Recht und Religion - Vorlesungsmanuskript WS 2012
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Recht und Religion - Vorlesungsmanuskript WS 2012
apl. Prof. Dr. Gernot Sydow, M.A. / Dr. Philipp Reimer Vorlesung “Recht und Religion”, Wintersemester 2012/2013 Gliederung und Materialien für die Vorlesungsblöcke Prof. Dr. Sydow Teil I (zu Vorlesungsgliederung Ziffer C. I.) Sydow – Vorlesung Recht und Religion WS 2012/2012 1 1. Formen des Verhältnisses Staat/Kirche a) religionsverfassungsrechtliche Modelle Literatur (Rechtsvergleichung): N. Doe, Law and Religion in Europe: A Comparative Introduction, 2011; J. García Oliva, Church, State and Establishment in the United Kingdom in the 21st Century: Anachronism or Idiosyncrasy?, Public Law 2010, S. 482 ff.; St. Mückl, Europäisierung des Staatskirchenrechts, 2005, S. 59 ff.; J. Rivers, The Law of Organized Religions – Between Establishment and Secularism, 2010; A. v. Ungern-Sternberg, Religionsfreiheit in Europa. Die Freiheit individueller Religionsausübung in Großbritannien, Frankreich und Deutschland – ein Vergleich, 2008; V. Wick, Die Trennung von Staat und Kirche. Jüngere Entwicklungen in Frankreich im Vergleich zum deutschen Kooperationsmodell, 2007; Ch. Walter, Religionsverfassungsrecht in vergleichender und internationaler Perspektive, 2006. (1) Modell der Staatskirche • Beispiel: England und Schottland - Terminus establishment Position des Monarchen Ernennung von Bischöfen der anglikanischen Kirche Kirchliche Gesetzgebung Mitgliedschaft von Lords Spirituals im House of Lords Religionsunterricht und Gefängnisseelsorge Rechtsstatus anderer Religionen und Konfessionen (2) Trennungsmodell • Beispiel: Frankreich Textauszug: Trennungsgesetz von 1905 - historischer Ursprung: Laizität als Antikatholizität - aktuelle Rechtsfragen: o Kopftuch in der Schule o Vollverschleierung in der Öffentlichkeit o Finanzierungsfragen (3) Kooperationsmodell • Beispiel: Deutschland Sydow – Vorlesung Recht und Religion WS 2012/2012 2 b) alternativer/ergänzender Zugriff: funktionelle Betrachtung Literatur (funktionelle Betrachtung): G. F. Schuppert, When Governance meets Religion. Governancestrukturen und Governanceakteure im Bereich des Religiösen, 2012 Textauszug Schuppert • Beispiel: Theologie an staatlichen Hochschulen c) Leitbilder und Entwicklungslinien des Religionsverfassungsrechts (1) Trennung als normatives Leitbild? Textauszug Czermak (2) Konvergenz oder Divergenz der nationalen Systeme? Textauszüge Doe d) europarechtliche Überlagerungen nationaler Systementscheidungen Literatur (Europarecht): V. Herbolsheimer, Gibt es ein Religionsrecht der Europäischen Union? Religionsrechtliche Kompetenzen der EU, in: KuR 2012, 81 ff.; St. Mückl, Europäisierung des Staatskirchenrechts, 2005, S. 409 ff.; Ch. Walter, Kirchliches Arbeitsrecht vor den Europäischen Gerichten, ZevKR 57 (2012), S. 233 ff. • Recht der Europäischen Union • Recht des Europarats (EMRK) Textauszüge EMRK und Vertrag von Amsterdam Sydow – Vorlesung Recht und Religion WS 2012/2012 3 2. Geschichte des Verhältnisses von Staat und Kirche in Deutschland Literatur (historische Aspekte): Th. Hahn, Staat und Kirche im deutschen Naturrecht. Das natürliche Kirchenrecht des 18. und 19. Jahrhunderts (ca. 1680 bis ca. 1850), 2012; M. Heckel, Vom Religionskonflikt zur Ausgleichsordnung. Der Sonderweg des deutschen Staatskirchenrechts vom Augsburger Religionsfrieden 1555 bis zur Gegenwart, 2007; S. Könemann, Das Staatskirchenrecht in der wissenschaftlichen Diskussion der Weimarer Zeit, 2011; Ch. Link, Kirchliche Rechtsgeschichte. Kirche, Staat und Recht in der europäischen Geschichte von den Anfängen bis ins 21. Jahrhundert, 2009; Ch. Strohm, Calvinismus und Recht. Weltanschaulich-konfessionelle Aspekte im Werk reformierter Juristen in der Frühen Neuzeit, 2008. a) Grundprägungen: Bikonfessionalität, staatliche Parität und Neutralität b) Schlaglichter: Staat und Kirche im Alten Reich (1) Ausgangssituation: mittelalterliches Reichsverständnis (2) Reformation, landesherrliches Kirchenregiment (3) Rückwirkungen der Konfessionsspaltung auf die Reichsverfassung (4) Staat und Kirche im aufgeklärten Absolutismus Textauszug Preußisches Allgemeines Landrecht (5) Reichsdeputationshauptschluss und Säkularisation c) Genese der geltenden Verfassungsnormen (1) Paulskirchenverfassung Textauszug Paulskirchenverfassung (2) Weimarer Reichsverfassung (3) Art. 140 GG