Faschismus
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radiosuedtirol.eu Faschismus Der Untergang vom Faschismus im 21 Jahrundert noch Gesprächsstoff.Wovon man spricht,das lebt. Der Todestag Benito Mussolinis jährt sich am 28. April zum 70. Mal. Die gründliche historische Aufarbeitung der Verbrechen des faschistischen Regimes hat in Italien aber erst in den 1990er-Jahren begonnen - und steht in vielen Bereichen und Regionen noch aus. "Benito Mussolini - der größte Staatsmann aller Zeiten." "Ich bin Faschist - und stolz darauf!" "Menschen sterben - aber nicht Ideen." "Mussolini hat den Sozialstaat geschaffen Renzi demontiert ihn." "Glauben, gehorchen, kämpfen!" "Faschisten müssen Menschen ihrer Zeit sein - wir tolerieren keine Nostalgiker" Die Bewunderung für und der Kult um Benito Mussolini ist in Italien auch 70 Jahre nach seinem Tod noch weit verbreitet, nicht nur bei Älteren. Es reichen ein paar Klicks, und man begreift, dass es nicht nur ein paar Nostalgiker, Geschichtsvergessene, Irre sind, die den "Duce" verehren. Die Facebook-Seite "I Giovani Fascisti Italiani" – die jungen italienischen Faschisten – gefällt rund 140.000 Menschen. Dort sieht man Fotos von Mussolini, gern auch zusammen mit Adolf Hitler, dort wird eine vermeintlich glorreiche Vergangenheit beschworen. Für die heutige Politik haben die "Giovani Fascisti Italiani" nichts als Verachtung übrig. Sie sind offen fremdenfeindlich – und sie haben sogar das "Like"-Zeichen von Facebook neu gestaltet: aus dem Daumen nach oben wird der sogenannte "römische Gruß", der erhobene rechte Arm, in Facebook-Blau. http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24 radiosuedtirol.eu "Leider kann jeder seine Gesinnung frei ausleben, ohne auf Hindernisse zu stoßen. Das ist ein Beweis dafür, wie niedrig das Niveau der Überwachung ist und dass es die Neigung gibt, diese Art von Straftaten zu tolerieren. Ich halte das wirklich für inakzeptabel." Laura Garavini sitzt für die Regierungspartei Partito Democratico im italienischen Parlament. Wenn man sie in ihrem Büro besucht, erzählt sie von ihren Versuchen, gegen die neofaschistischen Umtriebe vorzugehen. Dabei ist die Lage juristisch gesehen eigentlich klar: Schon 1952 wurde in Italien ein Gesetz erlassen, das die Verherrlichung des Faschismus zur Straftat erklärt. Obwohl immer mal wieder ein Italiener verurteilt wird, der den rechten Arm zum "Römischen Gruß" hebt: Neofaschisten haben ziemlich freie Bahn in einem Land, in dem das Regime Mussolinis schlimme Verbrechen begangen hat. Das Gesetz von 1952, so sagen Experten, hatte vor allem das Ziel, die Neugründung der Faschistischen Partei zu verhindern. Aber auf den Seiten der Giovani Fascisti wirbt auch die Bewegung "Faschismus und Freiheit", Untertitel "Sozialistische Nationale Partei". Symbol der Bewegung, die es bisher nicht ins Parlament geschafft hat, ist der Fascis, das Liktorenbündel mit dem Beil, das Mussolini in den 20er-Jahren zum Parteisymbol machte. Mehr Faschismus geht nicht. "Was neu ist, ist die Art und Weise, wie der Faschismus in den Medien, zum Beispiel im Internet, gezeigt wird. Hier gibt es in der letzten Zeit einen starken Zuwachs – und leider eine extrem schwache Antwort der Justiz." Mussolini-Kult in Italien Der Faschismus wird längst nicht nur im Internet verherrlicht. Mitten in Rom – vor dem Olympiastadion – steht der steingewordene Mussolini-Kult. Schon von weitem sieht man den großen, strahlendweißen Obelisken mit der Aufschrift "MUSSOLINI DUX". Dux, das ist der Duce, der Führer. Jedes Wochenende kommen hier zehntausende Fans vorbei. Auf dem Weg zum Stadion können sie auch noch faschistische Bodenmosaike bewundern, die den Duce huldigen. Vor ein paar Jahren erst wurde die Anlage gründlich renoviert. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Faschismus aber findet nicht statt. Keine historische Einordnung, kein Hinweis auf die Verbrechen des Faschismus. Nichts. Zum 70. Jahrestag der Befreiung Italiens, am 25. April, hat Parlamentspräsidentin Laura Boldrini den Vorschlag gemacht, den Mussolini-Schriftzug auf dem Obelisken zu entfernen. Die Folge war ein Shitstorm. "Mir scheint es ein Zeichen der Stärke zu sein, das sage http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24 radiosuedtirol.eu ich als Bürger und nicht als Historiker, dass ein Land, bis zu einem gewissen Grad, nicht die Spuren der Vergangenheit vernichtet. Anderseits: Vielleicht ist das, was als Stärke erscheint, auch das Symptom einer gewissen Oberflächlichkeit in der Art und Weise, wie Italien in den letzten Jahrzehnten mit seiner Geschichte umgegangen ist." Sergio Luzzatto, Geschichtsprofessor in Turin, ist kein Freund deutscher Gründlichkeit, was die Damnatio Memoriae, die Auslöschung des Andenkens an die Vergangenheit angeht: Während in Deutschland schon gleich nach Ende des Zweiten Weltkriegs sämtliche Symbole des Nazi-Regimes aus dem öffentlichen Raum – so gut es ging – entfernt wurden, war man damit in Italien deutlich entspannter. Bis heute. "Dass die Spuren der Vergangenheit an öffentlichen Gebäuden, auf Plätzen, in der Landschaft und im städtischen Bereich nicht systematisch ausgelöscht worden