Säure-Base-Gleichgewicht
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Säure-Base-Gleichgewicht
INSTITUT FÜR PHYSIOLOGIE Anleitung zum Physiologie - Praktikum P - 1 . Pufferung und Säure-Basen Analyse WS 2010/11 3. Semester 2 Inhalt I. VORBEMERKUNGEN ....................................................................................................... 3 II. THEORETISCHE GRUNDLAGEN................................................................................. 4 1. Säuren und Basen .............................................................................................................................. 4 2. Pufferung............................................................................................................................................ 5 3. Pufferkurven und Pufferkapazität................................................................................................... 6 5. Biologische Puffersysteme................................................................................................................. 7 6. Geschlossenes und offenes Puffersystem ......................................................................................... 8 7. Pufferung bei metabolischen und respiratorischen Veränderungen .......................................... 10 8. Diagnose einer Störung im Säuren-Basen-Haushalt .................................................................... 11 9. Diagramm zur Diagnose von Säuren-Basen-Störungen im Blut................................................. 13 10. Kompensationen primärer Störungen......................................................................................... 15 11. Diagnose nach dem Siggaard-Andersen-Diagramm .................................................................. 15 III. MESSUNG DES pH UND DES pCO2................................................................................... 18 1. Prinzip der pH Messung.................................................................................................................. 18 2. Hinweise zur Benutzung der pH-Elektrode................................................................................... 19 3. Prinzip der pCO2-Messung.............................................................................................................. 19 SI-Einheiten...........................................................................................................................................19 IV. AUFGABEN..................................................................................................................... 20 1. pH-Eichung ..................................................................................................................................... 20 2. HPO4− − / H2PO4− -Puffersystem..................................................................................................... 21 2.1 Vorbereitung.................................................................................................................................... 21 2.2 Bestimmung des pK'-Wertes ........................................................................................................... 21 2.3 Messung der Pufferkurve: Titration ins Saure................................................................................. 21 2.4 Berechnung der Pufferkurve............................................................................................................ 23 2.5 Lernziele der Phosphatpufferkurve ................................................................................................. 24 3. HCO3−/CO2 -Puffersysteme ............................................................................................................ 24 3.1 Vorbemerkungen ............................................................................................................................. 24 3.2 Messung von HCO3−/CO2 im geschlossenen System...................................................................... 24 3.3 Messung von HCO3−/CO2 im offenen System................................................................................. 25 3.4 Berechnung der Pufferkurven des offenen und geschlossenen Systems ......................................... 27 3.5 Lernziele der Pufferkurven des HCO3−/CO2 -Puffers...................................................................... 28 4. Messungen im Blut .......................................................................................................................... 28 4.1 Vorbemerkung................................................................................................................................. 28 4.2 Vorbereitung.................................................................................................................................... 28 4.3 Messung des Ausgangswertes (Punkt A) ........................................................................................ 28 4.4 Respiratorische Azidose (R)............................................................................................................ 29 4.5 Metabolische Teilkompensation (M)............................................................................................... 29 4.6 Diagnose mit dem Siggaard-Andersen-Diagramm.......................................................................... 30 4.7 Der Säure/Basen Analysator.............................................................................................................30 4.8 Lernziele der Messungen im Blut.................................................................................................... 32 4.9 Die S/B-Diagnose am Patienten ...................................................................................................... 33 3 I. VORBEMERKUNGEN Das Gleichgewicht des Säure-Basen Haushalt ist eines der Regelziele des Organismus mit hoher Priorität. Neben der Herstellung normoxischer Verhältnisse in allen Organen ist daher die Wiederherstellung oder Erhaltung des S/B-Gleichgewichtes eines der wichtigen Therapieziele der Intensiv- und Notfallmedizin. Regelmäßige Kontrollen des „Säure/Basen-Status“ gehören daher insbesondere bei beatmeten Patienten zum Überwachungs-Standard, zunehmend ist es auch in der Notfallmedizin möglich, S/B-Diagnostik zu betreiben. In der Praxis werden Sie Analyse-Automaten antreffen, die mit ca. 100 Mikrolitern Blut eine vollständige Liste aller Messparameter erstellen. Ziel dieses Praktikums ist es, Ihnen zu ermöglichen, diese Daten zu interpretieren. Dazu ist es (leider?) erforderlich, zu verstehen, wie die S/B-Regulation funktioniert, welche Veränderungen durch bestimmte Störungen ausgelöst werden und wie diese Veränderungen quantifiziert werden. Am Praktikumstag bringen Sie bitte folgendes mit: Kittel, Buntstifte, Taschenrechner, Geodreieck. Zur Vorbereitung auf das Praktikum empfehlen wir: Vorlesung „Vegetative Physiologie“ und die Lehrbuchkapitel: • Säuren-Basen-Gleichgewicht und Pufferung • aus Atmung: CO2-Abgabe und alveoläre Ventilation; CO2 und H+ als Atemreiz • aus Niere: H+-Ausschüttung in der Niere; HCO3− -Rückresorption und HCO3− Bildung Einige Bemerkungen zur Sicherheit im Praktikum: Bei der Titration von Säure und Lauge tragen die Experimentatoren bitte die bereit liegenden Schutzbrillen. Beim Hantieren mit Blut tragen Sie bitte neben der Schutzbrille auch Handschuhe. Vermeiden Sie es bitte, zur Entfernung von Luftblasen heftig mit den Fingern gegen die Spritzen zu „schnipsen“. Ziehen Sie bitte die Schutzkittel beim Verlassen des Praktikums (insbesondere auf dem Weg in die Cafeteria) wieder aus. Die Blutentnahme findet unter Anleitung statt, um die korrekte und sichere Durchführung zu gewährleisten. 