Unterrichtsreihe Eine andere Welt ist nötig
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Unterrichtsreihe Eine andere Welt ist nötig
Unterrichtsreihe Eine andere Welt ist möglich nötig! Lehrmaterialien für die elfte Klasse zur Einbettung des konsumkritischen Stadtrundganges in den Politik- und Wirtschaftsunterricht von Gesine Bade Autorin: Gesine Bade Herausgegeben vom Verein Die Kopiloten e.V. Nora-Platiel-Straße 1, 34127 Kassel Kassel, 2014 www.diekopiloten.de info@diekopiloten.de Gefördert von Engagement Global GmbH aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. In Kooperation mit der Universität Kassel, Didaktik der Politischen Bildung Inhaltsverzeichnis 1.Einleitung · 6 1.1 Der Stand der Dinge · 6 1. 1. 1 Herzlich Willkommen im Anthropozän · 6 1. 1. 2 Mit Vollgas gegen die Wand · 7 1. 1. 3 Itʼs time to change · 10 1. 2 Jugend und Konsum · 11 2.Die Unterrichtsreihe · 15 2.1 Übersicht der Unterrichtsreihe · 16 2. 2 Die Vorbereitung · 17 2. 2. 1 Vorweg · 17 2. 2. 2 Die erste Doppelstunde: Worin besteht das Problem? · 19 2. 2. 3 Die zweite Doppelstunde: Ursachen & Interessen · 22 2. 2. 4 Die dritte Doppelstunde: „Lösungen“ & Konsequenzen · 25 2. 3 Der konsumkritische Stadtrundgang: Lernen in der Innenstadt · 27 2.4 Die Nachbereitung · 29 2. 4. 1 Die letzte Doppelstunde: Reflexion & Blick in die Zukunft · 29 3.Anhang · 33 3.1 Materialien zur Unterrichtsreihe · 35 3. 1. 1 M1 – Anleitung für Protokollführende · 37 3. 1. 2 M2 – Bilderrätsel · 39 3. 1. 3 M3 – Infotexte · 45 3. 1. 4 M4 – Lösungsansätze · 57 3. 1. 5 M5 – Wandbild · 63 3. 2Literaturverzeichnis · 81 „It's the end of the world as we know it." R.E.M. 1. Einleitung Der konsumkritische Stadtrundgang Kassel wurde 2008 gegründet und findet seit 2009 regelmäßig statt. Das Projekt wird von ehrenamtlich tätigen Studierenden vieler verschiedener Fachrichtungen getragen und ständig weiterentwickelt. In den letzten Jahren haben ca. 60 verschiedene Gruppen am Rundgang teilgenommen und damit den Fortbestan ng und den Erfolg des Projektes gesichert. Viele Gruppenleiter und Gruppenleiterinnen äußerten des Öfteren den Wunsch nach Lehrmaterialien, um die behandelten Inhalte in den Lerngruppen besser vor- und nachbereiten zu können. Diese Arbeit bildet den ersten Teil einer Materialienreihe, die in Zukunft, für weitere Klassenstufen und Gruppenkonstellationen ausgebaut werden soll. Die Lehrmaterialien sollen zum Ziel haben, dass bereits im Vorfeld eines jeden Rundgangs ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, dass der heutige teilweise unnütze und übertriebene Konsum der Industrienationen globale und damit weitreichende Folgen in sich birgt. Während des Stadtrundganges können dann gemeinsam mit dem Konsumkritik-Team Lösungsansätze und Handlungsoptionen entwickelt, aber vor allem diskutiert werden. In der Nachbereitung der Inhalte kommt es darauf an, zu reflektieren. Wie wichtig ist das Ganze? Kann man selbst etwas ändern? Und: Ist nachhaltiger Konsum überhaupt eine Option? Da die meisten Teilnehmer des Rundgangs Schülerinnen und Schüler 1 sind, wurde das folgende Material als Unterrichtsvorschlag für den Politik- und Wirtschaftsunterricht der elften Klasse konzipiert. Im Lehrplan für Gymnasien ist in der Einführungsphase der elften Klassen E2 das Thema „Ökologie und wirtschaftliches Wachstum“ vorgeschrieben. Die Begründung für die Wichtigkeit dieses Themengebietes fast das Hessische Kultusministerium wie folgt zusammen: „Die exemplarische Beschäftigung mit den angeführten Themenstichworten soll die Breite der gesellschaftlichen Aufgaben zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen deutlich machen. Die Themenbereiche Wirtschaftswachstum und Ökologie beschäftigen sich mit (…) dem Spannungsverhältnis von Ökonomie und Ökologie. (…) Hier kann den Jugendlichen klar werden, dass gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen veränderbar und dem politischen Handeln zugänglich sind und dass politisches Engagement sich lohnt 2 .“ Zu den verbindlichen Unterrichtsinhalten zählen an erster Stelle das Spannungsverhältnis zwischen Wirtschaftswachstum und ökologischer Nachhaltigkeit. Bei den fakultativen Unterrichtsinhalten schlägt der Lehrplan eine „exemplarische Untersuchung im Nahbereich“ vor. Damit ist sicher in erster Linie die Besichtigung eines Betriebes, eine Untersuchung der Energiebilanz der Schule oder die Bewertung von z. B. ökologischen Verkehrskonzepten der Kommune gemeint. Der konsumkritische Stadtrundgang bietet sich aber mindestens genauso gut an, um soziale und ökologische Effekte und Kosten der marktwirtschaftlichen Produktionsweise näher zu beleuchten. Des Weiteren ist der Rundgang ein Konzept, das von jungen Menschen für junge Menschen entwickelt wurde, sich nah an die Konsumgewohnheiten der SuS anlehnt und diese gezielt zum Thema macht. Der Rundgang in Ver bindung mit dem vorliegenden Unterrichtsmaterial deckt also nicht nur Lehrplan relevante Themen1 2 „Schülerinnen und Schüler“ wird im Folgenden durch „SuS“ abgekürzt Hessisches Kultusministerium: Lehrplan. Politik und Wirtschaft. Gymnasialer Bildungsgang. Jahrgangsstufe 7G bis 9G und gymnasiale Oberstufe. 2010. S. 34 ff. Im Internet unter: http://www.kultusministerium.hessen.de/irj/ HKM_Internet?cid=ac9f301df54d1fbfab83dd3a6449af60 5 felder ab, sondern zeigt den Jugendlichen, dass bereits kleine Veränderungen in der Denk- und Konsumweise ein Schritt hin zu einer nachhaltigen Entwicklung sein können. Warum die derzeitige Entwicklung nicht als nachhalt ig bezeichnet werden kann und welche Besonderheiten zu beachten sind, wenn man mit Jugendlichen die oben genannten Themen bearbeitet, sollen im Folgenden erklärt werden. Im zweiten Teil der Arbeit wird die Unterrichtseinheit in aller Genauigkeit erläutert und im dritten Teil befinden sich alle Materialien und Kopiervorlagen. 1.1 Der Stand der Dinge 1.1.1 Herzlich Willkommen im Anthropozän 10.000 Jahre befand sich die Welt im sogenannten Holozän, einem Erdzeitalter mit stabilem Klima, ausgeglichener Konzentration wichtiger Atmosphärengase und stetiger Artenvielfalt. Der Mensch wurde sesshaft, begann Landwirtschaft zu betreiben und seine Population stieg. Geologen schätzen, dass dies kein Zufall ist, denn die Menschheit benötigt stabile Umweltverhältnisse um zu überleben und sich zu vermehren. Das Holozän mit seinen milden Bedingungen war ein bedeutender Faktor für den Aufstieg der Menschheit. Doch nun steht der Planet auf der Schwelle zum Übergang in ein neues Erdzeitalter, dem Anthropozän. 2008 brachte die stratigraphische Kommission der Geological Society of London überzeugende Beweise dafür vor, dass eine erdzeitliche Wende bevorsteht, die mit nichts in den letzten Millionen Jahren zu vergleichen sei 3. Die wichtigsten Indikatoren für den Wandel sind der Anstieg der Produktion von Treibhausgasen, der Eingriff des Menschen in wichtige Ökosysteme, die Übersäuerung der Ozeane und der fortschreitende Verlust der Artenvielfalt. Aber nicht nur Geologen und Historiker warnen vor großen Veränderungen, auch andere Wissenschaftler versuchen, die Zeichen der Zeit zu deuten. Die ersten, die den Planeten Erde als ein zusammenhängendes Ökosystem gesehen haben, waren das Wissenschaftlerehepaar Dennis L. und Donella H. Meadows im Jahr 1972. In ihrer vom Club of Rome in Auftrag gegebenen Studie über die Grenzen des Wachstums sagten sie einen Kollaps der Gesellschaften vorher, wenn Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung ungebremst fortgesetzt werden würden. Dabei ging die Arbeitsgruppe um die Meadows für damalige Verhältnisse sehr fortschrittlich vor. Es wurde eine Computersimulation mit dem Namen „World3“ entworfen, die die globale Entwicklung unter Berücksichtigung folgender Grundgrößen errechnete: Bevölkerungswachstum, Nahrungsmittelverbrauch, Rohstoffvorräte, Umweltverschmutzung und Investitionen. Der Zusammenhang zwischen den Größen wurde mathematisch umgewandelt und es entstand ein Netz aus Zusammenhängen. Das Ergebnis der Simulation war, dass wenn alles weitergeht wie bisher, die Wachstumskurve plötzlich abknickt, Nahrungs- und Industrieproduktion daraufhin zusammenbrechen und die Bevölkerungszahlen rapide zurückgehen. Egal, wie optimistisch die Daten waren, die man eingab, am Systemverhalten änderte sich wenig. Der Kollaps verschob sich höchstens um ein paar Jahrzehnte. Die Veröffentlichung der Studie brachte weltweite Aufruhr. Anstatt jedoch die Aussagen der Simulation zu nutzen, wurde sie von vielen Seiten aus kritisiert. Es gab technische Kritik an der Einfachheit der Computerdaten, ökonomische Kritik an der Nichtbeachtung makroökonomischer Marktregulierungsprozesse und entwicklungspolitische Kritik, da sich die Entwicklungsländer durch die negative Konnotation des Wortes „Wachstum“ um 3 6 s. Zalasiewicz, Jan; et al.: Are we now living in the Anthropocene? In: GSA Today. Vol. 18, Nr. 2, Februar 2008, S. 4–8, im Internet unter: http://www.geosociety.org/gsatoday/archive/18/2/pdf/i1052-5173-18-2-4.pdf ihre Entwicklungschancen betrogen sahen. Die Autoren fühlten sich in vielerlei Hinsicht unverstanden. Die Studie sollte keine Zukunftsprognose, sondern eine Warnung sein, dafür, dass man alles tun müsse, damit es nicht zu diesem Kollaps kommt. Mittlerweile gilt die Studie als anerkannt und alle zehn Jahre gibt es ein Daten-Update. Die tiefgreifende politische Wende allerdings, die die Meadows gefordert haben, ist nicht eingetreten. „Now thirty years later, we look back, weʼve redone the analysis and find that what we said in ʼ72 was essentially correct, except of course now weʼve lost thirty years. And whereas in 1972 we were comfortably below the carrying capacity of the globe – that is to say there was room for population and industry to grow – now weʼre significantly above 4 .” Dennis Meadows (2004) Seit 1972 weiß die Menschheit also um die Grenzen des Wachstums. Dieses Wachstum wird früher oder später an physikalische und ökologische Grenzen stoßen. Die Erde ist ein geschlossenes System und ein System kann nur eine bestimmte Anzahl an Systemverletzungen wegstecken, bevor es kollabiert. Umweltsystemforscher aus Schweden haben 2009 zehn essentielle Schwellenwerte bestimmt, die nicht überschritten werden dürfen, damit die Umwelt als Ganzes nicht destabilisiert wird. Drei der Schwellen wurden bereits in massivem Maße überschritten: erstens – das Sterben vieler wichtiger Arten, zweitens – die Stickstoffbelastung in Böden und Gewässern und drittens – die enormen Klimaveränderungen der letzten Jahre. Zwei weitere Größen sind gerade dabei, die kritischen Schwellenwerte zu überschreiten: die allgemeine Phosphorbelastung und die Versauerung der Ozeane. Der Ozonabbau, der Süßwasserverbrauch und die Landnutzung bewegen sich zwar noch nicht in einem kritischen Bereich, ihre Tendenzen weisen aber stark darauf hin. Bei den Untersuchungsgrößen Chemische Verschmutzung und Belastung der Atmosphäre konnten bis jetzt noch keine aussagekräftigen Schwellenwerte ermittelt werden 5. Zehn Schwellenwerte, drei Grenzüberschreitungen (bis jetzt) – damit betritt die Menschheit das Anthropozän, ein Erdzeitalter, das sich vor allem dadurch auszeichnet, vom Menschen geschaffen worden zu sein. 1.1.2 Mit Vollgas gegen die Wand Die weltweite wirtschaftliche Lage ist schwierig und undurchsichtig geworden: eine Krise jagt die nächste, Staaten gehen Bankrott, Banken werden gerettet, weltweite Verflechtungen diktieren Preise und Regeln, die längst nicht mehr von allen durchschaut werden. Die globale Wirtschaft umfasst viele Akteure und alle sind auf Energie und Rohstoffe angewiesen. Ein fortschreitendes Wirtschaftswachstum scheint die einzige Lösung zu sein, für das Schuldenproblem, für eine höhere Warenproduktion, für mehr Arbeitsplätze, für weniger Armut und Hunger und vor allem, das wird von den meisten Akteuren immer ausführlich betont, für die Erfüllung der Entwicklungsziele der UNO 6. Wahrscheinlich ist das auch der Grund dafür, warum das Wort „Wirtschaftswachstum“ über 40 Mal im 4 5 6 s. Heymann, Matthias: Dennis L. Meadows (*1942) und Donella H. Meadows (1941–2001). Grenzen des Wachstums. In: eins. Entwicklungspolitik. Information Nord-Süd. 4-2007 März, S. 53–55 vgl. Rockström, Johan; et. Al.: Planetary Boundaries: Exploring the Safe Operating Space for Humanity. Resilience Alliance, Stockholm, 2009, S. 1, im Internet unter: http://www.stockholmresilience.org/download/18.8615c78125 078c8d3380002197/ES-2009-3180.pdf vgl. Altvater, Elmar: Kann die Linke Wachstum wollen? Anmerkungen zu einer zentralen Frage in der Debatte um das Grundsatzprogramm der Linken. Im Internet unter: http://seri.academia.edu/JoachimHSpangenberg/ Papers/339048/Elmar_Altvater_-_Kann_die_Linke_Wachstum_wollen 7 Koalitionsvertrag der derzeitigen CDU/CSU/FDP-Bundesregierung vorkommt, das Wort „Umweltschutz“ hingegen nur dreimal 7. Laut einer ARD-Umfrage haben 85 % der Deutschen „regelrechte Angst“ vor dem anhaltenden Steigen der Preise 8. Mittlerweile ist klar, dass die gefühlte Inflation nicht nur auf eine zu lockere Geldpolitik der EZB zurückzuführen ist, sondern dass das reale Angebot zu niedrig ist und Börsenspeku lationen ihr übriges zum Preisanstieg beisteuern. Der stetig steigende Goldpreis ist ein Indikator für die künftige Preisentwicklung. Viele endliche und fossile Rohstoffe steuern auf ihre globalen Fördermaxima zu. Der US-amerikanische Umweltforscher Richard Heinberg prognostiziert einen „Peak Everything“. Nachdem der Peak Oil 2006 überschritten wurden, sollen der Peak bei Gas und verschiedenen Metallen Mitte des Jahrhunderts und bei Kohle Ende des Jahrhunderts liegen. Fossile Grundwasserreserven gehen zur Neige und das für die Düngerherstellung überlebenswichtige Phosphat wird ebenfalls knapp 9. Heinberg kündigt den Übergang von einer Überfluss- in eine Mangelgesellschaft an. Schließlich wird der weltweite Energiebedarf zu 85 % aus fossilen Energieträgern gewonnen und die Landwirtschaft wird mit fossilen Wasserreserven gespeist. Wenn diese Wirtschaftsstrukturen beibehalten werden, steuern die Industrieländer auf einen allumfassenden Abstieg zu. Heinberg prophezeit zuerst den sozialen Abstieg durch den Einbruch des Wirtschaftswachstums, daraufhin endet der private Konsum, die Massenmobilität und die Innovationsfähigkeit brechen zusammen, die schließliche Folge daraus ist die Abnahme der politischen Stabilität. In einer 2010 durchgeführten Bundeswehrstudie werden die sicherheitspolitischen Folgen der Ressourcenverknappung untersucht. Ungewohnt drastisch liest sich die Zukunftsprognose: „Der Peak Oil kann dramatische Konsequenzen für die Weltwirtschaft haben. Zunächst wird sich das Ausmaß dieser Konsequenzen – nicht nur, aber eben auch – durch einen Rückgang des Wachstums der Weltwirtschaft messen lassen… Ein ökonomischer Tipping Point besteht dort, wo zum Beispiel infolge des Peak Oil die Weltwirtschaft auf unbestimmbare Zeit schrumpft. In diesem Fall wäre eine Kettenreaktion denkbar, die das globale Wirtschafts system destabilisiert. (…) Mittelfristig bräche das globale Wirtschaftssystem und jede marktwirtschaftlich organisierte Volkswirtschaft zusammen. (…) Eine auf unbestimmte Zeit schrumpfende Wirtschaftsleistung stellt einen höchst instabilen Zustand dar, der zu einem Systemkollaps führen würde. Die Sicherheitsrisiken einer solchen Entwicklung sind kaum abzuschätzen. Eine Umstellung der Ölversorgung wird bis zum Eintritt des Peak Oil nicht in allen Weltregionen gleichermaßen möglich sein. Es ist wahrscheinlich, dass eine hohe Anzahl von Staaten nicht in der Lage sein wird, die notwendigen Investitionen rechtzeitig und in ausreichender Höhe zu leisten. In Anbetracht des Globalisierungsgrades ergibt sich für Deutschland ein hohes systemisches Risiko auch unabhängig von der eigenen Energiepolitik (…) 10 “ Zentrum für Transformation der deutschen Bundeswehr (2010) Das interne Papier zeigt, wie sehr die drohende Energiekrise die Militärs sorgt. Diese Sorge weist Parallelen zu einem Vorfall in Großbritannien auf. Der Guardian berichtete, dass das britische Department of Energy and Climate Change Papiere unter Verschluss hält, nach denen sich die Britische Regie7 vgl. CDU/CSU/FDP: Wachstum. Bildung. Zusammenhalt. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP. 17. Legislaturperiode, im Internet unter: http://www.cdu.de/doc/pdfc/091026-koalitionsvertrag-cducsu-fdp.pdf 8 s. ARD-Deutschland Trend Juli 2008: Preis-Galopp macht Deutschen Angst. Im Internet unter: http://www. tagesschau.de/inland/deutschlandtrend/deutschlandtrend332.html 9 vgl. Heinberg, Richard: Peak Everything. Waking up to the Century of Declines. New Society Publishers, Gabriola Island, 2010, S. 1 ff. 10 s. Zentrum für Transformation der Bundeswehr: Teilstudie 1: Peak Oil. Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen., S. 62–66, im Internet unter: http://www.zentrum-transformation.bundeswehr.de/ 8 rung größere Sorgen um die kommenden Versorgungskrise mache, als bisher zugegeben 11. Demnach arbeiten das Department, verschiedene Banken, das Verteidigungsministerium und Industrievertreter einen Krisenplan für die Folgen möglicher Versorgungsengpässe aus. Die Beteiligung der verschiedenen Interessensgruppen wurde von Spiegel Online 2010 aufgedeckt 12. Den Regierungen werden mitunter brisante Empfehlungen ausgesprochen. So empfahl beispielsweise die Bundeswehr der deutschen Regierung in ihrer Studie vor allem das Verhältnis zu Russland und den arabischen Ländern zu stärken und gegebenenfalls Belastungen im Verhältnis zu Polen und Israel in Kauf zu nehmen 13. Zur ökologischen und wirtschaftlichen Krise, kann nun auch noch eine politische hinzukommen. Und der momentane Zustand scheint noch nicht die Spitze des Eisbergs, sondern eher der Beginn einer längerfristigen Entwicklung zu sein. Heinberg sieht nur eine Lösung, um ein Horrorszenario abzuwenden: „Unsere zentrale Überlebensaufgabe in den vor uns liegenden Dekaden, als Individuen wie auch als Spezies, muss in einem Übergang weg von den fossilem Brennstoffen liegen – und dies muss so friedlich, gerecht und intelligent wie irgend möglich vonstattengehen.14 “ Richard Heinberg (2008) Bis jetzt sind die Schritte, die unternommen werden, um ein allumfassende und ganzheitliche Systemkrise abzuwenden noch nicht wirklich erkennbar. Die Staaten stürzen sich auf die noch verbleibenden Reserven und suchen fieberhaft nach neuen Vorkommen. In vielen Ländern stehen die Regierungen vor der Frage, ob sie die Ökonomie oder den Planeten retten sollen. In Großbritannien z. B. war der Druck der Rezession 2008 so groß, dass zeitweise überlegt wurde, die Durchsetzung von umweltpolitischen Zielen aufzugeben15. Anstatt also etwas zu ändern, sieht es aus, als ob zwanghaft versucht wird den Status quo aufrecht zu erhalten. Die Ursachen dafür sind vor allem die Produktions- und Eigentumsverhältnisse in den Schlüsselindustrieländern. Ebenso sind große Konzerne weltweit zu einflussreich. Der Umsatz des weltweit größten Erdölkonzerns „Exxon“ belief sich 2007 beispielsweise auf 404,5 Mrd. US-Dollar. Zum Vergleich: das Bruttoinlandsprodukt von Südafrika desselben Jahres betrug ca. 255 US-Dollar. Fest steht, eine globale Wachstumsrate von derzeit 3,7 % kann nicht aufrecht erhalten werden. Denn dies würde bedeuten, dass sich die Weltwirtschaft alle 19 Jahre verdoppelt. Durch einen „Peak Everything“ stößt die Wachstumsmaschine jedoch an ihre physikalischen Grenzen. Ebenso erreicht die kapitalistische Produktionsweise ihr Limit. Die Erzeugung von Gewinn durch die Akkumulierung von Kapital, Rohstoffen, Arbeitskraft und Energie gerät ins Wanken, wenn Rohstoffe knapp werden und die Massennachfrage sinkt. Und die Massennachfrage sinkt bereits seit den 1980er Jahren, denn durch das Einsetzen der mikrotechnologischen Revolution Ende der 1970er Jahre wurden viele Arbeitsplätze überflüssig und mit den steigenden Arbeitslosenzahlen und dem Aufkommen niedrig 11 Macalister, Terry; Badal, Lionel: Peak Oil alarm revealed by secret official talks. In: The Guardian vom 22.08.2010, im Internet unter: http://www.guardian.co.uk/business/2010/aug/22/peak-oil-department-energy-climatechange 12 Schultz, Stefan: Rohstoffknappheit. Bundeswehr-Studie warnt vor drastischer Ölkrise. SPIEGEL ONLINE Artikel vom 3.08.2010, im Internet unter: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/rohstoffknappheit-bundeswehrstudie-warnt-vor-dramatischer-oelkrise-a-714878.html 13 Zentrum für Transformation der Bundeswehr: Teilstudie 1: Peak Oil. Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen., S. 73, ff., im Internet unter: http://www.zentrum-transformation.bundeswehr.de/ 14 Konicz, Tomas: Mit Vollgas gegen die Wand. Warum das derzeit herrschende Wirtschaftssystem die anstehenden zivilisationsbedrohenden Probleme nicht lösen kann. In: Telepolis Online, vom 13.07.2008, im Internet unter: http://www.heise.de/tp/artikel/28/28280/1.html 15 Monbiot, George: This economic panic is pushing the planet right back down the agenda. In: The Guardian vom 01.07.2008, im Internet unter: http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2008/jul/01/climatechange.carbonemissions 9 bezahlter Arbeitsverhältnisse sank unbemerkt die Gesamtnachfrage 16. Der Prozess wurde jedoch überdeckt durch den Ausbau des Finanzsektors. Der amerikanische Ökonom Paul Sweezy spricht von einer regelrechten „Finanzierung des Kapitalismus 17 “. Als Beispiel: 1985 wurden 16 % aller in den USA generierten Gewinne dem Finanzsektor zugeschrieben. 2005 waren es bereits 40 % aller generierten Gewinne 18. Die privaten Investitionen sinken, wodurch die Profitrate sinkt und Blasenökonomien entstehen. Die Spekulationsgeschäfte boomen. Was bleibt, ist eine doppelte Kapitalismuskrise: auf der einen Seite werden die Rohstoffe und die Energie für die Produktion knapp, auf der anderen Seite sinken Profitrate und Massennachfrage. „Sollte das spätkapitalistische Wirtschaftssystem nicht überwunden werden, wird das 21.Jahrhundert ein Zeitalter des Verfalls, das durch den Rückgang der Förderung und der Produktion etlicher vitaler Ressourcen gekennzeichnet sein wird 19.“ Richard Heinberg (2008) 1.1.3 It's time to change Es existieren viele Lösungsansätze und Empfehlungen für Politik und Wirtschaft, die vor allem eine friedliche, gerechte und intelligente Lösung der Krise ins Auge fassen. Ebenso ist es wichtig zu ver stehen, dass nicht einfach ein oder zwei Dinge geändert werden, um ein ganzes globales System zu retten. Zum Beispiel eine Umstellung auf biogene und nachwachsende Rohstoffe wird schon allein von der Menge nicht möglich sein, zudem die wachsende Menschheit mehr und mehr die natürlichen Lebensgrundlagen zerstört. Auch Öko-Effizienz und vermehrtes Recycling sind keine vollwertigen Lösungen. Der Handel und die Spekulation mit Ressourcen, Währungen und Lebensmittel müssten endlich verboten werden. Die Preise müssten drastisch erhöht werden, damit fossile und endliche Ressourcen endlich wieder das sind, was sie sind: Luxus. Der Dienstleistungssektor könnte ausgebaut werden, um wieder mehr Augenmerk auf Wartung und Reparatur zu legen, anstatt Neuproduktion zu fördern. Über Subventionen müsste neu nachgedacht werden. Eine Ökosteuer könnte eingeführt werden, sowie handelbare Zertifikate, gestufte Emissionsobergrenzen, die Effizienzrevolution und eine ausgefeilte Kreislaufwirtschaft. Aber das „Gegenwartsgeplänkel“, so wie es Marianne Gronemeyer, Erziehungswissenschaftlerin aus Wiesbaden nennt, führt zu nichts 20. Erneuerung? Reformation? Reform der Reform? Radikale Umwälzung? Abbruch? Nichts geschieht. Es scheint, als würde der verzweifelte Versuch unternommen, eine Krise zu überwinden, indem man sie eskalieren lässt. Bereits Ivan Illich kritisierte 1974: „Man meint heute, die durch Wissenschaft und Technik entstandenen Probleme könnten nur mit Hilfe weiteren wissenschaftlichen Verständnisses und besserer Technik gelöst werden. (…) Nur nicht aufhören, alles ist besser als das 21.“ Was heute 16 vgl. Konicz, Tomas: Am Abgrund mit der Dollarflut. In Telepolis Online vom 19.03.2008, im Internet unter: http://www.heise.de/tp/artikel/27/27542/1.html 17 s. Foster, John: The Financialization of Capital and the Crisis. 2008, im Internet unter: http://monthlyreview.org/ 2008/04/01/the-financialization-of-capital-and-the-crisis 18Ebd. 19 Konicz, Tomas: Mit Vollgas gegen die Wand. Warum das derzeit herrschende Wirtschaftssystem die anstehenden zivilisationsbedrohenden Probleme nicht lösen kann. In: Telepolis Online, vom 13.07.2008, im Internet unter: http://www.heise.de/tp/artikel/28/28280/1.html 20 Gronemeyer, Marianne: Ivan Illich, Erich Fromm und Hans Jonas. Konsumkritik aus unterschiedlichen Blickwinkeln. In: politische Ökologie, Band 100, (2006), S. 27–31 21 Illich, Ivan: Die sogenannte Energiekrise. Oder: die Lähmung der Gesellschaft. ro-ro-ro-Verlag, Berlin, 1974 10 in Ratlosigkeit mündet, hat in den 1970er Jahren schon einmal radikaler geklungen: Grenzen des Wachstums, Null-Wachstum oder Minus-Wachstum waren Schlagworte mit denen Gesellschaftskritiker wie Illich, Fromm oder Jonas eine neue Ethik in einer technisierten Gesellschaft auf den Vormarsch bringen wollten. Die Ideen von damals müssen weitergedacht werden. Der Diskurs darf nicht abreißen oder verharmlosen, nur weil eine Lösung schwierig oder komplizierter erscheint. Das folgende Unterrichtsmaterial soll behutsam an das Dilemma eines „nicht-grenzenlosen Wachstums“ heranführen. Mit einer Problemstudie, die die Ressourcenverknappung und deren Gründe dafür in den Hauptfokus nimmt, soll den SuS bewusst werden, dass der Großteil der Welt nach einem System funktioniert, das sich früher oder später selbst zerstören wird. Durch den konsumkritischen Stadtrundgang soll gezeigt werden, dass wir alle Teil des Systems sind und sich darin niemand seiner Verantwortung entziehen kann. Durch den positiven Zukunftsausblick am Ende der Einheit wird deutlich, dass es noch nicht zu spät ist etwas zu ändern und dass eine Katastrophe vermeidbar ist. Es ist jedoch wichtig bei dem Thema des Umdenkens nicht mit der Polemik des Horrorszenarios zu arbeiten! Panik und Angst haben noch nie etwas Gutes in der Menschheit bewirkt. Gerade Jugend liche reagieren sehr sensibel auf zukünftige Prognosen und man sollte den Optimismus in den Mittelpunkt stellen, dass ethisch denkende und handelnde Gesellschaften zusammen eine Lösung finden werden. Sich jedoch der Diskussion zu entziehen und sein Leben einfach weiter zu leben ist keine Option – zumindest keine, die die Menschheit oder den Planeten weiterbringen wird. Im folgenden Kapitel soll noch einmal näher darauf eingegangen werden, was aktuelle Jugendstudien zum Thema Nachhaltigkeit, Werte und Normen bei jungen Menschen herausgefunden haben, denn das Interesse ist groß, nur an Handlungswissen mangelt es den meisten. 1.2 Jugend und Konsum Um zu verstehen, wie Jugendliche Konsum wahrnehmen, mit ihm umgehen und inwieweit sie bereit wären, etwas an ihrem Verhalten zu ändern, ist es unerlässlich, sich näher mit ihrer Denkweise und ihren Wertevorstellungen zu befassen. Konsum ist eine „nichtnatürliche Selbstverständlichkeit“ 22. Da er größtenteils Routine ist und dadurch sozusagen unterbewusst geschieht, kann nicht davon ausgegangen werden, dass aus der Vermittlung von Nachhaltigkeitswissen auch unmittelbar nachhal tiges Konsumieren resultiert. Gerade bei Jugendlichen gibt es große Brüche und Inkonsistenzen zwischen Wissen und eigenem Konsum 23. Ein positiver Fakt, der sich förderlich auf nachhaltige Handlungsveränderungen auswirken könnte ist jedoch, dass junge Menschen noch nicht all zu sehr an die Konsum-Routine gebunden sind. Des Weiteren ist es ein wesentliches Merkmal der Jugend, dass sie die Zukunft mitgestalten will. So sehen Jugendliche zwar auch die Erwachsenen, aber vor allem sich selbst in der Pflicht, die Umwelt zu wahren 24. Jugendstudien zeigen, dass Heranwachsende in den 1990er Jahren ihre Zukunft noch weitaus positiver einschätzten. Mittlerweile sehen nur noch 50–60 % ihrer Zukunft positiv entgegen. Die meistgenannten Zukunftsängste sind: eine schlechte Wirtschaftslage, Arbeitsplatzunsicherheit, Terror 22 Tully, Claus; Krug, Wolfgang: Konsum im Jugendalter. Umweltfaktoren, Nachhaltigkeit, Kommerzialisierung. Wochenschauverlag, Schwalbach/Ts., 2011, S. 9 23 Ebd. S. 11 24 vgl. Lappe, Lothar; Tully, Claus; Wahler, Peter: Das Umweltbewusstsein von Jugendlichen. Eine Qualitative Befragung Auszubildender. München, 2000 11 anschläge, Umweltverschmutzung und der Klimawandel 25. Interessanterweise werden die Umweltprobleme durchaus als bedeutsam wahrgenommen, wirtschaftlichen Risiken wird trotzdem mehr Relevanz beigemessen. Das liegt daran, dass die wirtschaftlichen Probleme die SuS näher betreffen, da ihre berufliche Zukunft involviert ist. Umweltprobleme berühren sie nur entfernt und werden deshalb hinten angestellt. Im Gegensatz zu früheren Generationen sehen sich heutige Jugendliche durchaus als Teil der Gesellschaft. Sie fühlen sich als Teil des Ganzen und sind Institutionen und dem Staat gegenüber nicht grundsätzlich negativ eingestellt 26. Da sie sich eingebunden fühlen, sind sie also auch für gesellschaftliche Veränderungen hin zu einer nachhaltigen Entwicklung ansprechbar. Das Aufwachsen in der Konsumgesellschaft stellt heutzutage ein wesentliches Merkmal in der Werteorientierung junger Leute dar. Noch nie war die Freizeit so kommerzialisiert, wie zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Zum Beispiel das gesamte Handlungsfeld Kommunikation ist kostenpflichtig geworden. Jungen Menschen geben die Hälfte ihres zur Verfügung stehenden Geldes für Handykosten, den PC und andere Kommunikationstechnik aus. Früher wurde dieses Geld vor allem für den Führerschein gespart. Und es gibt weitere Effekte durch den wichtiger gewordenen Konsum auf die Werte junger Menschen. Was z. B. früher in Form von Regeln gefasst war, z. B. was man tut oder nicht tut, was in und was out ist, wird heute vom Markt vorgegeben. Soziale Teilhabe und Inklusion läuft fast gänzlich über den Konsum und geschieht damit nebenher. Ebenso verhält es sich mit der schon immer wichtige Gegenkultur im heranwachsenden Alter. Wenn Jugendliche sich heute abgrenzen wollen, geschieht das nicht mehr über Protest, sondern über den Konsum. Das ist z. B. einer der Gründe, warum vor allem junge Menschen das kaufen, was neu ist, wie z. B. Technik 27. Umweltthemen sind heutzutage oft Moden und Trends unterworfen. So verschwinden viele Themen nach einer gewissen Zeit wieder, z. B. das Waldsterben. Der Klimawandel und der Ressourcenverbrauch sind jedoch hingegen schon länger wichtige Themen, was auf eine stärkere Verankerung im gesellschaftlichen Diskurs schließen lässt. Das könnte ein Ansatzpunkt sein, um eine tatsächliche Handlungsveränderung anzustoßen. Grundlage ist jedoch die persönliche Bereitschaft. In einer Studie gibt z. B. die Mehrheit der Jugendlichen an, nachhaltiges Konsumverhalten zu unterstützen und es auch zu praktizieren, wenn der Lebensstandard nicht darunter leidet. Insgesamt zeichnet sich in den letzten 30 Jahren eine eindeutige Tendenz ab. Das Umweltbewusstsein der Jugend schwindet und Wissenschaftler sprechen von einem sogenannten Kohorteneffekt. Während die Jugendlichen in den 1950er Jahren in einer Mangelsituationen aufwuchsen, zur Sparsamkeit erzogen wurden und somit unbewusst nachhaltig handelten; wuchsen die Jugendlichen der 1970/80er Jahre in einer Zeit der großen Umweltbewegungen auf. Sie waren also früh schon sehr umweltbewusst und versuchten, bewusst nachhaltig zu handeln. Heutige Jugendliche haben vor allem mit Fragen der Existenzsicherung zu kämpfen. Noch nie war in der gesamten Nachkriegszeit der Übergang in das Arbeitsleben so schwierig wie heute. Dementsprechend fallen globale und Umweltthemen zurück 28. Abschließend bleibt festzuhalten, dass in der Nachhaltigkeits- und Umweltarbeit mit Jugend lichen darauf zu achten ist, dass junge Menschen sich als Teil der Gesellschaft sehen und aktiv ihre Zukunft mitgestalten wollen. Natürlich sind die Handlungsbereitschaften unter den Jugendlichen 25 vgl. Leven, Ingo; Quenzel, Gudrun; Hurrelmann, Klaus: Familie, Schule, Freizeit: Kontinuität und Wandel. In: Shell Deutschland Holding (Hrsg.): 16. Shell Jugendstudie. Jugend 2010. Eine pragmatische Generation behauptet sich. Frankfurt/M., 2010, S. 119 26 vgl. Braun, Axel: Das Umweltbewusstsein Jugendlicher im Wandel. In: Deutsche Jugend. Zeitschrift für Jugend arbeit. 