sind, muss nicht zwangsläufig ein Zeichen von Schwäche sein. Man kann ein Erbe bewahren – und trotzdem davon Abstand nehmen." Von Abstand, Distanz zur faschistischen Vergangenheit, ist in Predappio nur wenig zu spüren. Auf dem Friedhof des kleinen Ortes zwischen Bologna und Rimini liegt Benito Mussolini begraben. Man steigt ein paar Stufen hinab, dann steht man vor dem Sarkophag. Dahinter eine Marmorbüste des Duce, über dem Sarg die italienische Flagge und immer frische Blumen. Davor eine Bank wie in der Kirche, zum Hinknien. Auch heute waren die Bewunderer schon da. Einige haben in das Kondolenzbuch geschrieben: "Komm zurück!" "Wir brauchen Dich!" "DUX MEA LUX – Führer, mein Licht!" "Nur Du kannst Italien wieder in Ordnung bringen!" Die Familienkrypta ist zum Pilgerort geworden, und von diesen Kondolenzbüchern sind im Laufe der Jahre Dutzende vollgeschrieben worden, aber dazu später noch. Vom Pech, Geburtsort Mussolinis zu sein Predappio hatte das Pech, der Geburtsort Mussolinis zu sein. Hier kam der Sohn eines sozialistischen Schmiedes 1883 zur Welt. Und bis http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24 radiosuedtirol.eu heute kann man am Stadtbild sehen, was für Folgen das hatte: Mitte der 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts, als das Regime fest im Sattel saß, wurde Predappio am Reißbrett neu geplant als faschistische Musterstadt: mit der Casa del Fascio, einer Post, einem Krankenhaus. Und Mussolinis Geburtshaus wurde eine Kultstätte, die von Hunderttausenden besucht wurde: "Die Geschichte Predappios ist eng mit dem Namen Mussolini verbunden. Wenn man von Predappio spricht, so denkt man unweigerlich an Mussolini. Die Geschichte Predappios ist wirklich unglaublich: eine Gründerstadt, sie wurde erbaut um den Ursprungsmythos des 'Neuen Menschen' zu propagieren und den Mythos von Mussolinis Geburtshaus zu begründen. Und dann wurde Predappio während des 20-jährigen faschistischen Regimes von den Italienern überrannt. Es kam sogar der König, um die Geburtsstätte Mussolinis zu sehen." Giorgio Frassineti ist der Bürgermeister. Er legt Wert auf die Feststellung, dass er, wie alle Bürgermeister Predappios nach dem Krieg, aus dem linken Lager kommt. Im Stadtrat gebe es ebenfalls keine Faschisten, sagt er. Sein Büro, in dem er sich eine Zigarette nach der anderen anzündet, ist im ersten Stock einer Villa auf einem Hügel. Auch er hat in der Ecke eine Mamorbüste stehen, aber von Dante, nicht von Mussolini. Hier war eine Zeit lang die Schule untergebracht, die auch der kleine Benito besucht hat. "Hier schlief der heranwachsende Mussolini. Aber nachdem er im April vor 70 Jahren kopfüber an einer Tankstelle in Mailand aufgehängt worden war, kam niemand mehr nach Predappio. Predappio musste sich schämen, es hatte Italien entehrt – weil es Mussolini gebar. Und so ist die Geschichte Predappios ein Auf und Ab, wie die Geschichte Italiens. Benito Mussolini wurde am 28. April 1945 von Partisanen am Comer See erschossen. Er hatte sich als deutscher Offizier verkleidet und wollte in die Schweiz fliehen. Partisanen stellten seine Leiche am Tag danach in Mailand auf dem Piazzale Loreto zur Schau. Dort, wo ein Dreivierteljahr zuvor die 15 Leichen ermordeter Partisanen gelegen hatten, wurde jetzt der Körper des Duce bespuckt. Letztendlich war das auch der Beweis, dassdas faschistische Regime am Ende war. Die Leiche Mussolinis hatte da noch eine abenteuerliche Geschichte vor sich. Sie wurde anonym bestattet, von Faschisten gestohlen und jahrelang in einem Kloster versteckt. Erst zwölf Jahre nach seinem Tod kam Mussolini wieder an den Ort zurück, an dem er geboren war, sagt der Historiker Sergio Luzzatto: http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24 radiosuedtirol.eu "1957 wurde der Körper der Familie übergeben, die ihn in der Familienkrypta in Predappio beigesetzt hat. Von diesem Moment an fühlte sich der italienische Staat stark genug und gefestigt, ohne zu befürchten, dass dieser Ort zum Ausgangspunkt eines Protestes gegen das System wird." Für manch einen aber beginnt der Mussolini-Kult da erst so richtig: Wenige Kilometer außerhalb von Predappio steht die Villa Carpena, in der Mussolini ein paar Jahre gelebt hat. Seine Witwe Rachele ist hier 1979 gestorben. Domenico Morosini und seine Frau haben das Anwesen Anfang des Jahrtausends von einem der Söhne Mussolinis gekauft: "Wir, meine Frau und ich, sind mit großen Opfern und durch die Freundschaft mit Romano Mussolini, dem Sohn des Duce, in die Geschichte eingetaucht und haben ein Studienzentrum ins Leben gerufen. Romano Mussolini hat der Einrichtung den Namen 'Haus der Erinnerung' gegeben, weil es das Haus ist, in dem er geboren wurde und gelebt hat, in dem seine Schwester Maria auf die Welt kam, wo seine Familie gelebt hat und wo Donna Rachele gestorben ist. Aber ich verstehe bis heute nicht, warum Institutionen wie die Stadt, die Provinz und die Region immer noch Einwände haben." Studienzentrum verherrlicht Faschismus Es gebe keine Fördermittel, beschwert sich der schon etwas ältere Mann mit weißen Haaren, der ein Mussolini-Halstuch trägt. Um jedes Wegweiser-Schild zur Casa dei Ricordi müsse