Unterlagen des Seminars - Psychiatrie Psychotherapie und
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Unterlagen des Seminars - Psychiatrie Psychotherapie und
Detailprogramm zum 19. Riehener Seminar Zwischen Wahn und Wirklichkeit Krankheiten und Ängste in einer zunehmend komplexen Umwelt Dienstag, 28. Oktober 2008 Konferenzzentrum St. Chrischona ab 09.00 Einschreibung, Znüni 10.00 Begrüssung, Vorstellung in kleinen Gruppen 10.10 1. Referat: Einführung ins Thema. Was ist eigentlich ein Wahn? Dr. med. Samuel Pfeifer 10.30 2. Referat: Schizophrenie früh erkennen – Symptome und Behandlungsmöglichkeiten. Erkenntnisse aus dem FEPSY-Projekt. Frau Dr. U. Gschwandtner, Psy. Univ. Poliklinik UPK Basel 11.10 Kurze Pause 11.30 3. Referat: Parapsychologische Phänomene im Grenzbereich zwischen Wahn und Wirklichkeit. Dr. Dr. Walter von Lucadou, Parapsychologische Beratungsstelle Freiburg 12.30 Mittagspause WORKSHOPS ZUR AUSWAHL (90 Minuten) 14.00 Workshop 1: Befindlichkeitsstörungen bei elektromagnetischen Feldern – was ist dran? Wie kann man Betroffene beraten? Dr. phil. nat. Martin Röösli, Bern Workshop 2: Wahnideen verstehen und therapeutisch bearbeiten. Matthias Mittrach, Oberarzt Klinik Sonnenhalde Workshop 3: Schizophrenie und Religion. Wie kann man Wahnideen und echten Glauben voneinander unterscheiden? Dr. med. Samuel Pfeifer, Chefarzt Klinik Sonnenhalde Workshop 4: Schizophrenie-Behandlung im offenen Rahmen – das Konzept der Soteria Bern. PD Dr. med. Holger Hoffmann, Christine Clare, Lukas Ahr 15.30 Pause 16.00 Referat 4 / ROUNDTABLE: Wenn ein naher Mensch in einer anderen Welt lebt. Die Herausforderung schizophrener Störungen für die Angehörigen. Moderation: Dr. Samuel Pfeifer – Musikalische Einlagen: Simon Waber Teilnehmende: Frau Dr. U. Gschwandtner (UPK), PD Dr. H. Hoffmann (Soteria), Christine Clare (Soteria); Frau E. Keller-Németh (VASK) 17.00 Schluss des Seminars Kontaktadresse: Fr. Lydia Röösli, Klinik Sonnenhalde, 4125 Riehen, Tel. (+41) 061 - 645 46 40, Fax (+41) 061 645 46 00 – eMail: seminare@sonnenhalde.ch 19. Riehener Seminar am 28. Oktober 2008: Zwischen Wahn und Wirklichkeit – Krankheiten und Ängste in einer komplexen Umwelt Referenten Dr. med. Dipl. Psych. Ute Gschwandtner, Oberärztin an der Psychiatrischen Universitätspoliklinik Basel, hat drei Studien absolviert: Kunstgeschichte, Psychologie und Medizin. In ihren Forschungen hat sie sich intensiv mit der Diagnostik der Schizophrenie im Frühstadium (FEPSY-Projekt) auseinandergesetzt und an nationalen und internationalen Forschungsprogrammen mitgewirkt. Dr. rer. nat. Dr. phil. Walter von Lucadou, Studium der Physik und Psychologie in Freiburg i. Br. und Berlin. Wissenschaftlicher Mitarbeiter in Physikalischen Forschungsprogrammen; von 1979 bis 1985 wissenschaftlicher Assistent an der Abteilung für Psychologie und Grenzgebiete der Psychologie der Universität Freiburg i.Br. und von 1985 bis 1987 Gastprofessor am Parapsychologischen Laboratorium der Universität Utrecht (Niederlanden), einschließlich eines Forschungsaufenthaltes an der Universität Princeton (USA). Seit 1989 Gründung und Leitung der "Parapsychologische Beratungsstelle" in Freiburg i.Br. Forschungsdirektor der WGFP, Lehrbeauftragter an verschiedenen Fachhochschulen und Universitäten. PD Dr. med. Holger Hoffmann hat sich mit den Schwerpunkten "junge chronische Patienten" und "berufliche Rehabilitation" in der Sozialpsychiatrie habilitiert. Er leitet heute als Abteilungsleiter die Versorgungsforschung der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern und ist Chefarzt der Soteria Bern, die auf die Behandlung junger Menschen mit einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis spezialisiert ist. Christine Clare ist Kindergärtnerin und dipl. Landwirtin. Mehrere Jahre führte sie einen pädagogischtherapeutischen Bauernhof. Seit 2002 ist sie Betreuerin in der Soteria Bern. Sie ist auch stellvertretende Leiterin der Soteria. Lukas Ahr, Ausbildung zum Pflegefachmann DN II Bethesda Basel. Pflegefachmann an der Klinik Sonnenhalde, Riehen. Seit 2005 als Betreuer in der Soteria Bern tätig. ist Pflegefachmann in der Soteria Bern. Dr. phil. Martin Röösli, Epidemiologe mit einem atmosphärenphysikalischen Hintergrund. Er ist Dozent und Leiter des Ressorts Umwelt und Gesundheit am Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern. Seine Forschungsschwerpunkte sind die gesundheitlichen Auswirkungen von elektromagnetischen Feldern und der Luftverschmutzung sowie methodische Fragestellungen. Autor zahlreicher Berichte und Publikationen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften. Matthias Mittrach, Oberarzt der Klinik Sonnenhalde. Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie mit tiefenpsychologisch-psychoanalytischer Ausrichtung. Breite Ausbildung in der gesamten Psychiatrie und Psychotherapie mit Schwerpunkten im Bereich schizophrene Psychosen, Depressionserkrankungen, Angst- und Zwangserkrankungen sowie Forensische Psychiatrie. Eva Keller-Németh ist Mutter von zwei erwachsenen Töchtern, von denen die ältere vor 10 Jahren an Schizophrenie erkrankte. Seither aktiv in der Selbsthilfegruppe „Stiftung Melchior“ für Angehörige Schizophreniekranker in Basel. Seit 2006 Präsidentin des Dachverbandes der Vereinigung der Angehörigen schizophrenie-psychisch Kranker (VASK Schweiz). Besuchte zahlreiche Seminare und Kurse zum Thema Schizophrenie und Umgang mit Betroffenen. Arbeitet im Universitätsspital Basel in der dermatologischen Abteilung. Dr. med. Samuel Pfeifer, Chefarzt der Klinik Sonnenhalde; Autor zahlreicher Artikel und mehrerer Bücher, die in 10 Sprachen übersetzt wurden. Mitglied im Editorial Board der Zeitschriften „Mental Health, Religion & Culture“ sowie „Psychotherapie und Seelsorge“. Internationale Vortragstätigkeit. Riehener Seminar ZWISCHEN WAHN UND WIRKLICHKEIT 28. Oktober 2008 Dr. Samuel Pfeifer Was ist eigentlich ein Wahn? Drei Beispiele zur Einleitung Was ist eigentlich ein Wahn? Herr A.: ist überzeugt, sein Schlaf werde gestört durch Funkleitsystem des Flughafens. Sobald die Geräte angeschaltet würden, vernimmt er ein dumpfes Sirren des „Luftlinienleitnetzes“ (10 km entfernt). Frau B: hat den Eindruck, Nachbarn dringen in ihrer Abwesenheit in die Wohnung ein. In die Schuhsohlen wurde ein Gift geträufelt. Sie spürt ein Brennen in den Fusssohlen – das ist der Beweis. Frau C: Der Friede im Nahen Osten braucht einen neuen Impuls. Sie verspürt den Auftrag, nach Israel zu reisen und mit führenden Politikern zu sprechen. Dr. Samuel Pfeifer, Klinik Sonnenhalde Riehen Zwischen Wahn und Wirklichkeit Wahnkriterien nach C. Scharfetter Warum haben wir dieses Thema gewählt? Nicht jede ungewöhnliche Wahrnehmung und Erfahrung ist mit einer Schizophrenie gleichzusetzen Breites Spektrum von Aberglaube, Glaube, Wahn. Breites Spektrum von Betreuungskonzepten: Neurobiologie, Soteria, Angehörigenbegleitung. a) Wahn ist eine Privatwirklichkeit. Krankhaft darf man das erst nennen, wenn es die Lebensführung behindert (kulturelle und soziale Relativität). b) Wahn ist eine ganz persönlich gültige, starre Überzeugung von der eigenen Lebenswirklichkeit. Wahn isoliert und entfremdet Kulturell geprägte Wahninhalte d) Wahn ist eine private Wirklichkeitsüberzeugung. Folgende Themen sind am stärksten kulturell geprägt: Schuld Liebe / Sex Nach einer Studie, die Wahninhalte in Soeul, Religion Shanghai und Taipeh verglich (Kim 2001). Schädigung Wirtschaft Technologie Politik – An der besonderen eigenen Überzeugung wird festgehalten, auch wenn der Wahn im Widerspruch zur mitmenschlich-kommunikablen Wirklichkeit, zur eigenen Vorerfahrung und zur Erfahrung gesunder Mitmenschen steht. – „Wahn ist eine Störung der Mitweltlichkeit des Menschen.“ e) Wahn ist eine Überzeugung, die isoliert und entfremdet. f) Im Wahn dreht sich die Welt um die einzelne Person. – „Es geht immer um mich.“ – Die grosse Welt hat plötzlich einen ganz eigenen, sehr persönlichen Bezug zum Betroffenen. – „Wahn ist ein Wissen, kein vertrauendes Glauben.“ c) Wahn ist eine lebensbestimmende Wirklichkeit – er beeinflusst das Erleben und Verhalten eines Menschen. Download der Powerpoint-Präsentation: www.seminare-ps.net Riehener Seminar ZWISCHEN WAHN UND WIRKLICHKEIT 28. Oktober 2008 Dr. Samuel Pfeifer Was ist eigentlich ein Wahn? Kriterien des Wahns Glaube vs. Wahn a) Unkorrigierbarkeit der objektiv befremdlichen Überzeugung b) Überzeugung bedarf keinerlei Beweises c) Krankhafter Ich-Bezug Glaube Wahn Gruppenverankerung Gemeinschaft Singularität Vereinsamung, fehlende Kommunikation Unkorrigierbarkeit Vertrauensverlust Inhalt oft bedrohlich Weitere psychopathologische Auffällig-keiten. Wahn-Formen – Wahnidee (-einfall, -vorstellung): keine gestörten Wahrnehmungen! – Wahnwahrnehmung: wahnhafte Interpretation von Wahrnehmungen – Wahnerinnerung: nachträglicher Einbau von Erinnerungen in Wahnsystem durch Uminterpretation Zulassen von Zweifel Vertrauen Inhalt oft transzendent Psychopathologisch unauffällig Nach Haenel 1983 Aberglaube, Glaube, Wahn Psychodynamik des Wahns Aberglaube ist die Vorstellung, durch gewisse Einstellungen und Handlungen Unheil abzuwenden oder umgekehrt Heil herbeiführen zu können. Zentraler Mechanismus ist die Projektion, die keine klare Trennung zwischen der eigenen Person und der (belebten oder unbelebten) Umwelt vornimmt. Ein Wahn ist immer „funktional-final“ Der Wahn hat eine Funktion – Instrument der Selbstrettung Der Wahn hat einen Zweck – er gibt Bedeutung und Sinn Ein Modell WER? Wahrnehmung WARUM? STIMME Jemand, der mir schaden will? Halluzination: “Du bist Dreck. Bring Dich um!” Was habe ich falsch gemacht? Interpretation KULTUR Dazu kommen die Kriterien nach Jaspers - Überzeugung - Unkorrigierbarkeit „Das Verhalten Schizophrener ist nie schlechthin verrückt oder unsinnig, sondern es hat einen Sinn, eine Aufgabe. Diesen Sinn – die Funktion, die das Verhalten für die Patienten hat – müssen wir herauszufinden versuchen, wenn wir vor der Frage stehen, wie wir diesen Menschen am besten helfen“ - krankhafter Ich-Bezug (Scharfetter, 