte
sie Wahlkampf in Connecticut, ganz in
der Nähe von Newtown. Am 14. Dezember 2012 hatte ein Amokläufer dort in
der Sandy-Hook-Grundschule 20 Kinder
und sechs Erwachsene erschossen. Vor ihrer Kundgebung an der Universität von
Bridgeport setzt sie sich im Umkleideraum der Sporthalle mit Opferfamilien zusammen. Francine und David Wheeler
sind mit ihrem 13-jährigen Sohn Nate
und dem 17 Monate alten Baby Matty gekommen. Von Benjamin, ihrem mittleren
Sohn, sind nur Fotos geblieben. Und ein
verzweifelter Schmerz, der nicht vergehen will. Immer wieder schiebt der Vater
die Fotografien in Clintons Blickfeld.
Clinton spricht mit leiser aber eindringlicher Stimme, erklärt was sie gegen die
Waffenlobby zu tun gedenkt. „Unsere
Gegner verbreiten Angstparolen: Wir
wollten angeblich allen Amerikanern die
Waffen wegnehmen. Sie lügen. Aber wir
müssen genauso entschlossen und organisiert handeln.“
Doch als der auf dem Boden krabbelnde Matty anfängt, den Klettverschluss seiner Windel zu öffnen, vergisst
sie kurz die Wahlkampfslogans und wird
zur Großmutter, die übergangslos nach
dem letzten Windelwechsel fragt. Ihr erstes Enkelkind ist ungefähr im selben Alter wie Matty. Im Sommer erwartet sie
das zweite. Hillarys Verhalten wirkt nicht
künstlich oder berechnend. Ein Mitmensch, der das Leid der Wheelers versteht, ein Familienmensch, der mit Babys
umgehen kann, und zugleich mit Leib
und Seele eine Politikerin. An jenem Tag
in Bridgeport nimmt man ihr das ab.
Die Schlagzeilen dieser Tage malen ein
anderes Bild von ihr. Sie sei machthungrig, verschlossen, taktierend. Ihr republikanischer Konkurrent Donald Trump
nennt sie ständig „crooked Hillary“, die
„betrügerische Hillary“. TV-Sender spekulieren, ob das FBI wohl Anklage gegen
sie erhebt, nachdem die interne Untersuchung des Außenministeriums ergeben
hat, dass sie keine Genehmigung hatte,
Dienst-E-Mails über ihren privaten Server zu leiten. Die „New York Times“ bemängelt, dass sie den Attacken Trumps
ziemlich wehrlos ausgeliefert sei, und die
„Los Angeles Times“ berichtet, dass ihr
Vorsprung vor dem innerparteilichen Rivalen Bernie Sanders in Kalifornien
schrumpfe. Am Dienstag finden dort und
in fünf weiteren Staaten Vorwahlen statt.
Machthungrig,
verschlossen,
mitunter wehrlos:
Mehr als die Hälfte
der Amerikaner hat
keine hohe Meinung
von Hillary Clinton.
Ihr Vorsprung
vor Donald Trump
schwindet.
Jetzt sind alle gespannt,
ob ihre neue Strategie
im Wahlkampf zündet
Von
Christoph von Marschall
Mit 39 Millionen Einwohnern ist Kalifornien der bevölkerungsreichste US-Staat.
475 Delegierte sind zu vergeben. Das
„Wall Street Journal“ überlegt: Schnappt
ihr Bernie Sanders doch noch die Kandidatur weg?
Doch Clinton hat bereits 2313 Delegierte sicher. 2382 sind erforderlich für
die Nominierung. Am Dienstag wird sie
spielend weit mehr als die 69, die ihr
noch fehlen, erringen. In den Umfragen
für Kalifornien führt sie mit 48 zu 43 Prozent vor Sanders, in New Jersey mit 55 zu
38 Prozent. Trotzdem würde ein Sieg Sanders in Kalifornien erneut am Bild der „Favoritin Hillary“ kratzen und ihr Imageproblem noch einmal in der Vordergrund rücken: 55 Prozent der Amerikaner haben
derzeit keine positive Meinung von ihr.
Deshalb schwenkt sie jetzt um. Mit
dem Vorführen von Sachkompetenz allein, das hat sie anscheinend gelernt,
wird sie die Zweifler nicht für sich gewinnen. Am vergangenen Donnerstag testet
sie bei einer Rede in San Diego eine neue
Strategie, wie sie auf Trumps Angriffe unter der Gürtellinie antworten könne.
Hart geht sie ihren Konkurrenten plötzlich an. Er sei „ungeeignet als Oberbefehlshaber“, habe keine Ahnung von den
drängenden Themen. So dünnhäutig und
aufbrausend wie er auf Kritik reagiere,
sei er eine Gefahr für Amerika: Er könne
das Land in einen Krieg führen, nur weil
er sich für über einen Gegner im Ausland
ärgere. Einer solchen Person dürfe man
keinesfalls die Codes für die Atomwaffen
anvertrauen.
Die Inszenierung und den Duktus der
Rede kann man als bitter-sarkastische Satire auf Trumps Wahlkampfführung verstehen. Hinter ihrem Pult sind 19
US-Flaggen im XXL-Format aufgepflanzt, wie Trump sie gerne verwendet.
Ihr neues Ziel scheint es eher zu sein, mit
kurzen Zitaten in den Fernsehnachrichten zu landen, als die komplizierten Zusammenhänge außenpolitischer Herausforderungen zu erklären.
Seine außenpolitische Erfahrung, spottet sie, „erschöpft sich darin, dass er einen Miss-Universum-Schönheitswettbewerb in Russland abgehalten hat“. Und
was seine anerkennenden Worte für Putin und Nordkoreas Diktator Kim Jong-un
angehe, überlasse sie „es den Psychiatern, seine Bewunderung für Tyrannen
zu erklären“. Trump habe auch damit geprahlt: „Ich weiß mehr über den IS als die
Generäle, glaubt mir!“ Clintons Antwort:
„Wisst Ihr was? Ich glaube ihm nicht!“
Clinton hält ihre Rede überwiegend in
einem ruhigen und sachlichen Ton, ohne
die Stimme zu erheben, wie das sonst für
Wahlkampfauftritte typisch ist. Zu
Trumps Gedankenspiel, mit ihm als „Dealmaker" müsse Amerika seine Schulden
nicht voll zurückzahlen, sondern könne
mit den Gläubigern einen Schuldenschnitt aushandeln und billiger wegkommen, sagt sie: „Er glaubt, er kann mit der
US-Wirtschaft wie mit einem seiner Casinos umgehen.“
Ist das der Vorgeschmack, wie sich der
Stil der Auseinandersetzung von nun an
entwickelt? Die Republikaner reagieren
sofort. Pünktlich zum Redebeginn gibt
Paul Ryan, der Speaker im Repräsentantenhaus und ranghöchste Republikaner,
bekannt, dass er Trump bei der Wahl unterstützen werde. Wochenlang hat er gezögert. Den Zeitpunkt der Ankündigung
hat er bewusst gewählt. Er will Aufmerksamkeit von Clintons Auftritt abziehen
und erreichen, dass einzelne Fernsehgesellschaften ihn statt Clinton ins laufende
Programm schalten. Den Gefallen tun sie
ihm nicht. San Diego ist die erste Clinton-Rede seit Längerem, die von den
Nachrichtensendern übertragen wird.
Und auch die Reaktionen in der Presse
sind positiv: die „New York Times“
schrieb anerkennend, Clinton habe
Trump als „rücksichtslosen, kindischen
und uninformierten Amateur“ entlarvt,
der sich im Spiel des global agierenden
Staatsmannes übe. Aber kann sie mit solchen Auftritten Wähler aus dem
Trump-Lager zu sich herüberziehen? Der
rechte TV-Sender „Fox News“ interpretiert ihre Rede ganz anders: Sie hänge in
den Seilen, sei also kurz vor dem K.O.
Doch löst die Strategie Gegenangriff
überhaupt Clintons Hauptproblem? Dass
sie hart sein, dass sie austeilen kann, bezweifelt doch kaum jemand. Ihr Handicap besteht eher darin, dass Schilderungen von mitfühlenden Auftritten wie in
Connecticut in Amerikas Medien in diesen Tagen fast gar
2008
nicht vorkommen.
wurde sie
Dort dominieren immer neue Aufregunvon Obama
gen, was Trump geüberholt.
rade
Unerhörtes
von
sich
gegeben
Sie hatte ihn hat. Wie hingegen
unterschätzt die Stimmung bei
Hillarys Auftritten
ist, was sie sagt und
wie die Wählerinnen und Wähler auf sie
reagieren, ist für jene, die nicht dabei waren, nicht so leicht zu erfahren.
Die Journalisten, die seit Monaten mit
ihr durchs Land reisen, haben die Szenen
von den treu jubelnden Hillary-Fans in
blauen T-Shirts, die schon Stunden vor
einer Rede in langen Schlangen warten,
anfangs noch beschrieben. Jetzt, nach
mehr als 40 Vorwahlen mit jeweils Dutzenden Kundgebungen, wollen sie das
schon so oft Beschriebene nicht noch einmal wiederholen – auch wenn die Begeisterung ihrer Anhängerinnen in Perris
und El Centro in Südkalifornien nicht ge-
ringer ist als im Februar in Iowa oder im
Mai in Wisconsin.
Und so wiederholt sich für Hillary Clinton 2016 gegen Donald Trump eine bittere Erfahrung, die sie auch schon 2008
gegen Barack Obama machen musste. Je
weiter ein Wahljahr fortschreitet, desto
schwerer wird es für sie, mit den Qualitäten zu punkten, die sie für ihre besonderen Stärken hält: ihre Kompetenz bei den
Sachthemen und ihre Empathie für die
Amerikanerinnen und Amerikaner, um
deren Stimmen sie wirbt.
Sie hielt sich schon 2008 für die am
besten vorbereitete Kandidatin. Acht
Jahre hatte sie als politisch aktive First
Lady Erfahrungen in der Politik des Weißen Hauses gesammelt; es folgten acht
Jahre als Senatorin von New York, in denen sie sich nicht um, wie sie sagt, „Gedöns“ kümmerte, sondern in den Ausschüssen für die harten Fragen, darunter
solche in Militärangelegenheiten, mitarbeitete. Sie knüpfte die engen Kontakte
im Kongress, von denen der Erfolg einer
Präsidentschaft abhängen kann. Nicht zu
reden von ihrer jahrzehntelangen Kleinarbeit seit Bill Clintons Jahren als Gouverneur von Arkansas, von kommunalen Fragen über die regionalen Themen bis zu
den internationalen Herausforderungen.
Ihr ganzes Leben hat sie sich in Themen
verbissen, Detailkenntnisse gesammelt.
Sie sei „ready from day one to be President“, niemand sei besser vorbereitet als
sie für das höchste Amt.
Doch 2008 zog ein Mann in den Vorwahlen an ihr vorbei, dem sie das nicht
zugetraut hätte. Die Wähler würden
doch, so sah sie das, nicht auf luftige Rhetorik hereinfallen: „Hope“, „Change“,
„Yes, we can!“ Für Hillary waren das „just
words“, alles nur leere Worte. Und ein
Schwarzer als Präsident?
Als unvermeidlich hatten viele Medien
deshalb anfangs ihren Durchmarsch als
erste Frau an die Spitze beschrieben. Es
kam anders. Als Barack Obama in einer
TV-Debatte auf die Frage nach Sympathien zwischen ihnen beiden antwortete:
Hillary sei „likeable enough“ - also einigermaßen auszuhalten –, da wurde das
zwar als Mangel an guten Manieren ausgelegt. Aber es widersprach auch niemand vehement. Eine breite Mehrheit
fand Obama damals sympathischer und
überzeugender als sie.
2016 droht sich diese bittere Erfahrung für sie zu wiederholen, freilich in
einer krasseren Variante. Dabei sind inzwischen noch die Jahre als Außenministerin zu ihrer Kompetenzliste hinzugekommen. Ihr Vorsprung vor Donald
Trump ist bedenklich geschrumpft. Rund
zehn Prozentpunkte lag sie den ganzen
April hindurch vor ihm, jetzt sind es nur
noch 1,5 Prozentpunkte. Trump! Ein
Mann, den viele vor wenigen Monaten
nicht ernst nahmen. Der manchen Demokraten als eine Art Wunschkandidat galt,
weil sie ihn angeblich am leichtesten
schlagen könne. Der sich durch seine Rüpeleien quasi selbst aus dem Rennen
wirft, weil er sich große Wählergruppen zu Feinden macht: Frauen, Latinos,
Afroamerikaner, Muslime. Doch nun
das: Laut Umfragen ist Hillary nahezu
genauso unbeliebt wie er.
Woran liegt es, dass so viele Bürger die
Qualitäten, die Clinton und ihre Anhänger anpreisen, nicht zu schätzen wissen?
Liegt es womöglich doch an ihr? Sie hat
beispielsweise seit Monaten keine Pressekonferenz gegeben –
vermutlich, um Frazur E-Mail-AfSeit Monaten gen
färe auszuweichen.
erklärte
Aber dieses Verhalten bestätigt nur den
sie sich
Argwohn, sie reanicht mehr
giere auf Druck verschlossen und habe
vor
wohl etwas zu verder Presse
bergen.
Die Insider ihrer
Kampagne wiegeln
ab: Das Umfragetief sei vorübergehend.
Trump habe keine innerparteilichen Gegner mehr, Clinton schon. Sobald der Parteitag sie Ende Juli nominiert habe,
werde ihr Vorsprung wieder wachsen.
Bis dahin wird es ein schmutziger Wahlkampf werden.
Donald Trump schlägt, noch während
Clinton in San Diego spricht, mit Twitter-Kommentaren zurück. „Bad performance by Crooked Hillary Clinton!“
(„Schlechter Auftritt der betrügerischen
Hillary“). Sie könne ja nicht mal richtig
vom Teleprompter ablesen.
Dies sind immer wiederkehrende Begriffe, die er mit ihrem Namen zu verbinden versucht, damit sie bei Wählern als
automatische Assoziation hängen bleiben: „Crooked“ ist eine Anspielung auf
das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Richard Nixon, der damals betonte
„I am not a crook.“ Trump möchte Hillary
Clinton angeklagt sehen wegen ihrer
E-Mail-Affäre. „Teleprompter“ gehört zu
den Schlüsselworten der Trump-Angriffe
auf Obama und Clinton. Beide seien nicht
authentisch. Ohne abzulesen, könnten sie
sich gar nicht richtig ausdrücken.
Der Ton wird rauer. Um so mehr, da
jetzt auch Clinton auf Gegenangriff schaltet. Geliebt werden oder wenigstens verstanden – davon darf Hillary Clinton momentan nicht einmal träumen. Ein Erfolg
wäre es schon, wenn mehr Bürger ihr das
politische Engagement glauben wie die
Wheelers in Bridgeport. Und wenn genügend Wähler sie im Herbst noch „likeable
enough“ fänden, damit sie am 8. November gegen einen politischen Rüpel wie
Donald Trump bestehen kann.
4
POLITIK
DER TAGESSPIEGEL
NR. 22 779 / MONTAG, 6. JUNI 2016
Neue
linke
Volkspartei
Judenhass,
Homophobie,
Islamkritik
Wie Gabriel die SPD
aus der Krise führen will
Wie die AfD fast täglich
neu provoziert
Berlin - Einen „spannenden und gut gelaunten Konvent“ habe er eben verlassen,
sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel, als er am
Sonntagnachmittag noch während der Beratungen von rund 200 Delegierten des
SPD-Parteikonvents vor die Presse trat,
um wichtige Beschlüsse zu erläutern.
Dass die Sozialdemokraten bei einem kleinen Parteitag sich einmal nicht gegenseitig in Untergangsfantasien übertreffen,
sondern gute Stimmung verbreiten,
scheint angesichts mieser Umfragewerte
und schwelender Dauerdebatten über
den Vorsitzenden schon eine eigene
Nachricht wert. Jeder Sozialdemokrat
wisse, in welcher Lage die Partei sei, erklärte Gabriel: „Aber rumjammern über
diese Lage, das machen wir nicht.“ Es
habe weder eine Debatte über die schlechten Umfragen noch über seine Amtsführung gegeben, versicherte er.
Der Parteikonvent gilt als Zwischenschritt vor Beginn der Arbeit am SPD-Programm für die Bundestagswahl 2017. Gabriel, der bis Ende vergangenen Jahres
die SPD als Partei der „arbeitenden
Mitte“ und der Wirtschaftskompetenz definieren wollte, bezeichnete die SPD vor
den Delegierten als linke Volkspartei und
sprach sich dafür aus, ihr Profil in Gerechtigkeitsfragen zu stärken. Die Begriffe
„links“ und „Mitte“ seien keine Gegensätze, sagte er vor der Presse: „Links sein
heißt nicht, auf die Mitte zu verzichten.
Links sein heißt, die Mitte zu erobern.“
Die Seele der SPD sei das Begriffspaar
Fortschritt und Gerechtigkeit.
Vor den Teilnehmern des nichtöffentlich tagenden Konvents hatte er nach Angaben von Teilnehmern die Verteilungsfrage zu einem zentralen Thema im
SPD-Bundestagswahlkampf erklärt. Die
Sozialdemokraten müssten diese Frage
stellen, sagte er. Für seine grundsätzlichen Bemerkungen erhielt er von den Delegierten mehr Beifall als sonst bei internen SPD-Veranstaltungen, hieß es aus
der Partei. Auch Vertreter des linken Parteiflügels lobten ihn, machten aber zugleich deutlich, dass sie die Ausrichtung
als linke Volkspartei durch konkrete Beschlüsse im Bundestagswahlprogramm
unterfüttert sehen wollen.
Ob in einem Wahlkampf über Verteilungsfragen für die SPD auch Steuererhöhungen infrage kommen, ließ Gabriel vor
der Presse offen. Bis vor wenigen Wochen hatte er einen solchen Schritt, den
der linke Parteiflügel verlangt, kategorisch abgelehnt. „Nur höhere Steuern
bringen noch nicht mehr Gerechtigkeit“,
warnte der Parteichef allerdings. Als ein
mögliches Instrument für die von Gabriel
angekündigten Entlastungen kleiner und
mittlerer Einkommen gilt in der SPD
auch die Reduzierung von Sozialabgaben
für diese Zielgruppen.
Berlin - Fast täglich produzieren Politiker
der AfD neue Schlagzeilen – teilweise aus
Absicht, teilweise wohl auch zum Missfallen der eigenen Führung. Jedenfalls werden Abgeordnete aus den neugewählten
Landtagsfraktionen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt zunehmend zur
Belastung für die Partei. Nicht nur, dass
der bisherige Landtagsvizepräsident in
Magdeburg, Daniel Rausch, am Donnerstag zurücktrat, weil er offensichtlich mit
der Leitung einer einzigen Sitzung überfordert war. In Stuttgart soll die dortige
AfD-Fraktion am Dienstag über den Ausschluss des Abgeordneten Wolfgang Gedeonberaten, dem dasVerfassen antisemitischer Schriften vorgeworfen wird.
Überraschend kommt der Fall Gedeon
nicht, auch wenn Jörg Meuthen, AfDBundeschef und Fraktionschef in Stuttgart, am Mittwoch noch erklärt hatte, er
habe „gerade erst von den Vorwürfen gegen Herrn Gedeon“ erfahren. Diese würden nun „sorgfältig geprüft“. Gedeons
Schriften sind öffentlich zugänglich und
waren innerhalb der AfD kein Geheimnis. In seinem 2012 veröffentlichten
Buch „Der grüne
Kommunismus und
die Diktatur der Min- Frauke Petry
derheiten“ bezeichnet er den Holo- hat sich zu
caust als eine „Zivil- Özils Reise
religion des Westens“ und spricht nach Mekka
von dem wegen Ho- geäußert
locaust-Leugnung
verurteilten Rechtsextremisten Horst Mahler als „Dissidenten“. An anderer Stelle schreibt er, „Weltbedeutung“ habe das Judentum durch „Judaisierung der christlichen Religion und
Zionisierung der westlichen Politik“. Gedeon selbst wollte sich am Sonntag auf
Anfrage des Tagesspiegels nicht äußern.
Mit einer Entgleisung hatte auch der
AfD-Abgeordnete Andreas Gehlmann im
Magdeburger Landtag für Empörung gesorgt. Die Linken-Abgeordnete Henriette
Quade hatte zuvor bei einer Rede zum
Asylkompromiss
gesagt,
in
den
Maghreb-Staaten sei Homosexualität„verboten und in höchstem Maße tabuisiert“.
Weiter sagte sie: „Wer Homosexualität offen auslebt, dem droht dafür Gefängnisstrafe.“ An dieser Stelle vermerkt das Protokoll einen Zwischenruf Gehlmanns:
„Das sollten wir in Deutschland auch machen!“ Auf Kritik daran reagierte die
AfD-Fraktion mit einer Mitteilung, Gehlmanns Zitat habe sich nicht auf Haftstrafen bezogen, sondern die Tabuisierung.
Unterdessen treiben auch AfD-Bundespolitiker die Provokationen weiter auf die
Spitze. Der „FAS“ zufolge nannte Parteivize Alexander Gauland Angela Merkel
eine „Kanzler-Diktatorin“. Parteichefin
Frauke Petry kritisierte die Pilgerreise des
Fußball-Nationalspielers Mesut Özil nach
Mekka. Sie frage sich, ob „man sie aller
Welt präsentieren muss“, sagte Petry der
„Welt am Sonntag“.
Fabian Leber
Schärferes Profil. SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert, die Partei müsse sich mehr der
Gerechtigkeitsfrage widmen.
Foto: dpa
Der Konvent verabschiedete mehrere
Leitanträge. Unter dem Titel „Solidarprojekt – Politik für die solidarische Mitte“
bündelt die SPD Forderungen, die deutlich machen sollen, dass sie sich nicht
nur um Flüchtlinge, sondern auch um sozial schwache Bundesbürger kümmert.
Dazu gehören Investitionen in Bildung,
Arbeit und Infrastruktur. Dafür soll das
Kooperationsverbot aufgehoben werden,
das die Finanzierung von Länder-Bildungsaufgaben durch den Bund verhindert. Zudem will die SPD Steuerkriminalität bekämpfen und den Kampf gegen Alltagskriminalität verstärken.
Berlins Regierender Bürgermeister
Müller hatte dem Konvent die Beschlüsse
zum Wohnungsbau und zur Stadtentwicklung vorgestellt. „Wie kommen wir noch
schneller und besser zu bezahlbarem
Wohnen?“, laute die Aufgabe, sagte er anschließend. Der Antrag der SPD fordert
die Schaffung eigener Kompetenzen des
Bundes im Wohnungsbau, einen Abschied von der Höchstpreisorientierung
der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben beim Verkauf von Bundesliegenschaften, eine Senkung der Belastung der Mieter bei der Umlage der Kosten für die
Wohnungsmodernisierung sowie eine
Stärkung des Mietspiegels. „Das ist ein
Thema, bei dem wir nicht warten, sondern schon 2016 handeln wollen“, kündigte Müller an.
Hans Monath
— Meinungsseite
Schon am Montag könnte Bundespräsident Joachim Gauck seinen Verzicht auf eine zweite Amtszeit bekannt geben.
Fotos: Michael Kappeler/dpa, John MacDougall/AFP
Merkels Prüfung
Einen mehrheitsfähigen Kandidaten als Nachfolger von Joachim Gauck zu finden dürfte schwierig werden
Von Stephan Haselberger
Berlin – Wenn es so kommt, wie in den
Parteien inzwischen fast alle glauben,
dann ist es bald soweit. Dann wird Bundespräsident Joachim Gauck demnächst
zur Pressekonferenz ins Schloss Bellevue
einladen, um seinen Rückzug anzukündigen. Womöglich wird er bereits an diesem Montag Klarheit schaffen, schon allein um die vielen Spekulationen zu beenden, welche seinem Abschied die Würde
zu nehmen drohen. Denn nachdem die
„Bild“-Zeitung am Freitagabend Gaucks
Verzicht auf eine weitere Amtszeit meldete, beschäftigt sich der politische Betrieb vor allem mit der Frage, wer sein
Nachfolger werden könnte. Gauck, der
nicht völlig frei von Eitelkeit ist, dürfte es
nicht gefallen, dass er bereits abgeschrieben wird, bevor er sich selbst erklärt hat.
Mit einer schnellen Reaktion des Staatsoberhaupts ist deshalb zu rechnen.
Hat Gauck erst offiziell verkündet,
dass er geht, beginnt für CDU-Chefin Angela Merkel und die anderen Parteichefs
das große Machtspiel. Die Nominierung
und Durchsetzung eines Kandidaten
oder einer Kandidatin für das höchste
Amt im Staat gehört zu den eher schwierigen Prüfungen. Wer seinen Bewerber in
der Bundesversammlung nicht durchbringt, muss sich unweigerlich Fragen
nach seiner Führungskraft, nach strategischem Weitblick und taktischem Geschick gefallen lassen – allzumal die Wahl
des Bundespräsidenten immer auch als
Koalitionssignal für die Bundestagswahl
gedeutet wird.
Falls Gauck geht, hat Merkel zwei Optionen: Sie kann einen Unionsbewerber
ins Rennen schicken oder einen überparteilichen Kandidaten nominieren. Eine
Person aus den Reihen von CDU oder
CSU wäre in der Bundesversammlung
auf die Unterstützung der Grünen angewiesen, da die SPD keinen aktiven Unionspolitiker mittragen wird. Ein solches
schwarz-grünes Signal vor der Bundestagswahl dürfte aber auf Vorbehalte in
der CSU sowie beim linken Flügel der
Grünen stoßen.
Wie schwer diese Vorbehalte wiegen,
hängt auch von der Persönlichkeit des Bewerbers ab. Drei Unionspolitiker werden
bereits als mögliche Kandidaten gehandelt: Bundestagspräsident Norbert Lammert(CDU),die scheidende CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt
und – wie schon so oft – Wolfgang
Schäuble, der heutige Finanzminister.
Dass Lammert und Schäuble – intellektuelle Schwergewichte der eine wie der andere – das Amt ausfüllen würden, ist in der
Union unbestritten, auch wenn beide in
den eigenen Reihen weniger geliebt als
vielmehr respektiert werden. Ob jedoch
dieGrünenLammert oder garSchäublegeschlossen mittragen würden, ist fraglich.
Anders verhielte es sich womöglich bei
einer Kandidatur von Gerda Hasselfeldt.
Die Grünen könnten für sich in Anspruch
nehmen, erstmals einer Frau an die
Spitze des Staates verholfen zu haben.
Auch gilt Hasselfeldt als ausgleichende
Politikerin, die bei den Grünen nicht automatisch harten Widerstand hervorrufen
würde. So hat Hasselfeldt die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin im Gegensatz zu
CSU-Chef Horst Seehofer nie in Bausch
und Bogen verdammt. Mit der CSU-Frau
böte sich Merkel zudem die Chance, die
konservative bayerische Schwesterpartei
für ein schwarz-grünes Koalitionssignal
in der Bundesversammlung zu gewinnen.
Denn Seehofer könnte im Gegenzug für
sich in Anspruch nehmen, an der Staatsspitze eine CSU-Politikerin durchgesetzt
zu haben.
Merkels zweite Option – die Nominierung eines parteilosen Kandidaten – gilt
als weniger risikobehaftet. Ein überparteilicher Bewerber, der durch die Kraft seiner Persönlichkeit
und Vita besticht,
könnte in der Bundesversammlung
mit einiger Wahrscheinlichkeit auf
die sichere Mehrheit der großen
Koalition
bauen.
SPD-Chef
Sigmar Gabriel
dürfte ei-
ner solchen Lösung auch deshalb zustimmen, weil die Alternative – ein gemeinsamer Kandidat von SPD, Linkspartei und
Grünen, wie ihn einige Sozialdemokraten jetzt fordern – leicht ins Abseits führen kann. Zwar verfügt Rot-Rot-Grün im
dritten Wahlgang über eine relative Mehrheit in der Bundesversammlung. Dass die
Grünen im Ernstfall geschlossen mitziehen, gilt in der SPD jedoch als unwahrscheinlich. Die Chancen für einen gemeinsamen Bewerber oder eine gemeinsame Bewerberin – im Gespräch sind
etwa der deutsch-iranische Schriftsteller
Navid Kermani oder die Chefin des Wissenschaftszentrums Berlin, Jutta Allmendinger – stehen aus SPD-Sicht also eher
schlecht. Und dass sich der beliebteste
SPD-Politiker, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, für ein Experiment mit ungewissem Ausgang zur Verfügung stellen
würde, ist auch nicht zu erwarten.
In der SPD wird nun damit gerechnet,
dass Merkel bald das Gespräch mit Gabriel sucht. Sie könnte ihrem Koalitionspartner dann einen gemeinsamen überparteilichen Kandidaten wie Andreas
Voßkuhle vorschlagen, den Präsidenten
des Bundesverfassungsgerichts. Ihn hatte
Merkel 2012 gegen einen über die Parteigrenzen hinweg populären Bewerber ins
Rennen schicken wollen: Joachim Gauck.
Voßkuhle hatte der Kanzlerin damals abgesagt. Er könnte seine Meinung jetzt
aber ändern – wenn es denn so kommt,
wie fast alle glauben und Gauck seinen
Abschied nimmt.
Nur wenig Randale
Steuer-Debatte läuft wieder an
Vielfältige Protestaktionen gegen den Marsch
von 1000 Neonazis in Dortmund
Die Union will die Mittelschicht entlasten, um die FDP klein zu halten.
SPD und Grüne reden in der Steuerpolitik mit – und sind skeptisch
Dortmund - In Dortmund hatte sich die
Polizei über Wochen auf brenzlige Situationen eingestellt. Neonazis aus ganz
Deutschland hatten sich für Samstag zu
einer Demonstration verabredet. Nazigegner aus dem ganzen Bundesgebiet hatten zu Gegenprotesten aufgerufen. Die
Polizei befürchtete schwere Ausschreitungen, doch diese blieben bis auf kleine
Scharmützel aus.
Stattdessen prägten riesige, mit Luft gefüllte, silberne Würfel den Demotag in
Dortmund. Das Schauspielhaus der Stadt
hatte gemeinsam mit dem Künstlerkollektiv „Tools for Action“ und 14 „Schulen
ohne Rassismus“ seit Monaten an diesen
„Spiegelbarrikaden“ gearbeitet. Die Würfel sollten dazu dienen, den Protest aufzulockern und den Rechten einen Spiegel
vorzuhalten. Die Künstler gaben ihre
Würfel an die unterschiedlichsten Protestakteure aus.
So versuchten Demonstranten des zivilgesellschaftlichen „BlockaDo“-Bündnisses am Morgen, mit Würfeln voran durch
eine Polizeiabsperrung zu gelangen. Die
Polizei zerstörte die Kunstobjekte teilweise mit Messern. Bei einer Demonstration des „Arbeitskreises gegen Rechts“,
an der über 2000 Menschen teilnahmen,
unter ihnen der Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau, wurden die Würfel als Schlange und Spielobjekt von Schülern getragen. Später wurde eine symbolische Mauer gebaut, um den Aufmarsch
der Neonazis abzuschirmen. Über den
Protest gegen die Neonazis zeigte sich
der Oberbürgermeister der Ruhrgebietsstadt am Abend erfreut: „Es waren gute
Aktionen. Sie waren sehr erfolgreich. Dafür meinen herzlichen Dank.“
Kritik äußerten Stadtspitze und Polizei
am „linksautonomen Spektrum“. Der
Oberbürgermeister sprach von „Reisekadern“, deren „importierte Gewalt“ er genauso ablehne wie die Rechtsextremen.
Tobias Schmidt vom Antifa-Bündnis
„NoTddZ“ sieht dies anders. Er spricht
von einem „polizeilichen Ausnahmezustand“ und davon, dass die Polizei Nazigegner nicht zu angemeldeten Versammlungen durchgelassen habe. Außerdem
soll es zahlreiche verletzte Demonstranten durch Polizeieinsätze gegeben haben.
Aber auch die Polizei beklagt verletzte Beamte. Abseits des eigentlichen Demogeschehens seien außerdem Einsatzfahrzeuge attackiert worden.
Die Neonazis der Partei „Die Rechte“,
die einen Sitz im Stadtrat hat, können mit
dem Aufmarsch zum „Tag der deutschen
Zukunft“ – zumindest quantitativ – zufrieden sein. Die Demonstration, die zum
achten Mal stattfand, hatte noch nie so
viele Teilnehmer. In den letzten fünf Jahren gab es in Dortmund keinen Aufmarsch in der Größenordnung von 1000
Rechtsextremen. Über mehrere Kilometer konnten die Rechten ungestört demonstrieren, zum Großteil allerdings
durch ein Industriegebiet. In Reden
wurde die Opferzahl des Konzentrationslagers Buchenwald heruntergespielt und
darauf verwiesen, dass, wer nicht „deutschen Blutes“ sei, im Land „nichts zu suchen“ habe. In der Nacht randalierten
über 100 Neonazis im Stadtteil Dorstfeld.
Sebastian Weiermann
Berlin - Der Bundestagswahlkampf naht,
die Forderungen nach großen Würfen
werden wieder lauter. Die Union prescht
beim Thema Steuern vor. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat in ungewohnter Tateinheit mit seinem Finanzminister Markus Söder eine „große Sache“
angekündigt.Der hessische Finanzminister Thomas Schäfer will einen „großen
Wurf“. Und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der sich in der gesamten
Wahlperiode an den Koalitionsvertrag gehalten hat, der das steuerpolitische Patt
zwischen Union und SPD festschrieb,
kommt aus der Deckung seiner SchwarzeNull-Politik und gibt sich offensiv.
Es geht der Union vor allem darum, die
Mittelschicht zu entlasten – und so der ungeliebtenFDP dasWasser abzugraben. Zusätzlich zu der bereits angekündigten
Möglichkeit, den Einkommensteuertarif
an die Inflation anzupassen (also der kalten Progression entgegenzutreten), will
Schäuble weitere Änderungen im Steuertarif, um die Belastung mittlerer Einkommen zu deckeln. So soll der Spitzensteuersatz nicht mehr ab einem Einkommen von
53 000 Euro greifen, sondern deutlich darüber. Auch Seehofer und Söder zielen auf
die Besserstellung der Mitte. Nach „Jahren des Stillstands“ (die Bayern meinen
damit auch Schäuble) müsse es eine neue
Gerechtigkeit in der Steuerpolitik geben,
fordert der Münchener Finanzminister.
Er will bei der Einkommensteuer den
„Tarif auf Rädern“, den Schäuble aber vorerst nicht will. Diese automatische Anpassung des Steuertarifs an die Inflation
schafft die kalte Progression komplett ab.
Finanzminister Schäuble hat andere Pläne
Foto: Roberts/Reuters
als mancher Kollege.
Schäuble ist gegen den Automatismus, er
will alle zwei Jahre per Bundestagsabstimmung entscheiden lassen, ob man
anpasst oder nicht. In München denkt
man zudem an eine Abschaffung der Abgeltungsteuer auf Kapitalgewinne – sie
beträgt pauschal 25 Prozent, künftig
würde wieder der persönliche Steuersatz
gelten. Damit würden Gutverdiener stärker belastet. Der Vorstoß von Söder deckt
sich mit Forderungen der SPD, die einst
von Finanzminister Peer Steinbrück eingeführte Abgeltungsteuer wieder zu begraben. Dass die CSU-Granden auch den
Solidaritätszuschlag abschaffen wollen,
istkeinvöllig neuerPlan– das hatdieKanzlerin schon vor gut einem Jahr zur künftigen Position der Union erklären lassen.
Freilich geht in der Steuerpolitik nichts
ohne die SPD und die Grünen. Schon weil
beide Parteien über ihre Landesregierungen im Bundesrat eine Sperrmöglichkeit
haben – bei den großen Steuern sind die
Länder immer mit im Boot. „Wir wollen
auch, dass es gerecht zugeht“, kontert der
nordrhein-westfälische Finanzminister
Norbert Walter-Borjans die Forderungen
aus der Union. Doch sagt er auch: „Wem
bei Rekordgewinnen und Rekordbeschäftigung und daraus folgenden Steuereinnahmen zwar Steuersenkung, aber nicht
auch Investitionsbedarf, gerechte Lastenverteilung und Abbau von Krediten einfallen, streut den Menschen Sand in die Augen und nimmt die Erosion unserer Wohlstandsgrundlagen in Kauf.“ Der Sozialdemokrat gibt zu bedenken, dass die Steuerlast „gemessen an dem, was wir vom Staat
erwarten undauch bekommen, iminternationalen Vergleich absolut zu vertreten
ist“. Er will weiterhin den Kampf gegen
Steuerhinterziehung forcieren und so zu
Mehreinnahmen kommen. Es gehe nicht
gerecht zu, „solange die Mittelschicht einen zu hohen Beitrag leisten muss, weil
Einkommensmillionäre durch Abgeltungsteuer, niedrigen Spitzensatz, Behandlung von Erbschaften und Schenkungen
sich einer angemessenen Beteiligung entziehen können“, sagte er dem Tagesspiegel. Es gehe darum, „dass hohe Einkommen und Großvermögen angemessen beteiligt werden“.
Albert Funk
POLITIK
MONTAG, 6. JUNI 2016 / NR. 22 779
E
NACHRICHTEN
F
PHILIPPINEN
Künftiger Präsident bedroht
korrupte Beamte mit dem Tod
Davao - Der umstrittene künftige Präsident der Philippinen, Rodrigo Duterte,
hat auch korrupte Polizei-Offiziere mit
dem Tod bedroht. Beamte, die der Bestechlichkeit oder des Drogenhandels
schuldig seien, müssten freiwillig zurücktreten oder sterben, sagte Duterte am
Samstag vor etwa 300 000 Anhängern in
seiner südphilippinischen Heimatstadt
Davao. „Ich spaße nicht, ich werde euch
alle töten“, fügte er hinzu. Erst vor wenigen Tagen hatte Duterte Morde an Journalisten in manchen Fällen für gerechtfertigt erklärt. „Nur weil du ein Journalist
bist, bist du von Attentaten nicht ausgenommen, wenn du ein Hurensohn bist“,
sagte er. Duterte hat sich bereits im Wahlkampf als raubeiniger Hardliner präsentiert. Er fluchte viel, beleidigte Kirchenvertreter, sprach abfällig über das Parlament und drohte Drogendealern mit
Mordkommandos. Der 71-Jährige hatte
mit dem Versprechen, Kriminalität und
Drogenhandel binnen sechs Monaten zu
beenden, die Präsidentenwahl Anfang
Mai haushoch gewonnen. Er tritt sein
Amt am 30. Juni an.
dpa
SYRIEN
Kurden rücken auf strategisch
wichtige IS-Stadt vor
Damaskus - Ein kurdisch geführtes Bündnis kämpft sich immer näher an die von
der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gehaltene strategisch wichtige Stadt Minbidsch in Nordsyrien heran. Einheiten
der Demokratischen Kräfte Syriens
(DFS) seien nur noch fünf Kilometer von
den Außenbezirken des Ortes entfernt,
teilte die Syrische Beobachtungsstelle für
Menschenrechte am Sonntag mit. Minbidsch ist die bedeutendste Stadt des IS
in Grenznähe zur Türkei. Bei der Offensive, die die DFS vor einigen Tagen gestartet hatte, wurden den Menschenrechtlern zufolge sechs Frauen und 15 Kinder
der Glaubensgemeinschaft der Jesiden befreit. Die Dschihadisten hatten nach der
Einnahme der Region Sindschar im Irak
2014 tausende Jesiden versklavt oder getötet. Sie betrachten diese als Ungläubige. Die DFS sind ein Zusammenschluss
der Kurdenmiliz YPG und weiterer Gruppen. Bereits vor einigen Tagen hatten Einheiten der DFS mit US-Unterstützung einen Großangriff nördlich der IS-Hochburg Al Rakka gestartet.
dpa
DER TAGESSPIEGEL
Schweizer gegen Grundeinkommen
In einer Volksabstimmung sagt eine satte Mehrheit Nein zu 2260 Euro monatlich für jeden vom Staat
das nötige Geld für die Überweisungen an
die Einwohner nur mit „exorbitanten Steuersätzen von 70 bis 100 Prozent“ hereinholen. „Unter diesen Umständen muss
man die Menschen zur Arbeit zwingen.
Das braucht einen Kontrollstaat, und ich
kann nicht verstehen, wie freiheitsliebende Menschen so etwas wollen.“ Letztlich, so prophezeite der Ökonom, führe
das Grundeinkommen in die „Sklaverei“.
Die Regierung sprach von einer Finanzierungslücke von jährlich umgerechnet
mehr als 22 Milliarden Euro. Zudem
warnte das Kabinett vor einer Spaltung
der Gesellschaft: DasSchweizer Sozialsystem unterstütze die Menschen, die nicht
selber für ihren Lebensunterhalt aufkommen können, erklärte Innenminister
Alain Berset. Mit dem Grundeinkommen
erhielten alle MenscheneineUnterstützung, „auch ohne ei- Eidgenossen
nenBeitragandieGesellschaft zu leisten. stimmen
Das würde das Ge- aber
rechtigkeitsempfinden vieler verletzen für neues
und damit den sozia- Asylgesetz
len Zusammenhalt
gefährden.“
Neben der Einführung des Grundeinkommens standen noch vier weitere Themen zur Abstimmung an: So sagten die
Schweizer Ja zu einem neuen Gesetz zur
Fortpflanzungsmedizin. Und sie sagten Ja
zu einer Beschleunigung der Asylverfahren. Mit der Zustimmung von mehr als 65
Prozent zu den Änderungen im Asylgesetz fügten die Stimmbürger der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei
eine deftige Schlappe zu – die SVP war gegen die Reform des Asylgesetzes zu Felde
gezogen. 2015 wurden in der Schweiz
knapp 40 000 Asylgesuche eingereicht,
das Land hat mehr als acht Millionen Einwohner. Regierung und Parlament hatten
die Änderungen bereits gebilligt, die Zeit
und Geld sparen sollen. Die Eidgenossen
wollen nun die meisten Verfahren zentral
in Asylzentren abschließen, das Prozedere soll nicht länger als 140 Tage dauern.
DieAsylbewerber werden einen kostenlosen Rechtsschutz erhalten. Die SVP
lehnte die„Gratisanwälte“ als teures Privileg ab und warnte: Das neue Gesetz locke
noch mehr Asylbewerber in die Eidgenossenschaft.
Von Jan Dirk Herbermann, Genf
Die Schweizer haben dem Plan eine heftige Abfuhr erteilt: Am Sonntag lehnten
Hochrechnungen zufolge rund 80 Prozent der Wähler die Einführung eines „bedingungslosen Grundeinkommens“ ab.
Somit haben die Schweizer auch eine Pionierrolle ihres Landes in Europa verhindert. Helvetien wäre der erste Staat des
Kontinents gewesen, in dem die Regierung den Einwohnern eine feste finanzielle Grundausstattung gezahlt hätte –
ohne Gegenleistung. Dennoch dürfte das
Votum die Debatte über Grundeinkommen in anderen Ländern weiter anregen.
Trotz der Niederlage freute sich der Vater der Initiative, der Basler Daniel Häni,
über den Zuspruch von etwa 20 Prozent.
„Ich finde es sagenhaft und sensationell“,
sagte der Bistro-Betreiber nach der Abstimmung. Tatsächlich hatte Häni und
seine „Initiative Grundeinkommen“ gegen eine breite Ablehnungsfront zu kämpfen.Regierung,Parlament, die Wirtschaft
und selbst der GeRund
werkschaftsbund
80 Prozent
wollten von den
Transfers nichts wisder Wähler
sen.
lehnten
Dem Konzept zufolge sollte der Staat
den Plan ab
jedem Erwachsenen
2500
Schweizer
Franken (2260 Euro) pro Monatsteuerfrei
zahlen, egal ob erdie SchweizerNationalität hat oder nicht. Einwanderer wären somit auch Empfänger geworden. Pro Kind
sollte der Staat rund 625 Franken (565
Euro) auf das Konto der Eltern überweisen. Das Grundeinkommen sollte mit anderenZahlungen,etwa derRente,verrechnet werden. Eine vierköpfige Familie
wäre somit in den Genuss von monatlich
weit über 5000 Euro gekommen – ein Betrag, der in der teuren Schweiz für ein Leben ohne große finanzielle Sorgen ausreichen kann. Das Grundeinkommen befreie
die Menschen von der „Existenzangst“
und bringe „Marktwirtschaftund Menschlichkeit zusammen“. Die Initiatoren versicherten: Die Finanzierung könnte gestemmt werden.
Doch das wollte keiner der Gegner des
Grundeinkommens glauben. Sie warnten
vor dem Bau einer riesigen Umverteilungsmaschine. Der Ökonom Reiner Eichenberger befürchtete, der Staat könne
Die Kampagne blieb ohne Erfolg. In den vergangenen Wochen hatte die Initiative intensiv
um Zustimmung für ein Grundeinkommen geworben.
Foto: Arnd Wiegmann/Reuters
— Meinungsseite
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523,20 €), überregional 46,30 € (Quartal 138,90 €, Halbj.
269,50 €, jährlich 527,80 €); Studenten 22,20 € (Quartal
66,60 €, Halbj. 129,20 €, jährlich 253,10 €); PremiumStudentenabo 25,20 € monatlich (inkl. „Zitty“ wöchentlich,
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Krise in Kroatien
Jetzt auch Kreta
Regierung scheitert nach nur vier Monaten
Machtkampf in Zagreb voll entbrannt
Griechische Insel könnte neues Ziel von
Flüchtlingen aus Nordafrika und der Türkei werden
Sarajevo - Die Regierung ist tot – der
Machtkampf geht weiter. Freitagabend
hatte der Chef der größten kroatischen
Parlamentspartei, Tomislav Karamarko,
die Koalition mit der Partei Most unter
ihrem Chef Božo Petrov platzen lassen
und gleichzeitig auch noch dem parteiunabhängigen Premier Tihomir Oreškovic
das Vertrauen entzogen. Dieser will jedoch keinesfalls zurücktreten. Deswegen
könnte nun die HDZ im Parlament seine
Abberufung einleiten.
Karamarko ist der starke Mann der
kroatischen Politik, geriet aber unter
Druck, weil seine Ehefrau Ana von einem
Lobbyisten des ungarischen Mineralölkonzerns Mol ein Beratungshonorar über
60 000 Euro bekommen hatte. Die Sozialdemokraten initiierten daraufhin Mitte
Mai ein Amtsenthebungsverfahren gegen
Karamarko, weil sich Kroatien seit Jahren
im Streit mit der Mol befindet. Es war der
Verdacht aufgekommen, dass Karamarko
sich durch das Geld der Ehefrau in einen
Interessenskonflikt hineinmanövriert haben könnte.
Regierungschef Oreškovic forderte
jüngst Karamarkos und Petrovs Rücktritt. „Wie Sie wissen, sind die Beziehungen zwischen Karamarko, Petrov und mir
eine zu große Bürde für Kroatien geworden. Ich habe mich bemüht, ihre Beziehungen zu reparieren, aber das war unmöglich. Deshalb fordere ich Karamarko
und Petrov auf, ihre Verpflichtungen aufzugeben.“
Diese Rücktrittsaufforderung fasste Vizepremier Karamarko aber offenbar als
eine Art Majestätsbeleidigung auf. „Dieses Ringelspiel war zu viel“, so Kara-
marko. Offenbar hat der HDZ-Chef nur
auf einen Anlass gewartet, aus der ungeliebten Koalition auszusteigen, denn nun
will er ohne Most nach neuen Mehrheiten im Parlament suchen. Im Frühling
könnte es ohnehin Neuwahlen geben.
Der geschasste Koalitionspartner Most
zeigte sich weiterhin selbstbewusst und
kritisch. Božo Petrov erinnerte daran,
dass die HDZ in ihrem Namen das Wort
„Demokratie“ trage. Deshalb solle sie zeigen, dass sie auch demokratisch sei und
nicht von einem „Pharao“ geführt werde.
„Uns liegt Kroatien immer am Herzen
und nicht in der Tasche“, sagte er. Wenn
Karamarko wirklich ein Patriot wäre,
hätte er angesichts der Affäre um das
Geld der Ehefrau sofort zurücktreten sollen, so Petrov.
Im Hintergrund geht es um die finanzielle Situation des Landes, das seit 2008
in einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise steckt: Vergangene Woche ist
Kroatien daran gescheitert, eine Staatsanleihe auszugeben, weil der Zinssatz wegen der instabilen politischen Situation
bei viel zu hohen fünf Prozent lag.
Most hatte vor der Regierungsbildung
gefordert, dass es einen unparteiischen
Premier geben müsse. Deshalb war der
relativ liberale Pharma-Manager Oreškovic zum Zug gekommen. Karamarko und
die HDZ haben dies nie verwunden.
Die Koalition hatte gerade mal vier Monate gehalten – sie war am 22. Januar besiegelt worden, nachdem ohne Most weder die von der HDZ angeführte Patriotische Koalition noch die Sozialdemokraten (SDP) eine Mehrheit im Parlament
finden konnten.
Adelheid Wölfl
Protest.
Dieses Mädchen
demonstriert gegen
die Einflussnahme
der kroatischen
Parteien
auf eine
Bildungskommission.
Foto: AFP
Athen - Im Hafen von Augusta auf Sizilien ist Sonntagabend ein Schiff mit Überlebenden der jüngsten Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer erwartet worden.
221 Migranten erreichten damit ihr Ziel
Italien, nachdem sie drei Tage zuvor, am
Donnerstag vergangener Woche, vor
Kreta in Seenot geraten waren. 97 weitere Flüchtlinge wurden nach Angaben
der griechischen Küstenwache zurück
nach Ägypten gebracht. Von dort hatten
sie ihre waghalsige Reise in einem 25 Meter langen Fischkutter begonnen.
Zunächst war von bis zu 700 Passagieren die Rede, die von Schleppern auf das
Schiff gesetzt worden seien. Aussagen
der Überlebenden zufolge waren aber
etwa 350 Flüchtlinge an Bord, so gab es
die griechische Küstenwache am vergangenen Wochenende an. Neun Leichen
wurden bisher im Meer geborgen. Auf
dem havarierten Fischkutter suchte die
griechische und die ägyptische Marine
aber weiter nach Hinweisen.
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) in Genf hatte zuvor Alarm
geschlagen, weil sie eine weitere Tragödie mit Hunderten von Ertrunkenen im
Mittelmeer befürchtete. Denn die Zahl
der Überfahrten großer Flüchtlingsgruppen von der nordafrikanischen Küste in
Richtung Italien ist in den vergangenen
Wochen wieder sprunghaft angestiegen.
2443 Menschen kamen laut IOM von Jahresbeginn bis 31. Mai im Mittelmeer um;
bis zu 900 allein in der letzten Maiwoche, als Schiffe auf halbem Weg von der
libyschen Küste nach Sizilien untergingen. Mehr als hundert Leichen waren vergangenen Donnerstag an einem Strand
westlich von Tripolis angespült worden.
Dort war ein anderes Schiff mit Flüchtlingen untergegangen.
Die Verlagerung der Flüchtlingsströme
zum östlichen und zentralen Mittelmeer
erklärt sich jetzt durch die vergleichsweise ruhige See, aber auch durch die abschreckende Wirkung der Patrouillen in
der Ostägäis und der Internierung von
Flüchtlingen auf den griechischen Inseln
gemäß dem Abkommen zwischen der EU
und der Türkei. Kreta könnte dabei zu
einem neuen Brennpunkt werden, wie
IOM-Sprecher Joel Millmann warnte.
Überfüllte Flüchtlingsschiffe schaffen es
auf der Fahrt von Ägypten und Libyen
nach Italien nur knapp bis Kreta, bevor
sie in Seenot geraten und dann Rettungs-
signale geben. Griechenlands größte Insel wird offenbar aber auch zur Ausweichroute für Migranten, die von der türkischen Küste bisher schnell nach Lesbos
oder Chios übersetzen konnten.
Das jüngste Schiffsunglück vor Kreta –
140 Kilometer vor der Insel noch in ägyptischen Gewässern – ist der dritte Fall innerhalb weniger Tage in diesem Gebiet.
Am 27. Mai rettete die griechische Küstenwache bereits 65 Flüchtlinge vor
Kreta. Am 31. Mai landeten 113 mehrheitlich afghanische Migranten auf einem Strand bei dem Urlauberstädtchen
Agios Nikolaos im Nordosten Kretas. Die
Gruppe soll aus Antalya an der türkischen Mittelmeerküste aufgebrochen
sein. Zwei mutmaßliche Schlepper – ein
Kroate und ein Montenegriner – waren
laut griechischen Medien mit dabei und
wurden festgenommen.
„Wir sind besorgt über diesen Wechsel“, sagte eine UNHCR-Mitarbeiterin,
Schwere Lage. Flüchtlingsjunge in einem
Foto: AFP
Lager in Griechenland.
die wegen des jüngsten Schiffsunglücks
nach Kreta flog, aber dann unverrichteter
Dinge wieder abzog. Keiner dieser Flüchtlinge wollte tatsächlich nach Kreta, so berichtete sie.
Österreichs Außenminister Sebastian
Kurz forderte am Wochenende, die
Flüchtlingsschiffe im Mittelmeer abzufangen und die Passagiere zu internieren
oder zurück nach Nordafrika zu schicken. Man müsse den Flüchtlingen klarmachen, „dass die Rettung aus Seenot
nicht mit einem Ticket nach Mitteleuropa verbunden ist“. Die Wiener Koalition hat bereits die Schließung der Balkanroute initiiert.
Markus Bernath
5
Polen fordern
Freiheit und
Demokratie
Zehntausende bei Demo
in Warschau
Warschau - Unter dem Motto „Alle für
die Freiheit“ haben am Samstag tausende Menschen in Polen an den Jahrestag der teilweise freien Wahl im Jahr
1989 erinnert. Zugleich demonstrierten
sie gegen die Politik der nationalkonservativen Regierung. In Warschau kamen
nach Angaben der Stadtverwaltung
50 000 Menschen zu einem Marsch zusammen. Die Polizei sprach von 10 000
Teilnehmern. Zu den Demonstrationen
hatten die Oppositionsbewegung KOD
und die drei Ex-Präsidenten Lech Walesa, Aleksander Kwasniewski und Bronislaw Komorowski aufgerufen. Während der einstige Arbeiterführer Walesa
nicht auftrat, marschierten Komorowski
und Kwasniewski in der ersten Reihe.
Immer wieder skandierten die Menschen auf der Demonstration: „Freiheit,
Gleichheit, Demokratie!“ Viele hatten
nicht nur polnische Nationalfahnen, sondern auch Europafahnen mitgebracht.
„Wir wissen noch gut, wie schwer die
Arbeit für die Sache der Freiheit war“,
sagte Komorowski. „Aber heute weiß
ich, dass Polen anders, besser ist.“ „Wir
wussten wirklich nicht, wie es endet,
aber wir wussten, dass wir es riskieren
müssen“, erinnerte Kwasniewski an die
Wahlen von 1989. Er gehörte damals
als junger Minister der kommunistischen Regierung der „anderen Seite“
an. „Das ist unser Platz in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Den Spuren der Polen folgten die Tschechoslowakei, Bulgarien, Rumänien. Damals begann der Prozess der deutschen Wiedervereinigung.“
Skeptischer zeigte sich der derzeitige
polnische Präsident Andrzej Duda.
„Diese Wahl war nicht völlig frei“, sagte
er im TV. „Nach diesen Wahlen wurde
General Jaruzelski Präsident. Auch mit
Zustimmung eines Teils der Eliten von
Solidarnosc.“
Walesa, Kwasniewski und Komorowski richteten auch einen gemeinsamen Appell an die Völker Europas, in
dem sie zur Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aufriefen.
„Von den Straßen und Plätzen, auf denen einst (die unabhängige Gewerkschaft) Solidarnosc geboren wurde, rufen wir einmal mehr alle Europäer zur
Solidarität auf“, schrieben sie in ihrer
Botschaft. „Wir sprechen für Hunderttausende – freie polnische Bürger, die
seit einem halben Jahr (seit Beginn der
nationalkonservativen Regierung) auf
den Straßen ihre Bindung an Demokratie, Recht und ein freies Europa demonstrieren.“
dpa
Erdogan
wittert
Verschwörung
Istanbul - Wenige Tage vor dem Armenier-Beschluss des Bundestages war Recep Tayyip Erdogan nach einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel
offenbar noch guten Mutes, die von der
Türkei heftig kritisierte Anerkennung
des Völkermordes verhindern zu können. Die deutsche Regierungschefin
habe ihm in dem Gespräch zugesagt, alles ihr Mögliche zu tun, sagte Erdogan am
Wochenende. Doch dann sei die Kanzlerin abgetaucht und habe nicht einmal an
dem Votum teilgenommen. Irgendetwas
stimme da nicht, ist Erdogan sicher. Der
türkische Staatschef und viele seiner
Landsleute wittern eine Verschwörung.
Eine „höhere Macht“ habe den Deutschen den „Befehl“ für die Resolution gegeben, sagte Erdogan. Ohne näher zu beschreiben, was er damit meint, sprach er
von einer „deutschen Schule“, die es auf
die Türkei abgesehen habe und zu der er
auch die Medien zählte. Um die Armenier
sei es dem Bundestag jedenfalls nicht gegangen: Das Thema werde als „Knüppel
gegen die Türkei“ instrumentalisiert. Der
Begriff der „höheren Macht“ wird in der
Türkei häufig verwendet, wenn angebliche geheime Machenschaften der USA im
Nahen Osten gemeint sind.
In einem Land, in dem Verschwörungstheorien fast schon ein Volkssport sind,
kann Erdogan sicher sein, dass ihm das abgenommenwird. Erreihte dasBundestagsvotum ineine ganze Serie vonEntwicklungen ein, hinter denen er Machenschaften
des westlichen Auslands und innerer
Feinde sieht: die Gezi-Proteste, die Korruptionsvorwürfe gegen seine Regierung
unddie Gewalt derkurdischenTerrororganisation PKK – die Armenien-Resolution
sei „das letzte Glied dieser Kette“.
Schon während der Gezi-Demonstrationen vor drei Jahren hatten Erdogan-Anhänger den Verdacht, dass die Protestbewegung von ausländischen Kräften gesteuert werde.
Thomas Seibert
6
MEINUNG
DER TAGESSPIEGEL
STUTTMANN
NR. 22 779 / MONTAG, 6. JUNI 2016
D
PORTRÄT
SPD
Kurs mit Kosten
S
igmar Gabriel versucht sich an der Quadratur der Kreises:
die Mitte nicht aufgeben, aber trotzdem die SPD deutlich
nach links rücken – einfach indem man die politische Mitte
erobert und diese nach links rückt. So lautet nach dem Parteikonvent die Botschaft des Vorsitzenden, der ein Wochenende ohne
Kritik aus den eigenen Reihen erleben durfte. Das Versprechen
eines sozialeren Profils, die Konzentration auf Gerechtigkeit und
auch auf Verteilungsgerechtigkeit scheinen die Partei zusammenzuführen. Beim konservativen und pragmatischen Flügel steht
Loyalität hoch im Kurs, weshalb Widerspruch ausbleibt. Die Parteilinke, deren Skepsis gegenüber Gabriels Verlässlichkeit nicht
geschwunden ist, sieht das offene Terrain, das sie besetzen will,
wenn es ums Wahlprogramm geht. Widerstand gegen konkrete
linke Forderungen, so lautet die Erwartung, kann ein Parteichef
nicht mehr leisten, der sich auf einen Linkskurs festgelegt hat.