4 II. THEORETISCHE GRUNDLAGEN In diesem Abschnitt wird noch einmal der Stoff der Vorlesung im kurzen Abriss dargestellt. Seine Kenntnis wird für das Praktikum vorausgesetzt. 1. Säuren und Basen Definition: Säure = Protonendonator Base = Protoneakzeptor Beide Formen stehen im Gleichgewicht über die Reaktionsgleichung Base + H+ ⇔ Säure (1) Im folgenden bezeichnen wir Base als B- und Säure als HB. Das Minuszeichen bedeutet nicht die absolute Ladungszahl, sondern trägt der Tatsache Rechnung, dass die Base eine negative Ladung mehr trägt als die Säure. Im Gleichgewicht gilt das Massenwirkungsgesetz: [B−] ⋅ [H+] = K´ (2) [HB] wobei K´ = (scheinbare) Dissoziationskonstante (auch als KS bezeichnet). Der pH ist ein Maß für die H+-Konzentration: pH = - log [H+] (3) Einführen dieser Abkürzung im Gl. (2) ergibt die allgemeine Form der Henderson-HasselbalchGleichung: pH = pK´+ log {[B−] / [HB]} (4) Wobei pK´ = - log (K´) in Analogie zu Gl. 3 definiert ist. Nach Gl. (4) ist der pH-Wert einer Lösung, die das Säuren-Basen-Paar HB/B− enthält, vom Konzentrationsverhältnis [B−]/[HB] und der Dissoziationskonstante abhängig. 5 2. Pufferung Puffer sind Substanzen, die H+ bzw. OH− - zu binden vermögen und damit bei Zugabe von H+ oder OH− (Stoffwechsel, H+-Verlust, OH− -Verlust, etc.) die Änderungen der Konzentration freier H+ , also die pH-Änderungen, gering halten. Nach Gl. 1 ist jedes Säure-Basen-Paar ein Puffer und Gl. 4 ist die Puffergleichung, die die Abnahme der Basenform, [B−] und Zunahme der [HB], bei Zugabe von H+ oder umgekehrt die Zunahme der [B−] und Abnahme der [HB], bei Zugabe von [OH−] beschreibt. Bei dieser Pufferung sind zwei Punkte von zentraler Bedeutung für das weitere Verständnis: a) Bei Zugabe von H+ verschwinden ebenso viele Moleküle B- wie HB entstehen (Stöchiometrie): Δ [B−] = -Δ[HB] (5) und umgekehrt für Zugabe von OH−. Wenn weder B− noch HB aus der Lösung entweichen, so ist die Summe von Säure- und Basenkonzentration konstant: [B−] + [HB] = const (6) Ein solches System nennt man Geschlossenes System. Merke Geschlossen heißt ein Puffersystem, bei dem weder Säure noch Base entweicht, so dass die Summe der Konzentrationen von Säure und Base konstant bleibt. b) Nahezu alle den Körperflüssigkeiten zugegebenen H+ oder OH− werden an Puffer gebunden; die Änderung der Konzentration an freien H+-Ionen ist sehr gering. Beispiel: Durch Zugabe von 11 mmol ⋅ l−1 an H+ wird der pH im Plasma des Blutes von 7,4 (normal im extrazellulären Milieu) auf 7,0 verändert, was einer drastischen Azidose entspricht. Wie groß ist die Änderung der freien H+-Konzentration, also Δ[H+]? Vorher: pH = 7,4 [H+] = 10-7,4 = 0,000.000.040 mol/l = 40 nmol/l Nachher: pH = 7,0 [H+] = 10-7,0 = 0,000.000.100 mol/l = 100 nmol/l Δ [H+] = 0,000.000.060 mol/l = 60 nmol/l Änderung der freien [H+] Es sind also von den 11 mmol/l = 11.000.000 nmol/l zugegebenen H+ nur 60 nmol/l frei geblieben; der Rest wurde an Puffer gebunden. Daher werden wir bei den quantitativen Berechnungen stets davon ausgehen, dass alle H+ oder OH−, die wir einer gepufferten Lösung zugeben, an Puffer gebunden werden; also z.B. Δ[H+]zu = −Δ[B−] = Δ[HB] (7) wobei Δ[H+]zu die (auf 1 Liter Pufferlösung berechnete) Zugabe an H+-Ionen ist. Bei Zugabe von H+ werden also Pufferbasen (B−) zugunsten von Puffersäuren (HB) verbraucht. 6 Bei Zugabe von OH− ist alles gerade umgekehrt, da die OH− mit H+ zu H2O reagieren und somit zur Abnahme von H+ führen. Merke Bei Zugabe, Entstehung oder Verlust von H+ oder OH- ist die Veränderung der freien H+ oder OH- mengenmäßig zu vernachlässigen. Trotzdem ist gerade sie die Basis der biologisch wichtigen pH-Veränderungen. 3. Pufferkurven und Pufferkapazität Gl.(4) ist die Gleichung der Pufferkurve, die das Verhältnis [B-]/[HB] (Ordinate) als Funktion des pH (Abszisse) beschreibt. Sie ist in Abb. 1 dargestellt. Wir erkennen an ihr: • S-förmiger Verlauf der Pufferkurve; am steilsten bei [B-] = [HB], d.h. bei pH = pK´. • Jedes (einkomponentige) Puffersystem hat dieselbe Kurvenform. Die Kurven sind nur verschoben entsprechend dem unterschiedlichen pK'. • Ist der pH saurer als der pK', so liegt mehr Puffersäure als Pufferbase vor (und umgekehrt). Base, B- (%) 100 [B-] pH = pK' + log [HB] Pufferkapazität Δ [B-] β= Δ pH 50 99 91 Base 50 1 9 0 50 9 1 (%) Säure, HB Säure 91 50 99 Pufferkapazität -Δ [HB] β= Δ pH 100 pK'-2 pK'-1 pH=pK' pK'+1 pK'+2 Abb. 1. Pufferkurve eines einstufigen Puffersystems nach Gl. (4). Dargestellt ist in der oberen Hälfte (nach − oben) die Konzentration der Base, B , in der unteren Hälfte (nach unten) die Konzentration der Säure, HB − (jeweils in % der Gesamtkonzentration von B und HB). Auf der Abszisse ist der pH relativ zum pK' des − Puffersystems aufgetragen. Da das System geschlossen ist, also [HB] + [B ] konstant, ist in jedem Punkt die Summe der Koordinatenwerte gleich 100%. Daher genügt auch nur eine Kurve, z.B. die obere, zur Darstellung der Pufferkurve. Der Verlauf der Kurve ist S-förmig. Die Steigung ist die Pufferkapazität ß, deren Wert bei pH = pK' am größten ist und sowohl zu höheren wie zu tieferen Werten des pH abnimmt. 7 Um wie viel sich der pH bei einer Zugabe von H+ (bzw. OH−) erniedrigt (bzw. erhöht), hängt ausschließlich von der Verfügbarkeit von Pufferbasen (bzw. Puffersäuren) ab, die die H+ (oder OH−) binden oder puffern. Die Güte der Pufferung kann somit abgeschätzt werden aus der Änderung des pH bei Zugabe von H+ (oder OH−). Die Größe ß (griechisch: Beta) ß = Δ[H+]zu / (−ΔpH) (8) wird Pufferkapazität genannt. Hierbei ist ΔpH eine kleine – genaugenommen eine unendlich kleine – pH Änderung. Das heißt: Die Pufferkapazität ist die Steigung der Pufferkurve. Man kann ihren Wert bei einem bestimmten pH Wert bestimmen, wenn man eine Tangente an die Pufferkurve bei diesem pH Wert legt und die Steigung der Tangente bestimmt. Die Pufferkapazität ist immer positiv, da sich bei Zugabe von H+ der pH erniedrigt. Sie ist am größten bei pH = pK´ und wird praktisch null, wenn pH > pK´ + 1,5 oder pH < pK´− 1,5. Nach Gl. 7 ist die Pufferkapazität nicht nur mit Hilfe der zugegebenen Stoffmenge (Δ[H+]zu) bestimmbar, sondern auch durch Messung der Pufferbasenabnahme oder Puffersäurenzunahme. ß = Δ[B−] / ΔpH = −Δ[HB] / ΔpH (9) Obwohl die Pufferkapazität definiert ist als pH Änderung, die einer Säurezugabe folgt, sind