Sydow – Vorlesung Recht und Religion WS 2012/2012 4 Auszug aus: Loi concernant la séparation des Eglises et de l’Etat (Loi du 9 Décembre 1905) Art. 1. La République assure la liberté de conscience. Elle garantit le libre exercice des cultes sous les seules restrictions édictées ci-après dans l’intérêt de l’ordre public. Art. 2. La République ne reconnaît, ne salarie ni ne subventionne aucun culte. En consequence, à partir du 1er janvier qui suivra la promulgation de la présente loi, seront supprimées des budgets de l’Etat, des départements et des communes, toutes dépenses relatives à l’exercice des cultes. Art. 12. Les édifices qui ont été mis à la disposition de la nation et qui …servent à l’exercice public des cultes ou au logement de leurs ministres (cathedrals, églises, chapelles, synagogues, archévêchés, évêchés, presbytères, séminaires) … sont et demeurent propriétés de l’Etat, des départments, des communes … Art. 13. Les edifices servant à l’exercice public de culte … seront laissés gratuitement à la disposition des établissements publics de culte Sydow – Vorlesung Recht und Religion WS 2012/2012 5 Auszug aus: Gunnar Folke Schuppert, When Governance meets Religion, 2012, S. 38 ff. So nützlich diese Modelle des Verhältnisses von Staat und Kirche auch sein mögen; sie erscheinen uns irgendwie blutleer und sagen uns wenig über die Gründe der jeweiligen funktionalen Zuordnung von religiösen und politischen Regimen und nahezu gar nichts über die Funktionslogik beider Regime und wie diese jeweils unterschiedlichen Funktionslogiken aufeinander bezogen und füreinander fruchtbar gemacht werden können. Wie eine solche gehaltvollere Zuordnungstheorie aussehen könnte, wollen wir … im nachfolgenden … Kapitel darzustellen versuchen. … Zwei Gründe sind es, die uns dazu bewogen haben, hier ein funktionell-rechtliche Konezptualisierung des Verhältnisses von politischen und religiösen Regimen, kurz: von Staat und Kirche, vorzuschlagen. Erstens erscheint es uns unmöglich zu sein, das Verhältnis von Staat und Kirche angemessen zu bestimmen, ohne die jeweiligen Funktionen von Religion und staatlich organisierter Herrschaft sowie die jeweilige Funktionslogik beider Governancekollektive zu bedenken. Um der Gefahr einer funktionalistischen Verkürzung und Instrumentalisierung … entgegenzuwirken, kommt es uns vor allem auf die Funktionslogik des Handelns der Akteure an, die – wie sich organisationstheoretisch vielfach belegen lässt … – maßgeblich vom jeweiligen Selbstverständnis der Akteure geprägt wird. B. Fünf Modelle einer funktionellen/funktionell-rechtlichen Zuordnung religiöser und politischer Regime I. Ko-Produktion von Staatlichkeit oder: Zum Bündnis von Thron und Altar II. Staat und Religion – verbunden durch das Band wechselseitiger Nützlichkeit? III. Staat und Kirche: ein freundschaftliches Kooperationsverhältnis zweier autonomer GovernanceKollektive? IV. Das Civil-Religion-Modell oder Religion als nützliches Haustier V. Das Verhältnis politischer und religiöser Regime als dynamisches System: zur latenten Sprengkraft des religiösen Fundamentalismus Sydow – Vorlesung Recht und Religion WS 2012/2012 6 Auszug aus: G. Czermak, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, 2008, S. 78 ff. Unter der Geltung des GG besteht seit langem völlige Einigkeit darüber, dass Art. 137 I/140 GG (zumindest als theoretischer Obersatz) das Verbot jeder institutionellen Verbindung zwischen den Organen der öffentlichen Hand und den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften bedeutet. Das heißt, gemeinsame Aufgabenerfüllung mit untrennbarer Verbindung von staatlichen und kirchlichen Aufgaben ist untersagt. […] Demgegenüber kennt das GG, im gleichen Verfassungsrang wie das Trennungsgebot, ausdrücklich Bestimmungen, die eine institutionelle Zusammenarbeit erfordern: Eine insoweit unbestrittene Sonderregelung enthält der den Religionsunterricht betreffende Art. 7 III GG. […] Diskussionsbedürftig sind bereits die Kirchensteuer (Art. 137 VI WRV) und die Militär- und Anstaltsseelsorge (Art. 141 WRV), die in der Rechtspraxis in ausgesprochen staatskirchlichen Formen erfolgen. […] Staatliche theologische Fakultäten dürften zwar trotz Nichtübernahme gerade der diesbezüglichen Weimarer Mindestgarantie in das GG zumindest in dem Umfang zulässig sein, wie der staatliche Religionsunterricht das erfordert. Ob hingegen der Staat des GG, der ja auf jede