Was offensiv klingen soll, ist in Wirklichkeit ein defensives Programm. Es geht nicht mehr darum, neue Wähler zu gewinnen
oder frühere zurückzugewinnen, sondern um die Verteidigung
der heutigen 20 Prozent. Die SPD aber muss aufpassen, dass sie
mit einem Spartenprogramm nicht zur Spartenpartei wird. hmt
Foto: dpa
Miguel
Arias Cañete
Dem EU-Klimakommissar wird
in seinem Heimatland Spanien
Bestechlichkeit vorgeworfen
D
Unverdiente Einkommen
— Seite 4
***
Die Koalition streitet um die Erbschaftsteuer – es wäre Zeit für eine grundlegende Reform
Grundeinkommen
Von Albert Funk
Teure Utopie
B
eim Geld hört bei den Schweizern der Spaß auf. Sie sagten
Nein zu einer teuren Utopie: dem bedingungslosen Grundeinkommen. Der Staat sollte jedem Bewohner Helvetiens
umgerechnet knapp 2260 Euro pro Monat überweisen – ohne
Gegenleistung. Das Nein ist richtig. Denn das Konzept knirscht
an zu vielen Stellen: zunächst die Finanzierung. Ohne gewaltige
Steuererhöhungen und hartes Sparen kann kaum ein Land ein
Grundeinkommen für alle Bewohner garantieren, selbst die wohlhabende Schweiz nicht. Auch müsste der Staat das gesamte Sozialsystem einreißen und neu aufbauen, auch das kostet. Zudem
hätten die Bezieher ihr Grundeinkommen nach Gusto ausgeben –
oder verschwenden – können. Sinnvoller ist es, sozial Schwachen
gezielte, zweckgebundene Zuschüsse zu gewähren. So etwa für
die medizinische Versorgung und das Wohnen. Ebenso verführt
das Grundeinkommen zum Müßiggang: Selbst so manche
Schweizer, sie sind normalerweise fleißige Menschen, wären vor
dieser Versuchung nicht gefeit gewesen. Und diejenigen, die weiter arbeiten, würden sich fragen: Warum soll ich mich krummlegen, damit sich andere auf die faule Haut legen können?
jdh
— Seite 5
D
ie nobelste Aufgabe
vonPolitikist es,dieGesellschaft in einer Balance zu halten. Also
für Ausgleich zu sorgen. Das kann man mehr oder weniger intensiv betreiben, zwischen
„laissez faire“ und Gleichmacherei
ist ja viel Spielraum. Kluge Politik
bedeutet, sich von beiden Extremen fernzuhalten. Seit Jahren
macht sich nun das Gefühl breit,
dass die recht ausgewogene Balance, welche zumindest in den
westlichen Gesellschaften die Zeit
nach dem Zweiten Weltkrieg gekennzeichnet hat, verloren gehe.
Dass derAusgleich zunehmendbrüchig wird. Dass Besitzende immer
wohlhabender werden – in Berlin
derzeit etwa durch massive Wertsteigerungen bei Immobilien. Dass
sich in der Mitte der Gesellschaft
Aufstieg und Abstieg schärfer ge-
geneinander abzeichnen, was auch
an den jeweiligen Vorbedingungen
liegt – wer Vermögen mitbringt, hat
es einfacher als der, welcher allein
auf seine Leistungsfähigkeit angewiesenist.Dass dieärmeren Schichten immer mehr abgehängt werden, dass Aufstieg in die Mitte nicht
mehr so selbstverständlich ist.
Indieser gesellschaftlichenGroßwetterlage streitet die Koalition seit
Monaten um die Erbschaftsteuer
für Unternehmensnachfolger, eine
Gruppe der Gesellschaft also, die
als begünstigt gelten darf. Es mag in
vielen Fällen ein verdientes Glück
sein, wenn Erben sich schon früh
ins Unternehmen eingebracht haben und fähig sind. Es ist in manchen Fällen aber auch nur unverdienter Dusel. Deutschland hat bei
der Unternehmensnachfolge ein
merkwürdiges
Erbschaftsteuerrecht: Die Steuersätze sind sehr
hoch, dafür gibt es Ausnahmen, die
wiederum sehr entgegenkommend
sind. Wer die Auflagen erfüllt, wird
von der Steuer ganz oder weitgehend verschont. Das soll die Erben
zur Weiterführung des Unternehmens animieren. Man kann das für
logisch halten, ganz einleuchtend
ist es nicht. Ein System mit geringen
Steuersätzen, die auch gezahlt werden müssen, erscheint logischer.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Ende 2014 hätte
ein Signal für eine Reform hin zu
mehr Logik sein können. Die aber
hat die Koalition versäumt, weil die
Union es nicht wollte. Der politische Streit geht aktuell nur noch um
Details, im wesentlichen spielt
CSU-Chef Horst Seehofer auf Zeit,
um bei anderen Themen (Flüchtlingskosten, Bund-Länder-Finanzen) Verhandlungsmasse zu haben.
In zwei, drei Wochen dürfte es damit vorbei sein. Die Unternehmerlobby hat massiv dafür gearbeitet,
dass das Ergebnis sehr unternehmerfreundlich ausgefallen ist. Die
deutschen Familienunternehmen
werden weiterhin im Glück sein.
In Reichtum hineingeboren zu
werden,ist aberkeineLeistung. Erbschaften sind unverdiente Einkommen. Die meisten Erben und Beschenkten werden dennoch auch
künftig nicht zahlen müssen. Gerade angesichts der wackligen Balance unserer Gesellschaft wäre
aberdie Besteuerungihres Startvorteils, des Zufalls der Geburt, ein Gebot des sozialen Ausgleichs – und
keine Zumutung. Es geht dabei
nicht um krude Umverteilung, sondern darum, die Steuer- und Abgabenbelastung der Arbeitseinkommen, die schon in der Mitte sehr
hoch und damit leistungsfeindlich
ist,zu mindern.DaherwärediePolitik gut beraten, bald eine echte Reform der Erbschaftsteuer anzugehen,die Erben moderat, aberzuverlässig mit einer Steuer belegt. So
wie man es ineiner Leistungsgesellschaft erwarten kann.
Nationale Erinnerung – und nationale Würde
D
ie Erinnerung, notierte vor
200 Jahren der Dichter
Jean Paul, sei „das einzige
Paradies, aus welchem wir nicht
vertrieben werden können“. Allerdings gibt es Vergangenheiten, die
nicht nur den Opfern von Leid
und Grausamkeit eher als Hölle
erscheinen. Ohne manchmal etwas zu verdrängen und zu vergessen, könnten viele Menschen
kaum (über)leben.
Sicher gilt das auch für Täter,
die so einer späten Strafe oder
peinlichen Erinnerung zu entkommen hoffen. Aber kann man sich
selbst entkommen? Und gilt das
auch über individuelle Schicksale
hinaus? Viele Gruppen, Verbände
und Völker pflegen am liebsten
ganz ausgesuchte, verklärte Erinnerungen. Sie wollen eine Schönschreibung ihrer Geschichte und
kultivieren darin eine Art kollektiver Demenz.
Wie bisher alle türkischen Regierungen im Hinblick auf den Völ-
kermord an den Armeniern. Nationalistische Türken empfinden die
jüngst in einer Bundestagsresolution wachgerufene Erinnerung an
Taten vor hundert Jahren als aktuelle Beschmutzung ihrer „nationalen Würde“.
Weltmeister des Gegenteils,
also einer möglichst ungeschminkten Erinnerungskultur, sind die
Deutschen. Nicht alle Deutschen
(„die“ ist immer eine Vereinfachung), aber zumindest das politisch, kulturell, zivilgesellschaftlich verantwortliche Deutschland.
Das hat mit der angerichteten historischen Katastrophe, mit Holocaust, Krieg und dem eigenen Zivilisationsbruch zu tun. Mit der Niederlage und dem Siegersegen einer auch unvollkommenen „Reeducation“.
Ohne die daraus folgende Selbstvergewisserung, ohne die grundsätzliche, grundgesetzliche Neubesinnung wäre auch ein Neuanfang
in Europa, wäre etwa die Aussöh-
Von Peter von Becker
Länder, die ihre
Geschichte verklären,
vergessen sich selbst
nung mit den Nachbarn Frankreich und Polen, wäre auch ein offenes Verhältnis zu Israel nie möglich gewesen.
Eigentlich sind das Selbstverständlichkeiten. Heikel wirkt frei-
lich ein Gestus sühnestolzer
Selbstgerechtigkeit, wenn wir sehr
mahnend auf uns oder andere zeigen. Aber: Die Erinnerung an die
Untaten anderer Völker soll keine
Relativierung eigener historischer
Taten bedeuten.
Überhaupt ist Geschichte, zumal in Europa, so wenig teilbar
wie die kollektive Erinnerung. Sie
kennt keine nationalen Grenzen,
keine nationalistischen Mauern
und Zäune. Die Hölle, die Täter,
die Schuldigen, das waren oder
sind immer die anderen – diese Devise funktioniert nicht. Nicht auf
Dauer. Und doch wird sie von Populisten und Nationalisten wieder
verbreitet.
Die neue Rechte marschiert,
fast überall in Europa. Nicht als
Mehrheit, aber sie ist vom eben
noch braunen Rand eingedrungen
in die Mitte, in Teile des Bürgertums. Schon denkt man da wieder
an die Trauer oder den bitteren
Hohn eines Brecht („der Schoß ist
fruchtbar noch“) oder Thomas
Bernhard (Österreich, eine Nazipest). Und man lese die jüngste
Ausgabe der klugen Zeitschrift
„Kursbuch“ zum Thema „Rechts.
Ausgrabungen“.
Mit dem starren Blick auf
Flüchtlingszahlen, Brüssel, Merkel, Pegida oder Le Pen wird vergessen, dass das in Europa überwunden geglaubte nationalistisch-völkische Denken tiefere Ursachen hat, die in der offiziellen
Selbstwahrnehmung oft verdrängt
werden. Da steht die Türkei nicht
allein. In Italien beispielsweise,
wo Mussolini inzwischen fast
wertfrei als historische Figur betrachtet wird, erinnert man sich
lieber nicht an die Allianz mit Hitler, und praktisch vergessen ist
Mussolini-Italiens Giftgaskrieg
und Massenmord an 700 000 Afrikanern 1935 beim Feldzug gegen
Abessinien. Frankreichs Erinnerung gilt viel intensiver der Résistance als dem faschistischen Vi-
chy-Regime und der eigenen, heftigen Beteiligung an der Verfolgung
und Ermordung der französischen
Juden. Österreich, lautet die
Pointe, hat aus Hitler einen Deutschen und aus Beethoven einen
Österreicher gemacht und lange
genug die Legende des „ersten Opfers“ gepflegt. Doch nirgends waren die Nazis stärker.
Wir sind die Opfer, wir werden
bedroht, das ist das Fantasma, das
Ausländer, Fremde, Minderheiten
oder den politischen Gegner zum
Sündenbock macht. Das gilt für
den wiedererstarkten Faschismus
in Kroatien ebenso wie für die gegen Juden, Sinti und Roma gerichteten Traditionen in Ungarn. Auch
das antiwestliche System Putins
gründet auf der rechtsgewendeten
nationalen Verdrängung und gar
Verklärung des Stalinismus.
So viel Selbstbetrug blendet
und vergiftet. Ohne wahre Erinnerung kann ein Land dann auch die
eigene Würde vergessen.
ie Korruption in Spanien
wirft nun auch lange Schatten auf den spanischen
EU-Kommissar für Energie und
Klima, Miguel Arias Cañete. Der
66-jährige Konservative ist in seinem Heimatland in einen Bestechungsskandal verwickelt, in dem
es um die Veruntreuung von Millionen an Steuergeldern, auch aus der
EU-Kasse, beim Bau von Trinkwasseranlagen am Mittelmeer geht.
Zuvor warArias Cañete schonunter Druck geraten, weil der Name
seiner Ehefrau in den „Panama Papers“ auftaucht. Ermittlungen des
Untersuchungsrichters Eloy Velasco am Nationalen Gerichtshof in
Madrid bringen Arias Cañete nun
in weitere Erklärungsnot: Demnach
beschuldigen frühere Topmitarbeiter den Politiker, Schmiergeldgeschäfte in seiner Zeit als spanischer
Umweltminister zwischen 2011
und 2014 gedeckt und dabei sogar
mitgemacht zu haben.
Die Trinkwasserversorgung für
Bewohner wie Urlauber kann an
dertrockenen Mittelmeerküste Spaniens oft nur mit Anlagen zur Meerwasserentsalzung gesichert werden. Der Bau dieser gigantischen
Anlagen wird von der EU mit viel
Geld gefördert. Allein in den Jahren
2007 bis 2013 flossen nach Informationen der Zeitung „El Economista“ 660 Millionen Euro aus der
EU-Kasse in solche Projekte.
Die Bauaufträge waren so begehrt, dass die Unternehmen mit
Autos, Reisen und Geldumschlägen winkten. Die staatliche Gesellschaft Acuamed, verlängerter Arm
desUmweltministeriums, überwelche die Deals abgewickelt wurden,
sei wie eine „kriminelle Organisation“ geführt worden, heißt es im
Untersuchungsbericht.
Nach den Aussagen von Beamten
soll Arias Cañete seinen Vertrauten
und damaligen Acuamed-Chef Arcadio Mateo, der jetzt in Untersuchungshaft sitzt, gegen Korruptionsvorwürfe in Schutz genommen
und sich selbst in die unsauberen
Geschäfte eingeschaltet haben. Mateo, der in seinem Haus nach Polizeiangabenrund 100 000 Euro ineinem Bücherregal versteckte, wird
Betrug, Bestechlichkeit, Veruntreuung und Rechtsbeugung vorgeworfen. Auf die Frage des Untersuchungsrichters, ob er auf Anordnung von Arias Cañete gehandelt
habe, schwieg er.
Auch Arias Cañete selbst zieht es
vor, auf Tauchstation zu gehen. Die
Mehrheit im Europaparlament
scheint er bei dieser Taktik auf seiner Seite zu haben: Konservative
wie Sozialdemokraten beerdigten
dieser Tage einen Antrag der Linken-Fraktion, in dem er aufgefordert wurde, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Ralph Schulze
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Untreue in Potsdam: Finanzskandal um Stadtwerke weitet sich aus – Seite 11
BERLIN
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MONTAG, 6. JUNI 2016 / NR. 22 779
SEITE 7
Von Tag zu Tag
Sonnige
Schnauze
Von wegen Sauwetter gleich
Hundewetter. Nein. Dieser Rauhaardackel fühlt sich im Brunnen am Fernsehturm in der
Sonne am Sonntag pudelwohl.
Und hält’s wohl eher mit den
„Hundstagen“, die ja eigentlich
erst in der Zeit der größten sommerlichen Hitze vom 23. Juli bis
23. August aktuell sind. Am
Rande der plätschernden Terrassen räkelten sich nachmittags viele Menschen in der
Sonne – wenn sie nicht gerade
von einem Schauer kurz vertrieben wurden.
Wahlsafari
Stefan Jacobs verliert beim Kalauern
gegen die Landeszentrale
W
enn sich die Politik zu sehr von
den Leuten entfernt, holt die
Landeszentrale für politische
Bildung sie wieder zurück: „Bock auf
Wahl?“, lautet der Titel einer neuen Broschüre, die sich an junge Leute richtet.
Illustriert ist die Frage mit einem – Achtung – Ziegenbock auf einem Wal. Da
kann man nicht meckern. Und gespannt
sein, ob das Niveau in den angekündigten
weiteren Broschüren gehalten werden
kann. Hier ein paar Hilfestellungen mit
zugegebenermaßen noch unbehandelter
Oberfläche (vom Inhalt nicht zu reden.
Stimmung in der Wahlachei. Und erst die
Präsentation der Kandidaten, die Wahl of
Fame: Alles Müller oder was anderes?
Pop, Stolizei! Henkel with Care! Generation Wolf. Storch im Balkansalat. Geplant
sind auch Broschüren für bestimmte Zielgruppen. BVV für die Frau? AfD, achherje. Willst du viel – GroKodil. Nun ja,
Feinschliff wird kommen. Und damit zurück in die Lokal-Politik: Prost Wahlzeit!
Unverdrossen. Der Titel der Info-Broschüre
für junge Wähler.
Foto: promo
Sonne,
Regen,
Donnerwetter
Was war los am Sonntagnachmittag im
Himmel über Berlin? Mal Sonne,blauer
Himmel, Tröpfeln, Schauer, Donnerwetter. Das Wetter drehte Kapriolen, als
könnte es sich wie im April nicht so recht
entscheiden. Alles kam buchstäblich aus
heiterem Himmel, in raschem Wechsel
und ungewöhnlich kleinräumig. Manchmal rauschte es in einem Kiez wie aus
Gießkannen, ein paar Straßen weiter
aber blieben die Straßen trocken.
„Solche Phänomene verursachen meist
örtlich stark begrenzte, hochschießende
Gewitterzellen“, erklären die Experten
des Wetterdienstes „Meteogroup“. Warmfeuchte Luft liegt am Boden und drängt
aufwärts, aber darüber lasten kalte, undurchdringliche Luftschichten. Sie blockten die himmelstrebende Warmluft ab.
Doch an verschiedenen kleineren Stellen
gelingt ihr der Durchbruch - und dann
umso gewaltiger: Die Warmluft schießt
über einem Kiez in große Höhen auf, Gewitterwolken türmten sich, sie kondensieren und regnen sofort ab.
So überraschte das Wetter erst die Menschen in Spandau, Steglitz, Neukölln und
Tempelhof. Etwas später zogen die lokalen Gewitter über Mitte und Schöneberg.
In den östlichen Bezirken Berlins blieb es
dagegen ruhiger und eher trocken.
Und wann kommt das Wetter wieder
zur Ruhe? Montag und Dienstag erwartet
Meteogroup eine „abnehmende Gewitterneigung“. Doch schon zur Wochenmitte
hin kann es wieder kräftiger schauern
und rumpeln. Christoph Stollowsky
BER ups and downs
1465
573
Tage seit
Nichteröffnung *
Tage bis zur
Eröffnung **
*Der Flugbetrieb sollte ursprünglich
am 3. Juni 2012 starten
**Der Flughafen soll im 4. Quartal 2017
eröffnen. Wir rechnen mal großzügig mit dem
31. Dezember – aber ob das reicht?
Foto: Maurizio Gambarini/dpa
Drushba, Berlin
Trotz politischer Eiszeit läuft der Austausch mit Moskau – wenn auch mit Hindernissen. In Kürze wird ein Jubiläum gefeiert
Von Thomas Lackmann
Die Beziehungen der westlichen Regierungen mit Russland mögen derzeit massiv abgekühlt sein – die Städtepartnerschaft Berlin–Moskau aber lebt. Jedenfalls
ein bisschen. Über den Kinderring Berlin
e. V. können im August ein Dutzend junge
Moskauer ihre Partnerstadt besuchen.Anfang September findet dann in Moskau
eine Schülerolympiade statt, zu der acht
Jugendliche aus Berlin eingeladen sind:
An diesem Montag endet die Anmeldefrist für 14- bis 18- Jährige, die in Mathe,
Physik, Chemie und IT überdurchschnittlich gut sind (www.austausch.org). Im
Herbst soll der Austausch zwischen Jugendkultureinrichtungen beider Städte
wieder in Bewegung geraten, eine Delegation von der Moskwa wird an der Spree erwartet. Der Silberjubel könnte also starten,denndienach derWendeins Lebengerufene Partnerschaft der Kommunen
jährt sich gerade zum 25. Mal. Das ist die
gute Nachricht.
Die weniger guten sind auf dem Hintergrund früherer Aktivitäten zu erkennen.
Noch im Jahr 2014 gab es zwischen beiden Städten über das Jahr verteilt mehr als
30 Austauschprojekte für Schüler und Berufstätige. Seit 2014, sagt Roman Elsner,
Projektleiter bei dem im Senatsauftrag
agierenden Verein „Deutsch-Russischer
Austausch“ (DRA), stockt vor allem die Finanzierung aus Moskau. Wirtschaftsprobleme, der halbierte Rubelkurs und der
Konflikt um die Ostukraine hätten wohl
dazu beigetragen. „In den ersten Monaten
dieses Jahres mussten wir um Unterstützung betteln“, sagt Elsner. Aber im Mai,
beiseiner jüngsten Moskau-Visite, habe er
auf höherer Ebene
klare Wiederbelebungswünsche verBerlins
nommen. Die ansteParlament
hende 25-Jahr-Feier
und einavisierter Bebeschloss
such des Regierenkürzlich,
den Bürgermeisters
Müller trügen zum
mehr zu tun
Stimmungswandel
bei. Für November
plane man ein großes Treffen in Moskau,
bei dem Vertreter der Stadtverwaltungen
und der Zivilgesellschaft zusammenkommen. Dann solle die Berlin-Moskau-Community aus beiden Städten gemeinsame
Zielvorstellungen im Blick auf ihre nächsten Jahre formulieren.
Roman Elsner besucht als offizieller
Freundschafts-Schmied regelmäßig die
Partner im Osten, er klingt aber nicht wie
ein Putin-Versteher. Als Berliner mit russischer Mutter, Jahrgang 1977, hat er
selbst erfahren, wie es ist, zwischen den
Stühlen zu sitzen und als Kind diskriminiert zu werden. Seit 2011 treibt Elsner
im Senatsauftrag beim 1992 begründeten
DRA den Austauschbetrieb voran. Er
kennt den formelhaften Überbau des Austauschbetriebs, wo man auf höchster
Ebene warme Worte wechselt – und dann
zwischen Verwaltungsleuten eine konkrete Anfrage sehr schnell versanden
kann. „Wir fahren selber hin und reden
mit den Leuten.“
Dass der Austausch-Pingpong zwischen hüben und drüben allem Engagement zum Trotz dramatisch nachgelassen hat, war kürzlich auch einem Antrag
zu entnehmen, den die Koalition dem Abgeordnetenhaus vorlegte: Das Jubiläum
solle man „für einen neuen gemeinsamen
Impuls“ nutzen, damit „Kommunikationsdefizite verringert werden“, forderten
die Parlamentarier. Der Dialog habe „seit
dem Bürgermeisterwechsel in Moskau
im Jahre 2010 deutlich an Intensität eingebüßt“, gemeinsame Ausschüsse und ge-
genseitige Besuche seien ausgefallen.
Trotz der „schwierigen Ausgangslage“ erstrebe man nun, „eine deutlich größere
Anzahl an Personen aus allen Lebensbereichen“ in den Austausch einzubinden,
auch die in Berlin lebenden Russen.
Der Pankower Abgeordnete Alex Lubawinski ist zufrieden, dass dieser Antrag
das Parlament einvernehmlich passiert
hat: Parallel zur Kontra-Putin-Stimmung
bedauerten die Leute gerade auf kommunaler Ebene immer wieder, dass die Gespräche „eingeschlafen“ seien. Von dem
Antrag verspreche er sich eine ermunternde Wirkung auf den Senat, der nun
zeigen müsse, dass er aktiv werde, und
Signale an Vertreter der Russischen Föderation, „die das mit Sicherheit wahrnehmen“. Es gebe in Moskau starkes Interesse auf mittlerer und oberer Ebene,
auch wenn derzeit die internationalen Beziehungen stark eingeschränkt seien. Gerade auf dem Feld der Stadtentwicklung
wolle man zusammenarbeiten. Moskau
plane, durch Gebietsankäufe seine Stadtfläche zu verdoppeln, und wünsche sich
zur Gestaltung dieser ungeheuren Aufgabe Kooperation und Beratung aus Berlin. Austausch sei erwünscht. „Geld ist
ganz offensichtlich nicht das Problem.“
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Vermieter vor Gericht
Erste Klagen gegen Ferienwohnungsverbot.
Verfassungexperte: Berliner Gesetz mangelhaft
Rund fünf Wochen nach dem endgültigen
Verbot von Ferienwohnungen in Berlin
kommt das umstrittene Gesetz jetzt auf
den Prüfstand. Das Verwaltungsgericht
verhandelt an diesem Mittwoch ab
9.45 Uhr die ersten vier Klagen von gewerblichen Vermietern gegen die Regelungen zur Zweckentfremdung von
Wohnraum. Die Urteile werden noch am
selben Tag erwartet, wie Gerichtssprecher Stephan Groscurth sagte.
Nach dem Gesetz des rot-schwarzen Senats ist es verboten, ganze Wohnungen
Internet-Portale
wie Wimdu
unterstützen die Kläger
als Ferienwohnungen anzubieten. Wer es
dennoch tut, riskiert bis zu 100 000 Euro
Bußgeld. Auch Anwälte und Ärzte, die
Kanzleien und Praxen in Wohnungen eingerichtet haben, können Probleme bekommen. Das Land will den knappen
Wohnungsmarkt entspannen.
Berlinweit gab es nach Schätzungen zuletzt 10 000 bis 14 000 Ferienwohnungen. Allein der Bezirk Mitte geht von
mehr als 5000 solcher Quartiere aus.
Beim Verwaltungsgericht sind laut Sprecher bereits Dutzende Klagen gegen das
Gesetz eingegangen, eine Kammer mit
drei Richtern beschäftige sich vorrangig
damit. Die Wohnungen werden meist
über Online-Portale wie Wimdu, Airbnb
oder 9flats angeboten. Die Plattformen
werben mit authentischen Urlaubserlebnissen, bei denen man anders als beim
Hotelaufenthalt die Kiezkultur spüre. In
Umfragen hätten rund 40 Prozent der
Gäste angegeben, ohne diese alternative
Unterbringung nicht nach Berlin gekommen zu sein, sagte Wimdu-Anwalt Peter
Vida. „Hier werden Verbraucherbedürfnisse abgewürgt.“
Die Kläger sehen Verstöße gegen die
Berufs- und die Eigentumsfreiheit. Der
ehemalige Präsident des Berliner Verfassungsgerichtshofs, Helge Sodan, bescheinigt dem Gesetz in einem Gutachten gravierende Mängel. Vor allem sei es nicht
verhältnismäßig, weil es das Problem
knappen Wohnraums kaum lösen könne.
Die Belastungen für die Vermieter stünden in keinem vernünftigen Verhältnis zu
den Vorteilen für die Allgemeinheit.
Auch Wimdu-Anwalt Vida sagt, das
Verbot sei angesichts von 150 000 fehlenden Wohnungen in Berlin „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“. Die zuständigen Behörden argumentieren hingegen,
der Eingriff in die Grundrechte sei hinzunehmen, da die Berliner auf den knappen
Wohnraum angewiesen seien.
Wimdu habe nicht selbst geklagt, sondern stehe hinter einem der Kläger, sagte
der Gerichtssprecher. Ein Bezirksamt
hatte den vier klagenden Vermietern die
Bescheinigung verweigert, dass ihre Ferienwohnungen nicht unter das Verbot der
Zweckentfremdung fallen. Mit ihren Klagen wollen die Vermieter nun diese sogenannten Negativatteste erstreiten. dpa
Hier ist MagentaZuhause
* Angebot gilt für Breitband-Neukunden bei Buchung eines MagentaZuhause M Pakets bis zum 02.09.2016. MagentaZuhause M kostet in den ersten
12 Monaten 24,95 €/Monat, danach 39,95 €/Monat. Voraussetzung ist ein geeigneter Router. Einmaliger Bereitstellungspreis für neuen Telefonanschluss 69,95 €. Mindestvertragslaufzeit für MagentaZuhause 24 Monate. Die Ersparnis von 120 € errechnet sich aus der Differenz des Regio-Aktionspreises für die ersten 12 Monate im Verhältnis zum nationalen Regelangebotspreis von 34,95 € für die ersten 12 Monate. MagentaZ uhause M ist in
einigen Anschlussbereichen verfügbar. Individuelle Bandbreite abhängig von der Verfügbarkeit. Angebot gilt für ausgewählte Vorwahlbereiche.
Nähere Informationen im Telekom Shop, bei teilnehmenden Fachhändlern, unter 0800 33 0 3000 oder unter www.telekom.de/regional-aktion. Ein
Angebot von: Telekom Deutschland GmbH, Landgrabenweg 151, 53227 Bonn.
8
BERLIN
DER TAGESSPIEGEL
NR. 22 779 / MONTAG, 6. JUNI 2016
Heute beginnt für
Berliner Muslime
der Ramadan
Am heutigen Montag beginnt in diesem
Jahr der islamische Fastenmonat Ramadan. Für Muslime ist das Fasten, das jeweils im neunten Monat des islamischen
Mondjahres stattfindet, eine der fünf Säulen ihrer Religion. Die anderen sind das
Pilgern nach Mekka, die täglichen Gebetszeiten, das Glaubensbekenntnis zu Allah
als einzigem Gott und das Almosengeben. Auf das Ende des Ramadan folgt das
dreitägige Fest des Fastenbrechens, arabisch 'Id al Fitr, in Deutschland in diesem
Jahr vom 5. bis zum 7. Juli.
Durch das Fasten soll deutlich werden,
dass die Religion einen höheren Wert hat
als das tägliche Leben. Der Ramadan ist
auch der Monat der Nächstenliebe und
der guten Taten. Der Ramadan erinnert
nach islamischer Tradition an die Offenbarung des Koran durch den Erzengel Gabriel an den Propheten Mohammed. Zwischen Morgendämmerung und Sonnenuntergang ist Muslimen Essen, Trinken,
Rauchen und Geschlechtsverkehr untersagt. Mit dem Iftar, dem festlichen Abendessen, wird das Fasten täglich beendet.
Häufig treffen sich die Gläubigen an den
Abenden zum gemeinsamen Gebet. KNA
Feiertag bei
den Schätzen
Auch die Kultur- und Wissenschaftsorganisation der Vereinten Nationen hatte am Sonntag
etwas zu feiern: den Tag des
Unesco-Welterbes. Deutschlandweit gab es Veranstaltungen an den Orten, die zum
Erbe der Menschheit gehören.
In Berlin boten die Staatlichen
Museen Vorträge und Führungen auf der Museumsinsel an,
bei denen unter anderem das
bedrohte Welterbe im Nahen
und Mittleren Osten im Mittelpunkt stand. Besucher konnten
mit einem Tagesticket das Alte
Museum (Foto), Bode-Museum, das Pergamonmuseum,
das Neue Museum und die
Alte Nationalgalerie besuchen.
Foto: Maurizio Gambarini, dpa
GEWALT GEGEN POLITIKER UND FLÜCHTLINGSHELFER
Die Härte in der politischen Auseinandersetzung nimmt zu
Tote Vögel vor der Haustür
Drohungen bis zum Mord
Flüchtlingshelfer werden auf vielerlei Weise bedroht. Dabei gibt es große regionale Unterschiede
Von Frank Bachner
Die Deutschlandfahne sollte ein höhnischer Gruß sein, eine Botschaft. „Hör auf
mit Deinem Engagement“, so lautete die
Mitteilung. Deshalb hatte ein Unbekannter die Autotür aufgerissen, deshalb hatte
er die Fahne auf den Sitz gelegt. Das Auto
gehörte einem Ehrenamtler von „Moabit
hilft“, der wohl bekanntesten Hilfsorganisation für Flüchtlinge.
Es war eine Attacke von vielen. Fotos
von Angehörigen der Ehrenamtler stehen
im Internet, es gibt SMS mit Morddrohungen, tote Vögel liegen vor der Haustür
von Engagierten, Bianca Klose kennt die
Liste der Angriffe. „Solche Meldungen
sind für uns das tägliche Brot.“ Sie leitet
die Mobile Beratungsstelle gegen Rechts
(MBR). Für Flüchtlingshelfer eine Anlaufstelle, hier erhalten sie Hilfe. Bei der
MBR laufen viele der Nachrichten von
Angriffen zusammen.
Bundesweit sind seit Januar 245 Straftaten gegen Helfer, Amtsträger und Journalisten verübt worden. In einer internen
Studie des Bundeskriminalamts steht
diese Zahl. Wie viele Straftaten speziell
gegen Flüchtlingshelfer in Berlin verübt
wurden, ist nicht bekannt. „Seit die Zahl
der Flüchtlinge zurückgegangen ist, hat
die Zahl der Meldungen nachgelassen“,
sagt Bianca Klose.
Nachgelassen, aber sie haben nicht aufgehört. Gerade im Bereich von „Moabit
hilft“ kennt Klose viele Vorfälle. „Dort haben Leute fürchterliche Sachen erlebt.“
Vermutlich auch, weil „Moabit hilft" medial ein großes Thema ist und sich dort
Hunderte von Menschen engagieren.
Aber auch Hellersdorf ist Brennpunkt.
„Dort wurde das Auto einer katholischen
Seelsorgerin angezündet", sagt Klose.
„Sie wurde gefilmt und bei der Arbeit mit
Flüchtlingen beobachtet.“ In Hellersdorf
lagen fünf scharfe Patronen vor einem
Treffpunkt von Helfern. Zuvor hatte ein
Neonazi den Engagierten pantomimisch
klar gemacht: Ich kille Euch. Die meisten
dieserVorfälle, sagt Bianca Klose,hates allerdings 2015 gegeben. Es ist etwas ruhiger geworden. Die letzte heftige Attacke
hatte „Moabit hilft“ zu Jahresbeginn der
Mobilen Beratungsstelle mitgeteilt.
Auffällig ist, dass es bei diesen Attacken erhebliche geographische Unterschiede gibt. Moabit und Hellersdorf
sind Brennpunkte, in anderen Gebieten
ist die Lage, nach bisherigen Erkenntnissen, ruhig. Hannes Habekost von „Charlottenburg hilft“, teilte mit: „Solche Übergriffe sind uns nicht bekannt." Amei von
Hülsen-Poensgen von „Willkommen in
Westend“ sagt, dass „uns bisher außer einem anonymen Brief an eine Privatadresse und gelegentlichen Diskussionen
mit Bezeichnungen wie ,Gutmensch'
oder ,nützlicher Idiot' nichts bekannt
ist“. Im Gegenteil, sie werde „von Menschen auf der Straße angesprochen und
bestärkt. Man finde es gut, was wir tun.“
Auch Thomas Hermanns, Leiter des
Flüchtlingsheims in der Randt-Straße in
Köpenick, hat in seinem Bereich nichts
festgestellt. Und Hansjörg Behrendt, Koordinator des Netzwerks „Willkommen
in Reinickendorf“ erzählt: „Glücklicherweise sind mir in den vergangenen drei
Jahren keinerlei Berichte über Anfeindungen oder Übergriffe auf Mitarbeiter unse-
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EINE HEISSE WOCHE MIT ZIBB
MO–FR, 18:30 UHR
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res Netzwerks eingegangen.“ Nur einmal
im halben Jahre erhalte er eine „Schmähmail rassistisch-chauvinistischer Art“.
Behrendt ist selber verwundert über die
Ruhe in seinem Bereich. „ Warum das so
ist, ist mir ein Rätsel." Möglicherweise
hänge dies mit der behutsamen Vorgehensweise des Netzwerks zusammen.
Aber jenenHelfern, die nicht inRuhearbeiten können, hilft die Mobile Beratungsstelle gegen Rechts (MBR) mit Ratschlägen. Einer lautet: „Reden über Vorfälle.“
Viele redeten wegen Zeitmangels nicht
drüber. Auf Dauer sei das fatal, „Deshalb
ist wichtig, dass die Gruppe einen Raum
für solche Gespräche hat“, heißt es.
Und: Genauso wichtig sind Tipps über
richtiges Verhalten in einer gefühlten Bedrohungssituation. Zum Beispiel die
Frage: Wie geht man mit Störern um, die
bei Willkommensfesten auftauchen? Alles notieren, was man erlebt hat, empfiehlt die MBR. „Verbände und Organisationen sind zu uns gekommen, weil bestimmte Situationen bei Ehrenamtlern
wahnsinnige Handlungunsicherheiten
auslösen." Unterstützung ist für Klose
ein Schlüsselwort. „Ehrenamtler müssen
Hilfe erfahren.“ Die Angst darf nicht zu
groß werden. Sonst passiert, was nicht
bloß Bianca Klose vermeiden möchte:
„Dann hören viele auf.“
Politiker werden immer öfter Ziel von Attacken
Allmählich macht sich eine gewisse Form
von Angst breit. „Das größte Thema bei
uns ist derzeit die Frage, wie wir durch
den Wahlkampf kommen, ohne dass jemand zu Schaden kommt“, sagt Ronald
Gläser. Die Frage ist berechtigt. Gläser ist
Sprecher der AfD Berlin, drei Angriffe gegen Infostände und Mitarbeiter der
rechtsorientierten Partei hat es allein an
diesem Wochenende gegeben. „Die Zahl
dieser Attacke ist eine neue Qualität in
Berlin“, sagt Gläser. Vergangene Woche
wurde bei einem Vorfall in der Prenzlauer Allee die Bluse einer 69-Jährigen,
die für die AfD an einem Infostand arbeitete, mit Farbe verdreckt.
Aggressionen gegen Politiker und Partei-Helfer sind nichts Neues, aber im Moment sind die Meldungen besonders alarmierend. Bundesjustizminister Heiko
Maas (SPD) spricht in der „Bild am Sonntag“ von „Morddrohungen“, der Büroleiter von Grünen-Chef Cem Özdemir berichtet von einer massiven Zunahme von
Todesdrohungen.
In Berlin beginnt jetzt der Wahlkampf
für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus,
traditionell eine Zeit, in der Aggressionen ausgeprägt sind. Clara Herrmann,
für die Grünen im Abgeordnetenhaus,
kennt die Problematik. Sie engagiert sich
seit Jahren gegen Rechts, die Reaktionen
sind entsprechend. „In Wahlkampfzeiten
nimmt die Zahl der Vorfälle zu. Ich bekomme vor allem Hassmails und werde
übers Internet attackiert“, sagt sie. „Aber
es passiert mir auch, dass ich nach einer
Veranstaltung auf dem Weg zur S-Bahn
von Rechtsextremen begleitet werde.“
Ihr Name und ihr Foto tauchten auch
schon auf der Webseite einer rechtsextre-
men Kameradschaft auf und auf einer
Seite des „Nationalen Widerstands Berlin“, neben 200 anderen Namen. Sie ist
eine erfahrene Politikerin, „aber das ist
natürlich nicht angenehm“. Sie erzählt
von Infoständen der Grünen, in Rudow
etwa, die nur problemlos besetzt werden
könnten, wenn die Polizei daneben steht.
Marisa Strobel, Berliner SPD- Sprecherin, sieht „die Tendenz, dass die Zahl solcher Vorfälle zunimmt“. Jede Woche
werde eine Attacke gemeldet. Aufkleber
werden an Bürgerbüros gepappt, die
Scheiben der Büros eingeworfen, Plakate
abgerissen, „Infostände belagert“. 2014
hätten in Buch „Neonazis einen Infostand“ umringt. „Vor allem im Norden“
gebe es Probleme.
Thomas Barthel, Linken-Pressesprecher in Berlin, kann sich zwar „in den letzten vier Monaten nicht an einen heftigen
Vorfall erinnern“, aber er weiß noch gut,
dass 2015 in Schöneberg die Glasfront eines Büros der Linken eingeworfen
wurde. Für einen fünfstelligen Betrag
musste ein neues Rollo eingebaut werden. Es gebe „immer wieder Schmierereien an Parteibüros“. Dem Linken-Politiker Hans Erxleben, der sich gegen Rechts
engagiert, haben Unbekannte das Auto
angezündet. Das alles hat Auswirkungen
auf die Parteibasis. „Vor allem Ältere tun
sich dann schwer, zu Infoständen zu gehen und zu helfen“, sagt Barthel. Die
Grüne Clara Herrmann dagegen will sich
auf keinen Fall „einschüchtern lassen“.
Engagierte AfD-Mitglieder sind da wohl
eher unruhiger. „Wir machen uns große
Sorgen, was noch passiert“, sagt Parteisprecher Gläser, „der Wahlkampf hat ja
erst begonnen.“
Frank Bachner
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Kross Schläger aus U-Bahnhof stellen sich
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NACHRICHTEN
Zwei junge Männer haben sich am Samstagabend bei der Polizei gestellt und zugegeben, einen Fahrgast auf einem U-Bahnhof in Reinickendorf geschlagen und getreten zu haben. Das teilte die Polizei
am Sonntag mit. Der 18- und der 19-Jährige erschienen um 19.40 Uhr in Begleitung ihrer Anwälte auf einer Polizeiwache in Charlottenburg. Wie berichtet, hatten Jugendliche in der Nacht zum Sonnabend um 3.30 Uhr auf dem U-Bahnhof
Franz-Neumann-Platz einen 52-Jährigen
massiv geschlagen und getreten. Der
Mann hatte beobachtet, wie einer der jungen Männer gegen eine Werbetafel getreten und sie dabei beschädigt hatte. Nachdem er das Verhalten missbilligt hatte,
schlug einer der Jugendlichen, unterstützt von einem Begleiter, den Mann zu
Boden. Die Beiden traten dann noch gegen den Kopf des 52-Jährigen. Die übrigen Jugendlichen der Gruppe zogen die
beiden Schläger von dem am Boden liegenden Mann weg und verließen mit ihnen den Bahnhof. Der 52-Jährige wurde
zur Beobachtung in ein Krankenhaus eingeliefert.
Tsp
27-Jähriger homophob beleidigt
Einen tätlichen Angriff mit homophoben
und rassistischem Hintergrund hat es am
Freitagabend in Neukölln gegeben. Ein
27-Jähriger wurde dabei verletzt. Der
Mann gab gegenüber der Polizei an, er
habe gegen 22.40 Uhr auf dem Vorplatz
des S-Bahnhofs Herrmannstraße telefoniert. Nachdem er das Telefonat beendet
F
habe, sei er unvermittelt von einem Passanten homophob und rassistisch beleidigt worden. Der 27-Jährige ging daraufhin weg, sei allerdings nach seiner Aussage von dem Verdächtigen, der weiterhin beleidigende Worte von sich gegeben
habe, verfolgt worden. Er machte daraufhin ein Video des Mannes und teilte ihm
dies auch mit. Im Anschluss daran habe
ihn der Mann angegriffen, gegen eine
Wand gedrückt und gewürgt. Passanten
bemerkten das Geschehen und gingen dazwischen, woraufhin der mutmaßliche
Angreifer von dem 27-Jährigen abließ.
Zwischenzeitlich alarmierte Polizeibeamte nahmen den 44-jährigen Passanten
vorläufig fest.
Tsp
78-Jährige stirbt nach Brand
Nach einem Wohnungsbrand am Sonnabend in Reinickendorf ist eine Frau gestorben. Der Brand ereignete sich gegen
13.50 Uhr in einem Mehrfamilienhaus in
der Sommerstraße. Feuerwehrleute
löschten die Flammen in der Wohnung
im dritten Obergeschoss und entdeckten
dabei die 78-jährige Wohnungsmieterin
bewusstlos mit Brandverletzungen im Badezimmer. Die 78-Jährige wurde in ein
Krankenhaus gebracht, in dem sie am
Samstagabend ihren schweren Verletzungen erlag. Die Brandursache ist derzeit
unklar.
Tsp
Weitere Nachrichten aus dem
Berliner Polizeibericht vom Sonntag
finden Sie auch im Internet unter:
www.tagesspiegel.de/berlin
Bezirkemüssen
Turnhallen
selber sanieren
Zwischen Juni und September sollen Dutzende von Turnhallen von den Flüchtlingen geräumt werden, aber an eine Nutzung durch Schulen und Vereine ist noch
lange nicht zu denken: „Wir können den
Sanierungsbedarf gar nicht abschätzen“,
sagt Neuköllns Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Inzwischen steht zudem fest, dass die überlasteten Hochbauämter der Bezirke für die Sanierung verantwortlich sein sollen: Die Finanzverwaltung hat ihre Ankündigung zurückgezogen, dass die landeseigene Berliner Immobilienmanagement (BIM) zuständig sein
soll. „Das ist pragmatischer“, begründet
Sprecherin Eva Henkel die Entscheidung.
Im Übrigen hätten Bürgermeister wie Stefan Komoß (SPD) aus Marzahn-Hellersdorf dies gut geheißen.
Offenbar gehen im Rat der Bürgermeister die Einschätzungen auseinander: „Die
Hochbauämter sind personell gar nicht
darauf eingestellt, sich auch um diese
Turnhallen zu kümmern“, kritisiert die
Bürgermeisterin von FriedrichshainKreuzberg, Monika Herrmann (Grüne).
Zudem müsse sichergestellt werden, dass
den Bezirken nicht wieder zum Jahresende Gelder verloren gehen, wenn sie es
infolge der zusätzlichen Aufgaben nicht
schafften, ihre Mittel aus dem Schul-und
Sportstätten-Sanierungsprogramm auszugeben. Dies soll laut Finanzverwaltung
aber nicht passieren.
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STADTLEBEN
MONTAG, 6. JUNI 2016 / NR. 22 779
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STADTLICHTER
DER TAGESSPIEGEL
9
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Themen – Trends – Termine
Der Hauptmann marschiert wieder. Es gibt
nur wenige Feste in Berlin haben, wie
der Köpenicker Sommer. Vom 17. bis
19. Juli gibt es die 55. Auflage mit Programm in der Altstadt, am Luisenhain
und auf der Schlossinsel. Dabei fehlt natürlich auch nicht der Hauptmann von
Köpenick. Vor 110 Jahren beschlagnahmte er die Rathauskasse und setzte
den Bürgemeister fest. Die Aktion ging
als „Köpenickiade“ in die Geschichte ein
und war Vorbild für Carl Zuckmayers
Drama „Der Hauptmann von Köpenick.
Ein deutsches Märchen in drei Akten“.
Über Dach
und Fach
Nanu, wer ist da denn jemandem aufs Dach gestiegen?
Ganz ungefährlich ist es ja
nicht, sich an solchen Orten
zur Party zu versammeln. Allerdings ist es auch zu verlockend, sozusagen über den Dingen zu stehen. Aber vielleicht
findet sich ja für die nächste
Auflage doch jemand im Bekanntenkreis, der eine Dachterrasse sein Eigen nenn. Feuerwehr, Vermieter und Nachbarn
würden sich bestimmt darüber
freuen. Außerdem gibt es ja
auch Orte wie den „Klunkerkranich“ in Neukölln, von wo man
ganz ungefährdet runter gucken kann. Und Getränke
schleppen muss da auch keiner.
Die Musik spielt wieder. Noch ein paar
tage, dann ist Sommeranfang – und Zeit
für Berlins größtes Straßenkonzert. Am
21.Juni steigt zum 22. Mal die Fête de la
Musique. Am längsten Tag des Jahres
wird ab 16 Uhr in der ganzen Stadt bei
freiem Eintritt an etwas 100 Orten drinnen und draußen bis 22 Uhr musiziert.
Wer will, kann auch spontan Musik machen, denn alle Berliner sind dazu eingeladen, die Straßen zur Bühne zu machen. Nach Nach 22 Uhr geht die Party
bei der Fête de la Nuit an sieben Orten
drinnen weiter. Weiteres steht auf
www.fetedelamusique.de.
ling
Foto: Pawel Kopczynski/Reuters
10 TAGE, 150 KÜNSTLER
Das Poesiefestival präsentiert Dichtkunst – wir stellen Berliner Autoren vor
„Alle Kleinigkeiten können zum Gedicht werden“
Das Poesiefestival hat begonnen, bei dem sich jeder einen Reim auf Lyrik machen kann. Aber wie entsteht ein Werk? Hier erzählen ein paar Berliner Autoren
Berlin ist die deutsche Lyrikhauptstadt.
Nirgendwo in Deutschland gibt es mehr
Dichter und mehr Lyrik-Veranstaltungen
– bis zum 11. Juni läuft noch das Poesiefestival. Trotzdem ist Lyrik eher kein
Thema für die breite Masse. Wir sprachen darüber mit dem Berliner Jan Wagner, Berliner Dichter und Träger des Leipziger Buchpreises.
Warum sollte man sich für Lyrik interessieren?
Ich glaube, dass Lyrik jeden Leser etwas
angeht. Das Gedicht bringt etwas ganz
Fundamentales in uns zum Schwingen. Jedes Kind reimt gerne, jedes Kind liebt es,
mit Sprache die Welt zu verändern. Das
mag irgendwann verschüttet werden,
aber man kann sehr schnell wieder daran
anknüpfen – wenn man etwa in Schulen
vorliest und die Schüler merken, dass es
lebende, junge Dichter gibt.
Kann man vom Dichten leben?
Das ist eine Illusion, und man tut gut daran, nicht den Brotberufswunsch Lyriker
zu haben. Doch wenn man anfängt zu
schreiben, denkt man ja auch nicht daran, dass man davon leben könnte. Man
fängt an zu schreiben, weil man es muss,
weil man von Lyrik und den Möglichkei-
Tom Schulz:
Dichten nach
der DDR
S
E
igentlich wollte Tom Schulz in einer
Punkband spielen, damals Ende der
1980er Jahre, als Teenager in Prenzlauer
Berg, hinter der Mauer. Aber dann griff
er zum Stift, wurde Dichter und schrieb
Lyrik statt Lieder. In Gedichten ließ er
seiner Wut auf die Sprach-Verstümmelung des DDR-Regimes freien Lauf. „Das
war eine ideologische Sprache, die versucht hat alles Kritische und Hinterfragende loszuwerden. Dagegen habe ich
mich gewehrt.“ Mit dem Fall der Mauer
änderte sich nicht nur Prenzlauer Berg.
Es kamen auf einmal neue Dichter nach
Berlin, man traf sich in Bars, Clubs und
Cafés. Man las einander vor. „Das waren
die goldenen Jahre. Das war eine freie,
offene und soziale Stadt und wir haben an
das Gedicht geglaubt.“ Etwas erreichen
wollten sie mit ihren Texten: „Wir wollten den Blick derMenschen auf die Stadt
verändern.“ Das ist bis heute so geblieben. Schulz’ Gedichte haben den Anspruch, Sichtweisen, auch politische
Sichtweisen, zu verschieben. Berlin sei
heute „kapitalistischer geworden“, sagt
er. „Das lässt sich auch gar nicht mehr
aufhalten. Ich hoffe nur, dass die Vielfalt
Berlins darunter nicht zu sehr leidet. Es
muss Platz bleiben für etwas anderes.“
Bis heute ist für ihn das Schreiben von
Gedichten ein Rückzugsraum vor den
Zwängen der Stadt. „Wenn ich schreibe,
dann bin ich komplett frei; frei von allen
Konventionen und Begrenzungen.“ Und
so bleibt Schulz bis heute auch ein wenig
der Punk, der er als Teenager sein wollte:
widerborstig, stachelig, widerständig; so
lesen sich auch viele seiner Gedichte. Im
Moment schreibt er allerdings lieber
über Mexiko als über Berlin. Auch an den
spannendsten Städten hat man sich eben
irgendwann abgearbeitet.
Wovon leben sie dann?
Ich betreibe eine Art
Dreifelderwirtschaft:
ich übersetze, schreibe
Lyrik und trage sie vor,
schreibe Essays und
Jan Wagner
halte Vortrage über Lyrik. Es hat also immerhin alles mit Gedichten zu tun.
Gibt es Orte in Berlin, die Sie zur Inspiration für Gedichte nutzen?
In Berlin kann man durch die Straßen laufen und wunderbare Kleinigkeiten fin-
Kathrin Schmidt:
Dichten beim Bügeln
eit Kathrin Schmidt sechs Jahre alt ist,
„hat sie im Kopf die Worte rollen lassen“ – nur interessiert hat das damals
noch niemanden. „Gedichte schreiben
war den Leuten eher suspekt“, sagt die
Lyrikerin Kathrin Schmidt. Aufgewachsen in der DDR-Provinz der 1960er Jahre
wäre Schmidts Liebe zur Lyrik wohl nie
mehr als ein Gedankenspiel geworden,
hätte ein Lehrer sie mit 15 Jahren nicht
für ein Poetenseminar, ein von der FDJ
organisiertes Schreibseminar für Jugendliche, vorgeschlagen. „Das war eine wunderbare Entdeckung für mich“, sagt die
58-Jährige heute. Hier traf Schmidt jedes
Jahr Gleichgesinnte und fing an, regelmäßig Gedichte zu schreiben. „Ich habe früher bei jeder Gelegenheit gedichtet, beim
Kochen,
Waschen, Bügeln“, sagt
Schmidt. „Ich musste mich nur hinsetzen
und habe es genau so aufgeschrieben.“ Bekannt ist sie für eigenwillige Wortschöpfungen wie „kreuzorträtsel“ oder
„schließmuskelkrampf“, die eingebettet
sind in den melancholischen Grundton ihrer Gedichte:
im oberwasser berlins ein rumoren: breitblättrig,
außer fasson, schlägt die zunge ein rad.
wer heut eine ubahn beherrscht,
hat morgen gut lachen.
Im Herzen Punk. Tom Schulz wuchs in
Foto: Imago
Prenzlauer Berg auf.
ten der Sprache begeistert ist.
Foto: Imago
Von Johannes Böhme
und Luisa Jacobs
Vom Lehrer entdeckt. Kathrin Schmidt
Foto: W. Gebhardt/dpa
schreibt, seit sie 15 ist.
Wie entscheiden Sie, aus was Sie ein Gedicht machen?
Schwer zu sagen. Das Schöne ist ja, dass
alles zum Gedicht werden kann. Von Joseph Brodsky gibt es ein Gedicht über ein
Glas Wasser. Man darf vermuten, dass er
in einem Café saß, ein Glas vor sich stehen sah und sich dachte: Warum nicht ein
Gedicht über ein Glas Wasser? So geht es
mitunter. Man läuft durch die Straßen,
und sieht zum Beispiel einen Nagel, der
in einer Wand in Neukölln steckt. Der
wird dann zu einem Gedicht.
Was macht für Sie ein gutes Gedicht aus?
Ein einfaches Rezept gibt es dafür natürlich nicht. Eine Sache allerdings haben
alle gelungenen Gedichte gemein: Sie lehren uns, die Dinge anders wahrzunehmen. Ein gutes Gedicht lädt uns ein, die
Sprache und die Welt neu zu sehen und
damit neu zu denken. Lyrik lässt uns staunen, reißt uns aus dem Gewohnten heraus. Das ist auch durchaus das Politische
an Gedichten. Ein gutes Gedicht bietet
größtmögliche Freiheit auf engstem
Raum.
Mit welchen Gedichten können Sie gar
nichts anfangen?
DasGedichtals moralische Obstkistenpredigt ist unerträglich – das Gedicht also,
dessen Freiraum missbraucht wird, um
eine eindeutige Aussage zu treffen, eine
Pointe, etwa als Paarreim, mit der das Gedicht sich dann sozusagen erledigt hat.
Ein Gedicht muss schon etwas dauerhaft
Verstörendes haben, es muss eine Verrückung der Wahrnehmung erreichen.
Das Programm: www.literaturwerkstatt.org/de/poesiefestival-berlin
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Eine gute Nachricht für viele Frauen
So lauten die ersten Zeilen eines Gedichts aus dem Jahr 2000, das bei einem
Spaziergang über die Oberbaumbrücke
entstanden ist. Zwischen den Zeiten habe
sie sich damals gefühlt. Zwei Jahre später,
im Alter von 44 Jahren, erlitt Schmidt einen schweren Schlaganfall. „Ich wusste
gar nicht mehr was ein Gedicht überhaupt ist“, erinnert sich die Schriftstellerin. Satz für Satz, Wort für Wort musste
sich die Autorin das Sprechen und Schreiben wieder beibringen. Knapp sieben
Jahre später wurde Schmidt für ihren autobiografischen Roman „Du stirbst
nicht“ mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet.
Nadja Küchenmeister:
Warum die Katze beim Arbeiten stört
Sie nennt es das „Könnte-Gefühl“. Die
Idee, immer wieder neu anfangen zu können. Das Könnte-Gefühl hat Nadja Küchenmeister ihr ganzes Leben in Berlin
gehalten. Sie ist sogar hiergeblieben, als
sie für drei Jahre am Leipziger Literaturinstitut studiert hat und dort ihre Liebe zur
Lyrik entdeckte. „Ich hatte zwar eine
Wohnung dort, aber innerlich bin ich nie
umgezogen“, sagt die 35-Jährige. Berlin
inspiriere sie, weil es ständig im Umbruch sei. „Wenn ich in Prenzlauer Berg
in die U-Bahn steige und in Charlottenburg wieder aussteige, bin ich in einer
komplett anderen Welt.“ In vier Bezirken
hat die gebürtige Berlinerin seither gelebt, zuletzt 16 Jahre in Prenzlauer Berg.
In Küchenmeisters Gedichten findet
man die Einflüsse ihrer Lieblingsstadt
meist nur unter der Oberfläche. „Manchmal sind es nur Splitter, die es in die Gedichte schaffen“, sagt die Autorin. So offensichtlich wie in ihrem Gedicht „Berlin, Berlin“ geht es nur selten um die
Hauptstadt. Das Gedicht wurde von Kü-
den, die zum Gedicht werden können.
Oder man schnappt Wendungen, Erzähltes auf. Man müsste sich nur einen Tag
lang ins Café Süß am Hermannplatz setzen und hätte genug Material für einen
Roman oder mehrere Gedichte. Ich
selbst gehe oft auf den Maybachmarkt
oder am Landwehrkanal entlang.
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Deutscher Wissenschaftler bestätigt Wirkung
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Bereits nach zwei Monaten hat sich der starke bis sehr starke
Haarausfall, der zu Beginn der Studie ermittelt wurde, fast halbiert.
100
Von ihrer Geburtsstadt inspiriert. Nadja
Küchenmeister.
Foto: Carmen Jaspersen/dpa
chenmeister anhand von Postkarten aus
vergangenen Jahrhunderten rekonstruiert. „Man kann die Vergangenheit nicht
nachholen, aber durch die Gedichte kann
man da wieder hinfinden,“ sagt sie. Den
Austausch mit der Vergangenheit sucht
Küchenmeister am liebsten in absoluter
Stille. „Sogar das Tapsen einer Katze
würde mich beim Arbeiten stören.“
80
Rückgang sehr starker bis
mäßig starker Haarausfall [%]
60
40
20
0
zu Beginn
34,4
27
Normaler, sehr geringer Haarausfall
nach
2 Monaten
ihren Inhaltsstoffen wie Biotin und Selen tragen
die Kapseln zu einer gesunden Kopfhaut bei und
verbessern so die Versorgung der Haarwurzeln.
Haarausfall und verschlechtertem Haarwuchs
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10
BERLIN
DER TAGESSPIEGEL
NR. 22 779 / MONTAG, 6. JUNI 2016
Bischof trifft
christliche
Flüchtlinge
Dröge: Keine Belege für
systematische Bedrohung
Bitte (nicht)
durchtreten
Der evangelische Landesbischof Markus
Dröge hat sich am Wochenende für eine
stärkere interreligiöse Zusammenarbeit
in der Flüchtlingsarbeit ausgesprochen.
„Es ist ein gutes Zeichen gegenüber den
Flüchtlingen zu zeigen, dass in Deutschland der Austausch zwischen den Religionen Normalität ist“, sagte er. Insbesondere in der sozialen Arbeit sollte deutlich
gemacht werden, wie Christen, Juden
und Muslime miteinander kooperieren
können. Der Bischof hatte am Freitag die
größte Notunterkunft der Stadt auf dem
Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof besucht, wo derzeit rund 1300
Flüchtlinge leben. Zeitweise waren hier
in den vergangenen Monaten bis zu 2600
Menschen untergebracht.
Nach Berichten, wonach christliche
Flüchtlinge in den Gemeinschaftsunterkünften von anderen Religionsangehöri-
Den Speichen sollst Du weichen – so mancher Autofahrer
hat’s zu spät gemerkt, dass seit
39 Jahren im Juni die Sternfahrt der Radler den motorisierten Verkehr lahmlegt. Wer
am Sonntag schon vor Ärger
ins Lenkrad gebissen hat, weil
es nicht voranging, der sollte
die Zahnabdrücke nicht allzu
schnell beseitigen. Denn am
Sonntag in zwei Wochen dürften die nächsten hinzukommen
– anlässlich des Velothons.
Sah die gestrige Radveranstaltung nach Spaß aus, obwohl
sie ein ernsthaftes Ziel hatte,
macht die künftige mehr auf
Ernsthaftigkeit, obwohl es nur
um Spaß geht: 12 500 Freizeitsportler fahren dabei organisiert um die Wette – quer
durch Berlin, mit entsprechenden Folgen für die Mobilität
Unbeteiligter.
Foto: Paul Zinken
Heute Abend laden die
Kirchen zu einer Diskussion
über die Wahl in Berlin ein
gen bedrängt würden, wollte sich Dröge
in persönlichen Gesprächen ein Bild vor
Ort machen. Für die meisten Flüchtlinge
sei die Situation in den Unterkünften
nicht einfach, da sie ihre Familien und
ihre Heimat verlassen hätten und in
Deutschland durch das monatelange Warten bis zum Abschluss des Asylverfahrens oft zur Untätigkeit verdammt seien,
sagte der Bischof. Christliche Flüchtlinge
seien in den Unterkünften zudem in der
Minderheit. „Das ist keine einfache Situation für sie.“ Dennoch habe er nicht den
Eindruck, dass christliche Flüchtlinge in
den Unterkünften wegen ihrer Religion
systematisch bedroht oder bedrängt würden. Von den derzeit insgesamt rund
1300 Flüchtlingen in Berlin-Tempelhof
sind nach Angaben der Betreiber etwa
850 Muslime. Zudem wird von etwa 60
bis 80 Christen ausgegangen, hieß es.
Dröge verwies darauf, dass nach Berichten über angebliche Bedrohungen
christlicher Flüchtlinge durch andere
Heimbewohner versucht werde, darüber
verlässliche Daten zu sammeln. Bisherige vermeintliche Studien dazu hätten
keine belastbaren Beweise geliefert.