die Änderungen einer Titrationskurve exakt umgekehrt, wenn man mit einer Base (OH−) titriert. Daher hat jedes Säure/Base-Paar bei einem bestimmten pH Wert genau die gleiche Pufferkapazität bezogen auf Säure- oder Basen-Pufferung. Die international übliche Einheiten der Pufferkapazität ist mmol ⋅ l−1 ⋅ pH−1. Merke Die Pufferkapazität ist die Steigung der Pufferkurve und beschreibt die Effektivität eines Puffers. Sie ist am höchsten bei pH-Werten um den pK. Sie ist gut innerhalb eines Intervalls von 1,5 pH-Einheiten um den pK´ und schlecht außerhalb dieses Bereiches. Die Pufferkapazität wird in Millimol pro Liter pro pH angegeben. Gemäß Abb. 1 ändert sich die Pufferkapazität stark, wenn der pH-Wert um eine Einheit oder mehr verändert wird, aber nur wenig, wenn er um Werte schwankt, die physiologisch vorkommen könnten, z.B. ΔpH=0,03. Das führt zu einer praktischen Anwendung der Pufferkapazitäten zur Berechnung von Säure und Basenmengen die benötigt werden, um solche kleine Änderungen des pH-Wertes einer Lösung zu erzielen. Beispiel: Eine Blutkonserve mit V=500 ml Blut soll durch Basenzugabe von dem pH-Wert 7,37 auf 7,40 gebracht werden. Die Pufferkapazität des Blutes ist 20 mmol ⋅ l−1 ⋅ pH−1. Dann ist die benötigte Basenmenge: n = β ⋅ V ⋅ ΔpH = 20 mmol ⋅ l−1 ⋅ pH−1⋅ 0,5 l ⋅ 0,03 pH = 0,3 mmol 5. Biologische Puffersysteme Die wichtigsten Puffer des Organismus sind: HPO4− −/H2PO4− (pK´ = 6,8) : Vorwiegend intrazellulär (nicht in Erythrozyten) Proteine, z. B.Hämoglobin (Hb) in Erythrozyten HCO3− / CO2 (pK´ = 6,1) : Intra- und extrazellulär 8 6. Geschlossenes und offenes Puffersystem In Abb. 2 ist die Pufferkurve des HCO3− / CO2 dargestellt, die ebenso S-förmig verläuft wie jede andere Pufferkurve (eines einstufigen Puffers; s. Abb. 1). Starten wir etwa mit einer Lösung von 20 mmol ⋅ l-1 HCO3− , so wird Zugabe von je 1 mmol H+ pro Liter Lösung die Bikarbonatkonzentration um 1 mmol ⋅ l-1 erniedrigen und 1 mmol ⋅ l-1 CO2 bilden. Dabei ist entscheidend, dass das Puffersystem geschlossen ist (Gl. (6) ), damit das CO2 nicht entweicht. Beim physiologischen pH ist die Pufferung sehr schlecht (pH – pK´= 1,3). Im arteriellen Blut wird aber mit der Atmung der pCO2 weitgehend konstant gehalten (pCO2 = 5,3 kPa): Gebildetes CO2, z.B. bei Zugabe von H+, wird abgeatmet; verbrauchtes, z.B. bei Zugabe von OH− zur Bildung von HCO3−, wird durch Minderatmung retiniert. Die Konzentration des physikalisch gelösten CO2 ist: [CO2] = αCO2 ⋅pCO2 (10) wobei die Löslichkeit α CO2 = 0,226 mmol ⋅ l-1 ⋅ kPa-1 beträgt. Damit ist die Konzentration des CO2 im arteriellen Blut (pCO2 = 5,3 kPa) weitgehend konstant: [CO2] = 0,226 ⋅ 5,3 = 1,2 mmol ⋅ l-1. Das Puffersystem HCO3− /CO2 ist also nicht geschlossen, sondern bezüglich seiner Säurekomponente, CO2, offen. Dieses führt im Vergleich zum geschlossenen System zu einer besseren Pufferung bei physiologischen pH-Werten. 30 25 βoffen 20 Geschlossenes System: [CO2] + [HCO3- ] = const = 20 mmol·l-1 βgeschlossen 15 [CO2] = [HCO3- ] 1 = 10 mmol·l- 10 pK' = 6,1 Offenes System: [CO2]= const =1,2 mmol·l-1 5 [CO2] = [HCO3- ] = 1,2 mmol·l-1 0 5,0 6,0 pH 7,0 8,0 Abb. 2. Bikarbonat-Konzentration in Abhängigkeit vom pH für das geschlossene [Gl.(13)] und das offene Puffersystem [Gl.(15)]. Im geschlossenen System ist die − Summe [HCO3 ] + [CO2] stets -1 20 mmol·l , im offenen System ist [CO2] stets 1.2 mmol·l-1. In beiden − Fällen ist bei pH = pK', [HCO3 ] = [CO2]; im ersten Fall ist dabei − [HCO3 ] = 10 mmol·l-1, im zweiten = 1,2 mmol·l-1. Beachte insbesondere, dass sich mit zunehmendem pH die Pufferkurve im geschlossenen System abflacht, während sie im offenen System steiler wird. Im physiologischen Bereich des Plasma-pH (7,35-7,45) ist daher die Pufferkapazität im offenen System viel höher als im geschlossenen. 9 Die Henderson-Hasselbalch-Gleichung [Gl.(4)] des HCO3- /CO2-Puffersystems: pH = 6,1 + log{[HCO3− ]/[CO2]} (11) erlaubt die Berechnung der Pufferkurven sowohl im geschlossenen wie im offenen System. Im geschlossenen System ist [CO2] + [HCO3−] = const (12) (im Fall der Abb. 2 gleich 20 mmol · l-1) und somit pH = 6,1 + log {[HCO3- ]/[20 - HCO3- ]} (13) Im offenen System ist hingegen [CO2] = const (14) (im Fall der Abb. 2 gleich 1,2 mmol · l-1) und somit pH = 6,1 + log {[HCO3- ]/1,2} (15) Gleichung (13) und (15) liegen der Berechnung der Abb. 2 zugrunde (und werden im Verlauf des Praktikums benötigt). Merke Das CO2/HCO3--Puffersystem ist im Organismus offen, da die flüchtige Säure CO2 abgeatmet (oder durch verminderte Atmung retiniert) werden kann. Dadurch puffert das offene System besonders im physiologischen Bereich gut, obwohl der pH in diesem Bereich um 1.3 Einheiten vom pK´ abweicht. 10 7. Pufferung bei metabolischen und respiratorischen Veränderungen Veränderungen des pH, die durch Änderungen der Konzentration von H+ oder OH− hervorgerufen werden, bezeichnet man als metabolische Veränderungen. Diese H+ oder OH− werden an alle verfügbaren Puffer gebunden, wobei wir (aus noch zu besprechenden Gründen) dem Bikarbonat-Puffer (HCO3−/CO2) alle anderen als Nichtbikarbonat-Puffer (z.B. HPO4−−/H2PO4− oder Proteine) gegenüberstellen. Die Pufferung erfolgt also folgender Reaktion: CO2 + H2O ← H+-Zugabe ⇓ HCO 3 + H+ + B− (6) ↓ HB − + Bei OH -Zugabe ist alles umgekehrt, da dies einer H -Abnahme entspricht. Andererseits bewirkt auch eine Veränderung des pCO2 eine Verschiebung in dieser Reaktionsgleichung mit Veränderung der Konzentration des H+. Diese wird respiratorische Veränderung genannt: PCO2-Erhöhung ⇓ CO2 + H2O → HCO3- + H+ + B− (17) ↓ HB Der Vergleich dieser beiden Reaktionsschemata zeigt den bedeutenden Unterschied in der Pufferung bei metabolischer und respiratorischer Veränderung: • Bei metabolischer Störung puffern sowohl das HCO3−/CO2 - wie auch das NichtbikarbonatPuffersystem. Wie viele H+ am einen oder anderen gepuffert werden, hängt nur von der jeweiligen Pufferkapazität ab. • Bei respiratorischer Veränderung (z.B. respiratorischer Azidose) entstehen H+ in gleicher Menge wie HCO3−, und diese H+ werden (praktisch) vollständig an B- gebunden. Das bedeutet: • Das HCO3- /CO2 -Puffersystem selbst puffert nicht die bei respiratorischen Veränderungen gebildeten (oder verschwindenden) H+; vielmehr werden diese nur von NichtbikarbonatPuffern gepuffert. • Die Summe der Pufferbasenkonzentrationen, [HCO3- ] + [B-], bleibt bei respiratorischen Veränderungen konstant. z.B.: Wenn bei pCO2-Erhöhung 1 mmol · l-1 HCO3− entstehen, so werden die gleichzeitig entstehenden 1 mmol ⋅ l-1 H+ an B− gebunden, dessen Konzentration daher um 1 mmol ⋅ l-1 abnimmt. Somit sind bei respiratorischen Veränderungen die Änderungen der [HCO3-] und [B-] entgegengesetzt gleich. Δ[HCO3- ] = - Δ[B-] (18) 11 Dies gilt wohlgemerkt nur, wenn die HCO3−-Veränderung durch respiratorische Veränderung hervorgerufen ist. Merke Bei metabolischer Veränderung (z.B. H+-Zugabe oder Entstehung) puffern sowohl Bikarbonat-Puffer als auch Nichtbikarbonat-Puffer. Bei respiratorischen Veränderungen puffern nur die Nichtbikarbonat-Puffer. Merke Die Pufferkapazität der Nichtbikarbonat-Puffer kann berechnet werden aus der Veränderung von [HCO3-] bei respiratorischen Veränderungen. 