Wenn Robbie Williams, Kate Moss und andere
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Wenn Robbie Williams, Kate Moss und andere
Simon im Wunderland FOTOS: PRIVAT Wenn Robbie Williams, Kate Moss und andere Partysanen zu sehr gefeiert haben, lassen sie sich in teuren Entzugskliniken auf Null bringen. PARK AVENUE-Reporter FELIX HUTT riskierte Leib und Leber, um in eine reinzukommen. Sein Tagebuch 82 Die zehn Gebote der Anonymen Alkoholiker sind die 12 Steps. Und Jeff, ein Regisseur aus New York, ist jeden einzelnen Schritt gegangen. Jeff ist Mitte vierzig, er steht auf einem Podium und sagt: „Wenn es einen Hund gegeben hätte, der Bourbon pisst, damals, als ich noch getrunken habe, dann, liebe Freunde …“, er lässt den Blick über 120 Anonyme Alkoholiker schweifen, „… dann hätte ich diesen Hund gekauft – und ihm Tag und Nacht einen geblasen.“ Der Raum, in dem es nach Schweiß, Kaffee und Turnschuhsohlen riecht, implodiert: Johlen, Pfeifen, Klatschen für Jeff, den Wiederauferstandenen. Das spielte sich ab in Los Angeles, Montagabend, 4. Juni. Hamburg, sechs Wochen zuvor: Es muss nicht immer Alkohol sein – auch lautes Nachdenken kann in eine Entzugsklinik führen. Während einer Redaktionskonferenz fragte ich mich nämlich, wie es wohl in den Trockendocks bei Robbie Williams, Kate Moss, Marc Jacobs und all den anderen hochkarätigen Partytieren zugeht. Und weil das meinen Chefredakteur auch interessiert, werde ich die kommenden Wochen nie mehr vergessen. Jetzt aber schön der Reihe nach. Ich richte ein neues E-Mail-Konto ein, unter dem Pseudonym Simon Hutt. Simon ist mein zweiter Vorname, er steht auf Pass und Kreditkarte, aber in keiner Suchmaschine. Das ist gut, denn nur eines mögen die Betreiber von Entzugskliniken noch weniger als klamme Patienten: die Presse. Als Simon Hutt schreibe ich die Kliniken Betty Ford, Promises, Meadows, Wonderland und Eric Claptons Crossroads auf Antigua an. Die Antworten ernüchternd: Unter vier Wochen will es keine Klinik machen, die billigste Hilfe soll 40 000 Dollar kosten, pro Monat. Einzige Ausnahme: das Wonderland Center, bekannt geworden durch Lindsay Lohan. 30 Tage wären eigentlich das Minimum, aber ich könne ja danach in Deutschland weitermachen, schreibt eine Alex Angel. Angel? Verheißungsvoller geht’s ja wohl nicht. Und der Engel will mir vom 3. bis 10. Juni ein Bett freimachen, für 17 500 Dollar. In den folgenden Tagen erkundigt sich der Engel sehr häufig nach meiner Abhängigkeit, nach meiner Gesundheit, meinen Familien- und Berufsverhältnissen, doch er sorgt sich nicht so sehr um mich, es geht ums Geld. Und so meldet sich bald eine Frau von der Buchhaltung, fragt nach 5 000 Dollar Vorauszahlung, Wonderland hätte nur 14 Betten, und jedes sei so very exclusive. Die Buchhalterin freut sich auf mich. Und ich? Mir bleiben fünf Wochen, um mich zum Wrack zu saufen. Nach zehn Tagen Trainingsgelage schaffe ich auf einer Hochzeitsfeier drei Flaschen Weißwein und eine Flasche Wodka, ohne dumm aufzufallen. Ich schlafe immer schlechter, mit meinem Liebesleben geht es bergab, weil die Leber Überstunden schiebt. Auf Empfehlung der Suchtberatung des Hamburger Universitätskrankenhauses lese ich das augenöffnende Buch „Alk“ von Simon Borowiak; außerdem ziehe ich mir alle Trinkerfilme rein, die ich auf DVD bekommen kann. Der Spott meiner Kumpel, ich sei ein Wallraff-Verschnitt, perlt an mir ab wie Wassertropfen vom Pilsglas. Top-Psychologen erwarten mich in Wonderland, und was passiert, wenn die mich entlarven, daran will ich gar nicht denken. Der Klügere kippt nach. Schon zum Frühstück. Dann wird’s ernst. Die Ankunft: Angst, Schweiß und Träume Als die American-Airlines-Maschine 383 am 3. Juni um 15 Uhr auf dem Flughafen in Burbank aufsetzt, ist mein Bauch eine rotierende Trommel, gefüllt mit Panik und Rum, meiner Mahlzeit vom Vorabend. Was, wenn sie mir nicht glauben? Gefängnis, Millionenklage, Haue? Können sie auf Einreisedaten zurückgreifen, die mich als Journalisten führen? Sind sie im Besitz eines von der CIA erprobten Wahrheitsserums? Keine These zu absurd, und schlimmer: kein Weg zurück. Auf meiner Stirn steht Schweiß, hinter