Unterrichtsreihe Eine andere Welt ist nötig

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Unterrichtsreihe Eine andere Welt ist nötig
Unterrichtsreihe
Eine andere Welt
ist möglich nötig!
Lehrmaterialien für die elfte Klasse
zur Einbettung des konsumkritischen Stadtrundganges
in den Politik- und Wirtschaftsunterricht
von
Gesine Bade
Autorin: Gesine Bade
Herausgegeben vom Verein Die Kopiloten e.V.
Nora-Platiel-Straße 1, 34127 Kassel
Kassel, 2014
www.diekopiloten.de
info@diekopiloten.de
Gefördert von Engagement Global GmbH aus Mitteln des
Bundes­ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung. In Kooperation mit der Universität Kassel,
Didaktik der Politischen Bildung
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung · 6
1.1 Der Stand der Dinge · 6
1. 1. 1 Herzlich Willkommen im Anthropozän · 6
1. 1. 2 Mit Vollgas gegen die Wand · 7
1. 1. 3 Itʼs time to change · 10
1. 2 Jugend und Konsum · 11
2.Die Unterrichtsreihe · 15
2.1 Übersicht der Unterrichtsreihe · 16
2. 2 Die Vorbereitung · 17
2. 2. 1 Vorweg · 17
2. 2. 2 Die erste Doppelstunde: Worin besteht das Problem? · 19
2. 2. 3 Die zweite Doppelstunde: Ursachen & Interessen · 22
2. 2. 4 Die dritte Doppelstunde: „Lösungen“ & Konsequenzen · 25
2. 3 Der konsumkritische Stadtrundgang: Lernen in der Innenstadt · 27
2.4 Die Nachbereitung · 29
2. 4. 1 Die letzte Doppelstunde: Reflexion & Blick in die Zukunft · 29
3.Anhang · 33
3.1 Materialien zur Unterrichtsreihe · 35
3. 1. 1 M1 – Anleitung für Protokollführende · 37
3. 1. 2 M2 – Bilderrätsel · 39
3. 1. 3 M3 – Infotexte · 45
3. 1. 4 M4 – Lösungsansätze · 57
3. 1. 5 M5 – Wandbild · 63
3. 2Literaturverzeichnis · 81
„It's the end of the world as we know it."
R.E.M.
1. Einleitung
Der konsumkritische Stadtrundgang Kassel wurde 2008 gegründet und findet seit 2009 regelmäßig
statt. Das Projekt wird von ehrenamtlich tätigen Studierenden vieler verschiedener Fachrichtungen
getragen und ständig weiterentwickelt. In den letzten Jahren haben ca. 60 verschiedene Gruppen am
Rundgang teilgenommen und damit den Fortbestan ng und den Erfolg des Projektes gesichert. Viele
Gruppenleiter und Gruppenleiterinnen äußerten des Öfteren den Wunsch nach Lehrmaterialien, um
die behandelten Inhalte in den Lerngruppen besser vor- und nachbereiten zu können. Diese Arbeit
bildet den ersten Teil einer Materialienreihe, die in Zukunft, für weitere Klassenstufen und Gruppenkonstellationen ausgebaut werden soll. Die Lehrmaterialien sollen zum Ziel haben, dass bereits im
Vorfeld eines jeden Rundgangs ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, dass der heutige teilweise
unnütze und übertriebene Konsum der Industrienationen globale und damit weitreichende Folgen in
sich birgt. Während des Stadtrundganges können dann gemeinsam mit dem Konsumkritik-Team Lösungsansätze und Handlungsoptionen entwickelt, aber vor allem diskutiert werden. In der Nachbereitung der Inhalte kommt es darauf an, zu reflektieren. Wie wichtig ist das Ganze? Kann man selbst
etwas ändern? Und: Ist nachhaltiger Konsum überhaupt eine Option? Da die meisten Teilnehmer des
Rundgangs Schülerinnen und Schüler 1 sind, wurde das folgende Material als Unterrichtsvorschlag für
den Politik- und Wirtschaftsunterricht der elften Klasse konzipiert. Im Lehrplan für Gymnasien ist in
der Einführungsphase der elften Klassen E2 das Thema „Ökologie und wirtschaft­liches Wachstum“
vorgeschrieben. Die Begründung für die Wichtigkeit dieses Themengebietes fast das Hessische Kultusministerium wie folgt zusammen:
„Die exemplarische Beschäftigung mit den angeführten Themenstichworten soll die Breite
der gesellschaftlichen Aufgaben zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen deutlich
machen. Die Themenbereiche Wirtschaftswachstum und Ökologie beschäftigen sich mit (…)
dem Spannungsverhältnis von Ökonomie und Ökologie. (…) Hier kann den Jugendlichen klar
werden, dass gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen veränderbar und dem
politischen Handeln zugänglich sind und dass politisches Engagement sich lohnt 2 .“
Zu den verbindlichen Unterrichtsinhalten zählen an erster Stelle das Spannungsverhältnis zwischen
Wirtschaftswachstum und ökologischer Nachhaltigkeit. Bei den fakultativen Unterrichtsinhalten
schlägt der Lehrplan eine „exemplarische Untersuchung im Nahbereich“ vor. Damit ist sicher in erster
Linie die Besichtigung eines Betriebes, eine Untersuchung der Energiebilanz der Schule oder die Bewertung von z. B. ökologischen Verkehrskonzepten der Kommune gemeint. Der konsumkritische
Stadtrundgang bietet sich aber mindestens genauso gut an, um soziale und ökologische Effekte und
Kosten der marktwirtschaftlichen Produktionsweise näher zu beleuchten. Des Weiteren ist der Rundgang ein Konzept, das von jungen Menschen für junge Menschen entwickelt wurde, sich nah an die
Konsumgewohnheiten der SuS anlehnt und diese gezielt zum Thema macht. Der Rundgang in Ver­
bindung mit dem vorliegenden Unterrichtsmaterial deckt also nicht nur Lehrplan relevante Themen1
2
„Schülerinnen und Schüler“ wird im Folgenden durch „SuS“ abgekürzt
Hessisches Kultusministerium: Lehrplan. Politik und Wirtschaft. Gymnasialer Bildungsgang. Jahrgangs­stufe 7G
bis 9G und gymnasiale Oberstufe. 2010. S. 34 ff. Im Internet unter: http://www.kultusministerium.hessen.de/irj/
HKM_Internet?cid=ac9f301df54d1fbfab83dd3a6449af60
5
felder ab, sondern zeigt den Jugendlichen, dass bereits kleine Veränderungen in der Denk- und Konsumweise ein Schritt hin zu einer nachhaltigen Entwicklung sein können.
Warum die derzeitige Entwicklung nicht als nachhalt ig bezeichnet werden kann und welche Besonderheiten zu beachten sind, wenn man mit Jugendlichen die oben genannten Themen bearbeitet,
sollen im Folgenden erklärt werden. Im zweiten Teil der Arbeit wird die Unterrichtseinheit in aller
Genauigkeit erläutert und im dritten Teil befinden sich alle Materialien und Kopiervorlagen.
1.1 Der Stand der Dinge
1.1.1 Herzlich Willkommen im Anthropozän
10.000 Jahre befand sich die Welt im sogenannten Holozän, einem Erdzeitalter mit stabilem Klima,
ausgeglichener Konzentration wichtiger Atmosphärengase und stetiger Artenvielfalt. Der Mensch
wurde sesshaft, begann Landwirtschaft zu betreiben und seine Population stieg. Geologen schätzen,
dass dies kein Zufall ist, denn die Menschheit benötigt stabile Umweltverhältnisse um zu überleben
und sich zu vermehren. Das Holozän mit seinen milden Bedingungen war ein bedeutender Faktor für
den Aufstieg der Menschheit. Doch nun steht der Planet auf der Schwelle zum Übergang in ein neues
Erdzeitalter, dem Anthropozän. 2008 brachte die stratigraphische Kommission der Geological Society
of London überzeugende Beweise dafür vor, dass eine erdzeitliche Wende bevorsteht, die mit nichts
in den letzten Millionen Jahren zu vergleichen sei 3. Die wichtigsten Indikatoren für den Wandel sind
der Anstieg der Produktion von Treibhausgasen, der Eingriff des Menschen in wichtige Ökosysteme,
die Übersäuerung der Ozeane und der fortschreitende Verlust der Artenvielfalt.
Aber nicht nur Geologen und Historiker warnen vor großen Veränderungen, auch andere Wissenschaftler versuchen, die Zeichen der Zeit zu deuten. Die ersten, die den Planeten Erde als ein zusammenhängendes Ökosystem gesehen haben, waren das Wissenschaftlerehepaar Dennis L. und Donella H. Meadows im Jahr 1972. In ihrer vom Club of Rome in Auftrag gegebenen Studie über die Grenzen
des Wachstums sagten sie einen Kollaps der Gesellschaften vorher, wenn Ressourcenverbrauch und
Umweltverschmutzung ungebremst fortgesetzt werden würden. Dabei ging die Arbeitsgruppe um
die Meadows für damalige Verhältnisse sehr fortschrittlich vor. Es wurde eine Computersimulation
mit dem Namen „World3“ entworfen, die die globale Entwicklung unter Berücksichtigung folgender
Grundgrößen errechnete: Bevölkerungswachstum, Nahrungsmittelverbrauch, Rohstoffvorräte, Umweltverschmutzung und Investitionen. Der Zusammenhang zwischen den Größen wurde mathematisch umgewandelt und es entstand ein Netz aus Zusammenhängen. Das Ergebnis der Simulation
war, dass wenn alles weitergeht wie bisher, die Wachstumskurve plötzlich abknickt, Nahrungs- und
Industrieproduktion daraufhin zusammenbrechen und die Bevölkerungszahlen rapide zurückgehen.
Egal, wie optimistisch die Daten waren, die man eingab, am Systemverhalten änderte sich wenig. Der
Kollaps verschob sich höchstens um ein paar Jahrzehnte. Die Veröffentlichung der Studie brachte
weltweite Aufruhr. Anstatt jedoch die Aussagen der Simulation zu nutzen, wurde sie von vielen Seiten
aus kritisiert. Es gab technische Kritik an der Einfachheit der Computerdaten, ökonomische Kritik an
der Nichtbeachtung makroökonomischer Marktregulierungsprozesse und entwicklungspolitische
Kritik, da sich die Entwicklungsländer durch die negative Konnotation des Wortes „Wachstum“ um
3
6
s. Zalasiewicz, Jan; et al.: Are we now living in the Anthropocene? In: GSA Today. Vol. 18, Nr. 2, Februar 2008,
S. 4–8, im Internet unter: http://www.geosociety.org/gsatoday/archive/18/2/pdf/i1052-5173-18-2-4.pdf
ihre Entwicklungschancen betrogen sahen. Die Autoren fühlten sich in vielerlei Hinsicht unverstanden. Die Studie sollte keine Zukunftsprognose, sondern eine Warnung sein, dafür, dass man alles tun
müsse, damit es nicht zu diesem Kollaps kommt. Mittlerweile gilt die Studie als anerkannt und alle
zehn Jahre gibt es ein Daten-Update. Die tiefgreifende politische Wende allerdings, die die Meadows
gefordert haben, ist nicht eingetreten.
„Now thirty years later, we look back, weʼve redone the analysis and find that what we said in
ʼ72 was essentially correct, except of course now weʼve lost thirty years. And whereas in 1972
we were comfortably below the carrying capacity of the globe – that is to say there was room
for population and industry to grow – now weʼre significantly above 4 .”
Dennis Meadows (2004)
Seit 1972 weiß die Menschheit also um die Grenzen des Wachstums. Dieses Wachstum wird früher
oder später an physikalische und ökologische Grenzen stoßen. Die Erde ist ein geschlossenes System
und ein System kann nur eine bestimmte Anzahl an Systemverletzungen wegstecken, bevor es kollabiert. Umweltsystemforscher aus Schweden haben 2009 zehn essentielle Schwellenwerte bestimmt,
die nicht überschritten werden dürfen, damit die Umwelt als Ganzes nicht destabilisiert wird. Drei der
Schwellen wurden bereits in massivem Maße überschritten: erstens – das Sterben vieler wichtiger
Arten, zweitens – die Stickstoffbelastung in Böden und Gewässern und drittens – die enormen Klimaveränderungen der letzten Jahre. Zwei weitere Größen sind gerade dabei, die kritischen Schwellenwerte zu überschreiten: die allgemeine Phosphorbelastung und die Versauerung der Ozeane. Der
Ozon­abbau, der Süßwasserverbrauch und die Landnutzung bewegen sich zwar noch nicht in einem
kritischen Bereich, ihre Tendenzen weisen aber stark darauf hin. Bei den Untersuchungsgrößen Chemische Verschmutzung und Belastung der Atmosphäre konnten bis jetzt noch keine aussagekräftigen
Schwellenwerte ermittelt werden 5.
Zehn Schwellenwerte, drei Grenzüberschreitungen (bis jetzt) – damit betritt die Menschheit das
Anthropozän, ein Erdzeitalter, das sich vor allem dadurch auszeichnet, vom Menschen geschaffen
worden zu sein.
1.1.2 Mit Vollgas gegen die Wand
Die weltweite wirtschaftliche Lage ist schwierig und undurchsichtig geworden: eine Krise jagt die
nächste, Staaten gehen Bankrott, Banken werden gerettet, weltweite Verflechtungen diktieren Preise und Regeln, die längst nicht mehr von allen durchschaut werden. Die globale Wirtschaft umfasst
viele Akteure und alle sind auf Energie und Rohstoffe angewiesen. Ein fortschreitendes Wirtschaftswachstum scheint die einzige Lösung zu sein, für das Schuldenproblem, für eine höhere Warenproduktion, für mehr Arbeitsplätze, für weniger Armut und Hunger und vor allem, das wird von den meisten Akteuren immer ausführlich betont, für die Erfüllung der Entwicklungsziele der UNO 6. Wahrscheinlich ist das auch der Grund dafür, warum das Wort „Wirtschaftswachstum“ über 40 Mal im
4
5
6
s. Heymann, Matthias: Dennis L. Meadows (*1942) und Donella H. Meadows (1941–2001). Grenzen des Wachstums.
In: eins. Entwicklungspolitik. Information Nord-Süd. 4-2007 März, S. 53–55
vgl. Rockström, Johan; et. Al.: Planetary Boundaries: Exploring the Safe Operating Space for Humanity. Resilience
Alliance, Stockholm, 2009, S. 1, im Internet unter: http://www.stockholmresilience.org/download/18.8615c78125
078c8d3380002197/ES-2009-3180.pdf
vgl. Altvater, Elmar: Kann die Linke Wachstum wollen? Anmerkungen zu einer zentralen Frage in der Debatte um
das Grundsatzprogramm der Linken. Im Internet unter: http://seri.academia.edu/JoachimHSpangenberg/
Papers/339048/Elmar_Altvater_-_Kann_die_Linke_Wachstum_wollen
7
Koalitionsvertrag der derzeitigen CDU/CSU/FDP-Bundesregierung vorkommt, das Wort „Umweltschutz“ hingegen nur dreimal 7.
Laut einer ARD-Umfrage haben 85 % der Deutschen „regelrechte Angst“ vor dem anhaltenden
Steigen der Preise 8. Mittlerweile ist klar, dass die gefühlte Inflation nicht nur auf eine zu lockere Geldpolitik der EZB zurückzuführen ist, sondern dass das reale Angebot zu niedrig ist und Börsenspeku­
lationen ihr übriges zum Preisanstieg beisteuern. Der stetig steigende Goldpreis ist ein Indikator für
die künftige Preisentwicklung. Viele endliche und fossile Rohstoffe steuern auf ihre globalen Fördermaxima zu. Der US-amerikanische Umweltforscher Richard Heinberg prognostiziert einen „Peak Everything“. Nachdem der Peak Oil 2006 überschritten wurden, sollen der Peak bei Gas und verschiedenen Metallen Mitte des Jahrhunderts und bei Kohle Ende des Jahrhunderts liegen. Fossile Grundwasserreserven gehen zur Neige und das für die Düngerherstellung überlebenswichtige Phosphat wird
ebenfalls knapp 9. Heinberg kündigt den Übergang von einer Überfluss- in eine Mangelgesellschaft
an. Schließlich wird der weltweite Energiebedarf zu 85 % aus fossilen Energieträgern gewonnen und
die Landwirtschaft wird mit fossilen Wasserreserven gespeist. Wenn diese Wirtschaftsstrukturen beibehalten werden, steuern die Industrieländer auf einen allumfassenden Abstieg zu. Heinberg prophezeit zuerst den sozialen Abstieg durch den Einbruch des Wirtschaftswachstums, daraufhin endet
der private Konsum, die Massenmobilität und die Innovationsfähigkeit brechen zusammen, die
schließliche Folge daraus ist die Abnahme der politischen Stabilität. In einer 2010 durchgeführten
Bundeswehrstudie werden die sicherheitspolitischen Folgen der Ressourcenverknappung untersucht. Ungewohnt drastisch liest sich die Zukunftsprognose:
„Der Peak Oil kann dramatische Konsequenzen für die Weltwirtschaft haben. Zunächst wird
sich das Ausmaß dieser Konsequenzen – nicht nur, aber eben auch – durch einen Rückgang
des Wachstums der Weltwirtschaft messen lassen… Ein ökonomischer Tipping Point besteht
dort, wo zum Beispiel infolge des Peak Oil die Weltwirtschaft auf unbestimmbare Zeit
schrumpft. In diesem Fall wäre eine Kettenreaktion denkbar, die das globale Wirtschafts­
system destabi­lisiert. (…)
Mittelfristig bräche das globale Wirtschaftssystem und jede marktwirtschaftlich organisierte
Volkswirtschaft zusammen. (…)
Eine auf unbestimmte Zeit schrumpfende Wirtschaftsleistung stellt einen höchst instabilen
Zustand dar, der zu einem Systemkollaps führen würde. Die Sicherheitsrisiken einer solchen
Entwicklung sind kaum abzuschätzen. Eine Umstellung der Ölversorgung wird bis zum Eintritt
des Peak Oil nicht in allen Weltregionen gleichermaßen möglich sein. Es ist wahrscheinlich,
dass eine hohe Anzahl von Staaten nicht in der Lage sein wird, die notwendigen Investitionen
rechtzeitig und in ausreichender Höhe zu leisten. In Anbetracht des Globalisierungsgrades
ergibt sich für Deutschland ein hohes systemisches Risiko auch unabhängig von der eigenen
Energiepolitik (…) 10 “
Zentrum für Transformation der deutschen Bundeswehr (2010)
Das interne Papier zeigt, wie sehr die drohende Energiekrise die Militärs sorgt. Diese Sorge weist
­Parallelen zu einem Vorfall in Großbritannien auf. Der Guardian berichtete, dass das britische Department of Energy and Climate Change Papiere unter Verschluss hält, nach denen sich die Britische Regie7
vgl. CDU/CSU/FDP: Wachstum. Bildung. Zusammenhalt. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP.
17. Legislaturperiode, im Internet unter: http://www.cdu.de/doc/pdfc/091026-koalitionsvertrag-cducsu-fdp.pdf
8 s. ARD-Deutschland Trend Juli 2008: Preis-Galopp macht Deutschen Angst. Im Internet unter: http://www.
tagesschau.de/inland/deutschlandtrend/deutschlandtrend332.html
9 vgl. Heinberg, Richard: Peak Everything. Waking up to the Century of Declines. New Society Publishers, Gabriola
Island, 2010, S. 1 ff.