8. Diagnose einer Störung im Säuren-Basen-Haushalt Dies ist sehr einfach: Jede Abweichung des pH vom Normalwert erlaubt die Diagnose einer Störung im Säuren-Basen-Haushalt. Dabei sind nur zwei Dinge zu beachten: 1. Der Bezugswert ist im praktischen Alltag der pH im Plasma des arteriellen Blutes. Blut deshalb, weil es leicht zu bekommen ist. Arteriell deshalb, weil es pH-Unterschiede zum venösen Blut gibt (unterschiedlicher pCO2). Venöses Blut ist zwar leichter zu gewinnen, aber bezüglich pH nicht gut definiert (regionale Unterschiede). Plasma deshalb, weil die gängigen pH-Elektroden den Plasmawert messen. 2. Es gibt nicht nur einen einzigen Normalwert des arteriellen pH, sondern einen Normalbereich. Er beträgt 7,35-7,45. Als Azidose wird ein pH des arteriellen Plasmas, der niedriger als 7,35 ist, als Alkalose ein solcher höher als 7,45 bezeichnet. Klinisch relevant für die Ursache der Störung ist die Differentialdiagnose (= Unterscheidung) zwischen metabolischer und respiratorischer Störung. Respiratorische Störungen haben ihre Ursache primär in Veränderungen der Atmung (Gasaustausch, Atemmechanik, Atmungsregulation). Metabolische Störungen beruhen hingegen auf Veränderungen im Stoffwechsel, der Nierenfunktion, auf Säureverlust (z.B. Erbrechen) oder auf Basenverlust (z.B. Diarrhoe). Die Differentialdiagnose einer Störung im Säure/Base Haushalt erfolgt durch Messung im arteriellen Blut bei 37°C. Die folgenden Parameter werden bei der Beschreibung des Säure/Basen Status angegeben. Die wichtigsten davon sind durch Fettdruck hervorgehoben: 12 pH Erniedrigung → Azidose; Erhöhung → Alkalose. Normalwert: 7,40. pCO2 Veränderung kennzeichnet respiratorische Komponente. (Bei der primär metabolischen Störung, bei der die Lunge noch nicht kompensatorisch eingegriffen hat, ist der pCO2 normal). Normalwert: 5,3 kPa. BB Die Summe der Bikarbonat- und Nichtbikarbonat-Pufferbasenkonzentrationen, Gesamtpufferbasen (BB). Normalwert: 48 mmol· l-1. BE (Basenabweichung) Veränderung kennzeichnet metabolische Komponente. Normal: BE = 0 mmol · l-1). Der BE ist die Abweichung der gesamten Pufferbasen-Konzentration vom Normalwert. Nach Gl.(7) sind beispielsweise bei einem BE von −10 mmol · l-1 gerade 10 mmol · l-1 H+ ins Blut gelangt und haben die metabolische Azidose verursacht. Daher werden auch 10 mmol OH− für jeden Liter Blut zur Rücktitration zum Normalen benötigt. Aktuelle Bikarbonatkonzentration (=[HCO3- ]), die in dem arteriellen Blut vorliegt. Normalwert: 24 mmol· l-1. Standard Bikarbonatkonzentration. Das ist die Bikarbonatkonzentration, die sich einstellt, wenn das Plasma von voll-oxygeniertem Blut bei 37°C auf einen pCO2 von 5,3 kPa eingestellt wird. [HCO3- ] [HCO3−]st Zusammenfassend ergeben sich die in Tabelle 1 dargestellten Unterschiede zwischen respiratorischer und metabolischer Azidose und Alkalose: Tabelle 1 Verhalten diagnostischer Parameter bei unkompensierten respiratorischen und metabolischen Störungen. ↑ Anstieg, ↓ Abfall, = keine Änderung. Respiratorische Azidose pH pCO2 BB BE ↓ ↑ = = − − [HCO3 ] [HCO3 ]st ↑ Puffermechanismus − = B → HB − Metabolische Azidose ↓ = ↓ ↓ ↓ ↓ B → HB und HCO3− → CO2 Respiratorische Alkalose ↑ ↓ = = ↓ = B ← HB ↑ B ← HB und HCO3− ← CO2 − − Metabolische Alkalose ↑ = ↑ ↑ ↑ 13 Diagnostisch beweisend sind also pCO2 (nur bei respiratorischer Störung verändert) und BE (nur bei metabolischer Störung verändert). [HCO3−] ändert sich bei beiden Formen der Störung in entgegengesetzter Richtung. Die Erhöhung von [HCO3−] bei respiratorischer Azidose ist nach Gl.(18) der Erniedrigung von B− gleich, so dass die Gesamtpufferbasenkonzentration (BB) unverändert bleibt; damit bleibt auch der BE unverändert. Merke Veränderungen des pH zeigen an, ob überhaupt eine Störung im SäurenBasen-Gleichgewicht vorliegt; Veränderungen des pCO2 deuten auf eine respiratorische, des BE auf eine metabolische Komponente hin. 9. Diagramm zur Diagnose von Säuren-Basen-Störungen im Blut Grundlage ist die Henderson-Hasselbalch-Gleichung [Gl. (11)], die mit Gl. (10) die folgende Form erhält: pH = 6,1 + log{[HCO3- ]/(α· pCO2)} (20) Sind zwei Größen bekannt, z.B. pH und PCO2, so kann die dritte, z.B. [HCO3−], aus ihr berechnet oder aus einer Diagramm-Darstellung abgelesen werden (α ist ja ein bekannter Zahlenwert). Abbildung 3 ist das log pCO2-pH-Diagramm, in dem der PCO2 in logarithmischer Teilung auf der Ordinate, der pH auf der Abszisse abgetragen ist. Das entspricht der Umformung von Gl.(20). log pCO2 = - pH + log[HCO3-] + 6,75 wobei 6,75 = 6,1 - log α ist (α = 0,226 mmol · l-1 · kPa-1 , s.o.). Dabei ist HCO3− in mmol ⋅ l-1 und pCO2 in kPa einzusetzen. Die Iso-HCO3− -Linien, entlang denen [HCO3−] = const ist, haben also die Neigung von -1. Respiratorische Veränderungen erfolgen entlang der CO2-Äquilibrierungslinie, deren Neigung steiler ist als -1, da ja nach Gl.(17) [HCO3−] gebildet wird. Da sich hierbei der BE nicht verändert, ist diese Linie auch eine Iso-BE-Linie. Metabolische Veränderungen verlaufen hingegen horizontal entlang einer Iso- pCO2. 14 pH 7,23 pH 7,40 20 15 il qu -Ä PCO2 10,0 kPa gs un ier ibr A 80 ie Lin 60 50 N 5 24 ie in - -L O3 20 n 3 30 C -H 4 PCO2 5,3 kPa 40 O IS PCO 2 (kPa) CO 2 A' 10 9 8 7 6 C [H ISO - PCO2 - Linien 15 m -] O3 ol -1 ·l 7 6,8 m 10 2 7,0 7,2 7,4 7,6 7,8 pH Abb. 3. Log pCO2-pH-Diagramm. Die Iso-HCO3− -Linien sind parallele Geraden. Die CO2Äquilibrierungslinie kann man erhalten, wenn man Vollblut vom Normalpunkt (N; pCO2 = 5,3 kPa, pH = 7,40) mit unterschiedlichen pCO2-Werten äquilibriert. Ein solcher Punkt ergibt sich als Punkt A bei Äquilibrierung mit 10 kPa CO2. Dabei wird der pH saurer (7,23) und [HCO3−] nimmt von 24 auf 30 mmol · l-1 zu, da gemäß Gl.(17) Nichtbikarbonat-Puffer (B−) die entstehenden H+ abpuffern. In einer ungepufferten Bikarbonatlösung würde beim gleichen PCO2 der Punkt A‘ erreicht, bei dem [HCO3−] unverändert 24 mmol · l-1 ist: Es können keine HCO3− entstehen, da es keine B− zum Puffern der H+ gibt [s. Gl.(18)]. 15 10. Kompensationen primärer Störungen Primäre Störungen werden vom Organismus mit dem Ziel beantwortet, die pH-Veränderung gering zu halten. Nach der Henderson-Hasselbalch-Gleichung pH = 6,1 + log{[HCO3- ]/[CO2]} (21) ist das Regulationsziel also, das Verhältnis [HCO3− ]/[CO2] nahe an der Norm zu halten. Bei der primär metabolischen Azidose ist [HCO3−] erniedrigt (s. Tabelle 1), und es wird die alveoläre Ventilation angetrieben, um CO2 abzuatmen und [CO2] zu vermindern, so dass [HCO3−]/[CO2] wieder näher zum Normwert zurückkehrt: Respiratorische Kompensation. (Umgekehrt bei metabolischer Alkalose). Bei der primär respiratorischen Azidose ist der pCO2, also auch [CO2] erhöht. Auch die [HCO3−] ist erhöht, und die Pufferbasen sind um (praktisch den gleichen Betrag) erniedrigt, so dass BE konstant bleibt. Der Anstieg in [HCO3−] ist jedoch relativ geringer als der des [CO2], so dass [HCO3−]/[CO2] absinkt, somit auch der pH. Zur Kompensation bildet die Niere HCO3−, indem sie vermehrt H+ ausscheidet. Damit wird [HCO3−]/[CO2] dem Normalwert angenähert: Renale Kompensation. In der Klinik sieht man selten die reinen primären Störungen, vielmehr alle Mischformen. 