Die Landeskirche will ihre Angebote
speziell für Christen unter Asylsuchenden verstärken, kündigte Dröge an. Das
Flüchtlingsengagement der evangelischen Kirche richte sich an alle Betroffenen. Dennoch seien die Kirchen zuletzt
dem Vorwurf ausgesetzt gewesen, zu wenig für ihr Glaubensbrüder zu tun, berichtete der Bischof. Bereits bestehende Angebote, wie etwa die bundesweit einzige
Flüchtlingskirche in Berlin, aber auch
neue Projekte müssten vor allem unter
den Asylsuchenden deutlich bekannter
gemacht werden. „Das Gefühl als Christ
in der Minderheit zu sein, gilt für die Hangars hier in Tempelhof, aber nicht für die
Gesellschaft in Deutschland“, sagte
Dröge.
Unter dem Motto „Berlin wählt“ laden
Dröge und Erzbischof Heiner Koch zu einer zweiteiligen Kooperationsveranstaltung am heutigen Montag in die Französische Friedrichstadtkirche und am
13. Juni in die Katholische Akademie in
Berlin ein. Von jeweils 18 bis 20 Uhr geht
es um Stadtkultur, Religions- sowie Sozialpolitik, kündigte der Bischof der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz an.
epd
Die große Seesternfahrt
Bei der jährlichen Fahrrad-Demo treffen viele Normale auf ein paar Verrückte. Am Ende gibt’s Gestricktes – und alles wird nass
Von Stefan Jacobs
Um kurz vor drei am Sonntagnachmittag
war die Sternfahrt auch für Seesterne geeignet: Die Wolke, die seit mindestens einer Stunde über der City hing und dabei
ständig dicker und dunkler geworden
war, erleichterte sich in einem warmen,
prasselnden Monsunregen über dem Tiergarten und den Tausenden, die über das
Umweltfestival am Brandenburger Tor
bummelten oder noch auf dem Weg dorthin waren.
So wie Dietmar aus Adlershof, dessen
Fahrradreifen eine besonders schöne
Wasserfahne hochzogen. Dietmar, der in
der Zeitung „Schmidti“ genannt werden
will, damit ihn die Gleichgesinnten im Forum leichter googeln können, fährt nämlich ein Fatbike. Das ist eine Art Mountainbike, aber mit oberschenkeldicken
Reifen, deren Stollen auf dem Asphalt
wie ein Unimog klingen. „Man kann
Rennradfahrer zermürben mit diesem Geräusch“, sagt er, und dass er heute mal auf
0,8 Bar aufgepumpt habe. Wenn er sonst
am Strand – „da muss man aufpassen wegen der Muschelsucher“ – oder auf dem
Schotter stillgelegter Bahngleise radelt,
fährt er eher mit nullkommadrei.
Mit seinem Gefährt ist Schmidti einer
der wenigen Verrückten unter den vielen
Normalen bei der Sternfahrt. Wie viele,
gehört zu den letzten großen Geheimnissen in Berlin: Die vom Veranstalter
ADFC vor Jahren kolportierte Viertelmillion war sicher zu hoch gegriffen, die von
der Polizei auch in diesem Jahr wieder
genannten reichlich 20 000 scheinen zu
wenig und werden auch von unparteiischen Beobachtern immer wieder angezweifelt. ADFC-Sprecher Nikolas
Linck sprach – auch auf Basis von Meldungen der Ordner entlang der Routen – von
rund 140 000, was zum 40-jährigen Jubiläum der Sternfahrt ein schöner Erfolg
sei. „Als die Ersten auf dem Umweltfesti-
Dick aufgetragen. Ein besonderer Blickfang bei der Sternfahrt waren getunte Fahrräder im Harley-Davidson-Stil wie das Gefährt links
und so genannte Fatbikes, mit denen man besonders gut durch raues Gelände fahren kann.
Fotos: Jörg Carstensen/dpa, Stefan Jacobs
AKTIONEN FÜR DEN RADVERKEHR
D
Die einen sammeln, die anderen grübeln
VOLKSENTSCHEID
Dutzende Helfer sammelten
am Sonntag Unterschriften für
den Fahrrad-Volksentscheid.
Nach Auskunft von Initiator
Heinrich Strößenreuther wäre
noch mehrere Wochen Zeit,
aber am 10. Juni soll die
Sammlung beendet werden –
mit „weit mehr“ als den zunächst erforderlichen 20 000
Unterschriften. Details und das
weitere Vorgehen sollen am
14. Juni verkündet werden.
Dann wolle man auch „zu den
Lügengeschichten“ aus der Senatsverwaltung für Stadtent-
wicklung Stellung nehmen, die
die amtliche Kostenschätzung
und die von den Aktivisten angeblich ignorierten Gesprächsangebote beträfen: „Es gab weder einen Anruf noch eine Mail
oder was Schriftliches an mich
oder unsere Vertrauenspersonen“, sagte Strößenreuther.
SÜDWEST-EXPRESS
Die CDU Steglitz-Zehlendorf
treibt ihre Idee für einen Radschnellweg vom Berliner Südwesten in die City voran. Jetzt
ruft sie die Anwohner mit Flyern
zum Wettbewerb auf: Sie sollen
Ideen entwickeln, wie sich der
Abschnitt zwischen den S-Bahnhöfen Zehlendorf und Lichterfelde West als schnelle und sichere Fahrradroute herrichten
ließe. Denn dieser Bereich wird
nach wie vor von der Bahn genutzt und steht deshalb nicht –
wie die stadteinwärtige Fortsetzung parallel zur S 1 – als
Trasse zur Verfügung. Bis zum
30. Juni können Vorschläge eingereicht werden (fahrradschnellweg@web.de), die von einer
Jury aus lokalen CDU-Politikern
sowie einer Bürgerinitiative,
Radsportlern, dem ADFC sowie
einem Tagesspiegel-Redakteur
beurteilt werden sollen – unverbindlich. Zu gewinnen gibt es
eine Gepäckträgertasche, ein
Schloss und einen Helm. Ob
die Vorschläge je umgesetzt
werden, ist allerdings fraglich:
Zwar gilt der Bedarf an einer
komfortablen Fahrradverbindung aus dem Südwesten als
unstrittig – aber die SPD-geführte Verkehrsverwaltung hat
bereits signalisiert, dass sie
die Trasse für den Wiederaufbau der Stammbahn freihalten
will. Die soll irgendwann die
überfüllte S 1 entlasten.
Tsp
val ankamen, waren die Letzten noch
nicht mal auf der Autobahn.“
Die Autobahn macht für viele Teilnehmer den größten Reiz der Demo aus, die
bessere Bedingungen für den Radverkehr
fordert: Einmal im Jahr auf drei Spuren
allerfeinstem Asphalt – das lässt die
Leute lächeln, sofern sie nicht als Autofahrer vor den Ordnern oder Polizisten
an den Querstraßen feststecken.
Die Beamten vollbringen bei der Sternfahrt ihre eigene sportliche Leistung, indem sie die Querstraßen meist erst in letzter Sekunde sperren: Damit der Kollege
im VW an der Spitze der Route konstant
mit Tempo 15 vor den Radlern herrollen
kann, rasen andere mit Streifenwagen
und Motorrädern jeweils von Kreuzung
zu Kreuzung, um den Querverkehr aufzuhalten, bis der Pulk übernimmt.
Die meisten Routen treffen sich am
Dreieck Neukölln vor der Autobahneinfahrt, die die Polizei immer erst freigibt,
wenn alle da sind. Also muss gewartet
werden, aber im Stau wird es nicht langweilig: Am Rand steht eine Art Papamobil-Rad, auf dem unter der Kanzel allerdings kein Heiliger Vater, sondern ein eiliger Jünger am DJ-Mischpult samt beachtlichem Verstärker sitzt. Und durch den
Uffta-Uffta-Stau streunen Menschen mit
roten T-Shirts, die Unterschriften für den
Fahrrad-Volksentscheid sammeln. Ein
besseres Terrain als an diesem Tag an diesem Ort können sie nicht finden.
Weitere Sammler warten auf dem Umweltfestival, an dessen Ständen sich ökologischer Mainstream mit Spezialthemen
abwechselt: Berliner Forsten gegenüber
von mongolischem Brei, Uckermärker
Ochse am Spieß neben heilenden Steinen, Bundesamt für Strahlenschutz nahe
Indianersympathisantenstand, Wasserbetriebe neben Biobier, Anti-TTIP-Flyer neben BSR-Tonnenquiz, dazu viel Gestricktes. In die Wolle bekommt sich hier niemand – aber am Ende ist die Wolle nass.
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„Bock auf Wahl?“ Unter diesem Slogan informiert die Landeszentrale für politische Bildung Jugendliche über die bevorstehenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen am 18. September – illustriert mit einem Ziegenbock, der auf einem Wal reitet. Nun soll in dieser Woche
eine neue Information für eine weitere
Zielgruppe vorgestellt werden: Am Donnerstag will der Leiter der Landeszentrale, Thomas Gill, mit anderen Beteiligten eine Broschüre in leicht verständlicher Sprache zum Thema präsentieren,
die sich an Menschen mit Beeinträchtigungen richtet. Sie wurde in Abstimmung mit Landeswahlleiterin, Petra Michaelis-Merzbach, Sieghard Gummelt
vom Aktionsbündnis für Menschen mit
Behinderungen („Das Blaue Kamel“) und
Jana Höftmann-Leben, Betriebsleiterin
capito Berlin, erarbeitet. Diese und andere Informationen der Landeszentrale
zu den Wahlen sollen nach und online
verfügbar sein unter: www.berlin.de/politische-bildung/wahlen-2016.
lvt
BERLIN / BRANDENBURG
MONTAG, 6. JUNI 2016 / NR. 22 779
DER TAGESSPIEGEL
11
Finanzskandal
um Stadtwerke
weitet sich aus
Neuer Bericht bestätigt
Untreueverdacht
Potsdam - Ein Skandal bislang ungekannter Größe erschüttert fünf Jahre nach der
damaligen Paffhausen-Affäre die Potsdamer Stadtwerke. So steht der Geschäftsführer der Stadtwerke-Tochter Energie
und Wasser (EWP) und einstige Chef der
Stadtentsorgung (Step), Holger Neumann, wegen der jahrelangen Anweisung
von vermutlich drastisch überhöhten Gehältern, Prämien und Zulagen in Höhe
von rund 450 000 Euro an eine Mitarbeiterin unter dringendem Untreueverdacht.
Der Vertraute des Ex-Stadtwerke-Chefs
Peter Paffhausen soll zudem in einem weiteren Fall seine Pflichten als Step-Geschäftsführer verletzt haben – indem er an
einem mutmaßlich von Paffhausen initiierten, intransparenten Geschäftsführer-Konstrukt mitwirkte. Danach war
Neumann parallel Geschäftsführer von
Step und EWP – und beide Gesellschaften
zahlten annähernd
volleBeschäftigungskosten für ihn, ob- Der Manager
wohl er wegen der
Doppelfunktion nur wurde wegen
teilweise zur Verfü- der Vorwürfe
gung stand.
Das geht aus Prüf- freigestellt
berichten der Kanz- – bei vollen
leien Raue und Ignor
& Partner GbR her- Bezügen
vor; sie waren von
den Stadtwerken beauftragt worden, Vorwürfe gegen Neumann und Enrico Munder, technischer
Step-Geschäftsführer, zu untersuchen.
Laut Ignor & Partner bestehen „zahlreiche Anhaltspunkte“ dafür, dass Neumann
sich „wegen Untreue zum Nachteil der
Step strafbar gemacht hat“ und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft rechtfertigen würden. Gleichzeitig raten die Juristen davon ab, „den Sachverhalt von der
Staatsanwaltschaftweiter aufklärenzu lassen und gegebenenfalls eine Bestrafung
von Herrn Neumann herbeizuführen“.
Als einen Grund führen sie an, dass ein Ermittlungsverfahren zu „geschäftsschädigender medialer Aufmerksamkeit“ führe.
Die 33- und 16-seitigen Berichte, die
dieser Zeitung vorliegen, datieren vom
25. Mai 2016 und sind als Zwischenberichte deklariert. Dennoch haben die Aufsichtsräte von Step und EWP am 27. Mai
und3. Juni, jeweils unterFührung derAufsichtsratsvorsitzenden und Dezernentin
in Potsdams Stadtregierung Elona Müller-Preinesberger (parteilos), wegweisende Personalentscheidungen getroffen.
Besonders brisant: Die Berichte waren
den einfachen Aufsichtsratsmitgliedern
zumindest derEWP nicht zur Kenntnis gegeben worden.Während derBericht nachweist, dass die mutmaßlichen Verfehlungen Neumanns als Step-Chef auch auf
seine Tätigkeit als EWP-Chef durchschlagen und mit Frist bis zum 8. Juni 2016
eine fristlose Kündigung rechtfertigen
würden, wurden die Aufsichtsräte von
Müller-Preinesberger nur vor die Wahl gestellt, Neumanns Vertrag nicht zu verlängern. Dem stimmten sie zu – wonach der
Manager nun bei vollen Bezügen freigestellt ist, bis sein Vertrag Ende September
2017 ausläuft. Sein Jahresgehalt Stand
2013: 198 000 Euro. Außerdem wurde
der Vertrag mit Stadtwerke-Chef Wilfried
Böhme, der neben Neumann auch die
EWP führt, um zwei Jahre verlängert. Der
Vertrag von Step-Technikchef Munder,
der laut der Berichte als weitgehend unbelastet und sogar als Aufklärer der Missstände gilt, wurde vom Aufsichtsrat dagegen gekündigt.
HK/SCH
Wunder
unter Wasser
Bis zum 9. Juni liegt das vom
Bundesforschungsministerium
geförderte Ausstellungsschiff
MS Wissenschaft auf der
Spree am Schiffbauerdamm
zwischen Bahnbrücke „Friedrichstraße“ und Marschallbrücke. Dort kann man sich über
die faszinierende Welt der
Meere und Ozeane informieren. Geöffnet ist jeweils von 10
bis 19 Uhr. Die nächsten Stationen sind Wannsee, Tegel und
Potsdam. Infos über bestimmte
Projekte und die genauen Liegedaten des Schiffes findet man
auf ms-wissenschaft.de
Foto: Maurizio Gambarini/dpa
Schutzraum Einzelzelle
Silvio S., der zwei Jungen getötet haben soll, steht bald vor Gericht. Im Gefängnis hat er nur wenig Kontakte – zu seiner Sicherheit
Von Frank Bachner
Brandenburg - Er macht Hausarbeiten,
alles, was so an Kleinkram anfällt. Das
wollte er so, die Zuständigen in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg haben ihn
gefragt. Wahrscheinlich fühlt er sich
dann abgelenkt vom monotonen Alltag.
Aber sein Einsatzgebiet ist sehr beschränkt. Er darf ja auch nur ganz bestimmten Menschen begegnen. Das dient
ganz sicher seiner Sicherheit. Oder, wie
es Maria Strauß, die Pressesprecherin
des Justizministeriums von Brandenburg, sagt: „Herr S. wird weitgehend von
anderen Gefangenen getrennt. Er unterhält Kontakt nur zu ausgewählten Gefangenen, um ihn vor etwaigen Übergriffen
Mitgefangener zu schützen.“
Silvio S. sieht unscheinbar aus. Brille,
Seitenscheitel, Bart. Er ist wegen des
Mordes an zwei Kindern angeklagt – Mohamed, vier Jahre alt, Elias, sechs Jahre
alt. Ihm wird die Entführung der beiden
Jungen und sexueller Missbrauch vorgeworfen. Sein letzter Wohnort ist ein Dorf
im Fläming. Millionen Menschen kennen
sein Fahndungsfoto. Und in wenigen Tagen werden sie Bilder aus einem Gerichtssaal des Landgerichts Potsdam sehen.
Am 14. Juni beginnt dort der Prozess gegen Silvio S.
In Brandenburg sitzt er in einer Einzelzelle. Er geht auch allein auf den Hof in
seiner Freistunde.
Neun Gefangene sitzen derzeit in Brandenburg wegen Kindsmord, 30 Gefangene wegen sexuellen Missbrauchs von
Kindern. In den vergangenen drei Jahren
gab es keine Übergriffe auf Gefangene,
die wegen solcher Taten in ihrer Zelle sitzen. Aber das könnte sich sehr schnell ändern. Alles eine Frage der passenden Gelegenheit.
In einem Café in Tegel sitzt ein Mann
mit Drei-Tage-Bart und leichtem Bauchansatz. Stephan Schmidt (Name geändert) redet von der Hierarchie unter Gefangenen. Seine rechte Hand liegt flach in
der Luft, wie ein Brett. „Hier“, sagt er, „ist
die zweitunterste Stufe. Dort stehen
Leute, die ein Kind missbraucht haben,
das Kind aber nicht töteten.“ Die Hand
sinkt fünf Zentimeter ab. „Hier ist die unterste Stufe. Mörder, die ein Kind nicht
bloß missbraucht, sondern auch getötet
haben.“ Der linke Zeigefinger tippt auf
die rechte Hand. „Hier“, sagt Schmidt,
„steht Silvio S. Solche Leute sind permanent in Gefahr.“
Er kann das beurteilen, er saß in der
JVA Tegel, er saß in einem Gefängnis in
Sachsen. In Sachsen hat er sie erlebt,
diese Gefahr. Freistunde für alle, die Gefangenen schlenderten über den Hof. Urplötzlich stürmte eine Gruppe auf einen
Mann zu und verprügelte ihn. Der Mann
hatte ein Kind missbraucht und getötet.
Vollzugsbeamte mussten ihn retten.
Silvio S. traf es im Gefängnishof von
Moabit. Ein Angreifer schlug ihn von hinten, mit der Faust. Zwei Beamte, die sich
in der Nähe aufhielten, konnten den Angriff nicht verhindern. Silvio S. auf den
Hof mit anderen Gefangenen zu lassen,
kurz nach seiner Verhaftung – Stefan
Schmidt kann es nicht fassen. „Wie blöd
muss man sein? Das ist doch klar, dass
dies gefährlich ist.“
Gedenken. Vor dem Berliner Lageso wurde
an Mohamed erinnert. Silvio S. steht bald
wegen der Ermordung des Jungen und des
kleinen Elias vor Gericht.
Foto: dpa
Wenn das so klar ist, wie wird so ein
Kindermörder geschützt? „Bei Fällen, in
denen die Taten öffentlichkeitswirksam
waren oder sogar Bilder des Täters veröffentlicht wurden, besteht ein besonderer
Augenmerk im Hinblick auf Schutzmaßnahmen“, sagt Claudia Engfeld, die Pressesprecherin der Berliner Senatsverwaltung für Justiz. Eine Einzelfreistunde
kann so eine Schutzmaßnahme sein.
Aber Silvio S. schlenderte umgeben von
Gefangenen über den Hof.
Verurteilte Häftlinge müssen arbeiten,
das ist Vorschrift. Aber bei einer „konkreten Gefährdung ist davon auszugehen,
dass kein Arbeitseinsatz erfolgt“, sagt
Engfeld. „Eine ständige persönliche Beaufsichtigung innerhalb eines Betriebs“
ist nach ihrer Aussage schlicht nicht möglich. „Insofern geht das Schutzinteresse
vor.“
Das ist die offizielle Sicht der Dinge. In
einem Restaurant in Tegel sitzt Karsten
Schröder (Name geändert) beim Essen
und sagt: „Klar kann sich jemand die
ganze Zeit einschließen lassen. Aber das
macht kaum einer.“ Er jedenfalls hat das
noch nie erlebt. Und er arbeitet seit vielen Jahren in der JVA Tegel. „Früher oder
später geht einer doch arbeiten. Dann
wird es gefährlich. Da kann man einen
gut abfangen“, sagt Schröder.
Oder man nützt einen Zeitpunkt auf
der Station, wenn die Zellentüren noch
nicht geschlossen sind. „Da wird dann
der diensthabende Beamte abgelenkt,
und die anderen gehen zu dem Opfer“,
sagt Schröder. „Wirklich schützen kann
man niemanden.“ Silvio S. ist in einer Einzelzelle, das ist ein gewisser Schutz.
Für die Berliner Anstalten sagt Justizsprecherin Engfeld: „Bei über 4000 Gefangenen (...) sind solche Vorfälle eher
selten. Dies ist (...) frühzeitigen Interventionen sowie dem konsequenten Reagieren geschuldet.“
„Natürlich“, sagt Jörg Behrendt (Name
geändert), „achten Beamte in jedem Gefängnis auf Sicherheit. Trotzdem: Eine
Gefahr besteht immer.“ Behrendt hat mit
Kindermördern zu tun und mit Gefangenen, die für diese Menschen eine Bedro-
hung darstellen. Er muss sie beobachten,
nach Möglichkeit auch therapieren. Das
ist sein Job. Der 44-Jährige ist Psychologe
in einer Justizvollzugsanstalt, sein Büro
steht in einer sozialtherapeutischen Station. Behrendt hat einen Scheitel wie mit
dem Lineal gezogen, er strahlt etwas
Strenges aus. Der Psychologe hat verschiedene Anstalten kennengelernt, „es
ist überall gleich“, sagt er. „Solche Leute
haben es in jeder Anstalt schwer.“
Sozialtherapeutische Stationen vermitteln zumindest ein Gefühl erhöhter Si-
an den Tätern, die sie verletzt haben, auf
den Kindermörder in der Zelle nebenan.“
Und dann spielt noch eine krude Logik
eine Rolle. Wer auf der zweittiefsten
Stufe steht, ist froh, dass er einen hat, der
noch tiefer steht. Und Gefangene, die einen Kindermörder abgrundtief ablehnen, fühlen sich generell auf der richtigen Seite. Sie suchen die Seilschaft der
Moralisten.
In seinem Büro hört Behrendt oft den
gedehnten Satz: „Sie haben doch auch
Kinder ...“ Er wird nicht vollendet, der
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cherheit. Viele Kindermörder sind dort
untergebracht. Gefangene in solchen Stationen genießen Privilegien. Die Zellentüren sind länger offen als in anderen Stationen, die Insassen können sich freier bewegen als in anderen Teilen der Anstalt.
Wer Gewalt anwendet, fliegt raus. Ende
der Privilegien, der Gedanke schreckt ab.
„Aber bis ein Kindermörder in so eine Station kommt, ist er im normalen Vollzug
untergebracht“, sagt Behrendt. Teilweise
zehn Jahre lang. „Und das sind keine lustigen Jahre“, sagt Behrendt.
Denn Kindermörder sind ja auch eine
Art Blitzableiter. Sie stehen stellvertretend für andere Täter, sie bekommen die
Rache ab, die eigentlich für andere gedacht ist. Behrendt erlebt es immer wieder in seinem Büro. „Viele Gefangene waren als Kind selber Opfer von Gewalt, oft
auch sexueller. Sie übertragen ihre Rache
Satz, aber die Botschaft ist klar. Behrendt
schüttelt den Kopf. „Die wollen mich in
Mithaftung nehmen.“ Er hat dann Mühe,
sie davon abzubringen.
Der Vollzugsbeamte Schröder weiß
um die Verantwortung und Aufgaben, die
ihm und seinen Kollegen zukommen.
„Wir haben für Sicherheit und Ordnung
zu sorgen. Das ist oberstes Gebot“, sagt
er. „Und darauf achten wir sehr genau.“
Andererseits haben Vollzugsbeamte
auch Kinder und lassen sich eventuell
auch einmal von ihren Emotionen leiten.
„Man kann nicht ausschließen, dass ein
paar der Beamten auf ihre Weise reagieren“, sagt Schröder. Auf ihre Weise heißt:
„Man durchsucht dann einfach eine Zelle
sehr gründlich und achtet penibel darauf,
ob man etwas findet.“ Oder die Zelle
wird etwas verzögert geöffnet. Einzelfälle, sicher nicht die Regel.
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E
BERLIN
DER TAGESSPIEGEL
F
TERMINE
GESUND
Jeden Monat Schmerzen
MEDIZINER DER WOCHE
In dieser Woche
Menstruation geht oft mit Beschwerden einher.
Hausmittel können helfen – oder der Frauenarzt
MONTAG, 6.6.
Vortrag: „Neues aus der RheumaForschung: Rheuma und Darm“
Deutsches Rheuma-Forschungszentrum,
Virchowweg 12 auf dem CharitéCampus Mitte, 15.30-17 Uhr
Von Leonard Hillmann
DIENSTAG, 7.6.
Patientenakademie: „Akut oder
chronisch? Diagnostik und Therapie
von Schmerzursachen“
Helios Klinikum Emil von Behring,
Waltershöferstraße 11, Olivenhain,
Haus E, EG, 13.30-17.30 Uhr
Info-Reihe Krebs: Polyneuropathie nach
einer Krebsbehandlung“
Charité Klinikum Benjamin Franklin,
Westhalle, EG, Raum E 301, 17-18 Uhr
Vortrag: „Wie beeinflussen Sport
und Bewegung die Psoriasis?“
Familienzentrum Kreuzberg, Mehringdamm 114, Raum 401, 19 Uhr
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Foto: Mike Wolff
Jetzt im Handel!
Der Chefarzt der meistempfohlenen Klinik
zur Wiederherstellung des Trommelfells
DONNERSTAG, 9.6.
Patientenkongress: „Up to Date –
Neue Entwicklungen in der Krebsmedizin“
Estrel Hotel, Sonnenallee 225, 14-17
Uhr, www.vivantes.de/krebskongress
Vortrag: Häufig Bauchschmerzen?
Und keiner weiß warum?“
Krankenhaus Waldfriede, Gesundheitszentrum Prima Vita, Haus F, 18.30 Uhr
Vortrag: „Neue Medien und Sucht“
Komm Rum e.V., Schnackenburgstraße 4, 19-20 Uhr
AUF DIESER SEITE
NR. 22 779 / MONTAG, 6. JUNI 2016
MONTAG GESUND
Parwis Mir-Salim, 54
ist Chefarzt der Klinik für HalsNasen-Ohren-Heilkunde am
Vivantes-Klinikum im Friedrichshain.
So operiert er das Trommelfell:
Unser Trommelfell gerät in Schwingungen, damit wir richtig hören können.
„Aber wenn diese Membran akut oder
chronisch beschädigt ist, droht ein Hörverlust“, sagt Parwis Mir-Salim. Chirurgen können das Trommelfell dann in
einer Operation wiederherstellen – wofür die meisten niedergelassenen
HNO-Ärzte in Berlin laut Ärzteumfrage
2015 des Tagesspiegels und Gesundheitsstadt Berlin das Vivantes-Klinikum im Friedrichshain empfehlen. „In
unserem Hörzentrum bieten wir alle
Varianten von hörverbessernden Implantationen an", sagt Chefarzt MirSalim. Das komme verschiedensten
Patientengruppen zugute, denn Trommelfell-Operationen würden beispielsweise kleine Kinder mit einer vergrößerten Rachenmandel genauso betreffen
wie Erwachsene mit einer chronisch-eitrigen Infektion im Mittelohr. Der chirur-
DIENSTAG LERNEN
MITTWOCH FAMILIE
gische Eingriff gilt als Standardeingriff.
Wie er aus der Sicht eines behandelnden Chirurgen durchgeführt wird,
bringt Parwis Mir-Salim Kollegen aus
der ganzen Welt bei. Zuletzt war er dafür in Ruanda.
Leonard Hillmann
— Alle Ergebnisse der Ärzteumfrage zu
über 40 Klinikbehandlungen finden Sie
im Magazin „Tagesspiegel Kliniken Berlin 2016“. Es kostet 12,80 Euro und
ist erhältlich im Tagesspiegel-Shop
unter Tel. 29021- 520 und online unter
www.tagesspiegel.de/shop.
DONNERSTAG HELFEN
In einigen Kulturen der Welt wird die
erste Monatsblutung der Frau gefeiert,
manche Naturvölker setzen das Blut als
Zeichen der Fruchtbarkeit sogar als magisches Heilmittel ein. Für viele Frauen ist
die Menstruation jedoch alles andere als
ein Anlass zum Feiern – etwa, wenn sie
mit erheblichen Schmerzen einhergeht.
Aber warum ist das so?
Die medizinisch auch Abbruchblutung
genannte Regel ist natürlicher Bestandteil
des weiblichen Zyklus. „Wenn kein Spermium ein Ei befruchtet hat, wird die Gebärmutterschleimhaut im Verlauf der Regel abgestoßen und anschließend für eine
potenzielle neue Schwangerschaft wieder
aufgebaut“, sagt Stefan Braun, Chefarzt
für Gynäkologie und Geburtsmedizin am
Sankt Gertrauden-Krankenhaus. ZuständigdafürsindHormone,dieGehirnund Eierstöcke freisetzen. Dabei sind das weiblicheSexualhormon Östrogenund dassogenannte Gelbkörperhormon Progesteron
für die Veränderun- Einige Frauen
genanderGebärmutterschleimhaut zu- müssen
ständig. Ein ausge- jeden Monat
klügeltes
System,
das sich jeden Monat krankaufs Neue auf den ge- geschrieben
samten Organismus
auswirkt. Imungüns- werden
tigen Fall kann es
auch zu Schmerzen
kommen. Grund: die Kontraktion der Gebärmutter, mit der diese sich von den Resten der Gebärmutterschleimhaut befreit.
Menstruationsbeschwerden können
vor und während der Monatsblutung auftreten. Mediziner unterscheiden zwischen primären und sekundären Regelschmerzen. Ersteren liegenmeist keine organischen Ursachen zugrunde. Sie setzen
kurz nach der ersten Menstruation ein
und können bei den betroffenen Mädchen
und Frauen bis zu den Wechseljahren andauern, bessern sich jedoch oft nach einer
Schwangerschaft. Auslöser für die Beschwerdensind körpereigeneSchmerzbotenstoffe, sogenannte Prostaglandine, die
ein Zusammenziehen der Gebärmuttermuskulatur beimAbstoßender Gebärmutterschleimhaut hervorrufen. „Dadurch
wird die Gebärmutter schwächer durchblutet, was zu einer Unterversorgung mit
Sauerstoff führt und Schmerzen auslöst“,
sagt Braun. Verstärkend wirken Stress
und psychische Belastungen. Rühren Beschwerden hingegen von gynäkologischen Erkrankungen her, spricht man von
sekundären Regelschmerzen. Aber auch
mechanische Verhütungsmittel wie die
Spirale können diese hervorrufen.
FREITAG GENUSS
Ob primär oder sekundär: Regelbeschwerden können richtig krank machen.
Sie äußern sich oft in allgemeinem Unwohlsein mit Schmerzen im Unterbauch,
Rücken und Kopf. Auch Völlegefühl,
Durchfall, Übelkeit und Erbrechen könnenauftreten.Oftbegleiten Erschöpfungszustände und depressive Verstimmungen
die Episoden. Einige Frauen sind so stark
betroffen, dass ihnen bei jeder Regelblutung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt werden muss.
Um Regelschmerzen zu bekämpfen,
kann man unterschiedlich vorgehen:
Schon Wärmflaschen, warme Bäder und
ausreichend Schlaf können helfen. Genussmittel wie Nikotin und Alkohol sollten dann vermiedenwerden,denn siekönnen Schmerzen noch verstärken. Heilpflanzen wie Mönchspfeffer oder Kamillenblüten als Tees, Tropfen oder Kapseln
können helfen. Manche Frauen profitieren auch von Entspannungstechniken
(Yoga, autogenes Training). „Erst wenn
diese Maßnahmen keine Besserung bringen, sollte man zu Medikamenten greifen“, sagt Gynäkologe Braun. Schmerzmittel wie Paracetamol oder Ibuprofen etwa
hemmen die schmerzauslösenden Prostaglandine. Auch die Antibabypille kann Regelschmerzen lindern, da sich durch die
künstlichen Hormone die Gebärmutterschleimhaut weniger stark aufbaut und
deshalb während der Regel auch weniger
Schleimhaut abgebaut werden muss.
Hilft auch das nicht, sollte der Weg zum
Frauenarzt führen. Organische Ursachen
schließt er mittels Tastuntersuchung und
vaginalem Ultraschall aus. „Sollte sich der
Verdacht auf eine gynäkologische Erkrankung erhärten, können Bauchspiegelung
und Operation notwendig werden“, sagt
Braun. In fast allen Fällen sei hierbei ein
minimal-invasives und organerhaltendes
Vorgehen möglich. Bei der Auswahl des
OP-Verfahrens bezieht der Frauenarzt die
Lebensphase und den Wunsch der Frau
ein.Wenndie Schmerzen undMenstruationsstörungenetwa durch Myome oder Endometrioseherde inder Gebärmuttermuskulatur hervorgerufen werden, ist bei abgeschlossener Familienplanung auch die
komplette Entfernung oder Teilentfernung der Gebärmutter zu erwägen.
„Da das Schmerzempfinden individuell
ist, gibt es nicht den einen konkreten Zeitpunkt, zu dem man zum Frauenarzt gehen
muss“, so Braun. Wenn aber dieBeschwerden länger anhalten und nicht schwächer
werden oder außerhalb der Regel Blutungen auftreten, sollte man zum Gynäkologen gehen. Die meisten Frauenärzte inBerlin haben extra eine eigene Mädchensprechstunde, in der sie junge Frauen zu
den hormonellen und psychologischen
Veränderungen in der Pubertät beraten.
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Experte für Vorsorge, Betreuung & Erbrecht
Chefarzt Dr. med. Sven Schöpe
Zahnärzte am Forum Steglitz
Schlossstr. 125
12163 Berlin - Steglitz
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Der Wirtschaftsförderer der EU: „Die Investitionsmaschine kommt nicht in Gang“ – S. 14
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MONTAG, 6. JUNI 2016 / NR. 22 779
SEITE 13
Auf Zeit spielen
Was KOSTET eigentlich...
Die EU-Kommission will Glyphosat weiter zulassen. Heute entscheiden die Mitgliedstaaten, das letzte Wort hat aber die Kommission
Von Markus Grabitz
und Sarah Kramer
...eigenes Eis?
K
aum etwas schmeckt an den heißen Tagen besser als eine Kugel
Eis. Und bei kaum einem Nahrungsmittel spürt der Konsument einen
so rasanten Preisanstieg. Die Verkäufer
können es sich immerhin leisten. Wer
mag schon kein Eis. Was aber würde es
kosten, es selbst zu machen? In großen,
großen Mengen? Eine Maschine, die Softeis und Frozen Yoghurt herstellen kann,
kostet ein paar tausend Euro. Für eine
Leistung von 41 Litern pro Stunde, also
410 Portionen, zahlt man bei dem Eismaschinenhersteller Elge rund 8000 Euro.
Eigentlich sei sie „ideal für kleinere Geschäfte“, heißt es. Für 47 Liter die Stunde
zahlt der Eisliebhaber dann schon rund
14 000 Euro. Beide Maschinen haben
drei Zapfer. Der Käufer hat die Wahl zwischen zwei Sorten und einem Mix aus beidem. Wer lieber runde Kugeln haben
möchte, ganz klassisch, wie bei der Eisdiele um die Ecke, müsste sich im Internetshop von Elge wohl eine Speiseeismaschine bestellen. Ein Modell mit einer
Füllmenge von einem bis vier Liter kostet
rund 20 000 Euro; ein größeres Modell
mit fünf bis 17 Liter Füllvolumen fast
30 000 Euro. Eispulver, um Milcheis herzustellen, gibt es im Internet für sechs
Euro in sämtlichen Variationen. Ob Vanille, Schoko, Malaga oder Kaktus. Wer
auch das gerne in Mengen lagern möchte,
zur absoluten Vorsicht, kann weitere
zwei- bis dreitausend Euro für einen Eislagerungsschrank mit ordentlich Platz einplanen.
Marie Rövekamp
E
NACHRICHTEN
F
Kuka will deutsch bleiben
Berlin - Kuka-Chef Till Reuter versucht
Bedenken gegen die mögliche Übernahme des Roboterherstellers durch chinesische Investoren zu zerstreuen.
Gleichzeitig zeigt er sich offen für alternative Offerten. Wenn sich neue Optionen
ergeben sollten, werde Kuka diese genauso ergebnisoffen prüfen wie das Angebot von Midea, sagte der Manager der
„Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. „Wir sind mit allen Stakeholdern,
also der Bundes- und Landesregierung,
unseren Kunden, Aktionären und Arbeitgebervertretern in gutem Kontakt.“ Reuter betonte: „Kuka ist eine deutsche
Firma und wir bleiben eine deutsche
Firma.“ Datensicherheit sei für den Roboterbauer ein wichtiges Thema. „Die Daten unserer Kunden bekommt niemand,
unabhängig von der Aktionärsstruktur.“
Der chinesische Klimaanlagen- und Hausgerätehersteller Midea, der schon an
Kuka beteiligt ist, will seinen Anteil aufstocken. Dagegen hat die Bundesregierung Bedenken.
dpa
Bauern für geringere Milchproduktion
Berlin - Nach der Zusage von Millionenhilfen vom Bund pochen die Milchbauern
auf eine bessere Steuerung der Milchmenge. Konkret könnten Landwirte, die
sich zur Reduzierung ihrer monatlichen
Lieferung verpflichten, zum Ausgleich
Hilfsgelder aus dem Topf der Bundesregierung von insgesamt mindestens 100
Millionen Euro beziehen, sagte der Sprecher des Bundesverbandes Deutscher
Milchviehhalter (BDM), Hans Foldenauer. „Das käme bei den Bauern direkt
an, und die Märkte würden direkt entlastet.“ Derzeit scheitere das aber am Widerstand von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU). Auch grüne
Agrarminister aus sechs Bundesländern
fordern in einem gemeinsamen Positionspapier zur Milchkrise ein Umsteuern der
Bundesregierung. Im Kern geht es darum, dass Landwirte nur Hilfen bekommen sollen, wenn sie auf ihren Höfen weniger Milch produzieren.
dpa
Lufthansa-Schlichtung vor dem Ende
Frankfurt am Main - Die Schlichtungsverhandlungen zwischen der Lufthansa
und ihren Flugbegleitern gehen in die
heiße Phase. Ende Juni laufe die letzte
Frist zur Beilegung des Tarifkonfliktes
ab, hieß es bei der Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo. Dieser Monat sei entscheidend in einem Prozess, der seit mehr als
zwei Jahren läuft. In den Vermittlungsgesprächen, die seit Februar unter Leitung
des früheren brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD)
geführt werden, geht es um diverse Tarifthemen. Ufo hatte die 19 000 Stewardessen und Stewards im November zu einem
einwöchigen Streik aufgerufen.
rtr
Berlin/Brüssel - Die EU-Kommission
will bei der Entscheidung um die weitere
Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat offenbar Zeit
gewinnen. Am heutigen Montag sollen
die EU-Mitgliedstaaten in einer Sondersitzung darüber abstimmen, ob sie das Totalherbizid für weitere 18 Monate zulassen – um in diesem Zeitraum eine wissenschaftliche Einschätzung der EU-Agentur für Chemische Produkte (Echa) zu
dem Wirkstoff abzuwarten. Der Vorschlag, den EU-Gesundheitskommissar
Vytenis Andriukaitis vergangene Woche
vorgetragen
hat,
stammt von deutscher Seite.
Monsanto
„Nach EU-Recht
hat schon
hat die Echa hier das
letzte Wort“, sagte
Einbußen
Andriukaitis.
Die
beim Umsatz kommenden Monate soll die EUerlitten
Agentur dafür nutzen, besonders das
Krebsrisiko für den Menschen durch Glyphosat auf „wissenschaftlicher Grundlage“ zu beurteilen. „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir unsere Entscheidung auf wissenschaftlich fundierter Basis treffen sollten, und nicht aufgrund
von politischen Interessen“, meinte der
Gesundheitskommissar.
Dass der vorgeschlagene Kompromiss
zunächst vor allem den wirtschaftlichen
Interessen der agrochemischen Industrie
entgegenkommt, hat der Kommissar
nicht erwähnt. Glyphosat-Hersteller wie
der US-Konzern Monsanto etwa haben
durch die andauernde Debatte um das
weltweit meistbenutzte Herbizid bereits
kräftige Umsatzeinbußen hinnehmen
müssen: Der Umsatz des Saatgut- und
Pflanzenschutzkonzerns ist von Dezember 2015 bis Februar 2016 im Vergleich
zur entsprechenden Vorjahresperiode
um rund zwölf Prozent auf 4,53 Milliarden Dollar gesunken. Vor allem das Geschäft mit Pflanzenschutzmitteln lief
nicht mehr so gut für Monsanto.
Für den Kompromissvorschlag von Andriukaitis ist in Brüssel indes keine Mehrheit in Sicht. Schließlich müssten 16 Mitgliedsländer mit Ja stimmen, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung auf sich vereinen. Dass diese „qualifizierte Mehrheit“
erreicht wird, gilt als sehr unwahrschein-
Umstritten. Glyphosat ist das Unkrautvernichtungsmittel, das weltweit am häufigsten eingesetzt wird. Es gibt Hinweise darauf, dass das
Foto: Steffen Schellhorn/dpa
Pflanzengift auch den Menschen schädigen könnte.
lich. Es sind zwar 19 von 28 EU-Ländern
dafür, sie werfen aber nicht genügend Bevölkerung in die Waagschale. Frankreich
hat sich auf ein „Nein“ festgelegt, auch
das relativ große Italien wird wohl nicht
zustimmen. Deutschland könnte am
Ende den Ausschlag geben. Da man sich
in der Bundesregierung aber auf keine gemeinsame Linie einigen konnte, wird
sich die Bundesrepublik der Stimme enthalten.
Sollte unter den Mitgliedstaaten keine
Mehrheit zustande kommen, tritt zwei
Wochen später der Berufungsausschuss
zusammen. Wenn auch hier, was absehbar
ist, das Patt nicht aufgelöst wird, ist wie-
der die EU-Kommission an der Reihe. Sie
kann dann im Alleingang ihren Vorschlag,
die Zulassung für Glyphosat um weitere
18 Monate zu verlängern, durchsetzen.
Die EU-Lebensmittelbehörde (Efsa)
war bereits zu der Einschätzung gekommen, dass der Wirkstoff bei vorschriftsmäßigem Einsatz gesundheitlich unbedenklich ist. Zunächst war eine Zulassung um 15 Jahre im Gespräch. Inzwischen ist aber die Kritik an Glyphosat
immer lauter geworden: Gegner halten
den Pflanzenschutzmittel-Wirkstoff für
krebserregend. Das EU-Parlament hatte
dann im Mai gefordert, Glyphosat nur
für sieben Jahre zuzulassen und den
Bahn sucht Zukunftsstrategie
Mehr Passagiere, aber weniger Gewinn: Im Personenverkehr läuft es nicht rund
Berlin - Kaum ein Tag vergeht, an dem die
Deutsche Bahn ihren Kunden nicht etwas
Neues bietet. Allein in den vergangenen
zwei Wochen: ein größeres Angebot im
ICE-Internetportal,eineneue Zug-Simulator-App, eine bunt gestaltete Regional-Lok, gleich zwei Jubiläen – zehn Jahre
Berliner Hauptbahnhof, 25 Jahre ICE.
Näher am Kunden, komfortabler und
pünktlicher will die Bahn werden. So predigt es Vorstandschef Rüdiger Grube, zuletzt am vergangenen Donnerstag beim
ICE-Festakt in der Berliner Bahn-Werkstatt in Grunewald. „Zukunft Bahn“, Grubes Umbau- und Modernisierungsprogramm, soll Schluss machen mit dem Ärger der Reisenden über falsche Wagenreihung, defekte Kaffeemaschinen, Verspätungen und Zugausfälle. Wer es genau
wissen will, kann sich sogar per WhatsApp über die Fortschritte auf dem Laufenden halten. Der Konzern verspricht „ein
bis zwei Meldungen pro Woche“.
Nicht dazu gehörten die jüngsten Geschäftszahlen, die vor dem Wochenende
durchsickerten. Sie zeigen, dass die
Bahn, die 2015 einen Verlust von 1,3 Milliarden Euro machte, noch kein Rezept
gegen den Abwärtstrend gefunden hat.
Im Gegenteil: Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hat der Konzern nach Tagesspiegel-Informationen zwischen Januar
und März 160 Millionen Euro weniger
Umsatz (9,75 Milliarden Euro) und rund
50 Millionen Euro weniger Gewinn vor
Zinsen und Steuern (384 Millionen Euro)
erwirtschaftet. Sowohl die Güterverkehrssparte DB Cargo als auch der Personenfernverkehr verdienten im Vorjahresvergleich weniger – je 33 Millionen Euro.
Nun ist der Vorstand zu weiteren Einschnitten gezwungen. Neben den Kürzungsplänen im krisengeschüttelten
Schienengüterverkehr stehen nach Reuters-Informationen auch ein Viertel der
rund 100 Instandhaltungswerke vor dem
Aus. Ferner sollen fast 200 Lokomotiven
an den japanischen Toshiba-Konzern verkauft werden, der ins Geschäft mit dem
Lok-Verleih in Europa einsteigen will.
Die vierte Generation des ICE soll das
Bahn-Reisen komfortabler machen. Foto: dpa
Hinzu kommen neue Probleme beim umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21, das
voraussichtlich rund eine halbe Milliarde
Euro mehr kosten soll – doch niemand
will diese Zusatzkosten bezahlen. Das
Land Baden-Württemberg und der Bund
betonten am Wochenende, dass die Bahn
und Projektpartner die Mehrkosten tragen sollen. Zuvor war bekannt geworden,
dass das Projekt wohl erst zwei Jahre später fertig wird. Auch der finanzielle Puffer ist fast aufgebraucht.
Stuttgart 21 wird deshalb auch Thema
sein, wenn sich der Aufsichtsrat in dieser
und in der kommenden Woche mit der
Zukunft der Bahn beschäftigen. Auf der
Strategiesitzung am Mittwoch wird zunächst der Vorstand erwartet. Er soll dem
Gremium erklären, wie es mit dem Güterverkehr weitergeht. Erwartet werden insbesondere Erläuterungen, wie sich die geplante Schließung von bundesweit 215
(von 1500) Verladestationen mit der
Wachstumsstrategie des Unternehmens
verträgt. „Aber auch der Personenverkehr ist nicht aus der Schusslinie“, sagte
ein Aufsichtsratsmitglied dem Tagesspiegel. „Über die mageren Quartalszahlen
wird zu reden sein.“
Eine Woche später kommen die 20 Aufsichtsräte erneut zu ihrer regulären Sitzung zusammen. Dauerthema auf der Tagesordnung: der Personenfernverkehr
und die geplanten Teilverkäufe der Auslandstöchter Arriva und Schenker. Letzteres soll – frühestens 2017 und 2018 – Geld
in die Kassen des mit fast 20 Milliarden
Euro verschuldeten Konzerns spülen.
Im Personenfernverkehr kämpft die
Bahn mit hausgemachten Problemen
(Pünktlichkeit, Baustellen, Service) und
widrigen
Wettbewerbsbedingungen
(Fernbusse, Billigflieger, Spritpreise).
Zwar ist die Zahl der Fahrgäste von Januar
bis März nach Tagesspiegel-Informationen auf 32 Millionen gestiegen – ein Plus
zum Vorjahr von zwei Millionen –, Umsatz und Gewinn liegen aber unter Plan.
Dies dürfte an höheren Investitionen in
Service und Qualität liegen, aber auch an
vielenBilligtickets und Sonderangeboten.
Diese hatten schon 2015 die Züge gefüllt,
Umsatz und Ergebnis aber belastet.
Fragt man die Bahn nach Preissenkungen, heißt es „abwarten“. Im Herbst würden mögliche Anpassungen geprüft. Bis
Ende 2016 sollen die Preise stabil bleiben.
„Wir müssen die, die sonst nicht Zug fahren, in die Bahn holen“, heißt es im Unternehmen. So machte die Bahn auch im
Wettbewerb mit den Fernbussen Boden
gut. Die Zahl der Fernbuspassagiere ist
nach einer Umfrage des Instituts YouGov
im vergangenen Jahr kaum gestiegen.
Spielraum für mehr Qualität und wieder höhere Preise bieten neue Züge, die
die Bahn bestellt hat. „Die Qualitätsoffensive kann aber erst richtig anlaufen, wenn
die ICE 4-Züge da sind“, sagt Christian
Böttger, Professor an der Hochschule für
Wirtschaft und Technik in Berlin. Das ist
erst 2017 der Fall.Bis dahingilt es, dieälteren Waggons in Schuss zu halten. Aber:
„Man muss an der Qualität der Züge zweifeln“, sagt Böttger und berichtet von einem Erlebnis, das dem Klischee entspricht:„Die Kaffeemaschine imICE funktionierte – aber es waren keine Tassen
mehr da.“
Henrik Mortsiefer
Einsatz mindestens auf Spielplätzen, in
Parks und unmittelbar vor der Ernte zu
verbieten.
Wie wahrscheinlich ist es, dass die
Kommission im Alleingang die Zulassung
verlängert? Beobachter verweisen auf die
juristische Lage. Die EU laufe bei einer
Verweigerung der Zulassung Gefahr, von
den Herstellern von Glyphosat vor dem
Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt zu werden. Die Chancen der Industrie werden dabei als gut eingeschätzt, zumal die EU-Lebensmittelbehörde ja bereits grünes Licht gegeben hat. An dieser
Stelle kommt der Gegner ins Spiel, mit
dem sich die Kommission da anlegen
würde. Der mächtige US-Konzern Monsanto, den Bayer für 62 Milliarden Dollar
übernehmen möchte, produziert Glyphosat. In Brüssel hört man: „Es ist unwahrscheinlich, dass die EU einem Spieler mit
einer derartigen Wirtschaftskraft Knüppel zwischen die Beine wirft.“ Die wirtschaftlichen Dimensionen einer Verweigerung könnten kaum überschätzt werden. „Dagegen sind Werbeverbote für die
Tabakindustrie harmlos.“
Immer wieder heißt es, Monsanto
würde in Brüssel in großem Stil lobbyieren. Abgeordnete bestreiten dies aber.
Ein konservativer Europa-Parlamentarier, der in den entscheidenden Ausschüssen sitzt, sagte dem Tagesspiegel: „Ich
habe in der Sache seitens der Industrie
lediglich eine Anfrage bekommen.“ Obwohl er zu einem Treffen bereit gewesen
wäre, sei es nie zu einem Gespräch gekommen, weil der Lobbyist den Termin
abgesagt habe.
Unklar ist unterdessen, ob ein Bann
der EU für Glyphosat auch weitreichende Folgen für den Import von Lebens- und Futtermitteln hätte. Einige
Experten meinen,
dass dann auch
keine Lebens- und Die einzelnen
Futtermittel mehr
in die EU impor- EU-Länder
tiert werden dürf- können die
ten, die GlyphosatRückstände enthal- Nutzung
ten. In der Land- einschränken
wirtschaft Lateinamerikas und Nordamerikas wird Glyphosat besonders deswegen genutzt, weil gentechnisch veränderte Pflanzensorten bei Soja, Raps und
Mais gegen das Gift resistent sind.
Diese Futtermittel, die in großen Mengen nach Deutschland importiert werden, dürften daher hohe Rückstände
von Glyphosat enthalten.
EU-Gesundheitskommissar Andriukaitis indes hat in seinem Statement vergangene Woche auch an das Verantwortungsbewusstsein einzelner Staaten appelliert.
„Die Zulassung einer Substanz auf EUEbenebedeutet nur, dass die Mitgliedstaaten Produkte zum Pflanzenschutz auf ihrem Territorium zulassen dürfen – nicht,
dass sie es müssen“, sagte er. Diejenigen,
die keine Pflanzenschutzmittel auf der Basisvon Glyphosateinsetzenwollten,könnten ihre Nutzung einschränken. „Sie müssen sich nicht hinter dem Beschluss der
Kommission verstecken.“
Die Kaufprämie
verzögert sich
EU muss „Umweltbonus“ für E-Autos noch prüfen
Berlin - Die von der Bundesregierung beschlossene Kaufprämie für Elektroautos
steckt in der Brüsseler Bürokratie fest.
Verbraucher, die an den Kauf eines
E-Fahrzeugs denken und dafür einen
„Umweltbonus“ bis zu 4000 Euro bekommen sollen, werden von den Händlern
vertröstet. Der Grund: Die EU-Wettbewerbsbehörde prüft noch, ob es sich bei
der deutschen Kaufprämie, die eigentlich
rückwirkend ab dem 18. Mai gezahlt werden sollte, um eine unzulässige Beihilfe
handelt. Die Prüfung kann Wochen dauern, denn nach einem Schnellverfahren,
auf das man in Berlin gesetzt hatte, sieht
es in Brüssel nicht aus.
Das Vorhaben der Bundesregierung,
nach langen Debatten möglichst rasch
eineweitere Förderungder Elektromobilität auf den Weg zu bringen, droht damit zu
scheitern. Die Kaufprämie dürfte auch
Themaaufderzweitägigen „Fach- undIdeenkonferenz Elektromobilität“ der Bundesregierung sein, die an diesem Montag
und Dienstag in Berlin stattfindet.
Ein genaues Datum, ab wann die Prämie
über das Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle
(Bafa)
ausgezahlt
werde, könne man nicht nennen, heißt es
beim
Bundeswirtschaftsministerium.
„Derzeit laufen die notwendigen Gespräche mit der EU-Kommission.“ Auch beim
Bafa wartet man: „Ohne Förderrichtlinie,
können wir nichts auszahlen“, sagt ein
Sprecher. Anfragen von Autokäufern
habe es bereits gegeben, man nehme aber
noch keine Förderanträge an. Formulare
oder eine Liste der förderfähigen Automodelle gebe es noch nicht. Letztere würden
vom Ministerium erstellt. Dort verweist
man zurück an die Bafa.
In Brüssel gibt man sich derweil zugeknöpft. Es wird aber Kreisen zufolge
nicht ausgeschlossen, dass die Untersuchung länger dauern könnte und die Prämie noch verändert wird. Ein möglicher
Grund: Deutschland hat die EU-Kommission vor dem Berliner Kabinettsbeschluss am 18. Mai dem Vernehmen nach
nicht eingehend konsultiert, um die Erfolgschancen auszuloten.
Die Regierung rechnet offenbar fest damit, dass der deutsche „Umweltbonus“ –
die Förderung hat ein Gesamtvolumen
voneinerMilliarde Euro –mit EU-Beihilferichtlinien konform ist. Zum einen, weil
die Autoindustrie an der Finanzierung beteiligt ist, und zum anderen, weil die Förderung relativ gering ausfällt. Das Wirtschaftsministerium
verweist auf die Regularien: Es sei ein
In den
Kabinettsbeschluss
Autohäusern nötig gewesen, um
die Prämie formal
werden
von der EU prüfen
potenzielle
lassen zu können.
Unterdessen werKunden
denpotenzielleE-Auvertröstet
tokäufer in den Autohäusern vertröstet.
„Solange die Prämie
nicht genehmigt wurde, können wir den
Kunden auch nichts versprechen“, heißt
es zum Beispiel bei BMW. Der Hersteller
lockt in der Werbung bereits mit Hinweisen auf die Kaufprämie für seine elektrischen i-Modelle und Plug-in-Hybride.
Toyota, der japanische Vorreiter bei Hybrid-Antrieben (Elektro- plus Verbrennungsmotor), sortiert sich noch: „Da kann
man im Netz Anträge downloaden“, heißt
es beim Online-Kundendienst. Ein Berliner Verkäufer hat indes ganz andere Probleme: Toyota hat kein reines E-Auto im
Programm und der neue Prius Plug-in,
den man an der Steckdose aufladen kann,
kommt erst in einigen Wochen auf den
Markt. Nur Plug-in-Modelle werden vom
Staat gefördert, nicht aber herkömmliche
Hybride. Für die legt Toyota nun selber etwas drauf.
Henrik Mortsiefer
14
WIRTSCHAFT
DER TAGESSPIEGEL
In Griechenland
bricht
der Konsum ein
Athen - Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen haben in Griechenland zum
Einbruch beim Konsum geführt. Wie die
Athener Tageszeitung „Kathimerini“ am
Sonntag berichtete, gaben die Griechen
im ersten Quartal dieses Jahres 13 Prozent weniger Geld für Lebensmittel aus
als im Vorjahreszeitraum. Die Menschen
hätten angesichts der hohen Steuern und
Abgaben schlicht weniger Geld. Auch
ihre Stromrechnung können viele Menschen dem Bericht zufolge nicht mehr bezahlen. Der Fernsehsender Skai meldete
am Sonntag mit Verweis auf das Handelsregister, in den ersten sechs Monaten dieses Jahres hätten 15 500 Unternehmen
dichtgemacht. Lediglich 12 500 Firmen
seien neu gegründet worden. Griechenland hat in den vergangenen Jahren wiederholt Renten gekürzt sowie Steuern
und Abgaben neu eingeführt oder erhöht.
Erst vor zwei Wochen wurde vom Parlament erneut ein 5,4 Milliarden Euro
schweres Sparpaket verabschiedet. dpa
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NR. 22 779 / MONTAG, 6. JUNI 2016
„In der EU kommen Investitionen nicht in Gang“
Werner Hoyer, Chef der Europäischen Investitionsbank, über den Juncker-Fonds, niedrige Zinsen und die Folgen eines Brexit
C
Herr Hoyer, die Europäische Investitionsbank (EIB) hat eine Schlüsselrolle, um die
Investitionen in Europa anzukurbeln. Der
Fonds für Strategische Investitionen (auch
Juncker-Fonds genannt) will mit dem Angebot günstiger Kredite bis 2018 private Investoren aus der Reserve locken. Wie läuft die
Kreditvergabe?
So richtig arbeiten wir erst seit neun Monaten. Bei der Kürze der Zeit sind wir
heute aber sehr viel weiter als zunächst
gedacht. Ich schätze, dass wir von den Investitionen in Höhe von 315 Milliarden,
die wir binnen drei Jahren lostreten wollen, heute schon ein Drittel angeschoben
haben. Sicher sind die Projekte von kleineren Unternehmen schneller auf den
Weg gebracht worden als Großprojekte.
Diese haben naturgemäß einen längeren
Vorlauf. Die Pipeline ist aber auch bei
den großen Projekten voll.
Und jetzt?
Mit dem Juncker-Fonds haben wir ein größeres Spektrum und mehr Spielraum,
wir erreichen jetzt bis zu 25 Milliarden.
Das ist ein Quantensprung.
Der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold kritisiert, dass Straßenbauprojekte gefördert
werden,
obwohl
sozial-ökologische
Maßstäbe vereinbart sind.
Herr Giegold hat insofern recht: Die Zeiten der altbackenen Straßenbauförderung sind vorbei. Das heißt aber nicht,
dass man heute keine Straßen mehr
bauen darf. Vor allem ist es sinnvoll, Engpässe zu beseitigen. Schauen Sie sich die
Lage in NRW an, wo Lastwagen wegen
maroder Rheinbrücken lange Umwege
fahren müssen oder stundenlang im Stau
D
KARRIERE
Werner Hoyer, 1951 in Wuppertal
geboren, studierte in Köln Volkswirtschaftslehre. Anfang der
1970er Jahre trat er der FDP bei.
Von 1987 bis 2012 saß Hoyer im
Bundestag; in den 90er Jahren
fungierte er als Generalsekretär
der Partei. Von 1994 bis 1998
arbeitete er als Staatsminister
im Auswärtigen Amt, von 2002
bis 2009 war er stellvertretender
Vorsitzender der Bundestagsfraktion. Zwischen Oktober 2009
und Dezember 2011 amtierte
Hoyer erneut als Staatsminister
im Außenministerium. Seit 2012
ist er Präsident der Europäischen
Investitionsbank.
Was ist das Besondere des Juncker-Plans?
Es geht darum, Investitionen auszulösen,
die ein zusätzliches Investitionsvolumen
von 315 Milliarden Euro ausmachen. Ein
Teil des EU-Budgets, nämlich 16 Milliarden Euro, wird nicht mehr für Subventionen genutzt, sondern als Garantien für
Kredite, die die Unternehmen sonst nicht
bekommen hätten. Das ist ein Paradigmenwechsel. Die Haushaltskommissarin
Kristalina Georgieva nennt es better spending – das Geld sinnvoller ausgeben.
Aus dem Parlament wird kritisiert, dass
gar nicht zusätzliche Investitionen angestoßen werden, sondern ohnehin geplante Vorhaben nun über den Juncker-Fonds laufen.
