Auf den Spuren von
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Auf den Spuren von
Cäsar Ritz (links), Alphons von Pfyffer (Mitte), Auguste Escoffier HOTELIER MARKUS CONZELMANN (GRAND HOTEL NATIONAL LUZERN) Auf den Spuren von Cäsar Ritz Grand Hotel national luzern. «Man wird hier in fast jeder ecke mit der vergangenheit des Hauses konfrontiert.» 14 4I2013 Szene Rendez-vous Markus Conzelmann Er gilt auch heute noch, 95 Jahre nach seinem Tod, als König der Hoteliers: Cäsar Ritz. Der Bauernsohn aus Niederwald (Goms) schuf neue Werte für Hygiene, Komfort und Eleganz – und er definierte die Gastfreundschaft in der Grand-Hotellerie neu. Was viele nicht wissen: Seine erste Stelle als Direktor trat Cäsar Ritz im Grand Hotel National in Luzern an, bevor er als Hotelpionier Europa eroberte. Fast hundert Jahre später führt Markus Conzelmann (48) das traditionsreiche Hotel. Wie fühlt man sich als indirekter Nachfolger des ungekrönten Hotelkönigs? Markus Conzelmann. «Hotels haben mich schon immer fasziniert.» M arkus Conzelmann, was wissen Sie über Cäsar Ritz? Einst flog er aus der Schule, weil er ein Taugenichts war. Später bezeichnete man ihn als «König der Hoteliers und Hotelier der Könige». Ritz hatte offensichtlich eine unglaubliche Begabung und ein immenses Verständnis für Menschen und deren Bedürfnisse. Seine Gäste studierte er sehr genau und analysierte deren Verhalten. Ritz ist eine Schweizer Persönlichkeit, der man – auch wenn man nicht im Gastgewerbe tätig ist – zwangsläufig überall begegnet. Glaubt man all den Büchern und Schriften, so war Cäsar Ritz ein ehrgeiziger und sehr neugieriger Mensch. Wie viel Cäsar Ritz steckt in Ihnen? Gute Frage (lacht)! Mal abgesehen von unseren ähnlichen schulischen Erlebnissen ist «Hotelier sein» für mich auch heute noch eine Berufung. Es macht mir unheimlich Spass, die Bedürfnisse meiner Gäste zu erforschen und in Dienst4I2013 leistungsangebote umzusetzen. Wie heisst es so schön: Man muss Menschen mögen. Man muss versuchen, sie zu verstehen und zu begeistern. Sie führen das Grand Hotel National in Luzern seit knapp zwei Jahren. Ist der Geist des grossen Cäsar Ritz irgendwie noch spürbar in diesen alten Mauern? Ja. Schauen Sie sich mal die grossen Säle an! Diese sechs Meter hohen Räume, die Seidentapeten, Stuckaturen, Marmor- und Parkettböden. Die riesigen Lüster aus dem vorletzten Jahrhundert. Man wird hier in fast jeder Ecke mit der Vergangenheit des Hauses konfrontiert. Man steht in einem Saal, schliesst die Augen – und plötzlich fühlt man sich in jener Zeit, als Französisch noch die Sprache der Grand-Hotellerie und Gastronomie war … Als Kellner und Portiers durch die langen Gänge huschten, als die Gäste mit steifen Kragen oder mit rauschenden Roben den Speisesaal betraten … In meinem Büro hängen noch alte Postkarten aus jener Zeit. Gibt es Gäste, die «auf den Spuren von Cäsar Ritz» hier im National absteigen? Sie meinen Gäste, die extra wegen Cäsar Ritz ins National kommen? Eher selten. Ihnen bieten wir individuelle und ausführliche Hausführungen an. Doch wir erhalten immer wieder Anfragen von Studenten, die mehr wissen möchten über das National und Cäsar Ritz. Wie stark gewichten Sie die Geschichte um Cäsar Ritz im Marketing? Ritz und National – ein hervorragendes Verkaufsargument! Es geht ja nicht nur um Cäsar Ritz, sondern um die Geschichte des Hauses. Da gibt es viele spannende Anekdoten und Details. Fast jeder Saal, das Restaurant, die Zimmer – fast alle Räume haben eine eigene Entstehungsgeschichte. Die Autorin Sibylle Birrer hat diese Geschichten zusammengetragen und erzählt sie in ihrem Buch «Grand Hotel National Luzern, Luxus und Gastlichkeit seit 140 Jahren». Alte Fotos und auch von Hand geschrieben Protokolle der Herren Ritz und Escoffier geben dem Leser einen tollen Einblick in diese Zeit. In der Hotellerie geht es ja stets um Emotionen. Die Geschichten aus dem National sind Emotionen pur! Haben Sie gewusst, dass Thomas Mann, Rainer Maria Rilke und auch Hermann Hesse Gäste waren