religiöse Legitimation verzichtet, staatliche theologische Fakultäten im Hinblick auf die Ausbildung des Priesternachwuchses, einer rein innerkirchlichen Aufgabe, betreiben und großzügig ausstatten darf, ist im Hinblick auf das Trennungsgebot eine ganz andere Frage (s. näher § 17), unabhängig von den zusätzlich bestehenden Neutralitätsfragen. Insgesamt sind es nur wenige Teilbereiche, in denen das GG eine institutionelle Verbindung von Staat und Religion erfordert bzw. zulässt. Sie vermögen daher auch in der Gesamtschau nicht ein dem Trennungsgebot entgegengesetztes Kooperationsprinzip zu verkörpern. Es könnten auch keine Kriterien dafür angegeben werden, mit deren Hilfe eine Aufweichung des allgemeinen Gebots der institutionellen Trennung (Art. 137 I WRV) bewirkt werden soll. § 17, S. 213: Die theologischen Fakultäten stehen im Gegensatz zum Gebot der Trennung von Staat und Religion bzw. der religiös-weltanschaulichen Neutralität: Es ist nicht Aufgabe des Staates, akademische konfessionelle Religionslehre zu betreiben (Nichtidentifikation) oder gar Geistliche auszubilden. Sydow – Vorlesung Recht und Religion WS 2012/2012 7 Auszug aus: Norman Doe, Law and Religion in Europe, 2011, S. 38 f. Needless to say, the three models offer only general categorizations of the postures of States towards religion. National and established churches take many forms, through the foundation, recognition, protection, control, or financial support of a church by the State to a national ministry for all. The same applies to separation: in “structural separation” the State is independent of the control of institutional religion (which itself is independent of state control); and in “transvaluing separation”, state neutrality excludes religious influences from public life – religion is privatized. In turn, cooperation between State and religion may involve “principled pluralism”, when the State recognizes the public value of religion, or “pragmatic pluralism”, when the State collaborates with religion to achieve common goals. Moreover, whilst the models surface at the constitutional level, they are less conspicuous in subconstitutional laws. Here each State has at least some elements of all three models. State churches vary so greatly (in their strategic and operational autonomy) that it is difficult to find the defining element of the system; and within each state-church system, the State is separate from but cooperates with other religious organizations. Separation States are cooperative in so far as they facilitate the practice of religion. Hybrid systems have a basic separation but are like state-church in so far as the State favours particular religious organizations with formal agreements. Indeed, as we shall see throughout this book, more often than not cooperation is the dominant feature in all States of Europe through the provision of a host of facilities (namely, in the provision of religious freedom, prohibitions against religious discrimination; the legal position, personality and autonomy of religious organizations; the protection of religious belief from defamation and of worship from disturbance; the protection of religious sites and the funding of religion; the provision of education, including religious education, and spiritual care in hospitals, prisons, and the armed forces; and permitting solemnization of religious marriages). Sydow – Vorlesung Recht und Religion WS 2012/2012 8 Auszug aus: Norman Doe, Law and Religion in Europe, 2011, S. 263 f. The Principles of Religion Law Common to the States of Europe A principle of religion law common to the States of Europe is understood here to be a foundational proposition of general applicability which has a strong dimension of weight, is induced from the similarities between the legal systems of States, derives from its constitutional traditions, expresses a basic democratic value, and is about, is implicit in, or underlies national religion law. 1. The State is free to choose its own general posture toward religion in terms of its place in public life and government subject to respect for human rights. 2. The State may recognize a national or established church provided it facilitates the exercise of religious freedom for those who do not belong to that church. 3. The State may prohibit its adoption of a State religion. 4. The State may provide for its cooperation with religion. 