der Zeitschrift November 2009, Nummer 21

Transcription

der Zeitschrift November 2009, Nummer 21
Editorial
Contenido / Inhalt
Liebe Mitglieder und Freunde von AMPAL,
im Jahr 2009 gab es mehrere relevante Veranstaltungen im Zeichen der
deutschen Sprache. In Jena und Weimar fand die Internationale
Deutschlehrer-Tagung statt, in Monterrey das 9. AMPAL-Treffen und der
Lateinamerikanische Germanistenkongress ALEG, wurde in Argentinien
ausgetragen. Bei dieser Tagung wurde Olivia Díaz zur Präsidentin des
Germanistikverbandes gewählt.
Der AMPAL-Vorstand gratuliert herzlich und wünscht viel Erfolg.
Weiters gibt es Fachartikel zu diversen Themen wie z. B. den aktuellen
Tendenzen der Bedeutung der Muttersprache im Fremdsprachenunterricht,
den erworbenen Kenntnissen mit der Lernplattform Moodle im DaFUnterricht und der kritischen Hinterfragung, ob die Fremdbilder durch
intensivere Kontakte wirklich objektiver werden und zu interkulturellen
Kompetenzen führen.
Zudem können Sie in einem Interview nachlesen, wie 4 Prepa-Schüler aus
Guadalajara ihrer ersten Deutschlandreise entgegenfiebern. Wir sind jetzt
schon gespannt, was sie uns nach der Reise berichten und wünschen ihnen
viele bereichernde Erlebnisse auf dieser Reise.
AMPAL Intern
2
BEWERTUNG UND ZERTIFIKATION EINE GROßE
HERAUSFORDERUNG
EL GRAN RETO: EVALUACIÓN Y CERTIFICACIÓN
3
DEUTSCH BEWEGT
Verónica Cedeño Mora
Informes / Berichte
4
ALEG 2009 GRENZGÄNGE - OLIVIA DIAZ IST
NEUE PRÄSIDENTIN DES LATEINAMERIKANISCHEN
GERMANISTIKVERBANDES
Dr. Florian Gräfe
4
VIER PREPA - SCHÜLER AUS GUADALAJARA
FIEBERN IHRER ERSTEN DEUTSCHLANDREISE
ENTGEGEN
Die nächsten DACH-Tage werden wie gewohnt wieder in Mexiko-Stadt
organisiert und haben auf Wunsch der in Monterrey anwesenden Mitglieder
zwei zur Auswahl stehende Schwerpunkte, in die man sich während drei
einhalb Tagen vertiefen kann. Die Themen lauten:
1. Neue Medien für DaF und
2. DACH-Landeskunde und interkulturelle Kompetenz.
8
GUANAJUATO BLICKT NACH ÖSTERREICH
Annette Gradl
Marika Loos
Auf der Website und durch Rundbriefe werden Sie die aktuellen
Informationen erhalten.
10
20 JAHRE MAUERFALL
EIN PERSÖNLICHER RÜCKBLICK UND
LANDESKUNDE FÜR DEN DAF-UNTERRICHT
Ulrike Sperr
11
AUCH IN HERMOSILLO IST DIE MAUER
GEFALLEN.
EIN BERICHT VOM KULTURFEST AN DER
UNIVERSIDAD DE SONORA
Karin Neudecker
Diana Thieme
Der Vorstand
ampal
Asociación Mexicana de Profesores de Alemán, A.C.
Mexikanischer Deutschlehrerverband
Presidente / Vorsitzender
Manuel Campos Cabezas
Página web:
www.ampal.info
Secretaria / Schriftführerin
Helena Knapp
Comité Editorial / Herausgeber
Franziska Bard
Manuel Campos Cabezas
Verónica Cedeño
Frida Corte
Monika Honti
Helena Knapp
Annette Gradl
Marika Loos
Tesorera / Kassenwartin
Verónica Cedeño
Vocales / Beisitzer
Franziska Bard
Frida Corte
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Calle Kepler # 157
11590, Colonia Anzures
Del. Miguel Hidalgo
Ciudad de México
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Redacción / Schriftleitung
Helena Knapp
helena_knapp@yahoo.com
Los artículos publicados son
responsabilidad de los autores y
sólo podrán ser reproducidos
citando la fuente.