im National? Hier verkehrten Künstler, Könige, Kaiser und Adelige aus ganz Europa. Doch das Haus erlebte auch viele Krisen. Nicht nur Cäsar Ritz war im National tätig, sondern – von Ritz angeheuert – auch August Escoffier, der französische Meisterkoch, der mit seiner «Guide Culinaire» Weltruhm erlangte. Welche Art von Küche bietet das National heute? Wir bieten den Gästen eine leichte französische Küche, natürlich inspiriert von Auguste Escoffier! Seine Rezepturen dienen uns immer noch als Basis der Gerichte. Sie wurden jedoch verfeinert, abgeändert und neu interpretiert. Ein Gericht auf der Karte ist übrigens im Originalrezept abgedruckt! Ritz führte im National unter anderem elektrisches Licht und private Badewannen ein. Mit welchen Ansprüchen sehen Sie sich heute konfrontiert? Es wird in der Tat immer schwieriger, alle Erwartungen der Gäste zu erfüllen. Wichtig ist, dass wir auf jeden Gast einzeln eingehen und seine individuellen Bedürfnisse wahrnehmen. Der Gast will ja nicht einfach abgefertigt werden! Es sind oft die kleinen Dinge, die heute zählen. Zu den Zeiten von Cäsar Ritz war das National im Winter geschlossen, der Wintertourismus noch nicht «erfunden». Wie sehen heute die Belegungszahlen im Winter aus? › 15 Szene Rendez-vous Markus Conzelmann history Speisesaal im Grand Hotel National um 1900. In Luzern ist der Sommer ganz klar die Hauptsaison. Im Winterhalbjahr steigen hier vor allem Geschäftsleute und Konferenzteilnehmer ab. Doch unser Ziel ist es, Luzern auch als attraktive Winterstadt zu posi tionieren. Cäsar Ritz hat seinerzeit die Kellnerlehre abgebrochen, ging nach Paris, um dort im Service anzuheuern. Wussten Sie immer ganz genau, wo Ihr Weg Sie hinführt? Ich stamme aus einer Musikerfamilie. Schon als kleiner Junge war ich – zusammen mit meinen Eltern – viel unterwegs, habe in tollen Hotels im In- und Ausland gewohnt. Hotels haben mich immer fasziniert. Die grossen Hotelhallen, die langen Korridore, diese riesigen Speisesäle – fantastisch! Schon als achtjähriger Junge stand für mich fest: Ich will später mal in der Hotellerie arbeiten. Jahre später besuchte ich die Hotelfachschule Luzern. Mein Wunsch ging also in Erfüllung! Und jetzt sind Sie sogar der indirekte Nachfolger von Cäsar Ritz, dem «König der Hoteliers» … Was will man mehr! H 16 Cäsar Ritz und das National Luzern 1870 von Oberst Maximilian Alphons von Pfyffer erbaut, betraute dieser 1877 den jungen Cäsar Ritz mit der Leitung des Grand Hotel National in Luzern. Für Ritz war dies die erste Direktorenstelle, war er zuvor doch als Oberkellner im RigiKulm Hotel tätig gewesen, wo von Pfyffer auf ihn aufmerksam geworden war. Cäsar Ritz machte sich sofort daran, das National neu einzurichten – und zwar nach dem Geschmack des europäischen Adels, den er während seiner Kellner-Aufenthalte in Paris und Wien gründlich kennengelernt hatte. Private Badewannen, elektrisches Licht, Zimmertelefone, geräumige Schränke – Ritz wusste, was gewünscht war. Er las den Gästen im wahrsten Sinne des Wortes die Wünsche von den Augen ab, erinnerte sich an jedes noch so kleine Detail und überraschte so seine verwöhnte Klientel immer wieder aufs Neue. Ein Jahr nach seinem Amtsantritt holte er den damals bereits bekannten französischen Meisterkoch Auguste Escoffier ins National. Mit dem Team Ritz-Escoffier erlangte das Hotel internationalen Ruf. Bedeutende Persönlichkeiten, darunter zahlreiche Mitglieder des deutschen Kaiserhauses, Sissy, Kaiserin Elisabeth von Österreich, Maharadjas aus Indien – alles, was Rang und Namen hatte, liess sich im Hotel National verwöhnen. 