1981, S.55). Download der Powerpoint-Präsentation: www.seminare-ps.net Riehener Seminar ZWISCHEN WAHN UND WIRKLICHKEIT 28. Oktober 2008 Dr. U. Gschwandtner Schizophrenie früh erkennen. Symptome und Behandlung. Übersicht 1. Theoretischer Hintergrund - Warum Früherkennung? - Probleme der Früherkennung - Wie Früherkennung? Schizophrenie früh erkennen Symptome und Behandlungsmöglichkeiten Erkenntnisse aus dem Fepsy-Projekt 2. Eigene FEPSY-Studie - Hypothese und Design - Erste Ergebnisse Dr. med. Dipl. Phil. U. Gschwandtner Konsequenzen einer verzögerten Behandlung Warum Früherkennung und -behandlung? - Verzögerte und unvollständige Besserung der Symptomatik Johnstone et al. 86; Loebel et al. 92; Birchwood + McMillan 93; McGorry et al. 96; Haas et al. 98; Drake et al. 00; Larsen et al. 00; Malla et al. 02; Harrigan et al. 03 - Kognitive Verschlechterung Cosway et al. 00; Amminger et al. 02 - Schlechtere Prognose Verzögerung der Diagnose und Therapie Huber et al. 79; Wyatt 91 - Höhere Neuroleptikadosis McGorry et al. 96 Fatale Konsequenzen der Erkrankung schon in den „präklinischen“ Frühstadien - Geringere Compliance Stirling et al. 91 - Höhere Rehospitalisierungsrate Helgasson 90 - Höhere Behandlungskosten Frühbehandlung kann den Krankheitsverlauf verbessern Moscarelli 94; McGorry + Edwards 97 - Erhöhtes Risiko für Depression, Suizid, Alkohol, Drogen, Delinquenz - Stärkere Beeinträchtigung der psychologischen und sozialen Entwicklung sowie der Lebensqualität Riecher et al. 89; Häfner et al. 93, 98; Browne et al. 00 Mögliche Zugangsebenen zur Früherkennung Risikofaktoren und Indikatoren für die Entwicklung einer Psychose FEPSY-Projekt: Ablaufschema Patienten mit Verdacht auf Psychose - Symptomatik (Poliklinik- oder externe Zuweisung) - Andere „Indikatoren“ der beginnennden Erkrankung PUP: FEPSY-Sprechstunde (inkl. Bewältigungsverhalten und sozialer Knick) - Risikofaktoren (inkl. genetische Belastung, perinatale Komplikationen etc.) Screening - Neuropsychologie Störungen von Aufmerksamkeit, (verbalem) Gedächtnis, Abstraktionsvermögen, exekutiven Funktionen (Tests: CPT, WCST, CVLT, TAP etc.) - Neurophysiologie Neuromotorische Auffälligkeiten ("soft signs", Feinmotorik), EEG (langsame Wellen), visumotorische Störungen (z.B. langsame Augenfolgebewegungen), P300 (erhöhte Latenz und reduzierte Amplitude), Prepulse inhibition Kein Psychoserisiko oder chronische Psychose Rücküberweisung mit Bericht Risikopatienten Symptomatik, psychiatrische Anamnese Neuropsychologie - Neurophysiologie Neuroradiologie - Neuroradiologie Erweiterung der Seitenventrikel, Hypofrontalität, reduzierte Grösse von Amygdalae, Hippokampus und Thalamus Ersterkrankte Follow-up Rücküberweisung und evtl. Frühinterventionsprogramm Riehener Seminar ZWISCHEN WAHN UND WIRKLICHKEIT 28. Oktober 2008 Dr. U. Gschwandtner Schizophrenie früh erkennen. Symptome und Behandlung. FEPSY 3-Jahres-Studiensample* Gescreente Individuen n = 206 Erste psychotische Episode n = 76 Risikopatienten n = 98 Keine Teilnahme n = 40 Erste psychotische Episode, eingeschlossen n = 36 Patienten ohne Psychoserisiko, andere Diagnosen n = 32 Risikopatienten, eingeschlossen n = 58 Drop-out während Follow-up n=8 Follow-up n = 50 *Einschluss 1.3.2000 - 28.2.2003 Follow-Up until 28.02.2005 23 Areas of reduced grey matter volume in individuals with an ARMS who developed psychosis (ARMS-T) relative to healthy controls Figure1: Pathological slowing and epileptiform activity χ2df=10 = 6.2; p = .80 Multiple responses possible Borgwardt et al., Br J Psych (2007), 191, S69-75 09/08 19. Riehener Seminar am 28. Oktober 2008: Zwischen Wahn und Wirklichkeit – Krankheiten und Ängste in einer komplexen Umwelt Dr. Dr. Walter von Lucadou Parapsychologische Phänomene im Grenzbereich zwischen Wahn und Realität Abstract: Die Parapsychologische Beratungsstelle in Freiburg, ist die bislang einzig offiziell anerkannte Beratungsstelle in Deutschland, die Menschen berät, die im Alltag von ungewöhnlichen Erlebnissen überrascht werden. Sie wird vom Land BadenWürttemberg gefördert. Ungewöhnliche Erlebnisse werden in der Öffentlichkeit und auch von den Betroffenen häufig als "paranormal" oder "übersinnlich" bezeichnet. Der vermeintliche Einbruch des Übernatürlichen in die Alltagswelt führt häufig zu Angstreaktionen und kognitiven Dissonanzen. Diese werden von den Betroffenen auf die unterschiedlichste Art und Weise reduziert. Es spricht viel dafür, dass die Mehrzahl der Personen, ungewöhnliche Erfahrungen sofort verdrängen. Wenn Menschen diese unbewusste Verdrängungsleistung nicht zur Verfügung steht, wird ein bewusster kognitiver Prozess angeregt, der zur Externalisierung des Erlebten führt. Externalisierung heißt, dass als Ursache nicht psychologische, sondern äußere physikalische Prozesse angenommen werden. Diese bestehen im Wesentlichen aus 10 verschiedenen Strategien, wobei die Hälfte der Strategien darin besteht, das Erlebnis "wegzuerklären". Dazu gehört z.B. das Erlebnis als Zufall oder Täuschung abzutun. Dem diametral entgegengerichtet sind Erklärungsbilder, die die Vorstellung von Geistwesen, Verstorbenen oder transzendenten Kräften beinhalten. Die Unterschiede dieser beiden Zugangsweisen werden anhand von Fallbeispielen erläutert und miteinander verglichen. Es stellt sich heraus, dass die sog. "irrationalen Vorstellungen" wie Gespenster, Geister und Dämonen, obwohl sie nicht zum Bestand der naturwissenschaftlichen Weltsicht gehören, nach wie vor eine große Popularität besitzen und offenbar viel weniger pathogen sind, als angenommen wird. Die Wegerklärungen hingegen erlauben den Betroffenen im Allgemeinen nicht, sich in aktiver Weise mit ihren Erlebnissen auseinanderzusetzen. Das bedeutet nicht, dass die traditionellen Vorstellungen von Geistern unproblematisch wären. In der Praxis hat es sich bewährt, die Beschreibungswelten der Betroffenen positiv in die angebotenen Verarbeitungsstrukturen einzubinden, ohne dabei den sachlichen Bezug zu verlieren. In der Beratungsstelle wurde ein Konzept entwickelt, bei dem die neuesten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse der Kognitionswissenschaften berücksichtigt werden und in die Sprache der Betroffenen übersetzt werden. Auf diese Art und Weise können Handlungsanweisungen gegeben werden, die die Betroffenen in die Lage versetzen ihre Erlebnisse nicht zu negieren, sondern sie positiv in ihre Lebensbezüge einzubinden. Besondere Berücksichtigung wird auch die Frage finden, welches die psychologischen Voraussetzungen für ungewöhnliche Erfahrungen sind und anhand welcher Kriterien man beurteilen kann, welche Erfahrungen genuin und welche eher Resultate von Erzählstrukturen sind. Es werden ferner Kriterien entwickelt, die es erlauben entsprechende Angebote des Esoterik- oder Psychomarktes in Bezug auf ihren Nutzen und ihre Risiken einzuschätzen und anzugeben welche Irritationen oder gar Störungen durch einen unkritischen Umgang entstehen können. In diesem Zusammenhang ist die phänomenologische und differentialdiagnostische Unterscheidung zwischen psychotischen Störungen und spontanen paranormalen Erlebnissen von großer Bedeutung. Die Methodik und der Forschungsstand der wissenschaftlichen Parapsychologie werden zusammenfassend dargestellt. Es wird gezeigt, wie es heute trotz der ungeheuren Komplexität dieses "scheinbar unerklärlichen Residuums menschlicher Erfahrung" möglich geworden ist, theoriengeleitete Untersuchungen durchzuführen, die gleichzeitig den (sozial-)psychologischen und naturwissenschaftlichen Aspekten der Phänomene gerecht werden. Obwohl sich einige der Ergebnisse zunächst nur auf höchst artifizielle Laborsituationen beziehen, können dennoch theoretische Konzepte abgeleitet werden, die auch in realen Lebenssituationen einen Erklärungswert haben. Allerdings regen sich aufgrund dieser Entwicklung zunehmend Zweifel an den verbreiteten Vorstellungen über die Natur "paranormaler" Phänomene: "Psychokinese" muss danach eher als eine "psycho-physikalische Verschränkung" (Verschränkungskorrelation) denn als eine "Einwirkung" angesehen werden, "Telepathie" eher als "Synchronizität" denn als Informationsübertragung. Gleichzeitig ergibt sich, dass die Phänomene weit weniger "para"-normal sind, als es den Anschein hat. Die diskutierten theoretische Modelle können auf konkrete Beispiele angewendet werden und dienen nicht nur zum Verständnis der ungewöhnlichen Erlebnisse sondern liefern auch Ansätze, wie mit solchen Erfahrungen (therapeutisch) umgegangen werden kann. Literaturempfehlungen Bauer, E. & Lucadou, W. v. (1992): »Parapsychologie«, in: Asanger, R. & Wenninger, H. (Hrsg.): Handwörterbuch der Psychologie. München: Psychologie Verlags Union 1999 (Studienausgabe der 4. Aufl. 1992, S. 517-524). Lucadou, W.v. (1994): "Psychische Störungen durch Psychokulte", in: TW Neurologie Psychiatrie 8, 380387. Lucadou, W. v. (1997): Psi-Phänomene - Neue Ergebnisse der Psychokineseforschung. Frankfurt, Insel Taschenbuch 1997. Lucadou, W. v. (2003): "Beratung bei paranormalen Erlebnissen", in: Galuska (Hrg.): Den Horizont erweitern. Berlin: Ulrich Leutner Verlag, S. 204-230. Lucadou, W. v., Zahradnik , F. (2005): "Die verschwiegene Erfahrung - ungewöhnliche Erlebnisse in der transpersonalen Psychologie". Zeitschrift für transpersonale Psychologie, 2, 78 - 89. Zahradnik, F. (2007): Irritation der Wirklichkeit. Eine qualitative und quantitative Analyse der Briefsammlung der parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg. Hamburg: LIT 2007 (Psychologie des Bewusstseins 8). Lucadou, W. v., Römer, H., Walach, H. (2007): Synchronistic Phenomena as Entanglement Correlations in Generalized Quantum Theory. Journal of Consciousness Studies, 14, No.4, pp. 50-74. Riehener Seminar 28. Oktober 2008: ZWISCHEN WAHN UND WIRKLICHKEIT WORKSHOP W01 Dr. phil. Martin Röösli Befindlichkeitsstörungen bei elektromagnetischen Felder - was ist dran? Wie kann man Betroffene beraten? Der Artikel auf den folgenden Seiten zeigt einige grundsätzliche Ansätze der Forschungs- und Beratungstätigkeit von Dr. Martin