man kämpfen. Beim Gang durch die Villa wird schnell klar warum: Das sogenannte Studienzentrum im obersten Stockwerk besteht zu großen Teilen aus Büchern, die den Faschismus verherrlichen oder Geschichtsrevisionismus betreiben. Die Räume hat man ausmalen lassen: mit Darstellungen Mussolinis, faschistischen Parolen, faschistischer Symbolik. Und hier liegen auch die vollgeschriebenen Kondolenzbücher vom Friedhof mit den vielen Einträgen der Pilger zum Grab des Duce. Zu Dutzenden sind die Bände hier gestapelt. Im ersten und zweiten Stock die große Devotionaliensammlung – in jeder Ecke faschistischer Krimskrams: Mussolinis Morgenmantel, seine Stiefel, seine Rasierer, unzählige Bilder und Fotografien. Besonders stolz ist Domenico Morosini auf eine Original-Uniform, die Mussolini getragen haben soll. Viel Geld hat er dafür bezahlt, nun liegt sie auf einem Doppelbett. Daneben eine Blume, hier ist Donna Rachele, die Witwe, gestorben. Dass Mussolini seine Frau gleich http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24 radiosuedtirol.eu mehrfach betrogen hat, dass er kurz vor seinem Tod mit einer anderen fliehen wollte, spielt hier keine Rolle. Aber Domenico Morosini hat ohnehin sein ganz eigenes Bild vom Ende des Faschismus: "Ja, der Krieg war verloren, aber man hätte ihn auch gewinnen können. Und nur weil man den Krieg verloren hat, wird man zum Verbrecher, wird man abtrünnig und zu jemandem, der ein Volk vernichtet? Das glaube ich nicht." Auch das gibt es in Predappio: zwei Familien, die Ihre Geschäfte mit den Pilgern machen. Der sogenannte Souvenirladen "Predappio Tricolore" ist auch im Netz gut vertreten. Auf den Seiten des Internet-Shops findet man ein Bild des Besitzers, Pierluigi Pompignoli, auf dem Friedhof mit erhobenem rechten Arm. Auch der kleine Laden in der Hauptstraße lässt keine Fragen offen. Hakenkreuzfahnen gibt es zu kaufen, Feuerzeuge mit dem Duce und Adolf Hitler drauf, Tassen mit den Runen der SS – und jede Menge Kleidung, die jedem Neofaschisten oder Neonazi gut zu Gesicht steht. Die Besitzer haben kein Problem damit, wenn man ein paar Fotos macht, alles wird ganz offen verkauft. Wie kann das sein? Der Bürgermeister: "Mitte der 90er-Jahre beging der linke Gemeinderat einen Fehler: Er erlaubte die Öffnung von Souvenir-Geschäften. Das war ein Fehler. Ich sehe in diesem Beschluss den Kardinalfehler: Ich weiß nicht, wie ich mit Mussolini umgehen soll, deshalb übertrage ich das anderen. Aber in diesem Fall hat man die Schlimmsten ausgesucht, die Händler, die nur ans Geld denken." Er sagt, er könne nichts dagegen tun, die Carabinieri würden regelmäßig Berichte schreiben, aber das Polizeipräsidium schreite nicht ein. Alle lassen die Verkäufer der Mussolini-Souvenirs gewähren. Extremismus Extremistisch ist eine politische Richtung, wenn sie die Werte der freiheitlichen Demokratie und des Rechtsstaates ablehnt. Alle extremistischen Ideologien schüren ein Freund-Feind-Denken und richten sich daher gegen den politischen Pluralismus demokratischer Gesellschaften. Extremisten betrachten ihren Standpunkt als den einzig richtigen und kennen keine Toleranz gegenüber anders Denkenden. Extremismus http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24 radiosuedtirol.eu Extremistisch ist eine politische Richtung, wenn sie die Werte der freiheitlichen Demokratie und des Rechtsstaates ablehnt. Alle extremistischen Ideologien schüren ein Freund-Feind-Denken und richten sich daher gegen den politischen Pluralismus demokratischer Gesellschaften. Extremisten betrachten ihren Standpunkt als den einzig richtigen und kennen keine Toleranz gegenüber anders Denkenden. Faschismus Der Faschismus ist eine politische Bewegung, die nach 1917 in Italien entstand. Die Bewegung berief sich unter anderem auf agrarrevolutionäre Vereinigungen der Landarbeiter, die sich bereits 1890 gebildet hatten und sich "fasci rivoluzionari" nannten. Der einstige Marxist Benito Mussolini nahm 1915 den Ausdruck fascio für die "Interventisten" auf. 1919 gründete er in Mailand mit 40 Gefährten den ersten fascio di combattimento (Kampfbund). Die faschistische Bewegung war trotz des national- und sozialrevolutionären Anspruchs in ihren Zielen totalitär, antiliberal, antidemokratisch und antiparlamentarisch. Sie vertrat einen extremen Nationalismus, dem sich das Individuum bedingungslos unterzuordnen hatte, verfolgte expansionistische Ziele und war autoritär und hierarchisch strukturiert. Die faschistische Bewegung verstand sich auch als Gegenkraft zum italienischen Kommunismus. Ihr Führers Mussolini, der sich zum "Duce" erklärte, wurde von der Bewegung kultisch verehrt. 