11. Diagnose nach dem Siggaard-Andersen-Diagramm In Abb. 4 ist das Siggaard-Andersen-Diagramm dargestellt, das aus dem log pCO2-pH-Diagramm (Abb. 3) entwickelt ist. Zusätzlich sind die Kurven für die Konzentration der Pufferbasen (BB) bzw. den BE dargestellt. Mit Hilfe der CO2-Äquilibrierungslinie können an diesen Skalen BB und BE-Änderungen bestimmt werden. In einer idealen Blutprobe mit pH 7,40 und pCO2 5,3 kPa kann der Verlauf der CO2Äquilibrierungskurve direkt mit Hilfe der Gesamtpufferbasenkonzentration (BB) ermittelt werden, in dem man den Normalpunkt A mit der Wert auf Pufferbasenkurve B verbindet. Die Pufferbasenkonzentration [BB] können wir aus der Messung der Hämoglobin-Konzentration, [Hb] abschätzen, da Hämoglobin den quantitativ wichtigsten Nicht-Bikarbonat-Puffer des Blutes darstellt. In dem Diagramm befindet sich unterhalb der BB-Kurve eine [Hb]-Skala, die einem gegebenen [Hb] die zugehörige [BB] zuordnet. [Hb] wird in diesem Fall nicht in g · l-1 sondern in mmol · l-1 angegeben. Ein typischer Wert unserer “Blutspender” ist: [Hb] = 9 mmol · l-1 , was nach der Skala an der BBKurve einer [BB] von 48 mmol · l-1 entspricht (Punkt B). Die CO2 -Äquilibrierungslinie eines Gesunden und unserer Blutspender läuft somit idealerweise durch: Punkt A: Normalwert im arteriellen Blut: pCO2 = 5,33 kPa, BE = 0 mmol · l-1 , [HCO3−] = 24 mmol·l-1 Punkt B: Messwert der Hb-Konzentration: [Hb] = 9 mmol·l-1 , BB = 48 mmol · l-1 Einen solchen Verlauf, der die direkte Ablesung der Steilheit der Gerade am [Hb] erlaubt, kann man als Norm-CO2 -Äquilibrierungslinie bezeichnen. 16 Die aus der Hämoglobinkonzentration ermittelte Pufferbasenkonzentration (BB) dient auch zur Ermittlung der aktuellen CO2-Äquilibrierungslinie eines Patienten mit Störungen im Säure/Basen-Haushalt. Diese aktuelle CO2-Äquilibrierungslinie läuft durch den Punkt im Diagramm, der durch pCO2 und pH des Patientenblutes gegeben ist. Die aktuelle CO2 -Äquilibrierungslinie hat ihrerseits wieder Schnittpunkte mit den Kurven des BB und BE. Da die Konzentration von BB mit Hilfe des [Hb] für einen Organismus ohne Basenabweichung ermittelt wurde, wird die aktuelle Äquilibrierungslinie die BB-Kurve in einem bestimmten Abstand von der Norm- Äquilibrierungslinie schneiden, wenn es zu Basenabweichungen gekommen ist. Dabei gilt definitionsgemäß, dass die BB- und die BE-Abweichung von der Norm-Äquilibrierungslinie den gleichen Wert haben. Die aktuelle CO2-Äquilibrierungslinie schneidet die BB- und BE-Kurven also in einem jeweils gleichen Abstand von der Norm-Linie. Durch die drei Punkte (pCO2 und pH Schnittpunkt, Schnittpunkte mit der BB und BE-Kurve) ist der Verlauf der aktuellen CO2-Äquilibrierungslinie definiert. Die Kenntnis der Pufferbasenkonzentration repräsentiert durch den Hb, sowie die Kenntnis von pH und pCO2 , ermöglicht also die Konstruktion jeder aktuellen CO2-Äquilibrierungslinie. Beispiel: Im arteriellen Blut (Plasma) eines Patienten wurde ein PCO2 von 7,9 kPa und ein pH von 7,36 gemessen (Punkt M). Schon ohne Diagramm wissen wir, dass eine respiratorische Azidose vorliegt (pCO2 erhöht). Zur weiteren Analyse benötigen wir die normale Pufferbasenkonzentration des Patientenblutes (BB). Diese können wir aus der Messung der Hämoglobin-Konzentration, [Hb], abschätzen, da Hb den quantitativ wichtigsten Nicht-Bikarbonat-Puffer darstellt. Es sei gemessen: [Hb] = 9 mmol · l-1 , was nach der Skala an der BB-Kurve einer BB von 48 mmol · l-1 entspricht (Punkt B). Die Norm-CO2-Äquilibrierungslinie des Patientenblutes läuft also wiederum durch oben beschriebenen Punkte A und B. Um den BE der Blutprobe zu bestimmen, legen wir durch den Messpunkt M eine Gerade ( = aktuelle CO2-Äquilibrierungslinie), die die Kurven BB und BE so schneidet, dass (gemäß Definition des BE) die Veränderung des BB gleich ist dem BE: Aktueller BB (Punkt D) - Normaler BB (Punkt B) = BE (Punkt C). • Im Beispiel: 53 - 48 = + 5 mmol · l-1 . Weiter lesen wir ab: • Aktuelle [HCO3−]: Iso-HCO3- -Linie durch M mit einer Steigung von -1 (Winkel von 45° zur Horizontalen). Ihr Schnittpunkt bei pCO2 = 5,33 kPa ergibt 33 mmol · l-1 (Punkt F). • Standard-[HCO3- ] : Schnittpunkt der aktuellen CO2-Äquilibrierungslinie bei PCO2 = 5,33 kPa ergibt 29 mmol · l-1 (Punkt E). Die Werte des Säure/Basen Status sind also: pH = 7,36, pCO2 = 7,9 kPa, BB = 53 mmol · l-1, BE = + 5 mmol · l-1, Aktuelle [HCO3−] = 33 mmol · l-1 , Standard-[HCO3 -] = 29 mmol · l-1. Die wichtigsten Parameter zur klinischen Diagnose: pH = 7,36, pCO2 = 7,9 kPa, BE = + 5 mmol · l-1. Daraus folgt die Diagnose: Kompensierte respiratorische Azidose. 17 pCO2 im Blut (kPa) 20.0 7.0 6.9 7.1 7.3 7.2 7.4 7.6 7.5 pCO2 im Blut (kPa) 20.0 7.7 15.0 15.0 45 B 50 D 55 60 40 35 65 0 5 10 15 20 Hb im Blut (mmol/l) 70 75 30 10.0 10.0 80 BB im Blut (mmol/l) 9.0 9.0 M 25 8.0 8.0 7.0 7.0 6.0 6.0 0 20 5.0 A +5 C F E HCO3- im Plasma (mmol/l) 5.0 +10 -5 -10 +15 19 4.0 4.0 BE im Blut (mmol/l) +20 18 3.5 -15 e" ell ktu "a 3.0 17 3.0 2 CO O2 -20 Äq 16 i ibr ie uil 2.0 2.5 lin gs un ier C "rm ibr uil Äq o "N 2.5 3.5 2.0 eru ng n sli ie -22 1.5 1.5 15 1.3 pH im Plasma 6.9 7.0 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7 pH im Plasma 1.3 Abb.4. Kompensierte respiratorische Azidose im Log pCO2-pH-Normogramm mit den Kurven zur Berechnung von Gesamt-Pufferbasen-Konzentration (BB) und Basenüberschuss (BE). 18 III. MESSUNG DES pH UND DES pCO2 1. Prinzip der pH Messung Der pH-Wert im Blut wird mit der Glaselektrode bestimmt, deren wesentlicher Teil die für die H+-Ionen durchlässige Glasmembran ist (Abb. 5). Gemessen wird die Potentialdifferenz zwischen der Messlösung und der Innenlösung, die einen festen pH-Wert (pHi) hat. Nach der NERNSTschen Gleichung für das Gleichgewichtspotential ist diese Potentialdifferenz dem Logarithmus der H+-Ionenkonzentration der Messlösung [H+]a, proportional und damit dem pH der Messlösung (pHa). Da die Glasmembran nur mit Plasma direkten Kontakt hat, wird bei der Messung im Blut der pH-Wert des Plasmas gemessen. Der intraerythrocytäre pH-Wert ist ca. 0,2 Einheiten niedriger. U(mV) Nernst: U = -61mV·log + [H ]a U = -61mV (pHa-pHi) Puffer Dabei ist pHi konstant 7,00. Ag + + - [H ]i - + +- -++ + [H ]a Ag KCl + + U UA Steigung: -61 mV pro pH UB Lösung H+-durchlässige Glasmembran Bezugselektrode pHA pHa pHB Abb. 5. Prinzip der pH-Messung mit der Glaselektrode und Eichung. Der sensible Teil der Glaselektrode ist die selektiv für H+-Ionen (nicht für andere Ionen) durchlässige Glasmembran, an der sich im Gleichgewicht eine Potentialdifferenz ausbildet, die nach der NERNSTschen Gleichung vom Verhältnis der H+-Konzentration innen, [H+]i, und außen, [H+]a, abhängt. Dabei ist [H+]i durch die gepufferte Lösung konstant gehalten und [H+]a ist die H+-Konzentration der Messlösung (z.B. Blut, bzw. Blutplasma). In die Elektrode taucht ein Silberdraht (Ag), und über eine KCl-gefüllte Elektrode wird ein Stromkreis geschlossen, so dass die Potentialdifferenz an der Glasmembran als Spannung (U) gemessen werden kann Der elektrische Widerstand des Messkreises entsteht über der Glasmembran, wobei der Innenwiderstand des Voltmeters noch wesentlich höher ist, um eine Messung zu ermöglichen. Zur Eichung, s. Text. 19 Zur Eichung wird die Elektrode nacheinander in zwei Pufferlösungen (A und B) mit bekannten pH-Werten getaucht (pHA und pHB), und die Werte der Spannung U werden am Voltmeter abgelesen (UA und UB). Aus diesen Werten wird in einem Diagramm von U gegen pH (s. Abb. 5) die Eichgerade der Elektrode bestimmt. Die Steigung dieser Geraden beträgt -61 mV pro Änderung des pH um eine Einheit. Wird bei Messung in einer Lösung mit unbekanntem pH der Spannungswert U abgelesen, so ergibt sich der gesuchte pH aus der Eichgeraden. 