5. The State must meet the standards of international law as they affect religion. 6. Religion involves beliefs in a transcendental worldview practised in worship, teaching and norms of conduct for the lives of believers. 7. The State may not limit the right to hold any religious belief. 8. There is no obligation to declare a religious belief publicly. 9. Everyone may worship, teach, observe or practise religion publicly or privately. 10. Everyone may worship, teach, observe or practise religion alone or in community. 11. Everyone has a right to free religious affiliation and association. 12. Religious proselytising may be engaged in freely. 13. Everyone may abandon the right to manifest religion by voluntary waiver. 14. No person is compelled to engage in military service contrary to their religion. 15. The manifestation of religion may by limited by law for a legitimate aim. 16. All are equal and no discrimination may occur on the basis of religion or sex. 17. A religious organization may discriminate on grounds of religion and sex when this is genuinely necessary in order to fulfil its religious purposes and doctrine. 18. No person may stir up hatred against or violent conflict between religions. 19. A religious group may associate freely to manifest its beliefs. 20. The State may recognize religious organizations by means of the constitution, statutes, agreements or registration. 21. A religious group may seek legal personality and must satisfy such conditions for its acquisition as may be prescribed by law. 22. A religious organization is autonomous, and the State cannot intervene in its internal affairs. 23. A religious organization should comply with its internal rules which must not be inconsistent with the law of the State. 24. The State may limit the exercise of religious autonomy only when this is necessary for the preservation of public order, health and morals. 25. Ministers of religion may function as office-holders, under contracts of employment or other status recognized by law. 26. Religious organizations may freely appoint their ministers of religion or, in the case of statechurches nominate these for appointment by the State. 27. The discipline of ministers is a matter for the religious organization to which they belong, save to the extent that the law provides for recourse to the courts of the State. 28. No-one may in public intentionally defame religious doctrines. 29. No-one may intentionally disturb worship and ritual in a public sacred place. 30. The State may penalize with criminal sanctions the vilification of religion and the disruption of religious worship. Sydow – Vorlesung Recht und Religion WS 2012/2012 9 31. The media should respect religion in its coverage of religious affairs. 32. A religious organisation may freely acquire, administer and dispose of property. 33. The State must not arbitrarily confiscate religious property lawfully held and if it does so it must provide for restitution or where this is not possible compensation. 34. The State may impose such restrictions on the construction and preservation of religious sites as are necessary to protect the national and cultural heritage. 35. Sacred places should not be damaged with the intention to insult religion. 36. The State should provide for tax allocations to religious purposes, remuneration for ministers who provide spiritual care in public institutions, tax exemptions for religion, and compensation for confiscation and damage to religious property. 37. Parents are free to provide for the religious education of their children. 38. The State may provide or provide for the religious education of pupils in public schools by way of Christian knowledge, denominational education, and non-denominational education, either in or outside public school premises. 39. The State must provide for exemptions when parents or mature children wish to withdraw from religious education in public schools when this is compulsory. 40. Teachers in public schools must not be compelled to provide religious education. 41. Religious organizations are free to seek to establish religious schools and the State must not interfere in the admission of pupils to and the administration of such schools save to the extent permitted by law. 42. A person has the right to the free practice of religion in hospitals, prisons and the armed forces and the State must make provision for this. 43. Ministers of religion may minister to patients, prisoners and military personnel. 