1921 bildete sich aus Mussolinis Kampfbund der Partito Nazionale Fascista (PNF). Innerhalb des PNF wiederum organisierte sich ein Wehrverband - die sogenannten "Schwarzhemden" -, der die Straßen terrorisierte und Abweichler und politische Gegner verfolgte. Fremdenfeindlichkeit oder Xenophobie Fremdenfeindlichkeit oder Xenophobie bezeichnet ein Ressentiment, das sich - oft unterschiedslos - gegen alle Menschen richtet, die in einem Land "fremd" sind oder wegen ihrer Nationalität, Rasse, Hautfarbe, Religion oder Herkunft "fremd" wirken: also Schweizer Bürger, die von der Norm abweichen; Ausländer, die sich als Touristen, geschäftlich, mit Arbeitserlaubnis oder auch illegal in der Schweiz aufhalten; und Asylbewerber. Den "Fremden" wird unterstellt, dass sie massgeblich Schuld tragen an gesellschaftlichen und sozialen Problemen (Arbeitslosigkeit, Kriminalitätsrate, Belastung der Sozialsysteme, kulturelle Desintegration und mehr). Nationalismus Nationalismus ist eine politische Ideologie, die danach strebt, Menschen mit der gleichen Sprache, Kultur oder Religion auf dem gleichen staatlichen Territorium zu vereinen, manchmal unter Ausschluss von Gruppen mit einer anderen Sprache, Kultur oder Religion. Nationalismus ist die treibende Kraft vieler Bewegungen, die die Unabhängigkeit eines bestimmten Territoriums von einem bestehenden Staat zum Ziel haben. Um sich zu legitimieren, idealisiert der Nationalismus oft das eigene Volk, seine Kultur und seine Geschichte. http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24 radiosuedtirol.eu Nationalsozialismus Der Begriff «Nationalsozialismus» ist die bewusst irreführende Eigenbezeichnung der politisch-weltanschaulichen Bewegung, die in Deutschland im Jahr 1933 in ein Terrorregime mündete. Das nationalsozialistische Herrschaftssystem war zwar nationalistisch, wies jedoch kaum sozialistische Elemente auf. Durch das Parteiprogramm der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei NSDAP ist die Weltanschauung nur unzureichend beschrieben, aufschlussreicher sind die Bekenntnisse Adolf Hitlers in «Mein Kampf», sowie weitere programmatische (meist mündliche) Äußerungen. Die wichtigsten Wesensmerkmale des Nationalsozialismus sind: 1. Antiliberalismus und Antiparlamentarismus (Führerprinzip und Volksgemeinschaft) 2. Antikommunismus und Nationalismus («Du bist nichts, dein Volk ist alles!») 3. Rassismus («Ariertum») 4. Antisemitismus («Endlösung der Judenfrage») 5. Militarismus und Imperialismus («Lebensraum im Osten») Rassismus Nach rassistischer "Lehre" bestehen biologisch begründete, also unabänderliche, Wesens- und Qualitätsunterschiede zwischen den Menschenrassen. Die Zugehörigkeit zu einer Rasse entscheidet über den höheren oder minderen Wert eines Individuums und seines Volkes. Aus der postulierten Überlegenheit einer Rasse wird ein "natürlicher" Herrschaftsanspruch über andere Rassen hergeleitet. Fremdenfeindlichkeit kann - aber muss nicht - die Folge von rassistischen Einstellungen sein. Eine spezielle Form von Rassismus ist der Antisemitismus Revisionismus oder Negationismus Als Revisionismus oder Negationismus bezeichnet man den politisch motivierten Versuch, die Verbrechen unter nationalsozialistischer Herrschaft zu relativieren oder zu leugnen. Im Rahmen einer gezielten "Revisionismus-Kampagne" versuchen Rechtsextremisten aus aller Welt seit Jahren, den millionenfachen Mord an den europäischen Juden zu bestreiten oder zumindest die Zahl der Opfer zu verkleinern. Zu diesem Zweck berufen sich Revisionisten in ihren Publikationen auf - häufig von ihnen selbst in Auftrag gegebene - "Gutachten" ("Leuchter-Report", "Rudolf-Gutachten"), in denen mit pseudowissenschaftlichen Methoden versucht wird, die Massenvernichtung in den Konzentrationslagern als technisch unmöglich darzustellen. Als Revisionisten sind in den letzten Jahren unter http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24 radiosuedtirol.eu anderem der in Kanada lebende Deutsche Ernst Zündel ("Germania-Rundbrief"), der britische Schriftsteller David Irving, der Altnazi Otto-Ernst Remer ("DeutschlandReport", früher auch "Remer-Depesche") und Thies Christophersen ("Die Bauernschaft") hervorgetreten (die beiden letzten sind 1997 gestorben). Ein europaweit bekannter und verurteilter Schweizer Revisionist ist Jürgen Graf. Nationalrevolutionäre Gruppen Merkmal dieser Bewegung ist der radikale Nationalismus, der sich gegen universalistische Weltbilder wendet. Sie lehnt den Kapitalismus bzw. Liberalismus ebenso ab wie den Kommunismus und plädiert für einen dritten Weg. Eine zentrale Rolle spielt darin das Konzept des Ethnopluralismus. Die nationalrevolutionäre Ideologie besitzt ihre historischen Wurzeln in der Weimarer Republik der 20er und 30er Jahre. Nationalrevolutionäre Bewegungen unterstützen auch den Kampf von Befreiungsbewegungen wie in Nordirland, auf Korsika oder im Baskenland. In der antiimperialistischen Haltung treffen sich manche nationalrevolutionäre Ideologien mit progressiv-linken Bewegungen. Nationalrevolutionäre Organisationen formierten sich in der Schweiz Ende 80er Jahre. Neonazis Neonazis bekennen sich offen zur Ideologie und Weltanschauung des deutschen Nationalsozialismus. Sie erstreben einen nach dem "Führerprinzip" formierten totalitären Staat und eine "rassenreine Volksgemeinschaft". Die Verbrechen, die vom NS-Regime begangen worden sind, werden - je nach Charakter der Gruppierung - verharmlost, geleugnet oder gar verherrlicht. Innerhalb des neonazistischen Spektrums bestehen Kontroversen über den "richtigen" Nationalsozialismus. Während die Mehrheit Adolf Hitler als die prägende Identifikationsfigur anerkennt, orientieren sich bestimmte neonazistische Gruppen