Man darf nicht vergessen: Der Juncker-Fonds ist integraler Bestandteil der
Europäischen Investitionsbank. Richtig
ist, dass wir heute Kreditgarantien geben,
wo die Kommission früher Subventionen
verteilt hat. Wir haben auch bisher schon
risikobehaftete Investitionen gefördert,
die uns im Hinblick auf Forschung und
Entwicklung besonders sinnvoll erscheinen. Aber die Garantiefazilität ermöglicht uns jetzt, in Projekten mehr Risiko
zu übernehmen, um damit den Weg für
private Investoren in diese Projekte zu ebnen. Dafür hatten wir früher im Jahr nur
fünf Milliarden Euro zur Verfügung.
ZUR PERSON
DIE BANK
„Zutiefst besorgt“ über die Investitionsschwäche in der EU ist der Bankenpräsident und FDP-Politiker Werner Hoyer.
stehen. Der ökologische Schaden daraus
ist enorm. Da wird ökologisch und ökonomisch Fortschritt erzielt, wenn gebaut
wird. Die Finanzierung der Verkehrswege über öffentlich-private Partnerschaften ist dabei der richtige Ansatz.
Obwohl die EIB viele Kredite anstößt, ist
die Investitionstätigkeit in Europa immer
noch sehr zögerlich. Woran liegt das?
Abgesehen vom Juncker-Fonds stimmt
die Analyse. Die Investitionstätigkeit ist
schwach, Banken und Pensionsfonds nehmen eher Negativzinsen in Kauf, anstatt
das Geld innovativen Unternehmern zu
geben. Das ist ein Prozess, der uns große
Sorgen macht. Die anhaltende Niedrigzinsphase ist zu einer Zinsfalle geworden. Niedrigere Zinsen lösen nicht mehr
höhere Investitionen aus. Umso wichtiger ist hier der Juncker-Plan, weil sonst
riskante, aber lohnende Projekte gar
nicht mehr finanziert würden. Die EIB allein kann es aber nicht wuppen. Was wir
brauchen, ist vor allem ein investitionsfreundlicheres Regulierungsumfeld.
Es gibt schon Forderungen, den JunckerPlan über 2018 hinaus zu verlängern.
Wir haben uns erst einmal drei Jahre vorgenommen. Ich bin in hohem Maße besorgt, weil die Investitionsmaschine in
Europa nicht richtig in Gang kommt. Vor
allem an der Schnittstelle zwischen Investition und Innovation passiert zu wenig.
In Deutschland zum Beispiel hapert es an
der flächendeckenden Versorgung mit
schnellem Internet. Insofern verwundert
es nicht, dass über eine Verlängerung
nachgedacht wird.
Was macht die EIB in Deutschland?
Wir schieben gerade bei Heidelberger
Druckmaschinen eine sehr interessante
Innovation an. Das Unternehmen hat ja
durchaus wirtschaftlich schwierige Zeiten durchgemacht. Heideldruck geht
jetzt in die Offensive bei der Digitalisierung. Softwareintegration und Ausbau
des Digitaldruckportfolios. Dieses Projekt verspricht großen Mehrwert für einen wichtigen Industriebereich. Forschung und Entwicklung am deutschen
Foto: Francois Lenoir/Reuters
Standort werden gestärkt, kleine und
mittlere Unternehmen sind eingebunden
und profitieren.
Und was gibt es noch hierzulande?
Wir reden mit Bundesländern über die Finanzierung von Wohnungen. In Berlin
und in anderen Bundesländern zum Beispiel geht es um Wohnraum für Studenten und sozial benachteiligte Menschen,
auch für Flüchtlinge.
Die Briten haben ein Punktesystem für den
Zuzug von EU-Ausländern vorgelegt. Was
sagen Sie dazu?
Ich will mich in die Debatte in Großbritannien nicht einmischen. Ich bin aber betroffen, wie leichtfertig mit Errungenschaften der europäischen Integration
wie etwa der Freizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit umgegangen wird.
Dies gilt nicht nur für Großbritannien.
Natürlich ist die Entscheidung über Verbleib oder Austritt die souveräne Entscheidung der Briten. Ich bin aber überzeugt, dass ein Ausscheiden Großbritan-
Die Europäische Investitionsbank
(EIB) ist die Bank der Europäischen Union. Sie gehört den
EU-Mitgliedstaaten und vertritt
deren Interessen. Die EIB stellt
Finanzierungen und Know-how für
Projekte bereit, die zum Erreichen
der Ziele der EU beitragen. Mehr
als 90 Prozent der Mittel werden
in Europa vergeben. Daneben ist
die EIB aber auch außerhalb der
EU tätig und unterstützt die Entwicklungszusammenarbeit der
EU. Die Bank ist mit mehr als 240
Milliarden Euro ausgestattet, an
Krediten reichte sie im vergangenen Jahr knapp 78 Milliarden
Euro aus. Mehr als 2000 Personen arbeiten für die Bank, die
1958 in Brüssel gegründet wurde
und heute ihren Sitz in Luxemburg
hat.
niens ein gewaltiger Verlust für Europa
wäre. Gerade aus deutscher Sicht.
Angenommen, das Königreich bleibt. Können Sie sich da noch eine weitere Vertiefung der EU vorstellen?
Die Stimmung in der EU ist leider eher
nach Desintegration als nach Integration.
Derzeit bin ich schon zufrieden, wenn es
keine Rückschritte gibt. Meine Hoffnung
ist: Wenn Großbritannien bliebe, könnten die negativen Kräfte einen Dämpfer
erfahren. Dennoch glaube ich nicht, dass
damit die Integrationsmaschine sofort
wieder anspringen wird. Europa hat in
der Vergangenheit in Krisen immer mal
zwei Schritte zurück gemacht. Aber danach kamen drei Schritte nach vorn. Das
war von den Römischen Verträgen bis
heute so. Heute sind wir erstmals in einer
Lage, in der ein massiver Rückschritt zu
befürchten ist. Das wäre für das Friedensprojekt in Europa und für unseren Wohlstand eine sehr schlechte Nachricht.
— Das Gespräch führte Markus Grabitz.
Clinc
Der Chef zeigt die Rote Karte
Freitag beginnt die Fußball-EM: Welche Ansprüche Arbeitnehmer haben, um die Spiele sehen zu können – und welche nicht
tere Kollegen freihaben wollen. Schwierig wird es, wenn Beschäftigte ihren Urlaub nur stundenweise beantragen, um
einzelne Spiele zu verfolgen. Ein anderes
Problem ergibt sich dann, wenn jemand
beispielsweise eine Karte gewinnt und
kurzfristig zu einem Spiel gehen kann.
Grundsätzlich muss der Arbeitgeber
auch dann den Urlaub gewähren. Die
Gründe dagegen müssten wirklich dringlich sein. „Selbst dann kann der Betroffene aber noch zum Arbeitsgericht gehen
und wird wahrscheinlich Erfolg haben“,
erklärt Meier.
Foto: promo
Von Marie Rövekamp
Chefs: A. Sohns (links, 28), J. Arnold (30)
Branche: Dienstleistung
Mitarbeiter: sieben
Gründungsjahr: 2016
Firmensitz: Kollwitzstraße 44, Prenzlauer
Berg
Internet: www.clincapp.com
Diese Idee ist nicht ganz neu: Man spart,
was an Kleingeld übrig bleibt, und legt es
dann auf die hohe Kante. Doch heutzutage
wird das Sparschwein durch eine App mit
einem smarten Algorithmus ersetzt. Clinc
heißt die neueste Anwendung für das
iPhone, die Julien Arnold und Andreas
Sohns entwickelt haben. Wichtig sei, dass
man sich ein erreichbares Sparziel setze,
ein neues Smartphone zum Beispiel oder
ein Urlaubsreise. Deshalb verschwinden
bei Clinc nur kleine Summen oder Teile
von Extrazahlungen, wie zum Beispiel das
Geburtstagsgeld von Oma, im virtuellen
Sparschwein. „Man soll bei Clinc nie das
Gefühl haben, dass man jetzt zwanghaft
sparen muss“, sagt Arnold. Das gesparte
Geld lande auf einem deutschen Konto
mit Einlagensicherung. Die Spar-App
wird noch getestet, soll aber in diesen Wochen starten.
Michael Pöppl
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Am Freitag beginnt die Fußball-Europameisterschaft – und die deutschen Fans
haben Glück: Keine Vorrundenpartie der
Deutschen Nationalmannschaft findet an
einem Nachmittag unter der Woche statt.
Nur abends, um 18 oder 21 Uhr, laufen
die deutschen Spieler aufs Feld. Was aber
ist mit jenen, die Spanien gegen Tschechien sehen wollen, oder Italien gegen
Schweden? Wochentags, um 15 Uhr. Und
welche Rechte haben jene, die lange arbeiten müssen? Ein Überblick.
SPIELE GUCKEN
Generell können Arbeitnehmer davon
ausgehen, dass sie die EM-Spiele während der Arbeitszeit zumindest akustisch
mitverfolgen können. „Beeinträchtigt das
die Arbeitsleistung nicht, werden Arbeitgeber in der Regel nichts dagegen haben,
wenn das Radio parallel zur Arbeit an
ist“, sagt Hans-Georg Meier, Fachanwalt
für Arbeitsrecht in Berlin. Die Arbeitsatmosphäre darf allerdings nicht gestört
werden – ebenso wenig Telefonate oder
Kundengespräche. Um Irritationen beim
Vorgesetzten zu vermeiden, sollten Mitarbeiter vorher um Erlaubnis fragen.
Anders sieht es aus, wenn jemand die
Spiele während der Arbeitszeit im TV sehen möchte. Die Konzentration ist dabei
stärker beeinträchtigt und deswegen auch
die Arbeitsleistung. Ist der Chef einverstanden, können Arbeitnehmer die EM
am Bildschirm verfolgen. Ist der Chef dagegen, müssen Fußballfans das akzeptieren. Was Live-Ticker im Internet betrifft,
kommt es darauf an, wie die private Internetnutzung im Betrieb geregelt ist. Ist dies
prinzipiell erlaubt, entscheidet letztlich
das Ausmaß: Schaut ein Arbeitnehmer ein
komplettes Spiel per Stream, kann er vom
Vorgesetzten abgemahnt werden.
Platzverweis. Wer eine Krankheit vortäuscht und abends zum Public Viewing geht, dem
droht die fristlose Kündigung.
Foto: Fotolia
FLEXIBLE ZEITEN
Rechtlich gesehen haben Arbeitnehmer
auch keinen Anspruch darauf, dass die Arbeitszeiten wegen der EM verändert werden. Im Gegensatz zu religiösen Festen ist
dieWahrnehmung von fußballerischen Interessen nicht durch das Grundgesetz geschützt. Solange im Arbeitsvertrag keine
ganz bestimmten Arbeitszeiten vereinbart worden sind, kann der Arbeitgeber
aber trotzdem flexibel sein. Ein möglicher
Kompromiss kann sein, vor- oder nachzuarbeiten und die Pausen anzurechnen.
„Reden geht immer“, sagt Meier. Eine andere Möglichkeit sei es, mit dem Betriebsrat zu sprechen. Manchmal gebe es Ausnahmevereinbarungen. Am einfachsten
sei es für Mitarbeiter, wenn es eine Gleitzeitregelung gibt. Wenn die Spiele außerhalb der Kernarbeitszeit stattfinden, sei
keine Diskussion notwendig.
ÜBERSTUNDEN
Für einen Fußballfan ist die Europameisterschaft wahrscheinlich eine günstige
Zeit, um Überstunden abzubauen. Das ist
auch kein Problem – solange es im Betrieb deswegen nicht zu persönlichen
Engpässen oder Produktionsschwierigkeiten kommt. Ein anderer Punkt: Ist im
Arbeitsvertrag geregelt, dass man bei Bedarf Überstunden machen muss, gilt das
auch während der EM. Mitarbeiter, die
auf Anordnung des Chefs länger bleiben
müssen, dürfen aber generell nicht mehr
als zehn Stunden am Tag arbeiten.
URLAUB
Wer kein Spiel verpassen möchte, kann
sich für die EM-Wochen Urlaub nehmen.
Hat der Arbeitgeber diesen gewährt,
kann sich der Arbeitnehmer auf die Zusage verlassen. Auch wenn plötzlich wei-
BLAU MACHEN
Wer keinen Urlaub bekommt und seinen
Dienst auch nicht tauschen kann, sollte
auf keinen Fall blaumachen. „Wer eine
Krankheit vortäuscht und dann zum Public Viewing geht, kann gekündigt werden“, sagt Meier. Das sei eine vorsätzliche Arbeitsverweigerung. Gleiches gilt
für die Krankschreibung vom Arzt. Wenn
der Chef den Urlaubsantrag abgelehnt
hat und der Arbeitnehmer daraufhin den
gelben Schein vorlegt, spricht auch das
für eine Lüge. Kann der Arbeitnehmer
nicht beweisen, dass er wirklich krank
ist, droht die sofortige Entlassung.
BESONDERE DIENSTE
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts gibt es in Deutschland mehr als
sechs Millionen Erwerbstätige, die im
Schichtdienst arbeiten. Sie müssen auch
abends, nachts und am Wochenende arbeiten – wenn die meisten EM-Spiele
stattfinden. In Fabriken oder Supermärkten kann der Arbeitgeber Spätschichten
unterbrechen oder verkürzen – er muss
es aber nicht. Eine Alternative ist es,
Schichten zu tauschen. Im Bereitschaftsdienst spricht zunächst einmal nichts dagegen, Fußball zu schauen. Ob nun in der
Firma, der Klinik oder zu Hause. Das gilt
zumindest so lange, wie das Fußballinteresse die Arbeit nicht behindert. Eine
Krankenschwester oder ein Arzt dürfen
aber nicht etwa zu spät zur OP kommen,
nur weil sie noch den Schlusspfiff abwarten wollen.
Egal um welchen Punkt es geht: Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten vorab
die wichtigsten Fragen zur EM klären. Arbeitsexperten raten Chefs, kompromissbereit zu sein. Ein paar Lockerungen –
oder auch das gemeinsame Fußballschauen – könnten dem Team und der Beziehung zwischen Chef und Mitarbeitern
guttun. Die Motivation der Mitarbeiter
kann erhöht und das Betriebsklima verbessert werden. Außerdem sei es ein Zeichen von Wertschätzung für die tägliche
Arbeit.
SPIELREGELN
D
Private Viewing
Wer nicht arbeiten muss und die Fußballspiele zusammen mit Freunden sehen möchte, sollte sich auch dann an
einige Spielregeln halten. Zwar werden
Lärmschutzbestimmungen während
Fußball-Großevents wie der EM gelockert, doch das gilt nur fürs Public Viewing in Kneipen, Biergärten oder auf öffentlichen Plätzen. Nicht für private Fernsehpartys. Wer die Fußballübertragung
im Garten zur Party macht, sollte sie ab
22 Uhr lieber nach drinnen verlegen. Wobei auch dort Zimmerlautstärke gilt. Auf
Vuvuzelas oder andere Krachmacher
sollte man lieber verzichten, um keinen
Ärger mit den Nachbarn zu bekommen
und einen eigentlich schönen Abend
nicht unschön enden zu lassen.
röv
SPORT
MONTAG, 6. JUNI 2016 / NR. 22 779
Abschied
mit
Schale
Handball: Löwen erstmals
Deutscher Meister
Berlin - Der Plan war lange vorbereitet
worden, fast eine ganze Saison – und am
Ende ging er auch problemlos auf. Nach
dem letzten Bundesliga-Spiel der Saison
haben die Handballer der Rhein-Neckar
Löwen und ihr zahlreich vertretener Anhang am Sonntag so schnell die Heimreise
aus Nettelstedt angetreten, wie es ihnen
angesichts der offiziellen Akte möglich
war. Es gab ja auch einiges zu feiern in ihrer Heimatstadt Mannheim. Durch einen
35:23 (17:10)-Sieg beim TuS N-Lübbecke
hat die Mannschaft von Trainer Nicolaj Jacobsen gesternzum ersten Mal inihrer Geschichte die Deutsche Meisterschaft gewonnen. Bester Torschütze der Löwen
war der Schweizer Andy Schmid, der erst
kürzlich zumdrittenMal in Folge als„Spieler der Saison“ ausgezeichnet wurde.
Nach dem Sieg im EHF-Cup vor drei
Jahren war es für die Löwen zugleich der
erste bedeutsame nationale Titel – und
ein rührseliger Abschied für den langjährigen Kapitän und gebürtigen Mannheimer Uwe Gensheimer, der im Sommer in
die französische Liga zu Paris St. Germain wechseln wird. „Es ist unfassbar.
Geht als Meister. Kapitän Uwe Gensheimer machte sein letztes Spiel für die
Foto: dpa/Anspach
Rhein-Neckar Löwen.
Wir hatten es in den letzten Jahren oft
verdient, Meister zu werden – jetzt ist es
endlich geschafft“, sagte Schmid.
Im Gegensatz zu den Vorjahren, als den
Löwen in entscheidenden Situationen oft
die Nerven versagten, gerieten sie in Lübbecke nicht einmal in Gefahr, so dass sich
der ärgste und einen Punkt in Rückstand
liegende Verfolger aus Flensburg keine
Hoffnungen aufein erneutesScheiternmachen durfte. Die SG setzte sich am letzten
Spieltag zwar daheim gegen den bereits
als Absteiger feststehenden Bergischen
HC mit 41:27 (21:16) durch und blieb damitin dergesamten Rückrunde ungeschlagen. Trotzdem fehlte am Ende ein Punkt
zuden Löwen,weilsich dieFlensburger direkt zu Saisonbeginneine seltsameSchwächephase geleistet hatten. „Die Löwen haben es sich wirklich verdient, sie haben
großartigen Handball gespielt“, sagte
SG-Coach Ljubomir Vranjes.
Für die Füchse Berlin ging es dagegen
am letzten Bundesliga-Spieltag um nichts
mehr. Die Berliner standen bereits vor
dem finalen Duell in BalingenalsTabellenfünfter derBundesliga festundverabschiedeten sich trotzdem mit einem in die Sommerpause. Beim 32:31 (15:13)-Erfolg in
Balingen war Petar Nenadic erfolgreichster Torschütze (11 Treffer). Damit sicherte sich der der Serbe auch die Bundesliga-Torjägerkrone.
Christoph Dach
DER TAGESSPIEGEL
Anruf vom Regierungschef
Lausitzring:
Österreicher
holtDTM-Sieg
Der Erfolg von Garbiñe Muguruza in Paris begeistert selbst Spaniens Ministerpräsidenten Mariano Rajoy
Paris - Spaniens Ministerpräsident fieberte bis zum Matchball von Paris im Zug
mit. Am Tag nach ihrem ersten
French-Open-Triumph verdrängte Garbiñe Muguruza am Sonntag sogar den
Tod des großen Boxers Muhammad Ali
von vielen Zeitungs-Titelseiten. Der spanische Tennis-Tag von Paris machte die
Fans daheim glücklich – auch den verletzten Rafael Nadal.
Während die 22-jährige Muguruza in
der Kabine ihren Sieg im Generationenduell über Serena Williams feierte, rief
Regierungschef Rajoy an: „Wer gewinnt
schon Roland Garros? Du!“ Auf Twitter
schwärmte er von einem historischen
Sieg, der alle stolz mache. „Königin Garbiñe“, titelte die Madrider Sportzeitung
„AS“.
Rekordsieger Nadal, den eine Handgelenksblessur frühzeitig um seinen möglichen zehnten Titel am Sonntag gebracht
hatte, gratulierte dem neuen Star der Damen-Tour per Twitter: „Sehr gute Nachrichten für das spanische Tennis!“ Muguruza fühlte sich nach ihrem ersten
Grand-Slam-Titel regelrecht geadelt.
„Diesen Tweet von Rafa zu lesen, ist großartig“, sagte die groß gewachsene Weltranglistenvierte in tadellosem Englisch
mit leicht amerikanischem Einschlag –
Muguruza ist in Venezuela geboren und
siedelte als Kind mit ihrer Familie nach
Spanien über – weil dort bessere Bedingungen waren, um die Karriere als Tennisspielerin anzugehen.
Kein Grand-Slam-Turnier ist in Spanien so wichtig wie die French Open.
„Wenn du als Kind auf Sand trainierst,
denkst du immer: Oh, ich wünschte, ich
könnte in Roland Garros gewinnen“, erklärte sie. Der Traum ist Wirklichkeit,
fast zärtlich kuschelte sich die künftige
Nummer zwei der Welt an die silberne
Coupe Suzanne Lenglen. Und das unter
den Augen von Arantxa Sanchez-Vicario,
Spaniens
bislang
einziger
French-Open-Siegerin, die dort vor
18 Jahren den letzten ihrer drei Titel von
Paris feierte. Ihrer Nachfolgerin ist viel
zuzutrauen. „Die Zukunft gehört Muguruza“, schrieb die französische Sportzeitung „L'Equipe“.
Frauen-Tennis-Legende Billie Jean
King sprach von einer Wachablösung.
Vor zwei Jahren schlug Muguruza als damals noch krasse Außenseiterin Serena
Williams in der zweiten Runde von Paris,
im Vorjahr unterlag sie der Weltranglisten-Ersten im Wimbledon-Finale. Am
Samstag machte Garbiñe Muguruza mit
Humor hat sie auch. French-Open-Siegerin Garbiñe Muguruza samt Trophäe in einer etFoto: dpa/Laurent
was anderen Pose.
dem 7:5, 6:4-Erfolg den nächsten großen
Schritt und durfte dafür immerhin auch
zwei Millionen Euro an Preisgeld aus
Frankreich mitnehmen.
In ihrem zitronenfarbenen Kleid bewegte sich Muguruza leichtfüßiger als Serena Williams. Wie schon bei den vorigen US Open und im Australian-Open-Fi-
nale gegen Angelique Kerber verpasste
die
Nummer
eins
ihren
22.
Grand-Slam-Einzeltitel und die Einstellung des Profi-Rekordes von Steffi Graf.
Auch diesmal war die Gegnerin besser
und hatte ihre Nerven unter Kontrolle,
nachdem sie bei einer 5:3-Führung vier
Matchbälle vergeben hatte. „Sie ist unter
15
dem Druck nicht zusammengebrochen,
sie hat ihn angenommen“, urteilte Tennis-Ikone Martina Navratilova in der
„New York Times“.
Nicht dass die Titelverteidigerin aus
den USA so schlecht wie im Viertel- und
Halbfinale gespielt hätte – doch dem mutigen und kraftvollen Spiel der Pariser Final-Debütantin hatte die 34-jährige Serena Williams nicht genug entgegenzusetzen. Anders als 2002, 2013 und 2015
blieb ihr nur ein Silberteller. Irgendwann
schien es, als müsste sie bei ihrer Rede an
die knapp 15 000 Zuschauer doch Tränen herunterschlucken.
„Ich suche nicht nach Entschuldigungen“, sagte Williams auch angesichts von
Addduktorenbeschwerden. „Ich habe
nicht getan, was ich heute hätte tun müssen.“ Auch weil Muguzura es nicht zuließ.
Das spanische Tennis-Glück am vergangenen Sonnabend machten danach Feliciano Lopez und
Marc Lopez mit ihrem Finalsieg im Rafael Nadal:
Herren-Doppel gegen die Bryan-Zwil- „Sehr gute
linge aus den USA Nachrichten
perfekt. Daheim jubelte Rafael Nadal für das
wieder mit. „Super spanische
Feliciano und Marc!
Ich freue mich sehr Tennis“
über den Sieg für
meine
Freunde“,
schrieb der Mallorquiner, Sandplatz-König vergangener Jahre.
Im Finale der Frauen war derweil die
gastgebende Nation dran: Die französischen Tennisspielerinnen Caroline Garcia und Kristina Mladenovic haben im Damen-Doppel bei den French Open für einen Heimsieg gesorgt. Garcia und Mladenovic gewannen am Sonntag im Endspiel
6:3, 2:6, 6:4 gegen das russische Duo Jekaterina Makarowa und Jelina Wesnina.
Für die Siegerinnen war es im Doppel
der bisher größte gemeinsame Erfolg. Dafür erhielten beide insgesamt 500 000
Euro. Makarowa und Wesnina teilen sich
250 000 Euro. Sie hatten die Doppel-Konkurrenz beim Grand-Slam-Turnier in Paris vor drei Jahren gewonnen.
Im Finale der Männer (bei Redaktionschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet) standen sich am Sonntagnachmittag
oin Paris der Weltranglistenerste Novak
Djokovic aus Serbien und Andy Murray
gegenüber, der Weltranglistenzweite aus
Schottland.
dpa/Tsp
Klettwitz - Als erstmals nach einem
DTM-Rennen Österreichs Nationalhymne erklang, stand Lucas Auer auf
dem Podest und biss sich auf die Lippen.
„Die DTM als erster Österreicher zu gewinnen macht mich stolz“, sagte der
Neffe von Ex-Formel-1-Fahrer Gerhard
Berger. „Ich habe noch nie so hart für einen Sieg arbeiten müssen. Es war brutal
hart.“ Mit seinem Start-Ziel-Sieg holte
Auer auf dem Lausitzring am Sonntag zudem den ersten DTM-Erfolg für das Mercedes-Team Mücke.
Einer der ersten Gratulanten war
Audi-Mann Mattias Ekström, der mit seiner Fahrt auf Rang zwei ein weiteres Mal
für ein sportliches Ausrufezeichen im
Deutschen Tourenwagen Masters sorgte.
„Nach der Box bin ich volle Lotte gefahren bis zum Ende, das hat sich ausgezahlt“, sagte der 37 Jahre alte Schwede.
Rang drei ging an Robert Wickens. Der
Mercedes-Pilot übernahm damit auch die
Führung in der Gesamtwertung. Vor den
Rennen am Norisring in Nürnberg Ende
Juli hat er einen Vorsprung von drei Zählern auf Ex-Champion Marco Wittmann.
Als bester BMW-Fahrer war er hinter Jamie Green (Audi) und Gary Paffett (Mercedes) auf Rang sechs gekommen.
Für einen Schreckensmoment sorgte
Edoardo Mortara: Bei seinem Boxenstopp
erwischte der Audi-Mann einen Mechaniker der Nachbarbox. Bei dem Mann, ebenfalls bei Audi angestellt, wurden noch an
der Strecke Prellungen am Unterschenkel, Knie und Rücken diagnostiziert. dpa
E
NACHRICHTEN
F
FUSSBALL
VfB Stuttgart holt Hitzlsperger
Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger
und Marc Kienle sollen bei der angestrebten direkten Rückkehr ihres ehemaligen
Vereins VfB Stuttgart in die Bundesliga
eine wichtige Rolle übernehmen. Hitzlsperger arbeitet künftig „als Beauftragter
des Vorstandes in der Schnittstelle zwischen der Vereinsführung und dem Lizenzspielerbereich“, wie der VfB am
Sonntag mitteilte. Kienle wird Manager
Sportkoordination. Allerdings suchen
die Schwaben nach der Trennung von Robin Dutt noch einen Gesamtverantwortlichen für den Bereich Sport.
dpa
EISHOCKEY
E
AMERICAN FOOTBALL
GFL. Gruppe Nord, 6. Spieltag: Kiel Baltic Hurricanes - Berlin Adler 54:21, Düsseldorf Panther - Hamburg Huskies 20:31, Lions Braunschweig - Dresden Monarchs 33:26.
BASKETBALL
Bundesliga. Finale, 1. Spieltag: Bamberg - Ulm
101:82. (23:22, 31:17, 22:19, 25:24).
EISHOCKEY
NFL. Stanley-Cup-Finale, Play-off (Best of 7): San
José Sharks - Pittsburgh Penguins 3:2 n.V. (1:1,
0:1, 1:0)/Stand: 1:2.
FUSSBALL
Copa América. 1. Spieltag, Gruppe A: Costa Rica Paraguay 0:0. Gruppe B: Haiti - Peru 0:1 (0:0), Brasilien - Ecuador 0:0.
Länderspiele. Australien - Griechenland 1:0 (0:0),
Estland - Lettland 0:0, Deutschland - Ungarn 2:0
(1:0), Elfenbeinküste - Gabun 2:1 (0:0), Kroatien San Marino 10:0 (6:0), Österreich - Niederlande
0:2 (0:1), Slowakei - Nordirland 0:0, Frankreich Schottland 3:0 (3:0).
ZAHLEN
35:25 (18:13), Kiel - Stuttgart 32:23 (16:11), N-Lübbecke - RN Löwen 23:35 (10:17), Melsungen - Eisenach 31:25 (16:12), Magdeburg - Gummersbach
31:27 (17:11), Balingen - Berlin 31:32 (13:15),
Flensburg - Bergischer HC 41:27 (21:16). Wetzlar Leipzig (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe).
1. RN Löwen
32
2. Flensburg
32
3. Kiel
32
4. Melsungen
32
5. Berlin
32
6. Göppingen
32
7. Hannover
32
8. Magdeburg
32
9. Gummersbach 32
10. Wetzlar
31
11. Leipzig
31
12. Bergischer HC 32
13. Lemgo
32
14. Balingen
32
15. Stuttgart
32
16. Eisenach
32
17. Nettelstedt 32
18. Hamburg
0
28
26
24
22
20
19
14
14
16
15
12
9
8
6
4
4
2
0
0
3
2
3
3
1
8
7
3
4
4
1
2
3
6
2
4
0
4
3
6
7
9
12
10
11
13
12
15
22
22
23
22
26
26
0
916:704 56:8
969:785 55:9
974:822 50:14
910:825 47:17
910:825 43:21
888:820 39:25
891:880 36:28
895:880 35:29
874:864 35:29
794:792 34:28
826:875 28:34
815:911 19:45
847:953 18:46
850:934 15:49
783:926 14:50
795:1002 10:54
801:940 8:56
0:
0 0: 0
HOCKEY
HANDBALL
Bundesliga. 34. Spieltag: Göppingen - TBV Lemgo
Bundesliga. Frauen, Finale: Rot-Weiß Köln - Uhlenhorster HC 4:6 n.P. (2:2).
Pittsburgh verliert drittes NHL-Finale
F
Männer: Uhlenhorster HC - Rot-Weiß Köln 3:1 i.S.
(2:2, 3:3, 3:3).
MOTORSPORT
Motorrad-WM. In Barcelona. Großer Preis von Katalonien, MotoGP (25 Runden à 4,655
km/116,375 km): 1. Rossi (Italien) Yamaha
44,37,589 Std. (Schnitt: 156,4 km/h); 2. Márquez
(Spanien) Honda + 2,652 Sek.; 3. Pedrosa (Spanien) Honda + 6,313; ...12. Bradl (Zahling) Aprilia
+ 55,133. WM-Stand nach 7 von 18 Rennen: 1.
Márquez (Spanien) Honda 125 Pkt.; 2. Lorenzo
(Spanien) Yamaha 115; 3. Rossi (Italien) Yamaha
103; ...13. Bradl (Zahling) Aprilia 29.
Moto2 (23 Runden à 4,655 km/107,065 km): 1.
Zarco (Frankreich) Kalex 42:31,347 Min. (Schnitt:
151,0 km/h); 2. Rins (Spanien) Kalex 4,180 Sek.;
3. Nakagami (Japan) Kalex 9,313; ...7. Folger
(Schwindegg) Kalex 17,046; 10. Schrötter (Pflugdorf) Kalex 23,163. Ausfälle: Cortese (Berkheim)
Kalex (6. Runde). WM-Stand: 1. Rins (Spanien) Kalex 116 Pkt.; 2. Lowes (England) Kalex 108; 3.
Zarco (Frankreich) Kalex 106; ...6. Folger (Schwindegg) Kalex 57; 16. Schrötter (Pflugdorf) Kalex 19;
21. Cortese (Berkheim) Kalex 10.
Moto3 (22 Runden à 4,655 km/102,410 km),
5.6.2016: 1. Navarro (Spanien) - Honda
42:18,228 Min.; 2. Binder (Südafrika) - KTM +
San José hat in der Endspielserie um den
Stanley Cup in der NHL ihr erstes Spiel gewonnen. Am Samstag (Ortszeit) entschieden die Kalifornier das dritte Spiel gegen
Pittsburgh mit dem Landshuter Tom
Kühnhackl 3:2 nach Verlängerung für
sich. In der Best-of-Seven-Serie konnte
San Jose damit auf 1:2 verkürzen.
dpa
0,564; 3. Bastianini (Italien) - Honda + 0,817; ...
17. Öttl (Ainring) - KTM + 36,384. WM-Stand: 1.
Binder (Südafrika) KTM 147 Pkt.; 2. Navarro (Spanien) Honda 103; 3. Fenati (Italien) KTM 80; ...15.
Philipp Öttl (Ainring) KTM 27.
PFERDESPORT
LEICHTATHLETIK
Deutsche Spring- und Dressur-Meisterschaften.
In Balve. Frauen, Springen, Endstand nach 2 Wertungsprüfungen: 1. Blum (Zolling) Alice 0
Strafpkt./46,34 Sek.; 2. Rüsen (Herborn) Charity
0/49,52 - beide im Stechen; 3. Claricia Brinkop
(Neumünster) A la Carte 0,25 Strafpkt.
Dressur, Grand Prix Special: 1. Werth (Rheinberg)
Weihegold 84,294 Prozentpkt.; 2. Schneider (Framersheim) Showtime 83,176; 3. Bröring-Sprehe
(Dinklage) Desperados 81,922.
Robert Harting knackt Olympia-Norm
Robert Harting hat die Norm für die
Olympischen Spiele in Rio erfüllt. Beim
Diamond-League-Meeting am Sonntag in
Birmingham wurde der 31 Jahre alte Diskus-Olympiasieger von 2012 mit 65,97
Metern Zweiter.
dpa
BASKETBALL
TENNIS
Bamberg gewinnt erstes Finale
French Open. Männer, Finale: Djokovic (Serbien/1) - Murray (Großbritannien/2) (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe).
In der Finalserie um die Deutsche Meisterschaft haben die Baskets Bamberg am
Sonntagnachmittag das erste Spiel gewonnen. Vor heimischer Kulisse setzte sich
der Titelverteidiger mit 101:83 (23:22,
31:17, 22:19, 25:24) gegen Ulm durch.
Das zweite Spiel der Serie findet am Mittwoch in Ulm statt.
dpa
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Kathedralen
des
Liebe Leserinnen und Leser,
durch einen technischen Fehler erschien diese Doppelseite unseres Magazins „Sonntag“ gestern teilweise ohne Text. Wir bitten, dies zu entschuldigen –
und wünschen Ihnen viel Vergnügen bei der nun vollständigen Lektüre.
Die Redaktion
Herr Marg, nun beginnt die EM in Frankreich. Es ist
das erste Fußballturnier seit Jahren, das ohne ein
Stadion von Ihnen stattfindet. Interessieren Sie die
Spiele dann überhaupt?
Oja. Genau so wie unsere Architekten es tun – ich
bin quasi deren Trainer. Ich finde es absolut faszinierend, wie Massen in einem Stadion bewegt werden. Wie sie sich motivieren lassen. Und na klar,
es ist auch ein Vergnügen zu sehen, wie zwei Horden auf dem Spielfeld versuchen, jeweils den
Hauseingang des anderen zu stürmen.
Kennen Sie die französischen Stadien ein bisschen?
Die in Nîmes und Arles kenne ich natürlich, ...
Wir meinten eigentlich nicht die antiken Arenen.
… gut, das hat mit meinem gesellschaftspolitischen Interesse zu tun. Ich stelle mir vor: Was ist
dort damals passiert? Bei den alten Griechen fanden in Stadien paramilitärische Vergleichskämpfe
statt, von denen unsere olympischen Sportarten
stammen. Bei den Römern, auch in Südfrankreich, war das anders. Das waren Showveranstaltungen für den Plebs: grausame Tierhatzen oder
Gladiatorenspiele auf Leben und Tod, zur kollektiven Triebabfuhr und Ruhigstellung der Massen.
Auch in modernen Stadien ist das Wichtigste das
Spektakel. Das Bewusstsein des Einzelnen verschwimmt in kollektiven Emotionen.
Fußballs
Er baute in Durban, Warschau, Manaus, Berlin –
Volkwin Marg hat es als Architekt von Stadien
zu weltweitem Ruhm gebracht.
Über Vorbilder der Antike, das Pathos der Leere
und Materialien, die echte Hexenkessel schaffen:
ein Gespräch zur Europameisterschaft in Frankreich
Interview: Björn Rosen
und Norbert Thomma
auf das Fußball-Spielfeld, oder eingefahren die
Veranstaltung von Leichtathletik. Die Quadratur
des Kreises ist da gelungen.
Die „FAZ“ nennt Sie den „Champion der Stadionarchitektur“. Sie haben das Berliner Olympiastadion
modernisiert, in Köln und Frankfurt gebaut, in Südafrika, Brasilien, China, Polen, Ukraine und Russland. Gehört es zu Ihrem Berufsethos, jede dieser
Arenen einmal vollbesetzt zu besuchen?
Ja. Aber Stadien müssen entweder ganz voll sein –
oder ganz leer.
Bitte?
Natürlich! Ich bin doch auch tief berührt, wenn
ich in eine leere Kathedrale trete. Von Menschen
gebaute Weite und Höhe ist imposant, der Mensch
ist winzig, der Raum riesig, dies Pathos erzeugt
Demut.
Sie klingen, als wären Sie Soziologe, nicht Architekt.
Architektonische Erfahrungen aus den alten Stadien sind wichtig. Das Kolosseum in Rom konnten
sie in fünf Minuten vom Publikum leeren. Das ist
doch perfekt.
Was braucht es architektonisch, damit in einem Stadion Stimmung aufkommt?
Da sind wir wieder bei Kathedralen. Eine Predigt
soll auch ohne Mikrofon verstanden werden. Und
was hat man deshalb über der Kanzel gebaut? Einen Schalldeckel. Im Stadion bauen wir dafür ein
Dach. Das gibt diesen Badezimmereffekt, der
viele Leute dazu bringt zu singen. Es kommt allerdings aufs Maßhalten an. Im Münchner Stadion ist
der Schallpegel so knallig, dass man Probleme hat,
Lautsprecherdurchsagen zu verstehen. Sowas
lässt sich akustisch verbessern. Die zweite
Netz-Membran unter dem Dach des Berliner
Olympiastadions wirkt dämpfend, anders als das
Blechdach in Dortmund, das reflektiert knallhart.
Wenn Sie mal an die Gegenwart denken: Beeindruckt Sie eines der EM-Stadien besonders?
Das Stade de France in Paris, ein ganz starker Bau.
Das Faszinierende sind die mobilen Untertribünen. Herausgefahren erlauben sie die Einengung
Dortmund ist bekannt für die einzigartige Atmosphäre in der Südtribüne. Auch, weil die so steil ist?
Je steiler man es macht, desto intensiver wird die
Atmosphäre. Mit 36, 37 Grad sind dort, wie auch
von uns in Köln gebaut, die zulässigen Steigungen
Ursprung & Moderne. Das Kolosseum in Rom diente in antiker Zeit als Veranstaltungsort oft blutiger Kämpfe. Architektonisch ist der Bau nicht weit entfernt von Volkwin Margs Stadion im südafrikanischen Durban (ganz groß).
ausgereizt. Wenn eine Masse am Steilhang in Bewegung kommt, droht eine Lawine. Ab einer bestimmten Steilheit müssen Sie deshalb Wellenbrecher einbauen. Lieber versuchen wir, ohne diese
Bügel vor jeder Sitzreihe auszukommen, also das
Optimum auszuloten zwischen Steilheit und
größtmöglicher Sicherheit.
In der Halbzeitpause drängen dann alle nach draußen, wollen sich ein Würstchen holen oder schnell
auf die Toilette. Gibt’s eine Faustregel, wie viele Pinkelbecken auf 100 Zuschauer kommen müssen?
Nicht so sehr die Anzahl der WCs oder der Würstchenbuden ist entscheidend, sondern vor allem
deren Nähe. Je zentraler sie an den Ein- und Ausgängen liegen, desto besser. Es gibt Empfehlungen
der Fifa, die wir – aufgrund unserer Erfahrungen
beim Olympiastadion – entwickelt haben. Berlin
hatte eine Pilotfunktion. Wir haben auch Paniksimulationen getestet und in Entfluchtungskonzepte umgesetzt, obwohl der historische Bau
schon ziemlich sicher war. Ältere Stadien sind
ziemlich beengt. Im Olympiastadion mussten wir
teilweise mit 75 Zentimeter Sitztiefe auskommen,
in unserem Neubau für Warschau sind es dagegen
85 bis 90 Zentimeter. Die Ausrichtung des Berliner Stadions stimmt übrigens auch nicht.
Was meinen Sie?
Heute baut man in Nord-Süd-Richtung: Also Tore
im Norden und Süden, Haupttribüne im Westen.
So werden Spieler, Fernsehkameras und Presse
am wenigstens von der Sonne geblendet. Das Berliner Stadion hat noch die alte Ost-West-Ausrichtung. Immerhin gibt das beim Abschluss der Pokal-Endspiele schöne Bilder, wenn die untergehende Sonne durch das Marathon-Tor leuchtet.
Bei Spielen von Hertha BSC wird oft Kritik laut.
Wegen der Tartanbahn komme keine Stimmung auf,
heißt es.
SPORT
MONTAG, 6. JUNI 2016 / NR. 22 779
Bogen & Nation.
Das Moses-MabhidaStadion, benannt nach
einem kommunistischen Politiker, hat es
zum Wahrzeichen
von Durban geschafft –
vor allem wegen des
2700 Tonnen schweren
Stahlbogens, der sich
darüber spannt; er steht
symbolisch für die südafrikanische „Regenbogennation“.
DER TAGESSPIEGEL
Alt & neu. Das Berliner
Olympiastadion von
1936 (links) modernisierte Volkwin Marg, für
Warschau schuf er ein
ikonografisches Nationalstadion (rechts).
Das Münchner Olympiastadion von 1972: eine
fantastische Inszenierung von Architektur und
Stadtlandschaft, damals das Gesellschaftsbild eines neuen Deutschlands – die Vision einer neuen
Gesellschaft. Die Gleichschaltung der Massen,
das wollte man nach dem Kriegstrauma bei Olympischen Spielen in Deutschland nicht wieder erleben. Sondern jugendliche Beschwingtheit, Transparenz, Leichtigkeit.
Unsere Aufgabe beim Umbau für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 war, dieses Baudenkmal für
alle Sportarten zu erhalten, aber für den Profi-Fußball zu ertüchtigen. Es soll ja kein Vereins-, sondern ein nationales Universalstadion sein. In der
von uns entworfenen rot-weißen Nationalarena in
Warschau spielt übrigens kein spezieller Verein
exklusiv, stattdessen machen sie dort alle Arten
von Spielen, von Motocross bis Surfmeisterschaften oder sogar einen Weltklimagipfel. Bei allen Stadien, die wir als reine Fußballarenen entwerfen,
sind die Zuschauer natürlich dicht am Spielfeldrand, ohne Leichtathletikbahnen dazwischen.
Meer & Berge. Das GMP-Stadion in
Kapstadt ist traumhaft gelegen, sein
Betrieb verursacht aber hohe Verluste.
Strahlend & populär. Das neue
Kölner Stadion wurde nach Entwürfen von Marg für die Fußball-WM
2006 errichtet. Die vier beleuchteten
Stahltürme sind beliebt bei den Fans.
In manchen Stadien haben Sie die Farbe der Sitzplätze benutzt, um selbst bei wenigen Besuchern einen Eindruck von Fülle zu erzeugen. Wie funktioniert das?
Durch optische Täuschungen. Einzelne dunkle
Sitze wirken bei uns so, als sitze dort jemand. In
Südafrika mussten wir das anders machen, denn
die Leute sind da sehr bunt angezogen. Also haben
wir die Sitze mit verschiedenen Farben gepixelt.
Der Manager der Münchner Arena hat uns erklärt,
dass der Fußballrasen heutzutage nicht mehr unbedingt Sonne braucht – denn man bestrahlt ihn mit
Wachstumslampen. Eine Sorge weniger für Sie?
Ja, das gibt eine Erleichterung. Ich weiß nicht, wie
oft man zum Beispiel in Amsterdam früher den
verschatteten Rollrasen teuer wechseln musste –
trotz Drainage und Beheizung, damit der Rasen
nicht zu Morast oder Steppe wurde. Später kam
man, wie bei Schalke 04, auf die Idee, den Rasen
samt Spielfeld wie ein Tablett nach draußen in die
Sonne zu schieben. Diese Riesenkonstruktion zu
bauen und zu betreiben, kostet ein viehisches
Geld.
Sie haben Bürohäuser, Messehallen, Flughäfen geplant. Was ist die besondere Herausforderung beim
Entwurf eines Stadions?
Die Dachkonstruktion. Die Herausforderung sind
unglaubliche Spannweiten: in Berlin 50 Meter Auskragung nach innen – bei Vollüberdachungen wie
in Frankfurt 220 Meter oder in Warschau 300 Meter. Unser Anspruch ist, eine Konstruktion zu finden, die leicht ist, minimal Material verbraucht
und ästhetisch elegant sich selbst erklärt.
Die Fachzeitschrift „Forum Stadt“ schreibt, bei modernen Stadien gebe es einen Trend zu ikonografischen Gestalten. Mit Bauten wie dem Vogelnest in
Peking oder Ihrem rot-weißen Stadion in Warschau.
Wer will da angeben, der Auftraggeber oder die Architekten?
Ländern, Städten und Vereinen geht es darum, ein
markantes Zeichen zu setzen, weil sie im Wettbewerb sind. In Südafrika hat uns der Auftraggeber
der Stadt Durban gesagt: „Please, put Durban on
the map.“ Das hieß: Mache einen Entwurf, der
eine Ikone für Durban wird.
Offen & geschlossen. Das Stadion in
Frankfurt wurde ebenfalls für die
WM 2006 ohne Leichtathletikanlage
neu gebaut. Clou des GMP-Entwurfs: Das Dach lässt sich verschließen. Das dauert etwa 20 Minuten.
Innen wirken Stadien heute austauschbar.
Genau – was die Tribünen betrifft. Aber wir haben
Spielraum bei der Hülle und der Dachstruktur.
Das lässt sich unterschiedlich inszenieren, und
das wird auch erwartet. Nicht nur rot-weiß steht
in Polen für nationale Identität, sondern auch die
äußere Struktur in Gestalt eines zugedeckten Weidenkorbes. Wir fanden das auch ästhetisch reizvoll: Das Rot ist unten, das weiße Dach lässt diese
große Masse Stadion gen Himmel leichter werden. In Durban haben wir das Stadiondach mit
einem über 100 Meter hohen Bogen überwölbt,
also mit dem populären Symbol des Regenbogens
für die Vielfarbigkeit von schwarzen, weißen und
gelben Stadtbürgern.
Ihr Stadion in Kapstadt, ebenfalls errichtet für die
WM vor sechs Jahren, soll vielleicht wieder abgerissen werden. Es steht schlecht genutzt herum. Soziale
Verantwortung sieht anders aus.
Wenn Sie einen perfekten Ferrari an falsche Fahrer geben, fahren die damit Mist oder gegen die
Wand. Man muss ein Stadion auch betreiben können. Es gab für das Stadion die politische Vorgabe
für die Schwarzen Fußball und für die Weißen
Rugby an einem Ort zusammenzubringen, damit
sie aufeinander zugehen. Im Moment klappt diese
Integration nicht mehr. Außerdem brauchen Sie
Shows und Events, ein Stadion muss leben, Sie
müssen Nutzung reinkriegen. Das Stadion an der
Waterfront bildet mit dem berühmten Tafelberg
und dem Signal Hill eine Postkarten-Ikone. Die
Immobilienpreise rundherum sind gestiegen. Hoffentlich steigt der politische Wille beider Seiten
zur Überwindung verbliebener Apartheid auch,
damit es bessere Presse gibt.
Welche Stadien anderer Architekten finden Sie sehr
gelungen?
Eine andere aktuelle Entwicklung sind Stadien außerhalb der Städte, wie in Hoffenheim oder Mönchengladbach. Soziologen sprechen von „autistischen Großkomplexen“.
So neu ist das nicht. Schon die Römer haben die
Stadien nach außen gelegt, schon damals aus Verkehrsgründen: Verkehr ist einfacher zu organisieren, wenn die Massen nicht in die Innenstadt strömen. Solange Stadien nur sporadischen Massenversammlungen dienen, aber zwischendurch leer
stehen, ist das logisch. Wenn man das so signifikant hinkriegt, wie die Allianz Arena in München,
ist das schon faszinierend.
Palmen & Arkaden. Für Manaus, im
Regenwald gelegen, entwarfen GMP
die „Arena da Amazônia“ (oben: Blick
von weitem, rechts: Eingangsbereich).
Das Stadion, das seit der WM 2014
wenig genutzt wurde, wird Austragungsort bei Olympia 2016 sein.
Die Fans des TSV 1860 München wollten nichts von
der neuen Arena wissen. Die hängen an ihrem ranzigen Stadion in der Stadt. Es ist Teil des Viertels, von
den Balkonen der Nachbarhäuser kann man die
Spiele verfolgen.
Da brauchen Sie gar nicht nach München zu gehen. Bei uns in Hamburg steht mitten in St. Pauli
die zusammengebastelte Klitsche des Kultvereins,
und da herrscht eine Bombenstimmung.
Was halten Sie von der Idee eines Stadions wie eine
Ziehharmonika: Das böte mal Platz für 50 000 und
mal für 20 000?
Das kostet viel Geld. Wir haben für Klagenfurt ein
flexibles Stadion entworfen, dessen Dach man hydraulisch hochfahren kann, darunter Platz für den
Auf- und Abbau mobiler Tribünen. Aber solche
Mobilität und Flexibilität ist teuer.
Damals & heute. Die Allianz Arena
(links) ist seit 2005 Zuhause des FC
Bayern München. Früher spielte der
Verein im Olympiastadion (unten),
geplant vom Büro Behnisch & Partner. Es gehört zu Margs Favoriten.
Mancher vermisst in den modernen Stadien die Flutlichtmasten, die Patina, die Atmosphäre. Bei Mode
und Möbeln gibt es Vintage-Entwürfe. Lässt sich die
Sehnsucht nach dem Alten auf die Architektur übertragen?
Architektur hat die schöne und fatale Eigenschaft,
sehr lange zu stehen. Da wirken retrospektive Designmoden peinlich. Aber solche Fragen sind Luxus, das ist sehr eurozentrisch gedacht. In China
zieht es gerade Millionen Menschen, genau wie
bei uns in der Gründerzeit, in die großen Städte.
Für die müssen Arbeitsplätze und Wohnungen gebaut werden – und grüne Lungen. Da setzen die
Chinesen natürlich auch riesige Sportkomplexe
hin, mit mehreren Stadien und Schwimmhallen.
Wagen Sie eine Prognose: Wie werden Stadien hierzulande in 30 Jahren aussehen?
Ich muss wieder an die alten Römer erinnern: Deren Stadien und die von heute haben viele Ähnlichkeiten. Wenn eine Menge Menschen zusammenkommen, um gemeinsam gut schauen zu können,
werden sie sich aufgetreppt hintereinander stellen, das wird so bleiben. Aber Stadien könnten
größeren Anteil am städtischen Leben gewinnen,
indem man sie nicht nur für seltene Massenveranstaltungen alle ein oder zwei Wochen nutzt – draußen vor den Toren der Stadt –, sondern indem
man in ihnen und um sie herum permanent städtisches Leben inszeniert.
Steil & stimmungsvoll.
Die Südtribüne im Dortmunder
Stadion ist für ihre einzigartige
Atmosphäre bekannt. Die Heimspielstätte des BVB (unten) ist das größte
Stadion Deutschlands.
Der Manager der Münchner Arena sagt, eine Mehrfachnutzung sei nicht gut möglich. Es gibt zu viele
Spiele, und die Termine entscheiden sich oft erst
kurzfristig...
… richtig, der Innenraum der Stadien wird bislang
kaum für eine andere Nutzung ausgelegt. Wenn
eine fortgeschrittene Kunst-Naturrasentechnik
wechselnde Nutzungen erleichtert und es drinnen
und drumherum inmitten der Stadt Geschäfte,
Restaurants, Konferenzen, Hotels, Arztpraxen,
oder eine Sportakademie gibt, dann entsteht ein
urbaner Stadiontyp. In Madrid planen wir gerade
in diesem Sinne das Bernabéu-Stadium um. Stellen Sie sich zukünftig einen großen Wohnblock
vor, oben wohnen Sie, unten haben Sie Kneipen,
Geschäfte, und der Hof in der Mitte bildet das Stadion – das wäre das zukünftige Stadtstadion. Ein
bisschen wie die Piazza Navona in Rom, da gab es
bei den Römern eine Rennbahn, die ist weggefallen, aber der Platz ist geblieben.
Drinnen & draußen.
Das Stadion an der
Grünwalder Straße
(oben) liegt mitten in
München. Die Arena von
Mönchengladbach außerhalb der Stadt (unten).
VOLKWIN MARG, 79,
zählt zu den wichtigsten
deutschen Architekten
der Gegenwart. Mit
Meinhard von Gerkan
betreibt er seit 1965 das
Büro Gerkan, Marg und
Partner (GMP) in Hamburg. Neben vielen Stadien entwarf er unter
anderem den Flughafen
Tegel und den Berliner
Hauptbahnhof.
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Der Erfolg von Garbiñe Muguruza begeistert Spaniens Ministerpräsident – Seite 15
SPORT
MONTAG, 6. JUNI 2016 / NR. 22 779
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Stumme
Umarmung
Ein Gerüst und vier Fragen
Der letzte Test der Nationalmannschaft vor dem EM-Start bringt taktisch mehr Klarheit als personell
Hartmut Scherzer würdigt seinen
Freund Muhammad Ali
„To Hartmut.“ Hartmut Scherzer (l.) sitzt
mit Muhammad Ali in dessen Bungalow in
Kinshasa. Dick Young von der „New York
Post“ ist auch dabei. Später schrieb Ali eine
Foto: privat
Widmung auf das Foto.
Zustand verschlechtert. Ich bewunderte
die Würde und Demut, wie dieser Mandela der Sportgeschichte sein Schicksal
klaglos hinnahm. Bei der letzten Begegnung am 17. Oktober 2005 in seinem Berliner Hotelzimmer war eine Unterhaltung schon nicht mehr möglich. Nur eine
stumme Umarmung.
— Unser langjähriger Mitarbeiter Hartmut Scherzer ist der deutsche Journalist,
der Muhammad Ali am besten kannte und
über viele Jahre begleitet hat.
D
Blutvergiftung bei Ali
Die Todesursache von Muhammad Ali
ist geklärt. Der Boxer starb am Freitag
mit 74 Jahren im Krankenhaus in Phoenix an einer Blutvergiftung in Folge unspezifizierter natürlicher Ursachen. Die
Komplikationen seien auf die jahrzehntelange Parkinson-Erkrankung Alis zurückzuführen, sagte sein Sprecher
Bob Gunnell.
dpa
Von Stefan Hermanns
Berlin - Bastian Schweinsteiger stand an
der Seitenlinie bereit, neben ihm ein Stürmer. Auch diesmal ging es gegen Ungarn,
und wie vor zwölf Jahren war es das
letzte Testspiel vor der Europameisterschaft. Damit endeten aber auch schon
die Gemeinsamkeiten. Im Juni 2004 wartete Thomas Brdaric mit Schweinsteiger
auf die Einwechslung, diesmal war es Leroy Sané. Statt 0:2 hieß es 2:0. Blonde
Strähnchen durchzogen damals Schweinsteigers Haupthaar, inzwischen ist er in
Ehren ergraut, und während den 19-Jährigen bei seinem Debüt für die deutsche
Fußball-Nationalmannschaft die Hoffnungen der gesamten Nation auf ein bisschen Erneuerung und etwas jugendliche
Frische begleiteten, umwehen den bald
32-Jährigen längst ernste Zweifel an seiner Wettkampftauglichkeit. Wird er es
wirklich bis zu der in einer Woche beginnenden EM schaffen?
Seriös beantworten lässt sich die Frage
auch nach Schweinsteigers Comeback
am Samstagabend nicht. Für immerhin
25 Minuten reichte die Luft nach zweieinhalb Monaten Verletzungspause. „Ein
wichtiger erster Schritt“ sei es gewesen,
sagte Bundestrainer Joachim Löw nach
dem 2:0-Erfolg gegen die Ungarn. „Mit
seiner Persönlichkeit gibt er der Mannschaft eine gewisse Sicherheit, das auf jeden Fall.“ Schweinsteiger wirkte recht
präsent, er hatte viele Ballaktionen, wie
das inzwischen heißt, spielte saubere
Pässe. Allerdings waren die Ungarn so
harmlos, dass von einer spielnahen Wettkampfsimulation nicht die Rede sein
konnte.
Realistisch betrachtet ist Schweinsteiger für den Turnierstart am Sonntag gegen die Ukraine keine echte Option. „Ich
denke, eher nicht“, sagte Schweinsteiger
selbst. Vielleicht erlaubt es der Spielstand, dem Kapitän ein paar Minuten
Spielpraxis zu gönnen, vielleicht kann er
sich auf diese Weise in der Vorrunde näher an die Startelf heranrobben, um dann
in den K.-o.-Spielen eine Alternative zu
sein. Vielleicht auch nicht. Bastian
Schweinsteiger bleibt die große Unbekannte in den Planungen des Bundestrainers. In vielen anderen Punkten hingegen hat der finale Test gegen Ungarn eine
gewisse Klarheit erbracht.
Die Anfangself vom Samstagabend
könnte auch die Anfangself vom kommenden Sonntag sein. „Das war schon nah
dran an einer möglichen Startformation“,
sagte Teammanager Oliver Bierhoff. Das
Gerüst steht, im Grunde gibt es nur vier
Fragen, die Löw noch beantworten muss:
Wer ersetzt in den ersten Begegnungen
den noch nicht fitten Mats Hummels in
der Innenverteidigung? Wer spielt im linken offensiven Mittelfeld anstelle von
Marco Reus, der für das Turnier in Frankreich ausfällt? Wer verteidigt rechts außen? Und: Wird die Mannschaft mit einem klassischen Mittelstürmer spielen
oder doch mit einer falschen Neun?
Wenn am Sonntag ein großes Finale anstünde, würde Hummels vermutlich
schon wieder in der Startelf stehen. Da es
aber nur das erste von – idealerweise – siebenSpielen ist,besteht kein Grund,ein unnötiges Risiko einzugehen. Der 27-Jährige hält einen Einsatz im zweiten Gruppenspiel gegen Polen vier Tage später für
möglich, und wenn es erst zum dritten
Österreich
stottert nach
Frankreich
0:2 gegen Holland – Siege
für Irland und Frankreich
Frankfurt/Main - Gastgeber Frankreich kann es bis zum ersten EM-Spiel
kaum erwarten, auch Deutschlands Vorrundengegner Nordirland sieht sich bestens für seine Premiere vorbereitet, und
selbst in Österreich herrscht trotz des verpatzten letzten Testspiels große Zuversicht. Fünf Tage vor dem Auftakt der Fußball-Europameisterschaft kommen die
meisten Teams langsam in Form.
„Wir haben uns jetzt zwei Jahre vorbereitet. Wir werden bereit sein“, sagte
Frankreichs Trainer Didier Deschamps
mit Blick auf das Eröffnungsspiel am kommenden Freitag gegen Rumänien. Das 3:0
im letzten Test gegen Schottland steigerte
die Vorfreude auf das Heimturnier bei seinen Spielern enorm. „Wir haben Lust,
dass es nun ernst wird, selbst wenn wir die
Testspiele auch alle sehr ernst genommen
haben“, sagte Olivier Giroud.
Der 29 Jahre alte Stürmer vom FC Arsenalschoss sich am Samstag inMetz mitseinen Länderspieltoren 16 und 17 in Hochstimmung. „Wir freuen uns, wenn diese
EM beginnt“, sagte Giroud. Auf ihm ruhen die Offensiv-Hoffnungen des
EM-Gastgebers, nachdem Karim Benzema
(Real Madrid)wegenseiner Verwicklung in eine
Sexaffäre nicht berücksichtigt wurde. „Ich vertraue ihm“, sagte Deschamps.
Den dritten Treffer gegen die nicht qualifizier- Olivier Giroud
tenSchottensteuerte Girouds Vereinskollege Laurent Koscielny
bei. „Es war unser letztes Testspiel und es
ist immer gut, es positiv beendet zu haben“, stellte Deschamps fest. „Es war eine
gute Vorstellung, aber wir werden jetzt
nicht übermütig, die Spieler erst recht
nicht.“
Mit Selbstbewusstsein fahren die Nordiren zu ihrer EM-Premiere. Beim 0:0 in
der Slowakei blieben die Iren, die am
21. Juni letzter Vorrundengegner der
DFB-Auswahl sind, zum zwölften Mal in
Serie ungeschlagen. Ganz besonders im
Fokus stand dabei Aaron Hughes, der als
erst zweiter Fußballer der Geschichte
nach dem ehemaligen Torhüter Pat Jennings zu seinem 100. Länderspiel für
Nordirland kam. „Das ist wie das Sahnehäubchen auf dem Kuchen“, sagte Jennings.