11/2009, S. 463–471 27 s. Schäfers, Bernhard; Scherr, Albert: Jugendsoziologie. Einführung in die Grundlagen und Theorien. Wiesbaden, 2005, S. 142 28 vgl. Schahn, Joachim: Umweltbewusstsein und Soziodemografie: Zur Bedeutung von Geschlechtsunterschieden. Psychologisches Institut der Universität Heidelberg, Heidelberg, 2003, S. 8 ff. 12 nterschiedlich ausgeprägt, man muss deswegen vor allem subjektorientiert vorgehen und die Voru stellung und die Lebenswelt eines jeden mit einbeziehen. Wichtig ist, dass den Jugendlichen Handlungsoptionen mit auf den Weg gegeben werden, bzw. gemeinsam erdacht werden müssen. In einer Studie zum Handlungswissen im Feld des nachhaltigen Konsums fiel auf, dass ein breites Theoriewissen vorhanden ist, spezielleres Wissen fehlt und dass 20 % der Jugendlichen keine Angaben dazu machen konnte, was man selbst tun könnte, um nach haltiger zu konsumieren 29. „Wir leben in einer Überflussgesellschaft, aber: Je größer der Überfluss, desto bedürftiger die Menschen." Prof. Marianne Gronemeyer 29 vgl. Österreichisches Jugendinstitut: Konsumfelder Jugendlicher. Eine Studie. Österreichisches Jugendinstitut, 2004, S. 10 13 „Man vergleicht den Kapitalismus gelegentlich mit einem Fahrrad wenn man anhält, fällt es um." Claus Leggewie & Harald Welzer 2. Die Unterrichtsreihe Eine andere Welt ist möglich nötig! »» Zusammenfassung Die Unterrichtsreihe gliedert sich in eine Vor- und eine Nachbereitung, im Zentrum steht der konsumkritische Stadtrundgang. Die Vorbereitung umfasst drei Doppelstunden und verfolgt das Ziel, die SuS dafür zu sensibilisieren, dass große ökologische und soziale Probleme durch den uneingeschränkten Konsum der Industrienationen entstanden sind. Auf diese Weise soll ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass der heutige, entfesselte Konsum kein Naturgesetz ist, sondern problematisiert und diskutiert werden muss. Im Mittelpunkt der Unterrichtseinheit steht der konsumkritische Stadtrundgang, der Handlungsoptionen und Motivation für nachhaltiges Konsumverhalten vermitteln soll. Durch den außerschu lischen Lernort „Innenstadt“ wird die Problematisierung des Themas „Konsum“ direkt vor Ort in die Lebenswelt und das Konsumverhalten der SuS eingebettet. In der Nachbereitung soll vor allem reflektiert werden: Was heißt das jetzt für das Alltagshandeln jeder Einzelperson? Was kann geändert werden? Was ist utopisch? Ist nachhaltiger Konsum eine Handlungsmöglichkeit? Nach der Reflexion sollen sinnvolle und realistische Umsetzungsmöglichkeiten für die Zukunft entwickelt werden. Ein positiver Zukunftsausblick am Ende der Einheit und die Dringlichkeit der Problemlage am Anfang der Einheit sollen den SuS bewusst machen, dass es noch nicht zu spät ist, etwas zu ändern, aber dass die Zeit läuft. 15 Protokoll führen lassen Frage: Worin besteht das Problem? Problem Gruppendiskussion Plakatpräsentation Rundgang und Vorstellung mit der Klasse Wessen Interessen werden berührt? Plakat herstellen Protokoll führen lassen Gruppendiskussion Gruppendiskussion Die Ursachen sollen kritisch diskutiert werden. Über ein Brainstorming und eine Mindmap können die verschiedenen Akteure und Interessen verdeutlicht werden. Protokoll führen lassen Gemeinsam neue Wege gehen/denken? Welche Auswirkungen hätten die „Lösungen“? Konsequenzen Gruppen neu mischen Die Ansätze untereinander austauschen und bewerten Lesen Je Gruppe – einen Ansatz: 1) Anders Leben 2) Anders konsumieren 3) Anders arbeiten 4) Anders wirtschaften 5) Anders mit Geld umgehen denkbar? Lösungen“ „ Welche „Lösungen“ sind Gruppenarbeit 3. Doppelstunde Gruppen neu mischen Expertengruppen bilden und Austausch fördern Wie ist das Problem entstanden? Interessen Ursachen Gruppenarbeit Placemat-Methode Wiederholung 2. Doppelstunde Infotexte lesen 5 Gruppen – 5 Themen: Erdöl Erdgas & Kohle Wasser Nahrung Metalle Einstieg: Bilderrätsel Um welche Ressource geht es? 1. Doppelstunde S T A D T R U N D G A N G 4. Doppelstunde 2.1 Übersicht der Unterrichtsreihe „Eine andere Welt ist möglich nötig! "“ Wandbild für alle fotografieren Ändern! " „Klarmachen zum Blick in die Zukunft Gemeinsam wird ein riesiges Zukunfts-Wandbild (das aus 16 Einzelteilen besteht) bemalt, verschönert und zukunftstauglich gemacht. Kreatives Schreiben Wie kann eine Zukunft aussehen, in der nachhaltig konsumiert wird? Die SuS schreiben einen Brief aus dem Jahr 2100. Reflexion im Plenum Wie wurde der Rundgang wahrgenommen? Was ist diskutabel? Ist nachhaltiger Konsum eine Möglichkeit zum Handeln? 5. Doppelstunde 2.2 Die Vorbereitung 2.2.1 Vorweg Im Folgenden soll die Unterrichtsreihe ausführlich beschrieben werden. Die Darstellung der einzelnen Unterrichtsphasen wird Angaben zum Inhalt der Sequenz und daneben auch Überlegungen zum methodischen bzw. didaktischen Vorgehen enthalten. Bei dem Unterrichtsmaterial handelt es sich um eine leicht abgewandelte Form der politischen Problemstudie. Problemaufriss Worin besteht das Problem? Interessen Welche Interessen werden berührt? Ursachen des Problems „Lösungen" Konsequenzen Wie ist das Problem entstanden? Welche „Lösungen" sind denkbar? Welche Auswirkungen hätten die „Lösungen"? Die einzelnen Schritte können nicht in ihrer Reihenfolge geändert werden. Es steht jedoch zur freien Entscheidung, ob für manche Phasen oder Diskussionen mehr Zeit eingeräumt wird und dafür an anderer Stelle gespart wird. Ebenso können die konzipierten Doppelstunden in Einzelstunden auf geteilt werden. »» Zu Beginn - Einteilung von ProtokollführerInnen In den ersten drei Doppelstunden wird es viel zu tun geben, sodass die SuS nur wenig Zeit haben werden, um die gemeinsamen Ergebnisse mitzuschreiben. Es ist deshalb ratsam, ein Ergebnisprotokoll führen zu lassen. Dazu sollen sich entweder Freiwillige melden oder es werden SuS ausgewählt, die ihre Note verbessern möchten. Für eine Doppelstunde werden ein bis zwei ProtokollführerInnen benötigt. Da es für SuS eher ungewohnt ist ein Protokoll einer Unterrichtsstunde anzufertigen, gibt es eine Anleitung zur Führung eines ergebnisorientierten Protokolls im Anhang (siehe Material M1). Diese Anleitung ist für die Protokollführenden zu kopieren. »» Wie wird am Ende der Unterrichtseinheit mit den Protokollen verfahren? Die Protokollführenden sollen ihre handschriftlich im Unterricht mitgeschriebenen Notizen zu Hause abtippen und kürzen. Die Protokolle werden dann der Lehrperson gemailt, die wiederum die Korrektheit kontrolliert und alle fertigen Protokolle in einem Dokument zusammenfasst. Die Endversion wird schließlich für die gesamte Klasse ausdruckt und kopiert. So erhält jeder der SuS eine vollständige Mitschrift der durchgeführten Problemstudie. 17 »» Warum eine Problemstudie? „Die Problemorientierung ist der didaktische Ansatz, bei dem durch die Bearbeitung konkreter Probleme das Politische verstehbar und evtl. hand habbar wird 30 ." Als problematisch wird ein Zustand dann bezeichnet, wenn er in der Öffentlichkeit auf Abneigung stößt und allgemein eine Änderung für nötig gehalten wird. Probleme werden demzufolge kollektiv definiert und konstruiert. Nach Gagel gibt es zwei Hauptmerkmale für politische Probleme 31 : 1.Die Dringlichkeit – Ein Problem ist unerträglich und wird dann politisch, wenn seine Dringlichkeit öffentlich anerkannt ist. 2.Die Ungewissheit – Die Lösung eines Problems ist solange ungewiss, bis sie ausprobiert und somit getestet wird. Das zu behandelnde Problem der Ressourcenverknappung durch nicht nachhaltiges Wirtschaften ist ein Problem von hoher Dringlichkeit, da eine Lösung des Problems höchstgradig ungewiss ist. In der Unterrichtsreihe soll die Definition des Problems gemeinsam im Klassenkollektiv stattfinden. Nach Hilligen und Klafki eignen sich besonders fundamentale und existenzielle Probleme, wie z. B. Interdependenz, Massenproduktion, Terrorismus, Umweltzerstörung oder Globalisierung 32. Fundamentale Probleme sind jedoch nicht als solche lehrbar und deswegen müssen konkrete Themen, Situationen und Problemstellungen benutzt werden, um eine Bedeutsamkeit zum Lernenden herzustellen. Eine gesteigerte Subjektorientierung löst Betroffenheit aus und stellt einen Bezug zum Jugendlichen her. In der folgenden Unterrichtseinheit wird darauf Rücksicht genommen, indem konkrete Problem situationen beschrieben und analysiert werden und schließlich die sehr persönliche Ebene des eigenen Konsumverhaltens untersucht wird. Die Problemstudie eignet sich des Weiteren in besonderer Weise für das Problem der Ressourcenübernutzung, weil im Gegensatz zur Konfliktanalyse nicht die Struktur von Politik sondern der Inhalt der Politik selbst im Vordergrund der Untersuchung steht. Den SuS wird vermittelt, dass Politisches definierbar, konstruierbar und dadurch veränderbar und gestaltbar ist. Ein Hauptziel der Unterrichtseinheit wird es sein, darzustellen, dass politische Wege neu gedacht werden können und dadurch Probleme gemeinsam lösbar sind. »» Welche Kompetenzen werden gefördert? Kompetenzen der politischen Bildung werden die fachlichen Fähigkeiten genannt, über welche die SuS verfügen sollen, um sich als mündige BürgerInnen am Zusammenleben in der Gesellschaft beteiligen zu können. Dabei geht es nicht mehr nur um die Vermittlung von Inhalten, sondern um die gezielt geförderte Entwicklung von Fertigkeiten, die den Lernenden dabei helfen Problemsituationen zu bewältigen. 30 s. Reinhardt, Sibylle: Politik Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II. Cornelson Verlag Scriptor, Berlin, 2005, S. 95 31 vgl. Gagel, Walter: Situations- und Problemorientierung: Gesichtspunkte der Auswahl und Strukturierung von Lerninhalten. In: Gagel, Walter; Menne Dieter (Hrsg.): Politikunterricht. Handbuch zu den Richtlinien NRW. Opladen, 1988, S. 39–51 32 vgl. Hilligen, Wolfgang: Zur Didaktik des politischen Unterrichts. In: Breit, Gotthard; Massing, Peter (Hrsg.): Grundfragen und Praxisprobleme der politischen Bildung. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 1992, S. 268–297 18 Bei der Konzeption der folgenden Unterrichtsreihe wurde sehr stark darauf Wert gelegt, kompetenzorientiert vorzugehen. Anstatt sich auf die Vermittlung von Stoff zu konzentrieren, wurde ein starker Fokus auf das Politische gelegt: Was ist das Problem? Was sind Ursachen? Wer sind die Akteure? Welche Interessen verbergen sich dahinter? Welche „Lösungen“ sind denkbar? Es soll vor allem darum gehen, dass die SuS ein Verständnis für politische Prozesse entwickeln. Die Problemstudie soll beispielhaft dafür stehen, wie z. B. ähnliche politische Problemlagen analysiert und bewertet werden können. Anstatt „totes Wissen“ zu vermitteln, sollen die Lernenden eigene Bedeutungen und Weltbilder aktiv in das Unterrichtsgeschehen einbringen. Sie werden von der ersten Stunde an kognitiv ak tiviert und zur selbstständigen Lenkung des Verlaufs und der Diskussionen angeregt. Des Weiteren wurde es vermieden, zu viel „Eindeutigkeit“ aufkommen zu lassen. Die Leitfragen sind offen formuliert, um Kontroversität zu provozieren. Damit soll Platz gegeben werden, um verschiedene Ansichten in aller Breite diskutieren zu können. Von den SuS wird dadurch ein hohes Maß an eigenständigem Denken und Handeln erwartet. Sollte die Lerngruppe noch nicht über genügend Erfahrung in freien Arbeitsmethoden verfügen, ist es an der Lehrperson, die Methoden und die damit einhergehenden Regeln einzuführen. Ist dies die erste Problemstudie, die die Klasse durchläuft, ist es ebenfalls sinnvoll die verschiedenen Schritte der Studie im Vorfeld zu erläutern oder gar den gesamten Ablauf eigenständig mit der Klasse zu entwickeln (schließlich folgt die Problemstudie einer durchaus nachvollziehbaren Logik). Zwei Kompetenzbereiche werden in besonderer Weise durch die Problemstudie gefördert: die Analysekompetenz und die Urteilskompetenz. Während die SuS zu Beginn der Studie hauptsächlich beschreiben, erklären und analysieren, geht es am Ende vor allem darum, begründete Entscheidungen zu treffen, abzuwägen und sich in andere Ansichten hineinzuversetzen. 2.2.2 Die erste Doppelstunde: Worin besteht das Problem? »» Einstieg: Bilderrätsel Nachdem die Protokollführenden wissen was sie zu tun haben, kann die Unterrichtsreihe beginnen. Es gibt fünf Gruppentische, auf denen jeweils ein Bild liegt (siehe Material M2). Die SuS sollen anhand der Gegenstände auf dem Bild eigenständig ihre Gruppen wählen. Falls Probleme in der Gruppen dynamik bestehen, können die SuS auch in Gruppen eingeteilt werden. Auf den Gruppenbildern sind jeweils andere Konsumgüter abgebildet, die alle in enger Verbindung zu einer jeweils bestimmten Ressource stehen. Auflösung: 1. Flugzeug, Auto, Benzin, Turnschuhe, Frachter, MP3-Player, Plastikflaschen Ressource: Erdöl 2.Steckdose, Fernseher, Laptop, Handy, Haushaltsgeräte, Waschmaschine, Heizung Ressource: Erdgas & Kohle 3. Wasserhahn, Getreide, Landwirtschaft, Gemüse, Schneemassen, See, Brunnen, Flasche Ressource: Wasser 19 4. Getreide, Brot, Mais, Fisch, Erdbeeren, Nutztiere, Shrimps, Landwirtschaft, Gemüse Ressource: Nahrungsmittel 5. Fernseher, Batterien, Solaranlage, Energiesparlampe, Uranfässer, Fotokamera, Windräder Ressource: Metalle Jede Gruppe überlegt für sich, um welche Ressource es sich bei ihnen handelt. Wenn die Gruppen meinen, dass sie die Lösung haben, können sie dies der Lehrperson mitteilen. Liegen sie richtig oder nah dran, können die Infotexte zur jeweiligen Ressource in die Gruppe gegeben werden. Weiß eine Gruppe gar nicht weiter, kann geholfen oder aufgelöst werden, damit sich der Einstieg zeitlich im Rahmen hält. Die Bilderrätsel wurden gewählt, damit die SuS gleich zu Beginn die Alltagsprodukte und Güter kennenlernen, die aus der jeweiligen Ressource gewonnen werden. Damit verliert der Überbegriff „Ressource“ ein wenig von seinem Fremdwortcharakter und wird für die SuS greifbar. Ebenso soll gezielt darauf hingewiesen werden, dass jeder Mensch täglich mit den Endprodukten der jeweiligen Ausgangsstoffe in Berührung kommt, ohne darüber nachzudenken oder viel davon zu wissen. »» Infotexte lesen und Plakate herstellen Jede Gruppe erhält einen ausführlichen Informationstext (siehe Material M3). Die Texte sollen sehr genau und in Ruhe von jedem Gruppenmitglied gelesen werden. Jeder Bericht ist ähnlich aufgebaut. Im Vordergrund steht die Ressource und wie es um sie bestellt ist. Bei fast allen Ressourcen (außer Wasser) wird in nächster Zeit ein globales Fördermaximum (engl. Peak) überschritten, was bedeutet, dass die Fördermengen des Stoffes danach rückläufig sein werden, bis sie schließlich gegen null gehen (siehe Beispieldiagramm). Es ist wichtig festzuhalten, dass es sich bei dem Peak-Modell stets um Fördermengen handelt. Das heißt, das Modell gibt keine Auskunft darüber, wie es um die Gesamt vorkommen der jeweiligen Ressource bestellt ist. Es zeigt nur an, wie lange es noch wirtschaftlich ist, die Vorkommen zu fördern. Bei Erdöl ist es z. B. so, dass weltweit noch riesige Felder in Tiefsee und Polarregionen ruhen. Da es sich jedoch um Gebiete handelt, in denen eine konventionelle Förderung unvertretbar teuer wäre und außerdem umwelttechnische Risiken zu bedenken sind, ist es höchstgradig unwahrscheinlich, dass diese Ölfelder je vollkommen abgebaut werden können. Hinzu kommt, dass Peak-Modelle stets mit der jetzigen steigenden Nachfrage rechnen. Das heißt, die Fördermengen für die Ressource XY werden weiter steigen, wenn der Konsum der jeweiligen Ressource weiterhin zunimmt und weiterhin der entsprechende Preis für das knappe Gut kalkuliert wird. Zusammen gefasst heißt das, dass die meisten unserer heutigen wichtigen Ressourcen in Zukunft an ihre För dermaxima stoßen werden, wenn der Konsum und die Nachfrage nicht reduGlobale Fördermengen der Ressource XY in Megatonnen/Jahr ziert werden. Für die Lehrperson wird es wichtig 600 sein, die Infotexte genau zu kennen. Es 500 ist deshalb ratsam, sich die Texte vor 400 der Unterrichtseinheit in Ruhe durchzulesen. 300 Die SuS sollen nach dem Lesen Pla200 kate erstellen, auf denen sie die wichtigsten Fakten darlegen. Die Aufgaben 100 stellungen am Ende der Texte ähneln 0 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 sich. Bis auf Gruppe „Wasser“ sollen 20 z. B. alle erläutern, was ein „Peak“ mit ihrer jeweiligen Ressource zu tun hat. Die ähnlichen Aufgabenstellungen sollen einen vergleichbaren Aufbau der Plakate anregen. Den SuS ist es jedoch freigestellt, die Plakate nach ihrem Ermessen zu gestalten. Sie können z. B. Fakten, die ihnen besonders wichtig sind, hervorheben. »» Plakate präsentieren Nach der Bearbeitungszeit sollen die Plakate an die Wand gehängt werden und die SuS bekommen zuerst einmal Zeit, sich alle in Ruhe anzuschauen. Nach ca. zehn Minuten sammelt sich die Klasse vor dem ersten Plakat. Hier bietet es sich an, die Reihenfolge der Gruppen, die oben aufgezählt ist, beizubehalten. Erdöl und Erdgas & Kohle sollten am Anfang stehen und Metalle am Ende. Die gesteigerte Nutzung der fossilen Energieressourcen im letzten Jahrhundert ist nämlich die hauptsächliche Bedingung für die enorme (Über-)Nutzung der restlichen Ressourcen. Denn erst als es möglich war, das Produktionssystem durch die Einspeisung großer, kostengünstiger Energiemengen einem intensiven Wachstum zu unterwerfen, begann der Abbau vieler anderer Ressourcen im heutigen „großen“ Stil. Am Ende der Präsentationsreihe sollte die Gruppe Metalle stehen, weil in ihrem Infotext das erste Mal das Wort „Peak Everything“ auftaucht. Sollte die Gruppe diesen Begriff nicht von sich aus auf dem Plakat abbilden, kann von der Lehrperson gezielt danach gefragt werden. Der Begriff des „Peak Everything“ verdeutlicht gut, in welcher Lage sich die heutige produzierende und konsumierende Gesellschaft befindet. Der materielle Wohlstand ist größtenteils auf den Abbau und die Nutzung endlicher Stoffe aufgebaut worden, deren Vorkommen irgendwann erschöpft sein können. Mit dem Hinweis auf „Everything“ wird deutlich, dass nicht nur bestimmte Ressourcen in enormem Maße abgebaut wurden, sondern dass viele, wenn nicht sogar alle fossilen Ressourcen betroffen sind. Die Vorgehensweise der Plakatherstellung und Präsentation wurde gewählt, weil es auf der einen Seite um sehr anschauliche Diagramme geht, die am aussagekräftigsten dargelegt werden können, wenn sie sichtbar gemacht werden. Auf der anderen Seite ist die Herstellung von Plakaten ein gemeinschaftlicher und kreativer Prozess. Erst müssen die Informationen aus dem Text verarbeitet und besprochen werden und schließlich muss die Gruppe gemeinsam das Poster konzipieren und erstellen. Die Ansicht und Vorstellung der Plakate nimmt, in der Relation betrachtet, einen großen Teil der Zeit ein. Die Präsentation ist jedoch sehr wichtig, damit alle SuS einen klaren Überblick über die globale Lage bekommen. Teilweise haben sich die Jugendlichen noch nie mit diesen Themen auseinandergesetzt. Es ist deshalb von großer Bedeutung, dass die Lehrperson eine Lernatmosphäre schafft, in der den vorstellenden Gruppen jegliche Aufmerksamkeit geschenkt wird und in der Fragen, Staunen und Neugier erwünscht sind. »» Gruppendiskussion: Problembenennung In der Großgruppe soll nun diskutiert werden. Von der Lehrperson können dazu folgende Leitfragen gestellt werden: „Welche Gesamtsituation stellt sich dar?