der Gepäckannahme ein kahlköpfiger Mann. In der Hand hält er ein Schild, „Simon Hutt“ steht drauf. Er stellt sich mit betroffen-strengem Blick als Brent vor, geht voraus ins Parkhaus und fährt mich in einem Chevrolet-SUV mit abgedunkelten Fensterscheiben durch das Valley Richtung Klinik. Ich schweige, von meiner Vorbereitung weiß ich, dass Abhängige vor dem Entzug ungern reden. Die Fenster seien dunkel, damit Paparazzi nicht durchgucken können, sagt Brent. Dann schweigt auch er. Wir fahren über den Interstate 101 in die Hollywood Hills. Das Wonderland Center liegt auf einem Hügel über dem Laurel Canyon, 8207 Mulholland Drive. Wer David Lynch kennt, kennt auch den Mulholland Drive. David Lynch wohnt hier nicht, sagt Brent, aber Jack Nicholson ist ein Nachbar. Vor dem Tor Sicherheitskameras, kein Schild, das die Klinik als Klinik ausweist. Brent steuert den Hang hoch, vorbei an Haus 3. Hier wohnen die Langzeitpatienten. Links und rechts Pflanzen, die nach Hawaii riechen. Wir passieren Haus 2, es ist für Sober Living-Patienten, für Süchtige also, die zu bestimmten Zeiten das Gelände ohne Aufsicht verlassen dürfen. Härtefälle und Neuankömmlinge FLUG INS BLAUE: Unser Autor hatte Angst – nicht vor Boxchamp Mike Tyson, mit dem er ein Meeting der Anonymen Alkoholiker besuchte, sondern davor, als Pressemann entlarvt zu werden. Dagegen halfen auch keine Pillen, die im Wonderland Center zu Los Angeles das tägliche Brot der Drogensüchtigen sind 83 wie ich dürfen das nicht. Brent parkt vor Haus 1, dem Hauptgebäude, links glitzert der Pool. Die Aussicht, die Wonderland bietet, sollte mit klarem Kopf genossen werden: die Stadt der Engel, das Valley, Hollywood, der Pazifik. Ein bisschen smogverhangen, aber sehr traumhaft. Im Büro stehen drei tätowierte Männer, die unfähig sind, einen „fuck!“-freien Satz zu sagen. Ich habe Mediziner mit grauen Haaren und weißen Kitteln erwartet, adrette Krankenschwestern, die Ananas reichen. Dann so was. Einer der Rocker stellt sich als Alex vor, als Mann der Wonderland-Besitzerin. Mein Engel ist also keine zierliche Ärztin, mein Engel hat einen Ziegenbart. Willkommen in Wonderland. Brent verlässt den Raum. Jimmy, der aussieht wie Michael Douglas in „Falling Down“, fragt mich nach meiner Familie, nach meinem Drogen- und Alkoholkonsum. Ich stammle was von Umfeld, Teufelskreis, gramgebeugtem Vater, der mir diese Woche sponsert, in Amerika sei es anonymer als in Deutschland, er verstehe schon. Dazu gucke ich leidend. Jimmys Kollege Mitch hat eingefallene Wangen und fängt an, mein Gepäck zu durchsuchen. „Wo sind sie denn die Nadeln, wo ist das leckere Pulver?“ Auch Mitch ist kein Pfleger, er ist ein tech, ein Aufpasser, und wie alle, die in Wonderland arbeiten – vom Besitzer bis zum Koch –, war er früher abhängig. Nur wer selbst durch die Hölle gegangen ist, kann mit Abhängigen umgehen, steht in der Hausphilosophie. Dass arbeitslose Ex-Junkies auch billiger sind als ausgebildetes Personal, steht da nicht. Rehab Center sind vor allem Profitcenter. Jimmy nimmt mich mit ins Badezimmer, das nicht größer ist als eine Abstellkammer und auch als Praxis dient. Wie hier ein Notfall behandelt werden soll – unklar. Meine Urinund Atemtests sind negativ, null, nichts. Ich fange wieder an zu stammeln, irgendwas von psychischer Abhängigkeit. Jimmy kontrolliert meinen Blutdruck, der ist, zum Glück, bedenklich hoch. Zurück ins Büro, wo Mitch nervös am Reißverschluss seiner Jacke zieht, mich keines Blickes würdigt. Er hat keine Drogen gefunden. Hätte er sollen? Muss ich jetzt anfan- gen zu zittern? Mitch nimmt mir mein Telefon weg, schnappt sich Geldbeutel, Pass, Laptop, Kamera, Kreditkarte. Über eine Holztreppe geht es ins Haupthaus, zur Rechten das Wohnzimmer, zur Linken die offene Küche; das Haus sieht aus wie aus der MTV-Sendung „The Real World“, in der eine Kommune von hippen Leuten sich das Leben schwer macht. Im Wohnzimmer: dunkelbraune Dielen, Fensterfront, Kamin, ein Sofa, vier Sessel, ein kleiner Glastisch, ein Regal mit Büchern und DVDs, Flachbildfernseher. Auf der Terrasse raucht ein junger Kapuzenpulliträger. Er beachtet mich nicht. Mitch