10 s. Zentrum für Transformation der Bundeswehr: Teilstudie 1: Peak Oil. Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen., S. 62–66, im Internet unter: http://www.zentrum-transformation.bundeswehr.de/
8
rung größere Sorgen um die kommenden Versorgungskrise mache, als bisher zugegeben 11. Demnach
arbeiten das Department, verschiedene Banken, das Verteidigungsministerium und Industrievertreter einen Krisenplan für die Folgen möglicher Versorgungsengpässe aus. Die Beteiligung der verschiedenen Interessensgruppen wurde von Spiegel Online 2010 aufgedeckt 12. Den Regierungen werden
mitunter brisante Empfehlungen ausgesprochen. So empfahl beispielsweise die Bundeswehr der
deutschen Regierung in ihrer Studie vor allem das Verhältnis zu Russland und den arabischen Ländern zu stärken und gegebenenfalls Belastungen im Verhältnis zu Polen und Israel in Kauf zu nehmen 13.
Zur ökologischen und wirtschaftlichen Krise, kann nun auch noch eine politische hinzukommen.
Und der momentane Zustand scheint noch nicht die Spitze des Eisbergs, sondern eher der Beginn
einer längerfristigen Entwicklung zu sein. Heinberg sieht nur eine Lösung, um ein Horrorszenario abzuwenden:
„Unsere zentrale Überlebensaufgabe in den vor uns liegenden Dekaden, als Individuen
wie auch als Spezies, muss in einem Übergang weg von den fossilem Brennstoffen liegen –
und dies muss so friedlich, gerecht und intelligent wie irgend möglich vonstattengehen.14 “
Richard Heinberg (2008)
Bis jetzt sind die Schritte, die unternommen werden, um ein allumfassende und ganzheitliche Systemkrise abzuwenden noch nicht wirklich erkennbar. Die Staaten stürzen sich auf die noch verbleibenden Reserven und suchen fieberhaft nach neuen Vorkommen. In vielen Ländern stehen die Regierungen vor der Frage, ob sie die Ökonomie oder den Planeten retten sollen. In Großbritannien z. B.
war der Druck der Rezession 2008 so groß, dass zeitweise überlegt wurde, die Durchsetzung von umweltpolitischen Zielen aufzugeben15. Anstatt also etwas zu ändern, sieht es aus, als ob zwanghaft
versucht wird den Status quo aufrecht zu erhalten. Die Ursachen dafür sind vor allem die Produktions- und Eigentumsverhältnisse in den Schlüsselindustrieländern. Ebenso sind große Konzerne
weltweit zu einflussreich. Der Umsatz des weltweit größten Erdölkonzerns „Exxon“ belief sich 2007
beispielsweise auf 404,5 Mrd. US-Dollar. Zum Vergleich: das Bruttoinlandsprodukt von Südafrika desselben Jahres betrug ca. 255 US-Dollar.
Fest steht, eine globale Wachstumsrate von derzeit 3,7 % kann nicht aufrecht erhalten werden.
Denn dies würde bedeuten, dass sich die Weltwirtschaft alle 19 Jahre verdoppelt. Durch einen „Peak
Everything“ stößt die Wachstumsmaschine jedoch an ihre physikalischen Grenzen. Ebenso erreicht
die kapitalistische Produktionsweise ihr Limit. Die Erzeugung von Gewinn durch die Akkumulierung
von Kapital, Rohstoffen, Arbeitskraft und Energie gerät ins Wanken, wenn Rohstoffe knapp werden
und die Massennachfrage sinkt. Und die Massennachfrage sinkt bereits seit den 1980er Jahren, denn
durch das Einsetzen der mikrotechnologischen Revolution Ende der 1970er Jahre wurden viele
­Arbeitsplätze überflüssig und mit den steigenden Arbeitslosenzahlen und dem Aufkommen niedrig
11 Macalister, Terry; Badal, Lionel: Peak Oil alarm revealed by secret official talks. In: The Guardian vom 22.08.2010,
im Internet unter: http://www.guardian.co.uk/business/2010/aug/22/peak-oil-department-energy-climatechange
12 Schultz, Stefan: Rohstoffknappheit. Bundeswehr-Studie warnt vor drastischer Ölkrise. SPIEGEL ONLINE Artikel
vom 3.08.2010, im Internet unter: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/rohstoffknappheit-bundeswehrstudie-warnt-vor-dramatischer-oelkrise-a-714878.html
13 Zentrum für Transformation der Bundeswehr: Teilstudie 1: Peak Oil. Sicherheitspolitische Implikationen knapper
Ressourcen., S. 73, ff., im Internet unter: http://www.zentrum-transformation.bundeswehr.de/
14 Konicz, Tomas: Mit Vollgas gegen die Wand. Warum das derzeit herrschende Wirtschaftssystem die anstehenden
zivilisationsbedrohenden Probleme nicht lösen kann. In: Telepolis Online, vom 13.07.2008, im Internet unter:
http://www.heise.de/tp/artikel/28/28280/1.html
15 Monbiot, George: This economic panic is pushing the planet right back down the agenda. In: The Guardian vom
01.07.2008, im Internet unter: http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2008/jul/01/climatechange.carbonemissions
9
bezahlter Arbeitsverhältnisse sank unbemerkt die Gesamtnachfrage 16. Der Prozess wurde jedoch
überdeckt durch den Ausbau des Finanzsektors. Der amerikanische Ökonom Paul Sweezy spricht von
einer regelrechten „Finanzierung des Kapitalismus 17 “. Als Beispiel: 1985 wurden 16 % aller in den USA
generierten Gewinne dem Finanzsektor zugeschrieben. 2005 waren es bereits 40 % aller generierten
Gewinne 18.
Die privaten Investitionen sinken, wodurch die Profitrate sinkt und Blasenökonomien entstehen.
Die Spekulationsgeschäfte boomen. Was bleibt, ist eine doppelte Kapitalismuskrise: auf der einen
Seite werden die Rohstoffe und die Energie für die Produktion knapp, auf der anderen Seite sinken
Profitrate und Massennachfrage.
„Sollte das spätkapitalistische Wirtschaftssystem nicht überwunden werden, wird das
21.Jahrhundert ein Zeitalter des Verfalls, das durch den Rückgang der Förderung und der
Produktion etlicher vitaler Ressourcen gekennzeichnet sein wird 19.“
Richard Heinberg (2008)
1.1.3 It's time to change
Es existieren viele Lösungsansätze und Empfehlungen für Politik und Wirtschaft, die vor allem eine
friedliche, gerechte und intelligente Lösung der Krise ins Auge fassen. Ebenso ist es wichtig zu ver­
stehen, dass nicht einfach ein oder zwei Dinge geändert werden, um ein ganzes globales System zu
retten. Zum Beispiel eine Umstellung auf biogene und nachwachsende Rohstoffe wird schon allein
von der Menge nicht möglich sein, zudem die wachsende Menschheit mehr und mehr die natürlichen
Lebensgrundlagen zerstört. Auch Öko-Effizienz und vermehrtes Recycling sind keine vollwertigen
­Lösungen. Der Handel und die Spekulation mit Ressourcen, Währungen und Lebensmittel müssten
endlich verboten werden. Die Preise müssten drastisch erhöht werden, damit fossile und endliche
Ressourcen endlich wieder das sind, was sie sind: Luxus. Der Dienstleistungssektor könnte ausgebaut
werden, um wieder mehr Augenmerk auf Wartung und Reparatur zu legen, anstatt Neuproduktion zu
fördern. Über Subventionen müsste neu nachgedacht werden. Eine Ökosteuer könnte eingeführt
werden, sowie handelbare Zertifikate, gestufte Emissionsobergrenzen, die Effizienzrevolution und
eine ausgefeilte Kreislaufwirtschaft.
Aber das „Gegenwartsgeplänkel“, so wie es Marianne Gronemeyer, Erziehungswissenschaftlerin
aus Wiesbaden nennt, führt zu nichts 20. Erneuerung? Reformation? Reform der Reform? Radikale Umwälzung? Abbruch? Nichts geschieht.
Es scheint, als würde der verzweifelte Versuch unternommen, eine Krise zu überwinden, indem
man sie eskalieren lässt. Bereits Ivan Illich kritisierte 1974: „Man meint heute, die durch Wissenschaft
und Technik entstandenen Probleme könnten nur mit Hilfe weiteren wissenschaftlichen Verständnisses und besserer Technik gelöst werden. (…) Nur nicht aufhören, alles ist besser als das 21.“ Was heute
16 vgl. Konicz, Tomas: Am Abgrund mit der Dollarflut. In Telepolis Online vom 19.03.2008, im Internet unter:
http://www.heise.de/tp/artikel/27/27542/1.html
17 s. Foster, John: The Financialization of Capital and the Crisis. 2008, im Internet unter: http://monthlyreview.org/
2008/04/01/the-financialization-of-capital-and-the-crisis
18Ebd.
19 Konicz, Tomas: Mit Vollgas gegen die Wand. Warum das derzeit herrschende Wirtschaftssystem die anstehenden
zivilisationsbedrohenden Probleme nicht lösen kann. In: Telepolis Online, vom 13.07.2008, im Internet unter:
http://www.heise.de/tp/artikel/28/28280/1.html
20 Gronemeyer, Marianne: Ivan Illich, Erich Fromm und Hans Jonas. Konsumkritik aus unterschiedlichen Blickwinkeln.
In: politische Ökologie, Band 100, (2006), S. 27–31
21 Illich, Ivan: Die sogenannte Energiekrise. Oder: die Lähmung der Gesellschaft. ro-ro-ro-Verlag, Berlin, 1974
10
in Ratlosigkeit mündet, hat in den 1970er Jahren schon einmal radikaler geklungen: Grenzen des
Wachstums, Null-Wachstum oder Minus-Wachstum waren Schlagworte mit denen Gesellschaftskritiker wie Illich, Fromm oder Jonas eine neue Ethik in einer technisierten Gesellschaft auf den Vormarsch
bringen wollten.
Die Ideen von damals müssen weitergedacht werden. Der Diskurs darf nicht abreißen oder verharmlosen, nur weil eine Lösung schwierig oder komplizierter erscheint. Das folgende Unterrichtsmaterial soll behutsam an das Dilemma eines „nicht-grenzenlosen Wachstums“ heranführen. Mit
­einer Problemstudie, die die Ressourcenverknappung und deren Gründe dafür in den Hauptfokus
nimmt, soll den SuS bewusst werden, dass der Großteil der Welt nach einem System funktioniert, das
sich früher oder später selbst zerstören wird. Durch den konsumkritischen Stadtrundgang soll gezeigt werden, dass wir alle Teil des Systems sind und sich darin niemand seiner Verantwortung entziehen kann. Durch den positiven Zukunftsausblick am Ende der Einheit wird deutlich, dass es noch
nicht zu spät ist etwas zu ändern und dass eine Katastrophe vermeidbar ist.
Es ist jedoch wichtig bei dem Thema des Umdenkens nicht mit der Polemik des Horrorszenarios zu
arbeiten! Panik und Angst haben noch nie etwas Gutes in der Menschheit bewirkt. Gerade Jugend­
liche reagieren sehr sensibel auf zukünftige Prognosen und man sollte den Optimismus in den Mittelpunkt stellen, dass ethisch denkende und handelnde Gesellschaften zusammen eine Lösung finden
werden. Sich jedoch der Diskussion zu entziehen und sein Leben einfach weiter zu leben ist keine
Option – zumindest keine, die die Menschheit oder den Planeten weiterbringen wird.
Im folgenden Kapitel soll noch einmal näher darauf eingegangen werden, was aktuelle Jugendstudien zum Thema Nachhaltigkeit, Werte und Normen bei jungen Menschen herausgefunden haben,
denn das Interesse ist groß, nur an Handlungswissen mangelt es den meisten.
1.2 Jugend und Konsum
Um zu verstehen, wie Jugendliche Konsum wahrnehmen, mit ihm umgehen und inwieweit sie bereit
wären, etwas an ihrem Verhalten zu ändern, ist es unerlässlich, sich näher mit ihrer Denkweise und
ihren Wertevorstellungen zu befassen. Konsum ist eine „nichtnatürliche Selbstverständlichkeit“ 22.
Da er größtenteils Routine ist und dadurch sozusagen unterbewusst geschieht, kann nicht davon ausgegangen werden, dass aus der Vermittlung von Nachhaltigkeitswissen auch unmittelbar nachhal­
tiges Konsumieren resultiert. Gerade bei Jugendlichen gibt es große Brüche und Inkonsistenzen zwischen Wissen und eigenem Konsum 23. Ein positiver Fakt, der sich förderlich auf nachhaltige Handlungsveränderungen auswirken könnte ist jedoch, dass junge Menschen noch nicht all zu sehr an die
Konsum-Routine gebunden sind. Des Weiteren ist es ein wesentliches Merkmal der Jugend, dass sie
die Zukunft mitgestalten will. So sehen Jugendliche zwar auch die Erwachsenen, aber vor allem sich
selbst in der Pflicht, die Umwelt zu wahren 24.
Jugendstudien zeigen, dass Heranwachsende in den 1990er Jahren ihre Zukunft noch weitaus positiver einschätzten. Mittlerweile sehen nur noch 50–60 % ihrer Zukunft positiv entgegen. Die meistgenannten Zukunftsängste sind: eine schlechte Wirtschaftslage, Arbeitsplatzunsicherheit, Terror­
22 Tully, Claus; Krug, Wolfgang: Konsum im Jugendalter. Umweltfaktoren, Nachhaltigkeit, Kommerzialisierung.
Wochenschauverlag, Schwalbach/Ts., 2011, S. 9
23 Ebd. S. 11
24 vgl. Lappe, Lothar; Tully, Claus; Wahler, Peter: Das Umweltbewusstsein von Jugendlichen. Eine Qualitative Befragung Auszubildender. München, 2000
11
anschläge, Umweltverschmutzung und der Klimawandel 25. Interessanterweise werden die Umweltprobleme durchaus als bedeutsam wahrgenommen, wirtschaftlichen Risiken wird trotzdem mehr
Relevanz beigemessen. Das liegt daran, dass die wirtschaftlichen Probleme die SuS näher betreffen,
da ihre berufliche Zukunft involviert ist. Umweltprobleme berühren sie nur entfernt und werden deshalb hinten angestellt.
Im Gegensatz zu früheren Generationen sehen sich heutige Jugendliche durchaus als Teil der Gesellschaft. Sie fühlen sich als Teil des Ganzen und sind Institutionen und dem Staat gegenüber nicht
grundsätzlich negativ eingestellt 26. Da sie sich eingebunden fühlen, sind sie also auch für gesellschaftliche Veränderungen hin zu einer nachhaltigen Entwicklung ansprechbar.
Das Aufwachsen in der Konsumgesellschaft stellt heutzutage ein wesentliches Merkmal in der
Werteorientierung junger Leute dar. Noch nie war die Freizeit so kommerzialisiert, wie zu Beginn des
21. Jahrhunderts. Zum Beispiel das gesamte Handlungsfeld Kommunikation ist kostenpflichtig geworden. Jungen Menschen geben die Hälfte ihres zur Verfügung stehenden Geldes für Handykosten,
den PC und andere Kommunikationstechnik aus. Früher wurde dieses Geld vor allem für den Führerschein gespart.
Und es gibt weitere Effekte durch den wichtiger gewordenen Konsum auf die Werte junger Menschen. Was z. B. früher in Form von Regeln gefasst war, z. B. was man tut oder nicht tut, was in und was
out ist, wird heute vom Markt vorgegeben. Soziale Teilhabe und Inklusion läuft fast gänzlich über den
Konsum und geschieht damit nebenher. Ebenso verhält es sich mit der schon immer wichtige Gegenkultur im heranwachsenden Alter. Wenn Jugendliche sich heute abgrenzen wollen, geschieht das
nicht mehr über Protest, sondern über den Konsum. Das ist z. B. einer der Gründe, warum vor allem
junge Menschen das kaufen, was neu ist, wie z. B. Technik 27.
Umweltthemen sind heutzutage oft Moden und Trends unterworfen. So verschwinden viele Themen nach einer gewissen Zeit wieder, z. B. das Waldsterben. Der Klimawandel und der Ressourcenverbrauch sind jedoch hingegen schon länger wichtige Themen, was auf eine stärkere Verankerung
im gesellschaftlichen Diskurs schließen lässt. Das könnte ein Ansatzpunkt sein, um eine tatsächliche
Handlungsveränderung anzustoßen. Grundlage ist jedoch die persönliche Bereitschaft. In einer Studie gibt z. B. die Mehrheit der Jugendlichen an, nachhaltiges Konsumverhalten zu unterstützen und
es auch zu praktizieren, wenn der Lebensstandard nicht darunter leidet.
Insgesamt zeichnet sich in den letzten 30 Jahren eine eindeutige Tendenz ab. Das Umweltbewusstsein der Jugend schwindet und Wissenschaftler sprechen von einem sogenannten Kohorteneffekt.
Während die Jugendlichen in den 1950er Jahren in einer Mangelsituationen aufwuchsen, zur Sparsamkeit erzogen wurden und somit unbewusst nachhaltig handelten; wuchsen die Jugendlichen der
1970/80er Jahre in einer Zeit der großen Umweltbewegungen auf. Sie waren also früh schon sehr
umweltbewusst und versuchten, bewusst nachhaltig zu handeln. Heutige Jugendliche haben vor
­allem mit Fragen der Existenzsicherung zu kämpfen. Noch nie war in der gesamten Nachkriegszeit
der Übergang in das Arbeitsleben so schwierig wie heute. Dementsprechend fallen globale und Umweltthemen zurück 28.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass in der Nachhaltigkeits- und Umweltarbeit mit Jugend­
lichen darauf zu achten ist, dass junge Menschen sich als Teil der Gesellschaft sehen und aktiv ihre
Zukunft mitgestalten wollen. Natürlich sind die Handlungsbereitschaften unter den Jugendlichen
25 vgl. Leven, Ingo; Quenzel, Gudrun; Hurrelmann, Klaus: Familie, Schule, Freizeit: Kontinuität und Wandel. In: Shell
Deutschland Holding (Hrsg.): 16. Shell Jugendstudie. Jugend 2010. Eine pragmatische Generation behauptet sich.
Frankfurt/M., 2010, S. 119
26 vgl. Braun, Axel: Das Umweltbewusstsein Jugendlicher im Wandel. In: Deutsche Jugend. Zeitschrift für Jugend­
arbeit. 11/2009, S. 463–471
27 s. Schäfers, Bernhard; Scherr, Albert: Jugendsoziologie. Einführung in die Grundlagen und Theorien. ­Wiesbaden,
2005, S. 142
28 vgl. Schahn, Joachim: Umweltbewusstsein und Soziodemografie: Zur Bedeutung von Geschlechtsunterschieden.
Psychologisches Institut der Universität Heidelberg, Heidelberg, 2003, S. 8 ff.
12
­ nterschiedlich ausgeprägt, man muss deswegen vor allem subjektorientiert vorgehen und die Voru
stellung und die Lebenswelt eines jeden mit einbeziehen.
Wichtig ist, dass den Jugendlichen Handlungsoptionen mit auf den Weg gegeben werden, bzw.
gemeinsam erdacht werden müssen. In einer Studie zum Handlungswissen im Feld des nachhaltigen
Konsums fiel auf, dass ein breites Theoriewissen vorhanden ist, spezielleres Wissen fehlt und dass
20 % der Jugendlichen keine Angaben dazu machen konnte, was man selbst tun könnte, um nach­
haltiger zu konsumieren 29.
„Wir leben in einer Überflussgesellschaft,
aber: Je größer der Überfluss,
desto bedürftiger die Menschen."
Prof. Marianne Gronemeyer
29 vgl. Österreichisches Jugendinstitut: Konsumfelder Jugendlicher. Eine Studie. Österreichisches Jugend­institut,
2004, S. 10
13
„Man vergleicht den Kapitalismus
gelegentlich mit einem Fahrrad wenn man anhält, fällt es um."
Claus Leggewie & Harald Welzer
2. Die Unterrichtsreihe
Eine andere Welt ist möglich nötig!