Röösli. Zusätzlich hat er uns zwei Artikel zur Verfügung gestellt, die wegen ihres Umfangs aber nur als Download zur Verfügung stehen. Der Link: www.seminare-ps.net/rs08 mbien te OEK OSK 7 R. 2/0 OP N ART ICLE IN P RES S z • me er l'a dici P eltumw hes inisc mediz z snet tung bera Env Rad ironm enta iofre Abstr act n und ärzte für u mw hut eltsc ived ng kläru ne ärztin se ab seriö nötig fachz eitsc hrift der ue Pr e das n lle die fä ojekt l Res earc h 10 quen 7 (2 008) 277– c 287 sym y electr Rev ptom ie o s of magnetic w il l fi www healt Institu eld e .else te of vier.c h xp Soci :A om/lo al an cate d Pre syste osure a /env Mart vent res Recei ive M n mat in R ved ed 21 Se ic re d nonFink icine, D öösl � ptem enhu ep artm i view $ spec ber belw 2007 eg 11 ent of ific ; rece Soci , CH -3 al an 012 Thi Bern, d Preve Ava in revise ntiv and s article ilabl Switz e on d form w erland e Medic 4 line Rad hether is a syst ine, 21 M Februar em ia so Unive y arch sear tion Pro me indi atic re rsity 2008 2008; ac ch vi of B cept EM . Meta- tection] viduals ew of w ern, ed 6 F are guid heth an Feb ab el er hype exposu alytic ruar tech ines). P le to de everyd re. R rsen y 20 ni ee si 08 chan ay te ce (9 tive (EH F-EMF ques wer r-review ct low-l exposu othe 5% ed ar e used evel S) in re to discri r C of ei persons. I: �2.1 dividual minatio to pool ticles pu RF-EM radiofre ght F quen the re blishe rand There w to 10.5 s and 33 n was the cy el d be (below su ). T in 2 no omiz oc as lit n-EH vestigat lts from fore A the ICN ectrom ed tr ever curren tle ev here w ug ag ce yday ed st ia as S IR low envi of noce ls invest idence th no evid individu in seve udies in ust 2007 P [Int netic fie le erna ronm vest ld (R igatin w at bo al en n tion have vel RF F g 19 short-te ce that s. The po studies igating ere iden -EM ent was effects. no tified al Com -EMF) 4 E rm the in ol t E H In F effect re been H cl ed ca S ex iden are not peatedly popula S and 34 posure individu correc uding a ability to by mea mission uses sy r 20 s. tion tified t mpt able to on N ob 6 discri ns of field tota als co nonam om 08 E ba to do served a yet. l lsevie The . Thi sed stud EHS in obile ph uld dete detectio of 182 minate systemat on-Ioniz s, so n ac avai unde r In s in di one se ct ic Key lable c. A r do review ies an as vidual or ba presen rate was lf-decla tive from literat g words ll s sh uble obse ure (RF righ -blin owed th sociatio in a labo se statio ce or ab 4.2% be red elec sham rvat -EM : Electro ts re RFio F); M d mag n se n tr tt se at ra na er th om nce caus rved to the la betw netic l stud condit obile . rge m een sy ry. 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Eine repräsentative Bevölkerungsbefragung von 2000 Personen aus der Schweiz im Jahr 2004 ergab, dass sich rund die Hälfte der Bevölkerung Sorgen um die eigene Gesundheit wegen der alltäglichen Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern (EMF) macht. Ungefähr fünf Prozent erachten sich aufgrund eigener gesundheitlicher Erfahrungen als elektromagnetisch hypersensibel.1 Das lässt erwarten, dass potentielle Gesundheitsrisiken durch EMF ein Thema in der Hausarztpraxis ist. Eine Erhebung bei 342 repräsentativ ausgewählten HausärztInnen zeigte, dass bei rund 70 Prozent mindestens einmal gesundheitliche Wirkungen von elektromagnetischen Feldern bei einer Konsultation zur Sprache gekommen sind.2 Typischerweise wird bei unspezifischen, chronischen Gesundheitsbeschwerden EMF als Ursache in Betracht gezogen. Dabei wird der Zusammenhang zu EMF in den meisten Fällen vom Patient bzw. der Patientin hergestellt. Die Ärzteschaft beurteilte den Zusammenhang jedoch in rund der Hälfte der Fälle als plausibel. Dieser Anteil ist erstaunlich hoch im Vergleich zu wissenschaftlichen Kausalitätsbe wertungen, die typischerweise zum Schluss kommen, dass Befindensbeeinträchtigungen für Felder, wie sie im Alltag vorkommen, nicht nachgewiesen seien (z.B. Analyse von 26 ExpertInnenberichten zu Gesundheit und Mobilfunkstrahlung durch das 'National Radiological Protection Board'3). Im Gegensatz dazu wurde in epidemiologischen Studien ein erhöhtes Leukämierisiko bei Kindern, die in der Nähe von Hochspannungsleitungen wohnen, relativ konsistent nachgewiesen. Hier zeigt sich ein typisches Dilemma für die HausärztInnen. Die wissenschaftliche Kausalitätsbeurteilung ist bevölkerungsbasiert und beruht auf epidemiologischen und experimentellen Studien. Aus statistischen Korrelationen wird erst auf eine Kausalität geschlossen, wenn andere Faktoren mit an Sicherheit grenzender Oekoskop 2/07 Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können. Das ist ein lang andauernder Prozess der Hypothesenprüfung und damit einhergehender Unsicherheit. Im Gegensatz dazu hat der Hausarzt bzw. die Hausärztin bei der Betreuung von PatientInnen eine einzelfallbasierte Sichtweise. Dabei steht nicht die Kausalitätsprüfung im Vordergrund – diese ist im Einzelfall prinzipiell nicht möglich – sondern die Suche nach einer geeigneten hilfreichen Massnahme. Gerade bei chronischen, multifaktoriell bedingten Beschwerden wie sie sich in der Hausarztpraxis häufig präsentieren, ist jedoch die Ursache oft unklar und eine Vielzahl von möglichen Verursachern steht zur Diskussion. Die Praxiserfahrung zeigt, dass Individuen sehr unterschiedlich auf Umweltreize reagieren können. Die Frage, ob auch EMF als potentielle Krankheitsursache in Betracht zu ziehen ist und wie damit umzugehen ist, stellt eine besondere Herausforderung dar, angesichts der wissenschaft lichen Unsicherheiten in diesem Gebiet. Eine besondere Herausforderung elektrosmog Kann Elektrosensibilität diagnostiziert werden? Eine Überempfindlichkeit gegenüber EMF wird im deutschen Sprachraum typischerweise als Elektrosensibilität bezeichnet. Konziser ist jedoch die Bezeichnung die sich im Englischen etabliert hat: "electromagnetic hypersensitivity". Mit naturwissenschaftlich-medizinischen Methoden konnte bisher nicht nachgewiesen werden, ob es tatsächlich Personen gibt, die (über-)empfindlich auf EMF-Belastungen wie sie im Alltag vorkommen reagieren. Objektive diagnostische Kriterien für eine Diagnose "elektromagnetische Hypersensibilität" gibt es nicht.4 Elektromagnetische Hypersensibilität ist deshalb zur Zeit eine Selbstdiagnose auf der Basis von eigenen Erfahrungen. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Mehrheit der elektromagnetisch hypersensiblen Personen berichten, dass sie EMF im Alltag unmittelbar wahrnehmen können.5 Dies steht im Gegensatz zu den Resultaten von einer Vielzahl von sogenannten Provokationsstudien. Dabei werden Studienteilnehmende doppelblind EMF ausgesetzt und sie müssen angeben, ob sie nun exponiert sind oder nicht. Rubin und Kollegen werteten 31 publizierte Provokationsstudien aus und kamen auf der Basis von insgesamt 725 Personen zum Schluss, dass "keine Evidenz bestehe, dass elektromagnetisch hypersensible Personen eine verbesserte Wahrnehmungsfähigkeit für EMF besitzen".6 Das lässt vermuten, dass bei einem Grossteil der elektromagnetisch Hypersensiblen die Wahrnehmungsfähigkeit primär in der Erwartungshaltung begründet ist und Nocebo-Effekte eine Rolle spielen können. Der Nocebo-Effekt ist das Gegenstück zum Placebo-Effekt und bedeutet, dass Auftreten von nachteiligen gesundheitlichen Auswirkungen auf Grund der Erwartungshaltung – also wegen Sorgen und Ängsten. Das schliesst aber nicht zwingend aus, dass EMF im Alltag dennoch gesundheitsschädigend sein kann. Typischerweise können nämlich Gesundheitsschädigungen auf individueller Ebene gar nicht wahrgenommen werden (z.B. Röntgenstrahlung). Die Wahrnehmungsfähigkeit ist also keine unbedingt nötige Voraussetzung für die Schädlichkeit eines Agens. Zudem ist denkbar, dass es dennoch "richtige" elektromagnetisch hypersensible Personen gibt, die aber bisher nicht untersucht worden sind. Expositionsvermindernde Massnahmen Wird bei einer Beschwerde EMF als Krankheitsursache in Betracht gezogen, sind expositionsvermindernde Massnahmen am naheliegendsten. Dabei empfiehlt sich ein experimentelles Vorgehen mit einfach zu rea- lisierenden Massnahmen. Je nach Situation könnte der Verzicht auf Mobiltelefone oder Schnurlostelefone angezeigt sein, oder die temporäre Umstellungen der Wohneinrichtung, insbesondere in Bezug auf Orte an denen man sich längere Zeit aufhält wie das Bett. Um abzuklären, ob sich der Gesundheitszustand verbessert, sind solche Massnahmen während mindestens vier Wochen durchzuführen mit gleichzeitiger Protokollierung der Beschwerden/Symptome. Baubiologische Sanierungen/Abschirmungen mit Kostenfolgen sollten nur zurückhaltend empfohlen werden, wenn aufgrund der experimentellen Massnahmen die Wirksamkeit als gegeben erachtet wird. Obwohl Betroffene häufig berichten, dass expositionsvermindernde Massnahmen hilfreich seien, sind auch Nebenwirkungen zu bedenken. Langfristig wird damit nämlich die Sichtweise der PatientInnen bestätigt, dass ihre Beschwerden durch EMF verursacht seien, obwohl dies nicht notgedrungen zutreffend sein muss. Konsequenz ist, dass angesichts der Ubiquität von EMF im Alltag, die angestrebte Expositionsvermeidung de facto nicht vollständig möglich sein wird und eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität in Kauf genommen werden muss. Auf diesem Hintergrund wurde auch schon die gegenteilige Massnahme erfolgreich angewendet. Nämlich die vorsätzliche Exposition gegenüber EMF im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie.7 Eine solche Massnahme stösst jedoch bei Betroffenen häufig auf Ablehnung. Möglicherweise wird der Hausarzt oder die Hausärztin auch mit Massnahmen aus der esoterischen Richtung konfrontiert. Solche Massnahmen wie beispielsweise das Aufstellen von Rosenquarz oder geometrischen Formen verändern die messbare Strahlenbelastung nicht. Dennoch werden sie im Einzelfall von Betroffenen als hilfreich eingeschätzt. Wie man sich als HausärztIn zu solchen Massnahmen stellt, ist von ethischen Überlegungen abhängig. Messungen Häufig wünschen Betroffene zur genaueren