geht an der Küche vorbei, zum Ende des Ganges, zeigt mir meine casa. Er stellt die Koffer ab, sagt, dass bis heute Morgen der Rockmusiker Eddie Van Halen in meinem Bett geschlafen habe, dem gehe es jetzt besser, was Mitch als gutes Zeichen wertet. Ich nicht, ich denke: Van Halen ist seit Jahren Stammgast in Entgiftungskliniken, was nicht für effektive Heilung spricht. Ich gehe auf die Veranda vor meinem Zimmer, schaue auf Palmen, Pool und Hollywood, ein schöner Platz für eine Grillparty. Es klopft. Eine junge Latina stellt sich mit Cristina vor, auch sie ist ein tech. Wonderland kennt keine Schlüssel, nirgendwo, nicht mal im Bad kann man für sich sein. Cristina reicht mir einen Becher mit bunten Pillen. „Deine Medizin“, sagt sie, „leg dich bitte hin, ich wecke dich zum Dinner.“ Mein Plan, Pillen in der Backe zu hamstern, um sie später auszuspucken, scheitert. Cristina schaut mir beim Schlucken zu, erst dann geht sie. Angezogen falle ich aufs Bett, ein Schleier legt sich über meine Augen. Vom Dinner kriege ich nichts mehr mit, von der einbrechenden Dunkelheit auch nicht, immer wieder kommen Personen in mein Zimmer, nehmen meinen Blutdruck, fragen, ob ich okay sei, mich übergeben müsse, Wasser bräuchte. Mal ist ein Mann da mit Rastazöpfen, mal ein kleiner vollbärtiger Asiate, dann eine Frau, die nach Zigaretten stinkt. Oder träume ich das nur? Ich schlucke wieder Pillen, bekomme Spritzen, bin zu müde, mir den Schweiß abzuwischen. FOTOS: PRIVAT (2), REFLEX (2) NIMM 2: Die Entgiftung in Wonderland kostet 17 500 Dollar pro Woche. Dafür kann man ja wohl ein Antidepressivum verlangen, das ein Leben mit Sex ermöglicht, nicht wahr? Der Psychiater Dr. Kareem empfahl Wellbutrin – die Wirkung konnte in der Kürze der Zeit aber nicht überprüft werden 84 Tag 2: Meditieren mit armen reichen Kindern „Simon, get up, dear.“ Eine rothaarige Cindy weckt mich, führt mich nach unten in die kleine Kammer, nimmt mir Blut ab, ich muss noch einmal Urin liefern, Medikamente schlucken. Als ich ihr von letzter Nacht erzähle, von den Menschen, den Träumen, sie frage, was sie mir verabreiche, antwortet Cindy, das seien Antidepressiva, blutdrucksenkende Mittel, Schlafmittel, Vitamine und Entgiftungspillen. Und die Menschen, sagt Cindy, die waren echt, techs von der Nachtschicht, hier in Wonderland würde alle drei Stunden jemand nach mir schauen. Wie soll ich da schlafen? Warum geben sie mir Medikamente, bevor mich ein Arzt untersucht hat? Dann wanke ich in die Küche, trinke ein Glas Wasser. „Das ist normal, Bruder“, sagt Steve, „so ging es jedem von uns in den ersten Tagen. Detox macht dich richtig fertig!“ Der tech der Morgenschicht ist ein übergewichtiger trockener Alkoholiker, der immer eine Dreiliterflasche Wasser bei sich trägt – seine Sucht hat er überwunden, nicht aber den Drang, ständig zu trinken. Mein Zimmernachbar Robert kommt nicht hoch, Steve war bereits dreimal bei ihm, droht mit der Klinikleitung. Dieses Ritual wird sich jeden Morgen wiederholen, genau wie die „Meditation“ im Wohnzimmer, die keine ist, weil wir einzig ein Kapitel aus dem großen Buch der Anonymen Alkoholiker lesen, anschließend unsere Ziele für den Tag benennen. Mir fällt nichts Besseres ein als „to stay positive“. Robert ist wieder eingeschlafen. Beim Frühstück werde ich den anderen Patienten vorgestellt, alle Anfang 20, alle aus sehr, sehr reichen Familien. Cecil, zum Beispiel, kommt aus San Diego, ihr Vater ist Chirurg, ihre Mutter Marathonläuferin, beide sind nie zu Hause. Wenn Cecil sagt, sie sei der größte cokehead südlich von Los Angeles, schwingt Stolz mit. Sie liebt Chanel-Taschen, trägt oft drei bei sich. Dann Helen. Helen hat rote Haare, Sommersprossen, hasst Autoritäten und ernährt sich nur von Toast mit Erdnussbutter. Ihr Vater ist bei der Los Angeles Times, ihre Mutter Schriftstellerin. Helen kann die Erwartungen ihrer Eltern nicht erfüllen und ist deswegen seit zehn Tagen mal wieder in Wonderland – Speed war ihr täglich Brot. Jennifer ist so schön, dass sie mal Model werden wollte, massive Essstörungen hatte sie schon, dann kokste sie sich das Leben aus dem Leib. Ihrem Vater gehören in