»» Zusammenfassung
Die Unterrichtsreihe gliedert sich in eine Vor- und eine Nachbereitung, im Zentrum steht der konsumkritische Stadtrundgang.
Die Vorbereitung umfasst drei Doppelstunden und verfolgt das Ziel, die SuS dafür zu sensibilisieren, dass große ökologische und soziale Probleme durch den uneingeschränkten Konsum der Industrienationen entstanden sind. Auf diese Weise soll ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass der
heutige, entfesselte Konsum kein Naturgesetz ist, sondern problematisiert und diskutiert werden
muss.
Im Mittelpunkt der Unterrichtseinheit steht der konsumkritische Stadtrundgang, der Handlungsoptionen und Motivation für nachhaltiges Konsumverhalten vermitteln soll. Durch den außerschu­
lischen Lernort „Innenstadt“ wird die Problematisierung des Themas „Konsum“ direkt vor Ort in die
Lebenswelt und das Konsumverhalten der SuS eingebettet. In der Nachbereitung soll vor allem reflektiert werden: Was heißt das jetzt für das Alltagshandeln jeder Einzelperson? Was kann geändert
­werden? Was ist utopisch? Ist nachhaltiger Konsum eine Handlungsmöglichkeit? Nach der Reflexion
­sollen sinnvolle und realistische Umsetzungsmöglichkeiten für die Zukunft entwickelt werden. Ein
po­sitiver Zukunftsausblick am Ende der Einheit und die Dringlichkeit der Problemlage am Anfang
der Einheit sollen den SuS bewusst machen, dass es noch nicht zu spät ist, etwas zu ändern, aber dass
die Zeit läuft.
15
Protokoll führen lassen
Frage:
Worin besteht das Problem?
Problem
Gruppendiskussion
Plakatpräsentation
Rundgang und Vorstellung
mit der Klasse
Wessen Interessen werden
berührt?
Plakat herstellen
Protokoll führen lassen
Gruppendiskussion
Gruppendiskussion
Die Ursachen sollen kritisch
diskutiert werden.
Über ein Brainstorming
und eine Mindmap können
die verschiedenen Akteure
und Interessen verdeutlicht
werden.
Protokoll führen lassen
Gemeinsam neue Wege
gehen/denken?
Welche Auswirkungen
hätten die „Lösungen“?
Konsequenzen
Gruppen neu mischen
Die Ansätze untereinander
austauschen und bewerten
Lesen
Je Gruppe – einen Ansatz:
1) Anders Leben
2) Anders konsumieren
3) Anders arbeiten
4) Anders wirtschaften
5) Anders mit Geld umgehen
denkbar?
Lösungen“
„ Welche „Lösungen“ sind
Gruppenarbeit
3. Doppelstunde
Gruppen neu mischen
Expertengruppen bilden
und Austausch fördern
Wie ist das Problem
entstanden?
Interessen
Ursachen
Gruppenarbeit
Placemat-Methode
Wiederholung
2. Doppelstunde
Infotexte lesen
5 Gruppen – 5 Themen:
 Erdöl
 Erdgas & Kohle
 Wasser
 Nahrung
 Metalle
Einstieg: Bilderrätsel
Um welche Ressource
geht es?
1. Doppelstunde
S
T
A
D
T
R
U
N
D
G
A
N
G
4. Doppelstunde
2.1 Übersicht der Unterrichtsreihe „Eine andere Welt ist möglich nötig! "“
Wandbild für alle fotografieren
­Ändern! "
„Klarmachen zum
Blick in die Zukunft
Gemeinsam wird ein riesiges Zukunfts-Wandbild (das
aus 16 Einzelteilen besteht)
bemalt, verschönert und
zukunftstauglich gemacht.
Kreatives Schreiben
Wie kann eine Zukunft
aussehen, in der nachhaltig
konsumiert wird?
Die SuS schreiben einen
Brief aus dem Jahr 2100.
Reflexion im Plenum
 Wie wurde der Rundgang
wahrgenommen?
 Was ist diskutabel?
 Ist nachhaltiger Konsum
eine Möglichkeit zum
Handeln?
5. Doppelstunde
2.2 Die Vorbereitung
2.2.1  Vorweg
Im Folgenden soll die Unterrichtsreihe ausführlich beschrieben werden. Die Darstellung der einzelnen Unterrichtsphasen wird Angaben zum Inhalt der Sequenz und daneben auch Überlegungen zum
methodischen bzw. didaktischen Vorgehen enthalten.
Bei dem Unterrichtsmaterial handelt es sich um eine leicht abgewandelte Form der politischen
Problemstudie.
Problemaufriss Worin besteht das Problem?
Interessen
Welche Interessen werden berührt?
Ursachen des Problems „Lösungen"
Konsequenzen
Wie ist das Problem entstanden?
Welche „Lösungen" sind denkbar?
Welche Auswirkungen hätten die „Lösungen"?
Die einzelnen Schritte können nicht in ihrer Reihenfolge geändert werden. Es steht jedoch zur freien
Entscheidung, ob für manche Phasen oder Diskussionen mehr Zeit eingeräumt wird und dafür an
anderer Stelle gespart wird. Ebenso können die konzipierten Doppelstunden in Einzelstunden auf­
geteilt werden.
»» Zu Beginn - Einteilung von ProtokollführerInnen
In den ersten drei Doppelstunden wird es viel zu tun geben, sodass die SuS nur wenig Zeit haben werden, um die gemeinsamen Ergebnisse mitzuschreiben. Es ist deshalb ratsam, ein Ergebnisprotokoll
führen zu lassen. Dazu sollen sich entweder Freiwillige melden oder es werden SuS ausgewählt, die
ihre Note verbessern möchten. Für eine Doppelstunde werden ein bis zwei ProtokollführerInnen benötigt. Da es für SuS eher ungewohnt ist ein Protokoll einer Unterrichtsstunde anzufertigen, gibt es
eine Anleitung zur Führung eines ergebnisorientierten Protokolls im Anhang (siehe Material M1). Diese
Anleitung ist für die Protokollführenden zu kopieren.
»» Wie wird am Ende der Unterrichtseinheit mit den Protokollen verfahren?
Die Protokollführenden sollen ihre handschriftlich im Unterricht mitgeschriebenen Notizen zu Hause
abtippen und kürzen. Die Protokolle werden dann der Lehrperson gemailt, die wiederum die Korrektheit kontrolliert und alle fertigen Protokolle in einem Dokument zusammenfasst. Die Endversion wird
schließlich für die gesamte Klasse ausdruckt und kopiert. So erhält jeder der SuS eine vollständige
Mitschrift der durchgeführten Problemstudie.
17
»» Warum eine Problemstudie?
„Die Problemorientierung ist der didaktische Ansatz, bei dem durch die
­Bearbeitung ­konkreter Probleme das Politische verstehbar und evtl. hand­
habbar wird 30 ."
Als problematisch wird ein Zustand dann bezeichnet, wenn er in der Öffentlichkeit auf Abneigung
stößt und allgemein eine Änderung für nötig gehalten wird. Probleme werden demzufolge kollektiv
definiert und konstruiert. Nach Gagel gibt es zwei Hauptmerkmale für politische Probleme 31 :
1.Die Dringlichkeit – Ein Problem ist unerträglich und wird dann politisch, wenn seine Dringlichkeit
öffentlich anerkannt ist.
2.Die Ungewissheit – Die Lösung eines Problems ist solange ungewiss, bis sie ausprobiert
und somit getestet wird.
Das zu behandelnde Problem der Ressourcenverknappung durch nicht nachhaltiges Wirtschaften ist
ein Problem von hoher Dringlichkeit, da eine Lösung des Problems höchstgradig ungewiss ist. In der
Unterrichtsreihe soll die Definition des Problems gemeinsam im Klassenkollektiv stattfinden. Nach
Hilligen und Klafki eignen sich besonders fundamentale und existenzielle Probleme, wie z. B. Interdependenz, Massenproduktion, Terrorismus, Umweltzerstörung oder Globalisierung 32. Fundamentale
Probleme sind jedoch nicht als solche lehrbar und deswegen müssen konkrete Themen, Situationen
und Problemstellungen benutzt werden, um eine Bedeutsamkeit zum Lernenden herzustellen. Eine
gesteigerte Subjektorientierung löst Betroffenheit aus und stellt einen Bezug zum Jugendlichen her.
In der folgenden Unterrichtseinheit wird darauf Rücksicht genommen, indem konkrete Problem­
situationen beschrieben und analysiert werden und schließlich die sehr persönliche Ebene des eigenen Konsumverhaltens untersucht wird.
Die Problemstudie eignet sich des Weiteren in besonderer Weise für das Problem der Ressourcenübernutzung, weil im Gegensatz zur Konfliktanalyse nicht die Struktur von Politik sondern der Inhalt
der Politik selbst im Vordergrund der Untersuchung steht. Den SuS wird vermittelt, dass Politisches
definierbar, konstruierbar und dadurch veränderbar und gestaltbar ist. Ein Hauptziel der Unterrichtseinheit wird es sein, darzustellen, dass politische Wege neu gedacht werden können und dadurch
Probleme gemeinsam lösbar sind.
»» Welche Kompetenzen werden gefördert?
Kompetenzen der politischen Bildung werden die fachlichen Fähigkeiten genannt, über welche die
SuS verfügen sollen, um sich als mündige BürgerInnen am Zusammenleben in der Gesellschaft beteiligen zu können. Dabei geht es nicht mehr nur um die Vermittlung von Inhalten, sondern um die gezielt geförderte Entwicklung von Fertigkeiten, die den Lernenden dabei helfen Problemsituationen zu
bewältigen.
30 s. Reinhardt, Sibylle: Politik Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II. Cornelson Verlag Scriptor,
Berlin, 2005, S. 95
31 vgl. Gagel, Walter: Situations- und Problemorientierung: Gesichtspunkte der Auswahl und Strukturierung von
Lerninhalten. In: Gagel, Walter; Menne Dieter (Hrsg.): Politikunterricht. Handbuch zu den Richtlinien NRW.
­Opladen, 1988, S. 39–51
32 vgl. Hilligen, Wolfgang: Zur Didaktik des politischen Unterrichts. In: Breit, Gotthard; Massing, Peter (Hrsg.):
­Grund­fragen und Praxisprobleme der politischen Bildung. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 1992,
S. 268–297
18
Bei der Konzeption der folgenden Unterrichtsreihe wurde sehr stark darauf Wert gelegt, kompetenzorientiert vorzugehen. Anstatt sich auf die Vermittlung von Stoff zu konzentrieren, wurde ein
starker Fokus auf das Politische gelegt: Was ist das Problem? Was sind Ursachen? Wer sind die Akteure?
Welche Interessen verbergen sich dahinter? Welche „Lösungen“ sind denkbar? Es soll vor allem darum
gehen, dass die SuS ein Verständnis für politische Prozesse entwickeln. Die Problemstudie soll beispielhaft dafür stehen, wie z. B. ähnliche politische Problemlagen analysiert und bewertet werden
können. Anstatt „totes Wissen“ zu vermitteln, sollen die Lernenden eigene Bedeutungen und Weltbilder aktiv in das Unterrichtsgeschehen einbringen. Sie werden von der ersten Stunde an kognitiv ak­
tiviert und zur selbstständigen Lenkung des Verlaufs und der Diskussionen angeregt. Des Weiteren
wurde es vermieden, zu viel „Eindeutigkeit“ aufkommen zu lassen. Die Leitfragen sind offen formuliert, um Kontroversität zu provozieren. Damit soll Platz gegeben werden, um verschiedene Ansichten
in aller Breite diskutieren zu können.
Von den SuS wird dadurch ein hohes Maß an eigenständigem Denken und Handeln erwartet. Sollte die Lerngruppe noch nicht über genügend Erfahrung in freien Arbeitsmethoden verfügen, ist es an
der Lehrperson, die Methoden und die damit einhergehenden Regeln einzuführen. Ist dies die erste
Problemstudie, die die Klasse durchläuft, ist es ebenfalls sinnvoll die verschiedenen Schritte der Studie im Vorfeld zu erläutern oder gar den gesamten Ablauf eigenständig mit der Klasse zu entwickeln
(schließlich folgt die Problemstudie einer durchaus nachvollziehbaren Logik).
Zwei Kompetenzbereiche werden in besonderer Weise durch die Problemstudie gefördert: die
Analysekompetenz und die Urteilskompetenz. Während die SuS zu Beginn der Studie hauptsächlich
beschreiben, erklären und analysieren, geht es am Ende vor allem darum, begründete Entscheidungen zu treffen, abzuwägen und sich in andere Ansichten hineinzuversetzen.
2.2.2 Die erste Doppelstunde: Worin besteht das Problem?
»» Einstieg: Bilderrätsel
Nachdem die Protokollführenden wissen was sie zu tun haben, kann die Unterrichtsreihe beginnen.
Es gibt fünf Gruppentische, auf denen jeweils ein Bild liegt (siehe Material M2). Die SuS sollen anhand
der Gegenstände auf dem Bild eigenständig ihre Gruppen wählen. Falls Probleme in der Gruppen­
dynamik bestehen, können die SuS auch in Gruppen eingeteilt werden. Auf den Gruppenbildern sind
jeweils andere Konsumgüter abgebildet, die alle in enger Verbindung zu einer jeweils bestimmten
Ressource stehen.
Auflösung:
1. Flugzeug, Auto, Benzin, Turnschuhe, Frachter, MP3-Player,
Plastikflaschen
Ressource: Erdöl
2.Steckdose, Fernseher, Laptop, Handy, Haushaltsgeräte,
Waschmaschine, Heizung
Ressource: Erdgas & Kohle
3. Wasserhahn, Getreide, Landwirtschaft, Gemüse, Schneemassen,
See, Brunnen, Flasche
Ressource: Wasser
19
4. Getreide, Brot, Mais, Fisch, Erdbeeren, Nutztiere, Shrimps,
Landwirtschaft, Gemüse
Ressource: Nahrungsmittel
5. Fernseher, Batterien, Solaranlage, Energiesparlampe,
Uranfässer, Fotokamera, Windräder
Ressource: Metalle
Jede Gruppe überlegt für sich, um welche Ressource es sich bei ihnen handelt. Wenn die Gruppen
meinen, dass sie die Lösung haben, können sie dies der Lehrperson mitteilen. Liegen sie richtig oder
nah dran, können die Infotexte zur jeweiligen Ressource in die Gruppe gegeben werden. Weiß eine
Gruppe gar nicht weiter, kann geholfen oder aufgelöst werden, damit sich der Einstieg zeitlich im
Rahmen hält.
Die Bilderrätsel wurden gewählt, damit die SuS gleich zu Beginn die Alltagsprodukte und Güter
kennenlernen, die aus der jeweiligen Ressource gewonnen werden. Damit verliert der Überbegriff
„Ressource“ ein wenig von seinem Fremdwortcharakter und wird für die SuS greifbar. Ebenso soll
gezielt darauf hingewiesen werden, dass jeder Mensch täglich mit den Endprodukten der jeweiligen
Ausgangsstoffe in Berührung kommt, ohne darüber nachzudenken oder viel davon zu wissen.
»» Infotexte lesen und Plakate herstellen
Jede Gruppe erhält einen ausführlichen Informationstext (siehe Material M3). Die Texte sollen sehr
genau und in Ruhe von jedem Gruppenmitglied gelesen werden. Jeder Bericht ist ähnlich aufgebaut.
Im Vordergrund steht die Ressource und wie es um sie bestellt ist. Bei fast allen Ressourcen (außer
Wasser) wird in nächster Zeit ein globales Fördermaximum (engl. Peak) überschritten, was bedeutet,
dass die Fördermengen des Stoffes danach rückläufig sein werden, bis sie schließlich gegen null gehen (siehe Beispieldiagramm). Es ist wichtig festzuhalten, dass es sich bei dem Peak-Modell stets um
Fördermengen handelt. Das heißt, das Modell gibt keine Auskunft darüber, wie es um die Gesamt­
vorkommen der jeweiligen Ressource bestellt ist. Es zeigt nur an, wie lange es noch wirtschaftlich ist,
die Vorkommen zu fördern. Bei Erdöl ist es z. B. so, dass weltweit noch riesige Felder in Tiefsee und
Polarregionen ruhen. Da es sich jedoch um Gebiete handelt, in denen eine konventionelle Förderung
unvertretbar teuer wäre und außerdem umwelttechnische Risiken zu bedenken sind, ist es höchstgradig unwahrscheinlich, dass diese Ölfelder je vollkommen abgebaut werden können. Hinzu kommt,
dass Peak-Modelle stets mit der jetzigen steigenden Nachfrage rechnen. Das heißt, die Fördermengen für die Ressource XY werden weiter steigen, wenn der Konsum der jeweiligen Ressource weiterhin
zunimmt und weiterhin der entsprechende Preis für das knappe Gut kalkuliert wird. Zusammen­
gefasst heißt das, dass die meisten unserer heutigen wichtigen Ressourcen in Zukunft an ihre För­
dermaxima stoßen werden, wenn der
Konsum und die Nachfrage nicht reduGlobale Fördermengen der Ressource XY
in Megatonnen/Jahr
ziert werden.
Für die Lehrperson wird es wichtig
600
sein, die Infotexte genau zu kennen. Es
500
ist deshalb ratsam, sich die Texte vor
400
der Unterrichtseinheit in Ruhe durchzulesen.
300
Die SuS sollen nach dem Lesen Pla200
kate erstellen, auf denen sie die wichtigsten Fakten darlegen. Die Aufgaben­
100
stellungen am Ende der Texte ähneln
0
1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050
sich. Bis auf Gruppe „Wasser“ sollen
20
z. B. alle erläutern, was ein „Peak“ mit ihrer jeweiligen Ressource zu tun hat. Die ähnlichen Aufgabenstellungen sollen einen vergleichbaren Aufbau der Plakate anregen. Den SuS ist es jedoch freigestellt,
die Plakate nach ihrem Ermessen zu gestalten. Sie können z. B. Fakten, die ihnen besonders wichtig
sind, hervorheben.
»» Plakate präsentieren
Nach der Bearbeitungszeit sollen die Plakate an die Wand gehängt werden und die SuS bekommen
zuerst einmal Zeit, sich alle in Ruhe anzuschauen. Nach ca. zehn Minuten sammelt sich die Klasse vor
dem ersten Plakat. Hier bietet es sich an, die Reihenfolge der Gruppen, die oben aufgezählt ist, beizubehalten. Erdöl und Erdgas & Kohle sollten am Anfang stehen und Metalle am Ende. Die gesteigerte
Nutzung der fossilen Energieressourcen im letzten Jahrhundert ist nämlich die hauptsächliche Bedingung für die enorme (Über-)Nutzung der restlichen Ressourcen. Denn erst als es möglich war, das
Produktionssystem durch die Einspeisung großer, kostengünstiger Energiemengen einem intensiven
Wachstum zu unterwerfen, begann der Abbau vieler anderer Ressourcen im heutigen „großen“ Stil.
Am Ende der Präsentationsreihe sollte die Gruppe Metalle stehen, weil in ihrem Infotext das erste
Mal das Wort „Peak Everything“ auftaucht. Sollte die Gruppe diesen Begriff nicht von sich aus auf dem
Plakat abbilden, kann von der Lehrperson gezielt danach gefragt werden. Der Begriff des „Peak Everything“ verdeutlicht gut, in welcher Lage sich die heutige produzierende und konsumierende Gesellschaft befindet. Der materielle Wohlstand ist größtenteils auf den Abbau und die Nutzung endlicher
Stoffe aufgebaut worden, deren Vorkommen irgendwann erschöpft sein können. Mit dem Hinweis auf
„Everything“ wird deutlich, dass nicht nur bestimmte Ressourcen in enormem Maße abgebaut wurden, sondern dass viele, wenn nicht sogar alle fossilen Ressourcen betroffen sind.