2. Hinweise zur Benutzung der pH-Elektrode Die Glasmembran am unteren Ende der Elektrode ist sehr empfindlich; daher Vorsicht im Umgang! Die Elektrode wird bei Nichtgebrauch in 3 M KCl aufbewahrt. Bevor die Elektrode in eine neue Lösung eingetaucht wird, wird sie sorgfältig mit Spül-Lösung abgespült und vorsichtig abgetupft. 3. Prinzip der pCO2-Messung In den folgenden Aufgaben müssen Sie den Kohlendioxid-Partialdruck (pCO2) nicht selbst messen, da Ihre Proben durch die Tonometrie genau definierte pCO2-Werte aufweisen werden. Der Säure/Basen-Analysator hingegen, wird den pCO2 messen. Das Messprinzip basiert auf einer Elektrode wie oben beschrieben. Vor der H+-durchlässigen Glasmembran befindet sich eine zusätzliche CO2-durchlässige Kunstoffmembran. Zwischen den beiden Membranen befindet sich ein Puffer, der Bicarbonat enthält. In Abhängigkeit vom aussen herrschenden pCO2 wird CO2 in diesen Zwischenraum hinein oder aus ihm heraus diffundieren. In die Lösung im Zwischenraum diffundierendes CO2 wird deren pH-Wert erniedrigen aus der Lösung diffundierendes CO2 ihn erhöhen (siehe Gleichung 11). Diese pH-Wert Änderung wird von der pH-Elektrode gemessen und ist proportional zu dem aussen herrschenden pCO2. SI-Einheiten Messwerte sollen in Zukunft auch in der Medizin in den Einheiten des Systèm international d’Unités (SI) angegeben werden. In zahlreichen Feldern führt dies jedoch zu Problemen, da die klinischen Kollegen dazu neigen, lange benutzte ältere Einheiten weiter zu benutzen, da sie sich anhand dieser gewohnten Einheiten schneller ein Bild von den Problemen des Patienten machen können. Das wichtigste Problem in der Säure/Basen Analytik ist die Einheit des Partialdrucks. Die alte Einheit sind Millimeter Quecksilbersäule (mmHg), 1 mmHg kann auch 1 Torr genannt werden. Die neue Einheit des Partialdrucks ist Pascal bzw. Kilopascal (kPa). 1 mmHg = 1 Torr = 0,13333 kPa 7,5 mmHg = 7,5 Torr = 1 kPa 20 IV. AUFGABEN 1. pH-Eichung Zur Eichung werden zwei Pufferlösungen A und B mit bekanntem pH vorgegeben. (Die pHWerte dieser Eichlösungen werden im Praktikum angegeben). Die pH-Elektrode bleibt in Lösung solange, bis die Anzeige am Voltmeter weitgehend stabil ist; jedoch nicht länger als 2 Minuten. Puffer Vorgegebener pH (s. Tafel) Abgelesener Wert U* (mV) A B * Auf Vorzeichen achten! Werte von pH und U in Diagramm 1 eintragen. Alle Diagramm-Vorlagen werden im Praktikum ausgegeben. Steilheit der Elektrode berechnen: UA - UB Steilheit = = pHA - pHB Der nominelle Wert ist -61 mV/pH (s. Abb. 5). Bei diesem, wie bei allen anderen berechneten Werten, sollen nur so viele Nachkommastellen angegeben werden, wie nach den Messungen gesichert sind. Zwar ist die Spannung U am Instrument auf 0,1 mV und pH aus der Eichgeraden auf 0,02 Einheiten ablesbar, Sie werden bei der Ablesung des Voltmeters jedoch schnell feststellen, dass unter den Praktikumsbedingungen nur die Angabe ganzer Millivolt sinnvoll ist, da die Unruhe um den Messplatz die Nachkommastelle schwanken lässt. Die pH-Werte können daher nur mit zwei Nachkommastellen angeben werden. 21 2. HPO4-- / H2PO4--Puffersystem 2.1 Vorbereitung Vorgegeben sind zwei Lösungen, eine enthält 20 mmol · l-1 HPO4--, die andere 20 mmol · l-1 H2PO4-. Von jeder Lösung werden 50 ml abgemessen und gemischt. Das ergibt 100 ml einer Lösung, die HPO4-- und H2PO4- jeweils in einer Konzentration von 10 mmol · l-1 enthalten. In einem Becherglas werden 100 ml dieses Gemisches angesetzt und ins Wasserbad (37°C) gestellt. 2.2 Bestimmung des pK'-Wertes Wenn in einer Lösung die Konzentration von Pufferbase und Puffersäure gleich ist, so ist der pH dieser Lösung gleich dem pK'. Da in der in 2.1 angesetzten Pufferlösung [HPO4--] = [H2PO4-], so ist der pH dieser Lösung gleich dem pK' des Puffersystems HPO4--/H2PO4-. Messen mit Elektrode U1 = Ablesen Eichgerade (Diagramm 1) pH = Der Messwert ist also pK´ = mV Der theoretische pK’ ist 6,8. 2.3 Messung der Pufferkurve: Titration ins Saure Aus Zeitgründen wird nur der saure Ast der Pufferkurve (pH < pK') gemessen. Ausgehend vom pK' wird durch Zugabe von H+ der pH ins Saure verschoben. Zur H+-Zugabe wird eine starke, d.h. vollständig dissoziierte Säure genommen. Als solche dient 1 N HCl (1 mol · l-1 H+-Ionen). Wir erinnern uns: Bei Zugabe von H+ werden stöchiometrisch gleiche Mengen an Pufferbase (HPO4--) in Puffersäure (H2PO4-) umgewandelt [s. Gl.(7)]. Werden daher 0,2 ml einer 1 N HCl mit einer Spritze den 100 ml Pufferlösung zugegeben, so ergibt sich folgendes: In der Spritze: 0,2 ml 1 N HCl enthält 0,2 mmol freie H+ Zugabe zur Lösung: 0,2 mmol H+ zu 100 ml Lösung entspricht Δ[H+]zu = 2 mmol H+ auf 1 l Lösung = 2 mmol · l-1 . Da (praktisch) alle diese H+ an die Pufferbase binden und diese in Puffersäure überführen, ist: Abnahme von [HPO4--] = Zunahme von [H2PO4-] = 2 mmol·l-1 . Es entsteht also H2PO4- auf Kosten von HPO4--, und dies geht solange, bis kein HPO4-- mehr vorhanden ist, bis also insgesamt 10 mmol · l-1 H+ zugegeben sind. Weitere H+-Zugabe bewirkt dann eine starke Abnahme des pH, da keine Pufferbase zur Bindung der H+ zur Verfügung steht. 22 Messprotokolle: Es wird jeweils 1 ml Säure in die Spritze aufgezogen; bei jedem Schritt werden 0,2 bzw. 0,1 ml aus dieser Spritze der Lösung zugegeben. Nicht die zuzugebende Säuremenge bei jedem Schritt gesondert aufziehen, da sich dabei die Fehler in der aufgezogenen Menge addieren! Gilt auch für die anderen Versuche! Nach jedem Schritt der Zugabe wird der Wert von U nach 2 min protokolliert, der pH-Wert aus der Eichgeraden (Diagramm 1) abgelesen und die zugehörigen Werte von Pufferbase (HPO4--) bzw. Puffersäure (H2PO4-) und pH in das Diagramm 2 eingetragen, das wie Abb. 1 aussieht. Dabei werden die Messwerte mit deutlichen Punkten (•) markiert. Schritt Zugabe (ml) (mmol) [H+]zu (mmol · l-1) Ausgang - - - 1 0,2 0,2 2 2 0,2 0,2 2 3 0,2 0,2 2 4 0,2 0,2 2 5 0,1 0,1 1 6 0,1 0,1 1 7 0,1 0,1 [HPO4-- ] (mmol · l-1) [H2PO4-] (mmol · l-1) U (mV) pH 23 2.4 Berechnung der Pufferkurve Die Pufferkurve kann aus der Henderson-Hasselbalch-Gleichung [Gl.