Tiraje / Auflage: 1000
ISSN: 1665-5729
Info-AMPAL No. 21
Noviembre 2009
Artículos / Artikel
14
WEBGESTÜTZTES LERNEN MIT MOODLE IM
DAF-UNTERRICHT
Dr. Tülin Arslan
17
OBJEKTIVERE FREMDBILDER DURCH KONTAKTE,
WISSEN UND GUTE ABSICHTEN? TEIL 1
Dorit Heike Gruhn
22
DIE RÜCKKEHR DER MUTTERSPRACHE
ALS ALTERNATIVES LEHRMITTEL IM
FREMDSPRACHENUNTERRICHT
Dr. Eda B. Bakıner
Dr. Emra Büyüknisan
Foto de Portada:
http://historiahervas.wordpress.com/tag/guerra-berlin/
AMPAL Intern
BEWERTUNG UND ZERTIFIKATION
EINE GROßE HERAUSFORDERUNG
EL GRAN RETO:
EVALUACIÓN Y CERTIFICACIÓN
Zu diesem Thema fand vom 12. bis
zum 14. September 2009 an der
Universidad Autónoma de Nuevo
León endlich das für Mai geplante
und in letzter Minute wegen
Schweinegrippealarm verschobene,
Ampal-Treffen statt. Auf diesem
Weg möchte sich Ampal bei dem
hervorragenden Team in Monterrey
ganz herzlich für die großartige und
unermüdliche Unterstützung
bedanken.
Ein großer Dank an Maestra Sara
Alicia Ancira Arechiga und Lic. Ana
Elizabeth Rojas Martínez beide
waren wirklich rund um die Uhr für
uns da.
Weiters danken wir allen beteiligten
Organisationen, die uns bei der
Planung, Vorbereitung, Durchführung
und auch finanziell unterstützt haben.
Ein Dank den Verantwortlichen an
den Konsulaten und Botschaften
Deutschlands, Österreichs und der
Schweiz, im Goethe Institut, im
DAAD, im Bundesministerium für
Unterricht Kunst und Kultur
Österreich und im Foro Cultural de
Austria.
Ein besonderer Dank auch an die
Verlage, Hueber, Klett, Cornelsen
und an die Librería Hemybooks für
ihr Sponsoring.
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noviembre 2009
# 21
info-ampal
AMPAL Intern
Verónica Cedeño Mora
DEUTSCH BEWEGT
IDT 2009 IN JENA UND WEIMAR
Die Internationale Tagung der
Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer hat nach 16 Jahren w i e d e r
i n D e u t s c h l a n d stattgefunden.
Gastgeber waren die
Städte Jena und
Weimar
und
die
F r i e d r i c h - S c h i l l e rUniversität Jena.
Unter dem Motto
Deutsch bewegt
haben sich vom 3. bis
zum 8. August 2009
etwa 3000 TeilnehmerInnen aus mehr als 115
Ländern getroffen.
Unterrichtswelten
bewegen
angemeldet, wo es interessante
Beiträge und Erfahrungsberichte
über und mit der Arbeit mit Medien
Bei der Tagung wurden
44 paralelle Sektionen in
neun Sektionsbereichen
angeboten und es gab
auch ein Rahmenprogramm mit kulturellen Angeboten,
Ausflügen und den
,,Länderfenstern“.
Durch diese ,,Fenster“
hatten die einzelnen
Deutschlehrerverbände
die Möglichkeit sowohl
das Land, als auch die
Ve r b a n d s a r b e i t
Auch
vorzustellen.
AMPAL war mit einem Tisch mit
verschiedenen
Ausgaben
der
Zeitschrift info-ampal, typischen
mexikanischen Süßigkeiten und
einer Flasche Tequila zum Anbieten
vertreten. Die Besucher wurden von
Mitgliedern des AMPAL-Vorstands
über unsere Arbeit und die Treffen
in Mexiko informiert.
im Deutschunterricht gab, von
traditionellen
Medien
wie
Lernplakaten, Bildern, Filmen,
u.s.w. bis zu Online-Plattformen
und selbstproduzierten Podcasts.
Empfehlenswert finde ich das
kostenlose Online-Magazin mit
Lernmaterialien
zu
aktuellen
Themen.
Ich
habe
mich
zu
dem
Sektionsbereich E: Mediale
Zur Erholung gab es dann mitten in
der Tagungswoche ein Ausflugs-
info-ampal
# 21
programm mit einem vielfältigen
Angebot. Da aber alle Fahrten
ausverkauft waren, bin ich auf
eigene Faust los und in die nicht
weit
von We i m a r
e n t f e r n t e Gedenkstätte
Buchenwald gefahren,
wo man sich über die
Geschichte
des
Konzentrationslagers
Buchenwald und auch
über das sowjetische
Speziellager Nummer 2
informieren kann. Auch
ein
Besuch
beim
Goethehaus war ein Teil
der
bereichernden
Erfahrungen die ich von
IDT 2009 mitgenommen
habe.