Die Vorgehensweise der Plakatherstellung und Präsentation wurde gewählt, weil es auf der einen
Seite um sehr anschauliche Diagramme geht, die am aussagekräftigsten dargelegt werden können,
wenn sie sichtbar gemacht werden. Auf der anderen Seite ist die Herstellung von Plakaten ein gemeinschaftlicher und kreativer Prozess. Erst müssen die Informationen aus dem Text verarbeitet
und besprochen werden und schließlich muss die Gruppe gemeinsam das Poster konzipieren und
erstellen.
Die Ansicht und Vorstellung der Plakate nimmt, in der Relation betrachtet, einen großen Teil der
Zeit ein. Die Präsentation ist jedoch sehr wichtig, damit alle SuS einen klaren Überblick über die
­globale Lage bekommen. Teilweise haben sich die Jugendlichen noch nie mit diesen Themen
auseinander­gesetzt. Es ist deshalb von großer Bedeutung, dass die Lehrperson eine Lernatmosphäre
schafft, in der den vorstellenden Gruppen jegliche Aufmerksamkeit geschenkt wird und in der Fragen, Staunen und Neugier erwünscht sind.
»» Gruppendiskussion: Problembenennung
In der Großgruppe soll nun diskutiert werden. Von der Lehrperson können dazu folgende Leitfragen
gestellt werden: „Welche Gesamtsituation stellt sich dar?“ / „Worin besteht das Problem?“
Das Ziel liegt darin, den ersten Schritt der Problemstudie zu gehen, nämlich die konkrete Benennung des zugrunde liegenden Problems einer nicht zur ertragenden Entwicklung. Antworten, wie:
„Die Umwelt ist in Gefahr.“ oder „Bald gibt es keine Ressourcen mehr.“, treffen dabei nicht den wahren
Kern des Problems, sondern beschreiben Folgen und Konsequenzen, die sich aus dem eigentlichen
Problem ergeben. Die Lehrperson kann die SuS gezielt darauf hinweisen, dass sie überlegen sollen,
wie das tatsächliche Problem hinter der beschriebenen Situation benannt werden kann. Wobei es
darauf hinauslaufen soll, dass sich die SuS auf das eigentliche Problem der Ressourcenausbeutung
konzentrieren. Das heißt Formulierungen wie: „Die Menschheit wirtschaftet nicht nachhaltig mit end­
lichen Ressourcen.“, treffen schon eher den Kern des Problems. Bei dieser Phase der Problembenennung ist es enorm wichtig, dass die Lehrperson zwar die konkrete Formulierung einfordert, jedoch
nicht zu stark auf inhaltlicher Ebene lenkt. Denn die letztendliche Ausformulierung des zu bearbei21
tenden Problems wird von den SuS festgelegt. Damit soll das intrinsische Interesse an der Problem­
lage durch die Lernenden verfestigt werden.
Wenn die Lerngruppe bereits früh in der Diskussion versucht Schuldige zu suchen, Ursachen zu
benennen oder Lösungen zu konstruieren, ist das zwar ein tolles Zeichen für die Motivation der SuS;
es sollte jedoch deutlich gemacht werden, dass in der folgenden Problemstudie alle nötigen Unter­
suchungs- und Analyseschritte unternommen werden. Die Lernenden werden im Laufe der Unterrichtseinheit feststellen, dass eine kleinschrittige Studie sehr viel mehr zum differenzierten Verständnis für eine globale Problemlage beiträgt, als schnell gedachte Erklärungen. Auf diese Weise soll
­allgemein zu einer überlegteren und analytischeren Urteilsbildung angeregt werden.
2.2.3 Die zweite Doppelstunde: Wie ist das Problem entstanden?
Welche Interessen werden berührt?
»» Einstieg: Wiederholung
Zu Beginn der zweiten Stunde soll erst noch einmal wiederholt werden: Wie weit sind wir letztes Mal
gekommen? Welche Gesamtsituation wurde festgestellt und welches konkrete Problem wurde benannt?
Je mehr Zeit zwischen den Stunden lag, desto ausführlicher muss wiederholt werden, damit allen
SuS die Dringlichkeit des Problems wieder bewusst wird.
Damit die nächsten Schritte der Problemstudie zielgerichtet verlaufen, sollte das in der letzten
Stunde benannte Problem noch einmal groß an die Tafel geschrieben werden.
»» Gruppenarbeit: Ursachen und Interessen
Im Folgenden wird nach der „Placemat-Methode“ weitergearbeitet, die auch als „Platzdeckchen-Methode“ bekannt ist. Die SuS
finden sich in ihren bereits bestehen Gruppen zusammen. Auf
jedem Tisch liegt ein „Platzdeckchen“ (Papier, A3–A2), das wie
auf der Abbildung vorbereitet worden ist. Ein Feld befindet sich
in der Mitte, drei bis fünf Felder (je nach Anzahl der Gruppenmitglieder) sind rundherum angeordnet. Die Placemat-Methode
gliedert sich in drei Phasen:
1.Think
2.Pair
(für sich selbst denken und schreiben)
(vergleichen mit den Gruppenmitgliedern)
3.Share (es mit der Gruppe teilen und gemeinsam entscheiden)
Zu Beginn werden die beiden Leitfragen für die Stunde gestellt und an die Tafel geschrieben:
1.Wie ist das Problem entstanden? / Was sind die Ursachen?
2.Welche Interessen werden berührt?
In der ersten Phase Think soll jeder der SuS einzeln und für sich allein überlegen. Die Lehrperson sollte die SuS dazu anhalten, leise und konzentriert zu arbeiten. In der Think-Phase kommt es sehr darauf
an, dass Ruhe herrscht und jeder in sich gehen kann. Sie sollen die eigens überlegten Antworten und
Erklärungen in ihr Feld auf dem Platzdeckchen eintragen. Es kann auch noch einmal darauf verwie22
sen werden, dass die SuS in die Infotexte der letzten Stunde schauen können. Primär sollten sie jedoch versuchen, selbst Antworten zu konstruieren.
In der zweiten Phase Pair lesen sich die SuS die Antworten ihres jeweiligen Sitznachbarn durch. Es
kann fließend in die Share-Phase übergegangen werden, in der sich die gesamte Gruppe miteinander
austauschen soll. Gemeinsam soll entschieden werden, was in die Mitte des Platzdeckchens in das
verbleibende freie Feld geschrieben wird. Durch Konsensentscheidungen sollen somit gemeinsame
Gruppenantworten generiert werden. Es ist wichtig, dass in dieser Phase an den Tischen lebhaft diskutiert wird. Die Einen sehen die Ursachen der verstärkten Ressourcennutzung im Bevölkerungswachstum, die Anderen machen die Industrialisierung und den Kapitalismus für die Ausbeutung verantwortlich. Bei all zu abwegigen Behauptungen sollte die Lehrperson die Erklärung dafür erfragen.
Konnten sich die Gruppen einigen, wird in die nächste Phase übergeleitet.
»» Gruppen neu mischen
Wie bei einem Gruppenpuzzle sollen sich nun neue Gruppen bilden, in denen ein Experte aus jeder Stammgruppe
nun in die Expertengruppen geht. Wenn die Anzahl der
SuS nicht aufgeht, ist das nicht von Nachteil. Es geht nicht
vorrangig um die Vollständigkeit, sondern um die neue
Durchmischung der SuS und um das Lösen eventuell eingefahrener Gruppendynamiken. Die neu gebildeten Gruppen sollen sich nun über die bisherigen Ergebnisse austauschen und darüber diskutieren, welche Ursachen und
vor allem welche Interessen sie hinter der Entwicklung der übersteigerten Ressourcennutzung sehen.
Wahrscheinlich muss die Lehrperson des Öfteren dazu anhalten, noch etwas tiefer in Überlegungen
zu gehen, indem gezielte Nachfragen gestellt werden: Wann fing denn die Entwicklung an? Was glaubt
ihr, wer daraus profitiert? Wisst ihr z. B., wie eure Großeltern früher lebten oder konsumierten?
Erschöpfen sich die Gruppendiskussionen, ist es an der Zeit in die Großgruppe zu gehen.
»» Diskussion im Plenum
In der Großgruppe soll zuerst gefragt werden, wobei es Schwierigkeiten gab. Dabei wird wahrscheinlich herauskommen, dass Wertschöpfungs- und Handelsketten nicht ausreichend bekannt sind und
dass Wirtschaftskreisläufe und -systeme als sehr abstrakt wahrgenommen werden. Im Plenum sollen
gemeinsam Erklärungen konstruiert werden. Zu den Ursachen kann z. B. die Industrielle Revolution
in den Fokus gesetzt werden. Etwa zeitgleich im ersten Halbjahr der elften Klasse werden im Geschichtsunterricht die großen europäischen Revolutionen der beginnenden Moderne besprochen,
z. B. die Französische Revolution und die von England aus startende Industrielle Revolution einschließlich ihrer Folgen. Es ist ratsam, sich mit den GeschichtskollegInnen abzusprechen, um evtl.
fächerübergreifend arbeiten zu können.
In der Ursachenforschung sollten folgende Begriffe im Mittelpunkt stehen: Massenproduktion in
Fabriken, Lohnarbeit, Kapital, Aktiengesellschaften, Bevölkerungswachstum, Wirtschaftsliberalismus und Schlüsselerfindungen (wie die Dampfmaschine 1769, die z. B. mit Kohle befeuert wurde). Die
stark beschleunigte Entwicklung von Technik, Produktivität und Wissenschaft führte zu einer starken
Bevölkerungszunahme, die neuartige soziale Missstände mit sich brachte. Bis in die heutige Zeit reichen die Auswirkungen der Industriellen Revolution, der eine ähnlich Bedeutung zugemessen wird,
wie dem Übergang vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit. Weitere Entwicklungen folgten: die inten­
sive Mechanisierung, der weitverbreitete Gebrauch von Elektrizität, die Effizienzsteigerungen in der
Massenproduktion (Taylorismus/Fordismus), die mikroelektronische Revolution Ende der 1970er Jahre und die schließlich einsetzende allumfassende Globalisierung. All diese Prozesse können kritisch
diskutiert und als Ursache für die aufkommende Ressourcenknappheit untersucht werden. Neben
23
historischen Ursachen können natürlich auch gesellschaftlichen Veränderungen diskutiert werden:
Wertewandel, Entfernung von der Natur, Urbanisierung oder Technisierung. Je nachdem wie weit die
SuS in den unterschiedlichen Themen sind, wird es die Aufgabe der Lehrperson sein, neue Fakten und
Fragen in die Diskussion einzubringen.
Haben die SuS einige Ursachen herausgearbeitet, ist es wichtig, dem Protokollführenden genug
Zeit zu geben, die Ergebnisse mitzuschreiben. Die Lehrperson sollte ab und zu nachfragen, ob noch
Zeit benötigt wird. Wichtig ist auch hier, dass es keine vollkommen richtigen oder falschen Antworten
auf die Frage nach den Ursachen gibt. Denn ähnlich wie beim „politischen Problem“ an sich, werden
auch dessen Erklärungen kollektiv konstruiert und definiert 33.
Im nächsten Teil der Auswertung sollen die von den SuS benannten Interessen besprochen werden. Verläuft die Diskussion nicht tiefgründig genug, können gemeinsam die Akteure hinter den Interessen per Brainstorming an der Tafel zusammengetragen werden. Das könnte z. B. so aussehen:
Abbauendes Gewerbe
Weltweit agierende Konzerne
Verarbeitendes, herstellendes Gewerbe
Großhandel,
Kleinhandel
Banken
Akteure
Medien
Staat
Konsumenten/Verbraucher
Gesetzgebung
Regierung
Börsenspekulanten
Wissenschaft/Forschung
Zwar geht durch die Vereinfachung stückweit die Komplexität der Problemlage verloren, weil Zwischenbeziehungen und Interdependenzen nicht angezeigt werden. Trotzdem stellt sich die Vielzahl
der involvierten Interessensgruppen dar, an der sich die SuS einen Überblick verschaffen können.
Die Komponenten Ursachen und Interessen können in einer reduzierten Problemstudie, wie sie
hier durchgeführt wird, sicher nicht in kompletter Vollständigkeit untersucht werden. Das Ziel soll es
jedoch sein, Tendenzen, Prozesse und Zusammenhänge zu erkennen. Die SuS sollen ebenso feststellen, dass ihre (wahrscheinlich) schnellen Prognosen und Antworten vom Anfang der Stunde weiter­
gedacht werden müssen, um tiefgründigere Erklärungen zu bieten.
Die Form der Gruppendiskussion wurde gewählt, damit alle Beteiligten gleichberechtigt teilhaben
können und eventuelle Fehleinschätzungen oder Behauptungen von der Lehrperson hinterfragt und
relativiert werden können. Durch die teilweise starke Leitung der Diskussion des Lehrenden sollen
Ergebnisorientierung, Fehlerkorrektur und das Einhalten der Gesprächskultur sichergestellt sein.
33 s. Reinhardt, Sibylle: Politik Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II. Cornelson Verlag Scriptor,
Berlin, 2005, S. 93
24
2.2.4 Die dritte Doppelstunde: „Lösungen" & Konsequenzen
Zu Beginn der dritten Doppelstunde sollen kurz die Ergebnisse der letzten Stunde wiederholt werden. Dabei kommt es darauf an, dass sich alle gemeinsam noch einmal vor Augen führen, worin das
Problem besteht, was die Ursachen dafür sind und welche Akteure bzw. Interessen involviert sind. Die
folgende Leitfrage wird an die Tafel geschrieben: Welche „Lösungen“ sind denkbar ? Es ist wichtig, dass
von der Lehrperson erklärt wird, warum das Wort „Lösungen“ in Anführungsstriche gesetzt wurde.
Die SuS sollen verstehen, dass es kein einfaches Patentrezept auf komplexe Probleme gibt. Ebenso
kann man sich nie sicher sein, ob eine „Lösung“ überhaupt als „Lösung“ bezeichnet werden kann,
solange sie sich noch im Entwicklungsstadium befindet. Um das Unterrichtsgespräch zu vereinfachen, kann auch von „Lösungsvorschlägen“ gesprochen werden.
»» Gruppenarbeit: „Lösungen" konstruieren
Danach finden sich die SuS in fünf Gruppen zusammen. Jede Gruppe soll für sich Lösungsansätze
konstruieren und dabei soll alles erlaubt sein. Das heißt, wenn die eine Gruppe Geld abschaffen
möchte oder eine andere den Welthandel stoppen will, dann sollen diese Utopien innerhalb der Gruppen zu Ende gedacht werden dürfen. Natürlich muss die Lehrperson darauf Acht geben, dass keine
Menschenrechte verletzt werden und die Grundrechte der Verfassung gewahrt bleiben. Am Ende sollen die Utopien vorgestellt werden. Jede Gruppe beschreibt ihren Lösungsansatz und die anderen
SuS können Fragen stellen. An dieser Stelle soll noch nicht diskutiert werden, wie realistisch die Szenarien sind. Freies und kreatives Denken soll im Mittelpunkt stehen und gefördert werden.
»» Konzepte lesen, die bereits existieren
Im Anschluss an die Vorstellung der eignen Ideen bekommen die Kleingruppen die Texte von bereits
existierenden Lösungsansätzen. In diesen Texten (siehe Material M4) werden aktuelle Entwicklungen
und Diskurse aufgegriffen:
1.Anders leben
- Das gute Leben
3.Anders arbeiten
- Glücklicher sein - weniger arbeiten
2.Anders konsumieren
4.Anders wirtschaften
5.Anders mit Geld umgehen
- Weniger kaufen
- Solidarische Ökonomie
- Das bedingungslose Grundeinkommen
Die Lösungsansätze umfassen viele verschiedene Positionen und Sichtweisen. Während die Befürworter des „Buen vivir“ (span. = das gute Leben) einen sehr naturverbundenen und ganzheitlichen
Ansatz zu einem nachhaltigeren Denken und Leben entwickelt haben, konstruieren die Ansätze der
Postwachstumsökonomie, der solidarischen Ökonomie und des bedingungslosen Grundeinkommens eher neue Wirtschaftsmodelle. Der Ansatz alternativer Arbeitszeitmodelle hingegen nimmt vor
allem die Einstellung und Wertehaltung der westlichen Industrienationen zum Arbeits- und Leistungsverhalten unter die Lupe und bringt den Faktor „Glück“ in die Diskussion ein. Denn eins scheint
eine logische Konsequenz aus dem jetzigen Ressourcenraubbau: mit einem nicht-nachhaltigen Lebensstil handeln wir aktiv gegen unser individuelles und zukünftiges Glück 34.
34 Mehr Infos dazu: Scheub, Ute: Das Glück der Erde. Erster Weltglücksbericht der UNO. In taz. die tages­zeitung vom
26.05.2012, im Internet unter: http://www.taz.de/!94097/. Weitere Infos: Böck, Hanno: Glücksgefühl statt mehr
Konsum. In taz. die tageszeitung vom 09.01.2012, im Internet unter: http://www.taz.de/Taz-Serie-Grenzen-desWachstums/!85198/
25
Für die SuS wird es interessant sein zu sehen, dass sich schon viele andere Interessensgruppen
und Bevölkerungsteile weltweit „Lösungen“ überlegt haben und versuchen, etwas in Richtung Nachhaltigkeit und Solidarität zu unternehmen. Jede Kleingruppe soll sich in Ruhe „ihren“ Lösungsansatz
durchlesen und ihn dann in der Gruppe besprechen: Inwieweit unterscheidet sich der fremde Lösungsansatz von ihrem eigenen? Was hält die Gruppe davon? Ist das überhaupt eine „Lösung“?
»» Gruppen mischen
In der folgenden Phase sollen die Gruppen wieder durchgemischt werden. Von jeder Stammgruppe geht ein Ex­
perte in die sich neu bildenden Expertengruppen. Es sollte
­sichergestellt sein, dass in jeder Gruppe einer der Lösungsansätze vertreten ist. In den Expertenrunden soll nun jeder Vertreter seinen Lösungsvorschlag vorstellen. Wichtig
ist, dass in dieser ersten Gruppenphase noch nicht gewertet wird, die Konzepte sollen lediglich vorgestellt und Verständnisfragen dürfen gestellt werden.
In einer zweiten Phase sollen die Kleingruppen die Ansätze bewerten: Wie finden sie die „Lösungen“? Ist der Vorschlag gut genug durchdacht oder geht das
Konzept unter Umständen nicht weit genug? Sind die Ideen umsetzbar oder utopisch? Was spricht für
eine Umsetzung, was dagegen? Die Reihenfolge, in der die Ansätze bewertet werden, spielt dabei
­keine Rolle; wichtig ist nur, dass alle Lösungsvorschläge besprochen werden.
»» Abschlussdiskussion im Plenum
Zum Ende der Stunde sollen noch einmal alle im Plenum zusammenkommen. Es geht um die
­Abschlussdiskussion. Zuerst sollen die Einzelgruppen kurz der Großgruppe berichten, wie sie die
­Lösungsansätze bewertet haben. Wenn daraus allein noch keine angeregte Diskussion über Möglichkeiten, Lösungswege und Folgebetrachtungen entsteht, sollte die Lehrperson gezielt nach den Konsequenzen fragen, die den evtuellen Lösungsansätzen folgen würden. Hierbei soll realitätsnah spekuliert werden. Es ist wichtig, die SuS nach ihren anfänglichen „Lösungen“ zu fragen: Was haben die
Ansätze, die bereits existieren und die der SuS gemeinsam? Wie weit würden die Jugendlichen gehen und
wie weit gehen die Vorschläge? Es sollte deutlich werden, dass die Lösungsvorschläge allesamt eine
Änderung in verschiedenen Systemen vorsehen. Während die Postwachstumsökonomie, die solida­
rische Ökonomie und die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens vor allem eine Aufhebung der
kapitalistischen Wirtschaftsweise und damit ein anderes Wirtschaftssystem ins Auge fassen, reformieren die anderen Ansätze (das „guten Lebens“, die alternativen Arbeitszeitmodelle und die Glücksstudien) im Bereich der gesellschaftlich konstruierten Werte und Normen. Die Lehrperson sollte es
als eine spannende Herausforderung betrachten, mit den SuS über die Möglichkeit neu zu gehender
Wege zu sprechen. Als Lernziel soll verfolgt werden, den Jugendlichen die Scheu zu nehmen weiterzudenken und Systemschranken in den Köpfen aufzuheben.