“ / „Worin besteht das Problem?“ Das Ziel liegt darin, den ersten Schritt der Problemstudie zu gehen, nämlich die konkrete Benennung des zugrunde liegenden Problems einer nicht zur ertragenden Entwicklung. Antworten, wie: „Die Umwelt ist in Gefahr.“ oder „Bald gibt es keine Ressourcen mehr.“, treffen dabei nicht den wahren Kern des Problems, sondern beschreiben Folgen und Konsequenzen, die sich aus dem eigentlichen Problem ergeben. Die Lehrperson kann die SuS gezielt darauf hinweisen, dass sie überlegen sollen, wie das tatsächliche Problem hinter der beschriebenen Situation benannt werden kann. Wobei es darauf hinauslaufen soll, dass sich die SuS auf das eigentliche Problem der Ressourcenausbeutung konzentrieren. Das heißt Formulierungen wie: „Die Menschheit wirtschaftet nicht nachhaltig mit end lichen Ressourcen.“, treffen schon eher den Kern des Problems. Bei dieser Phase der Problembenennung ist es enorm wichtig, dass die Lehrperson zwar die konkrete Formulierung einfordert, jedoch nicht zu stark auf inhaltlicher Ebene lenkt. Denn die letztendliche Ausformulierung des zu bearbei21 tenden Problems wird von den SuS festgelegt. Damit soll das intrinsische Interesse an der Problem lage durch die Lernenden verfestigt werden. Wenn die Lerngruppe bereits früh in der Diskussion versucht Schuldige zu suchen, Ursachen zu benennen oder Lösungen zu konstruieren, ist das zwar ein tolles Zeichen für die Motivation der SuS; es sollte jedoch deutlich gemacht werden, dass in der folgenden Problemstudie alle nötigen Unter suchungs- und Analyseschritte unternommen werden. Die Lernenden werden im Laufe der Unterrichtseinheit feststellen, dass eine kleinschrittige Studie sehr viel mehr zum differenzierten Verständnis für eine globale Problemlage beiträgt, als schnell gedachte Erklärungen. Auf diese Weise soll allgemein zu einer überlegteren und analytischeren Urteilsbildung angeregt werden. 2.2.3 Die zweite Doppelstunde: Wie ist das Problem entstanden? Welche Interessen werden berührt? »» Einstieg: Wiederholung Zu Beginn der zweiten Stunde soll erst noch einmal wiederholt werden: Wie weit sind wir letztes Mal gekommen? Welche Gesamtsituation wurde festgestellt und welches konkrete Problem wurde benannt? Je mehr Zeit zwischen den Stunden lag, desto ausführlicher muss wiederholt werden, damit allen SuS die Dringlichkeit des Problems wieder bewusst wird. Damit die nächsten Schritte der Problemstudie zielgerichtet verlaufen, sollte das in der letzten Stunde benannte Problem noch einmal groß an die Tafel geschrieben werden. »» Gruppenarbeit: Ursachen und Interessen Im Folgenden wird nach der „Placemat-Methode“ weitergearbeitet, die auch als „Platzdeckchen-Methode“ bekannt ist. Die SuS finden sich in ihren bereits bestehen Gruppen zusammen. Auf jedem Tisch liegt ein „Platzdeckchen“ (Papier, A3–A2), das wie auf der Abbildung vorbereitet worden ist. Ein Feld befindet sich in der Mitte, drei bis fünf Felder (je nach Anzahl der Gruppenmitglieder) sind rundherum angeordnet. Die Placemat-Methode gliedert sich in drei Phasen: 1.Think 2.Pair (für sich selbst denken und schreiben) (vergleichen mit den Gruppenmitgliedern) 3.Share (es mit der Gruppe teilen und gemeinsam entscheiden) Zu Beginn werden die beiden Leitfragen für die Stunde gestellt und an die Tafel geschrieben: 1.Wie ist das Problem entstanden? / Was sind die Ursachen? 2.Welche Interessen werden berührt? In der ersten Phase Think soll jeder der SuS einzeln und für sich allein überlegen. Die Lehrperson sollte die SuS dazu anhalten, leise und konzentriert zu arbeiten. In der Think-Phase kommt es sehr darauf an, dass Ruhe herrscht und jeder in sich gehen kann. Sie sollen die eigens überlegten Antworten und Erklärungen in ihr Feld auf dem Platzdeckchen eintragen. Es kann auch noch einmal darauf verwie22 sen werden, dass die SuS in die Infotexte der letzten Stunde schauen können. Primär sollten sie jedoch versuchen, selbst Antworten zu konstruieren. In der zweiten Phase Pair lesen sich die SuS die Antworten ihres jeweiligen Sitznachbarn durch. Es kann fließend in die Share-Phase übergegangen werden, in der sich die gesamte Gruppe miteinander austauschen soll. Gemeinsam soll entschieden werden, was in die Mitte des Platzdeckchens in das verbleibende freie Feld geschrieben wird. Durch Konsensentscheidungen sollen somit gemeinsame Gruppenantworten generiert werden. Es ist wichtig, dass in dieser Phase an den Tischen lebhaft diskutiert wird. Die Einen sehen die Ursachen der verstärkten Ressourcennutzung im Bevölkerungswachstum, die Anderen machen die Industrialisierung und den Kapitalismus für die Ausbeutung verantwortlich. Bei all zu abwegigen Behauptungen sollte die Lehrperson die Erklärung dafür erfragen. Konnten sich die Gruppen einigen, wird in die nächste Phase übergeleitet. »» Gruppen neu mischen Wie bei einem Gruppenpuzzle sollen sich nun neue Gruppen bilden, in denen ein Experte aus jeder Stammgruppe nun in die Expertengruppen geht. Wenn die Anzahl der SuS nicht aufgeht, ist das nicht von Nachteil. Es geht nicht vorrangig um die Vollständigkeit, sondern um die neue Durchmischung der SuS und um das Lösen eventuell eingefahrener Gruppendynamiken. Die neu gebildeten Gruppen sollen sich nun über die bisherigen Ergebnisse austauschen und darüber diskutieren, welche Ursachen und vor allem welche Interessen sie hinter der Entwicklung der übersteigerten Ressourcennutzung sehen. Wahrscheinlich muss die Lehrperson des Öfteren dazu anhalten, noch etwas tiefer in Überlegungen zu gehen, indem gezielte Nachfragen gestellt werden: Wann fing denn die Entwicklung an? Was glaubt ihr, wer daraus profitiert? Wisst ihr z. B., wie eure Großeltern früher lebten oder konsumierten? Erschöpfen sich die Gruppendiskussionen, ist es an der Zeit in die Großgruppe zu gehen. »» Diskussion im Plenum In der Großgruppe soll zuerst gefragt werden, wobei es Schwierigkeiten gab. Dabei wird wahrscheinlich herauskommen, dass Wertschöpfungs- und Handelsketten nicht ausreichend bekannt sind und dass Wirtschaftskreisläufe und -systeme als sehr abstrakt wahrgenommen werden. Im Plenum sollen gemeinsam Erklärungen konstruiert werden. Zu den Ursachen kann z. B. die Industrielle Revolution in den Fokus gesetzt werden. Etwa zeitgleich im ersten Halbjahr der elften Klasse werden im Geschichtsunterricht die großen europäischen Revolutionen der beginnenden Moderne besprochen, z. B. die Französische Revolution und die von England aus startende Industrielle Revolution einschließlich ihrer Folgen. Es ist ratsam, sich mit den GeschichtskollegInnen abzusprechen, um evtl. fächerübergreifend arbeiten zu können. In der Ursachenforschung sollten folgende Begriffe im Mittelpunkt stehen: Massenproduktion in Fabriken, Lohnarbeit, Kapital, Aktiengesellschaften, Bevölkerungswachstum, Wirtschaftsliberalismus und Schlüsselerfindungen (wie die Dampfmaschine 1769, die z. B. mit Kohle befeuert wurde). Die stark beschleunigte Entwicklung von Technik, Produktivität und Wissenschaft führte zu einer starken Bevölkerungszunahme, die neuartige soziale Missstände mit sich brachte. Bis in die heutige Zeit reichen die Auswirkungen der Industriellen Revolution, der eine ähnlich Bedeutung zugemessen wird, wie dem Übergang vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit. Weitere Entwicklungen folgten: die inten sive Mechanisierung, der weitverbreitete Gebrauch von Elektrizität, die Effizienzsteigerungen in der Massenproduktion (Taylorismus/Fordismus), die mikroelektronische Revolution Ende der 1970er Jahre und die schließlich einsetzende allumfassende Globalisierung. All diese Prozesse können kritisch diskutiert und als Ursache für die aufkommende Ressourcenknappheit untersucht werden. Neben 23 historischen Ursachen können natürlich auch gesellschaftlichen Veränderungen diskutiert werden: Wertewandel, Entfernung von der Natur, Urbanisierung oder Technisierung. Je nachdem wie weit die SuS in den unterschiedlichen Themen sind, wird es die Aufgabe der Lehrperson sein, neue Fakten und Fragen in die Diskussion einzubringen. Haben die SuS einige Ursachen herausgearbeitet, ist es wichtig, dem Protokollführenden genug Zeit zu geben, die Ergebnisse mitzuschreiben. Die Lehrperson sollte ab und zu nachfragen, ob noch Zeit benötigt wird. Wichtig ist auch hier, dass es keine vollkommen richtigen oder falschen Antworten auf die Frage nach den Ursachen gibt. Denn ähnlich wie beim „politischen Problem“ an sich, werden auch dessen Erklärungen kollektiv konstruiert und definiert 33. Im nächsten Teil der Auswertung sollen die von den SuS benannten Interessen besprochen werden. Verläuft die Diskussion nicht tiefgründig genug, können gemeinsam die Akteure hinter den Interessen per Brainstorming an der Tafel zusammengetragen werden. Das könnte z. B. so aussehen: Abbauendes Gewerbe Weltweit agierende Konzerne Verarbeitendes, herstellendes Gewerbe Großhandel, Kleinhandel Banken Akteure Medien Staat Konsumenten/Verbraucher Gesetzgebung Regierung Börsenspekulanten Wissenschaft/Forschung Zwar geht durch die Vereinfachung stückweit die Komplexität der Problemlage verloren, weil Zwischenbeziehungen und Interdependenzen nicht angezeigt werden. Trotzdem stellt sich die Vielzahl der involvierten Interessensgruppen dar, an der sich die SuS einen Überblick verschaffen können. Die Komponenten Ursachen und Interessen können in einer reduzierten Problemstudie, wie sie hier durchgeführt wird, sicher nicht in kompletter Vollständigkeit untersucht werden. Das Ziel soll es jedoch sein, Tendenzen, Prozesse und Zusammenhänge zu erkennen. Die SuS sollen ebenso feststellen, dass ihre (wahrscheinlich) schnellen Prognosen und Antworten vom Anfang der Stunde weiter gedacht werden müssen, um tiefgründigere Erklärungen zu bieten. Die Form der Gruppendiskussion wurde gewählt, damit alle Beteiligten gleichberechtigt teilhaben können und eventuelle Fehleinschätzungen oder Behauptungen von der Lehrperson hinterfragt und relativiert werden können. Durch die teilweise starke Leitung der Diskussion des Lehrenden sollen Ergebnisorientierung, Fehlerkorrektur und das Einhalten der Gesprächskultur sichergestellt sein. 33 s. Reinhardt, Sibylle: Politik Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II. Cornelson Verlag Scriptor, Berlin, 2005, S. 93 24 2.2.4 Die dritte Doppelstunde: „Lösungen" & Konsequenzen Zu Beginn der dritten Doppelstunde sollen kurz die Ergebnisse der letzten Stunde wiederholt werden. Dabei kommt es darauf an, dass sich alle gemeinsam noch einmal vor Augen führen, worin das Problem besteht, was die Ursachen dafür sind und welche Akteure bzw. Interessen involviert sind. Die folgende Leitfrage wird an die Tafel geschrieben: Welche „Lösungen“ sind denkbar ? Es ist wichtig, dass von der Lehrperson erklärt wird, warum das Wort „Lösungen“ in Anführungsstriche gesetzt wurde. Die SuS sollen verstehen, dass es kein einfaches Patentrezept auf komplexe Probleme gibt. Ebenso kann man sich nie sicher sein, ob eine „Lösung“ überhaupt als „Lösung“ bezeichnet werden kann, solange sie sich noch im Entwicklungsstadium befindet. Um das Unterrichtsgespräch zu vereinfachen, kann auch von „Lösungsvorschlägen“ gesprochen werden. »» Gruppenarbeit: „Lösungen" konstruieren Danach finden sich die SuS in fünf Gruppen zusammen. Jede Gruppe soll für sich Lösungsansätze konstruieren und dabei soll alles erlaubt sein. Das heißt, wenn die eine Gruppe Geld abschaffen möchte oder eine andere den Welthandel stoppen will, dann sollen diese Utopien innerhalb der Gruppen zu Ende gedacht werden dürfen. Natürlich muss die Lehrperson darauf Acht geben, dass keine Menschenrechte verletzt werden und die Grundrechte der Verfassung gewahrt bleiben. Am Ende sollen die Utopien vorgestellt werden. Jede Gruppe beschreibt ihren Lösungsansatz und die anderen SuS können Fragen stellen. An dieser Stelle soll noch nicht diskutiert werden, wie realistisch die Szenarien sind. Freies und kreatives Denken soll im Mittelpunkt stehen und gefördert werden. »» Konzepte lesen, die bereits existieren Im Anschluss an die Vorstellung der eignen Ideen bekommen die Kleingruppen die Texte von bereits existierenden Lösungsansätzen. In diesen Texten (siehe Material M4) werden aktuelle Entwicklungen und Diskurse aufgegriffen: 1.Anders leben - Das gute Leben 3.Anders arbeiten - Glücklicher sein - weniger arbeiten 2.Anders konsumieren 4.Anders wirtschaften 5.Anders mit Geld umgehen - Weniger kaufen - Solidarische Ökonomie - Das bedingungslose Grundeinkommen Die Lösungsansätze umfassen viele verschiedene Positionen und Sichtweisen. Während die Befürworter des „Buen vivir“ (span. = das gute Leben) einen sehr naturverbundenen und ganzheitlichen Ansatz zu einem nachhaltigeren Denken und Leben entwickelt haben, konstruieren die Ansätze der Postwachstumsökonomie, der solidarischen Ökonomie und des bedingungslosen Grundeinkommens eher neue Wirtschaftsmodelle. Der Ansatz alternativer Arbeitszeitmodelle hingegen nimmt vor allem die Einstellung und Wertehaltung der westlichen Industrienationen zum Arbeits- und Leistungsverhalten unter die Lupe und bringt den Faktor „Glück“ in die Diskussion ein. Denn eins scheint eine logische Konsequenz aus dem jetzigen Ressourcenraubbau: mit einem nicht-nachhaltigen Lebensstil handeln wir aktiv gegen unser individuelles und zukünftiges Glück 34. 34 Mehr Infos dazu: Scheub, Ute: Das Glück der Erde. Erster Weltglücksbericht der UNO. In taz. die tageszeitung vom 26.05.2012, im Internet unter: http://www.taz.de/!94097/. Weitere Infos: Böck, Hanno: Glücksgefühl statt mehr Konsum. In taz. die tageszeitung vom 09.01.2012, im Internet unter: http://www.taz.de/Taz-Serie-Grenzen-desWachstums/!85198/ 25 Für die SuS wird es interessant sein zu sehen, dass sich schon viele andere Interessensgruppen und Bevölkerungsteile weltweit „Lösungen“ überlegt haben und versuchen, etwas in Richtung Nachhaltigkeit und Solidarität zu unternehmen. Jede Kleingruppe soll sich in Ruhe „ihren“ Lösungsansatz durchlesen und ihn dann in der Gruppe besprechen: Inwieweit unterscheidet sich der fremde Lösungsansatz von ihrem eigenen? Was hält die Gruppe davon? Ist das überhaupt eine „Lösung“? »» Gruppen mischen In der folgenden Phase sollen die Gruppen wieder durchgemischt werden. Von jeder Stammgruppe geht ein Ex perte in die sich neu bildenden Expertengruppen. Es sollte sichergestellt sein, dass in jeder Gruppe einer der Lösungsansätze vertreten ist. In den Expertenrunden soll nun jeder Vertreter seinen Lösungsvorschlag vorstellen. Wichtig ist, dass in dieser ersten Gruppenphase noch nicht gewertet wird, die Konzepte sollen lediglich vorgestellt und Verständnisfragen dürfen gestellt werden. In einer zweiten Phase sollen die Kleingruppen die Ansätze bewerten: Wie finden sie die „Lösungen“? Ist der Vorschlag gut genug durchdacht oder geht das Konzept unter Umständen nicht weit genug? Sind die Ideen umsetzbar oder utopisch? Was spricht für eine Umsetzung, was dagegen? Die Reihenfolge, in der die Ansätze bewertet werden, spielt dabei keine Rolle; wichtig ist nur, dass alle Lösungsvorschläge besprochen werden. »» Abschlussdiskussion im Plenum Zum Ende der Stunde sollen noch einmal alle im Plenum zusammenkommen. Es geht um die Abschlussdiskussion. Zuerst sollen die Einzelgruppen kurz der Großgruppe berichten, wie sie die Lösungsansätze bewertet haben. Wenn daraus allein noch keine angeregte Diskussion über Möglichkeiten, Lösungswege und Folgebetrachtungen entsteht, sollte die Lehrperson gezielt nach den Konsequenzen fragen, die den evtuellen Lösungsansätzen folgen würden. Hierbei soll realitätsnah spekuliert werden. Es ist wichtig, die SuS nach ihren anfänglichen „Lösungen“ zu fragen: Was haben die Ansätze, die bereits existieren und die der SuS gemeinsam? Wie weit würden die Jugendlichen gehen und wie weit gehen die Vorschläge? Es sollte deutlich werden, dass die Lösungsvorschläge allesamt eine Änderung in verschiedenen Systemen vorsehen. Während die Postwachstumsökonomie, die solida rische Ökonomie und die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens vor allem eine Aufhebung der kapitalistischen Wirtschaftsweise und damit ein anderes Wirtschaftssystem ins Auge fassen, reformieren die anderen Ansätze (das „guten Lebens“, die alternativen Arbeitszeitmodelle und die Glücksstudien) im Bereich der gesellschaftlich konstruierten Werte und Normen. Die Lehrperson sollte es als eine spannende Herausforderung betrachten, mit den SuS über die Möglichkeit neu zu gehender Wege zu sprechen. Als Lernziel soll verfolgt werden, den Jugendlichen die Scheu zu nehmen weiterzudenken und Systemschranken in den Köpfen aufzuheben. Für die SuS, die für das Protokoll mitschreiben, wird es sicher schwierig alles genauestens zu verfolgen. Sie sollen so gut mitschreiben, wie es ihnen eben möglich ist und eventuell am Ende mit der Lehrperson Rücksprache halten. 