Einen Stimmungskiller gab es für Österreich beim0:2 gegendie Niederlande. Vincent Janssen und Georginio Wynaldum
schossen die in der Qualifikation gescheiterten Holländer zum zweiten Sieg gegen
einen EM-Teilnehmer. Zuvor hatte es ein
2:1gegen Polen gegeben.ÖsterreichsTrainer Marcel Koller reagierte gelassen auf
den Rückschlag. „Wir haben noch Zeit
und es gibt keinen Grund, uns tausendfach zu hinterfragen und kritisch zu sein“,
sagte der Schweizer. Er attestierte seinem
Team eine Leistung auf „fußballerisch,
technisch und läuferisch hohem Niveau“.
Entsprechend zuversichtlich blickte Koller dem EM-Auftakt entgegen: „Ich bin
überzeugt, dass wir gegen Ungarn bereit
sein werden.“
dpa
Reuters/Kessler
M
uhammad Alis Tod hat mich tief
getroffen. Seit über 50 Jahren
diesen großartigen, außergewöhnlichen, liebenswerten, gutmütigen
Menschen mit seinem umwerfenden
Charme, seinem faszinierenden Charisma und seinem starken Charakter persönlich gekannt zu haben, war wie ein Geschenk des Himmels. Zeitzeuge am Ring
seiner epischen Schlachten gegen Joe Frazier im New Yorker Madison Square Garden, gegen George Foreman im „Rumble
in the Jungle“ in Kinshasa und abermals
gegen Joe Frazier im „Thrilla in Manila“
gewesen zu sein, war eine Gnade des Berufs.
Bei der ersten Begegnung im Sommer
1963 im Londoner Wembley-Stadion
nach dem Kampf gegen Henry Cooper
signierte er das Programmheft in der Kabine noch mit Cassius Clay. Ein kostbares
Exponat an meiner Ali-Bürowand. Der Tagesbesuch in seiner Villa in Los Angeles
vor den Olympischen Spielen 1984 war
durch die ersten Anzeichen des Parkinson-Syndroms bereits bedrückend. Bei jedem Wiedersehen danach hatte sich sein
TODESURSACHE GEKLÄRT
SEITE 18
Erster Ersatz. Antonio Rüdiger (rechts) könnte im ersten EM-Spiel für Mats Hummels in die Startelf rücken.
Spieltag klappt, sollte das auch nicht dramatisch sein. In beiden Testspielen in der
Vorbereitung hat Antonio Rüdiger neben
JeromeBoatengverteidigt,unabhängig davon, ob die Deutschen mit einer Dreieroder einer Viererkette gespielt haben.
Löw hält viel von
Setzt Löw auf dem
gebürtigen Bereinen echten liner, der inzwifür den AS
Mittelstümer schen
Rom spielt; er sieht
oder eher auf in ihm großes Enteine falsche wicklungspotenzial
-unddaherübermanNeun?
che Schwäche hinweg, Rüdigers latenten HangzumLeichtsinn zum Beispiel oder eine gewisse Unbedarftheit im Zweikampfverhalten. „Er ist
physisch extrem stark, schnell, körperlich
präsent“, sagt der Bundestrainer. „Seine
Entwicklung gefällt uns sehr gut. Er spielt
schoneinewichtige RolleinunserenÜberlegungen.“
Für die letzte offene Position in der Abwehr, die des rechten Außenverteidigers,
hat Löw den Kreis der Kandidaten auf
zwei reduziert. Den dritten möglichen
Anwärter, Emre Can, plant er offensichtlich als Backup für Linksverteidiger Jonas
Hector ein, so dass nur Joshua Kimmich
und Benedikt Höwedes bleiben. Gegen
Ungarn durfte sich der Schalker Höwedes 90 Minuten präsentieren. Der Test
bestätigte die Erkenntnis, dass seine Stärken eher nicht in der Offensive liegen. Da
sieht der Bundestrainer dessen jungen
Konkurrenten aus München im Vorteil.
Kimmich sei jemand, „der im Spiel nach
vorne manche Dinge machen kann, das
hat er im Training gezeigt“. Allerdings besitzt Kimmich auf dieser Position – anders, als es die breite Öffentlichkeit vermutet – so gut wie keine Wettkampferfahrung.
Dass Julian Draxler und nicht etwa André Schürrle in Gelsenkirchen den verletzten Reus ersetzte, lag wohl weniger
an seiner Schalker Vergangenheit; es
dürfte ein recht verlässlicher Hinweis auf
die aktuelle Rangfolge gewesen sein. Für
Schürrle scheint eine ähnliche Rolle reserviert zu sein wie vor zwei Jahren bei
Foto: dpa/Rattay
der WM, bei der er als Spezialkraft neuen
Schwung von der Bank gebracht hat.
„Wichtig ist, dass man in jedem Spiel
Spieler hat, die frisch sind“, sagt Löw.
Überhaupt hält er es für sinnvoll, nicht
immer mit derselben Elf zu spielen. „Es
gibt keine Wunschelf“, sagt er. „Ich lasse
mir manche Dinge offen.“
Im Sturm kann der Bundestrainer je
nach Bedarf einen klassischen Mittelstürmer aufbieten oder – wie zu Beginn – gegen Ungarn eine falsche Neun. Mario
Götze machte es gut, erzwang das Eigentor zum 1:0. Gerade gegen defensive
Teams, wie Löw sie in der Vorrunde erwartet, bietet sich die Variante mit dem
umgeschulten Mittelfeldspieler an, der
sich auch in engen Räumen zurechtfindet. Wenn der Gegner dann langsam
müde wird, kann Mario Gomez den Rest
erledigen. Löw hat Gomez als Mann der
letzten Aktion bezeichnet. Gegen Ungarn gelang ihm zumindest eine wichtige
vorletzte Aktion. Weil Torhüter Gabor Kiraly seinen Kopfball nur mit Mühe parieren konnte, traf Thomas Müller per Abstauber zum 2:0-Endstand.
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MONTAG, 6. JUNI 2016 / NR. 22 779
SEITE 19
Wir
sind alle
verantwortlich
Kunst auf Kur
Integrationspreis für
Fatih Akin in Ostfriesland
Während in den Arkaden des Kurparks
von Norderney die Firma Mobilis den
Kurgästen elegant leise schnurrende Elektromobile im Birkenstock- oder Chopper-Stil zur Testfahrt anbietet, arbeiten
nur eine Mini-Rolli-Tour entfernt einige
Junggesellenabschiede mit Schnäpsen
und Gejohle am Lärmpegel. Im nahen
Stadtzentrum: feine Boutiquen neben
Ramschläden und Leerstand. Der Clash
der Kulturen ist im altehrwürdigen Nordseebad alltägliche Praxis. Doch das liegt
wohl am wenigsten an den dort eingewanderten und angesiedelten Menschen aus
fünfzig Nationen. Wie sie erfolgreich und
friedlich zusammenarbeiten, davon berichtet stolz Kurdirektor Wilhelm Loht
im nahen, erlesen renovierten Conversationshaus auf einer Pressekonferenz.
Anlass war eine abendliche Preisverleihung im noch schmuckeren Kurtheater
aus dem 19. Jahrhundert. Dort wurde im
Rahmen des 27. Filmfestivals EmdenNorderney zum zweiten Mal der von der
Inselverwaltung ausgeschriebene Norderneyer Integrationspreis vergeben – eine
Auszeichnungs-Kategorie, die derzeit wegen des schwammigen Integrations-Begriffs und einem Hang zur Inflation einen
leicht dubiosen Beigeschmack hat. Nicht
nur deshalb wäre die Würdigung in Norderney vielleicht als
Preis für interkulturelle Verständigung
Akins Werk
besser beschrieben.
steht laut
Denn gehen soll sie
laut Ausschreibung
Jury für
an eine Persönlich„Mitgefühl
keit, die sich „in ihrem
filmischen
und ein
Werk in besonderer
Miteinander“ Weise um das Zusammenleben und
die Aussöhnung von
Menschen verschiedener Kulturen, Religionen oder politischer Systeme verdient
gemacht hat“.
Das ist in diesem Jahr mit Fatih Akin
einer der bedeutendsten deutschen Filmemacher. Eine Auswahl, die die von ehemaligen Grimme-Preisträgern dominierte
Jury aber nicht mit seiner letzten, dem
gerade höchst aktuellen Armenier-Genozid gewidmeten Arbeit „The Cut“ begründet sondern mit dem ganzen Werk des
Regisseurs und seiner „humanitären
Weltanschauung“, die „für Toleranz, Mitgefühl und ein Miteinander“ stehe. Außerdem habe Akin „auf unnachahmliche,
emotional mitreißende Weise gezeigt,
wie schmerzhaft die sogenannte Integration sein kann“. Als Schirmherr und Laudator hatte man Ex-Bundespräsident
Christian Wulff gewonnen, der in seiner
leidenschaftlichen Lobrede neben einem
dezidierten Plädoyer für den Multikulturalismus betonte, dass die Bedrohung für
„unsere Art zu leben“ derzeit nicht von
außen, sondern von innen komme. Fatih
Akin ergriff nur kurz das Wort, schaffte
es aber in seinen prägnanten Dankesworten, den Integrationsbegriff stimmig vom
äußeren Anspruch an die Sich-Einzugliedernden in einen Appell an die eigene
selbstbewusste Haltung zu wenden: Die
Aufforderung, sich nicht mehr mit dem
Blick der anderen zu sehen und zu definieren. Das Preisgeld von 5000 Euro
wird an eine noch auszuwählende Initiative weitergehen. Silvia Hallensleben
E NACHRICHT F
Publizist Martin Meyer mit
Ludwig-Börne-Preis ausgezeichnet
Der langjährige Feuilleton-Chef der
„Neuen Zürcher Zeitung“, Martin Meyer,
hat am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche den mit 20000 Euro dotierten Ludwig-Börne-Preis 2016 erhalten. Der alleinige Preisrichter, der Pianist András
Schiff, begründete seine Wahl mit Meyers Essays, „die zu den interessantesten
und anregendsten ihrer Gattung im
deutschsprachigen Raum zählen“. In Börnes Tradition beschäftige er sich mit Fragen der Literatur, der Musik und Gesellschaftspolitik. Meyer nannte in seiner
Dankrede Börne einen „Fanatiker der
Freiheit“. Er habe begriffen, dass Freiheit
etwas politisch fast Utopisches war, „was
zuerst gegen das stählerne Gehäuse der
Unfreiheiten durchgekämpft werden
musste“. Zweitens habe er verstanden,
dass Freiheit negative Freiheit sein sollte:
„Freiheit von, nicht Freiheit zu.“ Heute
stellten sich die Fragen neu: „Wir erkennen eine wachsend verwaltete Welt. Engmaschig aggressive Überwachung, bürokratisch betreute Regulierung, Selbstund Fremdkontrolle durch tausend digitale kleine Brüder, Steuerungen des Verhaltens im sozialen Code, Korrektheit im
Politischen für Wort und Gedanke, und
dazu die freundliche Einladung, darauf
zu vertrauen, dass der Staat das immer
nur wohlmeinende Über-Ich sei“.
epd
Kulturgut schützen:
Syrienkonferenz in Berlin
Das große Ringelreihen. Die Indianer pflegten einst das Schenkritual des Potlatch, der Kapitalismus lebt bestens mit einer Share Economy.
Abbildung: R/D
Die Hälfte der Welt
Gefühle, Geschichte, Gewinn – was lässt sich nicht alles teilen. Ein Kultursymposium in Weimar
erkundet die Paradoxien der Share Economy und der Wir-Gesellschaft
Von Christiane Peitz
Teilen ist das neue Haben, möchte man
meinen. Tauschbörsen, Carsharing,
Couchsurfing, millionenfach geteilte
Facebook-Einträge, die Wirtschaft stellt
sich längst darauf ein. Teile deine Habe
und alles ist gut? Der Schweizer Performer Martin Schick macht sich einen Spaß
daraus, teilt Bühne und Gage mit dem Publikum und nennt es Halfbreadtechnique, frei nach St. Martin, der zwar nicht
sein Brot, aber seinen halben Mantel verschenkte und heiliggesprochen wurde.
Bill Gates spendete die Hälfte seines Vermögens und wurde noch reicher. Womit
die moralische Gleichung „Teilen ist gut,
Behalten ist besser, aber böse“ sich schon
mal erledigt hätte.
Dass es nicht so einfach ist mit dem
Teilen, stellte sich nun in Weimar heraus.
Dort lud das Goethe-Institut zum dreitägigen Kultursymposium, um in 70 Veranstaltungen an 14 Spielstätten, mit Wissenschaftlern, Ökonomen, Künstlern und
Netz-Aktivisten das Wesen des Teilens
und Tauschens zu erkunden. Sind wir in
Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung, der Finanz-, Griechenland- und
Flüchtlingskrise auf dem Weg in eine
neue Wir-Gesellschaft, in der Partizipation den Kapitalismus überwindet?
Laut Jeremy Rifkin ist es die einzige
Chance der Menschheit. Der amerikanische Soziologe tritt als Superstar im Audimax der Bauhaus-Universität auf, prangert die Arm-Reich-Schere an (die 80
reichsten Milliardäre besitzen so viel wie
die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung) und verrät, wiedie Klimakatastrophe zu stoppen sei: Energie, Kommunikation und Transport müssen nur schleunigst den Gesetzen des Profits entzogen,
und Gemeingut werden. Sonnen- und
Windenergie kosten nichts, das Internet
so gut wie nichts, dazu smarte Autos,
smarte Citys, und der ganze Planet wird
zur Non-Profit-Kooperative.
Rifkin erntete in Weimar viel Applaus
und noch mehr Kopfschütteln. Sein Weltenrettungsszenario unterschlägt, wie
kostspielig die Verteilung der erneuerbaren Energien ist. Auch schert es ihn
nicht, dass endgültig Schluss mit Datenschutz und Bürgerrechten sein dürfte,
wenn außer den Smartphones auch Kühlschränke, Häuser, Straßen und Verkehrsmittel individuelle Daten erfassen. Eine
globale Vernetzung, mit der sich Riesengeschäfte machen lassen: der ganze Planet ein Konsumtempel.
Wer auf Facebook, der größten Community der Menschheitsgeschichte (Rifkin), Infos, Gefühle und Bilder teilt, tut
dies eben nicht in aller Öffentlichkeit.
Der Philosoph Florian Rötzer und Markus Beckedahl von netzpolitik.org machen darauf aufmerksam, dass das Internet kein öffentlicher Raum ist, sondern
ein kommerzieller. Die Domains gehören
Konzernen, hier gelten keine demokrati-
schen Gesetze, sondern die Allgemeinen
Geschäftsbedingungen, deren Wortlaut
kein Mensch versteht. Stimmt schon,
ohne soziale Netzwerke hätte es keinen
Arabischen Frühling gegeben, keine
Grüne Revolution im Iran. Aber die Geheimdienste hatten es dank Twitter und
Facebook ebenso leicht, die Wortführer
der Rebellion dingfest zu machen.
Da hilft nur ein Gang zum Platz der
Demokratie in der Altstadt. Hier erteilen die Cityguides der Initiative „Raumstation“ Anschauungsunterricht in Sachen öffentlicher Raum. Weimars
Plätze eignen sich bestens dafür. Denn
neben dem repräsentativen Barockplatz,
der Verkehrsinsel, dem Aufmarschfeld
der Nazis am Gauforum (das heute eine
Mall beherbergt) und der klassischen
Agora mit Rathaus und Markt finden
sich hier gleich zwei Plätze, bei denen
die Weimarer Bürger aushandelten, wie
man sie sich am besten teilt.
Der Wielandplatz unweit der Uni war
nach der Sanierung 2014 zur Party-Location für laue Sommerabende geworden;
ber von Shared Heritage. Das klingt gut,
birgt aber Gefahren. Im Oberlichtsaal des
Van-de-Velde-Baus der Universität – unweit von Gropius’ Büro und den Atelierräumen, in denen Klee, Kandinsky und
Schlemmer arbeiteten, bevor die Avantgarde von den Nazis vertrieben wurde –
sitzt Neil MacGregor neben Hermann
Parzinger und erklärt, dass die großen
Universalmuseen
Leihbibliotheken
seien. Ihre Schätze gehören weder dem
jeweiligen Museum noch dem Ursprungsland, sondern der ganzen Menschheit.
Für die Gründungsintendanten des Berliner Humboldt-Forums versteht sich die
Mitteilung der oft kolonialen Herkunftsgeschichte von selbst, auch die Einbindung von indigenen Experten. Was das
konkret für die Inszenierung afrikanischer oder mexikanischer Exponate bedeutet, verraten sie auch in Weimar
nicht. Die Literaturwissenschaftlerin
Sigrid Weigel meldet derweil Zweifel an
der harmonistischen „Welterbe“-Vorstellung an und warnt vor der alten Gleichsetzung von Kultur und Identität, wie sie
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09. 06. – 10. 07.
die Anwohner sahen sich in ihrer Nachtruhe gestört. Wie bei der Berliner Admiralsbrücke half ein runder Tisch, um den
Streit mit den Studenten zu schlichten.
Ähnlich konnten beim Theaterplatz die
Wünsche der Nutzer in Einklang gebracht werden: die der Touristen nach unbehelligtem Zugang zum Goethe-Schiller-Denkmal für das obligatorische Weimar-Selfie, der Café-Gäste, der Skater
(hier gibt’s ausnahmsweise Bodenplatten
statt Kopfsteinpflaster) und der Trinker,
die sich im Getränkeshop hinter dem
Theater versorgen. Das Internet kennt
keine runden Tische, dort lässt sich
nichts aushandeln.
Apropos Dichterfürsten: Kann man Geschichte teilen? Goethe tat bekanntlich
das Gegenteil, er hortete in seinem Wohnhaus am Frauenplan Natur- und Kulturgüter, sie inspirierten ihn. Der Geheimrat
sammelte
Gipsabgüsse,
Majolika,
Quarze, Vogelskelette; sogar ein Setzkasten voller Schafwollproben war in seinem Besitz.
Die heutigen Museumsleute scheuen
das Eigentumsdenken. Sie sprechen lie-
sich im Unesco-Begriff Patrimonium findet. Shared heritage bedeutet vielmehr
Konfliktforschung. Es ist wie mit dem öffentlichen Raum: Ohne Zwist ist auch das
Kulturerbe nicht denkbar.
Überhaupt sind es die Frauen, die den
Utopien von persönlicher wie gesellschaftlicher Teilhabe in Weimar mit Skepsis begegnen. Spätestens wenn es ums
vermeintlich Private geht, werden die
Männer ja gerne romantisch. So weist die
israelische Soziologin Eva Illouz den
tschechischen Ökonomen Tomáš Sedlácek in seine Schranken, als er Familien
und Freundeskreise als dem Mehrwertdenken entzogene Inseln der Selbstlosen
charakterisiert. Hier leisten Eltern freiwillig den jahrelangen, unbezahlten 24/7Job des Kinder-Großziehens und nennen
es Glück. Dort gilt die Regel: Freunde
sind Leute, die vergessen, wie viel sie einander schulden.
Sedlácek hat die Lacher auf seiner
Seite. Illouz verweist dagegen auf die
Ökonomisierung der Gefühle gerade in
der Konsumgesellschaft. Emotionen und
Geld sind kaum voneinander zu trennen.
Man denke nur an die gestiegenen Scheidungsraten, seit Frauen selber verdienen,
statt sich Haushaltsgeld zuteilen zu lassen. Oder an die Tyrannei einer Intimität, die vom Partner verlangt, noch sein
Innerstes mitzuteilen.
Die fröhliche ungarische Philosophin
Agnes Heller, die mit ihren 87 Jahren, ihrer einnehmenden Gestik und den hellwachen, vor Neugier blitzenden Augen das
Teilhabe-Prinzip geradezu verkörpert,
hat sich ihr Leben lang mit der Theorie
der Bedürfnisse beschäftigt. Nichts
Schlimmeres heutzutage, als wenn Gefühle nicht reziprok sind. In der Vormoderne hieß es: eine Kuh für eine Braut –
ein Tauschgeschäft, bei dem Emotionen
keine Rolle spielten. Heute heißt es:
Liebe – und wehe, der andere erwidert
den Liebesschwur nicht. Oder auch nur
den Gruß auf der Straße. Oder die Mail.
Wird Gleiches nicht mit Gleichem vergolten, ist die Gefühlswelt aus den Fugen.
Hellers angenehm wertfreie Diagnose
stimmt nachdenklich, auch angesichts all
der Empathie für die Flüchtlinge, gerade
in Europas Kulturszene.
Die Gabe um ihrer selbst willen, gibt es
sie nirgends? Im Gartenhaus im Weimarhallenpark versammelt eine kleine Ausstellung zeitgenössische Kunst rund um
den Kula-Ring (Galerie Eigenheim, bis
10.7.). Es handelt sich um eins der weltweit ungewöhnlichsten Gabentauschrituale, eine Tradition der Trobriand-Inselbewohner in Papua-Neuguinea. Dort
werden Muschelhalsketten mit Booten
von Insel zu Insel weitergegeben, in der
entgegengesetzten Richtung kursieren
Muschelarmreife.
Der Beschenkte gibt später etwas zurück, nach eigenem Ermessen. Ethnologen dichten dem Ritus gern gemeinschaftsfördernde Wirkung an. Die Einheimischen jedoch verstehen schon die westliche Warum-Frage nicht. Sie tun es einfach, ohne Nutzen und Sinn, nach den Regeln der Vorväter. Als der Kula-Ring
1922 erstmals beschrieben wurde, galt er
als Sensation: Es existiert also doch, das
Tauschen ohne Gewinnabsicht.
Altruistisch, solidarisch, freigiebig, so
wären wir gern. Sind wir aber nicht. Das
Goethe-Institut in Seoul und ein koreanisches Game-Label haben das Spiel „Being
Faust – Enter Mephisto“ entwickelt, das
Egoismus und Bigotterie zutage fördert,
ob es nun in Asien, Athen, Prag oder Weimar gespielt wird. Die Teilnehmer bestimmen ihre höchsten Werte und mehren ihre Zufriedenheit, indem sie per
Smartphone passende Goethe-Zitate erwerben. Man muss nur ein paar Freunde
verkaufen, um flüssig zu sein. Köstlich zu
sehen, mit welcher Begeisterung die Spieler online ihre Großmutter verscherbeln,
nachdem sie Liebe und Familie gerade zu
ihren kostbarsten Werten erklärt haben.
Teile deine Habe, aber am Ende möchte
keiner mit leeren Händen dastehen.
Nicht mal im Spiel.
Zwei Tage lang diskutierten im Auswärtigen Amt über 230 syrische und internationale Experten über den Schutz des syrischen Kulturerbes. Während auf politischer Ebene die Gespräche stocken, geht
von Berlin – nach dem Eindruck aller Beteiligten – auf diesem Weg ein Zeichen
aus. So sagt Markus Hilgert, Direktor des
Vorderasiatischen Museums Berlin:
„Dass es gelungen ist, alle Parteien an einen Tisch zu bekommen, ist schon der
größte Gewinn. Und dass man sich mit
den Diskussionen über politische und
konfessionelle Grenzen hinwegsetzt, ist
keine Selbstverständlichkeit.“
Auch die zusammen mit der Unesco
einladende Staatsministerin Maria Böhmer ist zufrieden – trotz des unvorstellbaren Ausmaßes der Zerstörung. „Syrer
und Exilsyrer haben miteinander gesprochen und sich verstanden. Ein gemeinsamer Geist der Verantwortung ist entstanden. Als ein syrischer Teilnehmer einen
Landsmann fragte, zu welcher Gruppe er
gehöre, war die Antwort: zu Syrien. Dieser Geist hat sich durchgesetzt.“
Markus Hilgert hält es überdies für
wichtig, die Diskussion auf alle Bereiche
der Zivilgesellschaft auszudehnen. Die
Konferenz, sagt er, habe gezeigt, dass es
viele lokale Initiativen von Menschen
gebe, die sich um ihr Kulturerbe sorgten.
Daher müsse der Kulturgutschutz besonders dort unterstützt werden. Dazu brauche es eine gute Ausbildung, Geld und
Infrastruktur: „Kulturgutschutz geht nur
mit dem Faktor Mensch.“ Man müsse bei
konkreten Maßnahmen allerdings genau
hinsehen, was und wen man unterstütze
und wer das betreffende Gebiet kontrolliere. Aber, so Hilgert, wie unterstützt
man Gruppen finanziell, die keine NGOs
sind? Wobei nicht Geld das Hauptproblem sei, sondern die Benennung der
Prioritäten und Personen, die die Pläne
umsetzen könnten. Generell geht es für
ihn zunächst um Schadensaufnahme und
die Sicherung von Ruinen, erst dann um
Restaurierung und Wiederaufbau.
Auch Stefan Weber, Direktor des Museums für Islamische Kunst, sieht es als Erfolg, dass diese Konferenz lange vor einer
möglichen „Stunde null“ stattfinden
konnte: „Sonst reagiert man meist zu
spät. Jetzt sprechen wir miteinander, bevor wir überhaupt tätig werden können.
Das hat es so noch nie gegeben.“ Es sei
positiv, dass verschiedene Parteien miteinander geredet hätten, der Chef der Antikenverwaltung in der befreiten Zone und
die syrische Antikenverwaltung DGAM.
In den Gebieten
gebe es unterschiedliche
Strukturen,
Die Unesco
auch beim Aufbau
hat den
von Datenbanken.
Man müsse jetzt
einzigartigen auch
syrische StifDialog
tungen und Stadtverwaltungen einbinmöglich
den. Bosra brauche
gemacht
Hilfe, aber auch ein
Denkmalregister für
Aleppo sei dringend
notwendig. „Ich habe drei junge Leute
aus Aleppo getroffen, die könnten uns helfen – überhaupt sind die jungen Syrer
sehr engagiert.“ Wichtig sei, dass die
Unesco Druck auf Regierungen ausübe,
damit bei den anstehenden Weltbankprojekten Kultur berücksichtigt wird: „Bis
jetzt ist die Kultur in den Weltbankbudgets nicht verankert“, sagt Weber.
„Die Zerstörung von Welterbe ist ein
Kriegsverbrechen und muss verfolgt werden“, so Maria Böhmer. „Gleichzeitig
müssen wir die Anstrengungen verstärken, den Handel mit illegalen Kulturgütern einzuschränken und damit die Finanzierung von Terroristen auszutrocknen.
Drittens aber müssen wir – wie mit der
Berliner Konferenz – die kulturelle Identität der Menschen in Syrien stärken und
damit das Fundament für einen territorial
einheitlichen Staat Syrien.“ Sie fügt
hinzu: „Die syrische Bevölkerung
braucht Signale, dass die gemeinsame
Kultur identitätsstiftend wirkt. Diese syrische Identität ist auch Voraussetzung für
eine politische Lösung. Auch wenn wir
nicht wissen, wann wir sie erreichen.“
Die Teilnehmer der Konferenz beschlossen konkrete Maßnahmen für historische Städte, archäologische Stätten, Museen, bewegliche Objekte sowie das immaterielle Kulturerbe, die in den Aktionsplan für Syrien von 2014 aufgenommen
werden sollen. Die Welt ist sich einig, das
syrische Kulturgut zu schützen – und die
Syrer aller Parteien sind es auch. „Vielleicht haben wir ja etwas Historisches in
Berlin erlebt“, sagte eine Unesco-Mitarbeiterin. Die Syrer und die Welt würden
sich freuen.
Rolf Brockschmidt
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KULTUR
DER TAGESSPIEGEL
NR. 22 779 / MONTAG, 6. JUNI 2016
Schergen im Schatten
Karpfen
in der
Kirche
Kreuz und quer durch Edinburgh:
Tendai Huchu erzählt von Exilanten aus Simbabwe
Ein Oratorium von Haydn
mit der Sing-Akademie
Kaum zu zählen sind die Aufführungen
von Haydns späten Oratorien „Die Schöpfung“ und „Die Jahreszeiten“. Sein Oratorienerstling hingegen wurde wohl zum
letzten Mal im Jahre 1777 in Berlin gegeben – nur zwei Jahre nach der Uraufführung. Mit dieser Vernachlässigung von
„Il Ritorno di Tobia“ wollte sich die
Sing-Akademie zu Berlin nicht zufriedengeben. Zu Recht weisen der Dramaturg
Christian Filips, der die szenische Einrichtung des Stücks in der Elisabethkirche verantwortet, und der musikalische
Leiter Kai-Uwe Jirka im Programmheft
darauf hin, dass in dem Stück mithilfe der
Lichtsymbolik auch der Aufklärungsgedanke verhandelt wird.
Erzählt wird die Geschichte von der
Rückkehr Tobias’, der auf seiner Reise einem Fisch begegnet, den er auf Geheiß
des ihn begleitenden Engels tötet und mit
dessen Galle er die Blindheit seines Vaters heilen soll. Haydn setzt das Geschehen, das um die widerstrebende Annahme dieses Wunders kreist, in einem
äußerst sicher gehandhabten, an der italienischen Oper orientierten Stil um, der
mit seiner ungewöhnlich
reichen
und differenzierten
Maximilian
Bläserbehandlung
Brauer
sowie zwei groß angelegten strengen
predigt
Chorfugen
auch
aus Herman über das in italienischen Oratorien der
Melvilles
Zeit Übliche hinaus„Moby Dick“ weist.
Viel
hat
sich
Christian Filips einfallen lassen, um die vom Librettisten
ziemlich in die Länge gezogene Geschichte aus frömmelnder Ferne in die
Gegenwart zu holen: Es gibt ein leicht
absurdes Vorspiel auf dem Friedhof, lebende Bilder, eine einmontierte Predigt
nach Herman Melvilles „Moby Dick“,
die Maximilian Brauer in schwindelerregender Höhe von einer leeren Türfüllung aus hält – und ein Karpfen muss
für die Aufführung auch daran glauben
und sich zubereiten lassen.
Allerdings sind die Einfälle nicht präzise genug platziert und durchgeführt,
um als Collage statt assoziative Kuriosa
zu wirken. Die musikalische Ausführung kann jedoch dieses Manko stets
wettmachen: Der Chor und die Kammerakademie Potsdam agieren äußerst
plastisch und sauber und selbst das flüsterndste Pianissimo hat im Chor Stütze
und Ausstrahlungskraft. Souverän bewältigt die Solistenriege die in allen
Lagen mit Koloraturen gespickten Partien – allen voran Hanna Herfurtner als
Schwiegertochter Sara. Eine Freude ist
auch der Knabensopran Daniel Noack
als in strahlender Höhe deklamierender
Engel. Gekürzt und stilistisch einfühlsam präsentiert wie hier dürfte das
Stück die Oratorienszene gerne noch
öfter bereichern.
Carsten Niemann
Der Mann an ihrer Seite. Helmut Newton mit Models in Monte Carlo, 1997.
Foto: Alice Springs alias June Newton
Jenseits von Helmut
Eine Retrospektive von June Newton im Museum für Fotografie
Von Giacomo Maihofer
Danielle Mitterrand blickt nicht in die Kamera, sondern auf die Frau dahinter. Ob
die Fotografin June Newton ihren Blick
erwidert, kann man nicht wissen. 1984,
als Newton dieses Porträt aufnimmt, verbindet die beiden starken Frauen viel.
Beide sind erfolgreich – und stehen doch
im Schatten ihrer Ehegatten. Die ehemalige Widerstandskämpferin und Menschenrechtsaktivistin Danielle Mitterrand in dem des französischen Staatspräsidenten François Mitterrand, dessen Ölporträt bildfüllend in die Aufnahme hineinragt. June Newton in dem von Helmut Newton, dem Starfotografen und Modeldompteur. Er hat seiner Frau von Anfang an klargemacht: Es kann nur einen
Newton geben. Deshalb muss sie für ihre
Arbeit ein Pseudonym nutzen.
Unter dem Namen Alice Springs fotografiert sie in den 80er Jahren für Hochglanzmagazine wie „Elle“ und „Vanity
Fair“ und wird bekannt mit Porträts von
Yves Saint Laurent, Gerhard Richter und
vielen anderen. Und doch bleibt sie irgendwie Mrs. Newton. Selbst ihre Tagebuchauszüge, die 2004 nach Helmut
Newtons Tod erscheinen, tragen diesen
Namen. Dass June aber mehr war als bloß
Muse und Verlegerin ihres Mannes, bewies die Helmut Newton Stiftung, der sie
als Präsidentin vorsitzt, bereits mehrfach
– doch lange nicht mehr so erfrischend
wie jetzt. Über 100 Werke zeigt die Stif-
tung im großen Saal des Museums für Fotografie. Es ist ihre zweite Retrospektive,
diesmal vom Maison Européenne de la
Photographie in Paris organisiert und
dort bereits im letzten Jahr gezeigt.
Die ausgewählten Fotografien wirken
wie spielerische Gegenüberstellungen:
Porträts eleganter Damen wie Nancy Kissinger oder Audrey Hepburn vis-à-vis solcher von Herren wie Graham Greene
oder Sebastião Salgado. Kristina und Roger Moore lassen sich eng umschlungen
fotografieren, während in anderen Bildern Paare und Familien entfremdet erscheinen. Die Welt der Schönen und Reichen wird kontrastiert mit dem Leben im
Los Angeles der 80er Jahre.
Es begegnen einem Punks, Cops,
Hip-Hopper, Breakdancer, schrille hochtoupierte Haarstyles, Mädchen mit gedrehten Stofffetzen als Ohrringen, Jungs
mit gesprenkelten Leopardenmustern auf
der neongelben Kurzhaarfrisur. Diese Fotografien fangen einen Zeitgeist ein, der
geradezu zu schreien schien: Alles ist
möglich! Wenn schon nicht im repressiven Reagan-Amerika, dann doch zumindest auf der Straße, in der Mode.
Der Retrospektive tut auch gut, dass
June Newtons Arbeiten durch eine Gastausstellung in einen Kontext gerückt werden. Die Arbeiten des Amsterdamer Fotografen Mart Engelen, die in Junes Room
zu sehen sind, stehen ihren warmen und
intimen Porträts näher als Helmut
Newtons Inszenierungen. Engelen wirkt
hinter der Kamera unaufdringlich. In seinen an die Ästhetik des film noir angelehnten Schwarz-Weiß-Porträts von Georg Baselitz oder Morgan Freeman scheint es
oft so, als würden die Menschen auf den
Betrachter zurückschauen.
Natürlich darf Helmut Newton selbst
nicht fehlen, und so räumt auch ihm die
Stiftung gebührenden Raum mit der Ausstellung „Yellow Press“ ein. Die war zwar
schon 2002 in Zürich zu sehen, bietet
aber einen tiefen Einblick in seine Faszination für das Abgründige. Sie zeigt Gerichtsreportagen, nachgestellte Kriminalgeschichten und Bilder der Self-Appropriation, die Helmut Newton vor seinem
Lebensende anfertigte.
Auch den Transfer eines Sujets von der
Polaroid-Serie zum bewegten 45-Sekunden-Werbeclip kann man beobachten:
Eine Domina betritt ihr dunkles Domizil
und entkleidet sich. Sie reißt ihre Ledermaske ab, schlüpft aus ihrem engen Korsett und zieht die langen, schwarzen
Wimpern ab, um sich halbnackt auf ihre
Matratze zu werfen und einen Anruf ihrer Mutter entgegenzunehmen. Man hört
das Klackern ihrer Stiefeln über rostigen
Kellertreppen, das Zippen ihrer Reißverschlüsse und die lakonische Begrüßung
noch lange, nachdem man wieder in das
Treppenhaus vor Helmut Newtons „Big
Nudes“ tritt.
— Museum für Fotografie, Jebensstraße 2,
bis 20.11.; Di–So 11–19 Uhr, Do 11–20 Uhr.
Mehr als 100 000 Menschen leben in
Großbritannien, die aus Simbabwe gebürtig sind. Nicht alle sind des schönen Wetters wegen gekommen – weshalb man
auch nicht umhin kommt, den neuen Roman von Tendai Huchu als Beitrag zur
aktuellen Flüchtlingskrise zu lesen. Der
1982 geborene Huchu stammt ursprünglich aus Bindura, einer Provinzstadt im
Norden Simbabwes. das seit seiner Unabhängigkeit von Robert Mugabe regiert
wird. Ursprünglich ein afrikanischer
Hoffnungsträger, regiert der über 90-Jährige das Land mittlerweile diktatorisch.
Menschenrechtsverletzungen gehören
zur Tagesordnung, und die politische Opposition hat keine Chance auf demokratische Veränderungen. Weiße Farmer werden unrechtmäßig enteignet, Homophobie ist Teil der Staatsdoktrin.
In seinem ersten Roman, „Der Friseur
von Harare“, erzählt Huchu aus der Perspektive einer unbedarften Hairstylistin
von deren Beziehung zu einem schwulen
Kollegen, dessen Homosexualität von ihr
erst nicht erkannt, dann geleugnet wird,
und deren rachsüchtiges Verhalten den
geschundenen jungen Mann am Ende zur
Flucht nach Europa zwingt. Der Roman
war ein Überraschungserfolg. Er wurde
in mehrere Sprachen übersetzt und von
der Kritik weltweit gelobt. In Interviews
erzählt der Autor offenherzig von seiner
eigenen Homosexualität, und anzunehmen, dass dies ein Mit-Grund für sein
Exil in Schottland ist, dürfte keine grobe
Spekulation sein.
Im Vergleich zur einfachen Sprache
des Erstlings hat „Maestro, Magistrat und
Mathematiker“ merklich an Komplexität
gewonnen. Es geht um drei aus Simbabwe stammende Männer, die mittlerweile in Edinburgh leben. Und wie der
Autor, der nach einem Studium der Bergbautechnik mittlerweile als Podologe,
Schriftsteller und Wissenschaftler in der
schottischen Hauptstadt arbeitet, haben
auch seine drei Protagonisten keine zielstrebigen Karrieren aufzuweisen.
Der Magistrat ist ein ehemaliger Jurist,
der sein Leben als Altenpfleger verdient
und dem Frau und Tochter zunehmend
den Schneid abkaufen. Der brillante
junge Mathematiker Farai steht kurz vor
Abschluss seiner Doktorarbeit und
schlägt sich die Nächte mit Freunden um
die Ohren. Und bei dem Maestro handelt
es sich um einen zunehmend an Halt verlierenden Supermarktangestellten, von
dem wir erst spät erfahren, dass es sich
um einen Weißen handelt.
Huchu gelingt es, drei vielfach gebrochene Charaktere zu entwerfen, deren Lebenswege er kunstvoll verknüpft. Nicht
alle Geschichten gehen gut aus: Zwei der
Männer bezahlen mit ihrem Leben, einer
findet unerwartet familiären Anschluss
und darüber ein Stück Integration. Wer,
das soll an dieser Stelle nicht verraten
werden, denn der Roman beschreibt
auch, wie die Schergen des politischen
Systems, dem die Geflüchteten eigentlich
entkommen wollten, noch in Großbritannien ihr Unwesen treiben. Die Welt des
Romans ist also alles andere als rosa: Zugleich wird der Leser keinem der Protagonisten ausschließlich Sympathie oder Ab-
lehnung entgegenbringen. Die Gründe dafür, ein Land in der Krise zu verlassen,
sind vielfältig – das gilt für diesen Roman
wie für die politische Situation, in der wir
leben.
Perspektivlosigkeit, Diskriminierung
und Unterdrückung, Verfolgung, im
schlimmsten Fall Krieg. Viele der Probleme werden von den Flüchtenden mitgeschleppt, neue kommen hinzu. Lebensläufe werden irreparabel beschädigt, Familiengefüge zerstört. Im Kontakt mit
den Einheimischen verändert sich auf beiden Seiten das Sozialgefüge, alte Einstellungen müssen neu bedacht werden.
Das alles weiß man. Doch Zeitungswissen ist das eine, Menschen auf der Flucht
kennenzulernen, etwas anderes. Litera-
Podologe und Romancier. Tendai Huchu
Foto: Peter Hammer Verlag
aus Simbabwe.
tur kann hier Wesentliches leisten. Sie
kann sich in die Welt der anderen hineinfühlen und darüber Bewusstsein schaffen. Tendai Huchus Schreibstil ist von einem extremen Realismus gekennzeichnet. Der Autor beschreibt bis ins Detail
die Busfahrten und Spaziergänge, die
seine Männer anstellen, um die fremde
Stadt zu durchqueren, die sie sich auf diesen Wegen mehr und mehr aneignen.
Man ist versucht, auf ihren Spuren kreuz
und quer durch Edinburgh zu fahren, so
nahe kommt man ihnen.
Bedauerlicherweise leidet die Lebendigkeit der gesprochenen Sprache in der
deutschen Übersetzung mitunter. Stilsicher ist diese immer hingegen dann,
wenn Huchu lebensphilosophische Überlegungen anstellen lässt; beispielsweise
zur Literatur, die dem Maestro erst Zuflucht verschafft, bevor er seine ganzen
Bücher aus dem Fenster wirft und verbrennt.
Dirk Naguschewski
— Tendai Huchu:
Maestro, Magistrat
und Mathematiker.
Roman. Aus dem
Englischen von Jutta
Himmelreich.
Peter Hammer Verlag,
Wuppertal 2016.
384 Seiten, 26 €.
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WISSEN & FORSCHEN
MONTAG, 6. JUNI 2016 / NR. 22 779
DER TAGESSPIEGEL
Trainingslager für die Abwehr
21
TURNERS Thesen
Stoppt die
Exzellenzinitiative
Immuntherapien gegen
Krebs wecken große
Hoffnungen. In Berlin
soll eine personalisierte
Variante erprobt werden
Von Jana Schlütter
Dieses wandelfähige Biest. Dieses kriminelle Element, das sich des Körpers bemächtigt, die Abwehr austrickst und
wächst und wächst und wächst. Dieser
Mörder, der Menschen um ihre besten
Jahre bringt. Wenn Hans Schreiber über
Krebs spricht, dann ist er nicht nur Forscher. Er hat seine Mutter an die Krankheit verloren sowie zwei sehr gute
Freunde. Seine Mine, die sonst schnell
von einem Lachen über das ganze Gesicht erfüllt wird, verfinstert sich. „Sie waren eigentlich so gesund“, sagt der Immunologe von der Universität von Chicago.
„Krebs ist furchtbar.“
Die Wucherung sei so komplex, so voller veränderter Gene, dass sie beinahe
ein eigenes Wesen habe. „Wir müssen
diese einzigartigen Merkmale erkennen,
um den Krebs zu zerstören“, sagt Schreiber. Seine Vision ist eine neue, wirklich
personalisierte Immuntherapie. Zugeschnitten auf jeweils
Die
genau einen MenPolizeistreife schen.
Die Idee hatte
der Abwehr
Schreiber vor mehr
wird vom
als 20 Jahren. Manche noch so kleine
Krebs
Mutation – und sei
eingelullt
es ein einziger Buchstabe, der im Erbgut
durch einen anderen
ersetzt wird – führt mitunter dazu, dass
das Immunsystem die Masse als fremd
einstufen kann. Zumindest, wenn dadurch der „Personalausweis“ auf der
Oberfläche der Zelle ein neues Eiweiß
präsentiert. Es ist wie ein manipuliertes
Foto. T-Zellen, die als Polizeistreife den
Körper nach Eindringlingen absuchen,
können es entlarven. Erkennt die T-Zelle
das falsche Foto und ist sie in der Lage, an
dieser Stelle anzudocken, zerstört sie die
Tumorzelle. Das sollte man nutzen,
meint Schreiber.
Normalerweise ist dies eine Strategie
des Körpers, die uns ein Leben lang
selbstverständlich vor sonst verheerenden Virusinfektionen schützt. Doch bei
der Entstehung eines Tumors versagt das
Immunsystem ganz offensichtlich. Vielleicht saß das Foto nicht fest genug auf
dem Personalausweis und die T-Zellen
nahmen es daher nicht ernst. Vielleicht
waren viel zu wenige spezialisierte T-Zellen in den Tumor eingewandert und wurden dort bald eingelullt. Statt anzugreifen, dümpeln sie funktionsunfähig vor
sich hin. „Krebs hemmt das Immunsystem sehr“, sagt Matthias Leisegang.
Der Wissenschaftler vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin
(MDC) leitet seit 2014 das Berliner Labor von Hans Schreiber, das der Einstein
Visiting Fellow an der Charité aufgebaut
hat. Eingebunden sind sie in ein ganzes
Forschungskonsortium am Berlin Institute of Health (BIH), das personalisierte
T-Zell-Therapien in etwa zwei Jahren erstmals an einzelnen schwerkranken Krebspatienten erproben will. Schreiber und
Leisegang erforschen die dafür nötigen
Grundlagen.
E
NACHRICHTEN
Von George Turner,
Wissenschaftssenator a. D.
Tödliche Gefahr. Zwei Eierstockskrebszellen im Moment der Teilung unter dem Mikroskop.
Wer ihren Plan hört, der ahnt, warum
der Schritt in die Klinik erst jetzt denkbar
ist. Wenn eine Patientin mit Eierstockkrebs an der Charité operiert wird, wollen sie möglichst viele Proben aus unterschiedlichen Regionen des Tumors haben und das Erbgut dieser Krebszellen
komplett entschlüsseln. Die so entstehenden Datenberge müssen zwei bioinformatische Programme bewältigen: Eines
sucht nach jenen Veränderungen im Erbgut, die zu einem manipulierten Foto im
Personalausweis führen. Beim Eierstockkrebs sind das im Durchschnitt 42
Foto-Varianten, die ausschließlich Krebszellen auf ihrer Oberfläche präsentieren.
Ein weiteres Programm analysiert, wie
fest dieses Foto angeheftet ist und somit
als Warnzeichen für T-Zellen gut erkennbar ist. Kommen diese Foto-Personalausweis-Kombinationen in möglichst vielen
der Proben vor, sind sie vermutlich ein
gutes Angriffsziel für die T-Zellen.
Aus dem Tumor wollen die Forscher
zusätzlich jene T-Zellen isolieren, die ohnehin dorthin eingewandert waren. Denn
sie haben bereits die erkennungsdienstlichen Hilfsmittel (T-Zell-Rezeptoren), um
die Merkmale der Krebszellen zu identifizieren. „Wir glauben, dass uns diese natürliche Selektion zu besonders effektiven T-Zell-Rezeptoren führt“, sagt Leisegang. Diese Werkzeuge werden dann ausgebaut, vermehrt und ihre Wirksamkeit
in Experimenten überprüft.
Kommt der Eierstockkrebs der Patientin nach etwa anderthalb Jahren zurück,
soll die bestmögliche Waffe gegen ihren
Tumor feststehen. Ärzte werden ihr dann
Blut entnehmen und daraus frische, noch
fitte T-Zellen isolieren. T-Zellen, die
noch nicht durch die Täuschungsmanöver des Tumors in Mitleidenschaft gezo-
F
Forschungszentrum Matheon
hat einen neuen Chef
Zum 1. Juni hat Martin Skutella (TU Berlin) sein Amt als neuer Sprecher des Forschungszentrums Matheon angetreten.
Sein Stellvertreter ist Christof Schütte
vom Zuse-Institut Berlin. Das teilte das
Forschungszentrum am Freitag mit. Seit
seiner Gründung 2002 als DFG-Forschungszentrum hat das Matheon einen
festen Platz in der anwendungsorientierten Mathematikforschung. Seit 2014
wird es im Rahmen des Einstein-Zentrums für Mathematik durch die Berliner
Einstein-Stiftung gefördert.
Tsp
schwere Autoimmunreaktionen aus, weil
nicht nur Strukturen auf den Tumorzellen, sondern auch auf normalen Gewebe
erkannt und angegriffen wurden. Etwa in
der Haut oder im Darm. Fehlgeleitete
„Selbstheilungskräfte des Körpers“ können äußerst gefährlich sein.
„Deshalb wollen wir Angriffsziele identifizieren, die nur der Tumor trägt“, sagt
Leisegang. „Das ist wirklich wichtig.“
Ganz ohne Nebenwirkungen wird es
trotzdem nicht gehen. Denn wenn die im
Labor
trainierte
T-Zell-Armee erfolgreich ist und viele
Eine ganze
Krebszellen gleichArmee
zeitig abtötet, muss
der Körper mit dem
trainierter
entstehenden Abfall
T-Zellen soll fertig werden. Das
nennt
sich
Tuden Tumor
mor-Lyse-Syndrom
besiegen
– eine Stoffwechselentgleisung. Außerdem regen die äußerst aktiven T-Zellen die Ausschüttung
von Entzündungsstoffen (Zytokinen) an,
es kann zu einem Zytokinsturm kommen.
Beides sind für den Körper eine bedrohliche Situationen. „Man muss auf solche
Komplikationen vorbereitet sein“, sagt
Leisegang. „Aber sie sind beherrschbar.
Für Patienten, die todkrank sind, ist das
ein geringeres Übel.“
Das zeigt ebenfalls die Erfahrung mit
den T-Zell-Therapien gegen verschiedene Formen von Blutkrebs, die aus den
im Knochenmark gebildeten B-Zellen hervorgehen. Statt einem T-Zell-Rezeptor bekommen die Polizisten des Immunsystems für diese Therapieform ein anderes
erkennungsdienstliches Werkzeug eingebaut: ein Antikörper-ähnliches Molekül,
das ein Foto erkennt, das alle B-Zellen
vorzeigen (CD19). Die so ausgerüsteten
Immunzellen zerstören schließlich alle
B-Zellen des Körpers, egal ob entartet
oder nicht. Dabei kommt es oft zum Tumor-Lyse-Syndrom und zum Zytokinsturm. Trotzdem ist es ein großer Erfolg.
„Die CAR-T-Zellen haben dem ganzen
Forschungsfeld einen enormen Schub gegeben“, sagt Leisegang. „Sie zeigen, welche Kraft T-Zell-Therapien entfalten können.“ Die Nebenwirkungen sollten bei
der Behandlung, wie sie Schreiber und er
planen, geringer sein. Die Schwierigkeiten auf dem Weg dorthin sind größer.
Denn bei soliden Tumoren gibt es selten
so ein eindeutiges Angriffsziel wie CD19,
es muss erst mühsam gefunden werden.
Die Forscher vermuten außerdem, dass
ein erkennungsdienstliches Werkzeug
nicht ausreicht. Die Wucherungen sind
so komplex, dass man ihnen wahrscheinlich nur mit einer Kombination aus T-Zellen mit jeweils verschiedenen Rezeptoren beikommen kann.
Bei den Immuntherapien, die gerade
auf den Markt kommen, verfallen die
Pharmaunternehmen geradezu in einen
Goldrausch. Bei einer individuellen
T-Zell-Therapie wären die Verdienstmöglichkeiten deutlich geringer. Denn man
kann sie nicht reihenweise vorproduzieren. Zusätzlich muss man derzeit noch
für jeden Patienten einzeln die bürokratischen Hürden der Zulassung überwinden. „Eine Therapie, die zu 100 Prozent
personalisiert ist, ist ein hoher Aufwand,
aber auch eine große Chance“, sagt Leisegang. Hans Schreiber formuliert es etwas
weniger vorsichtig: „Ich bin optimistisch,
dass eine wirklich personalisierte Krebstherapie möglich ist.“
Quer ins Lehrerstudium
Das Universum wächst schneller
als erwartet
Das Weltall dehnt sich etwas schneller
aus als erwartet. Das schließen Astronomen aus Untersuchungen mit dem „Hubble“-Weltraumteleskop. Die kosmische
Expansionsrate ist demnach etwa fünf bis
neun Prozent höher als bislang berechnet. Die Forscher bestimmten die Ausdehnungsgeschwindigkeit des Universums
so genau wie nie zuvor. Die sogenannte
Hubble-Konstante liegt im lokalen Kosmos demnach bei 73,2 Kilometern pro
Sekunde pro Megaparsec. Ein Megaparsec sind 3,26 Millionen Lichtjahre. Zwei
Punkte, die ein Megaparsec voneinander
entfernt sind, streben also mit 73,2 Kilometern pro Sekunde weiter auseinander.
Diesen Wert verglichen die Astronomen
mit der Expansionsrate, die sich aus Messungen des Urknallechos mit den Satelliten „WMAP“ und „Planck“ ergeben. dpa
gen wurden. Mithilfe gentechnischer Methoden verändern sie die Forscher so,
dass die T-Zellen nicht mehr die eigenen
erkennungsdienstlichen Werkzeuge auf
ihrer Oberfläche tragen, sondern jene Rezeptoren, mit denen sie den Krebs finden
und besiegen können. Die Patientin bekommt anschließend eine Infusion mit
massenhaft neuen, im Labor trainierten
T-Zellen. Eine ganze Armee statt einer Polizeistreife auf verlorenem Posten. Bei
Mäusen hat das funktioniert. „Selbst
große Tumoren sind quasi in sich zerfallen“, sagt Schreiber.
„Theoretisch sollte das bei vielen verschiedenen soliden Krebsarten funktionieren“, sagt Leisegang. Die Wahl fiel nur
deshalb auf Eierstockkrebs, weil er zunächst gut behandelbar, bei einem Rückfall aber fast immer tödlich ist. Das verschafft den Forschern eine Pause, in der
sie die Komponenten dieser Therapie auswählen und herstellen können. Zumal
nicht nur die technischen, sondern auch
die bürokratischen Anforderungen der
Zulassungsbehörden hoch sind. „Wir
müssen erst Vertrauen schaffen, dass es
funktionieren kann“, sagt Leisegang. „In
dieser Phase befinden wir uns gerade.“
Die Euphorie um die Immuntherapien,
deren Erfolge derzeit in Chicago bei der
weltgrößten Krebskonferenz ASCO präsentiert werden, sieht er mit gemischten
Gefühlen. „Das weckt bei Patienten
enorme Erwartungen, die wir so noch gar
nicht erfüllen können“, sagt Leisegang.
Denn zum einen hat die T-Zell-Therapie
bisher nur wenigen Krebskranken gewirkt. Damit im besten Fall am besten die
Heilung steht oder zumindest eine beherrschbare chronische Krankheit, muss
noch viel geforscht werden. Bisherige
T-Zell-Therapien
lösten
mitunter
Foto: Mauritius
Neue Master-Studiengänge an FU und TU sollen Seiteneinsteiger auf das Referendariat vorbereiten
Die Freie Universität will den akuten Lehrermangel mit einem weiteren Instrumentanpacken. Einneuer Modell-Masterstudiengang soll Quereinsteiger auf das
Referendariat vorbereiten und für das
Lehramt an Gymnasien oder der Integrierten Sekundarschule qualifizieren, nämlich in den Fächern Englisch, Französisch,
Informatik, Italienisch, Mathematik, Physik, Spanisch sowie Deutsch und Geschichte. Zum Wintersemester sollen zunächst 30 Studienplätze vergeben werden. „Wegen der außerordentlichen Bedarfe wollen wir die Flexibilität steigern“,
sagte FU-Präsident Peter-André Alt jetzt
im Akademischen Senat (AS), der der Einrichtung des Studiengang zustimmte.
Zur Zielgruppe des „Q-Masters“ gehören zwar auch Berufstätige, die ihren Studienabschluss (Magister, Diplom) schon
vor vielen Jahren gemacht haben und umsatteln wollen (etwa Ingenieure). Doch
wegen des komprimierten zweijährigen
Studienprogramms dürfte sich der
„Q-Master“ kaum nebenher studieren lassen. Darum zielt man vor allem auf Studierende, die ihren Bachelor ohne Lehramtsinhalte absolviert haben und für den
aufbauenden Master nun aufs Lehramt
umschwenken wollen, genauer, auf jene
Studierenden, die im „Mono-Bachelor“
studiert haben, also ihr zweites wissenschaftliches Fach in nur geringem Um-
Unterrichtet. Die pädagogische Qualität soll
durch den Master besser werden. Foto: dpa
fang belegt haben. Diese Absolventen des
„Mono-Bachelors“ können im „Q-Master" fehlende fachwissenschaftliche Anteile sowie die im Bachelor versäumte Pädagogik und Didaktik nachholen – und so
in den Schuldienst gelangen, mit ordentlicher pädagogischer Qualifikation und
ohne länger als ihre Kommilitonen studiert zu haben. „Was fehlt, soll passgenau
belegt werden können“, sagte Vizepräsident Klaus Hoffmann-Holland im AS.
Da es bei den Umfängen gegenüber den
regulären Lehramtsstudierenden leichte
Abstriche gibt, kann der Studiengang nur
als Modellversuch eingerichtet werden:
„Die Quereinstiegs-Master sind kein Ersatz für die grundständige Ausbildung“,
teilte Beate Stoffers, Sprecherin der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Jugend, auf Anfrage mit. „Unser Ziel ist es, neue Bewerbergruppen für
ein Lehramt zu erschließen.“ Die FU legt
den„Q-Master“im Rahmendes Bund-Länder-Programms „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“auf. Volkhard Nordmeier,Physik-Didaktiker, hob den Gewinn an pädagogischer Qualität durch den „Q-Master“
hervor. In vielen Bundesländern, auch in
Berlin, würden Seiteneinsteiger direkt ins
Referendariat eingefädelt, ohne pädagogische und didaktische Kenntnisse aus einem Studium. „Für Schüler ist das eine
schwere Hypothek“, sagte dieErziehungswissenschaftlerin Felicitas Thiel.
Warum dürfen aber Studierende, die einen „Kombi-Bachelor“ absolviert haben
– also zwei wissenschaftliche Fächer studiert haben – , nicht ebenfalls in den
„Q-Master“, um dort das Lehramtsstudium und fehlende fachwissenschaftliche
Anteile nachzuholen?, wurde in der Debatte im AS mehrfach gefragt. Entscheiden die Kombi-Bachelor-Studierenden
sich spät im Bachelor-Studium oder nach
demAbschluss füreinen WechselinsLehramt, müssen sie zurück ins dritte oder
fünfte Fachsemester, verlieren also Zeit,
während die Mono-Bachelor fortan direkt
in den „Q-Master“ wechseln dürfen. Doch
die FU muss sich hier an die entsprechende Vorgabe der Kultusministerkonferenz halten. Danach muss das erste Fach
im Wesentlichen in dem Umfang studiert
werden, in dem es im Lehramtsstudium
vorkommt, das zweite Fach soll anteilig
vergleichbar sein. Wer den Kombi-Bachelor studiert, kommt aber nur auf 90 Leistungspunkte im Kernfach statt der geforderten 105 Leistungspunkte – der
Mono-Bachelor kann gleich 150 Leistungspunkte im Kernfach mitbringen.
Die TU will zum Wintersemester einen
ähnlichen Master für Quereinsteiger anbieten, und zwar für das Lehramt inder beruflichen Bildung im Fach Elektrotechnik.
„Das ist ein absolutes Mangelfach an Berufsschulen“, sagt Angela Ittel, TU-Vizepräsidentin für Lehrkräftebildung. Der
Studiengang ist ebenfalls auf 30 Studienanfänger ausgelegt. Die Humboldt-Uni
will zunächst den Modellversuch der FU
verfolgen und dann überlegen, ob sie ein
analoges Angebot auflegt, sagt HU-Vize
Michael Kämper-van den Boogaart.
Für das Grundschullehramt wird laut
Senatsverwaltung noch an Konzepten gearbeitet. Die große Herausforderung sei
hier, die drei Fächer im Grundschullehramt in einen Quereinstiegs-Master unterzubekommen.
akü/tiw
Die Hoffnung ruht auf den Ministerpräsidenten, dass sie die Fortsetzung der Exzellenzinitiative stoppen. Hamburg stört
die „Dauer“. Dabei gibt es noch viel
schwerwiegendere Mängel. Es sollen
385 Millionen Euro für zweimal sieben
Jahre in 45 bis 50 Exzellenzcluster und
gut 148 Millionen in acht bis elf dauerhaft geförderten Exzellenzuniversitäten
vergeben werden. Bewerben für das letztere dürfen sich nur Universitäten, die zuvor mindestens zwei Cluster eingeworben haben. Statt die Exzellenzprämie von
erbrachten Vorleistungen abhängig zu
machen, wie die eigens zur Bewertung
der bisherigen Initiative eingesetzte Imboden-Kommission vorgeschlagen hat,
soll es beim Antragsverfahren bleiben.
Auch wenn Forschungsleistungen der
Vergangenheit berücksichtigt werden, besteht die begründete Befürchtung, dass
die Zukunftspläne den Ausschlag geben.
