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Christian Klar lässt grüssen
Die RAF ist tot aber nützlich
Autor: U. Gellermann
Datum: 28. Februar 2007
Alle Jahre wieder wird die RAF, die "Rote Armee Fraktion", Mode. Mal ist es ein
Jahrestag, dann eine Ausstellung, in diesen Tagen geht es um die Freilassung
von Brigitte Mohnhaupt und die mögliche Begnadigung von Christian Klar.
Beide waren wegen Mordes verurteilt, beide haben, nach normaler Justizpraxis,
ihre Strafen nach Jahren der Haft verbüsst. Aber was ist normal, wenn es um
die RAF geht? Um jenen Mythos, aus scheinrevolutionärem Pathos geboren und
als Bürgerschreck von den einschlägigen Medien zum Guerilla-Gespenst
aufgeblasen, der in diesen Tagen der "Welt am Sonntag" eine Sonderbeilage
wert war und der "Rosa-Luxemburg-Konferenz" (von verschiedenen linken
Gruppierungen und Medien organisiert) die Verlesung eines Grußwortes von
Christian Klar.In den siebziger Jahren hingen die Steckbriefe der gesuchten
RAF-Leute in jeder Tankstelle der Westrepublik: Gesichter von schlechten Passund Polizeifotos blickten Dich an: Je schlechter das Foto, um so grausamer
musste der Terrorist wohl sein, dachte die Mehrheit der Betrachter und die
Erfinder der Fahndungsplakate konnten zufrieden sein. Denn immer wenn
einer der RAF-Mitglieder gefasst wurde, strich das gesunde Volksempfinden
den jeweiligen Kopf eigenhändig durch: Vielfache Striche und hasserfüllte
Kommentare waren der Beweis. Es war das Spiel, das Heinrich Böll "Sechs
gegen Sechzig Millionen" nannte. Doch der Staat, der ziemlich genau wußte wie
wenig Einfluss die RAF in der ohnehin kleinen westdeutschen Linken hatte,
spielte nicht sondern nutzte die Gunst der Stunde: Hausdurchsuchungen
wurden zum wöchentlichen Medienfutter, Strassensperren ängstigten die
Bürger und die ersten Maschinenpistolen in den Händen junger Polizisten
wurden sichtbar. Die Schlagzeilen überschlugen sich.Schon die Geburtsurkunde
der RAF - der Aufruf "Die Rote Armee aufbauen" anlässlich der Befreiung von
Andreas Baader im Mai 1970 - war die Karikatur auf einen politischen Text:
"Dass die Befreiung Baaders nur ein Anfang ist! Dass ein Ende der
Bullenherrschaft abzusehen ist!", war da zu lesen und auch: "Was heißt: Die
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Konflikte auf die Spitze treiben? Das heißt: Sich nicht abschlachten lassen.
Deshalb bauen wir die Rote Armee auf." In diesen Jahren waren eine Menge
schlechter linker Texte unterwegs, auch der Verfasser dieses Artikel kann sich
nicht von revolutionärer Phrase freisprechen. Aber die Sorge, man könne von
einer wie auch immer gearteten Bullenherrschaft abgeschlachtet werden, die
teilte die RAF mit ungewöhnlich Wenigen. Bereits im Namen wurde die
Anmaßung und die Selbstüberschätzung mehr als deutlich: Immerhin hatte die
wirkliche, die sowjetische Rote Armee, die Nazi-Wehrmacht zerschlagen und
war zu Zeiten immer noch gut dafür, nationalen Befreiungsbewegungen einen
gewissen Raum zu sichern.Auch die Schliessungserklärung des RAF-Ladens,
ein Papier mit der Überschrift "Warum wir aufhören" , zeugte fast 30 Jahre
später von wenig politischem Verständnis: "Wir stehen zu unserer Geschichte.
Die RAF war der revolutionäre Versuch einer Minderheit - entgegen der
Tendenz dieser Gesellschaft, zur Umwälzung der kapitalistischen Verhältnisse
beizutragen", erzählten die Verfasser, um in geschwollener Militärdiktion
fortzufahren: "Es kam die Offensive 1977, in deren Verlauf die RAF Schleyer
entführte. Die RAF stellte die Machtfrage." Die RAF hat für keine Sekunde die
Macht infrage stellen können, sie hat niemanden außer sich selbst bewegt. Im
Gegenteil war sie ein wunderbares Vehikel die bundesrepublikanische Linke zu
diffamieren, ein Vorwand zur Verschärfung von Gesetzen und der
gesellschaftlichen Atmosphäre, der dem Ministerium für Volksgehirnwäsche
entsprungen sein könnte, wenn es dies denn gegeben hätte. Wer so lange
danach noch zu einer solchen Geschichte steht, der hat nichts kapiert, der ist
am Ende so unpolitisch wie er begonnen hat.Zu gerne wird von einer
randständigen Linken die RAF mit der Metapher des Tyrannenmordes in
Verbindung gebracht. Und sicher wäre es ebenso legal wie des Beifalls wert
gewesen, so jemanden wie Hitler umzubringen. Wohl deshalb war die
Bundesrepublik in dem was die RAF unter Analyse verstand "postfaschistisch".