Chicago die zwei größten Sportclubs. Nach ihrer rehab möchte Jennifer an der UCLA studieren, hier in Kalifornien neu anfangen. Robert ist der Ziehsohn eines überaus erfolgreichen deutschen Regisseurs und zum vierten Mal innerhalb eines Jahres auf Entzug. Er stellt sich mit „Robert, Junkie“ vor, erzählt, dass er in einer Woche 50 scharfe Nadeln durchbringt. Heroin sei sein bester Freund, sagt Robert, der, ja, mein bester Freund hier drin werden wird. Neben Robert sitzt Rita, eine Nachwuchs-Diva, an jedem Finger ein Ring, auf dem Parkplatz ein silberner Mercedes ML 55. Rita ist die Tochter einer Schauspielerin und eines Produzenten; sie hat schon in einigen Fernsehserien mitgespielt und mit 15 angefangen, Heroin zu spritzen, weil es ihre Clique auch tat. Als ich gerade mein Alkoholproblem runterhaspeln will, schreit Jennifer: „Hey, da ist ja Mike!“ Ich drehe mich um. In der Tür steht Mike Tyson. Mike Tyson, der böseste Boxer, seit es Ringe gibt. Sein Gesicht ist halbseitig tätowiert, er kommt auf mich zu, legt mir die Hand auf meine Schulter, sagt: „I love Germany!“ Die Mädchen stehen auf, fallen ihm um den Hals, anschließend gehen alle auf die Terrasse zum Rauchen. Die Terrasse ist so etwas wie die Kantine in Firmen. Hier wird diskutiert, geklatscht, gestritten. Alle rauchen, nur ich nicht, was meiner Integration nicht förderlich ist. Nikotin sei eine harmlose Ersatzdroge, sagen die Therapeuten, die Patienten hätten mit der Bewältigung ihrer Drogensucht schon genug zu tun. Wer möchte, bekommt von der Klinikleitung so viele Zigaretten, wie er will. Jennifer hat erst in der Therapie angefangen zu rauchen. Und Jennifer hat Mike drei Zigarren aus dem Humidor ihres Vaters mitgebracht. Mike bedankt sich, steckt sich eine SCHÖNER ENTWÖHNEN: Das Wonderland Center ist keine Klinik, es ist vielmehr eine Kommune im Stil der MTV-Sendung „The Real World“. Was unseren Reporter (kl. Foto) auch nicht besser draufbrachte 85 86 ist über 70, ein britischer Fernsehregisseur, unter anderem für die Bilder vom „Golden Globe“ verantwortlich. Er lebt seit 30 Jahren in Malibu, ist ein „Out“-Patient, das heißt, er kommt nur zu bestimmten Sitzungen. Bernard sagt, er hasse diese „Kinder mit ihren Pseudoproblemen“. Wenig später beichtet er einen Rückfall. Am Wochenende hat er sich auf dem Weg zu seinen Enkelkindern an einer Tankstelle eine Flasche Wodka gegönnt, sein Durst war zu groß. Therapeutin Claudia fragt ihn, wie er sich gefühlt habe, als er seine Enkel besoffen in die Arme schloss. Bernard schießen die Tränen in die Augen. Die reichen alten Alkoholiker seien die Schlimmsten, sagt ein tech in der Pause, die seien praktisch unheilbar, rehab halten sie für Weiberkram. Er habe einmal den Milliardär Roy Disney versorgt, der habe immer gut Trinkgeld gegeben, trocken gekriegt haben sie ihn nicht. Andere, wie die Basketball-Legende Kareem Abdul-Jabbar, kämen nach Operationen nicht mehr von Schmerzmitteln herunter. Pillen wie Vicodin hätten Heroin und Kokain den Rang abgelaufen, sagt der Tech, die Pharmaindustrie habe die Drogis längst als Zielgruppe entdeckt. Mir reicht es für heute, mir ist übel, ich bin depressiv. Wir dürfen eine Stunde telefonieren, ich erreiche niemanden, Deutschland schläft. Abends um sieben fahren wir in den West Hollywood Lions Club, zum Meeting der AA. Am Steuer sitzt ein tech, Robert sucht auf dem Beifahrersitz einen Radiosender, der Björk spielt. Vor der Tür des Clubs steht eine rauchende Melange tätowierter Menschen jeglicher Hautfarbe. Über 2800 Meetings der AA gibt es wöchentlich in Los Angeles, AA ist eine Religion. „Wir gestehen, dass wir dem Alkohol gegenüber machtlos sind“, heißt der erste step der AA. Es gibt einen ehrenamtlichen Leiter, Kaffee und Kuchen. Vor der Hauptrede dürfen sich Neuankömmlinge vorstellen. „Hi, my name is Simon, I am FOTOS: ACTION PRESS (2), BULLS (2), DPA, REFLEX Bolivar an und zwei Cohibas ein. Mike, Iron Mike, der Junge aus dem Getto, der wegen Vergewaltigung drei Jahre im Knast saß, seinem Gegner Evander Holyfield das Ohrläppchen abbiss, dieser Mike benimmt sich in Wonderland wie ein Kätzchen. Seit dem 27. Januar wohnt