(4)] berechnet werden: pH = pK'+ log{[HPO4--]/[H2PO4-]} (22) Da das Puffersystem geschlossen ist, ist [HPO4--] + [H2PO4-] = const = 20 mmol · l-1 und aus Gl. (22) entsteht eine der Gl. (13) entsprechende Gleichung. Zur Berechnung wird der theoretische pK' 6,8 gewählt. Es kann jedes Verhältnis [HPO4−−]/[H2PO4−] berechnet werden. Um eine glatte Kurve ziehen zu können, reichen die folgenden Werte aus: [HPO4−−] / H2PO4− Berechneter pH 0,1 / 19,9 0,5 / 19,5 1 / 19 2 / 18 4 / 16 6 / 14 8 / 12 10 / 10 12 / 8 14 / 6 16 / 4 18 / 2 19 / 1 19,5 / 0,5 19,9 / 0,1 Tragen Sie diese Werte als dünne Punkte in Diagramm 2 ein und verbinden Sie die Punkte durch eine glatte Kurve. Die Messpunkte sollten nahe an dieser Kurve liegen. 24 2.5 Lernziele der Phosphatpufferkurve • • • • S-förmiger Verlauf der Pufferkurve; am steilsten bei [B−] = [HB], d.h. bei pH = pK´. Jedes (einkomponentige) Puffersystem hat dieselbe Kurvenform. Die Kurven sind nur verschoben entsprechend dem unterschiedlichen pK'. Ist der pH saurer als der pK', so liegt mehr Puffersäure als Pufferbase vor (und umgekehrt). Entsprechend: Ist der pK' eines Puffersystems kleiner als der aktuelle pH einer Lösung (d.h. pH > pK'), so liegt der Puffer vorwiegend dissoziiert vor. Wie liegt die Milchsäure in der Extrazellulärflüssigkeit vor? (pK' von Milchsäure/Laktat ist 3,9). 3. HCO3−/CO2-Puffersysteme 3.1 Vorbemerkungen Dieser Puffer wird im geschlossenen und im offenen System untersucht. Der pK'-Wert des Bikarbonat-Puffersystems CO2/HCO3− lässt sich nicht ohne weiteres wie beim Phosphatsystem durch Mischen von gleichen Mengen Säure und Base bestimmen, da die Säure dieses Systems das flüchtige CO2 ist, für das keine Vorratslösung hergestellt werden kann. Daher beginnen wir hier mit der reinen Basenform (20 mmol · l-1 NaHCO3). Durch schrittweise Zugabe von Säure (HCl) wird diese in die Säureform (CO2) überführt. Wenn man verhindert, dass dieses CO2 die Lösung verlässt, dann entsteht die typische Sförmige Pufferkurve (geschlossenes System; Teilaufgabe 3.2). Wenn man aber, wie im Organismus, den CO2-Partialdruck konstant hält und das gebildete CO2 entfernt (Säureanteil des Systems ist konstant), dann entsteht eine völlig andere Pufferkurve, die im physiologisch relevanten Bereich sehr viel steiler verläuft und damit die gute Pufferwirkung des CO2/HCO3−-Systems im Organismus erklärt (offenes System; Teilaufgabe 3.3). (Vergleiche Pufferkurven in Abb. 2). 3.2 Messung von HCO3- /CO2 im geschlossenen System 100 ml der bereitgestellten 0,02 molaren NaHCO3-Lösung werden in das Becherglas eingefüllt und in das Wasserbad gestellt. Die Elektrode wird eingehängt. Die Salzsäure (1 N HCl) wird in aufeinanderfolgenden Schritten zugegeben. Der pH wird wiederum nach 2 min abgelesen. Das Umrühren erfolgt sehr vorsichtig, damit möglichst wenig CO2 entweicht. Gegen Ende der Zugabe, wenn schon viel HCO3− in CO2 verwandelt ist, kann man beobachten, dass CO2 in Gasblasen entweicht. Zu Beginn und am Ende wird HCl in kleineren Schritten zugegeben, da sich wegen der kleineren Pufferkapazität der pH stärker ändert als im Bereich des pK'. Berechnung der Veränderungen bei Säurezugabe: Lösung: 100 ml 20 mmol · l-1 HCO3- In der Spritze: 0,1 ml 1n HCl enthält 0,1 mmol freie H+ Zugabe zur Lösung: 0,1 mmol H+ zu 100 ml entspricht Δ[H+]zu = 1 mmol H+ auf 1 l Lösung = 1 mmol · l-1 1 mmol · l-1 Abnahme der [HCO3- ]: 25 Vorsichtig rühren, damit kein CO2 entweicht Schritt Zugabe (ml) (mmol) Δ[H+]zu (mmol·l-1) [HCO3−] (mmol·l-1) [CO2] (mmol·l-1) Ausgang - - - 20 0 1 0,1 0,1 1 2 0,1 0,1 1 3 0,2 0,2 2 4 0,2 0,2 2 5 0,2 0,2 2 6 0,2 0,2 2 7 0,2 0,2 2 8 0,2 0,2 2 9 0,2 0,2 2 10 0,2 0,2 2 11 0,1 0,1 1 12 0,1 0,1 1 13 0,1 0,1 1 U (mV) pH Protokollieren und Eintragen in Diagramm 2 wie in Aufgabe 2 für Phosphatpuffer. 3.3 Messung von HCO3- /CO2 im offenen System Die Lösung wird mit einem Gas mit bekanntem CO2-Partialdruck durchströmt und somit äquilibriert. Die notwendige Dauer der Gasäquilibrierung hängt u.a. ab vom Flüssigkeitsvolumen, von der durchströmenden Gasmenge und der Kontaktzeit zwischen Gas und Flüssigkeit. Um die Dauer zu verkürzen, verwenden wir bei diesem Versuch einen hohen Gasstrom von etwa 200 ml/min = 12 l/h und ein enges Messgefäß mit entsprechend hoher Flüssigkeitssäule (Reagenzglas). 26 100 ml der 0,02 molaren NaHCO3-Lösung werden in das Reagenzglas gefüllt, die Gasdurchströmungsfritte wird eingehängt und ein Gasstrom von 12 l/h wird für mindestens 15 min eingestellt. Der pCO2 des Gases beträgt 5,3 kPa. Wegen der relativ langen Einstelldauer begnügen wir uns mit wenigen Messpunkten. Die Säurezugabe erfolgt daher zunächst in 4 Schritten von je 0,4 ml der 1 N HCl-Lösung; sodann in Schritten von 0,1 ml, solange, bis der Anzeigebereich überschritten ist. Der Messwert der pH-Elektrode wird nach 4 Minuten Äquilibrieren abgelesen. Dargestellt wird ist die Abnahme der HCO3−-Konzentration bei jedem Schritt.Wie üblich wird der pH-Wert ermittelt, und die Werte von HCO3− und pH werden in Diagramm 2 eingetragen. Nach Gl. (10) ist [CO2] = 1,2 mmol · l-1, und dieser Wert bleibt bei Zugabe von H+ erhalten, da der pCO2 konstant gehalten wird. (Offenes System!). Berechnung der Veränderungen bei Säurezugabe: Lösung: 100 ml 20 mmol · l-1 HCO3- In der Spritze: 0,4 ml 1N HCl enthält 0,4 mmol freie H+ Abnahme von [HCO3-] in 100 ml [CO2] bleibt unverändert = 4 mmol · l-1 In den letzten vier Schritten: Abnahme in 100 ml 0,1 ml 1N HCl = 1 mmol · l-1 − Ausgang - - Δ[H+]zu mmol·l-1 (in 100 ml) - 1 0,4 0,4 4 1,2 2 0,4 0,4 4 1,2 3 0,4 0,4 4 1,2 4 0,4 0,4 4 1,2 5 0,1 0,1 1 1,2 6 0,1 0,1 1 1,2 7 0,1 0,1 1 1,2 8 0,1 0,1 1 1,2 Schritt Zugabe ml mmol [HCO3 ] mmol·l-1 [CO2] mmol·l-1 20 1,2 U* mV pH * Zugabe in den vorgegebenen Schritten solange, bis Anzeige U außerhalb des Bereiches ist. Eintragen von [HCO3- ] und pH in Diagramm 2. 27 3.4 Berechnung der Pufferkurven des offenen und geschlossenen Systems Die Berechnung erfolgt wie in 2.4 mit der Henderson-Hasselbalch-Gleichung [Gl. (11)] unter Verwendung eines pK'= 6,1. Dabei werden die folgenden Werte berechnet: Geschlossenes System, Gl.(13) [HCO3- ]/[CO2 ] Berechneter pH Offenes System, Gl.(15) [HCO3- ]/[CO2 ] 0,1 / 19,9 0,1 / 1,2 0,5 / 19,5 0,5 / 1,2 1 / 19 1 / 1,2 2 / 18 2 / 1,2 4 / 16 4 / 1,2 6 / 14 6 / 1,2 8 / 12 8 / 1,2 10 / 10 10 / 1,2 12 / 8 12 / 1,2 14 / 6 14 / 1,2 16 / 4 16 / 1,2 18 / 2 18 / 1,2 19 / 1 20 / 1,2 Berechneter pH 19,5 / 0,5 19,9 / 0,1 Diese Werte als dünne Punkte im Diagramm 2 eintragen und jeweils mit Linien verbinden. Wie hoch ist die Pufferkapazität [s. Gl.(9) und Abb. 2] des HCO3- /CO2-Puffers bei pH 7,0 im geschlossenen und offenen System? Aus den berechneten Kurven ablesen. Geschlossenes System: ß= mmol · l−1 · pH−1 Offenes System: ß= mmol · l−1 · pH−1 Die exakten Werte sind 4,6 mmol · l−1 · pH−1 und 19,5 mmol · l−1 · pH−1. 