Das Festhalten an einem Antragsverfahren, wie es die Gemeinsame Wissenschafts-Konferenz vorschlägt, bedeutet,
dass erneut die „zeitgeistschlüpfrigsten“
Bewerbungen gute Chancen haben. Ein
Urteil über Exzellenz sollte nicht Vorstellungen honorieren, die für die Zukunft etwas versprechen, sondern eine Bewertung bereits erbrachter Leistungen sein.
Das ist vor allem wegen der fallbeilartigen Wirkung bedeutsam, die ein solches
Votum entfaltet. Da gehören die „Exzellenzuniversitäten“ zur „Spitze“, die anderen firmieren unter „ferner liefen“.
Der Begriff erweckt den falschen Eindruck, die betreffende Universität sei als
Ganze hervorragend. Dabei gibt die mehr
oder weniger phantasievolle Abfassung
des Zukunftskonzepts den Ausschlag.
Was bei einer solchen Betrachtungsweise
herauskommt, konnte man bei früheren
Verfahren erleben. In der ersten Runde
war Freiburg „exzellent“, Tübingen
nicht; in der zweiten war es umgekehrt.
Begründet wurde es mit der Qualität der
Zukunftskonzepte. Diese mögen „exzellent“ sein; die Universität als Ganze ist es
jedenfalls nicht wegen der Konzepte.
Mindestens die Hälfte der Länder
wird, wie bisher, nach dem vorgeschlagenen Verfahren, zur „exzellenzfreien“
Zone erklärt werden. Da hilft es auch
nicht, wenn die Cluster sich anders verteilen und auch bisher weitgehend nicht erfolgreiche Universitäten zum Zuge kommen. Das Gütezeichen ist „Exzellenzuniversität“. Dieser Begriff ist mit den Zukunftskonzepten verbunden.
Wenn jetzt nicht die Notbremse gezogen wird, kommt es zu einer Verfestigung
des deutschen Universitätssystems auf einer mehr als brüchigen Basis.
— Wer mit dem Autor diskutieren möchte,
kann ihm eine E-Mail senden: george.turner@t-online.de
Uni Hamburg
distanziert
sich von Senat
Die Universität Hamburg stellt sich im
Streit um die Exzellenzinitiative gegen
den Senat der Hansestadt. Die „Irritationen“,die die Landesregierungmit ihrer Intervention gegen die Verwaltungsvereinbarung zur Exzellenzinitiative ausgelöst
habe, nehme der Hochschulrat „mit großer Sorge“ zur Kenntnis, heißt es in einer
Erklärung des Gremiums. Wie berichtet
trägt Hamburg die Vereinbarung der Wissenschaftsminister über die Wettbewerbsbedingungen vom 22. April nicht mit. Der
Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD)
undWissenschaftssenatorinKatharina Fegebank (Grüne) wünschen sich bessere
Chancen für die Hamburger Uni und andere, die es bislang noch nicht in den Kreis
der „Eliteunis“ geschafft haben. Sie kritisieren, dass die zukünftigen acht bis elf Exzellenzuniversitäten kaum noch einenAbstieg befürchten müssten. Scholz könnte
der Neuauflage des Wettbewerbs deshalb
am 16. Juni bei der Ministerpräsidentenkonferenz seine Zustimmung versagen.
Der Hochschulrat betont nun, die Uni
habe die Senatsposition in keiner Weise
„beeinflusst oder gar initiiert“. Der Hochschulrat seivielmehr von den Erfolgschancen der Uni überzeugt. Sie habe mit zwei
Exzellenzclustern und drei Clusterkonzepten, „die besten Voraussetzungen für
eine erfolgreiche Teilnahme an der nächsten Runde der Exzellenzinitiative“.
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22
TAGESTIPPS
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DER TAGESSPIEGEL
NR. 22 779 / MONTAG, 6. JUNI 2016
KONZERT
FOLK-POP
Mozart anders hören
Mozart arrangierte sein
Bläseroktett KV 388 in ein
Streichquintett um, Webern fertigte aus „Fünf Sätzen für Streichquartett“
eine neue Fassung für
Streichorchester. Die Komponisten verwandeln das
Erscheinungsbild ihrer
Werke und hören sie anders. Was verändert sich
für die Zuhörer, besonders
wenn die Stücke Grundlage für tänzerische Interventionen werden?
B
FRIEDRICHSHAIN-KREUZBERG
B
b-ware!, Tel. 63 41 31 15: Bauernopfer: Spiel der Könige
11; Mustang 11; The Lady in the Van (OV) 11.15; Junges
Licht (DFmenglU) 12.45; Ein Mann namens Ove 13; Mikro &
Sprit 13, 16.15; Outside The Box (DFmenglU) 14.45; Birnenkuchen mit Lavendel 14.45; Der Schamane und die
Schlange: Eine Reise auf dem Amazonas - El abrazo de la
serpiente (OmU) 15; 3D: The Jungle Book 16.30; Wild 17;
Ein Hologramm für den König - A Hologram for the King
(OmU) 18; A Bigger Splash 18.15; Whiskey Tango Foxtrot
(OmU) 18.45; Nur Fliegen ist schöner 19.45; 3D: The First
Avenger: Civil War 20.15; Sing Street 20.45; Der Nachtmahr (DFmenglU) 21.30; The Whispering Star - Hiso hiso
boshi (OmU) 22.30; Mein Praktikum in Kanada 22.45; Desire Will Set You Free (OmU) 23; Babylon, Tel. 61 60 96 93:
A Der Schamane und die Schlange: Eine Reise auf dem
Amazonas - El abrazo de la serpiente (OmU) 17; Tomorrow:
Die Welt ist voller Lösungen - Demain (OmU) 19.45, 22.20;
B Remainder (OmU) 17; Money Monster (OmU) 19.15,
21.30; fsk, Tel. 614 24 64: f 1 Mein Praktikum in Kanada Guibord s'en va-t-en guerre (OmU) 18; JFBB - Jüdisches Filmfestival Berlin-Brandenburg: My beloved Uncles (OmenglU)
/ HaDiktator HaKatan - The little Diktator: Der kleine Diktator (OmenglU) 20.15; Heart of a Dog (OmU) 22.15; f 2 Zen
for Nothing 18; Petting Zoo (OmU) 20; The Whispering Star Hiso hiso boshi (OmU) 22; Intimes, Tel. 29 77 76 40: La
belle saison - Eine Sommerliebe 17.45; A Bigger Splash 20;
Schrotten! 22.15; Moviemento, Tel. 692 47 85: M 1 Doktor Proktors Zeitbadewanne 10.15; Tomorrow: Die Welt ist
voller Lösungen - Demain (OmU) 12.30, 15, 17.30, 20,
22.30; M 2 Ente gut! Mädchen allein zu Haus 14; Doktor
Proktors Zeitbadewanne 16.15; Agnes 18.30, 20.45; Mr.
Gaga (OmenglU) 23; M 3 Hilfe, ich hab meine Lehrerin geschrumpft 13.30; Agnes 15.45; Mr. Gaga (OmU) 18; Sonita
(OmU) 20.15; Der Nachtmahr 22.15; Regenbogen, Tel. 69
57 95 17: Der Schamane und die Schlange: Eine Reise auf
dem Amazonas - El abrazo de la serpiente (OmU) 20.30;
Sputnik, Tel. 694 11 47: S 1 Ein Mann namens Ove 18; Ein
Hologramm für den König 20; Remainder 21.45; S 2 Hope
for All. Unsere Nahrung - Unsere Hoffnung 18; A Bigger
Splash (OmU) 19.45; The Whispering Star - Hiso hiso boshi
(OmU) 22; Kinobar im Sputnik Projekt A - Eine Reise zu
anarchistischen Projekten in Europa (OmU) 21; Tilsiter, Tel.
426 81 29: T 1 Bach in Brazil 14; Rico, Oskar und der
Diebstahlstein 16; Ein Mann namens Ove - En man som
heter Ove (OmU) 18; Der Schamane und die Schlange: Eine
Reise auf dem Amazonas - El abrazo de la serpiente (OmU)
20.15, 22.30; T 2 Mr. Gaga (OmU) 14.30; Urmila: Für die
Freiheit - Urmila: My Memory is my Power (OmU) 16.30;
Parchim International 18.30; The Event - Sobytie (OmU)
20.30, 22; UCI Friedrichshain, Tel. 42 20 42 20: K 1 3D:
X-Men: Apocalypse 13.45, 16.30, 19.45; The First Avenger:
Civil War 14; Angry Birds: Der Film 14, 20.15; 3D: Warcraft:
The Beginning 14, 17, 20; Rico, Oskar und der Diebstahlstein 14.15; The Jungle Book 14.15; Alice im Wunderland:
Hinter den Spiegeln 14.15; Carol 15; The Nice Guys 17, 20;
Money Monster 17.15, 20.15; 3D: Angry Birds: Der Film
17.15; 3D: Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln
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91 32 40: Yorck Vor der Morgenröte - Stefan Zweig in Amerika 15, 17.30, 20, 22.20; New Yorck Money Monster
14.45, 19.30, 21.50; Tomorrow: Die Welt ist voller Lösungen 17; Zukunft, Tel. 01 76/57 86 10 79: Zukunft 3 Die
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Sommerliebe (OmU) 20.15; Wild 22.15; Zukunft 4 Die Prüfung 18.15; Desire Will Set You Free (OmU) 20; Wer hat
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CineStar Hellersdorf, Tel. 04 51/703 02 00: C 1 3D: Warcraft: The Beginning 16.30, 19.30; 3D: X-Men: Apocalypse
16.50, 19.50; Angry Birds: Der Film 16.50; The Nice Guys
17, 19.50; Money Monster 17.10, 20.15; 3D: Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 17.15, 20.10; 3D: Angry
Birds: Der Film 17.25; 3D: The First Avenger: Civil War
19.20; Sneak Preview 20; Kiste, Tel. 998 74 81: Ein Mann
namens Ove 14; Kung Fu Panda III 16.10; A Bigger Splash
18; The Lady in the Van 20.15; UCI Eastgate, Tel. 93 03 02
60: U 1 Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 14.15;
3D: Warcraft: The Beginning 17, 20; U 2 X-Men: Apocalypse
14.15; The Nice Guys 17, 20; U 3 Carol 15; 3D: Alice im
Wunderland: Hinter den Spiegeln 17.30, 20.15; U 4 Angry
Birds: Der Film 14.30; 3D: X-Men: Apocalypse 16.45,
20.15; U 5 3D: Warcraft: The Beginning 14; 3D: Angry Birds:
Der Film 17; Seitenwechsel 20; U 6 Seitenwechsel 14.30,
17.15; Bad Neighbors II 20.15; U 7 Money Monster 14.30,
17.15, 20; U 8 Zoomania 14.30; The First Avenger: Civil
War 17; Warcraft: The Beginning 20;
B
MITTE
Acud, Tel. 44 35 94 98: A 1 Rico, Oskar und der Diebstahlstein 17; Nur Fliegen ist schöner 19; Ein Mann namens Ove
21; A 2 Parchim International 18; Der Staat gegen Fritz
Bauer 20; Tito on Ice 22; Arsenal, Tel. 26 95 51 00: A 1
Unknown Pleasure - American Independent Film Fest: Dia-
Teil des
Mittelmeers
Pille
Zimmer
englischer
Gasthof
wegen,
infolge
von
KINOPROGRAMM
ries (1982) (OV); m. Einf. 19.30; A 2 DEFA-Stiftung: Als
Unku Edes Freundin war 19; DEFA-Stiftung: Jan auf der Zille
21; Babylon, Tel. 242 59 69: B 1 Zen for Nothing (OmU) 18;
Dirty Games (OmU) 18.15; Wild 20; Mr. Gaga (OmU) 20; Die
Kommune - Kollektivet (OmU) 22; Schrotten! 22; Central,
Tel. 28 59 99 73: C 1 Ente gut! Mädchen allein zu Haus 13;
Tomorrow: Die Welt ist voller Lösungen - Demain (OmU) 15,
17.30, 20; Green Room (OmU) 22.30; C 2 Doktor Proktors
Zeitbadewanne 10.30, 12.30, 14.30; Mr. Gaga (OmU)
16.45; Green Room (OmU) 19; Money Monster (OmU)
21.15; Der Nachtmahr (OmenglU) 23.30; CinemaxX Potsdamer Platz, Tel. 040/80 80 69 69: C 1-19 How to be
Single 11, 17; Zoomania 13, 15.30, 18.20; Ein Hologramm
für den König 13; Kung Fu Panda III 13.20, 15.40; The
Jungle Book 13.25, 19; The Nice Guys 13.30, 16.30,
19.30, 23.15; The First Avenger: Civil War 13.30, 15.30;
Rico, Oskar und der Diebstahlstein 13.40, 16.45; Der Moment der Wahrheit 13.45, 16.45, 19.45; Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 13.45, 16.30, 19.30, 22.30; 3D:
Angry Birds: Der Film 13.45, 17.20; 3D: Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 14, 16.50, 20, 23; 3D: Warcraft:
The Beginning 14, 16.40, 19.45, 23; 3D: X-Men: Apocalypse 14, 17.20, 20.45, 23.15; 3D: The Jungle Book 14,
16.45; Money Monster 14.15, 17, 19.45, 22.30; Angry
Birds: Der Film 14.15, 16.45; Bad Neighbors II 14.20,
16.40, 19.30, 22.30; Der Staat gegen Fritz Bauer 14.30;
Sing Street 14.45; Ente gut! Mädchen allein zu Haus 16;
Monsieur Chocolat 16; Everybody Wants Some!! 17.15, 20,
23; Seitenwechsel 18, 20.40; Wie Männer über Frauen reden 18; Aufzeichung aus dem National Theatre London: Coriolanus 19.30; Green Room 19.30, 22.30; 3D: The First
Avenger: Civil War 19.30, 23; The Witch 19.45, 22.45; The
Other Side of the Door 20, 23; Sneak Preview 20; Whiskey
Tango Foxtrot 20.20; X-Men: Apocalypse 21, 22.30; Der
Nachtmahr 22.30; Outside The Box 23.15; Hardcore
23.15; Cineplex Alhambra, Tel. 01 80/505 03 11: A 1-7
Rico, Oskar und der Diebstahlstein 12; 3D: Angry Birds: Der
Film 12, 14.25; The Jungle Book 12, 14.15; Angry Birds:
Der Film 12.15, 14.15; Kung Fu Panda III 12.15, 14.30;
Alvin und die Chipmunks IV: Road Chip 12.15; Zoomania
12.30; 3D: Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 14,
16.45, 19.30; 3D: Warcraft: The Beginning 14.15, 17,
19.30; X-Men: Apocalypse 14.40; The Nice Guys 16.45,
20; Seitenwechsel 16.45, 20.15; Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 16.45; Whiskey Tango Foxtrot 17, 20; Money Monster 17.45; Sneak Preview 20; Sneak Preview (OV)
20.10; CineStar CUBIX, Tel. 04 51/703 02 00: C 1 Doktor
Proktors Zeitbadewanne 11, 13.20; Angry Birds: Der Film
11, 14.45; 3D: The Jungle Book 11.10, 17; 3D: Alice im
Wunderland: Hinter den Spiegeln 11.15, 16.50, 19.55, 23;
The Nice Guys 11.30, 14.20, 17.15, 20.10, 23.10; 3D:
Warcraft: The Beginning 11.30, 13.30, 16.30, 19.40,
22.55; 3D: Angry Birds: Der Film 12.15, 17.15; 3D: The
First Avenger: Civil War 12.30, 19.30, 22.30; Rico, Oskar
und der Diebstahlstein 12.40; 3D: X-Men: Apocalypse
13.40, 16, 19.40, 22.45; Alice im Wunderland: Hinter den
Spiegeln 14; The Jungle Book 14.40; Mängelexemplar 15;
Wie Männer über Frauen reden 15.45; Money Monster
17.25, 20.40; Seitenwechsel 17.40, 19.45; How to be Single 18; Sneak Preview 20; Green Room 20.20, 23.05; The
Witch 23; The Other Side of the Door 23.15; Triple 9 23.15;
CineStar Sony Center, Tel. 04 51/703 02 00: C 1 3D:
Warcraft: The Beginning (OV) 13.30, 16.30, 19.45; The
First Avenger: Civil War - Captain America: Civil War (OV)
13.30; Everybody Wants Some!! (OV) 13.45, 20.15; Alice
im Wunderland: Hinter den Spiegeln - Alice Through the Looking Glass (OV) 13.45; A Bigger Splash (OV) 13.45; Der
Moment der Wahrheit - Truth (OV) 14, 20; Money Monster
(OV) 14, 16.45, 19.30; Angry Birds: Der Film (OV) 14; 3D:
X-Men: Apocalypse (OV) 16.30, 20.15; The Nice Guys (OV)
16.40, 19.40; 3D: The First Avenger: Civil War - Captain
America: Civil War (OV) 16.40, 19.15; Ein Hologramm für
den König - A Hologram for the King (OV) 16.50; 3D: Alice im
Wunderland: Hinter den Spiegeln - Alice Through the Looking Glass (OV) 17; 3D: The Jungle Book (OV) 17.15; Housefull III (HindimenglU) 19.30; Green Room (OV) 20.20; CineStar IMAX, Tel. 04 51/703 02 00: Zero Gravity: Mission in
Space 11; 3D: Galapagos: Wunderland der Natur 12.20;
3D: Warcraft: The Beginning 13.30, 19.45; 3D: Warcraft:
The Beginning (OV) 16.30; City Wedding, Tel. 01 77/270
19 76: Jüdisches Filmfestival: Hummus the Movie (OmU)
20; Filmrauschpalast, Tel. 394 43 44: Der Nachtmahr
(OmenglU) 18; Remainder (OmU) 20; The Whispering Star Hiso hiso boshi (OmU) 22; Hackesche Höfe, Tel. 283 46
03: H 1 Rabbi Wolff (OmU) 15; Parchim International 18;
Monsieur Chocolat (OmU) 20; Wild (DFmenglU) 22.30; H 2
Ein Hologramm für den König - A Hologram for the King
(OmU) 15.15; Die Prüfung (DFmenglU) 17.30; The Nice
Guys (OmU) 19.45, 22.15; H 3 Urmila: Für die Freiheit Urmila: My Memory is my Power (OmU) 15.15; Agnes
(DFmenglU) 17.15, 19.30; Petting Zoo (OmU) 21.45; H 4
Vor der Morgenröte - Stefan Zweig in Amerika (OmenglU)
15.15, 17.30, 19.45; Remainder (OmU) 22; H 5 Ein letzter
Tango - Un tango mas (OmU) 16; Sonita (OmU) 18; Sing
Street (OmU) 20, 22.15;
B
PANKOW
Blauer Stern, Tel. 47 61 18 98: B 1-2 Doktor Proktors Zeitbadewanne 15.45; 3D: Angry Birds: Der Film 15.45; Vor der
Morgenröte - Stefan Zweig in Amerika 18, 20.15; Nur Fliegen ist schöner 18, 20.15; BrotfabrikKino, Tel. 471 40 01:
Ixcanul - Träume am Fuße des Vulkans (OmU) 18; The Whispering Star - Hiso hiso boshi (OmU) 19.45; Desire Will Set
You Free (OmU) 21.30; FT am Friedrichshain, Tel. 42 84 51
88: F 1 Tomorrow: Die Welt ist voller Lösungen 15, 17.45,
20.30; Sneak Preview 23; F 2 Mikro & Sprit 14.45; Sing
Street 16.40, 19; Sing Street (OmU) 21.15; F 3 Nur Fliegen
ist schöner 14.20; Vor der Morgenröte - Stefan Zweig in
Amerika 14.45, 17.15, 19.45; F 4 Money Monster 17.15,
Donnergeräusch
babylonische
Gottheit
rheinisches
Mittelgebirge
Umlaut
Gespenst
Angelstock
19.30; Money Monster (OmU) 21.30; F 5 Outside The Box
14.30, 21.45; Monsieur Chocolat 16.30, 19; Kino in der
Kulturbrauerei, Tel. 04 51/703 02 00: K 1-8 Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 11.45; Doktor Proktors Zeitbadewanne 13.45; Mikro & Sprit 13.50; Alice im Wunderland:
Hinter den Spiegeln - Alice Through the Looking Glass (OmU)
14.30, 22.45; Birnenkuchen mit Lavendel - Le gout des
merveilles (OmU) 14.50; Peggy Guggenheim: Ein Leben für
die Kunst - Peggy Guggenheim: Art Addict (OmU) 15; Die
Poesie des Unendlichen - The Man Who Knew Infinity (OmU)
15.15; Der Staat gegen Fritz Bauer 16.15; Rico, Oskar und
der Diebstahlstein 16.15; Der Moment der Wahrheit - Truth
(OmU) 17.10; The Nice Guys 17.15, 21.15; Sing Street 18;
Tomorrow: Die Welt ist voller Lösungen 18.40; Agnes
18.45; Sneak Preview 20; Money Monster 20.30, 22.45;
Everybody Wants Some!! 21.10; A Bigger Splash (OmU)
22.40; Mängelexemplar 22.45; Ein Hologramm für den König 22.45; Der Nachtmahr 22.50; Krokodil, Tel. 44 04 92
98: The Event - Sobytie (OmU) 18; Lenas Klasse - Klass
Korrektsii (OmU) 19.15; Parchim International (OmU) 21;
Lichtblick, Tel. 44 05 81 79: Sonita (OmU) 18.30; The
Whispering Star (OmU) 20; Berlin - Filme der Stadt: Desire
Will Set You Free (OmU) 22; Toni, Tel. 92 79 12 00: Toni
Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 15.30, 17.45,
20; Tonino Angry Birds: Der Film 16; Nur Fliegen ist schöner
18, 20; UCI Colosseum, Tel. 44 01 92 00: C 1 Alice im
Wunderland: Hinter den Spiegeln 14.15; 3D: X-Men: Apocalypse 14.15, 17, 20.15, 22.40; Zoomania 14.15; 3D: Warcraft: The Beginning 14.30, 17.20, 20, 23; 3D: The First
Avenger: Civil War 14.30, 20.15; Angry Birds: Der Film
14.45; Money Monster 15.10, 17.30, 20, 22.45; Wie Männer über Frauen reden 15.15; Bad Neighbors II 15.15,
17.30; Rico, Oskar und der Diebstahlstein 15.20, 17.40;
The First Avenger: Civil War 16.45; 3D: Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 17.15, 20.10, 23; The Nice Guys
17.30, 20.15, 23; 3D: Angry Birds: Der Film 17.30; 3D: The
Jungle Book 17.45, 20; Whiskey Tango Foxtrot 20, 22.45;
Preview: The Nice Guys (OV) 20; Green Room 20.15, 23;
The Witch 22.45;
REINICKENDORF
ein
Umlaut
starker
Zweig
Teil der
Blumen
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Zugtier
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THEATER
SPANDAU
D
Bar jeder Vernunft, Wilmersdorf, Schaperstr. 24, 콯 883 15 82, Hollywood on Air:
Verdacht, nach Francis Iles, Regie: Regine
Ahrem, Hitchcock-Klassiker als Live-Hörspiel,
20 Uhr
Berliner Ensemble, Mitte, Bertolt-BrechtPl. 1, 콯 284 08-155, Der Selbstmörder,
von Nikolai Erdman, Regie: Jean Bellorini,
19.30 Uhr
Victor oder Die Kinder an der Macht,
von Roger Vitrac, Regie: Nicolas Charaux,
Probebühne, 20 Uhr
Berliner Kriminal Theater, Friedrichshain,
Palisadenstr. 48, 콯 47 99 74 88,
Erbarmen, von Jussi Adler Olsen, 20 Uhr
BKA, Kreuzberg, Mehringdamm 34,
콯202 20 07, Teenagers in trouble
(11-14 Jahre), Platypus Theater, 11 Uhr
Deutsches Theater, Mitte, Schumannstr. 13a, 콯 28 44 12 25, Ein Käfig ging
einen Vogel suchen, von Franz Kafka,
Regie: Andreas Kriegenburg, 19.30 Uhr,
mit engl. ÜT
B
Hochschule für Musik Hanns Eisler - Neuer
Marstall, Mitte, Schlosspl. 7,
콯203 09 21 01, Vortragsabend Kontrabassklassen Prof. Matthew McDonald,
Janusz Widzyk, Galakutschen-Saal II, 19 Uhr
Vortragsabend Hornklasse Prof. Marie-Luise
Neunecker, Krönungskutschen-Saal, 19 Uhr
Konzerthaus Berlin, Mitte, Gendarmenmarkt,
콯203 09 21 01, Musikforum Gendarmenmarkt: Studierende der Hochschule für
Musik Hanns Eisler Berlin; Thomas Reif,
Tobias Feldmann (Violine), Michaela
Spacková (Fagott), Kenji Miura, Thomas
Hoppe, Jinson Kim (Klavier), Peter Fleckenstein (Marimba), Ni Fan (Vibraphon),
Mozart: Sonate für Klavier und Violine A-Dur;
Saint-Saëns: Sonate für Fagott und Klavier
G-Dur op. 168; Chueca: „Les Paraguas“,
eingerichtet für Marimba; Wahlund:
„Hard-Boiled Capitalism and the Day
Mr. Friedman Noticed Google is a Verb“ für
Vibraphon; Liszt: „Après une lecture du
Dante“ - Fantasia quasi Sonata aus
„Années de pèlerinage, Deuxième anne:
Italie“; Gershwin: Melodien aus
„Porgy and Bess“, Kl. Saal, 20 Uhr
TREPTOW-KÖPENICK
B
B
Astra, Tel. 636 16 50: A 1-5 X-Men: Apocalypse 14; Angry
Birds: Der Film 14; Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 15, 17.30; 3D: Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 15, 17.30, 20, 22.30; 3D: Warcraft: The Beginning 15,
17.30, 20, 22.30; 3D: Angry Birds: Der Film 16; 3D: X-Men:
Apocalypse 17, 20, 22; The Nice Guys 18, 20.15, 22.30;
Money Monster 20, 22.45; Casablanca, Tel. 677 57 52:
Die Poesie des Unendlichen 16.15; Südafrika - Der Kinofilm
18.30; Die Kommune 20.30; CineStar Treptower Park,
Tel. 04 51/703 02 00: C 1 Alice im Wunderland: Hinter den
Spiegeln 14.30; Seitenwechsel 17.25; 3D: Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 20; C 2 3D: Warcraft: The Beginning 14; 3D: Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 17;
Money Monster 19.55; C 3 Zoomania 14.45; 3D: The
Jungle Book 17.20; Whiskey Tango Foxtrot 20.05; C 4 3D:
Angry Birds: Der Film 14.25, 17; 3D: The First Avenger: Civil
War 19.20; C 5 Money Monster 13.45; 3D: Warcraft: The
Beginning 16.15, 19.30; C 6 3D: X-Men: Apocalypse
13.50; The Nice Guys 17.10, 20.10; C 7 The Nice Guys
13.50; Angry Birds: Der Film 16.50; Seitenwechsel 20; C 8
Angry Birds: Der Film 14.25; Money Monster 17; 3D: X-Men:
Apocalypse 19.35; C 9 The Jungle Book 14.05; 3D: X-Men:
Apocalypse 16.35; Sneak Preview 20; Spreehöfe, Tel. 538
95 90: K 1 3D: Warcraft: The Beginning 14.45, 17.30,
20.15; 3D: Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 15,
17.30, 20.15; Angry Birds: Der Film 15.30; Rico, Oskar und
der Diebstahlstein 15.30; Seitenwechsel 15.45, 20.30;
The Nice Guys 17.45, 20.30; Nur Fliegen ist schöner
17.45; Money Monster 18; 3D: X-Men: Apocalypse 20;
Union, Tel. 65 01 31 41: Ein Hologramm für den König 15;
3D: Angry Birds: Der Film 15.30; Money Monster 15.30, 18,
20.15; A Bigger Splash 17.15; Schrotten! 18; Nur Fliegen
ist schöner 20; Hope for All. Unsere Nahrung - Unsere Hoffnung 20.30;
FREILUFTKINOS
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B-ware! Open Air FMP1, Tel. 63 41 31 15: Sicario (OmU)
21.30; Radio EINS-Freiluftkino FriedrichshainWild 21.30;
Hasenheide, Tel. 283 46 03: Raum - Room (OmU) 21.45;
Freiluftkino Insel im Cassiopeia, Tel. 35 12 24 49: Die
Kommune 21.45; Freiluftkino KreuzbergEl clan - Verbrechen ist Familiensache (OmU) 21.30; Freiluftkino RehbergeSture Böcke 21.30; Open Air Kino Mitte, Tel. 28 59 99
73: Desire Will Set You Free (OmenglU) 21.45; Pompeji,
Tel. 01 76/57 86 10 79: 4 Könige 21.45;
B
Autokino am BER, Tel. 01 78/333 31 50: Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 22; Warcraft: The Beginning
22.15; ALA Falkensee, Tel. 033 22/279 88 77: Doktor
Proktors Zeitbadewanne 15; Angry Birds: Der Film 17.30;
Money Monster 20; Filmpalast Bernau, Tel. 033 38/70 54
54: FB 1-3 Warcraft: The Beginning 15; Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 15.30; 3D: Angry Birds: Der Film
15.30; 3D: Warcraft: The Beginning 17.45, 20.30; Unsere
Wildnis 18; 3D: Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln
18, 20.30; 3D: X-Men: Apocalypse 20.30; Filmpalast Oranienburg, Tel. 033 01/70 48 28: F 1 3D: Angry Birds: Der
Film 15; X-Men: Apocalypse 17.15; The Nice Guys 20.15; F
2 3D: Warcraft: The Beginning 15, 17.30, 20; F 3 Angry
Birds: Der Film 15.45; 3D: X-Men: Apocalypse 18; 3D: Alice
im Wunderland: Hinter den Spiegeln 20.45; F 4 Alice im
Wunderland: Hinter den Spiegeln 15.15; 3D: Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 17.45; Hail, Caesar! 20.15;
Movieland Erkner, Tel. 033 62/36 68: M 1 Ein Hologramm
für den König 14; Ein Mann namens Ove 14; X-Men: Apocalypse 17, 20; The Nice Guys 18, 20.30.
Alle Angaben ohne Gewähr
Ørlög & Friends (Gothic, PostPunk, EBM,
Neofolk), 22 Uhr
Kaffee Burger, Mitte, Torstr. 60,
콯28 04 64 95, The Old To The New
(HipHop, Electronic Beats, Classic Party
Tunes), 22 Uhr
KitKatClub, Mitte, Köpenicker Str. 76,
Electric Monday: Joal Alvim, Tizian Joel,
Ricardo Rodriguez (Minimal, Deep House,
Techno, Electro, Breakz), 23 Uhr
Lauschangriff, Friedrichshain, Rigaer
Str. 103, 콯 42 21 96 26, Fiyah Down
Below: Upliftment Sound, White Lion &
Rebel Yute u. a. (Roots Reggae, Conscious
Dancehall, RubADub, Dub, Steppas), 21 Uhr
Matrix, Friedrichshain, Warschauer Pl. 18,
콯29 36 99-90, Scandal!: MeO
(House, HipHop, Electro, Top 40), 22 Uhr
Monster Ronson’s Ichiban Karaoke,
Friedrichshain, Warschauer Str. 34,
콯89 75 13 27, MultiSEXual BOXhopping
with Shredder (Conquer all 10 Karaoke
Boxes!), 22 Uhr
Schokoladen Mitte, Ackerstr. 169-170,
콯282 65 27, PartyNight, 21 Uhr
Tosca
Giacomo Puccini
9., 15. Juni 2016
Musikalische Leitung: Stefano Ranzani
Inszenierung: Boleslaw Barlog
Mit Adrianne Pieczonka, Roberto Aronica,
Ambrogio Maestri u. a.
Karten und Infos: 030-343 84 343
www.deutscheoperberlin.de
B
Cinema Walther-Schreiber-Platz, Tel. 852 30 04: Birnenkuchen mit Lavendel 15.35; Der Moment der Wahrheit 17.50,
20.40; Cosima, Tel. 85 07 58 02: Ein letzter Tango 18; Ein
Mann namens Ove 20.15; Urania, Tel. 218 90 91: Wer hat
Angst vor Sibylle Berg? 16.30, 19; Xenon, Tel. 78 00 15
30: Mr. Gaga (OmU) 18; Holding the Man (OmU) 20.15;
19.30 Uhr, 16/9 Euro
St. Elisabeth-Kirche
Invalidenstr. 3, Mitte
TERMINE
B
Adria, Tel. 01 80/505 07 11: Money Monster 15.15,
17.45, 20.15; Bali, Tel. 811 46 78: Beti und Amare - Beti
and Amare (OmU) 20.30; Capitol, Tel. 831 64 17: Vor der
Morgenröte - Stefan Zweig in Amerika 15.45, 20.30; Nur
Fliegen ist schöner 18.10; Cineplex Titania, Tel. 01
80/505 05 20: T 1-7 Doktor Proktors Zeitbadewanne 10,
12.15, 14.45; Zoomania 10, 12.10; 3D: Angry Birds: Der
Film 10, 12; Angry Birds: Der Film 10, 12.10, 14.35, 17.15;
Rico, Oskar und der Diebstahlstein 10, 12.05, 14.50; 3D:
The Jungle Book 10, 12.05; The Jungle Book 10, 12.20;
Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 14.10; 3D: Alice
im Wunderland: Hinter den Spiegeln 14.10, 16.50, 20.15;
3D: Warcraft: The Beginning 14.25, 17.20, 19.30, 22.30;
3D: X-Men: Apocalypse 14.25, 16.45, 19.50; Seitenwechsel 17.10, 19.50, 23; Sing Street 17.15, 19.50, 23; The
Nice Guys 17.30, 20.15, 23; 3D: The First Avenger: Civil
War 19.45; The First Avenger: Civil War 22.30; Sneak Preview (OV) 23; Sneak Preview 23; Thalia, Tel. 774 34 40: T 1
Warcraft: The Beginning 15.30; 3D: Alice im Wunderland:
Hinter den Spiegeln 15.30, 18, 20.30; 3D: Angry Birds: Der
Film 15.30; Rico, Oskar und der Diebstahlstein 15.30; Unsere Wildnis 18; The Nice Guys 18, 20.30; 3D: Warcraft:
The Beginning 18, 20.30; X-Men: Apocalypse 20.30;
TEMPELHOF-SCHÖNEBERG
Foto: Kazuyuki Funaki
20 Uhr, 16/8 Euro
Deutsche Oper/Tischlerei Richard-Wagner-Str./
Zillestr., Charlottenburg
Cineplex, Tel. 01 80/505 02 11: K 1-5 Angry Birds: Der
Film 10, 12.10, 14.20; 3D: Angry Birds: Der Film 10, 12.10,
17.25; Bibi & Tina: Mädchen gegen Jungs 10, 12.10; Rico,
Oskar und der Diebstahlstein 10, 12.35; The Jungle Book
10, 12.20; 3D: Warcraft: The Beginning 14.20, 16.45,
19.40; Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 14.40;
3D: Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 14.45,
17.15, 19.50; Zoomania 14.50; Money Monster 17.10;
The Nice Guys 17.25, 20.15; Sneak Preview (OV) 20.15;
Sneak Preview 20.15; Kulturhaus Spandau, Tel. 333 60
81: Birnenkuchen mit Lavendel 16.30; Nur Fliegen ist schöner 18.30; Parchim International 20.30;
STEGLITZ-ZEHLENDORF
AVANTGARDE
Marginal Consort
Das legendäre japanische
Avantgarde-Improvisations-Kollektiv spielt sein
erstes deutsches Konzert, wobei es seit der
Gründung 1997 nur ein
Konzert pro Jahr gibt. Ihre
Klangsprache in der Tradition des Free Jazz und des
japanischen Fluxus setzt
auf starke poetische und
szenische Komponenten.
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CineStar Tegel, Tel. 04 51/703 02 00: C 1 3D: X-Men:
Apocalypse 13.40, 16.55, 19.55; The Jungle Book 13.40;
3D: Angry Birds: Der Film 13.50; The Nice Guys 14, 17.05,
20.10; Money Monster 14.10, 17.15, 20.25; 3D: Warcraft:
The Beginning 14.10, 16.25, 19.30; Bad Neighbors II
14.15; Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 14.40;
Angry Birds: Der Film 14.55, 16.45; 3D: The First Avenger:
Civil War 16.15; Seitenwechsel 16.40, 19.30; 3D: Alice im
Wunderland: Hinter den Spiegeln 17.25, 20.20; 3D: The
Jungle Book 17.30; Green Room 19.45; Sneak Preview 20;
The Other Side of the Door 20.10;
UMLAND
Rinderwahnsinn
(Abk.)
strikt
anordnen
B
NEUKÖLLN
Cineplex Neukölln Arcaden, Tel. 01 80/505 06 44: K 1-9
3D: Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 14, 17.10,
20.10; 3D: Warcraft: The Beginning 14, 16.30, 19.30; Warcraft: The Beginning 14.10, 17.05, 20; 3D: X-Men: Apocalypse 14.10, 16.50; The First Avenger: Civil War 14.10; The
Jungle Book 14.15; Zoomania 14.20; The Nice Guys 14.40,
17.25, 20; Angry Birds: Der Film 14.40, 17.10; Whiskey
Tango Foxtrot 17, 19.50; Money Monster 17, 20; Alice im
Wunderland: Hinter den Spiegeln 17.25; Sneak Preview
(OV) 20; Sneak Preview 20; Green Room 20.15; IL KINO,
Tel. 81 89 88 99: Petting Zoo (OmU) 16; Die Kommune Kollektivet (OmU) 18; Mustang (OmenglU) 20; Wild (OV) 22;
Neues Off, Tel. 62 70 95 50: A Bigger Splash (OmU) 17,
19.45, 22.30; Nomadenkino Klunkerkranich - Dachterasse, Tel. 26 94 89 45: Holy Motors (OmU) 21.15; Passage, Tel. 68 23 70 18: P 1 Sing Street (OmU) 15.30, 18,
20.30; P 2 Monsieur Chocolat 15.15, 17.50, 20.30; P 3
Outside The Box 17, 19; A Bigger Splash 21; P 4 Herbert
16.15; Mängelexemplar 18.30, 21; Rollberg, Tel. 62 70 46
45: R 1 Everybody Wants Some!! (OmU) 17.20, 20, 22.30;
R 2 Der Moment der Wahrheit - Truth (OmU) 16.45, 19.30;
The Witch - The VVitch: A New-England Folktale (OmU)
22.15; R 3 The Nice Guys (OV) 17.10, 19.45, 22.20; R 4
Green Room (OmU) 16.50, 21.30; Whiskey Tango Foxtrot
(OV) 19; R 5 Peggy Guggenheim: Ein Leben für die Kunst Peggy Guggenheim: Art Addict (OmU) 16; Money Monster
(OV) 18, 20.20, 22.40; UCI Gropius Passagen, Tel. 66 68
12 34: G 1 The First Avenger: Civil War 14; 3D: Warcraft:
The Beginning 14, 16.50, 20; X-Men: Apocalypse 14.15;
Angry Birds: Der Film 14.25; Alice im Wunderland: Hinter
den Spiegeln 14.40; Carol 15; 3D: X-Men: Apocalypse
16.45, 20; 3D: Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln
17.20, 20; The Nice Guys 17.25, 20.10; Money Monster
17.25, 19.50; 3D: Angry Birds: Der Film 17.40; Bad
Neighbors II 20.10;
Mittelmeerinsulaner
ausgest.
Riesenlaufvogel
Kante,
äußere
Begrenzung
20 Uhr, 13 Euro
Roter Salon Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte
©Bettina Stöß
CHARLOTTENBURG-WILMERSDORF
Astor, Tel. 883 85 51: Money Monster 15.30, 17.45,
20.15; Bundesplatz, Tel. 85 40 60 85: Parchim International 16; Peggy Guggenheim: Ein Leben für die Kunst 18; Nur
Fliegen ist schöner 20.30; Cinema Paris, Tel. 881 31 19:
Tomorrow: Die Welt ist voller Lösungen 15.30, 20.30;
Peggy Guggenheim: Ein Leben für die Kunst 18.15; Delphi,
Tel. 312 10 26: Vor der Morgenröte - Stefan Zweig in Amerika 15.30, 18, 20.30; Eva, Tel. 92 25 53 05: The Jungle
Book 15.45; A Bigger Splash 18; Money Monster 20.30;
Filmkunst 66, Tel. 882 17 53: F 1 Junges Licht 17.30; Der
Moment der Wahrheit 20; F 2 Mikro & Sprit 17.45; Sing
Street 20.15; Kant, Tel. 319 98 66: K 1 Money Monster
15.30, 18, 20.30; K 2 Mikro & Sprit 15.30; Everybody
Wants Some!! 17.45, 20.15; K 3 Rabbi Wolff 14.30; Birnenkuchen mit Lavendel 16.30; La belle saison - Eine Sommerliebe 18.45; Peggy Guggenheim: Ein Leben für die Kunst Peggy Guggenheim: Art Addict (OmU) 21; K 4 Outside The
Box 15.40; Nur Fliegen ist schöner 17.40, 20; K 5 Monsieur Chocolat 14.45, 17.20, 20; Zoo Palast, Tel. 018
05/22 29 66: Z 1 3D: Alice im Wunderland: Hinter den
Spiegeln 14; 3D: Warcraft: The Beginning 16.45, 19.45,
22.50; Z 2 3D: Warcraft: The Beginning 14.20; The Nice
Guys 17.20, 20.10, 23; Z 3 Angry Birds: Der Film 14.15;
3D: Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 16.45; 3D:
X-Men: Apocalypse 19.30; The First Avenger: Civil War
22.50; Z 4 The Nice Guys 14.45; Warcraft: The Beginning
17.30, 23; Ein Hologramm für den König 20.30; Z 5 3D:
X-Men: Apocalypse 14, 22.50; 3D: The Jungle Book 17.15;
3D: Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 20; Z A Alice
im Wunderland: Hinter den Spiegeln 15.10, 23; Wie Männer
über Frauen reden 17.45; Der Moment der Wahrheit 20; Z
B The First Avenger: Civil War 14.30; Der Moment der Wahrheit 17.45; Bad Neighbors II 20.40; The Nice Guys (OV) 23;
Foto: Paul Busch
Foto: Anja Conrad
Susie Asado
Josepha Conrad heftet
sich auch gerne mal einen
Seestern in die Haare,
wenn sie sowieso über die
Meere singt. Gaga? Egal!
Den Klangstrand bilden
sonnenhelle Ukulele und
-Violinspitzen, die immer
wieder auftauchen wie Insekten im Sommersand.
Ihre Stimme ist klar, die
Intonation geschult an Musik der Goldenen Zwanziger und die Rhythmik hat
was von Tom Waits.
S. E. Ajay Kumar Bramdeo und Ulrich Post;
anschl. Konzert (Marema), 17.30 Uhr
ALEX Offener Kanal Berlin, Wedding, Voltastr. 5, 콯 464 00 50, Montagskultur unterwegs: Alex-Live-Gespräch, Live-Sendung, Gespräch über das Berliner und Brandenburger
Bühnen- und Konzertgeschehen, 20.15 Uhr
Bundeszentrale für politische Bildung |
Checkpoint Charlie, Mitte, Friedrichstr. 50,
콯 254 50 44 30, Checkpoint bpb - die
Montagsgespräche: Auf Sand gebaut - eine
Ressource verschwindet, Diskussion mit
David Tudiwe, Prof. Dr. Niko Paech, Hermann
Keßler, Mod.: Dunja Funke und Hellmuth
Nordwig, 4. OG, 19 Uhr, Anm. erb.
Clärchens Ballhaus, Mitte, Auguststr. 24,
콯282 92 95, Der Spiegel live im Spiegelsaal: Gespräch mit Sahra Wagenknecht,
Mod.: René Pfister, Markus Feldenkirchen,
19 Uhr
Fahimi, Kreuzberg, Skalitzer Str. 133,
Buchperlen in den Programmen der
Independent-Verlage, Podiumsdiskussion
mit Joachim Unseld und Jörg Sundermeier,
19.30 Uhr
Jugend Museum Schöneberg, Hauptstr. 40-42, 콯 9 02 77 61 63, Neue Einblicke in die Bezirksgeschichte Schönebergs:
Leben zwischen Ruinen. Zeitzeugeninterviews über die Schöneberger Nachkriegszeit,
Laura Throckmorton, 18 Uhr
SO36, Kreuzberg, Oranienstr. 190,
콯61 40 13 06, Science Slam, Wissenschaftler präsentieren Forschung bühnenreif
in 10 min., 19 Uhr
Urania, Schöneberg, An der Urania 17,
콯218 90 91, Behandlungskonzepte ganzheitlicher Zahnmedizin, Christoph Arlom,
17.30 Uhr
Der Skye Trail: Einmal quer über die Isle of
Skye, Martin Müller, 19.30 Uhr
Zentrum Moderner Orient, Nikolassee,
Kirchweg 33, 콯 80 30 72 25, Urban Studies
Seminar: Refugees in the City: Refugee
Children in Istanbul after the Crimean
and the Ottoman Russian Wars,
Nazan Maksudyan, 17 Uhr
FÜHRUNGEN
Deutsches Theater Kammerspiele, Mitte,
Schumannstr. 13a, 콯 28 44 12 25,
100 Sekunden (wofür leben),
Regie: Christopher Rüping, 19 Uhr
Garn Theater, Kreuzberg, Katzbachstr. 19,
콯78 95 13 46, Der Großinquisitor,
von F. Dostojewskij, Regie: Adolfo Assor,
20.30 Uhr
Grips Hansaplatz, Tiergarten, Altonaer
Str. 22, 콯 39 74 74 77, Kriegerin
(ab 14 Jahre), von Tina Müller nach David
Wendt, Regie: Robert Neumann, 11 Uhr
Haus der Berliner Festspiele, Wilmersdorf,
Schaperstr. 24, 콯 25 48 91 00,
Theatertreffen der Jugend: Frankfurt Babel,
von Martina Droste, Chris Weinheimer,
Junges Schauspiel Frankfurt,
Frankfurt am Main, 20 Uhr
Maxim Gorki Theater, Mitte, Am Festungsgraben 2, 콯 20 22 11 15, The Situation,
Regie: Yael Ronen, 19.30 Uhr
Prime Time Theater, Wedding, Müllerstr. 163, 콯 49 90 79 58, Gutes Wedding,
schlechtes Wedding, von Constanze
Behrends, Sitcom - Folge 104:
Alle allein zu Haus, 20.15 Uhr
Schaubühne, Wilmersdorf, Kurfürstendamm 153, 콯 89 00 23, Die kleinen Füchse
(The Little Foxes), von Lillian Hellman,
Regie: Thomas Ostermeier, Saal B, 20 Uhr,
mit engl. ÜT
Schlosspark Theater, Steglitz,
Schlossstr. 48, 콯 789 56 67-100,
Einer flog über das Kuckucksnest,
von Dale Wasserman nach Ken Kesey,
Regie: Michael Bogdanov, 20 Uhr
Theater Strahl Probebühne, Schöneberg,
Kyffhäuserstr. 23, 콯 695 99 222, Krieg.
Stell dir vor, er wäre hier (ab 13 Jahre), von
Janne Teller, Regie: Anna Vera Kelle, 11 Uhr
Volksbühne, Mitte, Rosa-Luxemburg-Platz,
콯240 65-777, Feuer, willst du mit mir
gehen?, nach Carlos Saura, P 14,
Regie: Tim Jakob, 3. Stock, 19 Uhr
SHOW
BKA, Kreuzberg, Mehringdamm 34,
콯202 20 07, Theatersport Berlin:
Das Match, 20 Uhr
Distel, Mitte, Friedrichstr. 101,
콯204 47 04, Wohin mit Mutti?,
von Jens Neutag, Duo Onkel Fisch, 20 Uhr
Kabarett Charly M., Friedrichshain,
Karl-Marx-Allee 133, 콯 42 02 04 34,
In der Nacht lacht der Mensch nicht gern
alleine..., 20 Uhr
Mehringhof-Theater, Kreuzberg,
Gneisenaustr. 2a, 콯 691 50 99,
QualityLand, Marc-Uwe Kling, 20 Uhr
KLASSIK
D
D
Deutsche Oper, Charlottenburg,
Bismarckstr. 34-37, 콯 343 84 343,
6. Tischlereikonzert: Mozart anders hören:
Bona nox - Musiker des Orchesters der
Deutschen Oper Berlin, Mozart: Streichquintett c-Moll, Bläserserenade c-Moll;
Webern: Fünf Sätze für Streichquartett op. 5;
mit Tanzprojekt „Tanz ist klasse!“,
Ltg. Kathy Pope, Tischlerei, 20 Uhr
D
St. Elisabeth-Kirche, Mitte, Invalidenstr. 3,
콯44 04 36 44, Marginal Consort (Avantgarde-Improvisationskollektiv), 19.30 Uhr
ROCK - POP - JAZZ
D
Akademie der Künste Hanseatenweg, Tiergarten, Hanseatenweg 10, 콯 200 57 20 00,
17. poesiefestival berlin: Durchdacht, roh
und unmittelbar - Lyrik & Blues: Michael Fehr
(Autor), Manuel Troller (Gitarrist, Komponist),
Studiofoyer, 21 Uhr
Arcanoa, Kreuzberg, Am Tempelhofer Berg 8,
콯691 25 64, Liedermacher-Session (open
stage) + Poets, 21.30 Uhr
A Trane, Charlottenburg, Bleibtreustr. 1,
콯313 25 50, Andreas Schmidt (p) &
Friends, 21 Uhr
Ballhaus Berlin, Mitte, Chausseestr. 102,
콯282 75 75, Come Monday: The Omniversal Earkestra, 20.30 Uhr
b-flat, Mitte, Rosenthaler Str. 13,
콯283 31 23, Marcin Losik Trio (Piano Trio
Jazz) Marcin Losik (p), Ksawery Wojcinski (b),
Robert Rasz (dr), 21 Uhr
Café Olé, Tempelhof, Viktoriastr. 10-18,
콯755 03 120, cool monday: Michael Gechter's Vocal-Jazz-Project (Jazz Session) (Musiker*innen willkommen), 21 Uhr
Kantine am Berghain, Friedrichshain, Rüdersdorfer Str. 70, Ebbot Lundberg & The Indigo
Children (SingerSongwriter, Pop), 20 Uhr
Kühlspot Social Club, Heinersdorf, Lehderstr. 74-79, XOL & guest: Davide Piersanti (tb)
(Improvisation), 21 Uhr
Mercedes-Benz Arena, Friedrichshain,
Mercedes Pl., 콯 20 60 70 88 99,
Sounds Live Feels Live: 5 Seconds Of
Summer (Punkrock & Pop), 19.30 Uhr
Monarch, Kreuzberg, Skalitzer Str. 134,
Garbanotas Bosistas, 20 Uhr
Musik & Frieden, Kreuzberg, Falckensteinstr. 48, From Ashes to New, 20 Uhr
Pissed Jeans (Noiserock), 20 Uhr
Privatclub, Kreuzberg, Skalitzer Str. 85-86,
콯61 67 59 62, Georg Auf Lieder, 20 Uhr
Rickenbacker's, Wilmersdorf, Bundesallee 194b, 콯 81 89 82 90, Monday Night
Pro Jam Session mit Jürgen Bailey, 21 Uhr
Schlot, Mitte, Invalidenstr. 117,
콯448 21 60, Monday, 8pm (Soul, Funk),
21.30 Uhr
Volksbühne, Mitte, Rosa-Luxemburg-Platz,
콯240 65-777, Hören: Teho Teardo &
Blixa Bargeld (vorher DJ Dictaphone im
Parkettcafé), 20 Uhr
Susie Asado / Martha Rose, Roter Salon,
20 Uhr
PARTY
D
Alte Kantine, Prenzlauer Berg, Knaackstr. 97, 콯 44 31 50, Hungry Monday, 22 Uhr
Crack Bellmer Bar, Friedrichshain,
Revaler Str. 99, Montag auf Cräck:
Gio Coso, Mapu Berlin (House, Tech),
20 Uhr
Duncker, Prenzlauer Berg, Dunckerstr. 64,
콯445 95 09, Der MontagsDuncker:
Soulcat Bar, Neukölln, Pannierstr. 53,
VinylSounds (60s Shoobee Doobee), 19 Uhr
Stereo 33, Friedrichshain, Krossener Str. 24,
Spielwiese: Milton John, 21.30 Uhr
D
LITERATUR
Akademie der Künste Hanseatenweg,
Tiergarten, Hanseatenweg 10,
콯200 57 20 00, 17. poesiefestival berlin:
VERSschmuggel: Hebräisch - Deutsch,
Gilad Meiri, Nico Bleutge, Yael Globerman,
Ron Winkler, Nurit Zarchi, Marion
Poschmann u. a., Mod.: Aurélie Maurin,
Kl. Parkett, 19 Uhr
Bärentouren, 콯 46 06 37 88,
Berlin zur Zeit der Romantik - Literaturführung,
Treff: Schillerdenkmal, Gendarmenmarkt,
Von E.T.A. Hoffmann über die
Brüder Grimm bis Adalbert Chamisso,
18 Uhr, Anm. erf.
Berlinische Galerie, Kreuzberg, Alte Jakobstr. 124-128, 콯 78 90 26 00, Kuratorenführung: „Heidi Specker - In Front Of. Fotografien 2005/2015“, Treff: Kasse, 14 Uhr
Dorotheenstädtischer Friedhof, Mitte,
Chausseestr. 126, Kapellenführung mit
Präsentation der Lichtkunst von James
Turell, 20.45 Uhr
Meyers Stadtgänge, 콯 442 32 31,
Hansaviertel. Grünes Traumwohnen - Berlins
Weltdorf der Architekturmoderne im Diskurs,
Treff: Grips-Theater, Hansaplatz (U9 Bhf.
Hansaplatz, S-Bhf. Bellevue), 11 Uhr
Sonderweg-Berlin Stadtführungen,
콯0152/340 40 649, Prenzlauer Berg Rund um den Kollwitzplatz, Treff: U-Bhf. Senefenderplatz (U2), Metzer Str., Eing. des LPG
Biomarktes, 13, 16 Uhr, Anm. erf.
KINDER
Foto: Brad Fry
NOISEROCK
Pissed Jeans
Name und Musik des furiosen Noiserock-Quintetts gleichermaßen
erschüttern das ästhetische Empfinden eines jeden Indie-Hörers.
20 Uhr, 16 Euro
Musik & Frieden
Falckensteinstr. 48, Kreuzberg
VORTRÄGE
D
Akademie der Künste Hanseatenweg, Tiergarten, Hanseatenweg 10, 콯 200 57 20 00,
17. poesiefestival berlin: Schreiben nach der
Flucht - Worte im Handgepäck, Gespräch mit
Rasha Abbas, Jalal al-Ahmadi, Ghayath
Almadhoun, Raed Wahesh, in dt. und
arab. Spr. mit Übers., Clubraum, 17 Uhr
Alexanderplatz, Mitte, Kenako Afrika
Festival: Africa First?! Afrikas Position in den
neuen globalen Nachhaltigkeitszielen, Podiumsdiskussion mit I. E. Akua Sena Dansua,
D
Atze Musiktheater, Wedding, Luxemburger
Str. 20, 콯 61 40 21 64, CheMagie-Show
(ab 8 Jahre), Oliver Grammel, 9.30, 11 Uhr
Jabahee (ab 5 Jahre), Adesa, Ghana, 10 Uhr
Grips Klosterstraße, Mitte, Klosterstr. 68,
콯39 74 74 77, Schwamm drüber?! (8-12
Jahre), Regie: Ellen Uhrhan, 18 Uhr, Premiere
Schwartzsche Villa, Steglitz, Grunewaldstr. 55, 콯 440 80 29, Die Liebe zu den drei
Orangen (ab 4 Jahre), frei nach Carlo Gozzi,
Sylvia Barth, 10.30 Uhr
Theater an der Parkaue, Lichtenberg,
Parkaue 29, 콯 55 77 52 52, Von einem,
der auszog, Krach zu machen (5-10 Jahre),
Regie: Caroline Erdmann, Johannes Hendrik
Langer, Bühne 3, 11 Uhr
KUNST
Literaturhaus Berlin, Charlottenburg,
Fasanenstr. 23, 콯88 72 86-0,
Wortservierungen: Anleitung für eine
Revolution, von Nadja Tolokonnikowa
(Pussy Riot), Richard Burger, 21 Uhr
Schwartzsche Villa, Steglitz, Grunewaldstr. 55, 콯 854 44 44, Autorenforum,
Lesen - Zuhören - Diskutieren.
Vorlesen unveröffentlichter Texte,
Kl. Salon, 20 Uhr
taz-café, Kreuzberg, Rudi-Dutschke-Str. 23,
Tatort Kongo - Prozess in Deutschland,
Dominic Johnson, Simone Schlindwein,
Bianca Schmolze, Buchvorstellung und
Gespräch mit Cornelia Wilß, 19 Uhr
D
D
Atelier Café Fotoethik, Tiergarten,
Gotzkowskystr. 15, 콯 0176/64 26 14 38,
Today I Love You, Wim Daems,
Fotografie, 10-18 Uhr
Bauhaus-Archiv - Museum für Gestaltung,
Tiergarten, Klingelhöferstr. 14,
콯25 40 02-0, Die Sammlung Bauhaus, Originale der Klassischen Moderne, 10-17 Uhr
Brücke-Museum, Dahlem, Bussardsteig 9,
콯831 20 29, Karl Schmidt-Rottluff. Bild und
Selbstbild, Malerei, Grafik, Aquarelle u. a.;
mit Werken von Ernst Ludwig Kirchner, Erich
Heckel, Max Pechstein u. a., 11-17 Uhr
daadgalerie, Mitte, Zimmerstr. 90/91,
콯261 36 40, air, rain, pain, wind, sweat,
tears, fear, yeast, heat, pleasure, salt, dust,
dreams, odors, noises, humidity,
Edith Dekyndt, 11-18 Uhr
Galerie Neurotitan, Mitte, Rosenthaler
Str. 39, 콯 30 87 25 73, If You Were In My
Shoes - If I Were In Your Shoes, Tigrowna,
Uta Kathleen Kalthoff, Eva Ammermann
u. a., Installationen, Illustrationen,
Druckgrafik u. a., 12-20 Uhr
KW Institute for Contemporary Art,
Mitte, Auguststr. 69, 콯 24 34 59-0,
9. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst:
The Present in Drag, 11-19 Uhr
Martin-Gropius-Bau, Kreuzberg, Niederkirchnerstr. 7, 콯 25 48 60, Die Maya - Sprache
der Schönheit, 10-19 Uhr
MEDIEN
MONTAG, 6. JUNI 2016 / NR. 22 779
Angstsucher
DER TAGESSPIEGEL
Glück aus Glas
Gleich zwei neue US-Serien: Warum die Lust
an der Horror-Comic-Adaption so ungebrochen ist
MEDIA Lab
Julia Koschitz und Jürgen Vogel in einem kinoreifen Bankenthriller
Von Nikolaus von Festenberg
„The Walking Dead“, „Fear the Walking
Dead“, wer glaubte, der US-amerikanische Autor Robert Kirkman würde sich
nach dem weltweiten Erfolg seiner Zombie-Serien entspannt zurücklehnen, hat
sich geirrt. Und wer meinte, nach dem
Genuss dieser Untoten-Serien gegen Verstörung und Grusel jeglicher Art gefeit zu
sein, hat „Outcast“ noch nicht gesehen,
jene Serie, die in Deutschland am Montag
bei Sky/Fox startet.
Im Mittelpunkt steht Kyle Barnes (Patrick Fugit), der seit seiner Kindheit von
dämonischer Besessenheit geplagt wird.
Um endlich ein normales Leben führen
zu können, soll Reverend Anderson (Phi-
Wer bin ich? Die Fox-Serie „Outcast“ mit
Patrick Fugit ist via Sky zu sehen. Foto: obs
lip Glenister) ihm dabei helfen, den
Grund für sein Schicksal herauszufinden.
Allerdings hat der Prediger, der sich als
Soldat gegen das Böse in Gottes heiligem
Krieg sieht, mit seinen eigenen Dämonen
zu kämpfen. Das Ganze erinnert subtilerweise mehr an „Rosemaries Baby“ und
„Hannibal“ als an „Walking Dead“, auch
wenn es „Outcast“ an Schock-Effekten
nicht mangeln lässt. Alleine schon mit
der ersten Szene macht es diese Serie ihren Zuschauern nicht leicht. Die meisten,
die die Marke Kirkman kennen, werden
aber definitiv dranbleiben.