er in Haus 3, Kokain und Tabletten hatten ihn im Griff, und da er bald vor Gericht muss, will Mike schon bei der Verhandlung als besserer Mensch auftreten. Ein grauhaariger Athlet kommt ins Wohnzimmer, er heißt Bruce und nennt sich Director of Operations. Die erste Gruppe, Love and Sexual Addiction, falle aus, er werde übernehmen. Bruce will wissen, warum ich in Deutschland noch nie zu den Treffen der Anonymen Alkoholiker gegangen sei? Mir ist von den Medikamenten noch so mulmig, dass mir ein träniges „I don’t know“ glaubhaft über die Lippen kommt. Bruce fragt uns nach dem vergangenen Wochenende, nach Zielen, die wir uns für die kommenden Tage gesteckt haben, nach Auslösern, die uns gefährlich wurden. Jennifer erzählt. Sie durfte am Wochenende nach Hause, ist zu einem Spiel der Chicago White Sox gegangen; ihre Mutter gab ihr 100 Dollar für Essen, was Jennifer auf die Idee brachte, das Geld in Kokain zu investieren. Robert lacht, für 100 Dollar würde sie nichts Vernünftiges bekommen. Das macht Jennifer sauer: „Nicht jeder ist so ein fuckhead wie du!“, schreit sie. Die beiden streiten sich wie Kinder auf der Rückbank. Bruce schlichtet. Dann ist Rita dran. Rita war am Wochenende mit einem trockenen Freund in L. A. unterwegs, hat alte Freunde getroffen, die sich alle noch auf den Toiletten der Bars die Spritze setzen. „Ich weiß nicht, aber ich finde meine Leute einfach sexy.“ Cecil nickt und häkelt. Die meisten Mädchen häkeln oder stricken zur Nervenberuhigung, überall liegen Wollpullis und Decken rum. Bruce hört Rita zu, kein Einwand, keine Kritik. „Die tun hier alles, damit es diese Kinder bequem haben“, erklärt mir Bernard auf der Terrasse, „sonst gehen die in eine andere rehab, so wie Lindsay Lohan. Der hat es hier nicht gefallen, jetzt ist sie in Promises, ein großer Witz!“ Die Sonne scheint, das Mittagessen habe ich nicht runtergebracht. Bernard KOMMEN, UM ZU BLEIBEN: RehabPrinzessinnen wie Lindsay Lohan, hier auf der Raucherterrasse von Wonderland (2. Bild v. l.), werden von den Betreibern hofiert, da sie sonst die Klinik wechseln würden, es gibt ja genügend: Caron, Priory, Betty Ford, Passages oder Promises (v. l.) an alcoholic.“ Worauf alle anworten: „Hi, Simon.“ Dann werden „Geburtstage“ gefeiert, womit die trockenen Jahre gemeint sind, einer bekommt eine Torte mit 13 Kerzen und großen Applaus. Zu den Meetings kann jeder kommen, und wenn der Obdachlose neben der Tochter eines Hollywood-Produzenten sitzt, dann wird ausgerechnet unter Alkoholikern der Traum von einem freien Amerika Wirklichkeit. Vorn, auf dem Podium, steht der Hauptredner des heutigen Abends, hinter ihm hängen die 12 Steps der Anonymen Alkoholiker. Jeff, der Regisseur aus New York, erzählt von seinen Drogentrips nach Las Vegas und eben dem Hund, der Bourbon pisst. Dann halten wir uns alle an den Händen, beten das Serenity Prayer, das Gelassenheitsgebet. Jede AA-Sitzung endet mit: „Keep coming back, it works if you work it!“ Tag 3: Hanteltraining mit einem schwulen Indianer In meinem Kopf wohnt ein Heavy-Metal-Drummer, er prügelt auf sein Schlagzeug ein, trotz Schlaftabletten kein Schlaf. Zimmernachbar Robert hat sich das Herz rausgekotzt. Würgen mit Würde geht nicht. Zwischen seinen Anfällen habe ich die techs in der Küche belauscht, wollte wissen, ob sie mich schon als Ratte enttarnt haben. Über Los Angeles hängen graue Wolken, es ist kalt, und eine Krankenschwester wäre mir jetzt lieber als die techs mit ihrem ständigen „Bruder, ich weiß, wie du dich fühlst“. Zum Frühstück gibt es den Pillen-Cocktail, ich bestelle noch zwei Aspirin extra. Danach mache ich die Erfahrung, dass ein Unglück tatsächlich selten allein kommt: Sean, ein kettenrauchender, dauerquasselnder Glatzkopf, fährt mich ins Crunch-Fitnessstudio am Sunset Boulevard. Dort empfängt mich ein sehr schöner, sehr schwuler Indianer. Der Schlagzeuger in meinem Kopf trommelt gegen das Dancefloor-Geballere aus den Boxen an. Mein schwuler Indianer überprüft beim Hanteltraining sehr gewissenhaft meine Muskeln. Oh, wie ich es bereue, diese Geschichte vorgeschlagen zu haben. Um halb elf treffen wir uns zur Art Therapy. So toll