am nationalrevolutionären Sozialismus der "linken" Nationalsozialisten, also an den Anschauungen etwa der Gebrüder Otto und Gregor Strasser oder des SA Stabschefs Ernst Röhm. Kleine Teile des neonazistischen Spektrums knüpfen an die Ideologie des "Nationalbolschewismus" an und suchen den Schulterschluss mit linksextremen Gruppierungen Neue Rechte Unter dem Sammelbegriff «Neue Rechte» («Nouvelle Droite») werden intellektuelle Zirkel, Publikationen und Verlage verstanden, die sich an vordemokratischen Gesellschaftsmodellen orientieren und aus einer radikalen eurozentrischen Perspektive die natürliche http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24 radiosuedtirol.eu Ungleichheit der Menschen, Völker und Kulturen propagieren. Die «Neue Rechte» fasste Ende der 60er Jahre vor allem in Frankreich Fuss. Einige Ideologen der «Neuen Rechten» sind auf den «starken Nationalstaat» fixiert. Andere betonen die «Volksgemeinschaft», die sie für biologisch determiniert halten und zu einem Wert an sich verklären. Die «nationalrevolutionären» Theoretiker propagieren einen antiimperialistischen und antikapitalistischen «Befreiungsnationalismus» und suchen für den revolutionären Kampf Verbündete auch unter den Linksextremisten. Unter den «Neuen Rechten» in der Deutschschweiz sucht u.a. auch der neuheidnische Zirkel Avalon Kontakte zu Skinheads. Avalon-Gemeinschaft Zirkel innerhalb der Neuen Rechten. Die 1990 im Kanton Bern gegründete Gruppierung vertritt die «neuheidnische» Richtung. Sie entfaltet ihre Aktivitäten auf der kulturellen Ebene mit mythischen Waldfesten und historischen Seminaren. Dabei vertritt sie mit indogermanischen und keltischen Bezügen eine eurozentristische und völkische Ideologie. Rechtsextreme Parteien Rechtsextreme Parteien, die sich mit Begriffen wie "nationaldemokratisch" oder "nationalfreiheitlich" bezeichnen, distanzieren sich - zumindest in der Rhetorik nach aussen - vom nationalsozialistischen Regime und neonazistischen Gruppierungen. Ideologisch orientieren sich diese Parteien vornehmlich an völkisch-kollektivistischen Vorstellungen und fordern einen "starken Staat". Obschon sie sich zu den Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates bekennen, stellen sie aber durch ihre kollektivistischen Forderungen wesentliche Grundprinzipien der Demokratie (individuelle Freiheit, Volksvertretung usw.) in Frage. In der Schweiz am aktivsten ist zur Zeit die Partei National Orientierter Schweizer (PNOS), in Deutschland die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD). Skinheads Die Wurzeln der Skinhead-Bewegung liegen im Grossbritannien der 60er Jahre. Sie war ursprünglich eher unpolitischer Natur. Auch heute interessiert sich ein Teil der Skinhead-Szene nicht für politische Themen, sondern fühlt sich lediglich einer von einschlägiger Musik und Mode geprägten Subkultur zugehörig. Die Öffentlichkeit nimmt allerdings von der vielschichtigen Skinheadszene hauptsächlich den rechtsextremistischen Flügel wahr (Boneheads, White-Power-Skins, Fascho-Skins), der sich nicht nur über eine bestimmte Mode und Musik definiert, sondern auch über eine von neonazistischen Ideologieelementen durchsetzte Weltanschauung. Eine Minderheit in der Skinhead-Szene ist dem "linken" Spektrum zuzuordnen. Red Skins, S.H.A.R.P.s (Skinheads Against Racial Prejudice) oder R.A.S.H.s (Red and Anarchist Skinheads) definieren sich über ihre Gegnerschaft zu "Faschos" und grenzen sich energisch gegen "Nazis und Rassismus" ab. http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24 radiosuedtirol.eu Oi Bezeichnung für den neuen politischen Stil der Skinhead-Szene zu Beginn der 80er Jahre. Um 1980 erschien ein Skinmusik-Sampler unter dem Titel "Strength thru Oi", ganz bewusst angelehnt an das nazionalsozialistische Motto Strength through Joy (Kraft durch Freude). Die Lautschrift Oi wird von den Skinheads auch in bestimmten Begriffen verwendet, so z.B. in der Bezeichnung der Skin-Bands Doitschland, Kroizfeuer, Foierstoss oder Noie Werte. Oi gilt auch als Kampfruf der Skins für alles, was Spass macht. Nicht alle Oi-Skins fühlen sich politisch gebunden. Kleidung Über spezialisierte Versandsstrukturen werden Kleidermarken für Rechtsextreme vertrieben, mit Namen wie Masterrace, Wallhall Germany, Hatecrime Streetwear, Celtic Wear, Dobermann oder Consdaple. Die letzte Marke enthält nicht zufällig die Buchstaben NSDAP (ein Kürzel für „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter Partei“). Die Möglichkeit solcher Anspielungen hat Mainstream-Marken, die mit Rechtsextremismus nichts am Hut haben, in der Szene zu viel Popularität verholfen. So finden sich im jeweils prominent über der Brust plazierten Logo der T-Shirts von Lonsdale die Buchstaben NSDA. Das N der Schuhmarke New Balance kann als Nazi oder Nationalist interpretiert werden und das Logo von Alpha Industries ähnelt dem Zivilabzeichen der nationalsozialistischen Kampforganisation SA. Nach wie vor beliebt sind traditionell von Skinheads bevorzugte Artikel wie Schuhe von Doc Martens oder T-Shirts von Fred Perry. Verbreitet sind auch Accessoires (Aufnäher, Gürtelschnallen, Baseballmützen) die mit rechtsextremen Symbolen