Das zischt nicht nur schön beim Aussprechen, das ist auch zeitlich korrekt: Wie
Italien, Ungarn, Österreich und die DDR war die BRD ein Staat nach dem
Faschismus. Doch trotz des mit Nazis verseuchten Beamtenapparates war
Westdeutschland kein "Nachfolgestaat" des braunen Systems. Und auch wenn
die Eliten damals mit eben jener USA paktierten, die in Vietnam einen
mörderischen Unterdrückungskrieg führten, gab das keine Legitimation ab, die
Herren Schleyer, Ponto oder Buback zu ermorden, Ganz zu schweigen von deren
Fahrern oder den Passagieren eines Flugzeugs, deren Ermordung angedroht
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war, wenn man die einsitzenden RAFler nicht freilassen wollte.Ob der
"Rosa-Luxemburg-Konferenz" gut gedient war, ein Grußwort von Christian Klar
zu verlesen, das müssen die Organisatoren wissen. Für den Gefangenen, der auf
die Gnade eines Bundespräsidenten angewiesen ist, der - gleich was da immer
von Objektivität geredet wird - natürlich politisch druckempfindlich ist, ist es
eher abträglich. Wer so lange sitzt wie Christian Klar, der muss die
gesellschaftliche Wirklichkeit nicht randscharf erfassen. Aber wenn man
dessen seltsam biblisches Deutsch liest und und einen Satz wie "die Niederlage
der Pläne des Kapital zu vollenden", der weiß, hier pfeift einer im Wald, um sich
Mut zu machen. Der Kapitalismus steht in Saft und Kraft, seine Niederlage steht
in den Sternen, gleich wie übel seine Folgen sein mögen. Vielleicht lag in dieser
falschen Prophetie der Wert des Klarschen Grußwortes für die
Konferenzteilnehmer.Für andere, eine denkwürdige Koalition von Stoiber über
Thierse bis zu Renate Künast, hatte das Grußwort auch einen gewissen Wert.
Man konnte sich, unterschiedlich temperiert, in Empörung üben. Grob wie
Beckstein: "unverbesserlicher terroristischer Verbrecher". In der
Thierse-Denkerpose "Herr Klar zu einer selbstkritischen Haltung weder bereit
noch fähig ist." Oder Frau Künast in nur mühsamer Verschleierung, wenn sie im
Falle Klar "nicht in der Haut des Bundespräsidenten stecken" mochte. Guido
Westerwelle, die Speerspitze des gesunden Volksempfindens, lehnt eine
Begnadigung von Klar ab, weil der "unsere Grundordnung nicht anerkennt".
Falls mit der Grundordnung das Grundgesetz gemeint ist: Dort ist nirgends
verankert, dass die Bundesrepublik Deutschland kapitalistisch verfasst sein
muss. Wahrscheinlich hat Westerwelle die Verfassung nie gelesen, das
vereinfacht die freie Interpretation ungemein.DIe RAF ist so tot, wie ein Projekt,
das den "bewaffneten Kampf für die höchste Form des Marxismus-Leninismus"
hält, nur sein kann. Aber nützlich ist sie immer noch. Die "Welt" zum Beispiel
nutzt sie als Kinderschreck, wenn sie in ihrer Beilage Journalistenschüler der
"Axel-Springer-Akademie" öffentlich und vorbeugend abschwören lässt: "Sie
guckten immer so finster", fürchtet sich da einer noch im Nachhinein. Eine
andere, in Erinnerung an die Fahndungsplakate, wundert sich immer noch:
"Warum sind diese Menschen so hässlich?" Und einer aus Leipzig schwört: "Ihre
Taten (die der RAF) muss und will ich verurteilen, aber auch ihre Ansichten sind
mir völlig fremd." So kann man mit der RAF noch immer die merkwürdigsten
Vögel aufscheuchen. Zeitungsenten mit Vorliebe.
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