Wer ist dieser Robert Kirkman, der mit
seinen Comics, seinen Serien-Adaptionen à la „Outcast“, einen Zeitgeist zu treffen scheint, der sich mit einer erweiterten Lust am Eskapismus fassen lässt, was
nicht nur Comic-Nerds oder Freunde des
ARD
D
ZDF
Trashs in seinen Bann zieht? Robert Kirkman wurde am 30. November 1978 in
Richmond, Kentucky, USA, geboren. Seit
Kindertagen verschlang Kirkman alles,
was er an Comics in die Finger bekam. Er
beschloss, Comic-Autor zu werden, gründete einen Comic-Verlag und brachte
dort seine selbst geschriebene Serie
„Battle Pope“ mit 13 Teilen heraus.
„Ich lese, seit ich 13 bin, Comics und
liebe alle Marvel-Helden, also Spiderman, die Fantastischen Vier und so weiter. Aber ,The Walking Dead‘ ist meine
eigene Erfindung, ich erzähle meine eigene Geschichte. Das übertrifft alles.“
Auf Basis seiner Comic-Reihen wurden
Serien erschaffen, die nicht nur Genrefans sondern auch das Massenpublikum
fanden. Dass ein Autor mit seinen Zombies eine so breite Masse an Zuschauern –
auch im Free TV bei RTL 2 – erreichen
konnte, war nicht zu erwarten.
Untote hin, Besessene her, es muss im
Subtext etwas mit menschlichen Grundfragen wie Freundschaft, Loyalität oder
der Wertigkeit von Moralvorstellungen
angesichts der haltlosen Apokalypse zu
tun haben. Serien wie „The Walking
Dead“, „Fear the Walking Dead“, auch
„Outcast“ legen den Blick darauf, wie
sich die Menschen verändern, wenn ihnen ihr gewohntes Leben weggenommen
wird und sie um Dinge, die sie für selbstverständlich hielten, kämpfen müssen.
Moderne heißt, immer Neues zu tun, aktiv zu sein, alle Möglichkeiten zu ergreifen, die es gibt. Nur wie, wenn Wissenschaft, Politik und Technik undurchsichtiger werden, fast nicht mehr zu überblicken sind. Bei „The Walking Dead“ gibt
es wenig Möglichkeiten. Bei übersichtlichem Figurenensemble. Da heißt es nur
noch: überleben. Und beim Rezipienten
dieser Medienangebote: zugespitzte Kompensation, weil es um alles oder nichts
geht. Da wird die Angst sogar gesucht.
Auch Amazon Prime Video – wo seit
April auch „Fear the Walking Dead“ läuft,
begleitet von einer massiven Werbekampagne – ist auf den Geschmack gekommen und hat am Freitag eine zehnteilige
Horror-Drama-Serie gestartet, die von einem gleichnamigen Comic adaptiert ist:
„Preacher“. Sie dreht sich, „Outcast“
nicht unähnlich, um den texanischen Prediger Jesse Custer (Dominic Cooper), der
von einem mysteriösen Wesen besessen
ist. So viel Übersinnliches war selten im
Fernsehen.
Markus Ehrenberg
D
RTL
Durch Glas fließt das Licht, durch Glas
können die Augen blicken. Durch Glas
dringt die Welt herein, der Baustoff vermittelt den Anschein von Freiheit und Offenheit. Dem Film „Vertraue mir“ aber gelingt es, dem Kultmaterial der Moderne
eine völlig neue Bedeutung zu geben.
Glas wird im Film zum Symbol der Unfreiheit, zu einem tückischen Material, das
Menschen in durchsichtige Verließe
sperrt und sie so auf elegante Weise der
Kontrolle aussetzt. Da sitzen sie dann,
die Sklaven des Geldes und der Karriere.
Sie telefonieren oder hämmern auf Laptop-Tastaturen. Alle können zusehen.
„Vertraue mir“ findet ironische Bilder für
den Geist der Unterwerfung.
Die Story von der ehrgeizigen Investmentbankerin Elena (Julia Koschitz),
dem frisch entlassenen EDV-Chef und
Ex-Lover (Jürgen Vogel), von Vertrauen
und dessen Entzug durch den Chef (August Zirner) ist nicht zufällig in dem gezeigten Glaskasten gelandet. Hier hat ein
Filmteam nicht bloß einer Story einen
szenischen Rahmen gegeben. Hier mischen die Bilder mit, hier spricht, was
sonst stumm bleibt: In Regisseurin Franziska Meletzkys Film sind es die Kamera
(The Chau Ngo), das Licht (Helmut
Prein), das Szenenbild (Wolfgang Baark),
der Schnitt (Jürgen Winkelblech) und die
Musik (Wolfram de Marco). Alle diese
Gewerke bilden ein eigenes Orchester für
sich und werden nicht von den Schauspielern beiseitegedrückt.
Das Selbstbewusstsein der Menschen
hinter der Kamera macht es den Darstellern leicht. Sie kommen sogleich in den
Rollen an, müssen sich keine Räume erspielen. Wenn die Heldin Elena, der Liebling der Chefetage, am Beginn und am
Schluss im Off mit dem Satz zu hören ist:
„Mir hat mal jemand gesagt, Menschen,
denen du dein Vertrauen schenkst,
drückst du ein Schwert in die Hand, mit
dem sie dich verteidigen oder vernichten
können. Heute weiß ich: Vertrauen ist die
stillste Art von Mut“, dann haben Bild,
Architektur und Musik klargemacht, dass
Vertrauen in diesem Glaskasten keine
Heimat hat.
Vertrauen wäre der Ausgang aus dem
Bürogefängnis in eine andere Welt, den
die notorisch misstrauische Elena nur
schwer finden kann. Diese Frau hat sich
der kommerziellen Kälte ergeben, Liebe
und Leidenschaft in Ehrgeiz und kalku-
D
5.30 Morgenmagazin 9.00 Tagesschau9.05 RoteRosen9.55Sturmder
Liebe 10.44 Tagesschau 10.45 Gefragt - Gejagt. Gäste: Maren Kroymann,
Arne Friedrich, Gregor Meyle,
Minh-Khai Phan-Thi 11.35 Giraffe, Erdmännchen & Co. 12.00 Tagesschau
12.15 ARD-Buffet13.00 Mittagsmagazin 14.00 Tagesschau 14.10 Rote Rosen 15.00 Tagesschau 15.10 Sturm
der Liebe 16.00 Tagesschau 16.10
Panda, Gorilla & Co. 17.00 Tagesschau 17.15 Brisant 18.00 Wer weiß
denn sowas? Gäste: Marika Kilius,
Hans-JürgenBäumler18.50Großstadtrevier 19.45 Wissen vor acht - Zukunft
19.50 Wetter vor acht 19.52 EM-Fieber.NeuesvonderdeutschenNationalmannschaft 19.55 Börse vor acht
5.30 Morgenmagazin 9.00 heute
Xpress 9.05 Volle Kanne - Service täglich 10.30 Die Rosenheim-Cops. Jagd
auf Watzmann 11.15 SOKO Wismar.
Krieg der Sterne 12.00 heute 12.10
drehscheibe 13.00 Mittagsmagazin
14.00 heute - in Deutschland 14.15
Die Küchenschlacht 15.00 heute
Xpress 15.05 Bares für Rares. Die Trödel-Show mit Horst Lichter 16.00
heute - in Europa 16.10 SOKO Wien.
Heartbreaker 17.00 heute 17.10 hallo
deutschland 17.45 Leute heute. Magazin. Zu Besuch bei Patricia Riekel:
Der Neustart der Journalistin / Kronprinzessin Mary im Manöver: Nationalfeiertag der Dänen. Mit Karen Webb
18.05 SOKO 5113 19.00 heute
19.20 Wetter 19.25 WISO
6.00 Guten Morgen Deutschland. Magazin. Info-Magazin. Mit Jennifer Knäble, Bernd Fuchs 8.30 Gute Zeiten,
schlechte Zeiten. Daily-Soap 9.00 Unter uns. Soap 9.30 Betrugsfälle.
Doku-Soap 10.00 Die Trovatos - Detektive decken auf. Doku-Soap 12.00
Punkt 12. Moderation: Katja Burkard
14.00 Der Blaulicht-Report. Aufregende Geschichten aus dem Berufsalltag von Polizisten, Sanitätern und Notärzten 16.00 Verdachtsfälle. DokuSoap 17.00 Betrugsfälle. Doku-Soap
17.30 Unter uns. Soap 18.00 Explosiv
- Das Magazin 18.30 Exclusiv - Das
Star-Magazin. Mit Frauke Ludowig
18.45 aktuell 19.03 Wetter 19.05 Alles was zählt. Daily-Soap 19.40 Gute
Zeiten, schlechte Zeiten. Daily-Soap
20.00 Tagesschau
20.15 Vorsicht, Verbraucherfalle!
Früchtetee ohne Früchte, Vanilleeis ohne Vanille - in vielen
Lebensmitteln sorgen Aromastoffe für den Geschmack.
21.00 Hart aber fair
Die Methode Trump - erobern
Krawallmacher und Populisten die Macht? Gäste: Norbert Röttgen (CDU), Serdar
Somuncu, Ingo Zamperoni,
Dirk Schümer, Roger Köppel
22.15 Tagesthemen
22.45 Die Story im Ersten
Albtraum Brexit - Verlassen
die Briten die EU?
23.30 Schatten des Krieges
Das vergessene Verbrechen
0.15 Nachtmagazin
0.35 Tatort
Wir - Ihr - Sie. Krimi-Reihe,
D 2016. Mit Meret Becker,
Mark Waschke, Valerie Koch
2.08 Tagesschau
2.10 Hart aber fair
20.15 Vertraue mir
Psychothriller, D 2015
Mit Julia Koschitz, Jürgen
Vogel, August Zirner
Regie: Franziska Meletzky
21.45 Heute-Journal
22.15 Switch - Ein mörderischer
Tausch Actionfilm, F 2011
Mit Karine Vanasse, Eric
Cantona, Mehdi Nebbou
23.55 heute+
0.10 Davon willst Du nichts
wissen Psychothriller,
D 2011. Mit Andreas Lust,
Sophie von Kessel,
Alina Levshin
Regie: Tim Trachte
1.40 ZDF-History
Die Frauen der Diktatoren
2.25 SOKO 5113
3.10 WISO
Reisemängel - So bekommen
Sie Ihr Geld zurück
3.55 Gemeinschaft war gestern:
Europa ohne Zukunft
4.25 SOKO Wien
20.15 Wer wird Millionär?
Prominentenspecial
Kandidaten: Stefan Kretzschmar (Handball-Ikone),
Eckart von Hirschhausen
(Arzt, medizinische Entertainer), Ralf Schmitz
(Comedian), Laura Wontorra
(Fernsehmoderatorin), Jörg
Wontorra (Fernsehmoderator)
23.25 Extra - Das RTL Magazin
Mit Birgit Schrowange
0.00 Nachtjournal
0.30 10 vor 11
Meine Gefühle, diese Wanderer nachts - Soap&Skin (Anja
Plaschg) liest Briefe von Ingeborg Bachmann und Paul
Celan
0.55 CSI: Den Tätern auf der Spur
Blutrausch / Ein kleiner Mord.
Fauler Zauber. Krimi-Serie
3.30 Nachtjournal
3.55 Explosiv - Das Magazin
4.25 Verdachtsfälle
Doku-Soap
RBB
NDR
ARTE
D
D
D
12.10 Verrückt nach Meer. Sagenhaftes Senegal 13.00 Aktuell 13.05
Schloss Einstein 13.30 Mord mit Aussicht. Moorleiche 14.15 Planet Wissen 15.15 mareTV. Cornwall _ vom
Golfstrom verwöhnt 16.00 rbb UM4
17.00 Aktuell 17.05 Panda, Gorilla &
Co. 17.55 Sandmännchen 18.00 rbb
UM6 - Das Ländermagazin 18.27 wetter 18.30 zibb 19.30 Abendschau
11.30VomHarzzurNordsee-DieRückkehr der Lachse 12.15 In aller Freundschaft 13.00 Einfach genial 13.30 Eisenbahn-Romantik 14.00 aktuell
14.15 Bilderbuch Deutschland 15.00
aktuell 15.15 Wanderlust 16.00 aktuell 16.10 Mein Nachmittag 17.10 Seehund, Puma & Co. 18.00 Ländermagazine 18.15 Die Nordreportage 18.45
DAS! 19.30 Ländermagazine
12.35 360˚ 13.20 Journal 13.40 Out
of Rosenheim. Komödie, D/USA
1987. Mit Marianne Sägebrecht
15.25 Reise durch Amerika 15.50 Wie
das Land, so der Mensch 16.20 Naturparadiese in Lateinamerika 17.05
X:enius 17.30 Die besondere Wissenschaft vom Urin 18.25 Kanadas Nationalparks 19.10 Journal 19.30 Australiens schönste Küstenstraße
20.00 Tagesschau
20.15 Tatort Der Frauenflüsterer.
Krimi-Reihe, D 2005
Mit Axel Prahl, Jan Josef
Liefers, Friederike Kempter
21.45 Aktuell
22.15 Ungelogen - Die ganze
Wahrheit über die Lüge
22.45 Polizeiruf 110
Das vergessene Labor.
Krimi-Reihe, DDR 1984
Mit Peter Borgelt
0.00 Hauptstadtrevier
Der Vormund. Krimi-Serie
0.45 Täter - Opfer - Polizei
Der rbb Kriminalreport
1.10 Abendschau
1.40 Brandenburg aktuell
2.10 zibb zuhause in berlin &
brandenburg
20.00 Tagesschau
20.15 Markt Aktuelles Magazin für
Wirtschaft und Verbraucher
21.00 Dr. Wimmer:
Wissen ist die beste Medizin
Der Naturmittel-Check.
Mit Dr. Johannes Wimmer
21.45 aktuell
22.00 45 Min Polizei unter Druck
22.45 Kulturjournal
23.15 Ein Augenblick Liebe
Romanze, F 2014
Mit Sophie Marceau, François
Cluzet, Lisa Azuelos
Regie: Lisa Azuelos
0.30 Anne Will Guter Nachbar,
schlechter Nachbar - Wie
rassistisch ist Deutschland?
1.30 Markt
2.15 Nordbilder
20.15 Die neun Pforten
Mysterythriller, F/E/USA
1999. Mit Johnny Depp,
Frank Langella, Lena Olin
Regie: Roman Polanski
22.25 Ekel
Psychothriller, GB 1965
Mit Catherine Deneuve, Ian
Hendry, John Fraser
Regie: Roman Polanski
0.05 Mehr als nur eine
Momentaufnahme
Fotografien von Denise Bellon
0.50 Signora Emilia und die
Strümpfe in China
1.40 Die Suche nach Jeanne
Die Nationalheldin Jeanne
d’Arc. Dokumentarfilm,
F 2010
3.05 Metropolis
3 SAT
D
9.05 Kulturzeit extra 9.45 nano spezial 10.15 Riverboat 12.30 sonntags
13.00 ZIB 13.15 Zwischen Last und
Liebe. Die neuen Großeltern 14.05 unterwegs 14.50 Krakau, da will ich hin!
15.20 Kolumbien - von Medellin bis
nach Bogota 15.30 Zu Gast in ...
16.15 London - 5 Tage in einer der
großartigsten Städte der Welt 17.00
Britanniens sonniger Süden 17.45
ZDF-History 18.30 nano 19.00 heute
19.20 Kulturzeit 20.00 Tagesschau
20.15 Frankreich - Wild und schön. Dokumentarfilm, F 2011 21.45 Mein Périgord 22.00 ZIB 2 22.25 Alphabet. Dokumentarfilm, A 2013 0.15 Nur eine
falsche Bewegung. Wenn ein Unfall
das ganze Leben verändert 0.45
10vor10 1.10 Willkommen Österreich
Ö
Der Ex-Lover hilft. Elena (Julia Koschitz) und Marc (Jürgen Vogel) erhoffen sich durch
Foto: ZDF
nächtliches Spionieren in der Bank Einblicke in Ahrends’ Daten.
lierte Chefverehrung verwandelt. Die
Stallhaltung im Glaskäfig des Geldes beginnt die schöne Elena zu deformieren.
Sie tritt nach unten, wenn ein Untergebener etwas versiebt, ihr Misstrauen bringt
sie zielsicher auf die Spur einer Riesenschiebung, die die Existenz des Instituts
und ihre eigene gefährdet. Die ehrgeizige
Jägerin will, was sie sonst immer tut: ihren Boss informieren. Der lässt sie nicht
an sich herankommen. Für die mit Gunst
von ganz oben Verwöhnte verdunkelt
Wie Bonnie und Clyde dringen
beide in die Chefetage ein
sich die Gnadensonne. Elena holt sich
Hilfe. Ihr Ex-Lover Marc ist als IT-Profi
gerade erst gefeuert worden. Er kennt
sich mit den Computergeheimnissen der
Bank aus. Die dauermisstrauische Bankerin hat eine heikle Situation zu regeln. Sie
ließ Lover Marc aus Karrieregründen sitzen. Der Mann hat das nicht vergessen,
aber auch nicht die Zuneigung von damals.
Wie Bonnie und Clyde dringen Marc
und Elena in die Chefetage ein und decken nicht nur den faulen Kreditskandal
D
N24
Stündlich Nachrichten 12.45 Börse
am Mittag. Stündlich Nachrichten
14.05 Top Gear USA 15.20 N24 Cassini. Unter Druck: Brückenabriss und
Vollsperrung auf der A3 / Ein Metzgermeister aus Mindelheim stellt seine
Kreation einer fettfreien Wurst vor
16.05 Alltag im All - Leben auf der ISS
17.05 Stephen Hawking - Urknall oder
Schöpfung 18.15 Börse am Abend
18.25 N24 Cassini. Nobelfastfood:
Currywurst und Hummer - Dekadente
Kombination oder kulinarisches Abenteuer? 19.10 Welt der Wunder 20.05
Die Cargoflieger - Piloten, Technik und
Termine 21.05 Boeing 747 - Die
Jumbo-Revolution 23.05 Mayday
23.55 Air Warriors 0.50 Der Tiger Kampfhubschrauber im Einsatz
auf, sondern finden ein geheimes Konto
des Oberchefs. Die illegalen Gelder lenkt
der findige Marc auf Elenas Schweizer
Konto um. Es würde für ein schönes Leben zu zweit reichen. Aber auch zu Liebe
und zum Mut, mit dem Schwert geschenkten Vertrauens den anderen nicht zu erschlagen? Letztlich eine müßige Frage:
Geld regiert die Welt nicht allein, das
Schicksal tut es auch.
Viel überzeugender als im Dreiteiler
„Blochin“ schafft es Vogel, seinem Auftritt eine tragische Note zu verleihen.
Man sieht in diesem Kammerspiel keinen
Dauergehetzten, sondern einen um innere Reife Ringenden, der ahnt, dass er
im Leben jenseits des Glaskastens nicht
mehr ankommen wird. Die gegenseitige
Zuneigung der Geldsklaven reicht nur zu
einem schüchternen Vielleicht. Elena
steht in der letzten Einstellung am Ufer
des Zürichsees. Reich, aber auch untröstlich. Wird noch einmal jemand kommen,
dem sie das Schwert des Vertrauens übergeben könnte? Sie weiß jetzt, wie leicht
Glück und Glas brechen können. Der eigenständige Bilderreigen mit Seeblick als
Finale und die Story treffen zusammen.
Kein Glas mehr, nirgends.
„Vertraue mir“, Montag,
ZDF, 20 Uhr 15
PHOENIX
D
7.30 Die Nordsee von oben. Dokumentarfilm, D 2013 9.00 Vor Ort 9.10
Bon(n)jour 9.30 Anne Will 10.35 Augstein und Blome 10.45 Thema 12.00
Vor Ort 12.45 Thema 13.15 Vor Ort
14.45 Thema 16.00 Deutschland,
Deine Pizza 16.45 Iglo, Frosta & Co. Wie gut ist Tiefkühlkost? Der große
Test mit Nelson Müller 17.30 Vor Ort
18.00 Wie soll ich das bezahlen?
18.30 Die Nordsee von oben. Dokumentarfilm 20.00 Tagesschau 20.15
Königliche Dynastien. Die Osmanen /
Die Wittelsbacher 21.45 heute journal
22.15 Unter den Linden. Das bedingungslose Grundeinkommen - Utopie
oder Realität? Mit Michael Fuchs
(CDU), Katja Kipping (Linke) 23.00 Der
Tag 0.00 Unter den Linden
TV-Tipp
Vorsicht, Verbraucherfalle! Früchtetee ohne Früchte, Vanilleeis ohne Vanille: Reporter zeiFoto: SWR
gen, wie Kunden beim Einkaufen getäuscht werden (ARD, 20 Uhr 15).
D
14.20 ALVINNN!!! und die Chipmunks
14.45 King Julien 15.15 Die Dschungelhelden 15.40 Camp Sumpfgrund
16.10 Dinotrux 16.40 Go Wild! 17.10
Mr. Bean 17.35 Sally Bollywood
18.15 Tom und Jerry 18.45 WOW: Die
Entdeckerzone 19.15 ALVINNN!!! und
die Chipmunks 19.45 Inspector Gadget 20.15 Crossing Jordan - Pathologin mit Profil. Krimi-Serie
KIKA
D
16.15 logo! 16.20 Horseland, die Pferderanch 17.00 Das Dschungelbuch
17.35 Yakari 18.00 Shaun, das Schaf
18.15 Ben & Hollys kleines Königreich
18.35 Lilys Strandschatz Eiland 18.50
Sandmännchen 19.00 Lassie 19.25
Wissen macht Ah! 19.50 logo! 20.00
Ki.Ka Live 20.10 Das Surfcamp
RTL 2
D
17.00 Die Straßencops West 18.00
Köln 50667 19.00 Berlin - Tag & Nacht
20.00 News 20.15 Daniela Katzenberger - Mit Lucas im Babyglück 21.15 Die
Reimanns - Ein außergewöhnliches Leben 22.15 Pop Giganten. EM-Party
2016 0.15 Zugriff - Jede Sekunde zählt
1.55 Privatdetektive im Einsatz
Bevormundung
vom Mainstream
Stephan Russ-Mohl empfiehlt ein Buch
über die Vertrauenskrise der Medien
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SUPER RTL
23
N-TV
D
Stündlich Nachrichten 19.05 Soziale
Brennpunkte - Deutschlands Problemviertel 20.15 Der Dschihad wohnt nebenan 21.05 Frontlines: Chaos vor Europas Haustür 22.05 Telebörse 22.10
Undercover beim IS - Nachwuchs für
den Terror 23.10 Das Duell 0.10 PS Porsche Carrera Cup 0.35 PS - Tatort
Autobahn 1.00 Flughafen Frankfurt Logistik am Mega-Airport
TELE 5
D
20.15 Mysterious Island - Die geheimnisvolle Insel (1+2). Abenteuerfilm,
USA/D/THAI 2005. Mit Kyle MacLachlan, Patrick Stewart 23.35 Clash of Empires - Die Schlacht um Asien. Abenteuerfilm, MAL 2011. Mit Stephen Rahman Hughes 1.40 WWE RAW. Entertainment-Show
ZDF NEO
D
19.20 Bares für Rares 20.15 Inspector Barnaby. Der Tod malt mit.
Krimi-Reihe, GB 2003. Mit John Nettles, Daniel Casey 21.55 Inspector Barnaby. Das Haus des Satans.
Krimi-Reihe, GB 2002 23.35 The Interceptor 1.20 Orphan Black 2.45 Jack
the Ripper - Ein Phantom wird gejagt!
WDR
D
18.00 aktuell / Lokalzeit 18.15 Servicezeit 18.45 Aktuelle Stunde 19.30
Lokalzeit 20.00 Tagesschau 20.15 In
aller Freundschaft - Die jungen Ärzte
21.00 In aller Freundschaft - Die jungen Ärzte 21.45 aktuell 22.10 Leben
auf der Raststätte - die Sprinterkolonnen aus Osteuropa 22.40 Westart live
0.00 Kunst sammeln mit .... Julia Stoschek / Reinhold Würth 1.00 Domian
MDR
D
19.50 Mach dich ran! 20.15 Polizeiruf
110. Kopf in der Schlinge. Krimi, D
2003. Mit Jaecki Schwarz, Wolfgang
Winkler, Sissy Höfferer 21.45 Aktuell
22.05 Fakt ist ...! 23.05 Akte Ex 23.55
Amazing Grace. Historiendrama, GB/
USA 2006. Mit Ioan Gruffudd, Romola
Garai, Benedict Cumberbatch
BR
D
19.00 Querbeet 19.30 Dahoam is Dahoam 20.00 Tagesschau 20.15 Bayern erleben - in 24 Stunden 21.00 Lebenslinien 21.45 Rundschau Magazin
22.00 Irgendwie und Sowieso 22.50
Puzzle. Viele Kulturen - ein Land 23.20
KlickKlack. Das Musikmagazin 23.50
Mariss Jansons dirigiert
ffentliche Aufmerksamkeit lässt sich
in Geld oder Macht ummünzen, für
Nachrichten und Journalismus nimmt die
Zahlungsbereitschaft rapide ab. Auf
diese Weise haben sich in den USA in den
vergangenen 30 Jahren die Ausgaben für
PR-Apparate verfünffacht, viele Redaktionen sind dagegen nur noch halb so groß.
Damit einher geht, dass sich CopyPaste-„Journalismus“ ausbreitet. So verfällt schleichend die Glaubwürdigkeit
des Journalismus. Uwe Krüger (Universität Leipzig) spürt in seinem neuen Buch
„Mainstream“ der Frage nach, „warum
wir den Medien nicht mehr trauen“. Den
Schwarz-Weiß-Malereien von der „Lügenpresse“ setzt er differenzierte Erklärungen entgegen.
Unter den Medienmachern habe sich
über Jahre hinweg ein rot-grüner Scheinkonsens etabliert, in den sich auch die
journalistischen Parteigänger der Merkel-CDU integriert hätten. Die Stichworte: „Multikulturalität und Vielfalt,
Weltoffenheit und Toleranz, Gleichstellung und Minderheitenschutz, Antidiskriminierung und Gender Mainstreaming“.
Zugleich werde abgelehnt und bekämpft,
„was in diesem Sinne nicht ‚politisch korrekt‘“ sei. Dabei gehe „häufig die Differenzierung zwischen den relativ wenigen
Rechtsextremen und den relativ vielen
Rechten“ verloren. Zu viele Journalisten
seien von den Elite-Netzwerken kooptiert. So habe sich bei den Bürgern eine
„Enttäuschungswut“ über die Medien angestaut, weil diese „mehr Anpasser als
Aufpasser“ zu sein schienen. Krüger arbeitet heraus, wie die pädagogisch-paternalistische Haltung vieler Journalisten in
„gefühlte Bevormundung“ des Publikums und in Trotz umschlagen kann. Es
fehle „ein Grundvertrauen in die Mündigkeit“ der Rezipienten.
Zu kurz kommen in der Analyse allerdings die Propagandaoffensiven der Gegenseite. Von Putin bis hin zu Pegida ist
die neue Rechte ja mit allen Wassern gewaschen. Die Art und Weise, wie sie die
fast schon berechenbaren Reflexe der
Mainstream-Medien nutzt – jüngstes Beispiel: Gauland und Boateng – sowie inzwischen auch Teile der sozialen Netzwerke
kontrolliert, sollte uns in Alarmbereitschaft versetzen.
SAT 1
D
PRO 7
D
5.30 Frühstücksfernsehen. Mit Matthias Killing, Jan Hahn, Marlene Lufen.
Aktuelle Informationen, Service und
prominente Gäste 10.00 Auf Streife Die Spezialisten. Reportage-Reihe
11.00 Richterin Barbara Salesch. Gerichts-Show 12.00 Richter Alexander
Hold. Bei Alexander Hold werden
Deutschlands härteste Gerichtsprozesse für das Fernsehen nachgestellt
und verhandelt. 14.00 Auf Streife. Reportage-Reihe 16.00 Auf Streife - Berlin 17.00 Verdächtig - Detektei Wolloscheck deckt auf. Doku-Soap 17.30
Schicksale - und plötzlich ist alles anders. Doku-Soap 18.00 Auf Streife Die Spezialisten. Reportage-Reihe
19.00 Fahndung Deutschland. Magazin 19.55 Nachrichten
4.45 Mom 5.05 How I Met Your Mother 5.45 My Boys 6.25 Cougar Town
7.15 Scooby-Doo! Das Abenteuer beginnt. Trickfilmkomödie, USA/CDN
2009. Mit Kate Melton, Hayley Kiyoko,
Robbie Amell. Regie: Brian Levant
8.55 Guess Who - Meine Tochter
kriegst du nicht! Komödie, USA 2005.
Mit Ashton Kutcher, Bernie Mac, Zoe
Saldana. Regie: Kevin Rodney Sullivan
10.50 Mike & Molly 11.40 How I Met
Your Mother 12.35 Two and a Half
Men 14.20 2 Broke Girls 15.10 The
Big Bang Theory 16.05 The Big Bang
Theory 16.30 The Big Bang Theory
17.00 taff. Projekt Paradies. Mit Daniel Aminati, Thore Schölermann
18.00 Newstime 18.10 Die Simpsons
18.40 Die Simpsons 19.05 Galileo
20.15 Detective Laura Diamond
Laura und die bösen Jungs
Pilotfilm
21.10 Detective Laura Diamond
Laura und das tödliche Date
Krimi-Serie
22.10 Elementary
Schichtende. Krimi-Serie
23.05 Navy CIS
Auf der Jagd. Krimi-Serie
23.50 Criminal Minds
Kampf ums Überleben
Krimi-Serie
0.45 Detective Laura Diamond
Laura und die bösen Jungs /
Laura und das tödliche Date
2.25 Elementary
Schichtende. Krimi-Serie
3.00 Navy CIS
Auf der Jagd. Krimi-Serie
3.40 Criminal Minds
Kampf ums Überleben
4.20 Schicksale - und plötzlich ist
alles anders Doku-Soap
4.45 Fahndung Deutschland
Magazin
20.15 The Big Bang Theory
Würfeln und küssen
Comedy-Serie
20.40 The Big Bang Theory
Wie ein Wasserfall
Comedy-Serie
21.10 The Big Bang Theory
Sheldon 2.0. Comedy-Serie
21.40 The Big Bang Theory
Die Erdnuss-Reaktion
Comedy-Serie
22.10 Circus Halligalli Spezial
Rock am Ring. Gäste: Red
Hot Chili Peppers, Fettes
Brot, Biffy Clyro, Billy Talent,
Deftones, Killswitch Engage
23.35 Das Duell um die Geld
Spiel-Show
Gäste: Lena Meyer-Landrut,
Mark Forster, Bela B, Mark
Tavassol
1.45 The Big Bang Theory
Comedy-Serie
3.15 ProSieben Spätnachrichten
3.20 Family Guy
Zeichentrick-Serie
VOX
KABEL 1
D
D
5.50 CSI: NY. 6.45 Verklag mich doch!
10.50 nachrichten 10.55 Mein himmlisches Hotel 11.55 Shopping Queen
13.00 4 Hochzeiten und eine Traumreise 14.00 Mein Kind, dein Kind - Wie
erziehst du denn? 15.00 Shopping
Queen 16.00 4 Hochzeiten und eine
Traumreise 17.00 Mein himmlisches
Hotel 18.00 mieten, kaufen, wohnen
19.00 Das perfekte Dinner
7.35 Cold Case 8.30 Navy CIS 9.25
The Mentalist 10.20 Castle 11.10 Without a Trace 12.05 Numb3rs 13.05
Cold Case - Kein Opfer ist je vergessen
14.00 Navy CIS 14.50 The Mentalist
15.50 News 16.00 Castle 16.55 Abenteuer Leben täglich 17.55 Mein Lokal,
dein Lokal - Wo schmeckt’s am besten? 18.55 Achtung Kontrolle! Einsatz
für die Ordnungshüter
20.00 Prominent!
Magazin
20.15 Arrow
Green Arrow / Kandidaten /
Auferstehung. Fantasy-Serie
23.05 Night Shift
Vor dem Morgengrauen
Krankenhaus-Serie
0.00 nachrichten
0.20 Medical Detectives
Tödliche Gefahr /
Tödliche Träume
2.05 Medical Detectives
Versunkene Wahrheiten /
Verwirrende Beweise
3.40 Medical Detectives
Spuren im Schnee /
In Schuss und Asche
5.20 CSI: NY
Letzter Ausweg. Krimi-Serie
20.15 Beverly Hills Cop III
Actionkomödie, USA 1994
Mit Eddie Murphy, Judge
Reinhold, Hector Elizondo
Regie: John Landis
22.20 Alarmstufe: Rot II
Actionthriller, USA 1995
Mit Steven Seagal, Eric
Bogosian, Everett McGill
Regie: Geoff Murphy
0.10 Beverly Hills Cop III
Actionkomödie, USA 1994
2.05 Late News
2.10 Alarmstufe: Rot II
Actionthriller, USA 1995
3.40 Watch Me - das Kinomagazin
Warcraft: The Beginning
3.50 Late News
4.00 Fußball Copa América
Argentinien - Chile
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WELTSPIEGEL
DER TAGESSPIEGEL
NACHRICHTEN
F
Reliquie von Papst Johannes Paul II.
aus Kölner Dom gestohlen
Köln - Aus dem Kölner Dom ist eine Reliquie mit einem Blutstropfen von Papst Johannes Paul II. gestohlen worden. Der
Diebstahl sei am Sonntagmorgen von einer Dombesucherin bemerkt worden,
teilte die Polizei mit. Die Reliquie besteht
aus einem Stoffläppchen mit einem Blutstropfen des am 2. April 2005 verstorbenen Papstes. Sie befand sich in einer gläsernen Kapsel in einem sogenannten Reliquiar. Johannes Paul II. war im April
2014 von Papst Franziskus heiliggesprochen worden. Das Reliquiar zeigt Papst
Johannes Paul II. gestützt auf den
Kreuzstab vor einem der Domportale
und erinnert an seinen Besuch im Kölner Dom 1980. „Der materielle Wert ist
nur gering, viel größer ist der ideelle Verlust“, sagte Dompropst Gerd Bachner. Er
appellierte an die Diebe, die Reliquie zurückzugeben.
dpa
Polizei auf Kreta nimmt
18 Waffenhändler fest
Athen - Die griechische Polizei hat auf
der Insel Kreta einen Waffenhändlerring
ausgehoben und 18 Männer festgenommen. Weitere 28 Personen stünden im
Verdacht, Teil des Netzwerks gewesen zu
sein, teilten die Behörden am Sonntag
mit. Bei dem Einsatz wurden Dutzende
Handfeuerwaffen, Gewehre, Handgranaten sowie Munition sichergestellt. Alle
Beteiligten seien Griechen. Vorgehensweise der Bande sei es unter anderem gewesen, defekte Waffen aus Deutschland,
Österreich und den USA zu importieren,
zu reparieren und zur Hälfte des Marktwerts zu verkaufen.
dpa
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LEUTE
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Heute aus Barcelona und Halle (Saale)
Foto: Jan Woitas/dpa
José Carreras, spanischer Star-Tenor, ist
Fan des Fußballvereins FC Barcelona –
und feuert ihn mit Schlachtengesängen
an: „Ich singe sehr gern als Fußballfan
mit all den anderen“, sagte der 69-Jährige der „Welt am Sonntag“. Er singe dabei „natürlich immer sehr diskret“.
Manchmal schreie er sich beim Anfeuern auch die Lunge heraus. „Es gibt eben
immer wieder Situationen auf dem Spielfeld, die mich zu sehr aufregen.“
AFP
***
Die 90-jährige Johanna Quaas aus Halle,
laut Guinness-Buch der Rekorde älteste
Wettkampfturnerin der Welt, hat am
Sonntag ihren ersten Fallschirmsprung
absolviert. Im Tandem mit Ex-Turn-Weltmeister Eberhard Gienger war sie am
Flugplatz Böhlen bei Leipzig gestartet
und landete kurz nach Mittag wohlbehalten. Den Sprung hatte sie zu ihrem
90. Geburtstag geschenkt bekommen
und der englischen Königin Elisabeth II.
gewidmet, die auch 90 Jahre alt ist.
„Ich achte ihre Lebensleistung und
verehre sie sehr.“ Zurück auf der Erde
gab es zunächst ein Küsschen für
Gienger, dann eines für Ehemann
Gerhard, der den Ausflug seiner Frau
vom Boden aus beobachtet hatte. Vier
Mal die Woche
treibt die
90-Jährige
intensiv
Sport,
in ihrem
Sportverein und
auch im Fitnessstudio im
Kreis von „jungen Hüpfern“ zum
Sound der
Charts. dpa
NR. 22 779 / MONTAG, 6. JUNI 2016
Erbliche Sklaverei
COMIC-HELDIN der
Woche
In Indien verschwinden jedes Jahr 100 000 Kinder. Viele enden in Bordellen oder als Bettler
Von Christine Möllhoff, Dubai
Am Tag musste sie 14 bis 16 Stunden im
Haushalt schuften und in der Nacht ihrem „Arbeitgeber“ zu Willen sein. Mausami war noch ein halbes Kind, als ihre
Eltern sie in die Metropole Delhi schickten. Zu arm, um für sie zu sorgen, glaubten sie, dass Beste zu tun. Ein Agent hatte
ihnen versprochen, ihr einen guten Job
zu verschaffen. Stattdessen verkaufte er
das Mädchen als Haushaltssklavin. Als
eine Hilfsorganisation sie schließlich mithilfe der Polizei befreite, war die 16-jährige im dritten Monat schwanger.
Auch Imtiyaz Eltern hofften auf eine
bessere Zukunft für ihren Sohn. Ein wohlhabender Mann aus Delhi hatte ihnen zugesichert, die Schule für den Jungen zu
bezahlen, wenn er ihm dafür „ein paar
Stunden“ zur Hand gehe. Stattdessen
musste Imtiyaz 16
Stunden in einer von
Delhis Hinterhof-Fa- In dem Land
briken schuften. Zu
essen bekam er nur sind etwa
Chapati, das indi- 18 Millionen
sche
Fladenbrot,
oder alten Reis. Menschen
„Wenn ich einen Feh- betroffen
ler gemacht habe,
hat mich mein Arbeitgeber geschlagen. Wenn ich sagte,
dass ich zu meinen Eltern zurück will, hat
er mich auch geschlagen“, erzählt Imtiyaz seinen Rettern.
Moderne Sklaverei hat viele Gesichter.
Gemeinsam ist den Opfern, dass sie nicht
fliehen können und wie Vieh gehandelt
werden. Mindestens 45,8 Millionen Menschen arbeiten einer Studie der australischen Stiftung „Walk Free“ zufolge weltweit in sklavenähnlichen Verhältnissen.
Allein ein Drittel davon leben in Indien.
Dort werden 18,3 Millionen in solcher
Abhängigkeit gehalten, dass die Studie
von moderner Sklaverei spricht. Das sind
1,4 Prozent der indischen Bevölkerung.
Nur Nordkorea (4,4 Prozent), Usbekistan (3,9 Prozent) und Kambodscha (1,6
Prozent) liegen noch vor Indien.
Hinter den Zahlen verbergen sich Geschichten wie die von Mausami und Imtiyaz. Vor allem Kinder und Frauen aus
armen Verhältnissen werden leicht Opfer
der Menschenhändler. Jedes Jahr verschwinden 100 000 Kinder, die meisten
Mädchen. Einige müssen in Haushalten
Schuldknechtschaft ist die häufigste Form moderner Sklaverei. Die meisten Schuldensklaven finden sich in Indien in der Landwirtschaft, aber auch in Ziegel-, Textil- und Feuerwerksfabriken auf Teeplantagen oder wie hier in Steinbrüchen.
Foto: Doreen Fiedler/dpa
schuften oder werden als Bräute verkauft. Andere als Kinderarbeiter in Fabriken gesteckt. Wieder andere von Mafiabanden zum Betteln auf die Straße geschickt. „Oft werden die Kinder verstüm-
melt, weil behinderte Kinder mehr Geld
bekommen. Die Banden erhöhen ihre Gewinne, wenn sie dem Kind die Augen herausschneiden oder Körperteile amputieren“, berichtet der Menschenrechtsakti-
vist Kundan Srivastava. Mädchen werden
an Bordelle verkauft und wie Tiere in Käfige oder fensterlose Verschläge gesperrt,
damit sie nicht fliehen. Einige sind nicht
älter als neun. Menschenhändler machen
sich systematisch an junge Mädchen aus
armen Familien heran. Manchmal locken
sie mit guten Jobs. Manchmal spielen sie
die große Liebe vor, bis die Mädchen mit
ihnen davonlaufen.
Andere verschlepViele nehmen pen die Mädchen gewaltsam. So geschah
Kredite auf – es Maya aus Uttar
Pradesh. Sie wurde
und können
erst
von
einer
die Zinsen
Gruppe Männer vernicht zahlen gewaltigt und dann
an eine „Madam“ in
Varanasi verhökert,
die sie mit heißen Eisenstangen traktierte, bis sie gefügig war. Erst zwei Jahre
später konnte sie schließlich mit Hilfe eines Freiers fliehen.
Rameshs Kindheit endete, als er acht
Jahre war. Wie sein Vater, Großvater und
Urgroßvater musste er in einer kleinen
Ziegelbrennerei in Bihar arbeiten. Seine
Familie lebte seit Generationen in Schuldknechtschaft. Drei Jahre lang schleppte
der Junge Steine. Erst als die Fabrik dicht
machte und er als Teejunge arbeitete,
konnte er davonlaufen.
„Schuldknechtschaft ist weltweit die
häufigste Form moderner Sklaverei“,
schreibt die Wissenschaftlerin Sarah
Knight. Ganze Familien, meist aus den
ärmsten Schichten, verpfänden ihre Arbeitskraft, um einen Kredit, etwa für Nahrung oder medizinische Hilfe, aufzunehmen. Die Zinsen sind so hoch, dass sie
kaum Chancen haben, den Kredit je abzuzahlen. Obwohl Schuldknechtschaft seit
1976 in Indien verboten ist, ist sie Experten zufolge weiter verbreitet. Die meisten Schuldensklaven finden sich in der
Landwirtschaft, aber auch in Ziegel-, Textil- und Feuerwerksfabriken, in Steinbrüchen und auf Teeplantagen. Opfer sind
vor allem Dalits, die sich aus ehemaligen
Unberührbaren und Eingeborenen-Stämmen rekrutieren. Nur die wenigsten entkommen der Schuldenspirale. Oft werden die Schulden über Generationen weiter vererbt. „In einigen Dörfern gibt es
Familien, die seit über 200 Jahren in
Schuldknechtschaft gefangen sind“,
schreibt Knight.
„Rock am Ring“ kapituliert vor Unwettern
Musikfestival abgebrochen / Überschwemmungen auch in anderen Landesteilen / Entwarnung in Paris
Mendig/Schwäbisch Gmünd - Schwere
Unwetter haben für den vorzeitigen Abbruch des größten Rockfestivals in
Deutschland gesorgt: Die Behörden entzogen den Veranstaltern des „Rock am
Ring“ im rheinland-pfälzischen Mendig
die Spielgenehmigung für den finalen Festivaltag am Sonntag, nachdem die OpenAir-Konzerte wegen Gewittergefahr am
Samstag bereits stundenlang unterbrochen werden mussten. Bei Blitzeinschlägen am Freitagabend waren nach Angaben der Polizei mindestens 71 Festivalbesucher verletzt worden.
Die Veranstalter erklärten, dass sie die
Entscheidung der Gemeinde Mendig „in
Verantwortung für das Wohlergehen der
Fans akzeptieren“. Sie drückten ihr Bedauern aus und baten die Fans um „Verständnis in dieser Notsituation“. Die
rund 90 000 Festivalbesucher waren aufgerufen, bis spätestens Sonntagmittag
die Heimreise anzutreten. Die heftigen
Regenfälle hatten über das Wochenende
viele Zelte zusammenbrechen lassen, das
Gelände versank im Schlamm.
Auch in anderen Teilen Deutschlands
sorgten Unwetter für Chaos. In Schwäbisch Gmünd in Baden-Württemberg
löste ein Erdrutsch einen Großeinsatz
der Rettungskräfte aus. Nach Polizeiangaben mussten 23 Menschen vorübergehend aus ihren Häusern in Sicherheit gebracht werden, als ein Hang nach heftigen Regenfällen ins Rutschen geraten
war. Starker Regen und zum Teil kräftige
Gewitter machten auch in Bayern vielen
Menschen wieder schwer zu schaffen.
Schwerpunkt war diesmal vor allem Oberbayern. Das Landratsamt WeilheimSchongau erklärte am Sonntag für das
vom Hochwasser betroffene Gebiet rund
um die Gemeinde Polling sogar den Katastrophenfall. Technisches Hilfswerk,
Wasserwacht, Bergwacht und die Feuerwehren der Region waren im Großein-
Durch tiefen Matsch quälen sich diese Konzertbesucher auf ihrem Heimweg. Foto: dpa
satz. Dagegen war es im niederbayerischen Krisengebiet um Simbach am Inn
am Morgen relativ ruhig. Die Gewitter
waren diesmal dort vorbeigezogen, die
Aufräumarbeiten gingen weiter.
Am Samstagabend hatten heftige Regenfälle auch rund um Bonn zu Überschwemmungen geführt. Mehrere Bäche waren dort nach einem Unwetter
über die Ufer getreten, Keller liefen
voll, und ganze Straßenzüge standen
unter Wasser.
In der neuen Woche drohen in Teilen
Deutschlands weiter teils kräftige
Schauer und Gewitter. An diesem Montag sei jedoch vorübergehend mit einer
Wetterberuhigung zu rechnen, teilte der
Deutsche Wetterdienst (DWD) am Sonntag in Offenbach mit.
Entwarnung gab es für die französische
Hauptstadt knapp eine Woche vor der Eröffnung der Fußball-EM. Trotz des
schlimmsten Hochwassers der Seine seit
mehr als 30 Jahren sind große Überflutungen in Paris ausgeblieben. Der
Seine-Pegel erreichte in der Nacht zum
Samstag mit 6,10 Meter seinen Höchststand und ging danach langsam zurück.
Stärker von Überschwemmungen betroffen waren andere Landesteile – es gab
vier Todesopfer, 20 000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen.
AFP/dpa
Foto: Epsilon
24
Futuristischer
Freiheitskampf
A
uf den ersten Blick erscheint Jill Edwards nicht wie eine Heldin. Die
junge Frau wird von Albträumen
geplagt, und wenn sie ihre Tabletten
nicht nimmt, dann bekommt sie Angstzustände. Tagsüber arbeitet sie als Angestellte im IT-Bereich der NSA, befolgt Befehle und lässt sich von ihrem Chef schikanieren. Doch dann geschieht während
ihrer Suche nach einem angeblichen Sicherheitsleck etwas Unglaubliches: Sie
bekommt einen elektrischen Schlag und
reist in die Vergangenheit, und noch dazu
nach China. Ab diesem Zeitpunkt wird es
für Jill als auch für die Leser des von Michael Barck geschriebenen und von Thekla Maria Barck alias TeMeL gezeichneten Comic-Thrillers „No Borders“ (Epsilon-Verlag, 160 S., 15 €) kompliziert.
Denn die Vergangenheit der Hauptfigur ist unsere Gegenwart, 2016. Und als
Jill auch noch in die Arme des seltsamen
Ho Zhing stolpert ist sie völlig überfordert. Ho behauptet aus der Zukunft zu
kommen, einer Zeit, die auch für Jill in der
Zukunftliegt. Jill stammtaus 2023kurz bevor ein Terroranschlag weitreichende
Überwachungsmaßnahmen und Zensur
auslöst. Ho hingegen kommt aus dem Jahr
2040, in dem diese Maßnahmen zu einem
totalitären Staat gewachsen sind. Ho will
das verhindern und Jill überzeugen, sich
ihm und der Widerstandsgruppe „No Borders“ anzuschließen.
Jill Edwards ist keine Superheldin. Aber
genau das macht sie für die Leserschaft so
zugänglich. Ihre Argumente sind die, die
immer wieder in Diskussionen um Überwachung und innere Sicherheit fallen.
„Ich habe doch nichts zu verbergen“, „Das
dient unserer Sicherheit“ oder „Ich kann
doch als Einzelne nichts ausrichten“. Der
Comic entkräftet diese Aussagen Schritt
für Schritt, ohne mahnenden Zeigefinger,
und zeigt, wohin der immer stärkerer werdende staatliche Zugriff in die Privatsphäre führen kann.
Das wird erzählt in starken Bildern.
Enge, schmale Panels vermitteln ein Gefühlder Einengung. Extreme Close-upserzeugen eine Unmittelbarkeit und rücken
Leser und Figuren näher zusammen. Bei
psychisch belastenden oder emotionalen
Momenten bricht die Panelstruktur auf.
Temels Zeichentechnik – Aquarell, Tusche und digitale Elemente – verbindet
westlichen und asiatischen Stil. Bunte Farben dominieren – außer bei Rückblicken
und Traumsequenzen, passend zur pessimistischen Zukunftsvision. TeMeL und
Michael Barck kreieren eine Welt zwischen „Matrix“ und „1984“, aber doch beängstigend nah an unserer Realität. Jill Edwards zeigt uns: Es braucht nicht viel, um
etwaszuverändern. Dasmacht siezur Heldin.
Lara Keilbart
TAGESSPIEGEL.DE
DUELL DER SUPERHELDEN
Als Ali gegen Superman boxte
Muhammad Ali, der am Freitag
gestorben ist, war auch als Comicfigur
der Größte – einen Artikel darüber
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BEILAGE ZUR FACH– UND IDEENKONFERENZ DER BUNDESREGIERUNG
AM 6. UND 7. JUNI 2016 IN BERLIN
Das
Elektroauto
Extravaganz für wenige
oder automobile Normalität der Zukunft?
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Ein Fachgespräch zur Zellproduktion
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Was die
Teilnehmer
der Konferenz
erwartet
Die Ziele
Die von der Bundesregierung
veranstaltete Fach- und Ideenkonferenz trägt den Titel „Das
Elektroauto – Extravaganz für
wenige oder automobile Normalität der Zukunft?“. Die Ergebnisse der Konferenz werden der Bundesregierung Anhaltspunkte für künftige
Schritte zur Förderung der
Elektromobilität geben.
Online dabei
Das detaillierte Programm der
Fach- und Ideenkonferenz am 6.
und 7. Juni 2016 in Berlin finden Sie im Internet unter
www.konferenz-elektromobilitaet.de/programm. Seien Sie
auch interaktiv dabei: Unter
dem Hashtag #nkemob finden
Sie auf Twitter alles, was rund
um die Konferenz 2016 aus
den Panels und von den Keynotes kommuniziert wird. Kommentieren Sie gerne.
Aus dem Programm
In Berlin erwarten die Teilnehmer unter anderem ein World
Café, Diskussionsrunden und
Vorträge. Es eröffnet Rainer
Bomba, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und
digitale Infrastruktur. Es sprechen zudem Norbert Barthle,
Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur,
der Vorsitzende der NPE, Henning Kagermann, sowie EU-Kommissar Günther H. Oettinger. Die
Abendansprache hält Jochen
Flasbarth, Staatssekretär im
Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Am 7. Juni werden die
Teilnehmer von Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und
Energie, begrüßt, und es werden
die Ergebnisse der Konferenz
entgegengenommen.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt in seinem elektrisch betriebenen Dienstwagen 앚
Foto: BMVI
Mit neuer Dynamik die
Antriebswende gestalten
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt über politische Ziele für E-Mobilität
Die Welt steht vor der größten Mobilitätsrevolution seit der Erfindung
des Automobils: Das automatisierte und vernetzte Fahren kommt
– und die Antriebswende zur Elektromobilität hat begonnen. Gemeinsam mit der Industrie haben wir
uns klare Ziele gesetzt: Wir wollen
Leitanbieter und Leitmarkt werden
und bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf deutsche Straßen
bringen.
Eine aktuelle McKinsey-Studie
zeigt: Deutschland ist als Hersteller schon heute führend und
kann mit fast 40 Prozent Marktanteil bis 2020 der größte Produktionsstandort werden. Wir
wollen unsere Unternehmen dabei unterstützen. Deshalb haben
wir die E-Kompetenz der Bundesregierung in einer Gemeinsamen
Geschäftsstelle Elektromobilität
(GGEMO) gebündelt und in den
vergangenen Jahren bereits 2,4
Milliarden Euro in die Förderung
der Elektromobilität investiert.
Deshalb haben wir im vergangenen Jahr ein Elektromobilitätsgesetz verabschiedet – mit einem
neuen E-Kennzeichen und der
Möglichkeit zur Privilegierung von
E-Mobilen im Straßenverkehr.
Deshalb schreiben wir die Förderung von Wasserstoff- und Brennstoffzellen mit 161 Millionen
Euro für die Jahre 2016 bis
2018 fort. Und deshalb unterstützen wir unsere Schaufenster
und Modellregionen in mehr als
650 Einzelvorhaben mit über
350 Millionen Euro.
Dabei hat sich gezeigt: Elektromobilität ist alltagstauglich – und
hat große Potenziale im Personenverkehr und im urbanen Wirtschaftsverkehr. Jetzt geht es darum, der Elektromobilität zusätzliche Dynamik zu geben und den
Markthochlauf zu gestalten. Die
Bundesregierung hat dafür ein
starkes Paket geschnürt – mit
zusätzlich einer Milliarde Euro für
die Elektromobilität. Ein zentrales
Projekt ist dabei der Aufbau einer
flächendeckenden Ladesäuleninfrastruktur als Schlüssel zum Erfolg
der
Antriebswende
in
Deutschland.
Je selbstverständlicher es
wird, sein Elektrofahrzeug überall
aufladen zu können, desto selbstverständlicher wird die Entscheidung für ein Elektroauto werden.
Dafür bauen wir bereits heute
eine flächendeckende Ladesäu-
Trendwende bei den Antriebstechnologien
Anzahl der weltweit verkauften PKW
pro Jahr , Angaben in Millionen
Die Herausforderung
Es gibt noch viel zu tun: Bis
zum Jahr 2020 müssen die Automobilhersteller in der EU den
CO2-Ausstoß ihrer Fahrzeugflotten auf 95 Gramm pro Kilometer senken. Dann sollen nach
dem Programm der Bundesregierung in Deutschland eine Million Elektroautos auf den Straßen fahren, weil die Elektromobilität einen Schlüssel zur klimafreundlichen Umgestaltung des
Straßenverkehrs darstellt.
Brennstoffzelle
plug-in hybrid
batterieelektrisch
hybrid
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2030
2035
2040
2045
2050
Quelle: Internationale Energieagentur
Um das Zwei-Grad-Ziel im Klimaschutz zu erreichen, ist eine Trendwende hin zur Elektromobilität nötig
leninfrastruktur an unseren Autobahnen und errichten 400 Ladestationen an Raststätten. Zusätzlich investieren wir weitere 300 Millionen Euro in die Ladeinfrastruktur
und bauen damit 15 000 zusätzliche Ladesäulen in ganz Deutschland.
Damit Elektroautos preiswerter
und damit noch interessanter werden, brauchen wir außerdem einen funktionierenden Gebrauchtwagenmarkt und Unternehmen,
die ihre Fahrzeugflotten umrüsten.
Wir sind als Bund Vorreiter und
fahren im Bundesministerium für
Verkehr und digitale Infrastruktur
schon heute zu rund 40 Prozent
elektrisch. Ende des Jahres sind
es 50 Prozent.
Ich bin überzeugt: Die Zukunft gehört der Elektromobilität – und wird
von uns gestaltet. Die Gemeinsame
Geschäftsstelle Elektromobilität
(GGEMO)istauf diesem Wegeine unverzichtbare Plattform. Zusammen
mitunserer Automobil- und Nutzfahrzeugindustrie sowie den Ländern
und Kommunen machen wir
Deutschland zum Vorreiter für den
Antrieb der Zukunft.
Wir haben das Auto erfunden. Wir
haben es immer wieder revolutioniert. Undwir werden jetztals Innovationsführer bei der Mobilität die Antriebswende zum Erfolg führen.
Meilensteine der Elektromobilität
Gesellschaftliches Handeln im Kontext der Energiewende
Impressum: Sonderbeilage der Gemeinsamen Geschäftsstelle Elektromobilität
der Bundesregierung (GGEMO), verantwortlich i. S. d. P. GGEMO (Leo Schulz),
Scharnhorststraße 34-37, 10115 Berlin. I.A. des Bundesminsteriums für Wirtschaft und Energie, Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit,
Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Titelbild: Illustration mit Motiven
von iStock und Fotolia. Koordination:„Publica Institutional Publishing & Conferences“ der Tagesspiegel Gruppe.
Batterieelektrische Fahrzeuge und
Plug-in-Hybride schonen in Verbindung mit erneuerbaren Energiequellen das Klima. Sie sparen Energie
und erzeugen weder Schadstoffe
noch Lärm. Ihre Einführung ist auch
von wirtschaftlicher Bedeutung.
Die Förderung der Elektromobilität begann 2007 mit dem Integrierten Energie- und Klimaprogramm
der Bundesregierung. 2008 wurde
bei der Nationalen Strategiekonferenz Elektromobilität verkündet,
Deutschland wolle Leitanbieter und
Leitmarkt werden und bis 2020
eine Million Elektrofahrzeuge auf
die Straße bringen. Maßnahmen dafür enthält der Nationale Entwicklungsplan Elektromobilität von
2009. Zur Marktvorbereitung wurden zunächst Forschung, Entwicklung und Erprobung mit 500 Millionen Euro gefördert.
Mit der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) wurde 2010 die
gemeinsame Strategieentwicklung
von Politik, Industrie, Wissenschaft
und Gesellschaft initiiert. Der Rat
der NPE floss 2011 in das Regierungsprogramm Elektromobilität
ein. Dies umfasste eine Milliarde
Euro aus dem Energie- und Klimafonds, unter anderem zur Förderung der Schaufenster der Elektromobilität und der Leuchtturmprojekte.
2013 wurden bei der internationalen Konferenz „Elektromobilität
bewegt weltweit“ Elektrofahrzeuge
deutscher Hersteller gezeigt und ein
nutzerorientierter, systemischer Ansatz propagiert. In der folgenden
Phase des Markthochlaufs wurden
mit dem Elektromobilitätsgesetz sowie mit Steuer- und Beschaffungsmaßnahmen Anreize gesetzt. Diese
waren 2015 Thema der nationalen
Konferenz „Elektromobilität – Stark
in den Markt“. Während der Markt
für Elektroautos andernorts floriert,
erfüllt er in Deutschland die Erwartungen noch nicht. Von mehr als 1,2
Millionen E-Fahrzeugen weltweit fahren hier nur 48 000. Eine Kaufprämie und bessere Ladeinfrastruktur
sollen zu mehr Nachfrage führen.
EINE SONDERVERÖFFENTLICHUNG DER BUNDESREGIERUNG
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Fördern, aber auch fordern
Wie EU-Kommission und Unternehmen bei der Elektromobilität zusammenarbeiten / Von Gereon Meyer
Die Europäische Union hat schon
früh die Weichen für die Elektromobilität gestellt. Während der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008
wurde als Teil der Konjunkturmaßnahmen eine „European Green
Cars Initiative“ in Form einer öffentlich-privaten Partnerschaft (Public-Private Partnership oder PPP)
eingerichtet. Sie entwickelte sich in
den folgenden Jahren zur wichtigsten Quelle europäischer Fördermittel für Forschung, Entwicklung und
Innovation im Bereich der Elektromobilität. Bis zum Ende des 7. Forschungsrahmenprogramms im Dezember 2013 wurde etwa eine
halbe Milliarde Euro an mehr als
100 Projekte vergeben. Deren Themen reichten von der Erforschung
neuer elektrochemischer Systeme
für Batteriezellen über die Entwicklung von Antriebssystemen mit hohem Grad an Integration bis zum
die Einbettung elektrischer Leichtfahrzeuge in den Stadtverkehr sein.
Auch außerhalb der PPP EGVI wird
es für die Elektromobilität relevante Ausschreibungen geben,
zum Beispiel in den Programmen
des ERA-NET Confund EMEurope
und im Joint Undertaking ECSEL.
Derweil arbeiten die drei beteiligten europäischen Technologieplattformen ERTRAC, EPoSS und SmartGrids an einer Neuauflage der Roadmap „Electrification of Road Transport“, die auch eine eventuelle
dritte Phase der PPP nach 2020 vorbereiten soll und dazu Ziele für das
Jahr 2030 enthalten wird. Mehr Informationen zu laufenden und abgeschlossenen Projekten, den Roadmaps und den Ausschreibungen
gibt es unter www.egvi.eu.