26 2.3 Der Konsumkritische Stadtrundgang: Lernen in der Innenstadt »» Anmerkungen und Hintergründe zum Konzept für die Lehrkräfte: Wenn Sie einen Termin mit dem Team des konsumkritischen Stadtrundganges gemacht haben (nähere Informationen dazu auf der Homepage: www.konsumkritik-kassel.de unter dem Stichwort „Kontakt“), geht es auf in die Kasseler Innenstadt. Die Touren beginnen fast ausschließlich am City Point, dem größten Einkaufszentrum in der Fußgängerzone. Moderne Einkaufszentren zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie die perfekte Shoppingatmosphäre schaffen. Nichts soll vom ungetrübten Einkaufserlebnis ablenken. Schlechtes Wetter, Hunde und Menschen, die nicht einkaufen können oder wollen, müssen draußen bleiben. So besticht das Ambiente im strikt geplanten Shoppingparadies durch angenehme Temperatur, unaufdringlich regulierten Duft, besänftigende Musik und viele bunte Attraktionen, von der Unterwasserausstellung bis zur Christmas-Modenschau. Das Geplänkel lässt schnell vergessen, warum man eigentlich einkaufen gegangen ist. Sekündlich werden durch die Schaufenster und Werbeplakate neue Bedürfnisse im Konsumenten geweckt. Die ständige Generierung eines Kaufanreizes ist alles, worauf die riesige Einkaufscenterkette des Immobilienkonzerns ECE geeicht sind. Diese und noch weitere Fakten werden zu Beginn eines jeden Rundganges erklärt und diskutiert. Um die globalen Auswirkungen dieses künstlich übersteigerten Konsums zu verdeutlichen, wird am Anfang meist die weltweite Güterverteilung spielerisch nachgestellt. Dabei kommt am Ende heraus, dass die reichsten 20 % der Weltbevölkerung ca. 90 % aller weltweit produzierten Güter und Dienstleistungen konsumieren 35. Der sorgenfreie Konsum im City Point steht also im krassen Gegensatz zur globalen Realität. Auf dem darauf folgenden Rundgang wollen wir versuchen, diesen und anderen Ungerechtigkeiten auf den Grund zu gehen. Dabei gliedert sich die Route in drei Stationen (die Sie nach Absprache mit dem Konsumkritik-Team vorher vereinbaren können). Zur Auswahl stehen bisher: Schokolade Baumwolle Handy Wasser Der Ökologische Fußabdruck Plastik Erdöl Obst Gemüse Kosmetikprodukte Energie Fleisch Kaffee Zusatzstoffe in Lebensmitteln Papier In jeder Station werden grundlegende Fakten zur jeweiligen Warengruppe präsentiert – mal spie lerisch, mal über Rätsel oder Schätzungen, mal mit Bildern, Fotos oder Grafiken. Der Rundgang lebt von seinen interaktiven und spielerischen Elementen. Es wird versucht, längere Vorträge gezielt zu vermeiden und stattdessen mit den Teilnehmenden aktiv ins Gespräch zu kommen. 35 vgl. UNDP (Hrsg.): Human Development Report 1998. New York. Deutsche Fassung: Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (Hrsg.): Bericht über die menschliche Entwicklung 1998. Bonn. 27 »» Zusammenhang zwischen Unterrichtsreihe und Stadtrundgang: Durch die teilweise ungeheuerlichen Fakten der jeweiligen Themen wird den SuS bewusst, dass der heutige Konsum der westlichen Industrienationen in starkem Zusammenhang steht, mit weltweit existierenden sozialen, ökonomischen und vor allem ökologischen Notlagen. Neben der Ressourcenverknappung, für die die SuS nach der vorangegangenen Problemstudie ausreichend sensibilisiert sein sollten, kommen weitere Problemsituationen hinzu, wie z. B.: Armut, Umweltzerstörung, Korruption, Lobbyismus oder Gesundheitsrisiken. Das Hauptziel der Stationen ist es jedoch nicht, unendlich viele weitere Problematiken aufzureißen, sondern Handlungsoptionen zu entwickeln. Das heißt, gemeinsam mit den Jugendlichen sollen Möglichkeiten entworfen und diskutiert werden, mit denen Konsum nachhaltiger gestaltet werden kann. Im Großen und Ganzen gibt es dabei zwei Strategien, die zum Teil ziemlich schnell von den Teilnehmenden erkannt werden. Auf der einen Seite steht eine Suffizienz-Strategie, die vor allem die Reduktion des bestehenden Konsums ins Auge fasst. Praktische Umsetzungsmöglichkeiten sind z. B. bestimmte Konsummuster um die Hälfte zu reduzieren, seien es nun Flugreisen, der Fleischkonsum oder der Kauf neuer Elektronikgeräte. Wenn jeder Konsument seinen Verbrauch reduzieren würde, wäre ein großer Schritt in Richtung nachhaltiger Entwicklung getan. Eine zweite Strategie ist der Kauf nach Labeln. Dabei entscheiden sich die Konsumenten bewusst für biologisch angebaute oder fair gehandelte Güter und sind bereit, einen höheren Preis dafür zu zahlen. In fast allen Warengruppen haben sich bestimmte Siegel, Logos und Marken etabliert, die für nachhaltige, ökologische oder so ziale Verantwortung stehen. Über die jeweiligen Kriterien und Anforderungen der verschiedenen Siegel oder gar über Etikettenschwindel wird an den entsprechenden Stationen informiert. Die SuS werden im Laufe des Rundgangs feststellen, dass man Konsum auch anders gestalten kann und dass die heutige Wirtschaftsweise kein Naturgesetz, sondern anhand demokratischer Verfahren veränderbar ist. Der Rundgang nimmt deshalb in der Unterrichtsreihe einen zentralen Stellenwert ein, weil er verdeutlicht, dass alle Konsumenten die bisherige problemhafte Entwicklung weiterhin unterstützen, wenn sie nicht anfangen etwas zu ändern. In Verbindung mit dem im Unterricht behandelten Problem des nicht nachhaltigen Umgangs mit endlichen Ressourcen, soll das Problembewusstsein auf ein neues Level gebracht werden. Denn nicht nur die historisch und gesellschaftliche Entwicklung, nicht nur Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft treiben die Prozesse aktiv voran, sondern jede einzelne handelnde und konsumierende Person nimmt aktiv teil. Konsumieren und Einkaufen sind somit politische Prozesse, über deren Bedeutung sich die SuS wahrscheinlich vorher noch nicht im Klaren waren. Das Problem des nicht nachhaltigen Umgangs mit der Umwelt 28 und den Rohstoffen findet demzufolge nicht nur auf der Makroebene (in Rahmenrichtlinien, Gesetzen, Wirtschaftsystemen) statt, sondern wird von der Mikroebene (dem Konsumverhalten eines jeden Menschen) aktiv unterstützt. Diese Sichtweise nimmt jeden einzelnen Verbraucher in die Pflicht, spricht den Konsumenten aber auch ungeheuerliche Macht zu. Es soll jedoch nicht darum gehen, Schuld auszusprechen oder bisherige nicht nachhaltige Konsummuster zu verurteilen. Unser bishe riges Wirtschaftssystem ist in keinster Weise darauf ausgelegt, dass Konsumenten beim Einkaufen denken bzw. nachhaltig handeln sollen. Es wird deshalb nicht darum gehen Konsummuster zu verurteilen, sondern die oben genannte Macht der Konsumenten zu nutzen, Mechanismen aufzudecken und neue, alternative Konzepte zu entwickeln. Inwieweit die SuS sich von einer derart kritischen Sichtweise beeinflussen lassen, konnte in bis herigen Evaluationsversuchen nicht geklärt werden. Zum Erreichen konkreter Handlungsveränderungen reicht eine 1,5-stündige Bildungsintervention sicher nicht aus. Aber darum geht es auch gar nicht. Vordergründig geht es darum, Türen in Köpfen aufzustoßen und eine veränderte Blickweise auf ein anderes Konsumverhalten zu ermöglichen. Mit dem Wissen, das die SuS auf einem Stadtrundgang erlangen, können sie aktiv an aktuellen Diskussionen teilnehmen und durchaus kritische Positionen beziehen. Inwieweit sich jedoch das individuelle Einkaufsverhalten ändert, ist schwer vorherzusagen. Für weitere Fragen oder Informationen steht Ihnen das Konsumkritik-Team jederzeit gern zur Verfügung unter www.konsumkritik-kassel.de, Kontakt: info@konsumkritik-kassel.de 2.4 Nachbereitung 2.4.1 Die letzte Doppelstunde: Reflexion & Ausblick in eine positive Zukunft »» Reflexion des Stadtrundganges Zu Beginn der Stunde sollte der vorangegangene Stadtrundgang in Ruhe reflektiert werden. Am besten eignet sich dafür eine Diskussion im Plenum, damit alle Meinungen gehört werden und alle SuS mitreden können. Folgende Leitfragen sollten gestellt werden: ºº Wie wurde der Rundgang wahrgenommen? ºº Was ist diskutabel? ºº Ist nachhaltiger Konsum eine Möglichkeit, um zu handeln? Für die Diskussion sollte ein letztes Mal ein Protokollführer bzw. eine Protokollführerin berufen werden. Gern dürfen die Ergebnisse der Diskussion an das Team des konsumkritischen Stadtrundganges weitergeleitet werden! (info@konsumkritik-kassel.de) Am Ende der Diskussion sollte verdeutlicht werden, dass die Problemstudie in der Vorbereitung des Rundganges demonstrierte, dass nicht nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung vor allem in historischen und gesellschaftlichen Veränderungen begründet liegt und von vielen Akteuren und Interessen getragen wird. Der Stadtrundgang sollte zeigen, dass die Prozesse nicht fern, abstrakt oder weit weg sind, sondern dass sie täglich von uns in der Innenstadt legitimiert werden. Somit wird jeder Einzelne zum Akteur und ist damit in die Problemlage verwickelt. Der Rundgang sollte jedoch nicht nur Bewusstsein schaffen, sondern auch Handlungsoptionen aufzeigen. Wenn dies von den SuS erkannt und kritisch diskutiert wird, ist das Ziel der Reflexion erreicht. 29 »» Kreatives Schreiben Die folgende Methode ist dem Deutschunterricht entnommen und den SuS sicher bekannt. Sie sollen sich ein freies Blatt Papier herausnehmen und völlig frei und ohne Vorgaben folgende Situation aufschreiben: „Wir befinden uns im Jahr 2100. Die Menschheit hat aus ihren Fehlern der Vergangenheit gelernt. Die Verschwendung der Ressourcen wurde beendet, die Umweltzerstörung gestoppt und die Menschen begannen, ihr Leben zu g enießen und glücklich zu sein. Schreibe einen Brief aus der Zukunft an die heute lebenden Menschen. Beschreibe, was sich geändert hat und wie dein Tagesablauf jetzt aussieht! Hat sich dein Konsumverhalten geändert? Erzähle uns davon! " Die SuS sollen genug Zeit bekommen, um weit ausholen zu können und in Ruhe ihre eigens konstruierte Zukunft aufzuschreiben. Am Ende der Phase sollte die Lehrperson behutsam danach fragen, ob es SuS gibt, die sich trauen, ihr Briefe vorzulesen. Unter gar keinen Umständen sollte ein Zwang zum Vorlesen entstehen. Nur diejenigen, die auch wirklich ihre Gedanken teilen wollen, sollen vorlesen. Eine weitere Variante könnte es sein, dass die Lehrperson die Briefe für sich kopiert. Auf diese Weise könnten die Kopien in ein paar Jahren in anderen Klassen verwendet werden (natürlich anonym), wenn einige Probleme dann eventuell gelöst oder aktueller als je zuvor sein könnten. »» Das Wandbild: Ein Blick in die Zukunft Um der Unterrichtsreihe ein positives und kreatives Ende zu geben, wird das Wandbild (siehe Material M5) auf dem Boden ausgebreitet. Die SuS sollen sich zuerst um das Bild versammeln. Dann wird die Aufgabe vorgelesen: „Es kann sich allein oder zu zweit ein Teil des Wandbildes genommen und dann bearbeitet werden. Dabei sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Einzige Vorgabe: Es soll ein Blick in die Zukunft sein. Dabei sollen alle Parameter be dacht werden, die in der Unterrichtsreihe vorkamen: angefangen beim Umgang mit Ressourcen wie Erdöl, Kohle und Erdgas. Wie sieht die zukünftige Energie versorgung aus? Wie die Mobilität? Wie werden z. B. die Produktion von Nah rungsmitteln und der Fischfang geregelt? Werden in Zukunft weiterhin noch so viele seltene Metalle benötigt? Wie wird sich das Konsumverhalten ändern? Wie werden die Menschen später zusammenleben? Wie ist dein Blick in eine positive Zukunft??" Die Lehrperson sollte Zeitschriften, Kleber, Scheren und bunte Stifte zur Verfügung stellen, damit das Wandbild auch bunt und ansehnlich wird. Am Ende werden alle Teile des Wandbildes kurz vorgestellt und die Intention hinter dem jeweiligen Kunstwerk erklärt. Das Bild zusammenzukleben wird dann eine gemeinsame mitunter abenteuerliche Aufgabe. Es wird empfohlen viel Tesafilm bereitzustellen. 30 Klar machen zum Ändern! „Die Tage des Konsums ohne Nachdenken sind vorbei. Der Klimawandel zeigt uns auch, dass das alte Modell mehr als überholt ist." UN-Generalsekretär Ban Ki Moon 31 „Das monströs aufgetürmte, auf materialisierter Freiheit beruhende Wohlstandsmodell ist nicht mehr zu retten." Prof. Dr. Niko Paech 3. Anhang 3.1 Materialien zur Unterrichtsreihe 35 „Unbegrenztes Wachstum in einer begrenzten Welt ist schlicht nicht möglich." Angelika Zahrnt, Ehren-Vorsitzende des BUND 3.1.1 M1 - Anleitung für Protokollführende Ein ergebnisorientiertes Protokoll verfassen Bei einem ergebnisorientierten Protokoll kommt es vor allem darauf an Ziele, Ergebnisse und Schlussfolgerungen einer Diskussion festzuhalten. Die Unterrichtsreihe ist nach folgenden Fragen aufgebaut: Problemaufriss Worin besteht das Problem? Interessen Welche Interessen werden berührt? Ursachen des Problems „Lösungen" Konsequenzen Wie ist das Problem entstanden? Welche „Lösungen" sind denkbar? Welche Auswirkungen hätten die „Lösungen"? Je nachdem, für welchen Unterrichtsteil du eingeteilt wurden bist, solltest du versuchen vor allem jene Ergebnisse festzuhalten, die sich konkret auf die Fragen beziehen. Im Unterricht schreibst du am besten handschriftlich mit und tippst es zu Hause ab. Dabei kannst du das Protokoll auch noch einmal überarbeiten, Unwichtiges heraus kürzen und es in eine ansehnliche Form bringen. Ein ergebnisorientiertes Protokoll verfassen Bei einem ergebnisorientierten Protokoll kommt es vor allem darauf an Ziele, Ergebnisse und Schlussfolgerungen einer Diskussion festzuhalten. Die Unterrichtsreihe ist nach folgenden Fragen aufgebaut: Problemaufriss Worin besteht das Problem? Interessen Welche Interessen werden berührt? Ursachen des Problems „Lösungen" Konsequenzen Wie ist das Problem entstanden? Welche „Lösungen" sind denkbar? Welche Auswirkungen hätten die „Lösungen"? Je nachdem, für welchen Unterrichtsteil du eingeteilt wurden bist, solltest du versuchen vor allem jene Ergebnisse festzuhalten, die sich konkret auf die Fragen beziehen. Im Unterricht schreibst du am besten handschriftlich mit und tippst es zu Hause ab. Dabei kannst du das Protokoll auch noch einmal überarbeiten, Unwichtiges heraus kürzen und es in eine ansehnliche Form bringen. 37 3.1.2 M2 - Bilderrätsel 39 40 Welche Ressource wird für die Funktion oder die Herstellung folgender Konsumgüter benötigt? 41 Welche zwei Ressourcen werden für die Funktion folgender Konsumgüter benötigt? 42 Welche Ressource versteckt sich hinter den Bildern? 43 Welche Ressource“ „ verbirgt sich hinter den Bildern? 44 Welche Übergruppe von Ressourcen versteckt sich hinter den Bildern? 