Für die SuS, die für das Protokoll mitschreiben, wird es sicher schwierig alles genauestens zu verfolgen. Sie sollen so gut mitschreiben, wie es ihnen eben möglich ist und eventuell am Ende mit der
Lehrperson Rücksprache halten.
26
2.3 Der Konsumkritische Stadtrundgang:
Lernen in der Innenstadt
»» Anmerkungen und Hintergründe zum Konzept für die Lehrkräfte:
Wenn Sie einen Termin mit dem Team des konsumkritischen Stadtrundganges gemacht haben (nähere Informationen dazu auf der Homepage: www.konsumkritik-kassel.de unter dem Stichwort „Kontakt“), geht es auf in die Kasseler Innenstadt. Die Touren beginnen fast ausschließlich am City Point,
dem größten Einkaufszentrum in der Fußgängerzone. Moderne Einkaufszentren zeichnen sich vor
allem dadurch aus, dass sie die perfekte Shoppingatmosphäre schaffen. Nichts soll vom ungetrübten
Einkaufserlebnis ablenken. Schlechtes Wetter, Hunde und Menschen, die nicht einkaufen können
oder wollen, müssen draußen bleiben. So besticht das Ambiente im strikt geplanten Shoppingparadies durch angenehme Temperatur, unaufdringlich regulierten Duft, besänftigende Musik und viele
bunte Attraktionen, von der Unterwasserausstellung bis zur Christmas-Modenschau. Das Geplänkel
lässt schnell vergessen, warum man eigentlich einkaufen gegangen ist. Sekündlich werden durch die
Schaufenster und Werbeplakate neue Bedürfnisse im Konsumenten geweckt. Die ständige Generierung eines Kaufanreizes ist alles, worauf die riesige Einkaufscenterkette des Immobilienkonzerns ECE
geeicht sind. Diese und noch weitere Fakten werden zu Beginn eines jeden Rundganges erklärt und
diskutiert. Um die globalen Auswirkungen dieses künstlich übersteigerten Konsums zu verdeut­lichen,
wird am Anfang meist die weltweite Güterverteilung spielerisch nachgestellt. Dabei kommt am Ende
heraus, dass die reichsten 20 % der Weltbevölkerung ca. 90 % aller weltweit produzierten Güter und
Dienstleistungen konsumieren 35. Der sorgenfreie Konsum im City Point steht also im krassen Gegensatz zur globalen Realität. Auf dem darauf folgenden Rundgang wollen wir versuchen, diesen und
anderen Ungerechtigkeiten auf den Grund zu gehen. Dabei gliedert sich die Route in drei Stationen
(die Sie nach Absprache mit dem Konsumkritik-Team vorher vereinbaren können). Zur Auswahl stehen bisher:
 Schokolade
 Baumwolle
 Handy
 Wasser
 Der Ökologische Fußabdruck
 Plastik
 Erdöl
 Obst  Gemüse
 Kosmetikprodukte
 Energie
 Fleisch
 Kaffee
 Zusatzstoffe in Lebensmitteln
 Papier
In jeder Station werden grundlegende Fakten zur jeweiligen Warengruppe präsentiert – mal spie­
lerisch, mal über Rätsel oder Schätzungen, mal mit Bildern, Fotos oder Grafiken. Der Rundgang lebt
von seinen interaktiven und spielerischen Elementen. Es wird versucht, längere Vorträge gezielt zu
vermeiden und stattdessen mit den Teilnehmenden aktiv ins Gespräch zu kommen.
35 vgl. UNDP (Hrsg.): Human Development Report 1998. New York. Deutsche Fassung: Deutsche Gesellschaft für die
Vereinten Nationen (Hrsg.): Bericht über die menschliche Entwicklung 1998. Bonn.
27
»» Zusammenhang zwischen Unterrichtsreihe und Stadtrundgang:
Durch die teilweise ungeheuerlichen Fakten der jeweiligen Themen wird den SuS bewusst, dass der
heutige Konsum der westlichen Industrienationen in starkem Zusammenhang steht, mit weltweit
existierenden sozialen, ökonomischen und vor allem ökologischen Notlagen. Neben der Ressourcenverknappung, für die die SuS nach der vorangegangenen Problemstudie ausreichend sensibilisiert
sein sollten, kommen weitere Problemsituationen hinzu, wie z. B.: Armut, Umweltzerstörung, Korruption, Lobbyismus oder Gesundheitsrisiken.
Das Hauptziel der Stationen ist es jedoch nicht, unendlich viele weitere Problematiken aufzureißen, sondern Handlungsoptionen zu entwickeln. Das heißt, gemeinsam mit den Jugendlichen sollen
Möglichkeiten entworfen und diskutiert werden, mit denen Konsum nachhaltiger gestaltet werden
kann. Im Großen und Ganzen gibt es dabei zwei Strategien, die zum Teil ziemlich schnell von den Teilnehmenden erkannt werden. Auf der einen Seite steht eine Suffizienz-Strategie, die vor allem die Reduktion des bestehenden Konsums ins Auge fasst. Praktische Umsetzungsmöglichkeiten sind z. B.
bestimmte Konsummuster um die Hälfte zu reduzieren, seien es nun Flugreisen, der Fleischkonsum
oder der Kauf neuer Elektronikgeräte. Wenn jeder Konsument seinen Verbrauch reduzieren würde,
wäre ein großer Schritt in Richtung nachhaltiger Entwicklung getan. Eine zweite Strategie ist der Kauf
nach Labeln. Dabei entscheiden sich die Konsumenten bewusst für biologisch angebaute oder fair
gehandelte Güter und sind bereit, einen höheren Preis dafür zu zahlen. In fast allen Warengruppen
haben sich bestimmte Siegel, Logos und Marken etabliert, die für nachhaltige, ökologische oder so­
ziale Verantwortung stehen. Über die jeweiligen Kriterien und Anforderungen der verschiedenen Siegel oder gar über Etikettenschwindel wird an den entsprechenden Stationen informiert.
Die SuS werden im Laufe des Rundgangs feststellen, dass man Konsum auch anders gestalten
kann und dass die heutige Wirtschaftsweise kein Naturgesetz, sondern anhand demokratischer Verfahren veränderbar ist. Der Rundgang nimmt deshalb in der Unterrichtsreihe einen zentralen Stellenwert ein, weil er verdeutlicht, dass alle Konsumenten die bisherige problemhafte Entwicklung weiterhin unterstützen, wenn sie nicht anfangen etwas zu ändern. In Verbindung mit dem im Unterricht
behandelten Problem des nicht nachhaltigen Umgangs mit endlichen Ressourcen, soll das Problembewusstsein auf ein neues Level gebracht werden. Denn nicht nur die historisch und gesellschaftliche
Entwicklung, nicht nur Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft treiben die Prozesse aktiv
­voran, sondern jede einzelne handelnde und konsumierende Person nimmt aktiv teil. Konsumieren
und Einkaufen sind somit politische Prozesse, über deren Bedeutung sich die SuS wahrscheinlich
vorher noch nicht im Klaren waren. Das Problem des nicht nachhaltigen Umgangs mit der Umwelt
28
und den Rohstoffen findet demzufolge nicht nur auf der Makroebene (in Rahmenrichtlinien, Gesetzen, Wirtschaftsystemen) statt, sondern wird von der Mikroebene (dem Konsumverhalten eines jeden Menschen) aktiv unterstützt. Diese Sichtweise nimmt jeden einzelnen Verbraucher in die Pflicht,
spricht den Konsumenten aber auch ungeheuerliche Macht zu. Es soll jedoch nicht darum gehen,
Schuld auszusprechen oder bisherige nicht nachhaltige Konsummuster zu verurteilen. Unser bishe­
riges Wirtschaftssystem ist in keinster Weise darauf ausgelegt, dass Konsumenten beim Einkaufen
denken bzw. nachhaltig handeln sollen. Es wird deshalb nicht darum gehen Konsummuster zu verurteilen, sondern die oben genannte Macht der Konsumenten zu nutzen, Mechanismen aufzudecken
und neue, alternative Konzepte zu entwickeln.
Inwieweit die SuS sich von einer derart kritischen Sichtweise beeinflussen lassen, konnte in bis­
herigen Evaluationsversuchen nicht geklärt werden. Zum Erreichen konkreter Handlungsveränderungen reicht eine 1,5-stündige Bildungsintervention sicher nicht aus. Aber darum geht es auch gar
nicht. Vordergründig geht es darum, Türen in Köpfen aufzustoßen und eine veränderte Blickweise auf
ein anderes Konsumverhalten zu ermöglichen. Mit dem Wissen, das die SuS auf einem Stadtrundgang
erlangen, können sie aktiv an aktuellen Diskussionen teilnehmen und durchaus kritische Positionen
beziehen. Inwieweit sich jedoch das individuelle Einkaufsverhalten ändert, ist schwer vorherzusagen.
Für weitere Fragen oder Informationen steht Ihnen das Konsumkritik-Team jederzeit gern zur Verfügung unter www.konsumkritik-kassel.de, Kontakt: info@konsumkritik-kassel.de
2.4 Nachbereitung
2.4.1 Die letzte Doppelstunde: Reflexion & Ausblick in eine positive Zukunft
»» Reflexion des Stadtrundganges
Zu Beginn der Stunde sollte der vorangegangene Stadtrundgang in Ruhe reflektiert werden. Am besten eignet sich dafür eine Diskussion im Plenum, damit alle Meinungen gehört werden und alle SuS
mitreden können. Folgende Leitfragen sollten gestellt werden:
ºº Wie wurde der Rundgang wahrgenommen?
ºº Was ist diskutabel?
ºº Ist nachhaltiger Konsum eine Möglichkeit, um zu handeln?
Für die Diskussion sollte ein letztes Mal ein Protokollführer bzw. eine Protokollführerin berufen werden. Gern dürfen die Ergebnisse der Diskussion an das Team des konsumkritischen Stadtrundganges
weitergeleitet werden! (info@konsumkritik-kassel.de)
Am Ende der Diskussion sollte verdeutlicht werden, dass die Problemstudie in der Vorbereitung
des Rundganges demonstrierte, dass nicht nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung vor allem in historischen und gesellschaftlichen Veränderungen begründet liegt und von vielen Akteuren und Interessen getragen wird. Der Stadtrundgang sollte zeigen, dass die Prozesse nicht fern, abstrakt oder
weit weg sind, sondern dass sie täglich von uns in der Innenstadt legitimiert werden. Somit wird jeder
Einzelne zum Akteur und ist damit in die Problemlage verwickelt. Der Rundgang sollte jedoch nicht
nur Bewusstsein schaffen, sondern auch Handlungsoptionen aufzeigen. Wenn dies von den SuS erkannt und kritisch diskutiert wird, ist das Ziel der Reflexion erreicht.
29
»» Kreatives Schreiben
Die folgende Methode ist dem Deutschunterricht entnommen und den SuS sicher bekannt. Sie sollen
sich ein freies Blatt Papier herausnehmen und völlig frei und ohne Vorgaben folgende Situation aufschreiben:
„Wir befinden uns im Jahr 2100. Die Menschheit hat aus ihren Fehlern der
­Vergangenheit gelernt. Die Verschwendung der Ressourcen wurde beendet,
die Umweltzerstörung gestoppt und die Menschen begannen, ihr Leben zu
­g enießen und glücklich zu sein.
Schreibe einen Brief aus der Zukunft an die heute lebenden Menschen.
­Beschreibe, was sich geändert hat und wie dein Tagesablauf jetzt aussieht!
Hat sich dein Konsumverhalten geändert? Erzähle uns davon! "
Die SuS sollen genug Zeit bekommen, um weit ausholen zu können und in Ruhe ihre eigens konstruierte Zukunft aufzuschreiben.
Am Ende der Phase sollte die Lehrperson behutsam danach fragen, ob es SuS gibt, die sich trauen,
ihr Briefe vorzulesen. Unter gar keinen Umständen sollte ein Zwang zum Vorlesen entstehen. Nur
diejenigen, die auch wirklich ihre Gedanken teilen wollen, sollen vorlesen.
Eine weitere Variante könnte es sein, dass die Lehrperson die Briefe für sich kopiert. Auf diese Weise könnten die Kopien in ein paar Jahren in anderen Klassen verwendet werden (natürlich anonym),
wenn einige Probleme dann eventuell gelöst oder aktueller als je zuvor sein könnten.
»» Das Wandbild: Ein Blick in die Zukunft
Um der Unterrichtsreihe ein positives und kreatives Ende zu geben, wird das Wandbild (siehe Material
M5) auf dem Boden ausgebreitet. Die SuS sollen sich zuerst um das Bild versammeln. Dann wird die
Aufgabe vorgelesen:
„Es kann sich allein oder zu zweit ein Teil des Wandbildes genommen und dann
bearbeitet werden. Dabei sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Einzige
Vorgabe: Es soll ein Blick in die Zukunft sein. Dabei sollen alle Parameter be­
dacht werden, die in der Unterrichtsreihe vorkamen: angefangen beim Umgang
mit Ressourcen wie Erdöl, Kohle und Erdgas. Wie sieht die zukünftige Energie­
versorgung aus? Wie die Mobilität? Wie werden z. B. die Produktion von Nah­
rungsmitteln und der Fischfang geregelt? Werden in Zukunft weiterhin noch so
viele seltene Metalle benötigt? Wie wird sich das Konsumverhalten ändern?
Wie werden die Menschen später zusammenleben? Wie ist dein Blick in eine
positive Zukunft??"
Die Lehrperson sollte Zeitschriften, Kleber, Scheren und bunte Stifte zur Verfügung stellen, damit das
Wandbild auch bunt und ansehnlich wird. Am Ende werden alle Teile des Wandbildes kurz vorgestellt
und die Intention hinter dem jeweiligen Kunstwerk erklärt. Das Bild zusammenzukleben wird dann
eine gemeinsame mitunter abenteuerliche Aufgabe. Es wird empfohlen viel Tesafilm bereitzustellen.
30
Klar machen zum Ändern!
„Die Tage des Konsums ohne Nachdenken
sind vorbei. Der Klimawandel zeigt uns auch,
dass das alte Modell mehr als überholt ist."
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon
31
„Das monströs aufgetürmte, auf
materialisierter Freiheit beruhende
Wohlstandsmodell ist nicht mehr zu retten."
Prof. Dr. Niko Paech
3. Anhang
3.1 Materialien zur Unterrichtsreihe
35
„Unbegrenztes Wachstum in einer
begrenzten Welt ist schlicht nicht möglich."
Angelika Zahrnt, Ehren-Vorsitzende des BUND
3.1.1 M1 - Anleitung für Protokollführende
Ein ergebnisorientiertes Protokoll verfassen
Bei einem ergebnisorientierten Protokoll kommt es vor allem darauf an Ziele, Ergebnisse und
Schlussfolgerungen einer Diskussion festzuhalten.
Die Unterrichtsreihe ist nach folgenden Fragen aufgebaut:
Problemaufriss Worin besteht das Problem?
Interessen
Welche Interessen werden berührt?
Ursachen des Problems „Lösungen"
Konsequenzen
Wie ist das Problem entstanden?
Welche „Lösungen" sind denkbar?
Welche Auswirkungen hätten die „Lösungen"?
Je nachdem, für welchen Unterrichtsteil du eingeteilt wurden bist, solltest du versuchen vor allem
jene Ergebnisse festzuhalten, die sich konkret auf die Fragen beziehen.
Im Unterricht schreibst du am besten handschriftlich mit und tippst es zu Hause ab. Dabei kannst du das Protokoll auch noch einmal überarbeiten, Unwichtiges heraus kürzen
und es in eine ansehnliche Form bringen.
Ein ergebnisorientiertes Protokoll verfassen
Bei einem ergebnisorientierten Protokoll kommt es vor allem darauf an Ziele, Ergebnisse und
Schlussfolgerungen einer Diskussion festzuhalten.
Die Unterrichtsreihe ist nach folgenden Fragen aufgebaut:
Problemaufriss Worin besteht das Problem?
Interessen
Welche Interessen werden berührt?
Ursachen des Problems „Lösungen"
Konsequenzen
Wie ist das Problem entstanden?
Welche „Lösungen" sind denkbar?
Welche Auswirkungen hätten die „Lösungen"?
Je nachdem, für welchen Unterrichtsteil du eingeteilt wurden bist, solltest du versuchen vor allem
jene Ergebnisse festzuhalten, die sich konkret auf die Fragen beziehen.
Im Unterricht schreibst du am besten handschriftlich mit und tippst es zu Hause ab. Dabei kannst du das Protokoll auch noch einmal überarbeiten, Unwichtiges heraus kürzen
und es in eine ansehnliche Form bringen.
37
3.1.2 M2 - Bilderrätsel
39
40
Welche Ressource wird für die Funktion oder
die Herstellung folgender Konsumgüter benötigt?
41
Welche zwei Ressourcen werden für
die Funktion folgender Konsumgüter benötigt?
42
Welche Ressource
versteckt sich
hinter den Bildern?
43
Welche Ressource“
„
verbirgt sich
hinter den Bildern?
44
Welche Übergruppe von
Ressourcen versteckt sich
hinter den Bildern?
3.1.3 M3 - Infotexte
45
Erdöl - was ist das eigentlich und wie sehr sind wir
darauf angewiesen?
Die Entstehung von Erdöl begann vor vielen Millionen
Jahren. Dabei lagerten sich die Überreste von Meerestieren und Plankton am Grund des Ozeans ab. Gesteinsschichten lagerten sich darüber und innerhalb
eines langen Zeitraums stiegen Druck und Temperatur. Das führte letztendlich dazu, dass sich die organischen Überreste in Erdöl umwandelten.
Das „schwarze Gold“ war bereits in der Antike und
im Mittelalter bekannt und wurde damals in geringen
Mengen als Leuchtmittel für Öllampen verwendet.
Ende des 19. Jahrhunderts begann die industrielle
Förderung von Erdöl. Die ersten wichtigen Bohrungen
weltweit fanden in den 1850er Jahren in Niedersachsen statt. Seitdem haben sich die Fördermengen
ständig erhöht.
Mittlerweile ist Erdöl für die Weltwirtschaft unverzichtbar geworden. Durch den hohen Energiegehalt
werden bei der Verbrennung große Energiemengen
frei, die vor allem in Bewegungsenergie (z. B. beim
Auto­fahren) oder in elektrische Energie (z. B. bei der
Stromerzeugung) umgewandelt werden. Ein großes
Problem ist jedoch, dass die Erdölreserven irgendwann zu Neige gehen werden. Aber wann? Und wie
würde ein Alltag ohne Erdöl aussehen?
Man würde wahrscheinlich morgens verschlafen,
weil es keine Handys oder Wecker aus Kunststoff geben würde. Ebenso gäbe es keine Zahnbürsten, zumindest keine aus Plastik. Zum Frühstück könnte man
als Obst höchstens Äpfel essen, denn für Kiwis, Ba­
nanen und andere Südfrüchte würde das Benzin für
den Transport fehlen. So würde es im gesamten Alltag
keine Waren geben, die von weit her stammen, da der
gesamte Welthandel und dessen Transport nur durch
die Verbrennung von Erdölprodukten funktioniert.
Zur Schule könnte man auch nicht mit dem Auto oder
dem Bus fahren, sondern müsste wahrscheinlich in
die Pedalen treten oder laufen.