Abklärung EMF-Messungen. Solche Messungen durch eine Fachperson sind relativ teuer. Es lohnt sich daher, sich zuerst Klarheit zu schaffen, welcher Nutzen erwartet wird. In den meisten Fällen ist nämlich schon vor der Messung absehbar, dass die gemessenen Werte deutlich unterhalb der Grenzwerte sein werden. In diesem Fall sind aber Messungen nur sinnvoll, wenn sie vom Patienten oder der Patientin als differentialdiagnostisches Kriterium akzeptiert werden. In den meisten Fällen dürfte dies jedoch nicht der Fall sein, sondern die Messungen werden als Beweis gewertet, dass "EMF-Beschwerden" deutlich unterhalb der Grenzwerte auftreten können. Dies bringt aber keine zusätzliche Hilfestellung beim Oe 1/98 Oekoskop 2/07 elektrosmog Finden von geeigneten Massnahmen. Angezeigt können Messungen hingegen sein, wenn die Beschwerden ein klares Muster zeigen und immer zu bestimmten Zeiten oder an bestimmten Orten auftreten. Nachzuprüfen, ob das Auftreten mit der elektromagnetischen Feldstärke korreliert, kann in diesem Fall hilfreich sein. Jedoch ist zu beachten, dass aus einer Korrelation alleine nicht eine ursächliche Beziehung bewiesen werden kann. Kommunikation mit "Elektrosmog PatientInnen" In der Kommunikation mit elektrosensiblen Personen fällt auf, dass typischerweise eine grosse Überzeugung besteht, dass die Beschwerden durch EMF ausgelöst sind. Alternative Erklärungen stossen häufig auf Ablehnung und insbesondere psychologisch begründete Ansätze werden nicht akzeptiert. Häufig besteht auch ein grosses Ohnmachtgefühl aufgrund der ubiquitären Verbreitung von EMF. In diesem Fall ist vom Hausarzt oder der Hausärztin Fingerspitzengefühl in der Kommunikation erforderlich. Häufig ist es nötig falschen Vorstellungen, die durch die Nicht-Wahrnehmbarkeit von EMF zustande kommen, entgegen zu wirken. So kann unter Umständen der Vergleich mit Lärm/Schall sehr hilfreich sein. Obwohl starker Lärm erwiesenermassen gesundheitsschädigend ist, bedeutet das nicht, dass jeder messbare Schall ein Risiko für die Gesundheit darstellt. Analog verhält es sich bei EMF - wobei zur Zeit die Höhe der Schwelle für Gesundheitsschädigung noch mit Unsicherheiten behaftet ist. Alternative Erklärungsmöglichkeiten für die aufgetretene Krankheit oder Beschwerde sind zusammen mit den PatientInnen zu prüfen. Unter Umständen empfiehlt es sich, den internistischen Status genauer zu erheben, ergänzt durch entsprechende Analysen von Blut und Urin zur differentialdiagnostischen Klärung. Kommt man zum Schluss, dass EMF als Ursache auszuschliessen ist, kann es für die PatientInnen erleichternd sein, wenn dies klar kommuniziert wird. Andernfalls sind mögliche Massnahmen zu evaluieren. Oekoskop 2/07 Schlussfolgerung Ob es Personen gibt, bei denen alltägliche EMF-Expositionen Beschwerden auslösen können, kann zurzeit wissenschaftlich nicht abschliessend beantwortet werden. Der Hinweis, dass die Ursache-Wirkungsbeziehung noch ungenügend erforscht sei, wird in der Hausarztpraxis nicht hilfreich sein. Gefragt ist in erster Linie eine systematische Anamnese, die der komplexen Natur des Phänomens "elektromagnetische Hypersensibilität" Rechnung trägt, und auch andere mögliche Krankheitsursachen mitberücksichtigt. Dr. Martin Röösli, Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Finkenhubelweg 11, 3012 Bern, roeoesli@ispm.unibe.ch Dr. med. Bernhard Aufdereggen, Kantonsstrasse 14A, 3930 Visp, bernhard.aufdereggen@bluewin.ch Bericht zum Workshop an der SGAM Tagung vom 11. November 2005, von den Autoren für dieses Oekoskop aktualisiert. Referenzen 1. Schreier N, Huss A, Röösli M. The prevalence of symptoms attributed to electromagnetic field exposure: a cross-sectional representative survey in Switzerland. Social and Preventive Medicine 2006; 51: 202–209. 2. Huss A, Röösli M. Consultations in primary care for symptoms attributed to electromagnetic fields – a survey among general practitioners. BMC Public Health 2006, 6:267 3. Sienkiewicz ZJ, Kowalczuk CI. A summary of recent reports on mobile phones and health (2000-2004). Chilton (GB): National Radiological Protection Board, 2005. 4. WHO. Fact sheet 296: Electromagnetic fields and public health - Electromagnetic Hypersensitivity. Accessed 19th Dec, 2005. 5. Röösli M, Moser M, Baldinini Y, Meier M, Braun-Fahrländer C. Symptoms of ill health ascribed to electromagnetic field exposure - a questionnaire survey. Int J Hyg Environ Health 2004;207(2):141-50. 6. Rubin GJ, Das Munshi J, Wessely S. Electromagnetic Hypersensitivity: A Systematic Review of Provocation Studies. Psychosomatic Medicine 2005;67:224-32. 7. Rubin GJ, Das Munshi J, Wessely S. A systematic review of treatments for electromagnetic hypersensitivity. Psychother Psychosom 2006;75(1):12-8. Riehener Seminar ZWISCHEN WAHN UND WIRKLICHKEIT 28. Oktober 2008 Matthias Mittrach Wahnideen verstehen und therapeutisch bearbeiten. Wahn Wahnideen verstehen und therapeutisch verarbeiten Workshop am 19. Riehener Seminar Matthias Mittrach Oberarzt Klinik Sonnenhalde • • • • • inhaltliche Denkstörung Fehlbeurteilung der Realität tritt erfahrungsunabhängig auf unkorrigierbare Gewissheit Es wird mit subjektiver Gewissheit daran festgehalten, auch wenn er im Widerspruch zu Erfahrungen der Mitmenschen sowie ihrem kollektiven Glauben und Meinen steht • Kein Bedürfnis nach Begründung dieser Fehlbeurteilung Vorkommen nach ICD 10 • • • • Paranoide Schiziophrenie (F20.0) Anhaltende wahnhafte Störung (F22.0) Induzierte wahnhafte Störung (F24) Organische (schizophreniforme) Störung (F06.2) induzierter Wahn • Übertragung wahnhafter Inhalte auf psychisch Gesunde • „infektiöses Irresein“, Ideler 1838 • „Contagio psychica“, Hofbauer, 1848 • Folie à communiquée, Baillarger, 1860 • Folie à deux („induziertes Irresein“) • Folie à simultanée • Folie transformée • Folie induite Formale Wahnmerkmale Wahneinfall, Wahnidee, Wahngedanke • Kleinste geistige Einheit des Wahns • Plötzliches Einfallen von wahnhaften Meinungen (=Wahneinfall) oder dauerhaftes wahnhaftes Denken (=Wahnidee, Wahngedanken) • Beispiel: Ein Patient ruft beim Essen plötzlich „Das Essen ist vergiftet“ (Wahneinfall). „Ich bin Gottes Sohn“ (Wahnidee) • Wahngedanken können bis hin zum systematisierten Wahn ausgebaut werden (in der Wahnarbeit) • • • • • • Wahngedanken Wahneinfälle Wahnwahrnehmung Wahnstimmung systematisierter Wahn Wahndynamik www.seminare-ps.net Riehener Seminar ZWISCHEN WAHN UND WIRKLICHKEIT 28. Oktober 2008 Matthias Mittrach Wahnideen verstehen und therapeutisch bearbeiten. Beispiel: Wahndynamik • „Die Leute dort, die in meine Richtung blicken, reden über mich, sie beschliessen gerade, wie sie mich öffentlich blossstellen können, das sehe ich an den Handbewegungen.“ (=Wahnwahrnehmung, die Interpretation der Wahrnehmung ist durch wahnhafte Zusatzannahmen erweitert und nicht aus dem Gesehenen als möglich abzuleiten) • Affektive Anteilnahme am Wahn • Wahninhalte können mit affektiver und psychomotorischer Anteilnahme (z. B. Angst, Euphorie, Erregungszustände) und ständig neuen Ideen vorgetragen werden, aber auch ohne affektive Beteiligung und monoton • starke Dynamik: eher floride Psychose • geringe Dynamik: abgeklungene Produktivität Wahnstimmung • Emotionale Gespanntheit und Atmosphäre des Betroffenseins im Vorfeld und Umfeld eines Wahns • Der Patient hat die Gewissheit, dass etwas „passiert“ • immer starke affektive Beteiligung (Unheimlichkeit, Verändertsein, Angst, Bedrohung, auch Euphorie und Glück) unterschiedliche Realitäten Inhaltliche Wahnmerkmale • • • • • • • • • • Beziehungswahn (26,4 %) Beeinträchtigungs- und Verfolgungswahn (50,6 %) Eifersuchtswahn (3,3 %) Liebeswahn Schuldwahn (2,2 %) Verarmungswahn (1,1 %) hypochondrischer Wahn (4,4 %) religiöser Wahn nihilistischer Wahn Grössenwahn (6,6 %) Wahnthemen bei wahnhafter Depression • Nach Kurt Schneider (1950) treten charakteristischerweise Wahnthemen auf, die Bezug zu den drei Urängsten der Menschen haben, nämlich Sorge um das Seelenheil, die Gesundheit und den Besitz www.seminare-ps.net Riehener Seminar ZWISCHEN WAHN UND WIRKLICHKEIT 28. Oktober 2008 Gauguin: „Vision in der Predigt“ Dr. Samuel Pfeifer Schizophrenie und Religion Glaube vs. Wahn Glaube Wahn Gruppenverankerung Singularität – pathologischer Ichbezug. Gemeinschaft Vereinsamung, fehlende Kommunikation Dr. Samuel Pfeifer Zulassen von Zweifel Unkorrigierbarkeit Schizophrenie und Religion. Wie kann man Wahnideen und echten Glauben voneinander unterscheiden? Vertrauen Vertrauensverlust Inhalt oft transzendent Inhalt oft bedrohlich Psychopathologisch unauffällig Weitere psychopathologische Auffälligkeiten. Nach Haenel 1983 Glaube vs. Wahn im Längsschnitt Bestimmende Faktoren “Im Falle des Wahnes wird man immer eine Erstarrung und einen Freiheitsverlust mit dem Bilde des Defektes der Persönlichkeit finden. Im Falles eines Glaubenserlebnisses wird man aber eine lebendige, d.h. variable, der Situation angepasste und auch mehr Freiheit besitzende und in sich vollkommenere Persönlichkeit finden.“ (Lenz 1973) Religiosität allein ist nicht der ausschlaggebende Faktor für die Entwicklung eines religiösen Wahns In Manchester (Siddle et al. 2002): 68 % der schizophrenen Patienten bezeichnen sich als religiös, aber nur 23 % zeigten einen religiösen Wahn (45 von 193 Patienten). In Saudi-Arabien wenden 43 % der Patienten religiöse Coping-Strategien bei Halluzinationen an (Wahass & Kent 1997). Nach Lenz 1973 Conviction, Preoccupation, Distress Multidimensionales Phänomen Graduelle Unterschiede zwischen normalen Glaubensüberzeugungen und ausgeprägten Wahnideen Halluzinationen (spez. Stimmenhören) nicht nur bei Schizophreniekranken (Romme & Escher) Diagnostischer Algorithmus (Siddle 2002) Glaube /Attribution wird fest geglaubt, kann bizarr sein, ist vernünftigen Argumenten / Zweifeln nicht zugänglich I Weitere Symptome einer Psychose I Religiöser Inhalt (Gott, Teufel, Propheten, Geister, Engel) I Drei Dimensionen Conviction - Überzeugung Preoccupation – Beschäftigung, Eingenommen sein Distress - Belastung Die Ideen sind auch in der Subkultur (peer group) des Patienten nicht akzeptabel. I Der Lebensstil / die Ziele deuten eher auf eine psychotische Episode hin als auf eine bereichernde Lebenserfahrung. Peters E, Day S, McKenna J, Orbach G. (1999) Delusional ideation in religious and psychotic populations. Br J Clin Psychol. 