44. The State should provide financial support for spiritual assistance which accommodates pas- toral care and religious practices in hospitals, prisons and the armed forces so far as is practi- cable. 45. Religious symbols and dress may be freely displayed or worn in public to the extent permitted by law. 46. The State must permit the celebration of marriage in a religious context following a civil mar- riage. 47. The State may recognize a marriage conducted in accordance with a religious rite as having civil effect either from the moment of its ritual celebration or from the moment of its civil regis- tration provided the conditions set down by law are met. 48. Religious organizations should be free to administer matrimonial dissolution or annulment but without any effect in civil law. 49. Parents and guardians may bring up their children according to their own religious convictions subject to the overriding welfare of the child. 50. A child who reaches the age of discretion is free to choose his or her religion. Sydow – Vorlesung Recht und Religion WS 2012/2012 10 Auszug aus der EMRK Art. 9 Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. (1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen. (2) Die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu bekennen, darf nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die öffentliche Sicherheit, zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Auszug aus dem Vertrag von Amsterdam (Amtsblatt Nr. C 340 vom 10. November 1997) 11. Erklärung zum Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften Die Europäische Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht. Die Europäische Union achtet den Status von weltanschaulichen Gemeinschaften in gleicher Weise. Sydow – Vorlesung Recht und Religion WS 2012/2012 11 Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten (ALR) 1794, Teil II, Titel 11 (Auszug) §1 Die Begriffe der Einwohner des Staats von Gott und göttlichen Dingen, der Glaube und der innere Gottesdienst können kein Gegenstand von Zwangsgesetzen sein. §2 Jedem Einwohner im Staate muss eine vollkommene Glaubens- und Gewissensfreyheit gestattet werden. §3 Niemand ist schuldig, über seine Privatmeinungen in Religionssachen Vorschriften vom Staat anzunehmen. § 17 Die vom Staate ausdrücklich aufgenommenen Kirchengesellschaften haben die Rechte privilegierter Corporationen. § 18 Die von ihnen zur Ausübung ihres Gottesdienstes gewidmeten Gebäude werden Kirchen genannt und sind als privilegirte Gebäude des Staates anzusehen. § 19 Die bey solchen Kirchengesellschaften zur Feier des Gottesdienstes und zum Religionsunterrichte bestellten Personen haben mit anderen Beamten im Staate gleiche Rechte. § 20 Eine Religionsgesellschaft, welche der Staat genehmigt, ihr aber die Rechte öffentlich aufgenommener Kirchengesellschaften nicht beygelegt hat, genießt nur die Befugnisse geduldeter Gesellschaften. Sydow – Vorlesung Recht und Religion WS 2012/2012 12 Verfassung des Deutschen Reiches vom 28. März 1849 („Paulskirchenverfassung“), Artikel V § 144 Jeder Deutsche hat volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. § 145 Jeder Deutsche ist unbeschränkt in der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Übung seiner Religion. Verbrechen und Vergehen, welche bei Ausübung dieser Freiheit begangen werden, sind nach dem Gesetz zu bestrafen. § 146 Durch das religiöse Bekenntniß wird der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch beschränkt. Den staatsbürgerlichen Pflichten darf dasselbe keinen Abbruch thun. § 147 Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. Keine Religionsgesellschaft genießt vor anderen Vorrechte durch den Staat; es besteht fernerhin keine Staatskirche. Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; eine Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht. § 148 Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden. § 149 Die Formel des Eides soll künftig lauten: „So wahr mir Gott helfe.“ § 150 Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe ist nur von der Vollziehung des Civilactes abhängig; die kirchliche Trauung kann nur nach der Vollziehung des Civilactes Statt finden. Die Religionsverschiedenheit ist kein bürgerliches Ehehinderniß. § 151 Die Standesbücher werden von den bürgerlichen Behörden geführt.