3.1.3 M3 - Infotexte 45 Erdöl - was ist das eigentlich und wie sehr sind wir darauf angewiesen? Die Entstehung von Erdöl begann vor vielen Millionen Jahren. Dabei lagerten sich die Überreste von Meerestieren und Plankton am Grund des Ozeans ab. Gesteinsschichten lagerten sich darüber und innerhalb eines langen Zeitraums stiegen Druck und Temperatur. Das führte letztendlich dazu, dass sich die organischen Überreste in Erdöl umwandelten. Das „schwarze Gold“ war bereits in der Antike und im Mittelalter bekannt und wurde damals in geringen Mengen als Leuchtmittel für Öllampen verwendet. Ende des 19. Jahrhunderts begann die industrielle Förderung von Erdöl. Die ersten wichtigen Bohrungen weltweit fanden in den 1850er Jahren in Niedersachsen statt. Seitdem haben sich die Fördermengen ständig erhöht. Mittlerweile ist Erdöl für die Weltwirtschaft unverzichtbar geworden. Durch den hohen Energiegehalt werden bei der Verbrennung große Energiemengen frei, die vor allem in Bewegungsenergie (z. B. beim Autofahren) oder in elektrische Energie (z. B. bei der Stromerzeugung) umgewandelt werden. Ein großes Problem ist jedoch, dass die Erdölreserven irgendwann zu Neige gehen werden. Aber wann? Und wie würde ein Alltag ohne Erdöl aussehen? Man würde wahrscheinlich morgens verschlafen, weil es keine Handys oder Wecker aus Kunststoff geben würde. Ebenso gäbe es keine Zahnbürsten, zumindest keine aus Plastik. Zum Frühstück könnte man als Obst höchstens Äpfel essen, denn für Kiwis, Ba nanen und andere Südfrüchte würde das Benzin für den Transport fehlen. So würde es im gesamten Alltag keine Waren geben, die von weit her stammen, da der gesamte Welthandel und dessen Transport nur durch die Verbrennung von Erdölprodukten funktioniert. Zur Schule könnte man auch nicht mit dem Auto oder dem Bus fahren, sondern müsste wahrscheinlich in die Pedalen treten oder laufen. Man merkt schnell, dass unser Leben ohne Erdöl nicht dasselbe wäre. Fast alle unsere täglichen Konsumgüter – seien es Elektronik, Kosmetikprodukte, Kleidung, und sämtliche Verpackungsmaterialien – bestehen entweder aus weiterverarbeiteten Erdölprodukten oder kommen von so weit her, dass ihr Transport ohne Erdöl unmöglich wäre. Sich einen Alltag ohne Handys, Autos oder Turnschuhe vorzustellen, fällt uns schwer. Da aber sicher ist, dass eines Tages die Erdölreserven erschöpft sein werden, streiten sich Wissenschaftler und Industrielle seit einiger Zeit um die Frage, wie lange das Öl noch reichen wird. Generell geht es in dem Streit um eine Theorie, die mittlerweile als anerkannt gilt – die Theorie vom „Ölfördermaximum“, auch „Peak Oil“ genannt. Dabei geht es darum zu bestimmen, wann der Höhepunkt der globalen Ölfördermengen erreicht sein wird. Die Fördermengen sind bis jetzt immer angestiegen, nach einem Peak (engl. = Höhepunkt) werden die Mengen rasch abfallen und schließlich gegen null gehen. Es werden zwar immer wieder kleinere Vorkommen entdeckt, aber diese werden nie wieder an die gigantischen Ölfelder heranreichen, die in den 1960er Jahren entdeckt wurden. Das liegt daran, dass es schlicht und ergreifend keine Ölfelder in diesen Größen mehr gibt. Der ehemalige Chef Jeremy Gilbert des Erdölkonzerns BP formuliert es so: Globale Öl-Fördermengen in Mrd. Barrel /Jahr 2,5 2 1,5 1 0,5 0 46 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 Quelle: Paper ASPO 2004 „Die aktuellen Felder, auf die wir Jagd machen, sind uns in vielen Fällen schon lange bekannt, aber sie waren zu kompliziert, zu zerklüftet und damit zu schwierig zu fördern. Jetzt sind unsere Techno logien und unser Verständnis besser, was eine gute Sache ist, weil diese schwierigen Felder alles sind, was wir übrig gelassen haben.36“ Die Überschreitung des Peaks hätte fatale Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, weil die Erdölpreise weltweit in die Höhe schießen würden. Auf den Märkten würde sich Panik breit machen und es könnte zu strategischen „Hamsterkäufen“ kommen, die die Preise noch weiter in die Höhe treiben. Wie wir oben gesehen haben, hätte ein solcher Preisanstieg enorme Folgen für unseren Alltag, da Erdöl direkt und indirekt in fast allen Dingen steckt, die uns umgeben. Gerade weil der Erdölpreis so wichtig ist, streiten sich vor allem zwei Parteien um den Zeitpunkt des „Peak Oil“. Auf der einen Seite stehen Agenturen, Wirtschaftsverbände, Unternehmen und Börsenmakler, die keine Panik um die wahrscheinlich wichtigste Ressource der Welt auslösen wollen. Sie prophezeien, dass wenn es überhaupt einen Peak geben sollte, er frühestens 2035 überschritten wird. Sie hoffen, den Preis für Erdöl am Markt solange wie möglich niedrig halten zu können. Auf diese Weise werden immer wieder die Aussagen der internationalen Energie Agentur (IEA) frisiert und das „Oil-Peak-Szenario“ heruntergespielt. So wird z. B. davon gesprochen, dass es geologisch gesehen noch riesige Erdölvorkommen gibt – was auch stimmt. Nur wäre die Förderung dieser Vorkommen in Tiefsee und Arktis, aufgrund ihrer schlechten Lage sehr teuer und dadurch unwirtschaftlich. Außerdem entstehen bei Bohrungen auf diesen Teilen der Erde große Risiken für die Umwelt. Ein Beispiel dafür ist die Öl-Katastrophe von 2010 im Golf von Mexiko, bei der eine Ölplattform, die Tiefseebohrungen durchführte, in Brand geriet. In Folge dessen verunreinigten 800 Millionen Liter Erdöl die anliegenden Küsten und Meere. Die Katastrophe wird als schlimmste Umweltkatastrophe dieser Art eingestuft. Dem entgegen stehen Organisationen, wie bereits genannt: die IEA, verschiedene Wissenschaftler, die Energy Watch Group (EWG) und einige fortschrittliche Unternehmen. Diese Vertreter sind, was den Zeitpunkt des „Peak Oil“ angeht, weitaus pessimistischer. In einer weltweiten Untersuchung zum Thema brachte die IEA 2010 endlich Klarheit in den Streit. In ihrem wegweisenden Bericht dem „World Energy Outlook“ wurde bekannt gegeben, dass die weltweite Erdöl förderung wohl nie wieder das Level von 2006 über- 36 Gilbert, Jeremy: No, We Canʼt. Uncertainty, Technology and Risk. Vortrag auf der ASPO-USA 2010 Peak Oil Konferenz, in Washington, DC, Oktober, 2010 steigen wird 37. Damit ist das globale Ölfördermaximum bereits überschritten. Die Ölfördermengen werden nun stetig abnehmen und letztendlich gegen null gehen, auch wenn die Gegenseite von Erdölvorkommen in der Tiefsee schwärmt, die unwirtschaftliche Auf-reinigung von Teersand vorschlägt und auf technische Innovationen in der Förderung hofft. Was bleibt? Unsere Gesellschaft ist auf Erdöl an gewiesen und wir müssen einen Weg finden, um mit dem Rückgang der Fördermenge auszukommen. Der Hauptverbrauch von Erdöl liegt vor allem im Transportsektor (im Welthandel, sowie im Individualverkehr) und in der Herstellung von Gütern mit Erdöl anteil. Ein erstes Umdenken müsste in diesen beiden Bereichen stattfinden. Der deutsche Paläontologe Martin Langer bringt es auf den Punkt: „Wir müssen mit der Ressource Erdöl wesentlich sparsamer umgehen als bisher. Denn wir sind viel stärker darauf angewiesen, als wir glauben.38“ Aufgabenstellung: ºº Lest den Text in Ruhe durch und unterstreicht die wesentlichen Fakten. ºº Fertigt gemeinsam in der Gruppe ein Plakat an, auf dem ihr den „Peak Oil“ erklärt und ein Leben ohne Erdöl darstellt. 37IEA: World Energy Outlook 2010. S. 48. Im Internet unter: http://www.worldenergyoutlook.org/media/ weo2010.pdf 38 Freund, Maike: 50 Jahre OPEC: Ein Alltag ohne Erdöl? Unmöglich! Interview mit Martin Langer. 2010. Im Internet unter: http://www2.evangelisch.de/ themen/wirtschaft/50-jahre-opec-ein-alltag-ohneerd%C3%B6l-unm%C3%B6glich23024 47 Kohle und Erdgas - wie wichtig sind diese beiden Stoffe für unser Leben? Kohle und Erdgas weisen eine ähnliche Entstehungsgeschichte auf. Wie Erdöl gehören Kohle und Gas zu den fossilen Brennstoffen und sind vor Millionen von Jahren entstanden. Der wichtigste Unterschied zwischen der Entstehung von Kohle und Erdgas ist das Ausgangsmaterial. Während bei Kohle pflanzliche Überreste in Mooren und Sümpfen versanken, lagerten sich bei der Bildung von Erdgas organische Reste von Meerestieren am Grunde des Ozeans ab. Über die jeweiligen Ausgangsstoffe bildeten sich im Laufe der Jahrtausende dicke Gesteinsschichten, die den Druck auf die Ausgangsmaterialien stark erhöhten. Ohne Sauerstoff konnten die organischen Verbindungen nicht verrotten und so kam es dazu, dass sich über einen sehr langen Zeitraum hinweg aus den pflanz lichen Überresten Kohle und aus den Ablagerungen des Ozeans Erdgas bildete. Kohle wird für gewöhnlich in Braun- und Steinkohle unterteilt. Steinkohle ist wesentlich älter als Braunkohle und weist bei der Verbrennung einen viel höheren Energiegehalt auf. Jedoch lagert sie auch in sehr viel tieferen Erdschichten und ist damit schwieriger zu fördern. Da beide Kohlearten für die gleichen Dinge Verwendung finden, werden sie im Folgenden nicht mehr unterschieden. Während Kohle schon im Mittelalter bekannt war und zum Kochen und Heizen verwendet wurde, konnte Erdgas erst ab den 1960er Jahren gefördert werden, weil man für den Transport und die Verbrennung von Gas ein ausgebautes Rohrleitungssystem benötigt. Heutzutage werden beide fossilen Brennstoffe haupt- Bruttostromerzeugung nach Energieträgern 2008 in Prozent Kernkraft 23,3 Erdgas 13 6,3 4,2 3,6 0,6 5,4 Steinkohle 20,1 Wind Wasser Biomasse Photovoltaik Sonstige Braunkohle 23,5 sächlich zur Stromgewinnung in Kraftwerken verfeuert. In Deutschland wird mehr als die Hälfte (56 %) des erzeugten Stroms aus Kohle und Erdgas gewonnen (siehe Diagramm). Fossile Energieträger sind für unsere heutige Stromversorgung also enorm wichtig. Ähnlich wie beim Erdöl existiert auch bei Kohle und Erdgas die Sorge, dass die Vorräte dieser Stoffe bald zur Neige gehen könnten. Aber wann? Und wie würde eine Welt ohne Kohle und Erdgas aussehen? Da aus Kohle und Gas hauptsächlich Strom gewonnen wird, muss man sich eine Welt vorstellen, in der Elektrizität rar und kostbar ist. Die einzigen Quellen für Strom wären Wind- und Wasserkraftanlagen, denn auch Atomkraftwerke sind in ihrer Funktionsweise stark auf eine lückenlose Stromversorgung angewiesen, die ohne Elektrizität aus Kohle und Gas nicht garantiert werden kann. Generell könnte eine Energiewirtschaft, die sich nur auf erneuerbare Energiequellen stützt, eine solche lückenlose Versorgung, wie wir sie heute gewohnt sind, nicht leisten. Elektrizität wäre also selten, teuer und eventuell nicht immer verfügbar. Wie würde unser Alltag damit aussehen? Rund 70 % des in Deutschland benutzten Stroms werden für wirtschaftliche Zwecke, wie die industrielle Herstellung von Waren, Gewerbe, Handel und Dienst leistungen verbraucht 39. Das heißt in einem Alltag, in dem der Strom sehr viel teurer wäre, würden auch die Waren und Dienstleistungen sehr viel mehr kosten. In unseren Haushalten könnte man bei weitem nicht mehr so viele Elektrogeräte benutzen. Auf Geschirrspüler, Waschmaschine, Wäschetrockner, Kühlschrank und jegliche Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik müsste verzichtet werden. Ebenso müsste man für das Beheizen von Räumen und die Erwärmung von Wasser auf andere Energien umsteigen und den Verbrauch stark einschränken. Da Kohle und Gas ebenso wie Erdöl zu den fossilen und damit zu den endlichen Energiequellen gehören, wird ihr Vorrat bei zu hoher Nutzung irgendwann zur Neige gehen. Experten und Wissenschaftler versuchen seit vielen Jahren abzuschätzen, wie lange man auf Kohle und Erdgas noch zählen kann. Bei den Schätzungen wird meist vom „globalen Fördermaximum“ gesprochen. Dabei geht es darum, wann der mengenmäßige Höhepunkt (engl. = peak) der Förderung des jeweiligen Rohstoffes erreicht wird. Nach einem Peak würden die Fördermengen rasch abfal39 vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Energie in Deutschland. Trends und Hinter gründe zur Energieversorgung. Berlin, 2010, S. 18 48 Globale Kohle-Fördermengen in Mio.t/Jahr 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 2060 2070 2080 2090 2100 len, bis sie letztendlich gegen Null gehen. Während das Fördermaximum bei Erdgas in den meisten Ländern bereits überschritten wurde 40 und damit global als rückläufig betrachtet wird, ist ein Fördermaximum bei Kohle schwerer festzulegen. Da es sich bei Kohle um eine Ressource handelt, deren Qualität sehr unterschiedlich sein kann, reicht es nicht, die Mengen zu bestimmen, die gefördert werden. Die Qualität und der Energiegehalt müssen im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen. Zwar soll in Zukunft mengenmäßig mehr Kohle gefördert werden, diese wird jedoch von einer niedrigeren Qualität sein und damit weniger Energie enthalten. Experten, die dies in ihre Prognosen mit einbeziehen, haben berechnet, dass der Kohle-Peak bereits 2011 überschritten wurde, auch wenn in Zukunft noch mehr Kohle gefördert werden soll. Es ist unbestritten, dass es weltweit noch riesige Kohle- und Gasvorkommen (z. B. in Russland und den USA) gibt, die zukünftigen Fördermengen werden jedoch rückläufig sein. Ein weiteres Problem ist, dass die Energiereserven ungerecht verteilt sind. Die größten Energieverbraucher der Erde sind Nordamerika und Europa. In vielen restlichen Teilen der Erde fehlt es massiv an verfügbarer Elektrizität. Mit den nun rückläufigen Förderraten ist es höchst unwahrscheinlich, dass die übrigen Entwicklungs- und Schwellenländer jemals europäische und amerikanische Energieverbrauchsraten erreichen können. Deshalb liegen große Hoffnungen in den erneuerbaren Energien, das sind in Deutschland vornehmlich: Biomasse, Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft. Wissenschaftler warnen jedoch vor unüberlegtem Handeln, denn die erneuerbaren Energien werden die fossilen Brennstoffe nicht in dem heutigen Ausmaß 40 s. Wikipedia: Tabelle: Gasfördermaximum nach Ländern. Im Internet unter: http://de.wikipedia.org/ wiki/Erdgas/Tabellen_und_Grafiken#cite_noteBP-3 Quelle: Energy Watch Group ersetzen können 41! Auf der einen Seite kann aus den „grünen“ Energiequellen nicht so viel Energie umgewandelt werden, wie aus fossilen Brennstoffen (der Erntefaktor ist um ein Vielfaches kleiner). Auf der anderen Seite benötigen die Entwicklung, Herstellung und Bereitstellung dieser Energiearten selbst ein so hohes Maß an Energie, dass der letztliche Endbetrag am Ende noch weiter minimiert wird. Die Zukunft wird sich also schwieriger gestalten, als zunächst angenommen wurde. Es bleibt abzuwarten, ob unser jetziger luxuriöser Lebensstil aufrecht erhalten werden kann. Aufgabenstellung: ºº Lest den Text in Ruhe durch und unterstreicht die wesentlichen Fakten. ºº Fertigt gemeinsam in der Gruppe ein Plakat an, auf dem ihr erklärt, was ein „Peak“ ist und wie ein Alltag ohne Erdöl und Erdgas aussehen würde. 41 s. Heinberg, Richard: Searching for a Miracle. “Net Energy” Limits the Fate of Industrial Society. 2009. S. 61; Im Internet unter: http://www.postcarbon. org/new-site-files/Reports/Searching_for_a_ Miracle_web10nov09.pdf 49 Wasser - die wahrscheinlich wichtigste Ressource des Planeten Unser Planet ist zu 70 % mit Wasser bedeckt. Von allen Wassermassen, die auf der Erde existieren, sind nur 2,5 % Süßwasser. Wenn man sich nun die Süßwasservorkommen auf der Erde noch einmal verdeutlicht, ist nur ein sehr kleiner Teil davon, nämlich ca. 1 % für den Menschen nutzbar, denn das meiste Süßwasser steckt in Gletschern und Schneemassen 42 . Wasser ist lebensnotwendig. Da es einige der wichtigsten Grundbedürfnisse der Menschheit befriedigt, zählt es zu den wichtigsten Ressourcen der Welt. Seit einiger Zeit machen sich Wissenschaftler weltweit Sorgen um die zukünftige Wasserversorgung. Es gibt Tendenzen, aus denen hervorgeht, dass in vielen Teilen der Erde Flüsse in kritischer Weise überbeansprucht sind, dass Grundwasserspiegel sinken und viele Wasservorkommen in empfindlichem Maße als verschmutzt gelten 43. Laut dem vierten „Global Environment Outlook“ der UN werden im Jahr 2025 rund 1,8 Mrd. Menschen in Regionen mit absoluter Wasserknappheit leben. 2/3 der allgemeinen Weltbevölkerung werden laut dem Bericht unter ständigem „Wasserstress“ leiden. Das heißt, dass die betroffenen Das Wasser der Erde Süßwasser 2,5% Wasser der Meere 97,5% 42 vgl. Freie Universität Berlin, Arbeitsgruppe Hydrogeographie: Globale Wasserbilanz, im Internet unter: http://www.geo.fu-berlin.de/fb/e-learning/pg-net/ themenbereiche/hydrogeographie/wasserhaushalt_wasserbilanz/globale_wasserbilanz/index. html 43 vgl. Heinberg, Richard: End of growth. Adapting to our New Economic Reality. Gabriola Island, Canada, 2011, S. 125 50 Menschen fortwährenden in Ungewissheit leben, ob ihnen genug Wasser für die Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse, für die Landwirtschaft, die Industrie oder die restliche Umwelt bleibt 44. Betrachtet man das Problem der zukünftigen Wasserknappheit, ist es wichtig zwischen Wasserent nahme und Wasserverbrauch zu unterscheiden. Die Wasserentnahme umfasst alle Mengen an Wasser, die einer Quelle (z. B. einem Fluss) entnommen werden und nach der Benutzung wieder zurückgeleitet werden, während der Wasserverbrauch jene Mengen beschreibt, die bei der Nutzung verloren gehen (z. B. durch Verdunstung). Der Colorado-River im Südwesten der USA ist ein gutes Beispiel dafür was geschieht, wenn die Entnahme und der damit zusammenhängende Verbrauch stark steigen. Da die Bevölkerung im Südwesten und vor allem in Städten wie Los Angeles, Las Vegas und San Diego stark zunimmt, hat sich auch die Wasserentnahme erhöht. Hinzu kommt, dass die Schneemassen der Rocky Mountains, aus denen der Colorado entspringt, durch den Klimawandel in den nächsten Jahren um 40 % schrumpfen werden. Insgesamt sieht es für den wichtigsten Fluss der Region nicht gut aus. Wird sich der derzeitige Trend fortsetzen, könnte der Colorado-River innerhalb der kommenden zehn Jahre austrocknen 45. Vor einer ähnlichen Krise stehen drei Milliarden Menschen in Südasien (nahezu die Hälfte der Weltbevölkerung). Sie sind abhängig vom Wasser der großen Flusssysteme, die sich aus den schmelzenden Gletschern und Schneemassen des Himalaya-Gebirges nähren: Ganges, Indus, Brahmaputra, Yangtse, usw. Auch hier verringert der Klimawandel die Schneemenge unaufhaltsam und lässt uralte Gletscher schrumpfen, unterdessen stellen das Bevölkerungswachstum und die Wirtschaftsexplosion in Asien immer höhere Anforderungen an die wichtigsten Wasserstraßen des Kontinents 46. Während der voranschreitende Klimawandel Gletscher und Schneemassen schrumpfen lässt und an44 s. United Nations Environment Programme: Global Environment Outlook 4, S. 115–156, im Internet