38 ( Pt 1):83-96. Download der Powerpoint-Präsentation: www.seminare-ps.net Riehener Seminar ZWISCHEN WAHN UND WIRKLICHKEIT 28. Oktober 2008 Dr. Samuel Pfeifer Schizophrenie und Religion Wahnwahrnehmung und Interpretation Religiosität II Am Anfang des religiösen Wahns steht praktisch immer eine Wahnwahrnehmung (auditive, visuelle oder somatische Halluzination) Diese verlangt nach einer Interpretation: WER steckt dahinter? WARUM geschieht das mir (Kausalität)? WELCHEN SINN macht die Wahrnehmung? WELCHEN ZWECK hat sie (Finalität)? Religiöse Erziehung: nicht signifikant Psychodynamik: Vier Funktionen des rel. Wahns – 12 Patienten (28 %) – keine religiöse Erziehung – 14 Patienten (33 %) – regelmässiger Gottesdienstbesuch in der Kindheit und Jugend – 13 Patienten (30 %) – mässiger kirchlicher Einfluss – 4 Patienten: k.A. – 13 der 31 Patienten (41 %), die der Religion im Leben eine grosse Bedeutung zuschrieben, hatten nach eigenen Angaben auch eine religiöse Erziehung erhalten Ich-syntone Religiosität: – 23 der untersuchten Patienten (53.5%) zeigten neben dem Wahn Anzeichen einer ich-syntonen Religiosität, die mit der umgebenden Kultur der religiösen Gemeinschaft übereinstimmte. Bedeutung im Wahn 1. Interpretation (kognitive Einordnung) der bedrohlichen Erlebnisse. 2. Integration in einen grösseren Sinnzusammenhang (Begreifen der Welt). 3. Entlastung von Schuld oder inakzeptablen Strebungen durch „Desegoifizierung“. 4. Wunscherfüllung / Bedeutung durch das wahnhafte Erleben. Die bisherige, gestörte Identität erscheint dem Kranken so bedrückend, dass er sie durch eine bedeutendere, unangreifbare ersetzen muss. Er schreibt sich somit die Macht zum Lenken anderer Menschen oder dem Kosmos zu oder sieht sich als einen Heiligen, als Sohn Gottes oder gar als Gott selbst. Weltverbesserungs-, Heils- oder Heilandswahn: Der Kranke möchte die in der Untergangsstimmung gefürchtete Gefahr bannen – für sich und für die Menschheit. Drei grosse Bereiche Therapeutisches Vorgehen Explanation RESPEKT: Den Patienten primär als leidendes (Erklärung) – Der Patient versucht seine ungewöhnlichen Erfahrungen (mental, körperlich, auditiv, optisch) mit religiösen Metaphern zu erklären. Distortion (Verzerrung) – Der Patient verwendet Anteile seiner religiösen Kultur in einer Art und Weise, die den Mustern seiner Glaubensgruppe nicht entspricht. Confusion (Verwechslung) – Der Beobachter (Psychiater, Pflegeperson, Verwandte) mischen das pathologische Verhalten und das religiöse Vokabular in das Konstrukt „Religiöser Wahn“, ohne ausreichend zwischen Kultur und Störung, sowie funktionalem Glauben und dysfunktionalem Denken und Verhalten zu differenzieren. – (nach B. Grom, S. 287 ff.) Individuum wahrnehmen. Religion mag Teil seines Lebens sein, aber sie ist eingebettet in seine gesamte Existenz, die nun von der Krankheit überschattet ist. KULTURELLE SENSIBILITÄT: Seine religiösen Ideen sind Teil seines kulturellen Hintergrundes und erfordern eine weitere Klärung: – Drücken sie seine Ängste oder seine unerfüllten Wünsche in archtypischer Manier aus? – Sind sie Teil seiner Subkultur? – Sind seine religiösen Überzeugungen funktional oder dysfunktional? – Gibt es Möglichkeiten, seine Angehörigen oder seine Kollegen für die Klärung der religiösen Thematik hinzuzuziehen? Download der Powerpoint-Präsentation: www.seminare-ps.net WS03 Workshop: Schizophrenie und Religion. Wie kann man Wahnideen und echten Glauben voneinander unterscheiden? – Dr. Samuel Pfeifer Fallbeispiele Die folgenden Beispiele illustrieren unterschiedliche Zustandsbilder, in denen ungewöhnliche Ideen mit religiösen Inhalten verbunden sind. Diskutieren Sie in kleinen Gruppen die folgenden Fragen: • • • • Fall 1 Was sind nur ungewöhnliche Ideen, was ist absolut bizarr und unmöglich? Welche Rolle spielt die Bestätigung durch andere Menschen? Woran erkennt man, dass eine Erfahrung nur ungewöhnlich, aber nicht notwendigerweise krankhaft ist? Welche Diagnosen würden sie in den einzelnen Fällen geben? Vision und Marienkult (aus einem Bericht im Internet) 1933 erwählte sich die Selige Jungfrau Maria ein 11 Jahre altes Kind als Ansprechpartner. Mariette Beco sitzt am Küchenfenster und schaut hinaus in die Dunkelheit. Da sah sie plötzlich – nur wenige Meter von ihr entfernt – eine junge Frau, die ganz aus Licht zu sein schien und sehr schön war. Da rief sie: „Sieh’ nur, Mutter, es ist Unsere Liebe Frau, sie lächelt mir zu.“ Sofort nahm sie ihren Rosenkranz und begann zu beten, immer auf die Erscheinung schauend. Die Mutter lässt sie nicht hinaus und die Erscheinung verschwindet. Wenige Tage später erfolgt die zweite Erscheinung: Trotz ihrer Angst vor der Dunkelheit geht sie hinaus und beginnt, den Rosenkranz zu beten, kniend, im Dunkeln. Plötzlich streckt sie ihre Arme aus und Unsere Liebe Jungfrau Maria erscheint in einiger Entfernung, scheinbar über dem Wald. Sie sieht Unsere Liebe Frau, die stumm zu beten scheint, mit sanft sich bewegenden Lippen. Dann bedeutet Maria ihr zu folgen. Der Seligen Jungfrau gehorchend kniet Mariette insgesamt drei Mal auf dieser Straße nieder und betet für einige Augenblicke. So gelangen sie an einen kleinen Bach, der einer Quelle entspringt. Unsere Liebe Frau steht oberhalb am Straßenrand und Mariette kniet sich neben die Quelle. Maria sagt: „Streck’ Deine Hände in das Wasser.“ Vorsichtig taucht Mariette ihre Hände in das Wasser. Dann sagt Unsere Liebe Frau: „Diese Quelle ist mir vorbehalten.“ Dann verabschiedet sie sich von Mariette Beco mit folgenden Worten: „Gute Nacht! Auf Wiedersehen.“ Während sie emporgehoben wurde, blieb ihr Gesicht dem Kind zugewandt. Noch an diesem Abend beschließt Mariettes Vater: „Morgen gehe ich beichten und zur Heiligen Kommunion.“ Das ist die zweite Bekehrung. Die Erscheinungen in Banneux erhielten 1949 die endgültige Anerkennung. Mariette Beco heiratete später und gründete eine Familie und war zufrieden damit, nicht weiter in den Vordergrund zu treten oder Vorteile aus den Erscheinungen zu ziehen. Fall 2 Prophetische Begabung und Überaktivität Die 47-jährige Telefonistin hatte seit vielen Jahren immer wieder einmal depressive und überaktive Phasen. Vor zwei Jahren hat sie sich einer kleinen Gemeinschaft angeschlossen, die enge Verbindungen zu einer Erweckungsbewegung in Florida pflegt. Frau S. fühlt sich bestätigt und aufgewertet; an einer „Prophetenschule“ lernt sie wie man „Weissagungen“ macht. Sie wird zunehmend aktiv, braucht nur noch vier Stunden Schlaf, kann ins Innerste von Menschen blicken und wirft öffentlich anderen Mitgliedern der Gemeinschaft „Sünden“ vor, die ihr der Heilige Geist gezeigt habe. – Sie führt eine intensive Korrespondenz mit einer „Prophetin“ in Guatemala, die sie zuerst bestätigt, später aber dringend bittet, zum Arzt zu gehen. Nach einer Konferenz fühlt sie sich „innerlich geheilt“ sowie „eine gewaltige Berufung“. Jeden Morgen feiert sie ganz für sich allein das Abendmahl, weil sie „so viel Kraft im Blut Jesu“ finde. Sie verliert ihre Stelle, entwickelt neben den Erleuchtungen auch starke Ängste und Schwächezustände. Schliesslich bittet man sie, die Gemeinde zu verlassen, weil sie sich nicht an Grenzen hält und jeden Gottesdienst mit ihren Prophetien zu dominieren versucht. Fall 3 Zwischen Allah und Satan Ein 39-jähriger Ingenieur aus Marokko arbeitet in der Schweiz als Hilfskellner. “Ich denke, dass ich einen mächtigen Magier in meinem Dorf beleidigt habe – nun hat er mich verzaubert. Ständig höre ich die Stimme von Allah oder das Reden des Sheitan. Mit Allah rede ich über Recht und Gerechtigkeit, aber al-Sheitan verspottet Allah und sagt, dass der Koran nicht wahr ist. Ich habe schon einen Imam aufgesucht. Er hat Koransprüche gesagt, um die bösen Dschinns (Geister) zu vertreiben, aber es hat nicht geholfen. Die Stimmen sind ständig da, obwohl ich fünf Mal im Tag bete. Ich habe keine Kraft für die Arbeit und habe alle meine Freunde verloren.“ Fall 4 Verfolgung und störende Strahlen Eine 67-jährige Frau erzählt: “Ich lebe in einem Wohnblock und bis vor einem halben Jahr hatten wir es immer gut als Nachbarn. Ich gehe regelmässig in eine Bibelstunde und trinke nach dem Heimkommen immer einen Tee. Vor einem halben Jahr ist mir eine Tasse auf den Boden gefallen und zerbrochen. Am nächsten Tag schaut mich die Nachbarin so eigenartig an. Ich habe dann gemerkt, dass sie versucht meine Gedanken zu lesen und mir unten in der Wohnung auf Schritt und Tritt folgt. Sie verfolgt mich wegen meines Glaubens. Sie will verhindern, dass ich bete und christliche Musik höre. Ich weiss nicht mehr, wo schlafen, weil sie mir störende Strahlen schickt. In der Wohnung schleiche ich nur noch herum. Ich habe jetzt in einer Ecke der Wohnung eine Matratze hingelegt, darunter ein Kupfergewebe. Aber ich wache trotzdem alle zwei Stunden auf.