die Kurse klingen, so banal sind sie. Wir sollen ein Tier aus Ton formen und später erklären, warum wir dieses Tier gewählt haben und kein anderes. Ich entscheide mich für ein Kamel, weil es unter widrigen Umständen überlebt, Robert knetet eine Wasserschildkröte, da „Tauchen so nah am Fliegen ist, wie ein Mensch dem Fliegen kommen kann“. Die häufigen Entzugsaufenthalte meiner Mitpatienten stellen sich als Wettbewerbsvorteil heraus: Ihre Figuren sind im Gegensatz zu meinem Kamel dreidimensional. In der Küche bereitet Joe das Mittagessen vor. Der ehemalige Rock-Gitarrist ist nach überstandener Heroinsucht der Ruhepool im Haus. Ich setze mich zu Robert, der einen sehr müden Eindruck macht. Er trägt Hornbrille, Jeans und bei jedem Wetter Kapuzenpulli. Robert ist auf schweren Medikamenten. Vor Wonderland war er in Promises, der Entzugsklinik in Malibu, in der sich auch Britney Spears kurieren ließ. Dort sei alles geregelt wie in der Armee, man dürfe nichts, eine Katastrophe. Mehr als 30 saubere Tage in Freiheit habe er nicht hinbekommen, sein Ziehvater drohte mit Rausschmiss, seine Freundin habe mit ihm Schluss gemacht, als sie ihn mit Nadel im Arm schlafend in einer Urinlache gesehen habe. Seit er 13 ist, nehme er Drogen, sechs Monate will er durchhalten, daran glauben kann er momentan noch nicht. Am Nachmittag eine Grundsatzdiskussion: „Warum können wir nicht moderat trinken lernen?“, frage ich. Bevor die Therapeutin Maya antworten kann, werde ich von tech Allen angepfiffen, ich habe keine Ahnung von Alkoholismus, wenn wir es kontrollieren könnten, dann wären wir ja nicht hier, ich solle nichts infrage stellen, sondern an mir arbeiten, meine alten Freunde gegen saubere tauschen. Sherry, seit 90 Tagen trocken, nimmt mich in Schutz. Sie habe den Glauben an Kontrollfähigkeit aufgegeben, als sie mal abends um sieben so blau war, dass ihr Mann ihr verboten habe, mit dem kleinen Sohn zu spielen. Zum Abendessen gibt es Steak und Lobster, ich habe Atemprobleme. Alex, mein Engel mit dem Ziegenbart, gibt mir eine Einführung in das „Unternehmen“ Wonderland. Seine 87 Beverly Hills zugemacht hat. Doktor Jacob verachtet wie Bernard die reichen Kinder; er hält sie für Idioten, die es cool finden, sich Drogen durch die Venen zu jagen. Meine Blut- und Urinwerte sind besser als bei einigen Leistungssportlern, und was Doktor Jacob noch mehr erstaunt: Wie kommt es, dass ein Alkoholiker wie ich nicht raucht? Jetzt fliege ich auf, denke ich. Doch glücklicherweise gibt es in L. A. nicht nur schwule Indianer. Doktor Jacob gibt mir zum Schluss seine Privatnummer, für den Fall, dass ich noch Fragen habe. Eine Frage fällt mir sofort ein: Was soll das blöde Grinsen? Tag 4: Lynchen, halleluja! Es ist Mittwoch, der 6. Juni, die Sonne scheint rötlich ins Wohnzimmer. Bianca soll mich spirituell entjungfern. Sie ist Yogalehrerin, und beim finalen Namaste wird Bianca klar, dass ich so beweglich bin wie die CSU in der Zuwanderungsfrage. Bianca lacht trotzdem süß. Dieser Tag wird schön, muss schön werden. Und wirklich: Wir treffen uns zum Anger Management. Die Gruppe darf schimpfen wie John McEnroe in seinen besten Zeiten. Zum Management kommen wir nicht. Auf der Veranda vor meinem Zimmer besucht mich Claudia, meine persönliche Betreuerin. Sie sieht aus wie Cameron Diaz in perfekt, schade, dass Love and Sexual Addiction am Montag ausgefallen ist. Nach dem Besuch geht’s ins Haus 2, wir sollen Gott einschätzen. „Was kann denn Gott dafür, dass wir Drogen nehmen?“, frage ich. Patricia, die Meditationsleiterin, schluckt. „Wir treffen die Entscheidung, unseren Willen und unser Leben der Obhut Gottes zu überlassen“, heißt Schritt drei der AA. Patricia rät mir, bei einem AA-Meeting nicht die Existenz Gottes infrage zu stellen. Sonst was? Sonst würden die AA mich lynchen. Halleluja. In der Küche treffe ich Mike Tyson. Harter Bursche, der er ist, isst Mike Froot Loops ohne Milch. Mike stellt mir seine 88 Freundin vor. Patty, eine trockene Alkoholikerin, könnte jedes Playboy-Cover vergolden. Sie kutschiert Mike in seinem Cadillac Escalade, der Champ hat Fahrverbot. Robert und ich haben heute auch eine