unter: http://www.unep.org/geo/GEO4/report/GEO-4_ Report_Full_en.pdf 45 vgl. Heinberg, Richard: End of growth. Adapting to our New Economic Reality. Gabriola Island, Canada, 2011, S. 125 ff. 46 Ferrigno, Richard; Ferrigno, Jane: Galciers of Asia. In: US Geological Survey Professional Paper 1386-F, Washington, DC, 2010, im Internet unter: www.pubs. usgs.gov/pp/p1386f/ Globaler Wasserverbrauch in km3/Jahr Globale Wasserentnahme in km3/Jahr 4000 4000 3000 3000 2000 2000 1000 1000 0 0 1900 1925 1950 1975 2000 2025 wachsende Bevölkerungsmengen die Wasserentnahme aus Flüssen erhöhen, sind Landwirte in den USA auf ein weiteres schwerwiegendes Problem im Zusammenhang mit der zukünftigen Wasserversorgung gestoßen. In vielen unterirdischen Grundwasserspeichern der Welt, in denen riesige Grundwasservorkommen teilweise seit der letzten Eiszeit ruhen, sinken zurzeit die Wasserstände. Das wohl erschreckendste Beispiel ist das Absinken des Grundwassers im Ogallala-Grundwasserspeicher im Südwesten der USA. Der Ogallala-Speicher erstreckt sich über acht Bundesstaaten und versorgt ca. 30 % der gesamten Landwirtschaft der USA mit Wasser. Die Farmer verzeichnen seit Jahren fallende Grundwasserstände. In den letzten 50 Jahren sind die Wasserspiegel überall um 3 bis 18 Meter gesunken. In manchen Gegenden hat sich das Grundwasser mehr als 30 Meter abgesenkt, sodass viele Farmer ihre Brunnen trocken gelegt haben und ihr Wasser von anderen Brunnen holen mussten. Der Hauptgrund dafür liegt bei der äußerst bewässerungsintensiven Landwirtschaft. Sollte der OgallalaGrundwasserspeicher weiter austrocknen, wird die ansässige Bevölkerung starke Probleme in ihrer Trinkwasserversorgung bekommen 47. Aber nicht nur Bevölkerung und Landwirtschaft verbrauchen enorme und weiter steigende Mengen an Wasser. Ein großer Teil wird ebenso von Industrie und Energielieferanten benötigt. Zum Beispiel braucht man für die Förderung von einem Liter Erdöl 1211 Liter Wasser, weil die Bohrköpfe ständig gekühlt werden müssen. Ebenso gibt es unzählige Beispiele für in dustrielle Verarbeitungsprozesse, bei denen enorme Wassermassen gebraucht werden. Atomkraft- und Kohlekraftwerke sind wahre Wasserfresser. Daraus resultiert, dass sich weltweit die Konkurrenz (zwischen Bevölkerung, Landwirtschaft, Industrie und Energiewirtschaft) um die Nutzung von Trinkwas- 1900 1925 1950 1975 2000 2025 ser erhöhen wird. Konflikte in wasserarmen Regionen werden unvermeidbar sein, so wie zum Beispiel zurzeit eine Koalition von Ländern um Äthiopien gegen uralte Vereinbarungen vorgeht, nach denen Ägypten das Wassers des Nils nutzen darf. Potentielle Krisenherde liegen in Afrika, Südasien und in großen Teilen der arabischen Welt. Es wird die Aufgabe der kommenden Generationen sein, eine gerechte Verteilung der Ressource Wasser auf der Welt zu gewährleisten. Aufgabenstellung: ºº Lest den Text in Ruhe durch und unterstreicht wesentliche Fakten. ºº Erstellt ein Plakat, in dem ihr beschreibt, wie es um eure Ressource bestellt ist und wie Wasser entnahme und Wasserverbrauch in den letzten Jahren gestiegen sind. 47 Dennehy, Kevin: High Plains Regional Groundwater Study. In: US Geological Survey. Fact Sheet FS-09100, 2000, im Internet unter: co.water.usgs.gov/ nawqa/hpgw/PUBS.html 51 Quelle: UNEP Die Ressource „Nahrungsmittel" Wenn es darum geht Zivilisationen stabil zu halten, Frieden zu gewährleisten und Wirtschaftswachstum beizubehalten, sind Nahrungsmittel die wichtigste „Ressource“. Hauptsächlich werden unsere Lebensmittel in landwirtschaftlichen Betrieben hergestellt, die sich in den letzten 100 Jahren einem drastischen Wandel unterworfen haben. Eine Folge des Wandels ist die enorme, weltweite Ertragssteigerung. Während im Jahr 1900 weltweit 400 Tonnen Getreide geerntet wurden, stieg der Ertrag 2010 auf 2 Mrd. Tonnen 48. Das Verhältnis von Landwirten und Bevölkerung ist dabei sogar noch gesunken. Während zu Beginn des 20. Jahrhunderts 38 % der Bevölkerung in Deutschland Landwirtschaft betrieben, sind heute nicht einmal mehr 2 % in landwirtschaftlichen Betrieben tätig 49. Das heißt, immer weniger Menschen stellen immer mehr Lebensmittel her. Weizenernte 1900, USA Quelle: http:// prairielakesjourneys twospirit.blogspot. de/2011/02 Aber wie kam es zu dieser allgemeinen Ertragsteigerung? Die moderne Landwirtschaft läuft größtenteils automatisiert. Kraftstoffverbrauchende Maschinen pflügen, pflanzen, ernten, sortieren, verarbeiten und transportieren Lebensmittel. Industrielle Landwirte können auf diese Weise viel größere Flächen bewirtschaften. Neben den großen Landmaschinen gibt es eine breite Palette teilweise recht teurer Produkte, die den Bauern die Arbeit erleichtern sollen: Futter, Saatgut, Dünger, Pestizide, Herbizide, Antibiotika, sowie Kraftstoffe, elektrische Maschinen, Ersatzteile und so weiter. Um 1900 musste ein Bauer für seine Arbeit, außer einigen grundlegenden Arbeitsgeräten, keine weiteren Hilfsmittel kaufen. Dünger, Saatgut und Futter wurden meist auf dem eigenen Hof hergestellt und jegliche Arbeiten wurden mit der Muskelkraft von Menschen oder Tieren bewältigt. Mittlerweile kann man die moderne Landwirtschaft als hoch gradig industrialisiert und technisiert bezeichnen. 48 s. Heinberg, Richard: The End of Growth. Adapting to Our New Economic Reality., New Society Publishers, Gabriola Island, 2011, S. 130 49 vgl. Deutscher Bauernverband: Situationsbericht 2011/2012, im Internet unter: http://www.situationsbericht.de/index.asp?seite=1&kapitel=2 52 Der Weg zum heutigen, üppigen Nahrungsmittel angebot hat jedoch tiefe Spuren hinterlassen. Inzwischen gibt es in fast allen Teilen der Erde große ökologische Probleme, z. B. mit der Versalzung von Böden, der Abholzung von Wäldern, dem Verlust des Lebensraumes und der Artenvielfalt, mit Trinkwassermangel in vielen Teilen der Welt und der Verschmutzung durch Pestizide von Grundwasser und Böden 50. Die moderne Landwirtschaft hat unglaublich starke ökologische Auswirkungen auf den Planeten und seine Ökosys teme. Ein wichtiger Faktor ist die enorme Nutzung von Düngemitteln. Der Einsatz von Düngemitteln stieg weltweit von 1960 bis 2000 um 500 % und trug wesentlich zur Versalzung und Überdüngung von Böden bei 51. Auf lange Sicht gesehen könnte wichtiger Mutterboden unfruchtbar werden, sodass bedeutende Ackerflächen verloren gehen würden. Die Landwirte versuchen dem entgegen zu gehen, indem immer mehr gedüngt wird. Die übertrieben benutzten Düngemittel, um immer größere Ernten einzufahren, gelangen über die Flüsse und das Grundwasser ins Meer und stören uralte Nährstoffkreisläufe. Was entsteht, sind riesige „tote Zonen“ in den Ozeanen, in denen so gut wie nichts mehr lebt 52 . Interessant hierbei ist, dass Dünger neben Stickstoff und Kalium hauptsächlich aus Phosphor besteht. Phosphor ist ein Mineral, das nur begrenzt auf der Erde vorkommt und aus Phosphatgestein gewonnen wird. In den letzten Jahren sind die Fördermengen von Phosphat stetig gestiegen. In vielen Ländern sind die Vorkommen jedoch bereits erschöpft und in den restlichen Ländern gehen die Fördermengen langsam zurück. Experten sprechen davon, dass der Weizenernte 2011, USA Quelle: http://www.bitquill. net/blog/?p=17 50 s. United Nations Environment Programme: Global Environment Outlook 4, 2007, S. 81–194, im Internet unter: http://www.unep.org/geo/GEO4/report/ GEO-4_Report_Full_en.pdf 51 s. Earth Policy Institute: World Fertilizer Use 1960– 2004 (2005). Im Internet unter: http://www.earthpolicy.org/?/data_center/C24/ 52 s. Diaz, Robert; Rosenberg, Rutger: Spreading Dead Zones and Consequences for Marine Ecosystems. In: Science, Vol. 321, Nr. 5891, S. 926–929, 2008 Globale Phosphorförderung in Megatonnen/Jahr 200 150 100 50 0 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 Höhepunkt (engl. = Peak) der Phosphatfördermengen weltweit 1989 überschritten wurde. Die Phosphatmengen, die nun abgebaut werden, werden immer weniger, bis sie schließlich gegen Null gehen 53. Eine Landwirtschaft ohne Phosphatdünger könnte nicht mehr in dem jetzigen intensiven Stil betrieben werden. Nahrungsmittel könnten somit teurer werden und eine weltweite Ernährungskrise könnte sich anbahnen. Es gab jedoch auch frühere Zeiten, in denen auf natürliche Weise mit Phosphaten gedüngt wurde. Zum Beispiel wurden tierische Exkremente oder Knochenmehl von geschlachtetem Vieh auf die Felder aufgebracht. Die Methoden der traditionellen (ökologischen) Landwirtschaft sind größtenteils in Vergessenheit geraten und werden weltweit nur noch selten angewendet. Die Ernährungssysteme werden in vielen Ländern von einigen wenigen, internationalen Konzernen dominiert, darunter sind Saatkonzerne, Chemiefirmen, Landmaschinenhersteller sowie Lebensmittelgroßhändler, Supermarkt- und Fastfoodketten. Die Landwirte stehen unter einem enormen Druck, da viele Betriebe hohe Kredite für Landmaschinen, Dünger, Pestizide, Antibiotika oder Futter aufnehmen mussten. Was bleibt, ist der Zwang noch intensivere Landwirtschaft zu betreiben. Das jetzige Nahrungsmittelangebot, das es in den westlichen industrialisierten Ländern gibt, ist wahrscheinlich das üppigste und reichhaltigste, das es jemals auf der Erde gab. Aber nicht nur in landwirtschaftlichen Betrieben werden die Auswirkungen dieses Überflusses deutlich, sondern auch in den Weltmeeren. Fischarten wie Kabeljau, Sardinen, Schellfisch und Flunder werden seit Jahrzehnten von Nordamerika und Europa bevorzugt gegessen und gelten mittlerweile als vom Aussterben bedroht. Global gesehen haben die Erträge der weltweiten Fischerei 1994 ihren 53 s. Déry, Patrick; Anderson, Bart: Peak Phosphorus (2007), im Internet unter: http://theoildrum.com/ node/2882 Quelle: Post carbon institute (2007) Höhepunkt (Peak) überschritten und sind seitdem rückläufig. Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern warnte im Jahr 2006, dass die globalen Vorkommen wildlebender, essbarer Meerestiere 2048 zur Neige gehen werden, wenn sich die steilen Rückläufe der marinen Arten im derzeitigen Tempo fortsetzen. Bereits 2003 brachen die Populationen bei 29 % aller Fischarten zusammen, d.h. die Fangmengen lagen mindesten 90 % unter den historischen Fangmengen. Die Raten in denen Populationen zusammenbrechen steigen exponentiell. Der Fischereiexperte Boris Worm warnte: „Unsere Kinder werden in einer Welt ohne Meerestiere leben, wenn wir nichts ändern 54.“ Nach einer neueren Studie erholen sich viele Fischarten nur sehr schwer. Nach 15 Jahren Schutzbemühungen, haben viele Populationen ihre Zahl nur schwach erhöht. Zum Beispiel gelang bei Kabeljau eine Erholung der Bestände überhaupt nicht 55. Abschließend lässt sich festhalten, dass Ökosysteme in den Weltmeeren und im Boden gleichermaßen durch diese enorme und nicht nachhaltige Bewirtschaftung heftige Schäden erleiden. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, stehen der Menschheit große Pro bleme bevor, zukünftige Generationen zu ernähren. Aufgabenstellung: ºº Lest euch den Text in Ruhe durch und unterstreicht die wesentlichen Fakten. ºº Erstellt in der Gruppe ein Plakat, auf dem ihr darstellt, wie es um die Ressource „Nahrungsmittel“ bestellt ist und was „Peaks“ damit zu tun haben. 54 Eilperin, Juliet: Worldʼs Fish Supply Running Out, Researchers Warn (2006). Im Internet unter: http:// www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/ article/2006/11/02/AR2006110200913.html 55 Podger, Corinne: Depleting Fish Stocks (2000). Im Internet unter:http://www.bbc.co.uk/worldservice/ sci_tech/highlights/000825_fish.shtml 53 Metalle - Ressourcen, um die sich niemand Sorgen macht Metalle sind für die Welt, wie wir sie kennen, unglaublich wichtig. Ohne Metalle würden moderne Volkswirtschaften nicht funktionieren. Sie werden zur Energiegewinnung benötigt – in Turbinen, Hochöfen und Kraftwerken. Ohne Metalle würde es wohl keine herstellende oder verarbeitende Industrie geben – Werkzeuge, Maschinen und Baustoffe würden fehlen. Ebenso sind sie unerlässlich für die Herstellung aller möglichen Fahrzeuge und Transportmittel. Selbst der Straßenbau ist auf metallische Verbindungen angewiesen. Sämtliche Leitungen, die unsere Zivilisationen am Leben erhalten sind aus Metallen: Stromleitungen, Gasleitungen, Internetkabel, Rohrleitungen und vieles mehr. Mit Beginn der Metallverarbeitung begann der vermeintliche Aufstieg der Menschheit. In der Jungsteinzeit waren die meisten Menschen noch Jäger und Sammler. Einige Gruppen wurden sesshaft und begannen Landwirtschaft zu betreiben. In der darauffolgenden Bronzezeit wurden erstmalig Metalllegierungen hergestellt. Die frühzeitlichen Kulturen standen nun vor der Aufgabe, die Metallverarbeitung zu organisieren. Das führte zu gravierenden Veränderungen in der Gesellschaftsstruktur. Durch die Beherrschung der Ressourcen bildete sich in vielen Kulturen eine Oberschicht heraus. In der Bronzezeit war es erstmals möglich, Reichtum anzuhäufen. Bronzebarren waren das anerkannte Zahlungsmittel. Archäologen fanden jedoch nicht nur Überreste einer Palastkultur, welche ein Zeichen für die Bildung einer herrschenden Schicht sind, sondern erstmals wurden auch Schwerter und Befestigungsanlagen gefunden. Das lässt darauf schließen, dass es im Gegensatz zur Jungsteinzeit nun vermehrt zu kriegerischer bzw. räuberischer Auseinandersetzungen kam 56. Wenn man sich näher mit Metallen beschäftigen möchte, gilt es zunächst festzustellen, dass Metalle zu den nicht erneuerbaren Ressourcen gehören. Das heißt, sie sind vor Jahrmillionen entstanden und egal welche Mengen abgebaut werden, das weltweite Vorkommen kann sich nur noch verkleinern. Wissenschaftler, die sich mit Bergbau beschäftigen, sind stets daran interessiert, vorauszusagen, wie lange bestimmte Vorkommen noch reichen werden bzw. wie lange es noch wirtschaftlich ist, bestimmte Bestände abzubauen. Bei ihren Vorhersagen gibt es eine wich tige Größe, das sogenannte Fördermaximum, auch englisch „Peak“ genannt. Bei einem Peak geht es darum vorauszusagen, wie lange die Abbauraten noch 56 Bick, Almut: Die Steinzeit. Theiss, Stuttgart 2006, S. 108 ff. 54 steigen werden, bis die Bestände maximal verbraucht sind. Nach einem Peak gehen die Fördermengen rasch zurück, weil nur noch kleinere, schwer erreichbare oder qualitativ minderwertige Vorkommen übrigbleiben. Bekannt ist das Peak-Szenario aus der Erdöl forschung. Experten sagen hier seit den 1970er Jahren das Ende der globalen Erdölvorkommen vorher. Doch auch bei vielen Metallen ist die Nutzung in den letzten Jahrzehnten so stark angestiegen, dass immer grö ßere Mengen gefördert werden und die Vorkommen so immer weiter abnehmen. Im Folgenden sollen Beispiele von Metallen betrachtet werden, die zeigen, wie stark die gesteigerte Nutzung die weltweiten Reserven bereits angegriffen hat. Uran ist ein radioaktives Metall, das von der Menschheit hauptsächlich zur Energieerzeugung in Kernkraftwerken und zur Herstellung nuklearer Waffen genutzt wird. Uran ist, global gesehen, ein sehr wichtiger, fast unverzichtbarer Faktor in der Energieversorgung. 2006 untersuchte die internationale „Energy Watch Group“ die weltweiten Uranbestände und gab bekannt, dass selbst im optimistischsten Szenario der weltweite Uranpeak ca. 2040 überschritten wird 57. Wenn jedoch eine unerwartet große Zahl neuer Atomkraftwerke ans Netz gehen sollte, z. B. wenn die weltweiten Kohle- und Erdgasvorräte knapp werden sollten, wird der Peak für die Uranförderung wesentlich früher erreicht sein. Während Uran ein eher bekanntes Metall darstellt, gibt es viele Metalle, die zu den sogenannten „sel tenen Erden“ gezählt werden. Dabei handelt es sich um Stoffe mit sehr ausgefallenen Namen, wie Yttrium, Dysprosium oder Promethium. Sie kommen, global betrachtet, nur selten vor und es gibt kaum größere Vorkommen. Vor allem in der High-Tech-Industrie sind die seltenen Erden sehr wichtig. Durch ihre besonderen Eigenschaften sind sie unersetzbar für neue Technologien in Flachbildfernsehern, medizinischen Geräten oder Katalysatoren. Ebenso profitiert die Branche der „grünen Energien“ von den Eigenschaften der seltenen Erden, sie werden z. B. in Windkraftanlagen, Energiesparlampen und Batterien für Elektroautos verwendet. Die Elemente der seltenen Erden werden immer wichtiger für den technologischen Fortschritt, doch die Vorkommen nehmen ständig ab. Da China 57 Energy Watch Group: Unranium Resources and Nuclear Energy, Dezember 2006, S. 15, im Internet unter: http://www.energywatchgroup.org/ fileadmin/global/pdf/EWG_Report_Uranium_3-122006ms.pdf Globale Uran-Fördermengen in Kilotonnen/Jahr 100 80 60 40 20 0 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 2060 2070 2080 2090 2100 97 % der seltenen Erden weltweit fördert, gibt es keine Angaben darüber, wie lange die Versorgung noch stabil ist. Mittlerweile werden auch immer wieder verschiedene Aussagen der chinesischen Regierung öffentlich, wie lange das Land noch gewillt ist, die kostbaren Erden in andere Länder zu exportieren 58. Ein weiteres unbekanntes Metall ist Gallium, das in zahlreichen Displays Verwendung findet. Egal, ob es sich um Handy-, Fernseher-, oder Laptopbildschirme handelt, Gallium ist für die LCD-Technologie unersetzbar. Das Metall ist ebenso unerlässlich für die Beschichtung in Solaranlagen und ist damit ein wich tiger Teil der umweltfreundlichen Stromerzeugung. Gerade weil Gallium so wichtig ist, beschäftigen sich Experten der Uni Augsburg seit Jahren mit den Fördermengen des Gallium-Bergbaus. Mit dem explo sionsartigen Anstieg der Nutzung von Gallium für z. B. LCDʼs in den letzten zehn Jahren, nahmen die Gallium-Reserven in kritischer Weise ab. Die Experten prognostizieren, dass ca. 2017 alle existierenden Quellen erschöpft sein werden 59. In der Realität gibt es mehrere Möglichkeiten der Erschöpfung einer bestimmten Ressource entgegen zu wirken: 1. Man steckt mehr Energie in die Förderung. Das heißt, man sucht an tieferen und schlechter erreichbaren Stellen. Damit steigt der Preis. 