“ – Die Patientin ist sonst ganz klar, lebt selbständig und macht ihren eigenen Haushalt. Hinweis: Diese Fallbeispiele wurden so weit als möglich verfremdet. Wesentliche Details wurden bewusst weggelassen und verfälscht. www.seminare-ps.net Thema DIE ZEITUNG Soteria Bern: ein Schrittmacher in der Schizophreniebehandlung Holger Hoffmann a, Sabine Leisinger b a Chefarzt Soteria Bern und Leiter der Einheit für Versorgungsforschung an den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern b Leiterin Soteria Bern Abbildung 1 Loren Mosher (links), Luc Ciompi und die beiden Autoren vor der Soteria Bern. 1 Soteria steht für griechisch Geborgenheit. Korrespondenz: PD Dr. med. Holger Hoffmann Chefarzt Soteria Bern Bühlstrasse 19A CH-3012 Bern hoffmann@spk.unibe.ch Einleitung Soteria gilt in weiten Kreisen der Öffentlichkeit und Fachöffentlichkeit als ein Symbol für eine «menschlichere», zugewandte und therapeutisch engagierte Psychiatrie. Standort ausserhalb der Klinik, intensive Milieutherapie, niedrigdosierter Einsatz von Neuroleptika und Einbezug der Angehörigen kennzeichnen das therapeutische Angebot. Die Forschungsresultate aus den Vereinigten Staaten und der Schweiz haben gezeigt, dass der therapeutische Ansatz von Soteria mindestens dieselbe Effektivität bei besserer Effizienz gegenüber traditionellen stationären Behandlungen aufweisen kann. Soteria Bern hat auch nach über 20jährigem Bestehen Schrittmacherfunktion. Dafür sind ihr kürzlich zwei Ehrungen zuteil geworden. Ehrung für Soteria-Gründer Soteria Bern wurde 1984 von Luc Ciompi als therapeutische Wohngemeinschaft für die milieutherapeutische Behandlung von Psychosen gegründet. Er folgte damit dem Vorbild Loren Moshers, der in den 70er Jahren in den USA das Soteria1Konzept als Alternative zu den «unruhigen und unpersönlichen» traditionellen Grosskliniken entwickelt hatte. Die in den US-Kliniken verabreichten Neuroleptikadosen waren exorbitant. Moshers Ziel war es in seinem Pionierprojekt, junge, akut an Schizophrenie erkrankte Menschen mittels kontinuierlicher Begleitung («being with») im reizarmen Milieu eines Wohnhauses möglichst ohne Einsatz von Neuroleptika zu behandeln. Mehrere von ihm durchgeführte Studien zeigten, dass dies möglich ist mit min- Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2006;87: 43 Editores Medicorum Helveticorum 1859 Thema Thema Abbildung 2 Das «Weiche Zimmer». destens ebensoguten Ergebnissen wie in den traditionellen Kliniken. Diese Befunde geben bis heute Anlass zu kontroversen Diskussionen. Stefan Priebe hat dies folgendermassen kommentiert: «Die blosse Existenz von Soteria hat über viele Jahre die Diskussionen um die beste Form der Psychosebehandlung in kontroverser, aber insgesamt fruchtbarer Weise in Gang gehalten.» Ciompis Soteria-Konzept unterschied sich von Anfang an in einigen wesentlichen Punkten vom radikaleren Ansatz Moshers. Für Ciompi stand eine medikamentenfreie Behandlung nicht im Zentrum. Vielmehr wollte er die in seinem 1982 erschienenen Buch «Affektlogik» formulierten Hypothesen in der alltäglichen Schizophreniebehandlung umsetzen und überprüfen. Zu diesem Zwecke führte er das «Weiche Zimmer» als eines der zentralen Behandlungsinstrumente der Soteria ein. Am Kongress der «International Society for the Psychotherapy of Schizophrenia (ISPS)», der im Juni 2006 in Madrid stattfand, ist Luc Ciompi mit ausdrücklichem Bezug auf das therapeutische Konzept der Soteria Bern zum «Lifetime Honorary Member» dieser Gesellschaft Abbildung 2 Das «Weiche Zimmer». ernannt worden – eine hohe Ehre, die weltweit immer nur 12 Forschern zur gleichen Zeit zukommt. 3 Siehe ausführlicher dazu: Ciompi et al. (2001). 2 In der Soteria werden die Patienten Bewohner genannt. 3 Siehe ausführlicher dazu: Ciompi et al. (2001). dass Konzept die Bewohner/innen einen auf SelbstwahrDas von Soteria 2 nehmung basierenden und Soteria Bern und bietet-einschätzung acht Bewohnern/-innen Platz, individuell angepassten Umgang hat den Status eines Spitals und istmit auf Medikader Spimentendeslernen. Beruhigung, Reizschutz und talliste Kantons Bern aufgeführt. Der Träger Helveticorum Angstlinderung inEditores derMedicorum akuten Phase – und damit ist die Interessengemeinschaft Sozialpsychiatrie auch der Normalisierung von Denken, Fühlen Bern. Es werden jüngere Menschen aufgenomund Handeln in der Soteria Bern Krise zu einem men, die sich –inwird einer psychotischen aus grossen Teil durch Formenkreis das spezifische im dem schizophrenen oderMilieu im Rah«Weichen Zimmer» und die tragende men einer Adoleszentenoder anderen1:1-BegleiEntwicktung («being with») erreicht. Dank dieser belungskrise befinden. sonderen Betreuung Milieu und Umgebung können Das therapeutische wird entscheidend Medikamente zurückhaltender als vermittelnde sonst üblich durch eine tragende, Geborgenheit eingesetzt werden.Atmosphäre geprägt. Die Umund reizgeschützte Die Bewohner/innen können mit den Betreugebung, die Mitbewohner/innen, die Betreuer/inern/-innen vereinbaren, die nen und dieGesprächstermine alltäglichen Tätigkeiten im Hausaber nicht einer Psychotherapie halt stellenden dasCharakter unmittelbare therapeutische im engeren SinnAnforderungen haben sollen. Sie zudem Milieu dar. Die deshaben Alltags und je zwei Bezugspersonen im Team, in der Regel der Gruppe stärken den Bezug zur Realität und eine Frau und einen Diese nehmen rasch sind Übungsfeld, umMann. sich den Herausforderunnachin Eintritt mit den Angehörigen gen der Zeit nach der akuten Krise zuKontakt stellen. auf und hinaus laden sie stattfindenden Darüber ist zu dieregelmässig tätige Gemeinschaft in der Familiengesprächen ein. Einmal pro finGruppe ein wichtiges Element, um Monat sich auch det zudem ein Angehörigenabend wieder im Alltag zurechtzufinden. statt. Das Bewohner/innen Risiko, dass die werden weiterhin verletzlichen Die möglichst weitMenschen nachEntscheid dem Austritt aus derEinsatz Soteria Bern gehend in den über den von früher oder später wieder in schwierige LebensMedikamenten einbezogen. Ziel ist letztlich, situationen oder sogar erneut in eine psychotische Krise geraten, ist erheblich. Deshalb legen DIE ZEITUNG DIE ZEITUNG dass die Bewohner/innen einen auf Selbstwahr«Soteria Bern»: nehmung und -einschätzung basierenden und projet pionnier dans le traiteindividuell angepassten Umgang mit Medikamenten lernen. Beruhigung, Reizschutz und ment de la schizophrénie Angstlinderung in der akuten Phase – und damit auch der Normalisierung von et Denken, Fühlen Pour nombre de cercles officiels professionnels, und Handeln – wird in der Soteria Bern zu einem le nom de Soteria est le symbole d’une approche grossen Teil durch das spezifische Milieu im thérapeutique en psychiatrie «plus 1:1-Begleihumaine». «Weichen Zimmer» und die tragende L’offre thérapeutique se distingue par un lieu bede tung («being with») erreicht. Dank dieser sonderen Betreuung und können soins extra-hospitalier, uneUmgebung thérapie intensive Medikamente zurückhaltender als sonst üblich connectée au milieu, des neuroleptiques à petites eingesetzt werden. doses le recours aux proches. Les den résultats de Die et Bewohner/innen können mit Betreurecherches effectuées aux Etats-Unis et en Suisse ern/-innen Gesprächstermine vereinbaren, die aber nicht den Psychotherapie ont montré que Charakter l’utilisation einer thérapeutique à Soteim engeren Sinn haben sollen. Sie haben zudem ria a au moins la même efficacité que la meilleure je zwei Bezugspersonen im Team, in der Regel des efficacités par traitement hospitalier. eine Frau und obtenues einen Mann. Diese nehmen rasch Soteria Bern a prouvé son rôle de pionnier depuis nach Eintritt mit den Angehörigen Kontakt auf zu Honorant regelmässigprécisément stattfindenden plusund de laden vingt sie ans. son Familiengesprächen ein. Einmal pro Monat finconcept thérapeutique Soteria Bern, la Société det zudem ein Angehörigenabend statt. internationale de psychothérapie la schizoDas Risiko, dass die weiterhin de verletzlichen phrénie (ISPS) a désigné Luc Ciompi en tant Bern que Menschen nach dem Austritt aus der Soteria früher oder später wieder in schwierige Lebens«Lifetime Honorary Member». situationen oder sogar erneut in eine psychoSoteria Bern a été fondé en 1984 par Luc Ciompi en tische Krise geraten, ist erheblich. Deshalb legen tantgrosses que communauté thérapeutique de milieu wir Gewicht auf die Vorbereitung des pour le traitement des psychoses. Il a suivi ennach cela Austritts der Bewohner/innen und der Zeit dem Aufenthalt. DieMosher, Bezugspersonen für die l’exemple de Loren qui dans sind les années Information Ärztezeitung über die Rückfallrisiken und suisses eine Schweizerische | Bulletin des médecins soixante-dix a développé aux Etats-Unis le concept ausführliche Besprechung vorbeugender MassSoteria en tant qu’alternative au modèle tradinahmen verantwortlich. Die Angehörigen wertionnel «angoissant et impersonnel» des grands den in die Rückfallprophylaxe miteinbezogen. Weil die tragende Atmosphäre derson Soteria nach hôpitaux. Le but de Mosher dans projet de dem Austritt wegfällt, sind Medikamente in der l’époque consistait à traiter de jeunes patients Nachbehandlung als Schutz oft angezeigt. atteints de schizophrénie aiguë au moyen d’un 3 accompagnement continu («being with») dans un Wie wirkt Soteria? Der Behandlungserfolg Soteria basiert milieu dépourvu de stimulivon d’excitation, commeauf un dem Zusammenwirken von psycho- und milieuappartement, et le plus possible sans recours aux therapeutischen Einzelaspekten zum Faktor neuroleptiques. Le concept Soteria de Ciompi se der «nachhaltigen emotionalen Entspannung». distingue d’emblée du projet plus radical de Die angstlösende Umgebung wirkt vorbeugend, bessernd undquelques auch heilend. der Mosher par points Besonders importants.inPour akuten Psychose ist eine verständig stützende, Ciompi, le traitement sans aucun médicament tolerante und entspannende Atmosphäre theran’est pas central. Pour cetSicherheit usage-là, un local appelé peutisch wirksam. Die vermittelnde «Weiches Zimmer» est l’un des principaux éléGrundstimmung wird mit einer klaren, der ausufernden psychotischen Verwirrung ments thérapeutiques du projet Soteria. Grenzen setzenden Haltung verbunden. Grosse Wichtigkeit kommt der Reizabschirmung zu. Der sehr weitgehende Schutz vor Aussenreizen, möglichste Vertrautheit und Normalität im Umgangsstil sowie transparente Kleinräumigkeit des Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2006;87: 43 Editores Medicorum Helveticorum Editores Medicorum Helveticorum Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2006;87: 43 1861 1860 wir gr Austri dem A Inform ausfüh nahm den in Weil d dem A Nachb Wie w Der B dem Z therap der «n Die an besser akuten tolera peutis Grund ufernd setzen keit k weitge ste Ve stil s | Bollettin Thema DIE ZEITUNG therapeutischen Milieus vermitteln emotionale Konstanz und Klarheit. Dadurch wird die psychotisch gestörte Informationsverarbeitung erleichtert. Dies ist der Grund, wieso unter Verwendung