28 3.5 Lernziele der Pufferkurven des HCO3- /CO2-Puffers • • • • Im geschlossenen System verläuft die Kurve parallel zu der des Phosphatpuffers; der Abstand entspricht dem unterschiedlichen pK' beider Puffer (Phosphat, ca. 6,8; Bikarbonat, ca. 6,1). Besonders im alkalischen Bereich (pH > pK') ist die Kurve des offenen Systems viel steiler als die des geschlossenen Systems. Dies erklärt die gute Pufferwirkung des Bikarbonatpuffers im Gesamtorganismus. Betrachten wir jedoch ein einzelnes Gewebe, z.B. den Milchsäure bildenden Muskel, so werden zunächst die entstehenden H+ im geschlossenen System gepuffert und die Pufferwirkung des Bikarbonatpuffers ist viel schlechter. 4. Messungen im Blut 4.1 Vorbemerkung Es soll als Beispiel einer Störung im Säure-Base-Gleichgewicht in einer Blutprobe eine respiratorische Azidose erzeugt und dann durch Basenzugabe (teil-)kompensiert werden. Die Untersuchungen werden an Humanblut durchgeführt, welches durch Venenpunktion von den Kursteilnehmern gewonnen wird. Die Blutentnahme erfolgt nach den in der Praktikumsanleitung "Blut" gegebenen Anweisungen. Die Abnahmespritze enthält Heparin, das das Blut ungerinnbar macht. Die Messungen der Kursteilnehmer werden am Ende mit denen eines üblichen Säure/BasenAnalysators verglichen. 4.2 Vorbereitung In ein Röhrchen werden 2 ml des Blutes eingefüllt und in das Wasserbad gestellt. Die pHElektrode wird - wie oben beschrieben - geeicht. Weichen die Messwerte von den früheren um mehr als 1 mV ab, so wird ein neues Eichdiagramm (wie Diagramm 1) angelegt. 4.3 Messung des Ausgangswertes (Punkt A) Das Röhrchen wird in das Rotationstonometer gesteckt und mit Gas I (pCO2 = 5,33 kPa) äquilibriert. Die Äquilibrierdauer beträgt hier 45 min, bei allen weiteren Messungen 15 min. Nach dieser Zeit wird das Röhrchen wieder ins Wasserbad gestellt, und der pH wird mit der Glaselektrode gemessen. Die pH-Messung wird von den Betreuern an einem genaueren Gerät wiederholt. U= mV pHA = Am Platz gemessen: Vom Betreuer nachgemessen: pHA = 29 4.4 Respiratorische Azidose (R) Es wird erneut äquilibriert, diesmal jedoch mit erhöhtem Pco2: Gas II (Pco2 = 7,9 kPa). Nach 15 min Messung des pH U= Am Platz gemessen: mV pHR = pHR = Vom Betreuer nachgemessen: Hiermit haben wir in vitro z.B. eine Störung der Gasaustauschfunktion der Lunge nachgeahmt. 4.5 Metabolische Teilkompensation (M) Es wird NaOH zum Blut in dem Röhrchen zugegeben, das dann wieder in das Tonometer gesteckt wird. Zugabe: 0,2 ml einer 0,1 N NaOH = 0,02 mmol OH−-Ionen. Blut: 2 ml Zugegebene Konzentration: 0,02 mmol OH−-Ionen in 2 ml Blut entspricht 10 mmol OH− pro l Blut = 10 mmol · l-1. Danach 15 min mit Gas II (Pco2 = 7,9 kPa) äquilibrieren und pH messen Am Platz gemessen: Vom Betreuer nachgemessen: U= mV pHM = pHM = Dies entspricht dem Fall, dass der Organismus eine respiratorische Störung durch Ausscheidung von H+ in der Niere zu kompensieren versucht. 30 4.6 Diagnose mit dem Siggaard-Andersen-Diagramm Zunächst wird die normale CO2 -Äquilibrierungslinie eingezeichnet unter der Annahme, dass die Hb-Konzentration der Blutprobe 9 mmol · l-1 beträgt. Die Punkte A, R und M werden sodann in das log PCO2-pH-Diagramm (Diagramm 3) eingetragen. Es sollen die folgenden Werte aus dem Diagramm abgelesen werden, wobei die Abb. 3 als Beispiel für die Analyse dient: Probe A Probe R Probe M pH pCO2 (kPa) pCO2 (mmHg) BB (mmol·l-1) BE (mmol·l-1) Aktuelles [HCO3- ] (mmol·l-1) Standard-[HCO3- ] (mmol·l-1) 1 kPa = 7,5 mmHg 4.7 Der Säure/Basen Analysator Parallel zu Ihren Messungen wurden die drei Säure/Basen-Status jeder Gruppe von einem Säure/Basen Analysator erhoben. Die Ausdrucke des Analysators werden Ihnen nach Abschluss Ihrer Rechnungen ausgeteilt. Vergleichen Sie diese mit ihren drei Messergebnissen. Auf den Ausdrucken dieses Analysators (sowie praktisch der meisten anderen auch) hat sich folgende Nomenklatur durchgesetzt: tHb sO2 pH pCO2 pO2 tO2 p50(act)c HCO3-c SBCc tCO2 ABEc SBEc Totale Hämoglobinkonzentration des Blutes Fraktion oxygenierten Hämoglobins im Blut, „Sauerstoffsättigung“ pH im Blut Kohlendioxid-Partialdruck im Blut Sauerstoff-Partialdruck im Blut Gesamtsauerstoff-Konzentration im Blut, „Sauerstoffgehalt“ Sauerstoffpartialdruck im Blut bei 50% Sättigung (errechnet), “Halbsättigungsdruck” Aktuelle Bikarbonatkonzentration Standard-Bikarbonatkonzentration Gesamtkohlendioxid-Konzentration im Plasma Aktueller Basenüberschuss im Blut, “Base-excess“ Basenüberschuss in der extrazellulären Flüssigkeit des Körpers (errechnet) 31 Analysator “Arterialisierte Probe” A tHb Hämoglobinkonzentration pH pH pCO2 ABEc Kohlendioxidpartialdruck in mmHg Kohlendioxidpartialdruck in kPa (errechnen) Base excess HCO3-c Aktuelles Bikarbonat SBCc Standardbikarbonat pCO2 1 mmHg = 0,13333 kPa Analysator “Respirator. Azidose” R tHb Hämoglobinkonzentration pH pH pCO2 ABEc Kohlendioxidpartialdruck in mmHg Kohlendioxidpartialdruck in kPa (errechnen) Base excess HCO3-c Aktuelles Bikarbonat SBCc Standardbikarbonat pCO2 1 mmHg = 0,13333 kPa 32 Analysator “Kompensierte Respirator. Azidose” M tHb Hämoglobinkonzentration pH pH pCO2 ABEc Kohlendioxidpartialdruck in mmHg Kohlendioxidpartialdruck in kPa (errechnen) Base excess HCO3-c Aktuelles Bikarbonat SBCc Standardbikarbonat pCO2 1 mmHg = 0,13333 kPa 4.8 Lernziele der Messungen im Blut Hier sollen alle Grundlagen angewendet werden, und es soll die klinische Diagnose anhand des Siggaard-Andersen-Diagramms geübt werden. Zwar ist dieses heute durch Computer ersetzt, so dass der anfordernde Arzt nur noch die Endresultate bekommt; doch ist die richtige Deutung der Befunde ohne die Kenntnis der Grundlagen und Orientierung in einem Diagramm (z.B. dem Siggaard-Andersen-Diagramm) nicht möglich. • Unterschied zwischen respiratorischer und metabolischer Störung. • Verhalten von pCO2, BE und den übrigen Parametern bei primären Störungen (Vergleich der Proben A und R). • Verhalten von pCO2, BE und den übrigen Parametern bei der renalen Kompensation (Vergleich der Proben R und M). • Kennzeichen der renalen Kompensation 33 4.9 Die S/B-Diagnose am Patienten Die exakte quantitative Analyse wird bei Anwendung auf den Patienten durch Austauschvorgänge zwischen Blut und Extravasalraum etwas relativiert. Bei einer reinen respiratorischen Azidose kommt es beispielsweise zum Anstieg des Pco2 im Blut und den übrigen Körpergeweben. Um wie viel [HCO3−] dabei ansteigt, hängt jedoch von der Pufferkapazität in jedem Kompartiment ab. Da Blut besser gepuffert ist als im Mittel die übrigen Geweben (Extrazellularraum, Intrazellularraum) ist der [HCO3−]-Anstieg im Blut höher als in den anderen Geweben. Daher kommt es zum [HCO3−]-Verlust aus dem Blut in die übrigen Körperkompartimente. Wird nun eine Blutprobe analysiert, so findet man neben dem erhöhten Pco2 auch einen leicht erniedrigten BE und diagnostiziert eine respiratorische Azidose kombiniert mit einer scheinbaren leichten metabolischen Azidose. Im Organismus verlaufen respiratorische Veränderungen also nicht genau entlang der CO2Äquilibrierungskurve des (isolierten) Blutes, sondern entlang einer solchen für den Gesamtorganismus, deren Steigung geringer ist, aber immer noch steiler verläuft als die IsoHCO3− -Kurve. Sie können im Internet auf der Homepage des Physiologie-Praktikums reale Fälle bearbeiten.