Die Europäische Kommission bereitet auch intensiv die Schaffung
Konventionelle Fahrzeuge
sollen bis 2050 verbannt sein
Unternehmen öffnen sich für
das Thema Elektromobilität
Design und Aufbau innovativer Elektrofahrzeuge.
Nicht nur das Thema Elektromobilität, sondern auch die PPP war
ein Novum. Unter Beteiligung dreier
europäischer Technologieplattformen, die das Thema Elektromobilität propagierten – des European
Road Transport Research Advisory
Council (ERTRAC), der European
Technology Plattform on Smart Systems Integration (EPoSS) und der
Plattform SmartGrids –, trat die Europäische Kommission mit der Industrie in den Dialog. Gemeinsam
wurden auf Basis einer Roadmap
mit dem Titel „Electrification of
Road Transport“ Themen für die Fördermittelausschreibungen ausgewählt. Diese für die öffentliche
Hand eher ungewohnte Kooperation wurde mit einer Art Green Deal
begründet: Im Gegenzug für die dringend benötigte Finanzspritze öffneten sich die Unternehmen für das
Zukunftsthema
Elektromobilität
und zeigten entlang der Meilensteine der Roadmap auf, welche
Technologien wann in Abstimmung
aufeinander entwickelt werden
müssen, um Elektrofahrzeuge bis
zum Jahr 2020 tauglich für den
Massenmarkt zu machen.
Die Fahrer von Elektromobilen sollen künftig europaweit eine einheitliche Ladeinfrastruktur vorfinden – das sieht eine Richtlinie der Europäischen Kommission vor 앚 Foto: Tom Hanisch/Fotolia
Europäische Kommission, Unternehmen und Forschungseinrichtungen bezeichnen die „European
Green Cars Initiative“ als Erfolg.
Grund dafür dürften die langfristigen, an Roadmaps orientierten,
strategischen Planungsprozesse
sein, die Fördermittelausschreibungen voraussehbar und Projekte besser planbar machten. Auch der
schlanke und unkomplizierte Ansatz wird gelobt.
Die PPP wird im laufenden Forschungsrahmenprogramm
Horizont 2020 unter der Bezeichnung
„European Green Vehicles Initiative“ (EGVI) weitergeführt. Der Unterschied in der Begrifflichkeit,
Green Vehicles statt Green Cars,
trägt einer Erweiterung der Fahr-
zeugklassen über den Pkw hinaus
bis hin zum Lkw und Bus Rechnung. Im Fokus stehen energieeffiziente Fahrzeuge in Kombination
mit alternativen Antrieben – im Wesentlichen also wieder Elektromobilität, wenn auch andere Antriebsformen oder generell effiziente Fahrzeugdesigns in den Förderprogrammen enthalten sind. Anders als
2008 kann heute allerdings kein
Green Deal mehr als Begründung
für eine PPP herangezogen werden.
Unternehmen und Forschungseinrichtungen haben sich zu einem Verein, der „European Green Vehicles
Initiative Association“ (EGVIA), zusammengetan und sind mit der Europäischen Kommission ein Vertragsverhältnis eingegangen: Sie er-
halten Mitsprache bei der Auswahl
von Themen für Fördermittelausschreibungen und verpflichten sich
im Gegenzug dazu, eine Reihe von
handfesten Ergebnissen anzustreben, die von der Entwicklung einer
Anzahl neuer Technologien über
Fortschritte bei der Energieeffizienz
bis hin zur Unterstützung der Ziele
für die Verbreitung von Elektromobilität reicht, die in der Elektrifizierungs-Roadmap enthalten sind.
Die nächste Ausschreibungsrunde der PPP „European Green Vehicles Initiative" startet im Herbst
2016. Themen werden dann zum
Beispiel Lösungen für die Integration von Batterien, die Entwicklung
von Schnelladesystemen für Lieferfahrzeuge sowie Pilotvorhaben für
von Rahmenbedingungen für die
Elektromobilität vor. Ein erster sichtbarer Schritt war die Verabschiedung einer Richtlinie für die Schaffung einer europaweiten Ladeinfrastruktur für Fahrzeuge mit alternativen Antriebssystemen (siehe Infokasten Seite 8). Ein Blick in das
Weißbuch „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ von
2011 zeigt, dass noch einiges
mehr zu erwarten ist. So soll beispielsweise die Nutzung konventioneller Fahrzeuge in europäischen
Städten bis 2030 halbiert und bis
2050 ganz verbannt werden. Der
Güterverkehr soll in großen Städten schon 2030 vollständig CO2-frei
sein. Kürzlich wurden Expertengruppen ins Leben gerufen, die für eine
strategische Forschungs- und Innovationsagenda im Bereich Transport und Verkehr (Strategic Transport Research and Innovation
Agenda oder STRIA) Pläne zur Umsetzung der Ziele des Weißbuchs erarbeiten. Dabei ist Elektromobilität
ein zentrales Thema, der Blick wird
über die Straße hinaus auch auf
den Schiffs- und Flugverkehr gerichtet.
IHRE MEINUNG IST GEFRAGT
So denken Bürger über Elektrofahrzeuge
Bernhard Spannagel
„Ich fahre einen Diesel, um von A nach B
zu kommen. Mit einem
Elektroauto war ich bisher noch nicht unterwegs. Prinzipiell hat die
Sache aber Zukunft.
B. Spannagel
Gerade die Stadtstrecken kann man damit
gut bewältigen – bei mir auf dem Land
sind die Wege aber länger. Statt eine Kaufprämie einzuführen, sollte die Regierung
erst einmal die Infrastruktur an den Tankstellen verbessern. Es braucht flächendeckend Ladestationen, auch Firmenwagen
und Transportfahrzeuge sollten auf Strom
umgestellt werden. Ein Unding, dass man
das nicht fördert.“
Foto: Lisa Thiele
Kasia Kalasch
„Ich habe einen Führerschein, aber kein
Auto. Ich fahre lieber
Fahrrad, und manchmal
leihe ich mir einen Carsharing-Wagen. Den
Umstieg auf E-Autos
Kasia Kalasch
halte ich generell für
richtig: Sie machen weniger Lärm und weniger Schmutz. Man
muss sich aber fragen, wo die Energie herkommt. Solange der Strom mit Braunkohle
erzeugt wird, macht das keinen Sinn. Das
hilft der Industrie, aber nicht der Umwelt.
Von der Kaufprämie halte ich nichts: Es
gibt ohnehin schon zu viele Autos, warum
sollte es noch mehr geben?Ich halte Carsharing für die bessere Lösung.“
Foto: Lisa Thiele
Magdalena Speil
„Ich mache gerade
meinen Führerschein,
auf einem Benziner. Zu
Hause sind die Busverbindungen schlecht –
ich brauche ein Auto,
um vormittags zur
M. Speil
Schule und nachmittags zu meinem Pferd
zu kommen. Ich halte den Umstieg auf
Elektroautos für den richtigen Weg. Sie
sind leiser und die Energiebilanz ist besser. Mein Nachbar hat ein E-Auto, der lädt
das zu Hause auf – aber bei langen Strecken hat er ein Problem. Die Kaufprämie
halte ich für sinnvoll. Man muss den Leuten den Umstieg durch einen Zuschuss
lukrativ machen.“
Foto: Lisa Thiele
Foto: Lisa Thiele
Robbie Singh
„Ich bin jeden Tag mit
dem Auto unterwegs.
Ein Elektroauto kann
auch Spaß machen –
der Tesla zum Beispiel,
der ist schick. Allerdings verstehe ich nicht
Robbie Singh
richtig, wie das mit dem
Aufladen geht. Ich weiß
zwar, wo die nächste Ladesäule ist, aber
da stehen immer diese Carsharing-Wagen.
Und ein Eigenheim mit Garage und Stromanschluss hat auch nicht jeder. Gerade bei
langen Fahrten weiß man nicht, ob man
am Ende noch schieben muss. Ich finde,
dass auf jeder Tankstelle eine Ladesäule
stehen sollte. Bis dahin bleibe ich bei meinem Benziner.“
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„Die Batterie ist der Schlüssel“
Zellproduktion in Deutschland: Ein Gespräch mit den Staatssekretären Matthias Machnig und Georg Schütte
Was tut die Bundesregierung, um
die Einführung der Elektromobilität
in Deutschland zu unterstützen?
Machnig: Die Bundesregierung
plant hierzu eine Reihe von Maßnahmen. Ein Element des Gesamtpaketes ist die gerade beschlossene
Kaufprämie. Sie wird dazu führen,
dass umweltschonende Elektrofahrzeuge am Markt akzeptiert und sichtbar werden und sich damit in der alltäglichen Nutzung besser durchsetzen. Wir investieren außerdem in
den Ausbau der Ladeinfrastruktur in
Deutschland und beseitigen so ein
Hemmnis für die flächendeckende
Einführung der Elektromobilität.
Schütte: Neben der Infrastruktur ist
die Innovationsführerschaft bei Technik und Nutzwert ein wichtiger Faktor.
Der Schlüssel hierfür ist die weitere
Intensivierung der Förderung von Forschung und Entwicklung, um zum einen neue Ideen für die Elektromobilität zu generieren und zum anderen
neue Ideen und Konzepte gemeinsam mit der Industrie in wettbewerbsfähige Produkte umzusetzen. Zudem
müssen wir Investitionen in Produktionskapazitäten entlang der Wertschöpfungskette fördern.
Welche Schwerpunkte setzt die
Bundesregierung bei ihrer
Förderung?
Machnig: Ein wichtiger Schwerpunkt
ist die Batterie, die mit etwa 40 Prozent einen großen Anteil an der Wertschöpfung hat. Die Batterie bestimmt im Wesentlichen die Eigenschaften des Fahrzeugs, die Reichweite und damit auch die potenzielle
Attraktivität für den Kunden. Die
Bundesregierung hat in ihren verschiedenen Förderprogrammen die
ganze Wertschöpfungskette im
Blick: von den Ausgangsmaterialien
über die Komponenten bis zur Fertigung der Batteriezelle, und schließlich den Aufbau ganzer Batteriesysteme mit Steuerung und der Integration ins Fahrzeug. Es ist uns wichtig,
die Kompetenzen der deutschen Industrie umfassend zu nutzen und zu
stärken.
Schütte: In der Tat ist die Batterie
das derzeit technologisch anspruchsvollste Bauteil eines Elektrofahrzeugs. Nach Meinung der Experten gibt es hier vielfältigen Forschungsbedarf, um neue Batteriekonzepte aus dem Labor in die industrielle Herstellung zu bringen.
Industrie und Politik wollen
Zellfertigung in Deutschland
Bei den heutigen Batterien besteht
noch hohes Verbesserungspotenzial
und die nächsten Batteriegenerationen versprechen deutlich bessere
Leistungsdaten und höhere Reichweiten. Diese sind eine Voraussetzung für eine Differenzierung der
Hersteller gegenüber ihren Wettbewerbern. Um dieses Potenzial für
die Industrie in Deutschland zu nutzen, bedarf es noch großer Anstrengungen im Bereich der Forschung
und Entwicklung.
Apropos Forschung: Gibt es denn
überhaupt eine qualitativ
hochwertige Batterieforschung in
Deutschland?
Schütte: Aus Sicht der Experten ist
Deutschland im Bereich der Batterieforschung mittlerweile wieder gut aufgestellt. Das BMBF verfolgt hier seit
2008 eine konsequente Strategie,
vom Wiederaufbau der Elektrochemie über die Ausbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs bis zur Förderung von Forschungsvorhaben gemeinsam mit der Industrie. Hierfür
Innenleben des Elektroautos: Batterien stehen im Mittelpunkt des Gesprächs zwischen Georg Schütte,
Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), und Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) 앚 Foto: bmwgroup
hat das BMBF bislang weit über 300
Mio. Euro aufgewendet. Auch die Forschungsinstitute in Deutschland sind
in diesem Bereich wieder stark, bei
den Forschungsorganisationen wie
beispielsweise der Helmholtz-Gesellschaft oder dem Fraunhofer-Institut
gibt es viele Aktivitäten zum Thema
Batterie. Wichtig ist, dass wir mit unserer Förderung das Know-how der
Batterieforscher in Deutschland bündeln, etwa in unserem Cluster zur Produktionsforschung, und so effiziente
Strukturen schaffen. Dabei handeln
wir im Übrigen in enger Abstimmung
mit den Kollegen aus dem Wirtschaftsministerium.
Machnig: Richtig, wir fördern die Batterieforschung im Rahmen des Energieforschungsprogramms der Bundesregierung. Dort haben wir im Übrigen nicht nur die mobile Anwendung im Blick. Für die Energiewende
werden leistungsfähige Speicher für
große Energiemengen in dem Maße
wichtiger, wie die erneuerbaren Energien weiter ausgebaut werden. Hier
können stationäre Batteriespeicher
zur Pufferung kurzfristiger Lastschwankungen eine bedeutende
Rolle einnehmen.
Wie schaffen Sie es denn, die
Ergebnisse aus den
Forschungsprojekten dann auch in
die industrielle Anwendung zu
bringen?
Machnig: Das Erfolgsmodell heißt
„Verbundprojekt“ und besteht darin,
dass Forscher gemeinsam mit der
Industrie in Projekten zusammenarbeiten. Wir fordern auch eine entsprechende Verwertung der erreichten Ergebnisse. Damit soll erreicht
werden, dass die Ergebnisse der
von der Öffentlichkeit finanziell geförderten Forschung auch im Markt
sichtbar werden. Ein Teil unserer Förderung adressiert ausdrücklich die
Industrie, wir nehmen aber insbesondere die kleinen und mittleren
Unternehmen in den Blick.
Matthias Machnig 앚
Georg Schütte 앚
Foto: Michael Vogt
Foto: Jesko Denzel
Schütte: Neben der Einbindung der Industrie in die Projekte unterstützen
wir die Industrie auch schon in einer
sehr frühen Phase, beispielsweise im
Rahmen des neuen BMBF-Kompetenzclusters zur Batteriezellproduktion „ProZell“. So können wir die
Grundlage für spätere Investitionsentscheidungen der Industrie schaffen.
Wichtig ist aber auch der
Know-how-Transfer durch Köpfe. In
den geförderten Projekten und an
den institutionell geförderten Forschungseinrichtungen etwa in der
Helmholtz-Gemeinschaft oder in der
Fraunhofer-Gesellschaft werden viele
junge Leute ausgebildet, die dann in
die Industrie gehen und ihre Ideen in
die Anwendung bringen.
Aber wo ist die industrielle
Anwendung in Deutschland? Die
Zellen kommen doch derzeit aus
Asien. Ist die Batterie nicht
eigentlich ein Zukaufteil, das man
auch in Asien beziehen kann?
Machnig: Aus industriepolitischer
Sicht muss es unser Ziel sein, die
komplette Wertschöpfungskette des
Elektrofahrzeugs in Deutschland abzubilden. Dabei ist die Batterie das
wichtigste Element. Automobilhersteller werden sich auch über die
Batteriezelle von den Wettbewerbern differenzieren. Ich habe keinen
Zweifel, dass Industrie und Politik
es gemeinsam schaffen werden,
eine Zellfertigung in Deutschland
anzusiedeln. Die Politik kann beitragen, dass günstige Rahmenbedingungen für solche Zukunftsinvestitionen geschaffen werden.
Schütte: Die Batterie ist der Schlüssel für die Elektromobilität. Es geht
um die langfristige Innovationsfähigkeit der Automobilindustrie in
Deutschland. Die Automobilindustrie befindet sich im Wandel und
die Bundesregierung will natürlich,
dass sie auch im Jahr 2030 in
Deutschland noch wettbewerbsfähig produzieren kann. Wir müssen
davon ausgehen, dass sich das Automobil in den nächsten Jahrzehnten gewaltig wandeln wird. Dafür
müssen wir gerüstet sein. Unsere
Stärke war immer schon die Systemkompetenz, also die Beherrschung des Zusammenspiels verschiedener komplexer Teile. Darauf
können wir aufbauen.
Ist es denn überhaupt sinnvoll, sich
für eine Zellproduktion in
Deutschland zu engagieren? Der
Vorsprung der asiatischen
Industrie ist doch nicht
wegzudiskutieren, kann man
überhaupt aufholen?
Machnig: Ja, wenn wir jetzt beherzt
handeln! Das Wirtschaftsministerium und das Forschungsministerium werden gemeinsam die deutsche Industrie zu einem Branchenge-
spräch zur Batteriezellproduktion
einladen. Wir brauchen eine strategische Entscheidung auf möglichst
breiter Basis, am Ziel einer deutschen Zellproduktion zu arbeiten.
Die Voraussetzungen sind doch gar
nicht schlecht: Wir haben in Deutschland exzellente Unternehmen etwa
für Batteriematerialien und für Produktionsanlagen, die für die Errichtung einer Zellproduktion von großer
Bedeutung sind und die bereit sind,
sich dafür zu engagieren. In Deutschland sind viele Unternehmer mit
Gründergeist ansässig. Unsere Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen sind erstklassig.
Schütte: Wir haben in Deutschland
in der Wissenschaft und in der Industrie eine Menge an Know-how für
die Zellproduktion. Wir haben die
Elektrochemie wieder aufgebaut
und betreiben hier wieder exzellente
Forschung. Den Forschungscluster
zur Batteriezellproduktion hatte ich
bereits erwähnt. Hier entsteht
neues Wissen zum Zusammenspiel
der verschiedenen Prozessschritte
bei der Zellproduktion, das dann an
der Forschungsproduktionsanlage in
Ulm in der Praxis validiert werden
kann. Unternehmertum und
Know-how sind aus meiner Sicht die
wesentlichen Voraussetzungen, um
eine erfolgreiche und wettbewerbsfähige Produktion in Deutschland zu
errichten. Die Nationale Plattform
Elektromobilität (NPE) hat kürzlich
eine Studie zur Batteriezellproduktion veröffentlicht. Diese Studie
zeigt bei allen benannten Risiken:
Ja, es geht! Eine Zellproduktion in
Deutschland ist möglich.
Würde die Bundesregierung den
Aufbau einer Zellproduktion in
Deutschland mit öffentlichen
Mitteln unterstützen?
Machnig: Die Bundesregierung ist
für Investoren aus dem In- und Ausland offen. Angesichts der Bedeutung der Batteriezellproduktion für
Die Preise für Batterien werden
noch deutlich sinken
Wertschöpfung und Arbeitsplätze
am Automobilstandort Deutschland
werden wir auch im Rahmen des europäischen Beihilferechts alles uns
Mögliche tun, um einer Zellproduktion in Deutschland zum Erfolg zu
verhelfen.
Schütte: Hier stehen das Wirtschaftsministerium und das Forschungsministerium Seite an Seite!
Mit Blick auf Wirtschaft, Forschung
und Innovationsförderung handeln
wir abgestimmt und gemeinsam.
Herr Schütte, Herr Machnig: Wenn
Sie einen Blick in die Zukunft
wagen sollten: Was werden
Batterien für Elektrofahrzeuge in
20 Jahren leisten können und wo
werden sie hergestellt?
Schütte: Ich glaube, dass bei der
Batterie die Reichweitendiskussion
auf lange Sicht keine Rolle mehr
spielen wird. Die Reichweite wird
ausreichend groß sein. Die Preise
für Batterien werden in den kommenden Jahren noch deutlich sinken.
Beides wird durch intensive Forschung und durch ein gemeinsames
Vorgehen möglich gemacht. Schon
in näherer Zukunft wird eine Vielzahl
von attraktiven Elektrofahrzeugen
am Markt sein.
Machnig: Und dieses Angebot wird
zu einem beträchtlichen Teil von
deutschen Herstellern kommen, mit
Batteriezellen „made in Germany“!
– Herr Machnig, Herr Schütte,
vielen Dank für das Gespräch.
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Sauber fortbewegen
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks über den Beitrag der Elektromobilität zum Klimaschutz
obendrein verschwenderisch eingesetzt wird. Nur etwa ein Viertel
der Energie setzt ein Verbrennungsmotor in Vortrieb um. Das
Elektroauto öffnet uns die Tür zur
Energiewende im Verkehr. Denn
damit kann eine heimisch verfügbare, sichere Energiequelle – erneuerbarer Strom – für die Fortbewegung genutzt werden. Und das
verbunden mit mehr Energieeffizienz durch den weitaus höheren
Wirkungsgrad des Antriebs.
Dabei gilt: Elektroautos sind
letztlich nur so sauber wie der
Strom, mit dem sie fahren. Aber
selbst wenn man den derzeitigen
deutschen Strommix zugrunde
Der Mobilitätswandel muss alle
Verkehrsmittel einschließen
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und der Präsident der Region Hannover Hauke Jagau im Fahrerstand eines der neuen Elektrobusse 앚 Foto: BMUB/Inga Wagner
Elektroautos verringern Emissionen
250
2015
– 23 %
200
– 12 %
150
100
50
0
Verbrennungsmotorische Fahrzeuge
ohne
Spritspartechnik
Elektroauto
mit
Spritspartechnik
Fahrbetrieb und Energiebereitstellung
Durchschnittliche Emission (g CO2/km)
Fahrzeugproduktion, Wartung und Entsorgung
Durchschnittliche Emission (g CO2/km)
Das Klimaschutzabkommen von Paris ist ein Meilenstein. Mit ihm bekennt sich die Weltgemeinschaft zu
dem Ziel, die Erderwärmung auf
deutlich unter zwei Grad zu begrenzen und darüber hinaus in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts treibhausgasneutral zu werden.
Der Verkehr besitzt dabei eine
Schlüsselrolle. Nur wenn wir langfristig treibhausgasneutral fahren,
fliegen und uns fortbewegen, ist
die globale Erwärmung zu stoppen.
Davon sind wir heute weit entfernt.
Während im Energiesektor die Treibhausgas-Emissionen seit mehreren Jahren deutlich sinken, stagnieren sie im Verkehr seit Jahren auf
hohem Niveau. So geht heute rund
ein Fünftel der direkten CO2-Gesamtemissionen auf das Konto
des Verkehrs – mit steigender Tendenz.
Wenn wir über die Auswirkungen
des Verkehrs auf unsere Umwelt
sprechen, geht es nicht nur um Klimaschutz, sondern auch um die
Qualität unserer Atemluft – Stichwort „Stickoxide und Feinstaub“ –,
um Lärmschutz oder den Flächenverbrauch. Wie wir uns fortbewegen, beeinflusst also maßgeblich
unsere Lebensqualität in den Städten und Gemeinden.
Damit ist offensichtlich: Wir stehen im Verkehr in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen. Was wir brauchen, ist
nichts Geringeres als ein Mobilitätswandel – nicht ganz zufällig
daher auch das Motto einer aktuellen Kampagne meines Ministeriums. Unsere Ziele sind nur zu
erreichen, wenn wir Verkehr da,
wo es geht, vermeiden, umweltfreundlichen Verkehrsmitteln konsequent den Vorzug geben und –
ganz entscheidend – die Energieversorgung des Verkehrs auf erneuerbare Energien umstellen.
Die Elektromobilität – und speziell das Elektroauto – spielt hier
eine zentrale Rolle. Bisher hängt
der Straßenverkehr fast ausschließlich vom Öl ab – eine nicht
gerade saubere Energiequelle, die
2020
250
200
– 29 %
150
– 20 %
100
50
0
Verbrennungsmotorische Fahrzeuge Elektroauto
ohne
Spritspartechnik
mit
Spritspartechnik
Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
legt und sogar die Energie berücksichtigt, die bei der Produktion eines Fahrzeugs inklusive Batterien
anfällt, hat ein Elektroauto eine
deutlich bessere Klimabilanz als
ein vergleichbares Auto mit Benzin- oder Dieselmotor. Das zeigt
eine ehrliche Analyse der klimarelevanten Emissionen über den gesamten Lebenszyklus der Fahrzeuge (siehe Grafik unten). Mit
der fortschreitenden Energiewende im Strombereich wird sich
dieser Vorteil weiter vergrößern,
denn die Erneuerbaren bauen ihre
Anteile rasch aus.
Für unsere zukünftige Mobilität
ist das Elektroauto nur ein Baustein, mit Blick auf den Klimaschutz aber ein ziemlich wichtiger.
Die Elektromobilität an sich umfasst weit mehr: den Güterverkehr
mit leichten und schweren Lkw, den
öffentlichen Verkehr mit Straßenbahnen und Elektrobussen und natürlich das Zweirad. Den angesprochenen Mobilitätswandel bekommen wir nur mit einem Gesamtkonzept hin, das alle diese Verkehrsmittel umfasst. Das fördern wir. Damit sichern wir Mobilität und schaffen gleichzeitig eine gesunde Umwelt und mehr Lebensqualität für
die Menschen.
Sauber zustellen
Sauber fliegen
Deutsche Post DHL Group verteilt Briefe und Pakete mit E-Fahrzeugen
Alternativer Antrieb auch im Luftverkehr möglich
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) fördert bereits
seit 2009 eine Reihe von Projekten, die Elektromobilität fit für den
Alltag machen. Insgesamt wurden
bisher mehr als 90 Projekte mit einer Gesamtsumme von mehr als
200 Millionen Euro unterstützt.
Ein Beispiel: Die Deutsche Post
DHL Group plant den Einsatz von
mehr als 1000 Elektrofahrzeugen
in ihren Zustellflotten für Briefe und
Pakete in ganz Deutschland. Das
ist ein groß angelegter Flottenversuch, der wissenschaftlich begleitet wird: Einerseits wird die Leistungsfähigkeit der Elektromobilität
im täglichen Warenwirtschaftsverkehr erforscht, andererseits werden die Energieverbräuche unter
realen Randbedingungen ermittelt.
Das Projekt soll dazu beitragen, die
gesamte Flotte effizienter zu ma-
chen und den Zustellbetrieb weiter
zu optimieren. Möglich wird das,
weil die Elektroautos für das typische Anhalten und Wiederanfahren
Mehr als 1000 E-Autos umfasst
die Flotte 앚 Deutsche Post AG
deutlich besser geeignet sind als
herkömmliche Fahrzeuge. Gerade
für die Zustellung von Briefen und
Paketen bietet Elektromobilität daher große Potenziale – sie wird umweltfreundlicher und wirtschaftlicher zugleich.
Darüber hinaus fördert das
BMUB weitere innovative Forschungs- und Entwicklungsprojekte
für eine saubere, schonende, sparsame und praktische Elektromobilität: zum Beispiel Projekte aus den
Bereichen Ressourcenverfügbarkeit und Recycling, Kopplung der
Elektromobilität an erneuerbare
Energien und deren Netzintegration
oder Erprobung von Oberleitungs-Lkw.
Außerdem unterstützt das Ministerium auch die Beschaffung von
Elektrofahrzeugen, darunter von
Elektro- und Hybridbussen im öffentlichen Nahverkehr.
Beim Stichwort Elektromobilität
denken viele zuerst an das Auto.
Doch nicht nur bei Autos, Lastern
oder Bussen ist Elektromobilität
eine Alternative – auch im Luftverkehr wird darüber nachgedacht.
Denn auch dort sind die Herausforderungen des Klimaschutzes
enorm. Doch wie kann Fliegen mit
Strom aus erneuerbaren Energiequellen ermöglicht werden? Das
größte Problem: Flugzeuge benötigen Energiespeicher mit hoher
Energie- und Leistungsdichte. Herkömmliche Batterien sind in der Regel (noch) zu schwer und daher – anders als am Boden – für Flugzeuge
(derzeit) keine Option. Auch beim
Wasserstoff gibt es Hürden für eine
weltweite Einführung. Diese würde
eine ganz neue Infrastruktur und
veränderte Flugzeuge erfordern.
Eine mögliche Lösung ist der
Power-to-Liquid-Ansatz (PtL). Dabei
werden aus Wasser, Kohlendioxid
und regenerativem Strom in einem
chemischen Prozess Sauerstoff
und Kohlenwasserstoffe erzeugt,
die auch in den heutigen Flugzeugen als Treibstoff und damit als Alternative zu Kerosin eingesetzt werden können. Bei der Verbrennung
im Flugzeug werden diese PtL-Kraftstoffe wieder in Wasser und Kohlendioxid umgewandelt. Nutzt man
Kohlendioxid aus der Atmosphäre
für das PtL-Verfahren, entstehen
keine zusätzlichen Belastungen mit
Treibhausgasen. Ein wichtiger Vorteil gegenüber Biokerosin: Die
PtL-Produktion und die zugehörige
Stromgewinnung
konkurrieren
nicht mit landwirtschaftlichen Anbauflächen und begrenzten Wasserressourcen. In beiden Fällen sind jedoch zusätzliche Klimawirkungen,
etwa durch Kondensstreifen und Zirruseffekte, zu berücksichtigen.
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Smart macht mobil
Durch eine intelligente Vernetzung von E-Fahrzeugen werden Städte der Zukunft multimodal umgebaut
Das Wertvollste, was Städte heutzutage besitzen, ist ihr öffentlicher
Raum. In deutschen und europäischen Ballungszentren ähneln sich
die Probleme: Platz in den Innenstädten ist rar. Zu viele fahrende Autos auf den Straßen und noch mehr
parkende Autos entlang den Straßenrändern benötigen so viel Fläche, dass nicht allein in der
Rushhour der Verkehr vielerorts ins
Stocken gerät. Ziel einer zukunftsorientierten Stadtentwicklung muss
daher sein – da sind sich die Experteneinig –, öffentlichen Raum für die
Allgemeinheit zurückzugewinnen.
Der Elektromobilität fällt dabei eine
Schlüsselfunktion zu.
Es kann allerdings nicht darum
gehen, allein die Antriebsart der Autos auszutauschen und Verbrennungs- durch Elektromotoren zu ersetzen. „Jede seriöse Planung hat
heute zum Ziel, die autogerechte
Stadt zu einer multimodalen Stadt
umzubauen“, sagt Steffen de Rud-
Das setzt politischen Willen und
klare Prioritäten bei einer städtischen Verkehrsplanung voraus.
Und nicht nur das: Die Kommunen
müssen für ihre multimodalen Verkehrskonzepte auch Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Wie das funktionieren kann, hat die Stadt München mit ihrem Konzept „Gscheid
mobil“ vorbildhaft gezeigt. Als besondere Zielgruppen wurden zunächst die jährlich zirka 90 000
Neubürgerinnen und -bürger der
Stadt sowie Kinder und Jugendliche in den Fokus genommen. Die
Neuzugezogenen werden mithilfe eines speziell entwickelten Info-Ordners und einer Servicekarte an die
städtische Mobilitätsvielfalt herangeführt, ein individueller Mobilitätsberater hilft ihnen nach einiger Zeit
bei Bedarf mit weiterführenden
E-Autos verringern Stickoxide,
Lärm und Feinstaub
Planung: Auto, Rad, ÖPNV und
Fußgänger berücksichtigen
der, Professor für Städtebau an der
Bauhaus-Universität Weimar, der
Mitte April ein internationales Symposium zu „neuer urbaner Mobilität“ („new urban mobility“) organisierte. Klare Botschaft dort: Individuelle Mobilität in den Städten wird
zunehmend durch eine Kombination verschiedener Verkehrsträger
verwirklicht werden. Aufgabe einer
visionären Stadtplanung ist somit,
die Ansprüche und Bedürfnisse von
Auto- und Fahrradfahrern, von öffentlichem Nahverkehr und Fußgängern bestmöglich in Einklang zu
bringen und miteinander zu verknüpfen.
Ein wichtiger Ansatz dabei sind
gut funktionierende Carsharing-Angebote, für die sich Elektroautos in
besonderer Weise anbieten. Denn
sie reduzieren zugleich den Lärm
und die Schadstoffbelastung in
stark betroffenen Innenstadtlagen.
Das setzt voraus, dass eine flächendeckend gut erreichbare Infrastruktur von Ladestationen aufgebaut wird und privilegierte Parkflächen für die Elektrofahrzeuge der jeweiligen Carsharing-Flotte eingerichtet werden. Wie das Forschungsprojekt „WiMobil“ zu Carsharing und Elektromobilität ergeben hat, nimmt durch solche Ange-
Ein Element der intelligenten Stadt: Sie bietet Mobilität mit E-Bussen oder E-Carsharing-Angeboten 앚 Foto: BVG/Oliver Lang
bote die Hemmschwelle gegenüber
Elektrofahrzeugen deutlich ab. Jeder zweite befragte Nutzer der untersuchten Carsharing-Angebote
hat Erfahrungen mit einem Elektrofahrzeug gesammelt und sich dadurch bewusst für elektrische und
damit lokal emissionsfreie Mobilität entschieden. Elektrofahrzeuge
wurden ähnlich häufig gebucht wie
Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Motive für die Wahl waren der
ökologische Vorteil sowie das Interesse an der innovativen Antriebstechnik und das attraktive Fahrerlebnis. Im Ergebnis der Untersuchungen zeigte sich, dass sich
Carsharing zu einem Wegbereiter
für die Elektromobilität im Stadtverkehr entwickelt hat und von den Nutzern sehr gut angenommen wird.
Gleichzeitig haben Carsharing-Systeme das Potenzial, den Raumbedarf spürbar zu reduzieren: Durch
höhere Auslastung der Fahrzeuge
bei gleichzeitiger Abschaffung privater Autos können signifikante Flächen im öffentlichen Raum eingespart werden.
Dieser Raum kann im nächsten
Schritt neu genutzt werden – etwa
durch multimodale Mobilitätsstationen. „Die Chancen der Elektromobilität liegen nicht allein im Elektroauto, sondern auch in E-Bikes und
Pedelecs“, sagt Steffen de Rudder.
Diese sich technisch rasant entwickelnden Fahrräder hätten nach aktuellen Studien die durchschnittlichen Fahrstrecken gegenüber denen klassischer Fahrräder binnen
kurzer Zeit von fünf auf acht bis
zehn Kilometer erweitert. Sprich:
Immer mehr Menschen verzichten
auf einzelne Autofahrten, weil sie
elektrisch unterstützte Fahrräder
als bequeme und schnelle Alternative schätzen gelernt hätten. Bei
stärkerer Nutzung von E-Bikes und
Pedelecs muss dies in der Konsequenz auch dazu führen, dass etwa
mit modernen Fahrradparkhäusern
das Umsteigen noch attraktiver gemacht wird.
Tipps und Angeboten weiter. Ein
ähnliches Konzept setzt bei Kindern und Jugendlichen bereits im
Kindergarten an und wird über die
Grundschule bis zu den Oberschulen fortgesetzt. In beiden Zielgruppen wird die Perspektive von vornherein auf multimodale Verkehrsketten geweitet. Was sich unter anderem im deutlichen Anstieg der Ticketverkäufe für den öffentlichen
Nahverkehr niederschlug. Die Erfahrungen aus München belegen:
Wenn multimodales Denken zum
Ausdruck einer modernen, großstädtischen Haltung wird, dann
zieht es automatisch immer weitere Kreise.
Der Verkehr in den Städten muss
umweltfreundlich, gesund und bezahlbar sein. Auch wenn bei Elektrofahrzeugen der ganz große Boom
noch bevorsteht, ist doch klar, dass
sie die Belastungen mit Stickoxiden, Feinstaub und Lärm deutlich
verringern können. Kommt der
Strom aus erneuerbaren Quellen
wie Windkraft oder Solarenergie,
werden sie zu Nullemissionsfahrzeugen, die auch keine Treibhausgase ausstoßen. Bei einer intelligenten Vernetzung von E-Fahrzeugen mit anderen Mobilitätsangeboten kann die Bedeutung des eigenen Autos abnehmen – zugunsten
einer Mobilität, die einen gut abgestimmten Mix nachhaltiger Fortbewegungsarten verbindet.
Die Zukunft auf vier Rädern: elektrisch und automatisiert
Das Zusammenspiel von Elektromobilität und Automatisierungstechnik lässt Autos alleine fahren – und laden
Die Vision vom Parkhaus der Zukunft für Elektrofahrzeuge klingt
nach Science-Fiction: Man gibt sein
Auto an der Einfahrt ab, wartet eine
Weile und bekommt es mit aufgeladener Batterie an der Ausfahrt zurück. Was beim Valet-Parkservice in
US-Großstädten Billiglohnkräfte erledigen würden, geschieht hier wie
von Geisterhand – in einer einzigartigen Kombination von Elektro- und
Automatisierungstechnik:
Das Fahrzeug erfährt über Funk,
welcher Stellplatz frei ist, wird von
Kameras, Radar- und Ultraschallsensoren ohne Fahrer dorthin geführt und mit hoher Präzision auto-
matisch eingeparkt. Dann wird die
Batterie aufgeladen. Denkbar wäre
ein Roboter, der dazu den Stecker
einführt, doch viel einfacher geht
es per Induktion. Dabei wird die
Energie über eine elektromagnetische Feldkopplung von einer Spule
im Boden des Stellplatzes berührungslos zu einer zweiten Spule im
Fahrzeugboden übertragen. Das
funktioniert sehr gut und wie auf
Knopfdruck, sofern die beiden Spulen genau übereinander liegen,
aber dafür sorgt die Parkautomatik.
Am Ende geht es mit voller Batterie
selbstfahrend aus dem Parkhaus
heraus.
Was beim Parken wie eine Spielerei wirkt, ließe sich wohl auch auf
das Fahren auf der Straße übertragen – eine Revolution: Mittels automatischer Positionierung könnte
das Fahrzeug über eine Kette von Induktivspulen entlang der Fahrbahn
geführt werden, dort jeweils einen
elektromagnetischen Feldpuls erhalten und – wie bei einer Carrera-Bahn, nur berührungslos – kontinuierlich mit Strom versorgt werden. Das Reichweitenproblem wäre
auch auf Langstrecken gelöst.
Es gibt noch viele Beispiele für
die Potenziale, die in der gelungenen Kombination von Elektromobili-
tät und vernetztem und automatisiertem Fahren stecken: Automatisierte Autos können stets den effizientesten Fahrmodus und die sparsamste Route wählen. Vor allem
dann, wenn sie miteinander kommunizieren und so Informationen
zum Straßenverkehrsgeschehen
haben – auch davon profitiert die
Reichweite des Elektrofahrzeugs.
Umgekehrt lassen sich automatisierte Funktionen viel leichter in
elektrische als in konventionelle Autos einbauen. Automatisierte und
vernetzte Fahrzeuge könnten möglicherweise sogar sehr leicht sein,
weil sie per se unfallfrei fahren und
daher ohne passive Vorrichtungen
zum Schutz der Insassen auskommen. Leichte Fahrzeuge sind sehr
energieeffizient – beim Elektroauto
wäre das ein weiterer Ausweg aus
dem Reichweiten-Dilemma der Elektromobilität.
Viele Ingenieure sehen in der
Kombination der beiden Trends ein
hohes Synergiepotenzial und schlagen vor, dies weiter zu untersuchen, so etwa der eNOVA Strategiekreis Automobile Zukunft, der sich
in seiner aktuellen Forschungs- und
Innovations-Roadmap (www.strategiekreis-automobile-zukunft.de) genau diesem Thema widmet.
EINE SONDERVERÖFFENTLICHUNG DER BUNDESREGIERUNG
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Eine volle Ladung Zukunft
Schaufenster Elektromobilität: Die Ergebnisse des Förderprogramms der Bundesregierung
Fast geräuschlos fährt der Elektrobus der Linie 79 die Endhaltestelle
im Dresdener Stadtteil Mickten an.
Während der Busfahrer bis zu einer
Markierung im Bordstein vorrollt,
wird bereits der sogenannte Pantograf auf dem Dach des Fahrzeugs
ausgefahren. Dieser Stromabnehmer klinkt sich über ein Kontaktsystem selbstständig in die Schiene
der Ladestation ein. Gerade einmal
vier Minuten braucht der Bus, um
den aufder letzten Runde verbrauchten Strom wieder „aufzutanken“.
„Volle Ladung Zukunft“ – mit diesem Slogan ist der Elektrobus der
Dresdner Verkehrsbetriebe zwischen den Stadtteilen Mickten und
Fahrer von der Technik und dem
Fahrkomfort begeistert. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht überzeugten die niedrigen Betriebskosten, weiterer positiver Faktor war
die Umweltfreundlichkeit der Fahrzeuge – sofern Strom aus erneuerbaren Energien verbraucht wird.
Fachlich begleitet wurde das Projekt vom Verband der Technischen
Überwachungsvereine (TÜV), der
auch spezifische Sicherheitsaspekte der Technik genau untersuchte. Daraus ergaben sich konkrete Empfehlungen: Ladesäulen
sollten regelmäßig technisch überprüft werden, das Ladekabel des
Autos zum festen Bestandteil der
Nur vier Minuten braucht der
Bus, um „aufzutanken“
Die Fahrerinnen und Fahrer
lernten die Elektroautos lieben
Übigau im Einsatz. Auf der 5,2 Kilometer langen Strecke absolviert
das Fahrzeug täglich rund 300 Kilometer. Wie bewährt sich der Elektrobus im Betrieb nahezu rund um die
Uhr? Wie gut funktioniert das Ladesystem an der Endhaltestelle, welche Details müssen womöglich
nachjustiert werden? Das waren
die Kernfragen des Projekts „Elektrobus-Linie 79“ im Förderprogramm „Schaufenster Elektromobilität“ der Bundesregierung. In vier
Regionen wurden und werden seit
2012 in insgesamt 145 Projekten
innovative Ansätze der Elektromobilität erprobt. Neben der Region Bayern-Sachsen, die unter dem Motto
„Elektromobilität verbindet“ antrat,
waren die Regionen Baden-Württemberg („LivingLab BWe mobil“),
Berlin-Brandenburg („Internationales Schaufenster Elektromobilität“)
und Niedersachsen („Unsere Pferdestärken werden elektrisch“) beteiligt.
In Dresden zeigte sich der Elektrobus den Anforderungen des
Langzeitbetriebs gewachsen. Das
Aufladen an der Endhaltestelle
Hauptuntersuchung werden. Des
Weiteren sollten alle sicherheitsund umweltrelevanten Fahrzeugteile ohne Demontage prüfbar sein.
Jenseits technischer Details
aber nahmen die Projektbegleiter
des TÜV bei den Nutzern der Fahrzeuge eine Veränderung wahr, die
sich mit keinem Messgerät der
Welt erfassen lässt: Die Fahrerinnen und Fahrer lernten die Autos
erst kennen und schließlich sogar
lieben.
Die zunächst abwartende, bisweilen gar ablehnende Haltung wandelte sich im Laufe der Zeit zu einer
positiven Selbstverständlichkeit.
Laut Kraftfahrt-Bundesamt gibt es
in Deutschland ein Potenzial von
180 000 Fahrzeugen in sozialen
Einrichtungen, die sich durch Elektroautos ersetzen ließen.
Allein – es fehlt noch an preisgünstigen Modellen der Hersteller.
Insofern gilt auch für dieses Projekt
das Signal der Ergebniskonferenz
von Leipzig: Die gesammelten Erkenntnisse sind Ansporn, die Elektromobilität in Deutschland praxisnah weiterzuentwickeln.
Vom Schaufenster zum Showfenster. Anfangs fürchteten viele Testfahrer, unterwegs mangels
Ladesäulen stehen zu bleiben. Doch diese Sorgen verflogen schnell 앚 Foto: Berlin Partner
klappte sehr zuverlässig. Die Begleitforschung attestierte dem Fahrzeug überdies hohes Potenzial, verkehrsbedingte Emissionen in der Innenstadt nachhaltig zu reduzieren.
Denn ein Elektrobus erreiche dieselbe Schadstoffentlastung wie
etwa 100 Elektroautos. Die beteiligten Wissenschaftler formulierten
aber auch klare Anforderungen an
die nahe Zukunft: Die Fahrzeuge
müssen kostengünstiger und leichter werden, das Lade- und Temperaturmanagement eingehender untersucht werden. Es gibt also in der
Weiterentwicklung noch „Luft nach
oben“ – grundsätzlich aber hat die
Elektrobus-Linie 79 ihren Praxistest gut bestanden.
Ein ähnliches Fazit wurde jüngst
in Leipzig auf der Ergebniskonferenz des Schaufensters Elektromo-
bilität zu vielen Einzelprojekten gezogen. Rund 750 Teilnehmer aus
Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, unter ihnen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, informierten sich über aktuelle Erkenntnisse zu allen wichtigen Forschungs- und Anwendungsfeldern
– zu Fahrzeugen oder zur Ladeinfrastruktur, zu Verkehrs- und Mobilitätskonzepten oder zu rechtlichen Rahmenbedingungen. Gleichzeitig diskutierten sie konkrete
Handlungsempfehlungen für die
nächsten Schritte auf dem Weg zu
flächendeckender Elektromobilität
(siehe auch Interview mit Bertram
Harendt unten auf dieser Seite).
Besonders wichtig waren dabei
auch die Ergebnisse aus jenen
Projekten, die sich der Elektromobilität aus der Nutzerperspektive
gewidmet hatten.
In Berlin etwa wurde das Potenzial von Elektroautos für soziale Einrichtungen untersucht. An dem Praxistest beteiligten sich das Albert-Schweitzer-Kinderdorf,
die
Björn-Schulz-Stiftung und das Nachbarschaftsheim Schöneberg, die jeweils mit unterschiedlichen Fahrzeugen verschiedener Hersteller
ausgerüstet wurden. Trotz anfänglicher Skepsis bei manchen Mitarbeitern in den Einrichtungen erwiesen
sich alle Elektroautos als absolut
alltagstauglich.
Im Projektverlauf trauten sich die
verschiedenen Nutzer immer längere Einzelfahrten zu: Die anfängliche Angst, unterwegs wegen fehlender Reichweite stehen zu bleiben,
verflog zusehends. Zudem zeigten
sich die diversen Fahrerinnen und
„Die Begeisterung ist groß“
Was sich Test- und Probefahrer von Elektrofahrzeugen wünschen: ein Interview mit Bertram Harendt
Bertram Harendt, beim Deutschen
Dialog Institut für die Begleit- und Wirkungsforschung des Förderprogramms „Schaufenster Elektromobilität“ der Bundesregierung verantwortlich, äußert sich im Interview zu dessen Ergebnissen.
Herr Harendt, wo stehen wir mit der
Elektromobilität in Deutschland
heute?
Allen Unkenrufen zum Trotz ist die
Elektromobilität schon heute alltagstauglich. Auch wenn erst relativ wenige Elektroautos auf Deutschlands
Straßen unterwegs sind, nimmt ihre
Sichtbarkeit stetig zu. Eines Tages
werden sie die Verbrennungsfahrzeuge ersetzen: Das Automobil der
Zukunft wird elektrisch sein. Rechtliche Hürden, die dem entgegenstehen, wurden und werden abgebaut.
Eine zunehmende Zahl von Anwendungsszenarien der Elektromobilität
ist bereits heute wirtschaftlich.
Marktanreize, neue Geschäftsmodelle und Firmen entstehen. Das
sind die Hauptergebnisse des
Schaufensterprogramms Elektromobilität.
Was sind die nächsten Schritte?
Aufbauend auf den Ergebnissen der
145 Projekte in den vier Schaufensterregionen Baden-Württemberg,
Bayern-Sachsen, Berlin-Brandenburg
und Niedersachsen fängt die Arbeit
jetzt erst richtig an. Die Schaufenster haben Strahlkraft bewiesen und
Elektromobilität sicht- und erlebbar
gemacht. Jetzt gilt es, ihre Erkenntnisse bundesweit umzusetzen. Dafür bieten 22 gründlich kommentierte Handlungsempfehlungen eine
Orientierung. Wir haben diese in der
Begleit- und Wirkungsforschung des
Schaufensterprogramms entwickelt
und bei der Ergebniskonferenz des
Programms Mitte April in Leipzig erstmals präsentiert.
Was beinhalten Ihre
Handlungsempfehlungen für Politik
und Wirtschaft?
Die Handlungsempfehlungen gliedern sich in die fünf Themenbereiche
Erforscht Elektromobilität:
Bertram Harendt 앚 Foto: privat
„Fahrzeuge und Hersteller“, „Infrastruktur“, „Rechtlicher Rahmen“, „Anwendungen und Geschäftsmodelle“
sowie „Wissenstransfer“. Die 750
Teilnehmer der Ergebniskonferenz
hatten die Gelegenheit, in einem Fragebogen darüber abzustimmen, welche dieser Empfehlungen für sie
höchste Priorität haben. Das Ergebnis spiegelt deutlich die Erfahrungen
vieler Elektromobilisten wider, wie
kompliziert zurzeit noch das Laden
ihrer Fahrzeuge ist. Dementsprechend steht folgender Wunsch an erster Stelle der Prioritätenliste: „Im
Sinne der Nutzerfreundlichkeit ist ein
einheitlicher und barrierefreier
Ad-hoc-Zugang zur Ladeinfrastruktur
notwendig, ohne dass ein langfristiges und auf Dauer angelegtes Vertragsverhältnis zugrunde liegt“. Auf
Platz zwei findet sich der Appell an
den Staat, er „sollte den Aufbau einer bedarfsgerechten, öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur gezielt
fördern und unterstützen“. Die positiven Erfahrungen mit Elektrobussen in
vielen Schaufensterprojekten mögen
dazu geführt haben, dass die Empfehlung „Der ÖPNV sollte in den Innenstädten zunehmend Elektrobusse einsetzen“ auf Rang drei folgt.
und muss dringend erweitert werden“ an vierter Stelle gelten. So ist
beispielsweise im Mittelklassesegment, das in Deutschland sehr beliebt ist, noch kein batteriebetriebenes Elektrofahrzeug verfügbar. Auch
das Interesse an leichten elektrischen Nutzfahrzeugen trifft noch auf
kein Marktangebot. Dabei hätten die
deutschen Hersteller Grund, viel zuversichtlicher an die Zukunft der Elektromobilität zu glauben. Die Begeisterung der Test- und Probefahrer von
Elektroautos in den Schaufensterprojekten war durchweg groß genug, um
den Satz „Einmal elektrisch, immer
elektrisch“ zu bestätigen.
Was können die deutschen
Automobilhersteller beitragen?
Als Weckruf für die deutschen Automobilhersteller kann die hohe Priorisierung der Empfehlung „Das Angebot an Elektrofahrzeugen genügt den
Bedürfnissen der Kunden noch nicht
Weitere Informationen zu den Schaufenstern Elektromobilität, den Projekten und den Handlungsempfehlungen der Begleit- und Wirkungsforschung finden sich hier:
www.schaufensterelektromobilitaet.org
– Herr Harendt, vielen Dank für das
Gespräch.
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EINE SONDERVERÖFFENTLICHUNG DER BUNDESREGIERUNG
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Vorreiter aus der ganzen Welt
Steuererleichterungen, Fördergelder, Super-Charger und Smart-City-Lösungen:
Was wir von China, den USA, Norwegen und Japan bei der Verbreitung von E-Fahrzeugen lernen könnnen
Der Ausbau der Elektromobilität
wird auf der ganzen Welt vorangebracht, aber überall ein bisschen
anders. Der derzeit größte Markt
für Elektromobilität sind die USA,
dicht gefolgt von China.
Seitens der chinesischen Regierung wird der Verkauf von Elektrofahrzeugen durch Steuererleichterungen, Fördergelder und weitere
Maßnahmen massiv vorangetrieben.So wird die Nutzung von Elektroautos beispielsweise durch die Ausnahme von Elektroautos vom Fahrverbot in Städten oder durch das
großzügige Kontingent von Zulassungen für Elektrofahrzeuge, welche somit von den großformatigen
Versteigerungsaktionen für Fahrzeugzulassungen ausgenommen
sind, in hohem Maße bevorteilt.
In den USA wird die Elektromobilität in großem Stil vom Unternehmer
Elon Musk, Gründer von Tesla Motors und Erbauer der Gigabatteriefabrik in der Wüste von Nevada, vorangebracht. Neben dem Verkaufs- und
Imageerfolg des Model S hat Tesla
ebenfalls dafür gesorgt, dass ein
dichtes Netz von Schnellladestationen, den Tesla Super-Chargern, im
ganzen Land aufgebaut wurde. Es
gibt in den USA aber auch andere
USA: Trucks werden dynamisch
durch Oberleitungen geladen
spannende Entwicklungen. Das Problem der Reichweite von Elektroautos gehen die Amerikaner pragmatisch an und fördern breitflächig
den Aufbau von Ladeinfrastruktur
an Arbeitsplätzen, um Pendlern die
Nutzung von Elektroautos auf ihrem täglichen Arbeitsweg zu erleichtern. Das US-Energieministerium
startete deshalb ihre Kampagne
EV Everywhere Workplace Charging. Ziel ist die Verzehnfachung
der Zahl von Ladestationen bis
2018 mit Fokus auf Unternehmen
und öffentliche Einrichtungen. Dafür werden technische Infos und Unterstützung bei der Bildung von
Netzwerken zur Verfügung gestellt.
Ein bisher ungelöstes Problem der
Elektromobilität gehen die Amerikaner mit der Elektrifizierung des
Schwerlastverkehrs an. Eine vielversprechende Lösung stellen dabei
Oberleitungssysteme für das dynamische Laden von Trucks während
der Fahrt dar. Elektrisch betriebene
Lkw leisten einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität auf Highways und in Städten.
Derzeit im Aufbau befindet sich
eine zwei Meilen lange Teststrecke
mit Oberleitungen für Lkw auf dem
Long Beach Freeway (Interstate
710), der den Hafen von Long
Beach mit der Region Los Angeles
verbindet und durch dicht besiedelte Gebiete führt. Auf den Dächern der Hybridtrucks sind intelligente Stromabnehmer installiert.
Das Projekt eHighway I710 wird von
Siemens durchgeführt.
Ein herausragendes Beispiel für
die Verbreitung von Elektromobilität in Europa stellt Norwegen dar.
Zwar besitzt das Land keine eigene
Elektromobilitätsindustrie, reizt jedoch den Kauf von Elektrofahrzeugen durch Kaufzuschüsse, Steuererleichterungen und Vergünstigun-
Verbreitung von
Elektro-Pkw
Stand Ende 2015
Land
Australien
Belgien
China
Dänemark
Deutschland
Finnland
Frankreich
Großbritannien
Irland
Italien
Japan
Kanada
Batterieelektrische
Fahrzeuge
2500
3900
199 800
7600
25 500
600
44 000
20 000
1000
4200
76 900
7900
gen wie kostenlose Parkplätze und
die Benutzung von Busspuren erheblich an. Norwegen hat sich das
ehrgeizige Ziel gesetzt, ab 2025
keine Fahrzeuge mit Benzin- oder
Dieselmotor neu zuzulassen. Das
gilt für Pkw, Kleintransporter und
Busse. Schon heute ist beinahe jeder fünfte neu registrierte Wagen in
Norwegen ein Elektroauto. Bei einer Umfrage der Vereinigung Norwegischer Elektroautofahrer sagten
deshalb 64 Prozent der Nutzer, ihr
Auto spare ihnen Zeit. 94 Prozent
der Befragten meinten außerdem,
ihr Elektroauto sei kostengünstig
zu nutzen. Durch den Wegfall der
sonst erheblichen Einfuhrsteuer liegen die Kosten für Elektroautos in
Norwegen auf gleichem, wenn nicht
niedrigerem Niveau als das für konventionelle Fahrzeuge. Das liegt außerdem zu einem großen Teil am
preiswerten Strom, der in Norwegen zu fast 100 Prozent aus Wasserkraft stammt. Probleme mit der
Ökobilanz haben Elektroautos dort
also nicht.
Plug-inHybridfahrzeuge
1 300
4700
81 800
500
10 800
1500
10 600
27 000
200
500
55 200
7 700
Land
Niederlande
Norwegen
Österreich
Portugal
Schweden
Schweiz
Südafrika
Südkorea
Spanien
Türkei
USA
Grafik: Ulla Schilli, Quelle: VDI/VDE Innovation + Technik GmbH
Heute führen die Elektroautos
auf Oslos Busspuren sogar bereits
zur Überfüllung. Es besteht Konsens im Land, dass zumindest die
finanzielle Förderung nicht auf
lange Sicht weitergewährt werden
kann.
Beachtlich ist, dass es gerade
in so einem dünn besiedelten
Land wie Norwegen wenige Diskus-
Notfall-Ladepunkte mit
Gratis-Strom in Norwegen
sionen um die Reichweite gibt.
Das liegt mitunter daran, dass in
kurzer Zeit viele preiswerte Notfall-Lademöglichkeiten geschaffen
wurden. Das sind ganz einfach
mehrere Steckdosen in einer abschließbaren Metallbox. Im ganzen Land kann jedes Mitglied des
Elektroauto-Vereins die Ladesäulen mit einem einheitlichen Ladeschlüssel öffnen. Den Strom gibt
es gratis, bezahlt wird er von Parkhäusern, Shoppingcentern oder
den Gemeinden. So gibt es auch
vor jedem Rathaus in Norwegen
eine Ladesäule. Die Nutzung von
DC-Schnellladestationen ist allerdings kostenpflichtig.
Ein weiteres Beispiel-Land, welches durch frühzeitige raffinierte
technologische Lösungen die
Rolle eines Pioniers für Elektromobilität und innovative Stadt- und
Transportsystemlösungen
angenommen hat, ist Japan. Der Ansatz für die Weiterentwicklung von
Elektroautos und Verkehrssystemen erfolgt dort sehr systemisch
nach den Grundsätzen ganzheitlicher Smart Cities und oft in Zusammenarbeit zwischen Autobauern und Kommunen. Die Stadt Kitakyushu etwa untersucht mit Nissan, wie Autobatterien als Puffer
für Schwankungen im Stromnetz
genutzt werden könnten. Dafür bekommen die Fahrzeuge einen
Zwei-Wege-Zugang fürs Laden.
Das System hat genug Kapazität,
um einen Haushalt zu Spitzenlastzeiten mit Strom aus der Batterie
zu versorgen.
HINTERGRUND
Mehr Ladepunkte und ein Steckerstandard für Europa
Die EU-Mitgliedstaaten müssen noch in diesem
Jahr Pläne vorlegen, in denen sie erläutern,
wie sie ein Minimum an Ladepunkten für Elektroautos sicherstellen. Dies hatten EU-Parlament und -Rat bereits im Jahr 2014 in ihrer
Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für
alternative Kraftstoffe beschlossen. Die Mitgliedstaaten sollen mindestens den Richtwert
von einem öffentlich zugänglichen Ladepunkt
für zehn Elektroautos einhalten und damit die
Versorgung der Elektroautos in Städten und
Batterieelektrische
Plug-inFahrzeuge
Hybridfahrzeuge
78 200
9400
12 100
70 700
1500
5000
800
1300
9800
4800
2700
6300
100
160
1500
8800
1100
3600
keine Angabe
200
191 900
214 600
deren Außenbezirken sichern. Diese Infrastruktur für Ladepunkte soll bis zum Jahr 2020
entstehen. Außerdem ist ein einheitlicher
Steckerstandard vorgesehen, damit die E-Autos
europaweit geladen werden können.
In Deutschland hat der Bundesrat Ende Februar einer Ladesäulenverordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi)
zugestimmt, die für öffentlich zugängliche Ladepunkte den gemeinsamen europäischen Ladesteckerstandard festschreibt.
Mit der Stadt Toyota hat der
gleichnamige Autobauer das Konzept ha:mo (Harmonious Mobility)
entwickelt. Verkehrsinformationen
von Bussen, Zügen und Taxis fließen in eine App, die ein nahtloses
Umsteigen möglich machen soll. Ultrakompakte Elektroautos werden
zum Füllen der Lücken im öffentlichen Nahverkehr eingesetzt, hauptsächlich auf der letzten Meile von
einer Station öffentlichen Nahverkehrs nach Hause. Ha:mo kann Informationen über den Ladezustand
der Batterie eines Elektroautos mit
der Verkehrssituation und der wahrscheinlichen Ankunftszeit kombinieren. So wissen die Fahrer, wie viel
Strom das Fahrzeug für die Fahrt
noch benötigt.
Sind die Batterien der Elektrofahrzeuge zu alt geworden für den
Einsatz im Fahrzeug, können sie
noch weiterverwertet werden. Mit
der Frage nach dem Second Life
für gebrauchte Lithium-Ionen-Batterien beschäftigt sich die Sumitomo-Gruppe zusammen mit Nissan, und sie entwickeln neue Geschäftsmodelle für die Verwendung solcher Batterien. In der Provinz Osaka haben sie den nach
eigenen Angaben ersten Großspeicher der Welt aus gebrauchten
Batterien von Elektroautos gebaut. Er speichert aktuell den
Strom aus einer Fotovoltaikanlage
zwischen.
Deutschland tauscht sich in den
Gremien der Internationalen Energieagentur mit anderen Ländern
über Konzepte und Erfahrungen bei
der Markteinführung der Elektromobilität aus, zum Beispiel in der Electric Vehicles Initiative und im Implementing Agreement Hybrid and
Electric Vehicles (www.ieahev.org).