von weniger Neuroleptika der gleiche Behandlungserfolg erzielt werden kann. «Soteria wirkt neuroleptikaartig, freilich ohne die entsprechenden Nebenwirkungen» sagt Luc Ciompi treffend. Die Alltäglichkeit der Interaktion und Kommunikation in Soteria widerspiegelt die therapeutische und tätige Gemeinschaft und verdeutlicht bisherige familiäre Muster. Verstärkt wird dies durch die Tatsache, dass die Betreuer/innen ohne Unterbruch 48 Stunden in der Soteria arbeiten und in dieser Zeit gemeinsam mit den Bewohnern/-innen den Alltag bewältigen. Ihre Funktion ist mit der von älteren Geschwistern zu vergleichen, jedoch können sie sich emotional distanzieren und abgrenzen. Soteria eröffnet durch ihre Familienähnlichkeit die Möglichkeit, kompensatorisch Prozesse nachzuholen und zu simulieren, wie sie auch in der Familie durchlaufen werden könnten. Da emotionale Stimmungen und Haltungen bekanntlich hochgradig ansteckend sind, vermag jede Entspannung in einem Einzelsektor zudem in zirkulärem Wechselspiel die Entwicklung eines insgesamt bergenden und beruhigenden Gesamtmilieus zu fördern, in welchem Vertrauen und, auf dieser Grundlage, tiefe zwischenmenschliche Begegnungen möglich werden. Soteria im Wandel der Zeit Soteria Bern wurde in einer Zeit des Aufbruchs der Sozialpsychiatrie gegründet, die sich eine Verlagerung des Behandlungsschwerpunktes von der Klinik in die Gemeinde zum Ziel gesetzt hat. Diese Rahmenbedingungen haben sich seither deutlich gewandelt. Auch in den Kliniken hat Milieutherapie Einzug gefunden, die Behandlung ist patientenzentrierter geworden, die Neuroleptikadosen sind allgemein gesunken und mit den neuen atypischen Neuroleptika die Nebenwirkungen geringer. Das «Feindbild» gegenüber den Neuroleptika besteht nicht mehr. Diesem Wandel galt es Rechnung zu tragen. Zudem haftet auch heute noch dem Namen Soteria der Mythos der Medikamentenfreiheit an und wird in allen Diskussionen zu diesem Behandlungsprinzip weiter mitgeführt. Neuroleptika wurden in Soteria Bern von Beginn an eingesetzt, anfangs noch zurückhaltender als heute. Dafür war die Aufenthaltsdauer deutlich zu lang. Auch wenn die täglichen Kosten denen der Klinik entsprachen, war Soteria ökonomisch betrachtet zu teuer. Zudem hatte sich Soteria von einer Wohngemeinschaft für ersterkrankte Schizophreniepatienten in Richtung einer Rehabilitationseinrichtung entwickelt. Beidem musste Gegensteuer gegeben werden. Soteria Bern behandelt heute wieder schwerpunktmässig Akutpatienten, entsprechend ist das «Weiche Zimmer» praktisch dauernd belegt. Rückfallprophylaxe und Nachbetreuung haben in der Behandlung weiter an Bedeutung gewonnen. Die Nachfrage v.a. von seiten der Betroffenen und ihren Angehörigen ist weiter gestiegen, damit auch die Auslastung. Die Aufenthaltsdauer liegt heute mit durchschnittlich 44 Tagen unter der einer vergleichbaren Klinikstation für ersterkrankte Schizophreniepatienten. Wirtschaftlich gesehen hat Soteria Bern noch nie so erfolgreich gearbeitet wie in den letzten Jahren. Dies bestätigt auch die Erfolgskontrolle der Gesundheitsdirektion des Kantons Bern. Soteria Bern hat also nicht starr an seinem ursprünglichen Konzept festgehalten, sondern einerseits auf die sich wandelnden Verhältnisse erfolgreich reagiert, andererseits mit innovativen Konzeptanpassungen ihre Schrittmacherfunktion immer wieder von neuem unter Beweis gestellt. Innovationen der Soteria Bern Vermehrter Einbezug der Familie Obwohl der Einbezug der Angehörigen von Anfang an fester Bestandteil des Soteria-Konzeptes war, trugen die Angehörigengruppe und die gelegentlichen Familiengespräche den Therapiezielen der Soteria zu wenig Rechnung. Wir intensivierten und professionalisierten deshalb die Familiengespräche in Richtung Familientherapie und boten für die Mitarbeiter/innen regelmässige Supervision an. Damit gelang es uns, die Angehörigen zu entlasten, die emotionale Spannung innerhalb der Familie zu senken und gemeinsam Lösungswege im Umgang mit dem psychotischen Geschehen zu finden. Ehemaligengruppe Die Bewohner/innen werden eingeladen, sich nach dem Austritt – sei es in einer Krise oder wenn es ihnen danach ist – in der Soteria zu melden. Von diesem Angebot wurde all die Jahre rege Gebrauch gemacht. Dies ermutigte uns, 2004 mit einer Gruppe für Ehemalige zu starten, die sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Cannabis und Psychose Bei der Behandlung junger, akut an Schizophrenie Erkrankter konnten wir in den letzten Jahren Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2006;87: 43 Editores Medicorum Helveticorum 1862 Thema DIE ZEITUNG in der Soteria Bern eine ständige Zunahme von Patienten beobachten, die z.T. sehr intensiv und /oder langdauernd Cannabis konsumieren. So waren es 2005 63 % aller Eintritte (n = 60) oder 76 % der unter Dreissigjährigen. Aus mehreren Studien wissen wir heute, dass Cannabiskonsum zu einem früheren Ausbruch der Schizophrenie führt, v.a. wenn dieser bereits sehr früh (<15 Jahre) beginnt, intensiv ist und bereits einmal zu einem psychotischen Erleben nach Cannabiskonsum geführt hat. Wir sind deshalb bereits 2004 dazu übergegangen, während des Aufenthaltes in der Soteria eine Abstinenz vom Cannabis von den Bewohner/innen zu fordern und sie im Sinne der Rückfallprophylaxe zu einem dauerhaften Verzicht auf Cannabis zu motivieren. In der Literatur fanden wir keine Therapieprogramme, die uns in unseren Anstrengungen hätten unterstützen können. Wir beschlossen deshalb, ein solches für die Soteria zu entwickeln. Dies soll eine Erweiterung des Therapieangebots der Soteria Bern darstellen, das den Bewohnern/-innen helfen soll, auch über den Aufenthalt hinaus nachhaltig auf den Konsum von Cannabis zu verzichten. Für dieses Angebot wurde uns an der diesjährigen Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie der Prix Perspective verliehen. Integrierte Versorgung Gemäss dem Konzept der Soteria Bern hat die Rückfallprophylaxe einen hohen Stellenwert, weshalb die Soteria Bern als Erweiterung ihres Angebotes Übergangswohngemeinschaften mit Soteria-Elementen für jeweils 2–3 Bewohner/innen unter dem Label «Wohnen & Co.» anbieten möchte. Mit diesem Angebot kann nach dem in den letzten Jahren kürzer gewordenen Aufenthalt in der Soteria Bern die Behandlungskontinuität und damit die Stabilisierung über den stationären Aufenthalt hinaus erhöht und das Risiko einer erneuten Hospitalisation oder eines Rückfalles in den Cannabiskonsum vermindert werden. Damit liesse sich die Nachhaltigkeit der Soteria-Behandlung wesentlich verbessern. Dies ist konzeptuell ein wichtiger Schritt in Richtung integrierter Versorgung mittels fliessendem Übergang von stationärer, komplementärer hin zur ambulanten Betreuung, verbunden mit der Behandlungskontinuität durch den Case Manager. Ausstrahlung Im deutschen Sprachraum ist das Interesse für den Soteria-Ansatz in den letzten Jahren sehr stark gestiegen. So sind in der Zwischenzeit drei weitere Soterias in Frankfurt / Oder, Zwiefalten und München-Haar entstanden. Erstere musste wegen mangelnder Sicherstellung der Finanzierung wieder geschlossen werden. Zudem sind mehrere «Stationen mit Soteria-Elementen» entstanden. Daneben gibt es mehrere Projektgruppen (auch wieder in den USA), meist erst auf der Planungsebene, vereinzelt dagegen auch schon auf der Ebene der praktischen Verwirklichung. Erheblich gewachsen ist ebenfalls das einschlägige Schrifttum, wobei aber Veröffentlichungen mit wissenschaftlich evaluativem Charakter immer noch deutlich in der Minderzahl sind. 1997 konnten wir in Bern die «Internationale Arbeitsgemeinschaft Soteria» gründen, deren jährliche Treffen immer mehr Teilnehmer anzieht. Die Soteria-Idee ist keineswegs nur ein romantisches Relikt aus der angestrebten «menschlicheren» Psychiatrie bzw. «Antipsychiatrie» der Sechziger- und Siebzigerjahre, sondern vielmehr (vermutlich in abgewandelter, aber nicht ihres Kerns entfremdeter Form) die (oder doch eine) gute Lösung für eine Psychosebehandlung der Zukunft. Denn wenn tatsächlich, wie es jetzt immer klarer wird, die Umwelt- und subjektive Beziehungssituation einen tiefen Einfluss auf die ganze Hirnfunktion hat, so bietet kein anderes uns bekanntes Milieu als das der Soteria optimale Bedingungen, um eine psychotisch verstörte Hirnfunktion zu verbessern. Therapeutische Wohngemeinschaften vom Typ der Soteria dürfen deshalb als Hoffnungsträger und attraktives Schrittmachermodell für die Schizophreniebehandlung des 21. Jahrhunderts gesehen werden. Literatur – Ciompi L, Hoffmann H, Broccard M (Hrsg.). Wie wirkt Soteria? Eine atypische Psychosenbehandlung kritisch durchleuchtet. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Verlag Hans Huber; 2001. – Ciompi L, Hoffmann H. Soteria Berne – an innovative milieu therapeutic approach to acute schizophrenia based on the concept of affect-logic. World Psychiatry. 2004;3:140-6. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2006;87: 43 Editores Medicorum Helveticorum 1863 Streiflichter „NAch Afghanistan kommt Gott nur um zu Weinen“ – Dieser Buchtitel (von Siba Shakib) sagt etwas über die langjährige verzweifelte Lage dieses zerklüfteten Berglandes, das einst die Wiege grosser Kulturen war. Die Taliban sind zwar besiegt, aber die Kriege haben tiefe Wunden bei den Menschen hinterlassen. Die Lage der Frauen in Afghanistan ist weiter- hin katastrophal. Zwar dürfen sie offiziell wieder allein ausser Haus, und sie dürfen arbeiten, was ihnen unter den Taliban verboten war. Praktisch aber bleiben viele von ihnen weiter im Haus versteckt. Ein Viertel aller Kinder stirbt vor dem Erreichen des fünften Lebensjahres. Die Wunden des Krieges Besonders zu schaffen machen Armut und Elend den Kriegswitwen und ihren Kindern. Allein in Kabul leben rund 40‘000 Kriegswitwen. 