und Zahlencodes besetzt sind. http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24 radiosuedtirol.eu Zahlencodes Mit Zahlencodes werden in rechtsextremen Szenen bestimmte Grussformeln oder Namen verschlüsselt, so dass sie von Aussenstehenden nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Oft steht eine Zahl für den entsprechenden Buchstaben im Alphabet, zum Beispeil 8 für H. Der Code 88 steht dann http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24 radiosuedtirol.eu für Heil Hitler, 18 für Adolf Hitler, 19/8 für Sieg Heil oder 28 für die Skinhead-Organisation Blood & Honour (Blut & Ehre). Mit dem Code 14 wird auf die Anzahl Worte in der Losung des amerikanischen Neonazis David Lane angespielt: „We must secure the existence of our people and a future for white children“ (Wir müssen die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für weisse Kinder sichern). Zahlencodes finden sich in Emblemen, auf T-Shirts und als Teile von Bandnamen oder Autokennzeichen. Namen Die Namen rechtsextremer Gruppierungen oder Musikbands stammen fast durchwegs aus dem Fundus nationalsozialistischer Sprache und Geschichte oder der germanischen Mythologie. Es gibt politische und Musik-Gruppen, die Bezeichnungen militärischer Formationen wie Staffel, Front, Sturm oder Geschwader mit Ortsbezeichnungen kombinieren (Sturm Baden, Spreegeschwader) oder rechtsextreme Versandsbetriebe die sich für die Namensgebung bei den Germanen bedienen: Asgard-Versand, Sleipnir-Shop und Ragnarök-Records. Zwei idealtypische Figuren, die in vielen Benennungen auftauchen sind der Landser (der Infanteriesoldat im zweiten Weltkrieg; Landser hiess auch eine der berüchtigsten Rechtsrockbands) und der Wikinger (eine in Deutschland mittlerweile verbotene neonazistische Jugendorganisation nannte sich Wiking Jugend). Musik Der klassische Rechtsrock kommt aus der Skinhead-Szene: schnelle, harte Gitarrenmusik mit gewaltverherrlichenden, rassistischen, antisemitischen oder nationalistischen Texten. Weil die Texte in Ländern wie Deutschland oder der Schweiz oft strafrechtlich relevant sind, hat sich ein konspiratives Produktions- und Vertriebsnetzwerk gebildet, das auf Länder ausweicht, die gegen rechtsextreme Äusserungen weniger streng vorgehen, zum Beispiel die USA. In den letzen Jahren hat sich die rechtsextreme Musik stark diversifiziert: Es gibt nun rechtsextreme Strömungen in so unterschiedlichen Genres wie Gothic Rock, Black Metal, Techno, Schlager oder Liedermacherei. Symbole Rechstextreme Symbole erscheinen auf T-Shirts, Plattencovern oder Autoaufklebern, als Gürtelschnallen oder Schlüsselanhänger. Geläufig sind Symbole, die aus dem Nationalsozialismus stammen (Hakenkreuz, Gau Winkel, Zahnrad) und solche aus der germanischen Mythologie, bei der sich auch der Nationalsozialismus gerne bedient hat (Triskele, Sonnenrad, Sig Rune, Keltenkreuz und andere). Als Farbkombination ist Schwarz-Weiss-Rot beliebt, in Anspielung auf die http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24 radiosuedtirol.eu Flaggen des deutschen Kaiserreiches und der Nationalsozialisten. Weitere Symbole kennzeichnen die eigene Gruppe (zum Beispiel die White Power-Faust) oder den Feind (zum Beispiel durchgestrichene Karikaturen von Menschen dunkler Hautfarbe). Dazu gehören auch Buchstabenkürzel wie WAR/WAW (White Aryan Resistance/Weisser Arischer Widerstand), RaHoWa (Racial Holy War) oder ZOG (Zionist Occupied Government – in Slogans wie „Smash ZOG“). Die rechtsextreme Symbolik dient sowohl als Erkennungszeichen nach innen wie zur Präsenzmarkierung nach aussen. Zahnrad mit Hakenkreuz Gauwinkel Triskele Sonnenrad http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24 radiosuedtirol.eu Sig Rune Keltenkreuz White-Power-Faust http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24 radiosuedtirol.eu Als die Faschisten Zehntausende entwurzelten Antonio Pennacchi: "Canale Mussolini", Carl Hanser Verlag, München 2012, 447 Seiten Benito Mussolini im Jahr 1936 (AP) Mit faschistischen Musterstädten und einem Mega-Kanal wollte Benito Mussolini in die Geschichte eingehen, 30.000 italienische Bauern wurden dafür umgesiedelt. Vom Schicksal dieser Menschen erzählt Antonio Pennacchi in seinem neuen Roman. Für Mussolini ist es ein Prestige-Projekt, das er mit großem Pomp inszeniert: die Trockenlegung der pontinischen Sümpfe und der Bau der faschistischen Musterstädte Littoria und Sabaudia. Noch vor der Einweihung Littorias (heute Latina) 1934 werden 30.000 Bauern aus Venetien, dem Friaul und der Emilia Romagna umgesiedelt, an der Urbarmachung beteiligt und mit Land und Häusern versorgt. Auch der Clan der Peruzzis gehört dazu. Als sie eintreffen, ist der Canale Mussolini, der zur Entwässerung des Landstrichs dient, erst zur Hälfte fertig. Wie die militanten Duce-Anhänger ihre Entwurzelung verkraften und eine neue Existenz aufbauen, ist Gegenstand des Romans Canale Mussolini. Antonio Pennacchi, 1950 in Latina geboren, 30 Jahre lang Arbeiter in einer Kabelfabrik, als junger Mann Mitglied der neofaschistischen Partei MSI, dann Linksextremist, stammt aus einer jener venetischen Bauernfamilien und hat eine ganze Reihe von wichtigen