1890 starb National-Erbauer von Pfyffer an einer Grippe und Ritz verliess das National, um – getrieben von seinem Tatendrang – in England, Frankreich und Italien zu wirken. Neben seiner Beratung von Hoteliers erbaute er an der Place Vendôme sein eigenes Luxushotel: das Ritz Paris, das 1898 eröffnet wurde und wo Aguste Escoffier als Küchenchef tätig war. Und das Grand Hotel National? Das wurde während der nächsten 60 Jahre vom Sohn des Erbauers, Hans Pfyffer, erfolgreich geführt. Heute ist die THP Touristic & Hotel Projects Ltd. mit dem Management des legendären Hauses betraut. Gesellschafter sind der Hotelexperte Pierre Vacher, der Luzerner Unternehmensberater Bodo von Düring, Hotelier Gabriele Pedrazzetti (Hotel Continental Park) und der Luzerner Unternehmer Ernst Maréchaux (Maréchaux Elektro AG). Cäsar Ritz: Sein Leben Cäsar Ritz wurde 1850 als dreizehntes Kind des Niederwaldner Gemeindepräsidenten Johann-Anton Ritz und seiner Frau Kreszentia geboren. Im Sommer hütete er die Ziegen, im Winter ging er zur Schule. Nach der Grundschule besuchte er das Kollegium in Sion, wo er etwas Französisch lernte. Nach drei Jahren nahm ihn sein Vater wegen Faulheit aus der Schule und liess ihn als Kaffeekellner im Hotel Couronne et Poste in Brig arbeiten. Sein Patron eröffnete ihm jedoch nach einem Jahr, er werde es in diesem Gewerbe zu nichts bringen. «Aus dir wird nie etwas in der Hotellerie. Dafür braucht es eine gewisse Begabung und ein besonderes Flair. Das geht dir vollkommen ab!» Der Siebzehnjährige reiste nach Paris, wo eben die Weltausstellung eröffnet worden war. Im Hôtel de la Fidélité arbeitete er zuerst als Schuhputzer, dann als Träger und schliesslich als Zimmerkellner. Wegen einer Liebschaft, angeblich mit einer russischen Baronin, wurde Ritz davongejagt. Daraufhin bewarb er sich im Erstklasshotel Le Voisin um eine Lehrstelle, wo der nunmehr Zwanzigjährige das Metier von Grund auf kennenlernte. Zudem kam er mit vielen berühmten Persönlichkeiten aus der feinen Welt in Kontakt. 1873, mit 23 Jahren, zog Cäsar Ritz nach Wien, wo er im französischen Restaurant Les Trois Frères Provençaux mit zahlreichen gekrönten Häuptern zu tun hatte. Dann arbeitete er für das Grand Hôtel in Nizza, später für das Rigi-Kulm Hotel. Hier lernte er den Bauherrn Maximilian Alphons von Pfyffer kennen, der ihm die Leitung des Grand Hotels National in Luzern übergab. Zusammen mit von Pfyffer und Auguste Escoffier führte Ritz das Hotel zwischen 1878 und 1890 so erfolgreich, dass Gäste aus ganz Europa kamen. Da das «National» im Winter geschlossen war, leitete Ritz in den Wintermonaten anfänglich Hotels in Cannes, Menton, Nizza und Biarritz. Später kamen andere dazu; zeitweise führte Ritz zehn Hotels gleichzeitig. 1888 erwarb er das HotelRestaurant Maison de la Conversation in Baden-Baden, wo die anwesende Prominenz seinen Namen weiter bekannt machte. Mit 38 Jahren heiratete er 1888 die gebürtige Elsässerin Marie-Louise Beck. Das Paar hatte zwei Söhne; René, der jüngere, der 1918 ein paar Monate vor seinem Vater an den Folgen eines Unfalles starb, und Charles, der nach dem Tod von Cäsar noch lange Jahre das Ritz präsidierte. Bis 1893 war Ritz ständig unterwegs und reiste zwischen London, Cannes, Monte-Carlo, Aix-les-Bains, Rom, Biarritz und Frankfurt am Main hin und her. In London baute er das «Carlton» und das «Savoy» auf, in Rom das «Grand-Hotel», in Frankfurt den Frankfurter Hof. Er lieh seinen Namen zahlreichen Hotels, beriet Hoteliers aus Europa und den USA als international anerkannter Fachmann. In dieser Zeit gründete er auch die «Gesellschaft zur Verbreitung der Hotellerie», die weitere Hotels in Kairo, Madrid und Johannesburg plante. 1898 baute Ritz an der Place Vendôme das Haus Nummer 15 in ein Hotel um und gab ihm seinen Namen. Die Leitung der Küche übertrug er Auguste Escoffier. Nach der prunkvollen Eröffnung des Le Ritz folgten die Gründungen des Ritz London und Ritz Madrid. 1903 fand sein Arbeitsleben durch einen körperlichen Zusammenbruch ein jähes Ende. Danach litt Ritz an einer langjährigen tiefen Depression, aus der er sich bis zu seinem Tod 1918 nicht mehr erholte. Die Arbeit wurde von seiner Ehefrau Marie-Louise zusammen mit Sohn Charles Ritz weitergeführt. Das Ritz Paris gehört heute dem Ägypter Mohamed Al Fayed (auch Besitzer des Warenhauses Harrods in London). Das Haus ist derzeit geschlossen, denn es wird total saniert – für rund 140 Millionen Euro. 4I2013