schöne Chauffeuse. Sie heißt Gina, war mal Model und bringt uns zum AA-Meeting. Gina sagt: Bei den MTV Awards am Sonntag waren Witze über rehab der Running Gag. Robert sagt, dass er Lindsay Lohans Apartment in der Broadway Avenue kaufen will, er habe gehört, es werde frei. Zurück in Wonderland. Mike hat eine Runde Eis geschmissen. Zwei Neue sind angekommen. Kathy aus Washington, D. C., die am Montagabend einen Alkohol-Rückfall hatte. Und Will aus Redondo Beach, ein Kiffer, der zum ersten Mal hier ist. Will zittert, hört Heavy-Metal-Musik. Was ich noch nicht weiß: Sein „I want my weed“-Gestöhne wird mir diese Nacht Schlaf und Restverstand rauben. Tag 5: Lucy Liu riecht super Rasende Kopfschmerzen. Und das Radio in der Küche ist auf brüllend laut gestellt. Der Wonderland-Besitzer Howard Samuel ist auf Sendung. Mr Samuel fährt verschiedene Luxuswagen, für weite Strecken hat er einen Gulfstream-Jet. Er ist einer der Macher des Rehab-Trends. Mr Samuel verkündet seine Heilungserfolge, Wonderland werde expandieren. Warum nur? Die Hälfte der Betten ist frei. Und auf welche Erfolge ist Samuel stolz? Die meisten Patienten kommen immer wieder. Diesen Vormittag kommen Robert und ich in den Genuss einer dieser besonderen Wonderland-Methoden: Pferdetherapie. Auf einer Wiese vor dem L. A. Equestrian Center stehen zwei Pferde rum, die uns helfen sollen, Vertrauen zu schaffen. Ein Pferd hört, wenn es denn hört, auf den Namen Buck. Als ich Buck einen Apfel reiche, analysiert mich die Gruppenleiterin Alice: „Simon, du willst dir von Buck Liebe erkaufen.“ Ach, Alice, wenn du wüsstest. Unter der Anleitung von Robert soll ich Buck mit verbundenen Augen durch einen Parcours führen. Als Buck durchzugehen droht, passiert etwas Seltsames. Robert nimmt den Hengst an die Kandare; aus mir, dem vermeintlich Starken, wird der Schwache; Robert, der vermeintlich Labile, rettet mich. Ob ihm das bei seiner Drogensucht hilft, weiß ich nicht. Uns beide macht dieser Vormittag zu Freunden. Beim Mittagessen treffen wir eine strahlende Jennifer. Shoppen hat ihr gute Laune gemacht. Mindestens einmal am Tag fahren die Rehab-Prinzessinnen ins Beverly Center oder an den Rodeo Drive. Jennifer hat sich einen Mercedes G 55 AMG zugelegt. „Geleast?“, fragt Robert. „Nein, gekauft. Das ging ganz schnell.“ Der Wagen kostet knapp 110 000 Euro. Am Abend AA-Treffen in Haus 2. Ich muss zum ersten Mal „teilen“, in der Runde über meine Abhängigkeit sprechen. Obwohl ich schon selbst an meine Sucht glaube, bin ich aufgeregt. Wohl auch, weil neben mir Lucy Liu sitzt. Lucy Liu, einer der Engel für Charlie. Lucy Liu riecht super. Dumm, dass eine AA-Grundregel lautet: Die Probleme, die man schon alleine hat, reichen. Im Klartext: Abhängige dürfen ein Jahr lang keine Beziehung, keinen Sex haben. Später erzählt mir Robert, dass es nicht Lucy Liu war, sondern eine seiner Ex-Freundinnen. Auch gut, ich schlafe diese Nacht fein. Tag 6: Immer der gleiche Blues Freitag, die Stimmung ist nervös. Denn morgen ist Familientag. Der deutsche Regisseur hat sich angesagt, und Robert will ihm beweisen, dass er Fortschritte gemacht hat. FOTOS: REFLEX, PRIVAT Frau Bernie und ein gewisser Howard Samuel seien Psychologen mit erfolgreichen Praxen in Beverly Hills. Zusammen haben sie die Klinik Promises geleitet und sich vergangenen August mit Wonderland selbstständig gemacht. Danach wartet Dr. Kareem auf mich, ein indischer Psychiater mit Augenringen und schmutzigen Fingernägeln. Dr. Kareem lehrt an der UCLA und schreit mich an: „Du bist doch gar kein Abhängiger!