Büchern über Latina und Umgebung verfasst. Sein gesamtes Leben sei auf die Niederschrift von Canale Mussolini zugelaufen, verkündet er in einem knappen Vorwort. In der Tat handelt es sich um ein kollektives Zeugnis, das fast einen choralen Charakter entwickelt. Dazu passt, dass der Schriftsteller mit einer anonymen Erzählerstimme operiert, deren Identität sich erst zum Schluss klärt. Diese Stimme wendet sich an ein unsichtbares Gegenüber, reagiert auf Unterbrechungen, hakt nach und arbeitet mit den typischen Stilmitteln der mündlichen Rede: Wiederholungen, einem einfachen Satzbau, Dialogen und dialektalen Einsprengseln, die in der Übersetzung zwangsläufig verloren gehen. Die Peruzzis, in ihrer Heimat ohne wirtschaftliche Grundlage, waren zur Umsiedlung gezwungen. In Littoria sind sie Ausländer, die nicht einmal dieselbe Sprache sprechen. Wie sie mit den alteingesessenen Einwohnern in Zwist geraten, gehört zu den Höhepunkten des Romans. http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24 radiosuedtirol.eu Mit seiner Verbindung von Mikro-Geschichte und Historie in Form einer Familienchronik knüpft Pennacchi an die große literarische Tradition seit Alessandro Manzoni an und rückt das Schicksal der kleinen Leute in den Mittelpunkt. Verdienstvoll ist die Thematisierung einer politischen Kraft, die in der italienischen Literatur bisher selten ihren Niederschlag fand und insgesamt viel zu wenig aufgearbeitet ist – die der Faschisten. Wie kam es zu ihrer Anhängerschaft, welchen Versprechungen saßen sie auf? Mit seinen größenwahnsinnigen Unternehmungen schien der Faschismus erstarrte Strukturen zu sprengen und eine gesellschaftliche Erneuerung zu bewirken, so erlebten es zumindest Leute wie die Peruzzis. Einen Preis hatte das Ganze auch. Pennacchi bewegt sich jenseits der üblichen Wahrnehmungsmuster, bezieht den grausamen Abessinienkrieg mit ein und verändert den Blick auf die Umwälzungen. Dass Mussolini mitunter putzig wirkt und die kolloquiale Darbietung der Geschehnisse manchmal allzu naiv ausfällt, hat auch etwas Gutes: Es reizt zum Widerspruch Schwarzer Schelm unter Faschisten Andrea Camilleri: "Streng vertraulich." Nagel & Kimche Benito Mussolini im Jahr 1936 (AP) In seinem neuen Buch "Streng vertraulich" schreibt Andrea Camilleri über den Faschismus in Italien. Der Neffe des äthiopischen Kaisers Negus reist 1929 zum Studium nach Vigàta in Sizilien. Er soll hofiert werden, aber er ist ein Neger und das passt nicht ins faschistische Rassen- und Weltbild. Wieder einmal führt der sizilianische Schriftsteller Andrea Camilleri, inzwischen 86 Jahre alt, seine Leser in den fiktiven Ort Vigàta, - diesmal allerdings nicht auf den Spuren seines berühmten Kommissars Montalban, dem er zu Ehren seines Krimikollegen aus Barcelona diesen Namen verpasst hat, diesmal geht es um eine historische Geschichte aus dem Jahr 1929 - und die ist urkomisch: http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24 radiosuedtirol.eu Historisch verbürgt ist, dass in den Jahren 1929 bis 1932 ein Neffe des äthiopischen Negus in Caltanisetta die Königliche Bergbauschule besuchte und dort ein Diplom ablegte; verbürgt ist auch, dass der Prinz ein großzügiges Leben führte und sich tief verschuldete; und weiterhin ist verbürgt, dass der äthiopische Aristokrat, eine außerordentlich elegante Erscheinung, ein hemmungsloser Frauenheld war. Stoff genug für den Sizilianer Camilleri, daraus eine aberwitzige Geschichte zu basteln, konzentriert auf das Jahr 1929. In der Nachbemerkung teilt der Autor mit: "Der aufmerksame Leser wird einige Anachronismen finden, aber man werfe sie mir nicht vor, sie sind gewollt. Und ich sage noch einmal: Wenn auch die wichtigsten Geschehnisse wie die versuchte Verwicklung des Prinzen in die expansionistischen Absichten Mussolinis, seine Amouren oder sein Streich zum Schluss frei erfunden sind, wahr bleibt dennoch das Klima echter allgemeiner Dummheit, die halb Farce, halb Tragödie jene Zeit geprägt hat." Auftakt des Romans ist ein streng vertraulicher Brief des Außenministers an den Leiter der Bergbauschule in Vigàta, der ihm den neuen Schüler annonciert und auffordert, die Mitschüler und deren Eltern auf diesen wichtigen Neuzugang vorzubereiten und einzustimmen, denn: Es handelt sich dabei um eine Situation, die größte Umsicht erfordert, insofern der junge Mann, obschon Neger, immerhin ein äthiopischer Prinz und zudem noch direkter Neffe des Negus ist, der offenbar sehr viel von ihm hält. Der Krieg Italiens gegen Äthiopien und dessen koloniale Einverleibung sollte erst sechs Jahre später einsetzen, noch ist man am besten Einvernehmen interessiert. Und so spinnt Camilleri seinen fiktiven vertraulichen Briefwechsel munter fort. Es folgt ein zweiter Brief vom Innenminister an den Commendatore der sizilianischen Provinzregierung, in dem dem faschistischen Kameraden die Ankunft des 19-jährigen Schülers mitgeteilt wird: Der Obengenannte ist ein Prinz, Neffe des Negus Negesti Haile Selassie, König der Könige und Kaiser vom Äthiopien. Der infrage stehende Fall wirft einige Probleme auf, die ich Euch unterbreiten möchte und die es allesamt mit umsichtiger faschistischer Entschlossenheit