Man merkt schnell, dass unser Leben ohne Erdöl
nicht dasselbe wäre. Fast alle unsere täglichen Konsumgüter – seien es Elektronik, Kosmetikprodukte,
Kleidung, und sämtliche Verpackungsmaterialien –
bestehen entweder aus weiterverarbeiteten Erdölprodukten oder kommen von so weit her, dass ihr
Transport ohne Erdöl unmöglich wäre.
Sich einen Alltag ohne Handys, Autos oder Turnschuhe vorzustellen, fällt uns schwer. Da aber sicher
ist, dass eines Tages die Erdölreserven erschöpft sein
werden, streiten sich Wissenschaftler und Industrielle
seit einiger Zeit um die Frage, wie lange das Öl noch
reichen wird. Generell geht es in dem Streit um eine
Theorie, die mittlerweile als anerkannt gilt – die Theorie vom „Ölfördermaximum“, auch „Peak Oil“ genannt. Dabei geht es darum zu bestimmen, wann der
Höhepunkt der globalen Ölfördermengen erreicht
sein wird. Die Fördermengen sind bis jetzt immer angestiegen, nach einem Peak (engl. = Höhepunkt) werden die Mengen rasch abfallen und schließlich gegen
null gehen. Es werden zwar immer wieder kleinere
Vorkommen entdeckt, aber diese werden nie wieder
an die gigantischen Ölfelder heranreichen, die in den
1960er Jahren entdeckt wurden. Das liegt daran, dass
es schlicht und ergreifend keine Ölfelder in diesen
Größen mehr gibt. Der ehemalige Chef Jeremy Gilbert
des Erdölkonzerns BP formuliert es so:
Globale Öl-Fördermengen
in Mrd. Barrel /Jahr
2,5
2
1,5
1
0,5
0
46
1930
1940
1950
1960
1970
1980
1990
2000
2010
2020
2030
2040
2050
Quelle: Paper ASPO 2004
„Die aktuellen Felder, auf die wir Jagd machen,
sind uns in vielen Fällen schon lange bekannt, aber
sie waren zu kompliziert, zu zerklüftet und damit
zu schwierig zu fördern. Jetzt sind unsere Techno­
logien und unser Verständnis besser, was eine gute
Sache ist, weil diese schwierigen Felder alles sind,
was wir übrig gelassen haben.36“
Die Überschreitung des Peaks hätte fatale Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, weil die Erdölpreise weltweit in die Höhe schießen würden. Auf den Märkten
würde sich Panik breit machen und es könnte zu strategischen „Hamsterkäufen“ kommen, die die Preise
noch weiter in die Höhe treiben. Wie wir oben gesehen
haben, hätte ein solcher Preisanstieg enorme Folgen
für unseren Alltag, da Erdöl direkt und indirekt in fast
allen Dingen steckt, die uns umgeben. Gerade weil der
Erdölpreis so wichtig ist, streiten sich vor allem zwei
Parteien um den Zeitpunkt des „Peak Oil“.
Auf der einen Seite stehen Agenturen, Wirtschaftsverbände, Unternehmen und Börsenmakler, die keine
Panik um die wahrscheinlich wichtigste Ressource
der Welt auslösen wollen. Sie prophezeien, dass wenn
es überhaupt einen Peak geben sollte, er frühestens
2035 überschritten wird. Sie hoffen, den Preis für Erdöl am Markt solange wie möglich niedrig halten zu
können. Auf diese Weise werden immer wieder die
Aussagen der internationalen Energie Agentur (IEA)
frisiert und das „Oil-Peak-Szenario“ heruntergespielt.
So wird z. B. davon gesprochen, dass es geologisch gesehen noch riesige Erdölvorkommen gibt – was auch
stimmt. Nur wäre die Förderung dieser Vorkommen in
Tiefsee und Arktis, aufgrund ihrer schlechten Lage
sehr teuer und dadurch unwirtschaftlich. Außerdem
entstehen bei Bohrungen auf diesen Teilen der Erde
große Risiken für die Umwelt. Ein Beispiel dafür ist die
Öl-Katastrophe von 2010 im Golf von Mexiko, bei der
eine Ölplattform, die Tiefseebohrungen durchführte,
in Brand geriet. In Folge dessen verunreinigten 800
Millionen Liter Erdöl die anliegenden Küsten und Meere. Die Katastrophe wird als schlimmste Umweltkatastrophe dieser Art eingestuft.
Dem entgegen stehen Organisationen, wie bereits
genannt: die IEA, verschiedene Wissenschaftler, die
Energy Watch Group (EWG) und einige fortschrittliche
Unternehmen. Diese Vertreter sind, was den Zeitpunkt des „Peak Oil“ angeht, weitaus pessimistischer.
In einer weltweiten Untersuchung zum Thema brachte die IEA 2010 endlich Klarheit in den Streit. In ihrem
wegweisenden Bericht dem „World Energy Outlook“
wurde bekannt gegeben, dass die weltweite Erdöl­
förderung wohl nie wieder das Level von 2006 über-
36 Gilbert, Jeremy: No, We Canʼt. Uncertainty, Technology and Risk. Vortrag auf der ASPO-USA 2010 Peak
Oil Konferenz, in Washington, DC, Oktober, 2010
steigen wird 37. Damit ist das globale Ölfördermaximum bereits überschritten. Die Ölfördermengen werden nun stetig abnehmen und letztendlich gegen null
gehen, auch wenn die Gegenseite von Erdölvorkommen in der Tiefsee schwärmt, die unwirtschaftliche
Auf-reinigung von Teersand vorschlägt und auf technische Innovationen in der Förderung hofft.
Was bleibt? Unsere Gesellschaft ist auf Erdöl an­
gewiesen und wir müssen einen Weg finden, um mit
dem Rückgang der Fördermenge auszukommen. Der
Hauptverbrauch von Erdöl liegt vor allem im Transportsektor (im Welthandel, sowie im Individualverkehr) und in der Herstellung von Gütern mit Erdöl­
anteil. Ein erstes Umdenken müsste in diesen beiden
Bereichen stattfinden. Der deutsche Paläontologe
Martin Langer bringt es auf den Punkt: „Wir müssen
mit der Ressource Erdöl wesentlich sparsamer umgehen als bisher. Denn wir sind viel stärker darauf angewiesen, als wir glauben.38“
Aufgabenstellung:
ºº Lest den Text in Ruhe durch und unterstreicht die
wesentlichen Fakten.
ºº Fertigt gemeinsam in der Gruppe ein Plakat an,
auf dem ihr den „Peak Oil“ erklärt und ein Leben
ohne Erdöl darstellt.
37IEA: World Energy Outlook 2010. S. 48. Im Internet
unter: http://www.worldenergyoutlook.org/media/
weo2010.pdf
38 Freund, Maike: 50 Jahre OPEC: Ein Alltag ohne Erdöl?
Unmöglich! Interview mit Martin Langer. 2010. Im
Internet unter: http://www2.evangelisch.de/
themen/wirtschaft/50-jahre-opec-ein-alltag-ohneerd%C3%B6l-unm%C3%B6glich23024
47
Kohle und Erdgas - wie wichtig sind diese beiden
Stoffe für unser Leben?
Kohle und Erdgas weisen eine ähnliche Entstehungsgeschichte auf. Wie Erdöl gehören Kohle und Gas zu
den fossilen Brennstoffen und sind vor Millionen von
Jahren entstanden. Der wichtigste Unterschied zwischen der Entstehung von Kohle und Erdgas ist das
Ausgangsmaterial. Während bei Kohle pflanzliche
Überreste in Mooren und Sümpfen versanken, lagerten sich bei der Bildung von Erdgas organische Reste
von Meerestieren am Grunde des Ozeans ab. Über die
jeweiligen Ausgangsstoffe bildeten sich im Laufe der
Jahrtausende dicke Gesteinsschichten, die den Druck
auf die Ausgangsmaterialien stark erhöhten. Ohne
Sauerstoff konnten die organischen Verbindungen
nicht verrotten und so kam es dazu, dass sich über
­einen sehr langen Zeitraum hinweg aus den pflanz­
lichen Überresten Kohle und aus den Ablagerungen
des Ozeans Erdgas bildete. Kohle wird für gewöhnlich
in Braun- und Steinkohle unterteilt. Steinkohle ist wesentlich älter als Braunkohle und weist bei der Verbrennung einen viel höheren Energiegehalt auf. Jedoch lagert sie auch in sehr viel tieferen Erdschichten
und ist damit schwieriger zu fördern. Da beide Kohlearten für die gleichen Dinge Verwendung finden,
werden sie im Folgenden nicht mehr unterschieden.
Während Kohle schon im Mittelalter bekannt war
und zum Kochen und Heizen verwendet wurde, konnte Erdgas erst ab den 1960er Jahren gefördert werden,
weil man für den Transport und die Verbrennung von
Gas ein ausgebautes Rohrleitungssystem benötigt.
Heutzutage werden beide fossilen Brennstoffe haupt-
Bruttostromerzeugung nach Energieträgern 2008
in Prozent
Kernkraft
23,3
Erdgas
13
6,3
4,2
3,6
0,6
5,4
Steinkohle
20,1
Wind
Wasser
Biomasse
Photovoltaik
Sonstige
Braunkohle
23,5
sächlich zur Stromgewinnung in Kraftwerken verfeuert. In Deutschland wird mehr als die Hälfte (56 %) des
erzeugten Stroms aus Kohle und Erdgas gewonnen
(siehe Diagramm).
Fossile Energieträger sind für unsere heutige
Stromversorgung also enorm wichtig. Ähnlich wie
beim Erdöl existiert auch bei Kohle und Erdgas die
Sorge, dass die Vorräte dieser Stoffe bald zur Neige gehen könnten. Aber wann? Und wie würde eine Welt
ohne Kohle und Erdgas aussehen?
Da aus Kohle und Gas hauptsächlich Strom gewonnen wird, muss man sich eine Welt vorstellen, in der
Elektrizität rar und kostbar ist. Die einzigen Quellen
für Strom wären Wind- und Wasserkraftanlagen, denn
auch Atomkraftwerke sind in ihrer Funktionsweise
stark auf eine lückenlose Stromversorgung angewiesen, die ohne Elektrizität aus Kohle und Gas nicht garantiert werden kann. Generell könnte eine Energiewirtschaft, die sich nur auf erneuerbare Energiequellen stützt, eine solche lückenlose Versorgung, wie wir
sie heute gewohnt sind, nicht leisten. Elektrizität wäre
also selten, teuer und eventuell nicht immer verfügbar. Wie würde unser Alltag damit aussehen? Rund
70 % des in Deutschland benutzten Stroms werden
für wirtschaftliche Zwecke, wie die industrielle Herstellung von Waren, Gewerbe, Handel und Dienst­
leistungen verbraucht 39. Das heißt in einem Alltag, in
dem der Strom sehr viel teurer wäre, würden auch
die Waren und Dienstleistungen sehr viel mehr kosten. In unseren Haushalten könnte man bei weitem
nicht mehr so viele Elektrogeräte benutzen. Auf Geschirrspüler, Waschmaschine, Wäschetrockner, Kühlschrank und jegliche Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik müsste verzichtet werden. Ebenso
müsste man für das Beheizen von Räumen und die
Erwärmung von Wasser auf andere Energien umsteigen und den Verbrauch stark einschränken.
Da Kohle und Gas ebenso wie Erdöl zu den fossilen
und damit zu den endlichen Energiequellen gehören,
wird ihr Vorrat bei zu hoher Nutzung irgendwann zur
Neige gehen. Experten und Wissenschaftler versuchen seit vielen Jahren abzuschätzen, wie lange man
auf Kohle und Erdgas noch zählen kann. Bei den
Schätzungen wird meist vom „globalen Fördermaximum“ gesprochen. Dabei geht es darum, wann der
mengenmäßige Höhepunkt (engl. = peak) der Förderung des jeweiligen Rohstoffes erreicht wird. Nach
­einem Peak würden die Fördermengen rasch abfal39 vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Energie in Deutschland. Trends und Hinter­
gründe zur Energieversorgung. Berlin, 2010, S. 18
48
Globale Kohle-Fördermengen
in Mio.t/Jahr
4000
3500
3000
2500
2000
1500
1000
500
0
1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 2060 2070 2080 2090 2100
len, bis sie letztendlich gegen Null gehen. Während
das Fördermaximum bei Erdgas in den meisten Ländern bereits überschritten wurde 40 und damit global
als rückläufig betrachtet wird, ist ein Fördermaximum
bei Kohle schwerer festzulegen. Da es sich bei Kohle
um eine Ressource handelt, deren Qualität sehr unterschiedlich sein kann, reicht es nicht, die Mengen zu
bestimmen, die gefördert werden. Die Qualität und
der Energiegehalt müssen im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen. Zwar soll in Zukunft mengenmäßig mehr Kohle gefördert werden, diese wird jedoch
von einer niedrigeren Qualität sein und damit weniger
Energie enthalten. Experten, die dies in ihre Prognosen mit einbeziehen, haben berechnet, dass der Kohle-Peak bereits 2011 überschritten wurde, auch wenn
in Zukunft noch mehr Kohle gefördert werden soll.
Es ist unbestritten, dass es weltweit noch riesige
Kohle- und Gasvorkommen (z. B. in Russland und den
USA) gibt, die zukünftigen Fördermengen werden jedoch rückläufig sein. Ein weiteres Problem ist, dass
die Energiereserven ungerecht verteilt sind. Die größten Energieverbraucher der Erde sind Nordamerika
und Europa. In vielen restlichen Teilen der Erde fehlt
es massiv an verfügbarer Elektrizität. Mit den nun
rückläufigen Förderraten ist es höchst unwahrscheinlich, dass die übrigen Entwicklungs- und Schwellenländer jemals europäische und amerikanische Energieverbrauchsraten erreichen können.
Deshalb liegen große Hoffnungen in den erneuerbaren Energien, das sind in Deutschland vornehmlich: Biomasse, Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft.
Wissenschaftler warnen jedoch vor unüberlegtem
­
Handeln, denn die erneuerbaren Energien werden die
fossilen Brennstoffe nicht in dem heutigen Ausmaß
40 s. Wikipedia: Tabelle: Gasfördermaximum nach
Ländern. Im Internet unter: http://de.wikipedia.org/
wiki/Erdgas/Tabellen_und_Grafiken#cite_noteBP-3
Quelle:
Energy Watch Group
ersetzen können 41! Auf der einen Seite kann aus den
„grünen“ Energiequellen nicht so viel Energie umgewandelt werden, wie aus fossilen Brennstoffen (der
Erntefaktor ist um ein Vielfaches kleiner). Auf der anderen Seite benötigen die Entwicklung, Herstellung
und Bereitstellung dieser Energiearten selbst ein so
hohes Maß an Energie, dass der letztliche Endbetrag
am Ende noch weiter minimiert wird.
Die Zukunft wird sich also schwieriger gestalten, als
zunächst angenommen wurde. Es bleibt abzuwarten,
ob unser jetziger luxuriöser Lebensstil aufrecht erhalten werden kann.
Aufgabenstellung:
ºº Lest den Text in Ruhe durch und unterstreicht die
wesentlichen Fakten.
ºº Fertigt gemeinsam in der Gruppe ein Plakat an,
auf dem ihr erklärt, was ein „Peak“ ist und wie ein
Alltag ohne Erdöl und Erdgas aussehen würde.
41 s. Heinberg, Richard: Searching for a Miracle. “Net
Energy” Limits the Fate of Industrial Society. 2009.
S. 61; Im Internet unter: http://www.postcarbon.
org/new-site-files/Reports/Searching_for_a_
Miracle_web10nov09.pdf
49
Wasser - die wahrscheinlich wichtigste Ressource
des Planeten
Unser Planet ist zu 70 % mit Wasser bedeckt. Von allen
Wassermassen, die auf der Erde existieren, sind nur
2,5 % Süßwasser. Wenn man sich nun die Süßwasservorkommen auf der Erde noch einmal verdeutlicht, ist
nur ein sehr kleiner Teil davon, nämlich ca. 1 % für den
Menschen nutzbar, denn das meiste Süßwasser steckt
in Gletschern und Schneemassen 42 .
Wasser ist lebensnotwendig. Da es einige der wichtigsten Grundbedürfnisse der Menschheit befriedigt,
zählt es zu den wichtigsten Ressourcen der Welt. Seit
einiger Zeit machen sich Wissenschaftler weltweit
Sorgen um die zukünftige Wasserversorgung. Es gibt
Tendenzen, aus denen hervorgeht, dass in vielen
­Teilen der Erde Flüsse in kritischer Weise überbeansprucht sind, dass Grundwasserspiegel sinken und
viele Wasservorkommen in empfindlichem Maße als
verschmutzt gelten 43. Laut dem vierten „Global Environment Outlook“ der UN werden im Jahr 2025 rund
1,8 Mrd. Menschen in Regionen mit absoluter Wasserknappheit leben. 2/3 der allgemeinen Weltbevölkerung werden laut dem Bericht unter ständigem „Wasserstress“ leiden. Das heißt, dass die betroffenen
Das Wasser der Erde
Süßwasser
2,5%
Wasser der Meere
97,5%
42 vgl. Freie Universität Berlin, Arbeitsgruppe Hydrogeographie: Globale Wasserbilanz, im Internet unter:
http://www.geo.fu-berlin.de/fb/e-learning/pg-net/
themenbereiche/hydrogeographie/wasserhaushalt_wasserbilanz/globale_wasserbilanz/index.
html
43 vgl. Heinberg, Richard: End of growth. Adapting to
our New Economic Reality. Gabriola Island, Canada,
2011, S. 125
50
Menschen fortwährenden in Ungewissheit leben, ob
ihnen genug Wasser für die Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse, für die Landwirtschaft, die Industrie oder
die restliche Umwelt bleibt 44.
Betrachtet man das Problem der zukünftigen Wasserknappheit, ist es wichtig zwischen Wasser­ent­
nahme und Wasserverbrauch zu unterscheiden. Die
Wasserentnahme umfasst alle Mengen an Wasser, die
einer Quelle (z. B. einem Fluss) entnommen werden
und nach der Benutzung wieder zurückgeleitet werden, während der Wasserverbrauch jene Mengen beschreibt, die bei der Nutzung verloren gehen (z. B.
durch Verdunstung). Der Colorado-River im Südwesten der USA ist ein gutes Beispiel dafür was geschieht,
wenn die Entnahme und der damit zusammenhängende Verbrauch stark steigen. Da die Bevölkerung im
Südwesten und vor allem in Städten wie Los Angeles,
Las Vegas und San Diego stark zunimmt, hat sich auch
die Wasserentnahme erhöht. Hinzu kommt, dass die
Schneemassen der Rocky Mountains, aus denen der
Colorado entspringt, durch den Klimawandel in den
nächsten Jahren um 40 % schrumpfen werden. Insgesamt sieht es für den wichtigsten Fluss der Region
nicht gut aus. Wird sich der derzeitige Trend fortsetzen, könnte der Colorado-River innerhalb der kommenden zehn Jahre austrocknen 45.
Vor einer ähnlichen Krise stehen drei Milliarden
Menschen in Südasien (nahezu die Hälfte der Weltbevölkerung). Sie sind abhängig vom Wasser der großen
Flusssysteme, die sich aus den schmelzenden Gletschern und Schneemassen des Himalaya-Gebirges
nähren: Ganges, Indus, Brahmaputra, Yangtse, usw.
Auch hier verringert der Klimawandel die Schneemenge unaufhaltsam und lässt uralte Gletscher
schrumpfen, unterdessen stellen das Bevölkerungswachstum und die Wirtschaftsexplosion in Asien immer höhere Anforderungen an die wichtigsten Wasserstraßen des Kontinents 46.