“ Nach einer halben Gesprächsstunde werde ich entlassen – ich bin nun: schwer suchtgefährdet, manisch eifersüchtig und depressiv. Ich darf zwischen drei Antidepressiva wählen. Eines ist alt, das andere bei den Stars der Hit, und das dritte hat keine libidohemmenden Nebenwirkungen. Ich entscheide mich für ein Leben mit Sex. Eine Stunde später sitze ich bei Doktor Jacob. Er ist der Medical Director von Wonderland, was bedeutet, dass er hier nur abends vorbeischaut, nachdem er seine Praxis in RUNTER KOMMEN SIE IMMER: Der Abgrund tut sich im Wonderland Center nicht nur auf, weil er direkt vor den Toren vom Mulholland Drive ins Valley reicht. Neulinge wie „Simon“ Hutt bekommen die rote Welcome-Plakette der Anonymen Alkoholiker und werden vor Hollywood-Panorama fotografiert Auch Cecils Nerven liegen blank. Cecil fühlt sich in Anwesenheit ihrer Mutter stets überfordert. Die Mutter von Kathy ist selbst Alkoholikerin. Vor Kathys Rückfall am Montag hat sie am Telefon stundenlang auf ihre Tochter eingeredet. Eine Versagerin sei Kathy. Sie werde nie vom Alkohol loskommen. Das sei noch keinem in der Familie gelungen. Ihre Eltern werden sie morgen nicht besuchen. Kathy ist froh. Am Nachmittag fährt Howard Samuel in einer schwarzen Audi A8 Limousine vor. Er sieht aus wie ein Ralph-LaurenModel. Und reden kann er! Das muss er von seinem Vater haben, der war Politiker. Samuel erzählt von seinem Kampf gegen das „Biest“. Samuel sagt: „Wenn jemand Krebs hat, haben alle Mitleid, aber wenn einer abhängig ist, dann ist er ein Schwächling. Ich habe meine Mutter beklaut, ich war so süchtig, dass ich mir Wunden geschnitten habe, um das Kokain einzureiben.“ Freund Robert gähnt. Er kennt diese Episode. Robert kann Samuel nicht leiden. Der würde die Eltern so lange beschwatzen, bis sie ihre Kinder nach Wonderland schickten und nicht in eine andere Klinik. Tag 7: Hilfe, die Eltern kommen Wonderland macht sich fein. In der Küche stehen PerrierFlaschen, es gibt Croissants und Schnittchen, vorher waren die Putzfrauen da. Um halb elf begrüßt Georgia die Eltern und Patienten. Georgia ist eine der wenigen in Wonderland mit psychotherapeutischer Ausbildung. Der deutsche Regisseur, den Robert Vater nennt, stellt sich als Roberts Freund vor. Wir sitzen in einem großen Kreis, ich mache auf superlabil. Vor der Tür stehen ein BMW Z8 und ein Lamborghini Gallardo. Die Autobesitzer können nicht begreifen, dass ein Kind mit ihnen als Eltern nicht erfolgreich durchs Leben marschiert. Die Wonderland-Chefin Bernie hat zur Feier des Tages sogar ihren Blackberry ausgeschaltet. Sie sagt den Eltern, was diese hören wollen. Bernie sagt ihnen nicht, dass sie ihre Brut, statt sie in einer Luxusklinik zu parken, für ein soziales Jahr nach Südamerika schicken sollten. Bernie denkt ans Geschäft. Dann fahren einige Eltern mit ihren Kindern zu Fred Segal, irgendwas einkaufen. Ich bleibe allein zurück, sitze auf der Veranda und freue mich. In 48 Stunden bin ich draußen. Am Abend kommentiert Mike Tyson für uns einen Boxkampf im Fernsehen. Tag 8: Nicole Richie ist auf Popcorn Sonntag. Kater von den Pillen. Gegen Mittag AA-Meeting, Mike kommt auch mit, er überreicht einem Freund einen Geburtstagskuchen. Am Nachmittag fahren wir ins Kino, kurz nach der Werbung setzt sich Nicole Richie neben mich. Sie mampft Popcorn. Muss sie auch, sie ist wirklich dünn. Der Abend ist frei. Robert, der sich für Fotografie interessiert, zeigt mir seine Werke. Er will vielleicht wieder mal nach München kommen, zum Oktoberfest, wenn es ihm besser geht. Einmal schlafen noch, dann bin ich raus. Endlich keine Medikamente mehr, auch wenn es noch Wochen dauern wird, bis die Wirkungen nachlassen. Wir sitzen im Wohnzimmer, und obwohl ich nur kurz da war, bin ich Teil der WonderlandFamilie geworden. Helen isst ihren Erdnussbuttertoast, Cecil häkelt, Jennifer kommt auf Leoparden-Pumps angestöckelt. „Good night and good-bye, you sexy bitch“, sagt sie. Auf dem Flachbildschirm läuft die letzte Folge der „Sopranos“. Tag 9: Abreise Ich hasse Abschiednehmen, deshalb habe ich mir in aller Früh einen Wagen bestellt. Im Büro bekomme ich zum letzten Mal Pillen, dann meine Sachen. Als ich die Koffer verlade, kommt Steve, der tech von der Morgenschicht, angelaufen: „Simon, Bruder, du glaubst nicht, was passiert ist! Robert ist schon wach, er will sich verabschieden!“ Ich gehe in Roberts Zimmer, der Junkie, der nie von allein aufstehen konnte, der keinen Sinn im Leben sieht, lacht zum ersten Mal, schenkt mir ein Foto. Vor meinem Abflug lasse ich mich noch zum Venice Beach fahren, setze mich in den Sand, schaue auf den Pazifik. Liefe am Horizont jetzt der Abspann, ich würde mich nicht wundern. Und dazu noch ein Bier, das wär’s. 89