zu lösen gilt. Wofern das Außenministerium sein Placet zur Einschreibung geben sollte, obliegt es mir, nochmals Eure Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, dass der junge Äthiopier zwar Prinz, doch gleichwohl Neger ist und bleibt. http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24 radiosuedtirol.eu Die Verlegenheit liegt offen zutage, der Prinz soll hofiert werden, aber er ist ein Neger und passt nicht ins faschistische Rassen- und Weltbild. Also erfordert die Angelegenheit Fingerspitzengefühl von den Kameraden. Und wie dies geschieht, das versteht Camilleri, mit köstlichem Humor darzustellen. Dabei tritt der edle Prinz, von schlankem Wuchs und eine Augenweide für alle Frauen, nie persönlich in Erscheinung, er kommt nicht zu Wort. Nur die anderen verhandeln über ihn. Er wird verhandelt in den Briefen der aufgeregten staatlichen Machthaber, er wird verhandelt in Gesprächsausschnitten der Bürger vor Ort. Noch vor seiner Ankunft sind alle aufgeregt. Die schlichte Ehefrau Carmel fragt ihren Mann nächtens im Bett: Pippì stimmt es, dass er bei diese Bessinier so dick und lang ist wie der Rüssel bei die Elefanten? Auf was für Ideen ihr Frauen bloß kommt! Das ist doch ein Mann und kein Elefant! Ach, Gott sei Dank! Nacht, Pippì, schlaf gut. O nein Carmel! Jetzt erzählst du mir alles! Warum dankst du Gott, dass der Schwanz des Bessiniers normal lang ist? Ich hab an unsre Tochter gedacht. An Michilina? Was hat denn Michilina mit dem Schwa... mit dem Bessinier zu tun? Ich habe gedacht, womöglich könnt ja dieser Bessinier einen guten Ehemann für unsere Tochter abgeben. Du bist völlig übergeschnappt! Die Tochter des Ehepaares ist eine schwierige Partie, keiner will sie, denn sie ist bereits 29 Jahre alt und noch dazu potthässlich. Und so machen sich manche im Ort absurde Hoffnungen oder entwickeln abstruse Ängste. Der faschistische Ordnungskanon gerät mächtig durcheinander. Schon die Ankunft des hohen Gastes ist skandalös. Zerrissen und zerlumpt, ohne Gepäck steigt der Gast aus dem Zug und sein erster Gang führt ihn gleich in den Puff, wo er stündlich drei Prostituierte hintereinander vernascht. So ein hoher Herr hat hohe Ansprüche. Aus den Briefen der Dienststellen und den Gesprächskommentaren erfährt der Leser, wie bedrohlich sich die Situation zuspitzt, denn der Neffe des Negus kennt keinerlei Rücksicht. Er gibt hemmungslos Geld aus, macht Schulden aller Orten, ohne sich um die Begleichung zu kümmern, er lässt sich teuerste Kleidung schneidern und spielt die örtlichen Bonzen genüsslich gegeneinander aus. Er schafft es sogar, den Klub der Aristokraten, in dem er als Afrikaner gar keinen Zutritt haben dürfte, aufzumischen und schließlich zur Schließung zu bringen. Die katzbuckelnden Faschisten geraten in Verzweiflung angesichts des kecken schwarzen Schelms, der die Machenschaften und Intentionen der Ministerialen zu durchschauen scheint und sich bei seinen Eskapaden königlich amüsiert. So wollen sie ihn zum Beispiel zwingen, einen Jubelbrief an seinen Onkel, den Negus, zu schreiben, in dem er mitteilen soll, wie überaus freundlich und zuvorkommend er in http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24 radiosuedtirol.eu Italien aufgenommen worden sei. Aber der Neffe zögert geschickt dieses Schreiben hinaus und fordert einen immer höheren Geldpreis, sollte er diesen Schmeichelbrief tatsächlich schreiben. Alle stöhnen unter den Unverschämtheiten des Neffen, der ganz ungeniert seinen Interessen nachgeht und keinerlei Rücksichten nimmt. Der Präfekt der Region schreibt an den Polizeipräsidenten einen der vielen Briefe und fügt ein Post Scriptum bei mit der Bemerkung "nach dem Lesen sofort ausradieren", darin steht: Wenn diese Geschichte endlich vorbei ist, verspreche ich, dass ich diesen vermaledeiten Neger, der keinen Tag vergehen lässt, ohne irgendeinen Riesenschlamassel anzurichten, eigenhändig erwürgen werde. Ich hoffe, Sie sind mit von der Partie. Aber immer ziehen die Faschisten den Kürzeren. Der Brief an den Kaiser von Äthiopien, den die Italiener teuer bezahlen und heimlich öffnen, um ihn zu kontrollieren, ist eine weitere Düpierung, denn darin schreibt der Neffe im Telegrammstil: lieber onkel die sizilianer wollten, dass ich einen brief schreibe, um dir zu erklären wie gutherzig und großzügig sie sind aber es ist mir gelungen sie hinters licht zu führen und ich sage dir tatsächlich sind sie dumm wie esel halten sich aber für schlau wie ein fuchs und deshalb wirst du bei deiner klugheit leichtes spiel mit ihnen haben. Dieser Streich ist nicht der letzte, den der Neffe genüsslich inszeniert aber das größte Kunststück dieses fiktiv dokumentarischen Romans ist, dass der Protagonist bis zum Schluss immer nur im Spiegel der faschistischen Spießbürger aufscheint und doch dem Leser überaus lebendig vor Augen steht - in seiner ungezügelten Lebenslust, in seiner luxuriösen Verschwendungssucht, in seiner eleganten und verschmitzten Klugheit im Umgang mit den provinziellen Potentaten. Andrea Camilleri ist mit diesem Roman ein politsatirisches Meisterstück gelungen. http://www.radiosuedtirol.eu Powered by Joomla! Generiert: 15 January, 2017, 22:24