2. Man ersetzt die fehlende Ressource mit einem ähnlichen oder verwandten Soff. Das ist jedoch nicht immer möglich. 3. Man recycelt die bisher verwendeten Men- Quelle: Energy Watch Group 2006 gen. Aber nicht alle Stoffe lassen sich recyceln und bei jedem Recyclingvorgang verliert der Ausgangsstoff an Qualität, deshalb sprechen Experten auch von „downcycling“. Zum Abschluss bleibt festzuhalten, dass die reichhaltige und umfassende Nutzung von Metallen, wie sie zurzeit in den industrialisierten Ländern stattfindet, niemals für den gesamten Planeten möglich sein wird. Die Reserven nehmen ab, ohne dass die gesamte Weltbevölkerung die Möglichkeit hatte sie zu nutzen. Da viele nicht erneuerbare Ressourcen auf unserem Planeten genutzt werden, überlegen Experten bereits, ob die Menschheit einem „Peak Everything“ entgegengeht. Aufgabenstellung: ºº Lest euch den Text in Ruhe durch und unterstreicht wesentliche Fakten. ºº Erstellt ein Plakat, auf dem ihr darstellt, wie es um eure Ressource bestellt ist und was „Peaks“ damit zu tun haben. 58 US-China Economic and Security: Chinaʼs Rare Earths Industry and its Role in the International Market, 2010, S. 1ff., im Internet unter: http://www. uscc.gov/researchpapers/2011/RareEarthsBackgrounderFINAL.pdf 59 Cohen, David: Earthʼs natural wealth, 2007, im Internet unter: http://www.science.org.au/nova/ newscientist/027ns_005.htm 55 3.1.4 M4 - Lösungsansätze 57 1. Anders leben „Das gute Leben" „Das gute Leben“ (span. = Buen vivir) ist ein Konzept aus Südamerika, in dem ein Zukunftsmodell entworfen werden soll, das sich jenseits von wirtschaftlichem Wachstum befindet. Aus den Urvölkern des Kontinents kommen Ideen, die es seit vielen tausenden Jahren gibt. Es geht darum, in respektvollem Umgang mit der Umwelt zu leben. Die Gesellschaft soll sich davon entfernen, den Menschen als Mittelpunkt der Erde zu sehen. Vielmehr muss die Natur im Mittelpunkt stehen und alle Anstrengungen müssen ihr gewidmet sein. „Das gute Leben“ soll jedoch ebenso die Bedürfnisse der Menschen erfüllen. So ruft die neue Lebensphilosophie zur Gemeinschaft auf. Die Menschheit soll in Harmonie und Solidarität zusammenleben. Es soll kein Wettkampf, kein Profitstreben und keine Ungerechtigkeit geben. Frieden und Gleichheit sollen die obersten Ziele der Gemeinschaft sein. „Das gute Leben“, wie es sich die Urvölker Lateinamerikas vorstellen, braucht jedoch auch ein anderes Wirtschaftssystem. Die immer noch bestehende Abhängigkeit und Unterdrückung der ehemaligen Kolonialmächte müsste beendet werden. Eine Abkehr vom Kapitalismus und der damit einhergehenden Ressourcenausbeutung wäre unabdingbar, um im Einklang mit der Natur zu leben 60. Ecuador ist das erste Land der Welt, das die Idee des „guten Lebens“ in seine Verfassung aufgenommen hat. Viele Menschen versuchen nun gemeinsam erste konkrete Veränderungen umzusetzen, um die Idee zu realisieren. So gibt es erste Pläne, Erdölvorkommen in einem wichtigen Naturschutzgebiet nicht zu fördern und stattdessen im Boden zu belassen. In einigen Lebensgemeinschaften werden Geld und Land gemeinsam verwaltet, was zu einem solidarischen Umgang mit Mensch und Natur führt. Vielerorts findet eine Rückbesinnung auf die traditionelle Landwirtschaft der Urvölker statt – man nimmt der Natur nur das, was man wirklich braucht und dankt ihr dafür. Es gibt auf der gesamten Welt viele verschiedene Ideen und Konzepte zum „guten Leben“. In jeder Gemeinschaft, in jeder Region und in jeder Situation sieht das „gute Leben“ anders aus. Wichtig ist, dass die Menschen sich gemeinsam überlegen, was für sie das „gute Leben“ ist und wie man es erreichen kann. Alberto Acosta, ein hoher Politiker aus Ecuador, drückte es so aus: „Nur wenn wir uns eine andere Welt vorstellen können, sind wir in der Lage sie zu verändern!“ Aufgabenstellung: ºº Lest den Text in Ruhe durch. ºº Inwieweit unterscheidet sich dieser Lösungsansatz von eurem? ºº Was haltet ihr von diesem Ansatz? Ist das überhaupt eine „Lösung“? 60 Acosta, Alberto: „Das „gute Leben“ – eine Entwicklungsidee aus Lateinamerika“, öffentlicher Vortrag am 21.05.2012, in der Mönchebergstraße 5, Universität Kassel 58 2. Anders konsumieren „Weniger Kaufen" Nico Peach ist ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler, der sich schon lange damit beschäftigt, wie eine moderne und nachhaltige Wirtschaft aussehen könnte. Er ist ein Vertreter der sogenannten „Postwachstumsökonomie“, d. h. er strebt ein Wirtschaftssystem an, das auch ohne Wirtschaftswachstum stabil funktioniert und vor allem umweltverträglich ist. Die Hauptidee dieser nachhaltigen Entwicklung ist die Kunst der Reduktion. Der Lebensstil soll von der globalen Produktion und der Fremdversorgung unabhängig sein. Die Bedürfnisse der Menschen sollen durch Handwerk, Eigenarbeit, Selbstversorgung und soziale Netzwerke befriedigt werden. Natürlich könnte unsere heutige, luxuriöse Lebensweise so nicht gewährleistet werden, was bedeutet, dass man schlicht und ergreifend auf einige Luxusgüter verzichten müsste. Nico Peach beginnt seine Vorträge zur „Postwachstumsökonomie“ darum stets mit der Frage: „Welchen Plunder würden Sie über Bord werfen? Worauf könnten Sie verzichten?“ Man stelle sich also eine Welt vor, in der nicht mehr im heutigen Sinne konsumiert bzw. eingekauft wird. Man würde die wichtigsten Dinge in Eigenarbeit herstellen, in gemeinsamen Gärten Obst und Gemüse anbauen oder die handwerklichen Fähigkeiten in der Gemeinschaft teilen. Generell müsste ein Leben, in dem es nicht mehr hauptsächlich um die Ansammlung von Luxusgütern geht, als Tauschgesellschaft ausgelegt sein. In Nachbarschaftstauschringen, sozialen Netzwerken oder auf VerschenkMärkten könnte man diese Dinge tauschen. Im Allgemeinen würde eine solche Art des Wirtschaftens weniger Geld von den Menschen verlangen, man müsste weniger arbeiten gehen und hätte mehr Zeit für die oben genannten Tätigkeiten. Aus dem eingeschränkten Konsum würde dann auch die Stagnation des Wirtschaftswachstums re sultieren – die Wirtschaft würde nicht weiter wachsen. Des Weiteren würde eine stückweite Deglobalisierung stattfinden, weil die meisten Dinge dann in der lokalen Gemeinschaft produziert und kon sumiert würden. Damit würde man das Klima und die Umwelt unterstützen, weil nicht mehr so viel Energie, Transportwege und Verarbeitungsschritte nötig wären, um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Nico Peach ist sich sicher, dass viele Menschen diese einfachere Art des Lebens sehr begrüßen würden, denn für ihn kommt der gesellschaftliche Zwang zur materiellen Selbstverwirk lichung der Hetze in einem Hamsterrad gleich 61. Aufgabenstellung: ºº Lest den Text in Ruhe durch. ºº Inwieweit unterscheidet sich dieser Lösungsansatz von eurem? ºº Was haltet ihr von diesem Ansatz? Ist das überhaupt eine „Lösung“? 61 Peach, Nico: Die Legende vom nachhaltigen Wachstum. Ein Plädoyer für den Verzicht. Im Internet unter: http:// www.monde-diplomatique.de/pm/2010/09/10/a0065.text.name,n,0 59 3. Anders arbeiten Glücklicher sein - weniger arbeiten In vielen Ländern der Welt gibt es wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema „Glück“ und „Wohlbefinden“. Forscher versuchen seit vielen Jahren heraus zu finden, wann Menschen glücklich sind. Es wurde schnell klar, dass nicht nur Reichtum und Besitz über das individuelle Lebensglück entscheiden, sondern dass ein paar andere Faktoren durchaus wichtiger sein können. So stellte sich heraus, dass Menschen, die neben der Befriedigung der Grundbedürfnisse auch Zeit für Beziehungen, Familie, Selbstverwirklichung und gesellschaftliches Engagement hatten, am glücklichsten waren. Im internationalen Vergleich fällt auf, dass die Einwohner der reichen Industrienationen nicht glücklicher sind, als Menschen in Costa Rica, Nicaragua oder Kolumbien. Es ist sogar teilweise so, dass ab einem Jahreseinkommen von 20.000 US-$ die Lebenszufriedenheit nicht mehr merklich ansteigt 62. Wissenschaftliche Studien zeigen deutlich, dass die Mehrzahl der Menschen in industrialisierten Ländern aktiv und im hohen Maße gegen ihr persönliches Glück handeln. Die enorm hohen Arbeitszeiten und der übermäßige Konsum bereiten nur wenig oder allenfalls einen äußerst kurzen Glückszuwachs. Die Erwerbsarbeit ist jedoch ebenso wichtig, für das Thema „Glücklichsein“. Ob ein Mensch Arbeit hat oder nicht entscheidet direkt über die individuelle Lebenszufriedenheit. Arbeitslos zu sein wird von vielen Personen als sehr negative Erfahrung beschrieben. Der Beruf ist also wichtig, um persönliches Glück zu finden. Ebenso verhelfen uns aber auch andere Aktivitäten zu allgemeinem Wohl befinden: Zeit mit der Familie, mit dem Partner oder Freunden verbringen, anderen Menschen helfen, sich sozial engagieren, kulturelle Unternehmungen und außerberufliche Selbstverwirklichung. Dies ist jedoch aufgrund zu hoher Arbeitszeiten oft nicht möglich. In vielen Universitäten im deutschsprachigen Raum hat sich ein Arbeitsmodell entwickelt, das „Halbtagsgesellschaft“ genannt wird. Dort arbeitet jeder Mensch nur noch die Hälfte des Arbeitstages und würde den Rest der Zeit in den Tätigkeiten (siehe oben) arbeiten, die im heutigen Arbeitsleben keine Beachtung oder Anerkennung finden. In diesem Modell, das hier nicht in voller Gänze erläutert werden kann, hätten alle Menschen Arbeit, weil die vorhandene Arbeitszeit auf mehr Menschen verteilt würde. Das Wirtschaftswachstum wäre wahrscheinlich rückläufig, weil die Menschen mit weniger Arbeitsstunden weniger Lohn verdienen würden. Es könnte nicht mehr so viel konsumiert werden, dafür wäre Zeit für Tätigkeiten, die nachweislich glücklicher machen. Aufgabenstellung: ºº Lest den Text in Ruhe durch. ºº Inwieweit unterscheidet sich dieser Lösungsansatz von eurem? ºº Was haltet ihr von diesem Ansatz? Ist das überhaupt eine „Lösung“? 62 NEF – New Economics Foundation: A Well-Being Manifesto for a Flourishing Society. S. 7 ff. Im Internet unter: http://www.neweconomics.org/sites/neweconomics.org/files/A_Well-Being_Manifesto_for_a_Flourishing_ Society.pdf 60 4. Anders wirtschaften Solidarische Ökonomie Eine Idee, um in der Zukunft verantwortungsvoller mit der Umwelt und den Ressourcen umzugehen, kommt aus der Umweltbewegung der 1970er/1980er Jahre – das Konzept der „solidarischen Ökonomie“. Im Mittelpunkt stehen dabei die Begriffe: „Ökonomie“ (System zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse) und „Solidarität“ (Zusammengehörigkeitsgefühl verschiedener Menschen, das sich in gegenseitiger Hilfe äußert). Im Grunde genommen geht es darum sich in Gemeinschaften zusammen zuschließen und gemeinschaftlich zu leben und zu wirtschaften. Im Vordergrund stehen dabei die gemeinsamen festgelegten Werte der Gruppe, z. B.: Demokratie (jeder darf mitbestimmen, keine Hierarchien), Geschlechtergerechtigkeit, Umweltschutz, Internationale Solidarität (z. B. fairer Handel) und Unterstützung sozial Benachteiligter. Meist stellen Kooperativen eigene Produkte her, die zu solidarischen Preisen verkauft werden. Dabei steht nicht Profitmaximierung im Vordergrund, sondern die Produktion guter und umweltfreundlicher Waren. In der „Kommune Kaufungen“ (Nordhessen) wird z. B. Obst, Gemüse, Honig, Blumen und Fleisch unter ökologischen Anforderungen produziert und die umliegende Bevölkerung profitiert von der ökologischen Landbauweise und den gesunden Produkten. Doch „solidarische Ökonomie“ ist kein deutsches Phänomen. Auf der ganzen Welt gibt es Bewegungen, die sich von der kapitalistischen Produktionsweise abgrenzen. In Brasilien gibt es sogar eine eigene Behörde für solidarische Genossenschaften. In Venezuela wurde das Wirtschaften in Kooperativen bereits in der Verfassung verankert und in Argentinien übernahmen nach der Wirtschaftskrise 2001 zahlreiche Fabrikbelegschaften selbst ihre geschlossenen Fabriken. Gemeinschaftliches und solidarisches Wirtschaften kann eine Alternative zum kapitalistischen und auf Wachstum ausgelegten Wirtschaftsystem darstellen. Indem bedacht, reflektiert und demokratisch mit Umwelt und Mensch umgegangen wird, können gemeinsam neue Wege von einer globalen in eine lokale Ökonomie gegangen werden 63. Aufgabenstellung: ºº Lest den Text in Ruhe durch. ºº Inwieweit unterscheidet sich dieser Lösungsansatz von eurem? ºº Was haltet ihr von diesem Ansatz? Ist das überhaupt eine „Lösung“? 63 Weitere Informationen unter: Giegold, Sven; Embshoff, Dagmar: „Solidarische Ökonomie“. Im Internet unter: http://www.solidarische-oekonomie.de/index.php?option=com_content&task=view&id=32&Itemid=63 61 5. Anders mit Geld umgehen „Das bedingungslose Grundeinkommen" „Das bedingungslose Grundeinkommen“ ist ein Finanzierungsmodell, das global entstanden ist und in einigen Regionen der Welt bereits getestet wurde. Die Idee sieht vor, dass jeder Mensch eine „existenzsichernde Summe“ Geld im Monat vom Staat bekommen soll. Für Deutschland gelten z. B. 1000 Euro als existenzsichernd. Das Geld soll monatlich an jeden Bürger des Staates gehen, unabhängig der individuellen wirtschaftlichen Lage. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass jeder Mensch an den Gesamteinnahmen der Gesellschaft beteiligt ist. Da sich die Bedürftigkeitsprüfung für jeden einzelnen Bürger erübrigen würde, könnte ein riesiger Teil der kostenaufwändigen, sozialstaatlichen Verwaltung entfallen. Es gibt jedoch viele Skeptiker, die das Modell des bindungslosen Grundeinkommens kritisch s ehen. Die Hauptsorge bezieht sich auf das Verhältnis der Menschen zur Erwerbsarbeit. Gerade Menschen in schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen könnten sich aus der Arbeitsgesellschaft zurückziehen, da ihnen das Grundeinkommen ihre Existenz sichern würde. Wo kämen wir hin, wenn jeder das arbeiten könnte, was er gerne würde? Und hier kommt die gewagte These, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen zu einer nachhaltigen Entwicklung führen könnte. Natürlich würden die Menschen, die sich in Ihrem Beruf ausgebeutet fühlen, nicht mehr zur Arbeit gehen und wahrscheinlich erst einmal lange Zeit entspannen. Natürlich würden viele Konsumgüter ohne billige Arbeitskräfte nicht mehr zu den günstigen Preisen produziert werden können. T-Shirts für 5 Euro und MP3-Player für 10 Euro wären dann Vergangenheit. Der Konsum würde sich ziemlich stark ändern. Dadurch, dass viele Menschen dann nicht mehr zur Arbeit gingen, würde viel Zeit für andere Dinge entstehen. Die positivste Vision wäre, dass die Leute Zeit für ehrenamtliches Engagement hätten, für Arbeit in der Gesellschaft, im Umweltschutz und in der eignen Familie, zur Pflege der Alten und Kranken und zur Betreuung und Bildung der Kinder. Man wäre nicht mehr auf die konventionelle Erwerbsarbeit angewiesen, das Weltbild würde sich ändern. Die Entschleunigung in den Köpfen und die Existenzsicherung könnten dazu führen, dass neue Wege gedacht und letztendlich vielleicht gegangen werden. In Brasilien, Alaska, Namibia und der Mongolei gab es bereits erste Bemühungen, ein bedingungsloses Grundeinkommen in die Realität umzusetzen. Erste Erfolge gab es in einer armen Testregion in Namibia. Nach einem halben Jahr der Durchführung sanken bereits die Zahlen der Unterernährten, der Arbeitslosen, der Schulabbrüche und die Kriminalitätsrate. Aufgabenstellung: ºº Lest den Text in Ruhe durch. ºº Inwieweit unterscheidet sich dieser Lösungsansatz von eurem? ºº Was haltet ihr von diesem Ansatz? Ist das überhaupt eine „Lösung“? 62 3.1.5 M5 - Wandbild 63 Wandbild Gesamtansicht 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 3.2 Literaturverzeichnis Acosta, Alberto: „Das ‚gute Lebenʻ – eine Entwicklungs idee aus Lateinamerika“, öffentlicher Vortrag am 21.05.2012, in der Mönchebergstraße 5, Universität Kassel Altvater, Elmar: Kann die Linke Wachstum wollen? Anmerkungen zu einer zentralen Frage in der Debatte um das Grundsatzprogramm der Linken. 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