Während der voranschreitende Klimawandel Gletscher und Schneemassen schrumpfen lässt und an44 s. United Nations Environment Programme: Global
Environment Outlook 4, S. 115–156, im Internet unter:
http://www.unep.org/geo/GEO4/report/GEO-4_
Report_Full_en.pdf
45 vgl. Heinberg, Richard: End of growth. Adapting to
our New Economic Reality. Gabriola Island, Canada,
2011, S. 125 ff.
46 Ferrigno, Richard; Ferrigno, Jane: Galciers of Asia.
In: US Geological Survey Professional Paper 1386-F,
Washington, DC, 2010, im Internet unter: www.pubs.
usgs.gov/pp/p1386f/
Globaler Wasserverbrauch
in km3/Jahr
Globale Wasserentnahme
in km3/Jahr
4000
4000
3000
3000
2000
2000
1000
1000
0
0
1900
1925
1950
1975
2000
2025
wachsende Bevölkerungsmengen die Wasserentnahme aus Flüssen erhöhen, sind Landwirte in den USA
auf ein weiteres schwerwiegendes Problem im Zusammenhang mit der zukünftigen Wasserversorgung
gestoßen. In vielen unterirdischen Grundwasserspeichern der Welt, in denen riesige Grundwasservorkommen teilweise seit der letzten Eiszeit ruhen, sinken
zurzeit die Wasserstände. Das wohl erschreckendste
Beispiel ist das Absinken des Grundwassers im Ogallala-Grundwasserspeicher im Südwesten der USA. Der
Ogallala-Speicher erstreckt sich über acht Bundesstaaten und versorgt ca. 30 % der gesamten Landwirtschaft der USA mit Wasser. Die Farmer verzeichnen
seit Jahren fallende Grundwasserstände. In den letzten 50 Jahren sind die Wasserspiegel überall um 3 bis
18 Meter gesunken. In manchen Gegenden hat sich
das Grundwasser mehr als 30 Meter abgesenkt, sodass viele Farmer ihre Brunnen trocken gelegt haben
und ihr Wasser von anderen Brunnen holen mussten.
Der Hauptgrund dafür liegt bei der äußerst bewässerungsintensiven Landwirtschaft. Sollte der OgallalaGrundwasserspeicher weiter austrocknen, wird die
ansässige Bevölkerung starke Probleme in ihrer Trinkwasserversorgung bekommen 47.
Aber nicht nur Bevölkerung und Landwirtschaft
verbrauchen enorme und weiter steigende Mengen
an Wasser. Ein großer Teil wird ebenso von Industrie
und Energielieferanten benötigt. Zum Beispiel braucht
man für die Förderung von einem Liter Erdöl 1211 Liter
Wasser, weil die Bohrköpfe ständig gekühlt werden
müssen. Ebenso gibt es unzählige Beispiele für in­
dustrielle Verarbeitungsprozesse, bei denen enorme
Wassermassen gebraucht werden. Atomkraft- und
Kohlekraftwerke sind wahre Wasserfresser.
Daraus resultiert, dass sich weltweit die Konkurrenz (zwischen Bevölkerung, Landwirtschaft, Indus­trie
und Energiewirtschaft) um die Nutzung von Trinkwas-
1900
1925
1950
1975
2000
2025
ser erhöhen wird. Konflikte in wasserarmen Re­gionen
werden unvermeidbar sein, so wie zum Beispiel zurzeit eine Koalition von Ländern um Äthiopien gegen
uralte Vereinbarungen vorgeht, nach denen Ägypten
das Wassers des Nils nutzen darf. Potentielle Krisenherde liegen in Afrika, Südasien und in großen Teilen
der arabischen Welt. Es wird die Aufgabe der kommenden Generationen sein, eine gerechte Verteilung
der Ressource Wasser auf der Welt zu gewährleisten.
Aufgabenstellung:
ºº Lest den Text in Ruhe durch und unterstreicht
wesentliche Fakten.
ºº Erstellt ein Plakat, in dem ihr beschreibt, wie es
um eure Ressource bestellt ist und wie Wasser­
entnahme und Wasserverbrauch in den letzten
Jahren gestiegen sind.
47 Dennehy, Kevin: High Plains Regional Groundwater
Study. In: US Geological Survey. Fact Sheet FS-09100, 2000, im Internet unter: co.water.usgs.gov/
nawqa/hpgw/PUBS.html
51
Quelle:
UNEP
Die Ressource „Nahrungsmittel"
Wenn es darum geht Zivilisationen stabil zu halten,
Frieden zu gewährleisten und Wirtschaftswachstum
beizubehalten, sind Nahrungsmittel die wichtigste
„Ressource“. Hauptsächlich werden unsere Lebensmittel in landwirtschaftlichen Betrieben hergestellt,
die sich in den letzten 100 Jahren einem drastischen
Wandel unterworfen haben. Eine Folge des Wandels
ist die enorme, weltweite Ertragssteigerung. Während
im Jahr 1900 weltweit 400 Tonnen Getreide geerntet
wurden, stieg der Ertrag 2010 auf 2 Mrd. Tonnen 48.
Das Verhältnis von Landwirten und Bevölkerung ist
dabei sogar noch gesunken. Während zu Beginn des
20. Jahrhunderts 38 % der Bevölkerung in Deutschland Landwirtschaft betrieben, sind heute nicht einmal mehr 2 % in landwirtschaftlichen Betrieben tätig 49. Das heißt, immer weniger Menschen stellen immer mehr Lebensmittel her.
Weizenernte 1900,
USA
Quelle: http://
prairielakesjourneys­
twospirit.blogspot.
de/2011/02
Aber wie kam es zu dieser allgemeinen Ertragsteigerung? Die moderne Landwirtschaft läuft größtenteils automatisiert. Kraftstoffverbrauchende Maschinen pflügen, pflanzen, ernten, sortieren, verarbeiten
und transportieren Lebensmittel. Industrielle Landwirte können auf diese Weise viel größere Flächen bewirtschaften. Neben den großen Landmaschinen gibt
es eine breite Palette teilweise recht teurer Produkte,
die den Bauern die Arbeit erleichtern sollen: Futter,
Saatgut, Dünger, Pestizide, Herbizide, Antibiotika,
­sowie Kraftstoffe, elektrische Maschinen, Ersatzteile
und so weiter. Um 1900 musste ein Bauer für seine
­Arbeit, außer einigen grundlegenden Arbeitsgeräten,
keine weiteren Hilfsmittel kaufen. Dünger, Saatgut
und Futter wurden meist auf dem eigenen Hof hergestellt und jegliche Arbeiten wurden mit der Muskelkraft von Menschen oder Tieren bewältigt. Mittlerweile kann man die moderne Landwirtschaft als hoch­
gradig industrialisiert und technisiert bezeichnen.
48 s. Heinberg, Richard: The End of Growth. Adapting to
Our New Economic Reality., New Society Publishers,
Gabriola Island, 2011, S. 130
49 vgl. Deutscher Bauernverband: Situationsbericht
2011/2012, im Internet unter: http://www.situationsbericht.de/index.asp?seite=1&kapitel=2
52
Der Weg zum heutigen, üppigen Nahrungsmittel­
angebot hat jedoch tiefe Spuren hinterlassen. Inzwischen gibt es in fast allen Teilen der Erde große ökologische Probleme, z. B. mit der Versalzung von Böden,
der Abholzung von Wäldern, dem Verlust des Lebensraumes und der Artenvielfalt, mit Trinkwassermangel
in vielen Teilen der Welt und der Verschmutzung durch
Pestizide von Grundwasser und Böden 50. Die moderne Landwirtschaft hat unglaublich starke ökologische
Auswirkungen auf den Planeten und seine Ökosys­
teme. Ein wichtiger Faktor ist die enorme Nutzung von
Düngemitteln. Der Einsatz von Düngemitteln stieg
weltweit von 1960 bis 2000 um 500 % und trug wesentlich zur Versalzung und Überdüngung von Böden
bei 51. Auf lange Sicht gesehen könnte wichtiger Mutterboden unfruchtbar werden, sodass bedeutende
Ackerflächen verloren gehen würden. Die Landwirte
versuchen dem entgegen zu gehen, indem immer
mehr gedüngt wird. Die übertrieben benutzten Düngemittel, um immer größere Ernten einzufahren, gelangen über die Flüsse und das Grundwasser ins Meer
und stören uralte Nährstoffkreisläufe. Was entsteht,
sind riesige „tote Zonen“ in den Ozeanen, in denen so
gut wie nichts mehr lebt 52 .
Interessant hierbei ist, dass Dünger neben Stickstoff und Kalium hauptsächlich aus Phosphor besteht. Phosphor ist ein Mineral, das nur begrenzt auf
der Erde vorkommt und aus Phosphatgestein gewonnen wird. In den letzten Jahren sind die Fördermengen von Phosphat stetig gestiegen. In vielen Ländern
sind die Vorkommen jedoch bereits erschöpft und
in den restlichen Ländern gehen die Fördermengen
langsam zurück. Experten sprechen davon, dass der
Weizenernte 2011,
USA
Quelle:
http://www.bitquill.
net/blog/?p=17
50 s. United Nations Environment Programme: Global
Environment Outlook 4, 2007, S. 81–194, im Internet
unter: http://www.unep.org/geo/GEO4/report/
GEO-4_Report_Full_en.pdf
51 s. Earth Policy Institute: World Fertilizer Use 1960–
2004 (2005). Im Internet unter: http://www.earthpolicy.org/?/data_center/C24/
52 s. Diaz, Robert; Rosenberg, Rutger: Spreading Dead
Zones and Consequences for Marine Ecosystems.
In: Science, Vol. 321, Nr. 5891, S. 926–929, 2008
Globale Phosphorförderung
in Megatonnen/Jahr
200
150
100
50
0
1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050
Höhepunkt (engl. = Peak) der Phosphatfördermengen
weltweit 1989 überschritten wurde. Die Phosphatmengen, die nun abgebaut werden, werden immer
weniger, bis sie schließlich gegen Null gehen 53. Eine
Landwirtschaft ohne Phosphatdünger könnte nicht
mehr in dem jetzigen intensiven Stil betrieben werden. Nahrungsmittel könnten somit teurer werden
und eine weltweite Ernährungskrise könnte sich anbahnen. Es gab jedoch auch frühere Zeiten, in denen
auf natürliche Weise mit Phosphaten gedüngt wurde.
Zum Beispiel wurden tierische Exkremente oder Knochenmehl von geschlachtetem Vieh auf die Felder
­aufgebracht. Die Methoden der traditionellen (ökologischen) Landwirtschaft sind größtenteils in Vergessenheit geraten und werden weltweit nur noch selten
angewendet. Die Ernährungssysteme werden in vielen Ländern von einigen wenigen, internationalen
Konzernen dominiert, darunter sind Saatkonzerne,
Chemiefirmen, Landmaschinenhersteller sowie Lebensmittelgroßhändler, Supermarkt- und Fastfoodketten. Die Landwirte stehen unter einem enormen
Druck, da viele Betriebe hohe Kredite für Landmaschinen, Dünger, Pestizide, Antibiotika oder Futter aufnehmen mussten. Was bleibt, ist der Zwang noch intensivere Landwirtschaft zu betreiben.
Das jetzige Nahrungsmittelangebot, das es in den
westlichen industrialisierten Ländern gibt, ist wahrscheinlich das üppigste und reichhaltigste, das es
­jemals auf der Erde gab. Aber nicht nur in landwirtschaftlichen Betrieben werden die Auswirkungen
dieses Überflusses deutlich, sondern auch in den
­
Weltmeeren.
Fischarten wie Kabeljau, Sardinen, Schellfisch und
Flunder werden seit Jahrzehnten von Nordamerika
und Europa bevorzugt gegessen und gelten mittlerweile als vom Aussterben bedroht. Global gesehen
haben die Erträge der weltweiten Fischerei 1994 ihren
53 s. Déry, Patrick; Anderson, Bart: Peak Phosphorus
(2007), im Internet unter: http://theoildrum.com/
node/2882
Quelle:
Post carbon institute (2007)
Höhepunkt (Peak) überschritten und sind seitdem
rückläufig. Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern warnte im Jahr 2006, dass die globalen Vorkommen wildlebender, essbarer Meerestiere 2048 zur
Neige gehen werden, wenn sich die steilen Rückläufe
der marinen Arten im derzeitigen Tempo fortsetzen.
Bereits 2003 brachen die Populationen bei 29 % aller
Fischarten zusammen, d.h. die Fangmengen lagen
mindesten 90 % unter den historischen Fangmengen.
Die Raten in denen Populationen zusammenbrechen
steigen exponentiell. Der Fischereiexperte Boris Worm
warnte: „Unsere Kinder werden in einer Welt ohne
Meerestiere leben, wenn wir nichts ändern 54.“
Nach einer neueren Studie erholen sich viele Fischarten nur sehr schwer. Nach 15 Jahren Schutzbemühungen, haben viele Populationen ihre Zahl nur
schwach erhöht. Zum Beispiel gelang bei Kabeljau
eine Erholung der Bestände überhaupt nicht 55.
Abschließend lässt sich festhalten, dass Ökosysteme in den Weltmeeren und im Boden gleichermaßen
durch diese enorme und nicht nachhaltige Bewirtschaftung heftige Schäden erleiden. Wenn sich dieser
Trend fortsetzt, stehen der Menschheit große Pro­
bleme bevor, zukünftige Generationen zu ernähren.
Aufgabenstellung:
ºº Lest euch den Text in Ruhe durch und unterstreicht
die wesentlichen Fakten.
ºº Erstellt in der Gruppe ein Plakat, auf dem ihr
darstellt, wie es um die Ressource „Nahrungsmittel“
bestellt ist und was „Peaks“ damit zu tun haben.
54 Eilperin, Juliet: Worldʼs Fish Supply Running Out,
Researchers Warn (2006). Im Internet unter: http://
www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/
article/2006/11/02/AR2006110200913.html
55 Podger, Corinne: Depleting Fish Stocks (2000). Im
Internet unter:http://www.bbc.co.uk/worldservice/
sci_tech/highlights/000825_fish.shtml
53
Metalle - Ressourcen, um die sich niemand
Sorgen macht
Metalle sind für die Welt, wie wir sie kennen, unglaublich wichtig. Ohne Metalle würden moderne Volkswirtschaften nicht funktionieren. Sie werden zur Energiegewinnung benötigt – in Turbinen, Hochöfen und
Kraftwerken. Ohne Metalle würde es wohl keine herstellende oder verarbeitende Industrie geben – Werkzeuge, Maschinen und Baustoffe würden fehlen.
Ebenso sind sie unerlässlich für die Herstellung aller
möglichen Fahrzeuge und Transportmittel. Selbst
der Straßenbau ist auf metallische Verbindungen angewiesen. Sämtliche Leitungen, die unsere Zivilisationen am Leben erhalten sind aus Metallen: Stromleitungen, Gasleitungen, Internetkabel, Rohrleitungen
und vieles mehr.
Mit Beginn der Metallverarbeitung begann der vermeintliche Aufstieg der Menschheit. In der Jungsteinzeit waren die meisten Menschen noch Jäger und
Sammler. Einige Gruppen wurden sesshaft und begannen Landwirtschaft zu betreiben. In der darauffolgenden Bronzezeit wurden erstmalig Metalllegierungen hergestellt. Die frühzeitlichen Kulturen standen
nun vor der Aufgabe, die Metallverarbeitung zu organisieren. Das führte zu gravierenden Veränderungen
in der Gesellschaftsstruktur. Durch die Beherrschung
der Ressourcen bildete sich in vielen Kulturen eine
Oberschicht heraus. In der Bronzezeit war es erstmals
möglich, Reichtum anzuhäufen. Bronzebarren waren
das anerkannte Zahlungsmittel. Archäologen fanden
jedoch nicht nur Überreste einer Palastkultur, welche
ein Zeichen für die Bildung einer herrschenden
Schicht sind, sondern erstmals wurden auch Schwerter und Befestigungsanlagen gefunden. Das lässt darauf schließen, dass es im Gegensatz zur Jungsteinzeit
nun vermehrt zu kriegerischer bzw. räuberischer Auseinandersetzungen kam 56.
Wenn man sich näher mit Metallen beschäftigen
möchte, gilt es zunächst festzustellen, dass Metalle
zu den nicht erneuerbaren Ressourcen gehören. Das
heißt, sie sind vor Jahrmillionen entstanden und egal
welche Mengen abgebaut werden, das weltweite Vorkommen kann sich nur noch verkleinern. Wissenschaftler, die sich mit Bergbau beschäftigen, sind stets
daran interessiert, vorauszusagen, wie lange bestimmte Vorkommen noch reichen werden bzw. wie
lange es noch wirtschaftlich ist, bestimmte Bestände
abzubauen. Bei ihren Vorhersagen gibt es eine wich­
tige Größe, das sogenannte Fördermaximum, auch
englisch „Peak“ genannt. Bei einem Peak geht es darum vorauszusagen, wie lange die Abbauraten noch
56 Bick, Almut: Die Steinzeit. Theiss, Stuttgart 2006,
S. 108 ff.
54
steigen werden, bis die Bestände maximal verbraucht
sind. Nach einem Peak gehen die Fördermengen rasch
zurück, weil nur noch kleinere, schwer erreichbare
oder qualitativ minderwertige Vorkommen übrigbleiben. Bekannt ist das Peak-Szenario aus der Erdöl­
forschung. Experten sagen hier seit den 1970er Jahren
das Ende der globalen Erdölvorkommen vorher. Doch
auch bei vielen Metallen ist die Nutzung in den letzten
Jahrzehnten so stark angestiegen, dass immer grö­
ßere Mengen gefördert werden und die Vorkommen
so immer weiter abnehmen.
Im Folgenden sollen Beispiele von Metallen betrachtet werden, die zeigen, wie stark die gesteigerte
Nutzung die weltweiten Reserven bereits angegriffen
hat.
Uran ist ein radioaktives Metall, das von der
Menschheit hauptsächlich zur Energieerzeugung in
Kernkraftwerken und zur Herstellung nuklearer Waffen genutzt wird. Uran ist, global gesehen, ein sehr
wichtiger, fast unverzichtbarer Faktor in der Energieversorgung. 2006 untersuchte die internationale
„Energy Watch Group“ die weltweiten Uranbestände
und gab bekannt, dass selbst im optimistischsten
Szenario der weltweite Uranpeak ca. 2040 überschritten wird 57. Wenn jedoch eine unerwartet große Zahl
neuer Atomkraftwerke ans Netz gehen sollte, z. B.
wenn die weltweiten Kohle- und Erdgasvorräte knapp
werden sollten, wird der Peak für die Uranförderung
wesentlich früher erreicht sein.
Während Uran ein eher bekanntes Metall darstellt,
gibt es viele Metalle, die zu den sogenannten „sel­
tenen Erden“ gezählt werden. Dabei handelt es sich
um Stoffe mit sehr ausgefallenen Namen, wie Yttrium,
Dysprosium oder Promethium. Sie kommen, global
betrachtet, nur selten vor und es gibt kaum größere
Vorkommen. Vor allem in der High-Tech-Industrie sind
die seltenen Erden sehr wichtig. Durch ihre besonderen Eigenschaften sind sie unersetzbar für neue Technologien in Flachbildfernsehern, medizinischen Geräten oder Katalysatoren. Ebenso profitiert die Branche
der „grünen Energien“ von den Eigenschaften der
­seltenen Erden, sie werden z. B. in Windkraftanlagen,
Energiesparlampen und Batterien für Elektroautos
verwendet. Die Elemente der seltenen Erden werden
immer wichtiger für den technologischen Fortschritt,
doch die Vorkommen nehmen ständig ab. Da China
57 Energy Watch Group: Unranium Resources and
Nuclear Energy, Dezember 2006, S. 15, im Internet
unter: http://www.energywatchgroup.org/
fileadmin/global/pdf/EWG_Report_Uranium_3-122006ms.pdf
Globale Uran-Fördermengen
in Kilotonnen/Jahr
100
80
60
40
20
0
1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 2060 2070 2080 2090 2100
97 % der seltenen Erden weltweit fördert, gibt es keine Angaben darüber, wie lange die Versorgung noch
stabil ist. Mittlerweile werden auch immer wieder
­verschiedene Aussagen der chinesischen Regierung
öffentlich, wie lange das Land noch gewillt ist, die
kostbaren Erden in andere Länder zu exportieren 58.