80 Prozent von ihnen sind Analphabeten. Viele hungern. Geheizt und gekocht wird mit Holz oder Plastikabfällen. Die Kindern werden zum Sammeln auf die Strasse geschickt und können nicht zur Schule. Unser Spendenprojekt Wie jedes Jahr unterstützen wir aus dem Ertrag des Riehener Seminars ein humanitäres Projekt. Die Schweizer Ärztin, Frau Dr. Iris Jordi hat seit einigen Jahren eine „Primary Mental Health Clinic“ in Herat aufgebaut, die heute auch Pflegende und Medizinstudenten im Rahmen des universitären Programms ausbildet. Sie schreibt: „Unsere Ärzte und Pflegenden führen systematisch Mental-Health-Kurse in den Distrikten der Provinz durch, damit eine psychiatrische Grundversorgung mehr und mehr in den peripheren Kliniken der Provinz und später auch in den Nachbarprovinzen angeboten werden können.“ Primary Mental health In Afghanistan gibt es nur zwei Psychiater, die aber nicht auf diesem Beruf arbeiten. Und doch brauchen die Menschen Hilfe mit ihren Depressionen, Ängsten und Traumafolgen. Ziel ist es, eine neue Versorgung aufzubauen und Pflegende und Ärzte in den Grundlagen psychiatrischer Diagnostik und Therapie auszubilden. PSYCHOEDUKATION: Gesundheitshelfer werden ausgebildet, wie sie die Konzepte psychischer Probleme mit einfachen Worten erklären können. Sie gehen hinaus in andere Dörfer und Provinzen und verbreiten Fachwissen und Hoffnung für die leidende Bevölkerung. Weitere Informationen: www.iam-afghanistan.org Das neue Gebäude der Primary Mental Health Clinic liegt in einer kargen Gegend ausserhalb Herats. Dennoch wird es während der Woche von vielen Patienten aufgesucht, die sich Hilfe für ihr seelisches Leiden erhoffen. er in Afghanistan where decades of war and its devastating socioeconomic nces have increased the prevalence of mental illnesses. However, al health care has been virtually nonexistent, and most communities lack g of mental suffering. In the western region of Afghanistan, the Primary ject (PMHP), which began in 2000, is involved in mental health capacity e community and the professional levels. PMHP is a member of the Afghan Health’s national Mental Health Taskforce. Therefore, the project is actively velopment of a national mental health policy. PMHP also assists the Herat d the Institute of Health Sciences by supporting them in their mental health Auszüge aus dem Tätigkeitsbericht der Primary Mental Health Clinic Herat tal Health Project continued providing Facts at a Glance ng to doctors, nurses, Community Mental Health Training ho practice in the Community Health Worker Supervisors Trained e system. Community Community Health Worker Trainers Trained d community leaders Community Health Workers Trained ng and were enabled Community Leaders and Members Trained ess about mental their communities. Professional Mental Health Training several districts of Doctors Trained parts of Badghis of 24% of all patients seeking help inTrained primary Doctor Assistants he Lal-wa-Sarjangal suffering from a mental disorder. This figure is likely Pharmacists Trained Province participated decades of war and its devastating socioeconomic As a result, mental Nurses Trained However, the prevalence of mental illnesses. availablenonexistent, in general andMidwives Trained virtually most communities lack these districts nesthein western region of Afghanistan, the Primary Vaccinators Trained h government gan in 2000, is policy. involved in mental health capacity Students Trained P has continued to is Nursing ofessional levels. PMHP a member of the Afghan Midwifery Students Trained ealth Clinic-Resource Health Taskforce. Therefore, the project is actively ymental of Herat providing Health Clinic-Resource Centre health policy. PMHP alsoMental assists the Herat patients medical them in their mental health Scienceswith by supporting New Patients nselling and mental Patients Under Treatment The Clinic-Resource Facts at a Percentage Glance of Women Patients d as a training facility sing students. PMHP Sessions Community Mental Follow-up Health Training M Community member Health agencies Counselling Sessions Run Worker Supervisors Trained 27 by Nurses N, and TearFund UK Community Health Worker Trainers Trained 38 Education Sessions Room Mental Health Waiting is year. Community Health Workers Trained 67 Community Leaders and Members Trained 27 38 67 237 66 Eine Frau weit draußen in einem Dorf wurde nach der Geburt psychisch krank. Manwoman riet ihr,who Hilfe im Ausland zu ill suchen. A village became mentally after Einige labour Dorfbewohner, was told to go die to a schon in der örtlichen waren, merkten aber, es sichwho hierhad umbeen neighbouring country toKlinik get treatment. However, somedass villagers eine psychische Krankheit handelte.that Sie rieten ihr have zum aArzt in der Dorf-They to their own village clinic understood she could mental illness. klinik weil in the derlocal Ausbildung des advisedzugehen, her to go to thedieser doctor in clinic since hePrimary had takenMental part inHealth PMHP’s Projects (PMHP) gewesen war. Sie zwar hin, not zweifelt aber,that ob he er could ihr mental health training. She visited theging doctor but was convinced wirklich helfen könne. Man verwies sie dann an das Zentrum der Primary help her so she was informed about the Mental Health Clinic-Resource Centre. Mental Der was Arzt treated gab ihrbydie gleichen She cameHealth to the Clinic. Clinic and a doctor. TheMedikamente doctor gave herwie theder same Dorfarzt. Jetzt war sie überzeugt, dass dieser sich bei psychischen Krankinformation as the local clinic doctor. This convinced her that the local doctor heiten wirklich auskannte. could do proper mental health work. 8 1 51 19 19 45 35 3,236 4,046 62% 6,115 487 281 Prior to his participation in PMHP’s mental health training, one do a lot of patients that he did not know how to treat. He also had a lot with his wife and his child, who had a mild mental disability. He child was lazy, so he was beating the child. During the course the do an interest in mental health. His attitude toward his wife and child c started treating his wife well, and together they concentrated on the brought his child to the Mental Health Clinic to find out more about his child. He also asked the doctors to prepare a simplified form for psychiatric patients at the clinic where he worked. The form was prep is now using it. Since the course, he has referred a lot of patients to th his referrals, measured by professional standards, have been g 237 Professional Mental Health Training Doctors Trained Doctor Assistants Trained Pharmacists Trained 66 8 1 Nurses Trained 51 Midwives Trained 19 Vaccinators Trained 19 Nursing Students Trained 45 Midwifery Students Trained 35 Mental Health Clinic-Resource Centre New Patients 3,236 Patients Under Treatment 4,046 Percentage of Women Patients Follow-up Sessions 62% 6,115 Counselling Sessions Run by Nurses 487 Waiting Room Mental Health Education Sessions 281 Bevor er an der Ausbildung des PMHP teilgenommen hatte, wies ein Dorfarzt viele Patienten ab, weil er nicht wußte, wie er sie behandeln sollte. participation in PMHP’s mental Frau healthund training, one doctor Prior to his Er hatte zudem auch Probleme mit seiner mit seinem Kind,rejected das a lot of patients that he did not know how to treat. He also had a lot leicht minderbegabt war. Er dachte, das Kind sei faul und schlugof esproblems oft, with his his child, who des had Kurses a mild mental He thought wenn es wife nichtand begriff. Während beganndisability. sich der Arzt für psy-his child was lazy, so he was beating the child. During the course the doctor gained chische Probleme zu interessieren. Seine Haltung gegenüber seiner Frau an interest in mental health. His attitude toward his wife and child changed. und seinem Kind änderte sich. Er nahm Anteil an den Sorgen seiner Frau,He started wife well,sich and gemeinsam together theyum concentrated theirdem child. He und dietreating beiden his kümmerten das Kind. on Nach Kurs brought to the Mental Health Clinic to fipsychischer nd out more Probleme about how zu to help regte er his an,child ein einfaches Blatt zur Erfassung his child. He alsoerasked the doctorsintoseinem prepareDorf a simplifi ed erfassen form for und the fibeles of schaffen, damit die Patienten besser handeln konnte. Seit Kurswhere hat erheviele Patienten anwas die prepared Klinik verwiepsychiatric patients at dem the clinic worked. The form and he sen undusing er leistet selbst gute Arbeit psychisch is now it. Since the course, he has mit referred a lot ofKranken. patients to the Clinic and his referrals, measured by professional standards, have been good. 9 VAS Km Schweiz Suisse Svizzera Svizra Schweizerischer Dachverband der kantonalen und regionalen VASK Vereinigungen der Angehörigen von Schizophrenie-/Psychisch-Kranken Schweizerischer Dachverband V A S K Schweiz St. Alban-Anlage 63,4052 Basel 061271 1640 info@vask.ch www.vask.ch VASK Zentralschweiz Postfach 534,6210 Sursee 041 921 60 48 Mo 14.00-16.00 Fr 14.00-16.00 vaskluzern@bluewin.ch VASK Aargau Bahnhofstrasse 57,5000 Aarau 06283750 15 MO 9.30-1 1.30 VASK Ostschweiz Alte Landstrasse 21. 9038 Rehetobel 071 866 I2 12 werktags. ohne Gewähr Stiftung Melchior, Angehörigen Selbsthilfe Thiersteinerallee 51, Postfach, 4018 Basel 061 206 97 60 zu Bürozeiten info@stiftungmelchior.ch www.stiftungrnelchior.ch VASK Bern Postfach 8704,3001 Bern 031 311 6408 Mi 9.00-1 1.00 Fr 13.00-15.00 vask.bern@bluewin.ch www.vaskbern.ch Assoc. Le Relais Genkve Rue des Savoises 15, 1205 Geneve Permanence telephonique 022781 6520 Mo 13.30-16.00 Fr 13.30-16.00 info@lerelais.ch www.lerelais.ch VASK ~raubünden Postfach, 7208 Malans 081 353 71 01 MO 8.30-11.30 Do 14.00-17.45 vask.graubuenden@bluemail.ch www.vaskgr.ch VASK Schaffhausen Neustadt 77.8200 Schaffhausen 052625 5580 werktags, ohne Gewähr VASK Ticino Trevano 7A, 6900 Lugano 076 453 75 70 werktans 9.30-1 1.30 1 LLBERTS L'ilot, Association vaudoise ET PAmE Avenue d'Echallens 131, 1004 Lausanne 02 1 626 57 74 info@lilot.org www.lilot.org VASK Zürich Langstrasse 149,8004 Zürich 0442404868 D i 14.00-18.00 DO 14.00-18.00 info@vaskzuerich.ch www.vaskzuerich.ch Voranzeige 2009 REFERATE: – Prof. Dr. Daniel Hell – Prof. Dr. Peter Keel – Prof. Dr. Thierry Ettlin – Felix Studer, lic. phil. u.a. Weitere Infos: www.seminare-ps.net