Ein weiteres unbekanntes Metall ist Gallium, das in
zahlreichen Displays Verwendung findet. Egal, ob es
sich um Handy-, Fernseher-, oder Laptopbildschirme
handelt, Gallium ist für die LCD-Technologie unersetzbar. Das Metall ist ebenso unerlässlich für die Beschichtung in Solaranlagen und ist damit ein wich­
tiger Teil der umweltfreundlichen Stromerzeugung.
Gerade weil Gallium so wichtig ist, beschäftigen sich
Experten der Uni Augsburg seit Jahren mit den Fördermengen des Gallium-Bergbaus. Mit dem explo­
sionsartigen Anstieg der Nutzung von Gallium für z. B.
LCDʼs in den letzten zehn Jahren, nahmen die Gallium-Reserven in kritischer Weise ab. Die Experten prognostizieren, dass ca. 2017 alle existierenden Quellen
erschöpft sein werden 59.
In der Realität gibt es mehrere Möglichkeiten der
Erschöpfung einer bestimmten Ressource entgegen
zu wirken: 1. Man steckt mehr Energie in die Förderung. Das heißt, man sucht an tieferen und schlechter
erreichbaren Stellen. Damit steigt der Preis. 2. Man
ersetzt die fehlende Ressource mit einem ähnlichen
oder verwandten Soff. Das ist jedoch nicht immer
möglich. 3. Man recycelt die bisher verwendeten Men-
Quelle:
Energy Watch Group 2006
gen. Aber nicht alle Stoffe lassen sich recyceln und bei
jedem Recyclingvorgang verliert der Ausgangsstoff an
Qualität, deshalb sprechen Experten auch von „downcycling“.
Zum Abschluss bleibt festzuhalten, dass die reichhaltige und umfassende Nutzung von Metallen, wie
sie zurzeit in den industrialisierten Ländern stattfindet, niemals für den gesamten Planeten möglich sein
wird. Die Reserven nehmen ab, ohne dass die ge­samte
Weltbevölkerung die Möglichkeit hatte sie zu nutzen.
Da viele nicht erneuerbare Ressourcen auf unserem
Planeten genutzt werden, überlegen Experten bereits, ob die Menschheit einem „Peak Everything“ entgegengeht.
Aufgabenstellung:
ºº Lest euch den Text in Ruhe durch und unterstreicht
wesentliche Fakten.
ºº Erstellt ein Plakat, auf dem ihr darstellt, wie es um
eure Ressource bestellt ist und was „Peaks“ damit
zu tun haben.
58 US-China Economic and Security: Chinaʼs Rare
Earths Industry and its Role in the International
Market, 2010, S. 1ff., im Internet unter: http://www.
uscc.gov/researchpapers/2011/RareEarthsBackgrounderFINAL.pdf
59 Cohen, David: Earthʼs natural wealth, 2007, im
Internet unter: http://www.science.org.au/nova/
newscientist/027ns_005.htm
55
3.1.4 M4 - Lösungsansätze
57
1. Anders leben
„Das gute Leben"
„Das gute Leben“ (span. = Buen vivir) ist ein Konzept aus Südamerika, in dem ein Zukunftsmodell
entworfen werden soll, das sich jenseits von wirtschaftlichem Wachstum befindet. Aus den Urvölkern
des Kontinents kommen Ideen, die es seit vielen tausenden Jahren gibt. Es geht darum, in respektvollem Umgang mit der Umwelt zu leben. Die Gesellschaft soll sich davon entfernen, den Menschen
als Mittelpunkt der Erde zu sehen. Vielmehr muss die Natur im Mittelpunkt stehen und alle Anstrengungen müssen ihr gewidmet sein.
„Das gute Leben“ soll jedoch ebenso die Bedürfnisse der Menschen erfüllen. So ruft die neue
­Lebensphilosophie zur Gemeinschaft auf. Die Menschheit soll in Harmonie und Solidarität zusammenleben. Es soll kein Wettkampf, kein Profitstreben und keine Ungerechtigkeit geben. Frieden und
Gleichheit sollen die obersten Ziele der Gemeinschaft sein.
„Das gute Leben“, wie es sich die Urvölker Lateinamerikas vorstellen, braucht jedoch auch ein
­anderes Wirtschaftssystem. Die immer noch bestehende Abhängigkeit und Unterdrückung der ehemaligen Kolonialmächte müsste beendet werden. Eine Abkehr vom Kapitalismus und der damit einhergehenden Ressourcenausbeutung wäre unabdingbar, um im Einklang mit der Natur zu leben 60.
Ecuador ist das erste Land der Welt, das die Idee des „guten Lebens“ in seine Verfassung aufgenommen hat. Viele Menschen versuchen nun gemeinsam erste konkrete Veränderungen umzu­setzen,
um die Idee zu realisieren. So gibt es erste Pläne, Erdölvorkommen in einem wichtigen Naturschutzgebiet nicht zu fördern und stattdessen im Boden zu belassen. In einigen Lebensgemeinschaften werden Geld und Land gemeinsam verwaltet, was zu einem solidarischen Umgang mit Mensch und Natur
führt. Vielerorts findet eine Rückbesinnung auf die traditionelle Landwirtschaft der Urvölker statt –
man nimmt der Natur nur das, was man wirklich braucht und dankt ihr dafür.
Es gibt auf der gesamten Welt viele verschiedene Ideen und Konzepte zum „guten Leben“. In jeder
Gemeinschaft, in jeder Region und in jeder Situation sieht das „gute Leben“ anders aus. Wichtig ist,
dass die Menschen sich gemeinsam überlegen, was für sie das „gute Leben“ ist und wie man es erreichen kann.
Alberto Acosta, ein hoher Politiker aus Ecuador, drückte es so aus: „Nur wenn wir uns eine andere
Welt vorstellen können, sind wir in der Lage sie zu verändern!“
Aufgabenstellung:
ºº Lest den Text in Ruhe durch.
ºº Inwieweit unterscheidet sich dieser Lösungsansatz von eurem?
ºº Was haltet ihr von diesem Ansatz? Ist das überhaupt eine „Lösung“?
60 Acosta, Alberto: „Das „gute Leben“ – eine Entwicklungsidee aus Lateinamerika“, öffentlicher Vortrag am
21.05.2012, in der Mönchebergstraße 5, Universität Kassel
58
2. Anders konsumieren
„Weniger Kaufen"
Nico Peach ist ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler, der sich schon lange damit beschäftigt, wie
eine moderne und nachhaltige Wirtschaft aussehen könnte. Er ist ein Vertreter der sogenannten
„Postwachstumsökonomie“, d. h. er strebt ein Wirtschaftssystem an, das auch ohne Wirtschaftswachstum stabil funktioniert und vor allem umweltverträglich ist.
Die Hauptidee dieser nachhaltigen Entwicklung ist die Kunst der Reduktion. Der Lebensstil soll von
der globalen Produktion und der Fremdversorgung unabhängig sein. Die Bedürfnisse der Menschen
sollen durch Handwerk, Eigenarbeit, Selbstversorgung und soziale Netzwerke befriedigt werden. Natürlich könnte unsere heutige, luxuriöse Lebensweise so nicht gewährleistet werden, was bedeutet,
dass man schlicht und ergreifend auf einige Luxusgüter verzichten müsste. Nico Peach beginnt seine
Vorträge zur „Postwachstumsökonomie“ darum stets mit der Frage: „Welchen Plunder würden Sie
über Bord werfen? Worauf könnten Sie verzichten?“
Man stelle sich also eine Welt vor, in der nicht mehr im heutigen Sinne konsumiert bzw. eingekauft
wird. Man würde die wichtigsten Dinge in Eigenarbeit herstellen, in gemeinsamen Gärten Obst und
Gemüse anbauen oder die handwerklichen Fähigkeiten in der Gemeinschaft teilen. Generell müsste
ein Leben, in dem es nicht mehr hauptsächlich um die Ansammlung von Luxusgütern geht, als Tauschgesellschaft ausgelegt sein. In Nachbarschaftstauschringen, sozialen Netzwerken oder auf VerschenkMärkten könnte man diese Dinge tauschen.
Im Allgemeinen würde eine solche Art des Wirtschaftens weniger Geld von den Menschen verlangen, man müsste weniger arbeiten gehen und hätte mehr Zeit für die oben genannten Tätigkeiten.
Aus dem eingeschränkten Konsum würde dann auch die Stagnation des Wirtschaftswachstums re­
sultieren – die Wirtschaft würde nicht weiter wachsen. Des Weiteren würde eine stückweite Deglobalisierung stattfinden, weil die meisten Dinge dann in der lokalen Gemeinschaft produziert und kon­
sumiert würden. Damit würde man das Klima und die Umwelt unterstützen, weil nicht mehr so viel
Energie, Transportwege und Verarbeitungsschritte nötig wären, um die Bedürfnisse der Menschen zu
befriedigen. Nico Peach ist sich sicher, dass viele Menschen diese einfachere Art des Lebens sehr begrüßen würden, denn für ihn kommt der gesellschaftliche Zwang zur materiellen Selbstverwirk­
lichung der Hetze in einem Hamsterrad gleich 61.
Aufgabenstellung:
ºº Lest den Text in Ruhe durch.
ºº Inwieweit unterscheidet sich dieser Lösungsansatz von eurem?
ºº Was haltet ihr von diesem Ansatz? Ist das überhaupt eine „Lösung“?
61 Peach, Nico: Die Legende vom nachhaltigen Wachstum. Ein Plädoyer für den Verzicht. Im Internet unter: http://
www.monde-diplomatique.de/pm/2010/09/10/a0065.text.name,n,0
59
3. Anders arbeiten
Glücklicher sein - weniger arbeiten
In vielen Ländern der Welt gibt es wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema „Glück“ und „Wohlbefinden“. Forscher versuchen seit vielen Jahren heraus zu finden, wann Menschen glücklich sind. Es
wurde schnell klar, dass nicht nur Reichtum und Besitz über das individuelle Lebensglück entscheiden, sondern dass ein paar andere Faktoren durchaus wichtiger sein können. So stellte sich heraus,
dass Menschen, die neben der Befriedigung der Grundbedürfnisse auch Zeit für Beziehungen, Familie, Selbstverwirklichung und gesellschaftliches Engagement hatten, am glücklichsten waren. Im internationalen Vergleich fällt auf, dass die Einwohner der reichen Industrienationen nicht glücklicher
sind, als Menschen in Costa Rica, Nicaragua oder Kolumbien. Es ist sogar teilweise so, dass ab einem
Jahreseinkommen von 20.000 US-$ die Lebenszufriedenheit nicht mehr merklich ansteigt 62. Wissenschaftliche Studien zeigen deutlich, dass die Mehrzahl der Menschen in industrialisierten Ländern
aktiv und im hohen Maße gegen ihr persönliches Glück handeln. Die enorm hohen Arbeitszeiten und
der übermäßige Konsum bereiten nur wenig oder allenfalls einen äußerst kurzen Glückszuwachs.
Die Erwerbsarbeit ist jedoch ebenso wichtig, für das Thema „Glücklichsein“. Ob ein Mensch Arbeit
hat oder nicht entscheidet direkt über die individuelle Lebenszufriedenheit. Arbeitslos zu sein wird
von vielen Personen als sehr negative Erfahrung beschrieben. Der Beruf ist also wichtig, um persönliches Glück zu finden. Ebenso verhelfen uns aber auch andere Aktivitäten zu allgemeinem Wohl­
befinden: Zeit mit der Familie, mit dem Partner oder Freunden verbringen, anderen Menschen helfen,
sich sozial engagieren, kulturelle Unternehmungen und außerberufliche Selbstverwirklichung. Dies
ist jedoch aufgrund zu hoher Arbeitszeiten oft nicht möglich. In vielen Universitäten im deutschsprachigen Raum hat sich ein Arbeitsmodell entwickelt, das „Halbtagsgesellschaft“ genannt wird. Dort
arbeitet jeder Mensch nur noch die Hälfte des Arbeitstages und würde den Rest der Zeit in den Tätigkeiten (siehe oben) arbeiten, die im heutigen Arbeitsleben keine Beachtung oder Anerkennung finden. In diesem Modell, das hier nicht in voller Gänze erläutert werden kann, hätten alle Menschen
Arbeit, weil die vorhandene Arbeitszeit auf mehr Menschen verteilt würde. Das Wirtschaftswachstum
wäre wahrscheinlich rückläufig, weil die Menschen mit weniger Arbeitsstunden weniger Lohn verdienen würden. Es könnte nicht mehr so viel konsumiert werden, dafür wäre Zeit für Tätigkeiten, die
nachweislich glücklicher machen.
Aufgabenstellung:
ºº Lest den Text in Ruhe durch.
ºº Inwieweit unterscheidet sich dieser Lösungsansatz von eurem?
ºº Was haltet ihr von diesem Ansatz? Ist das überhaupt eine „Lösung“?
62 NEF – New Economics Foundation: A Well-Being Manifesto for a Flourishing Society. S. 7 ff. Im Internet unter:
http://www.neweconomics.org/sites/neweconomics.org/files/A_Well-Being_Manifesto_for_a_Flourishing_
Society.pdf
60
4. Anders wirtschaften
Solidarische Ökonomie
Eine Idee, um in der Zukunft verantwortungsvoller mit der Umwelt und den Ressourcen umzugehen,
kommt aus der Umweltbewegung der 1970er/1980er Jahre – das Konzept der „solidarischen Ökonomie“. Im Mittelpunkt stehen dabei die Begriffe: „Ökonomie“ (System zur Befriedigung menschlicher
Bedürfnisse) und „Solidarität“ (Zusammengehörigkeitsgefühl verschiedener Menschen, das sich in
gegenseitiger Hilfe äußert).
Im Grunde genommen geht es darum sich in Gemeinschaften zusammen zuschließen und gemeinschaftlich zu leben und zu wirtschaften. Im Vordergrund stehen dabei die gemeinsamen festgelegten
Werte der Gruppe, z. B.: Demokratie (jeder darf mitbestimmen, keine Hierarchien), Geschlechtergerechtigkeit, Umweltschutz, Internationale Solidarität (z. B. fairer Handel) und Unterstützung sozial
Benachteiligter. Meist stellen Kooperativen eigene Produkte her, die zu solidarischen Preisen verkauft
werden. Dabei steht nicht Profitmaximierung im Vordergrund, sondern die Produktion guter und umweltfreundlicher Waren. In der „Kommune Kaufungen“ (Nordhessen) wird z. B. Obst, Gemüse, Honig,
Blumen und Fleisch unter ökologischen Anforderungen produziert und die umliegende Bevölkerung
profitiert von der ökologischen Landbauweise und den gesunden Produkten.
Doch „solidarische Ökonomie“ ist kein deutsches Phänomen. Auf der ganzen Welt gibt es Bewegungen, die sich von der kapitalistischen Produktionsweise abgrenzen. In Brasilien gibt es sogar eine
eigene Behörde für solidarische Genossenschaften. In Venezuela wurde das Wirtschaften in Kooperativen bereits in der Verfassung verankert und in Argentinien übernahmen nach der Wirtschaftskrise
2001 zahlreiche Fabrikbelegschaften selbst ihre geschlossenen Fabriken.
Gemeinschaftliches und solidarisches Wirtschaften kann eine Alternative zum kapitalistischen
und auf Wachstum ausgelegten Wirtschaftsystem darstellen. Indem bedacht, reflektiert und demokratisch mit Umwelt und Mensch umgegangen wird, können gemeinsam neue Wege von einer globalen in eine lokale Ökonomie gegangen werden 63.
Aufgabenstellung:
ºº Lest den Text in Ruhe durch.
ºº Inwieweit unterscheidet sich dieser Lösungsansatz von eurem?
ºº Was haltet ihr von diesem Ansatz? Ist das überhaupt eine „Lösung“?
63 Weitere Informationen unter: Giegold, Sven; Embshoff, Dagmar: „Solidarische Ökonomie“. Im Internet unter:
http://www.solidarische-oekonomie.de/index.php?option=com_content&task=view&id=32&Itemid=63
61
5. Anders mit Geld umgehen
„Das bedingungslose Grundeinkommen"
„Das bedingungslose Grundeinkommen“ ist ein Finanzierungsmodell, das global entstanden ist und
in einigen Regionen der Welt bereits getestet wurde. Die Idee sieht vor, dass jeder Mensch eine „existenzsichernde Summe“ Geld im Monat vom Staat bekommen soll. Für Deutschland gelten z. B. 1000
Euro als existenzsichernd. Das Geld soll monatlich an jeden Bürger des Staates gehen, unabhängig
der individuellen wirtschaftlichen Lage. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass jeder Mensch
an den Gesamteinnahmen der Gesellschaft beteiligt ist. Da sich die Bedürftigkeitsprüfung für jeden
einzelnen Bürger erübrigen würde, könnte ein riesiger Teil der kostenaufwändigen, sozialstaatlichen
Verwaltung entfallen.
Es gibt jedoch viele Skeptiker, die das Modell des bindungslosen Grundeinkommens kritisch s­ ehen.
Die Hauptsorge bezieht sich auf das Verhältnis der Menschen zur Erwerbsarbeit. Gerade Menschen in
schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen könnten sich aus der Arbeitsgesellschaft zurückziehen, da
ihnen das Grundeinkommen ihre Existenz sichern würde. Wo kämen wir hin, wenn jeder das arbeiten
könnte, was er gerne würde?
Und hier kommt die gewagte These, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen zu einer nachhaltigen Entwicklung führen könnte. Natürlich würden die Menschen, die sich in Ihrem Beruf ausgebeutet fühlen, nicht mehr zur Arbeit gehen und wahrscheinlich erst einmal lange Zeit entspannen.
Natürlich würden viele Konsumgüter ohne billige Arbeitskräfte nicht mehr zu den günstigen Preisen
produziert werden können. T-Shirts für 5 Euro und MP3-Player für 10 Euro wären dann Vergangenheit.
Der Konsum würde sich ziemlich stark ändern. Dadurch, dass viele Menschen dann nicht mehr zur
Arbeit gingen, würde viel Zeit für andere Dinge entstehen. Die positivste Vision wäre, dass die Leute
Zeit für ehrenamtliches Engagement hätten, für Arbeit in der Gesellschaft, im Umweltschutz und in
der eignen Familie, zur Pflege der Alten und Kranken und zur Betreuung und Bildung der Kinder. Man
wäre nicht mehr auf die konventionelle Erwerbsarbeit angewiesen, das Weltbild würde sich ändern.
Die Entschleunigung in den Köpfen und die Existenzsicherung könnten dazu führen, dass neue Wege
gedacht und letztendlich vielleicht gegangen werden.
In Brasilien, Alaska, Namibia und der Mongolei gab es bereits erste Bemühungen, ein bedingungsloses Grundeinkommen in die Realität umzusetzen. Erste Erfolge gab es in einer armen Testregion in
Namibia. Nach einem halben Jahr der Durchführung sanken bereits die Zahlen der Unterernährten,
der Arbeitslosen, der Schulabbrüche und die Kriminalitätsrate.
Aufgabenstellung:
ºº Lest den Text in Ruhe durch.
ºº Inwieweit unterscheidet sich dieser Lösungsansatz von eurem?
ºº Was haltet ihr von diesem Ansatz? Ist das überhaupt eine „Lösung“?
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3.1.5 M5 - Wandbild
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Anmerkung:
Alle Online-Quellen wurden noch einmal zum
Redaktionsschluss am 19.06.2012 geprüft.