Am Ende der Tagung
wurde der neue Vorstand
des IDVs für die Periode
2009 bis 2013 gewählt.
Der nächste Tagungsort
wird übrigens 2013 in
Bozen sein.
Ein Teil vom Ampalstand
Weitere Informationen
über den IDV gibt es auf
der
folgenden
W e b s i t e :
www.idvnetz.org
Verónica Cedeño Mora
Deutschlehrerin am CELE, UNAM
und an der Deutschen Schule
Xochimilco.
AMPAL-Schatzmeisterin
veronica_cedenom@yahoo.com.mx
november 2009
3
Informes
Dr. Florian Gräfe
ALEG 2009-GRENZGÄNGE
OLIVIA DIAZ IST NEUE PRÄSIDENTIN DES
LATEINAMERIKANISCHEN GERMANISTIKVERBANDES
Unter dem Motto Grenzgänge fand in Córdoba,
Argentinien vom 21. bis 25. September 2009 zum 13.
Mal der in dreijährigem Turnus ausgetragene Kongress
des lateinamerikanischen Germanistenverbandes statt.
Über 200 Germanisten aus fast allen
lateinamerikanischen Staaten, aus den deutschsprachigen Ländern und den USA trugen unter den
Hauptsektionen Literatur/Kultur, Linguistik,
Übersetzung sowie Deutsch als Fremdsprache
Ergebnisse aktueller Forschung vor. Schwerpunkt der
lateinamerikanischen Forschung ist weiterhin die
Literaturwissenschaft, was sich auch daran zeigte, dass
die Mehrheit der Beiträge auf diese Sektion entfiel.
Besondere Bedeutung kam auch den zahlreichen
Plenarvorträgen aus allen genannten Teilbereichen der
Germanistik zu: Dieter Rall etwa untersuchte im
Eröffnungsvortrag die literarische Behandlung der
Erdpole als ‚Grenzregionen’ schlechthin, Erwin
Tschirner stellte anhand der Partikelverben
Teilergebnisse der Leipziger Forschung zum
Wortschatzgebrauch in Deutsch als Fremdsprache vor.
Besondere Erwähnung verdient auch der Grenzgang
zwischen Theologie und Literaturwissenschaft, den
Karl-Josef Kuschel anhand einer Neuinterpretation von
Lessings Nathan der Weise wagte. Innerhalb der
Teilsektionen wurde auf eine inhaltliche Unterteilung
verzichtet, so dass der Kongressbesucher zwar ein
kaleidoskopisches Gesamtbild über lateinamerikanische Forschungsbereiche erhielt, die
thematische Heterogenität erschwerte jedoch in einigen
Fällen eine fachlich weiterführende Diskussion.
In der Generalversammlung wurde Olivia Díaz, derzeit
Leiterin der Sprachabteilung an der Universität
Guadalajara, zur neuen Präsidentin des lateinamerikanischen Germanistenverbandes gewählt, so dass
2012 der 14. Kongress wieder nach Mexiko kommt. Die
neuen Veranstalter freuen sich auf eine rege Beteiligung
möglichst vieler mexikanischer Germanisten. Auf einer
entsprechenden Internetseite wird in Kürze über das
Datum und die geplanten Schwerpunkte informiert.
Dr. Florian Gräfe
DAAD-Lektor, Guadalajara
graefe@daadmx.org
Diana Thieme
VIER PREPA - SCHÜLER AUS GUADALAJARA FIEBERN
IHRER ERSTEN DEUTSCHLANDREISE ENTGEGEN
EIN INTERVIEW MIT RUTH MUÑOZ ESCOTO, PABLO ESTEBAN MIRAMONTES ELÓRTEGUI,
IVAN AGUAYO CORONADO UND KEVIN GONZÁLEZ BRACAMONTES,
SCHÜLER DER PREPARATORIA NÚMERO 5 DE LA UNIVERSIDAD DE GUADALAJARA
Ruth, Pablo, Ivan und Kevin, ihr vier lernt ja Deutsch
an der Prepa 5. Könnt ihr euch zuerst einmal kurz
vorstellen, etwas zu euren Hobbys, eurer Familie sagen
und warum ihr Deutsch lernt?
Hallo, ich heiße Ruth und bin 17 Jahre alt. Meine
Familie ist sehr groß und ich habe viele Verwandte. Ich
bin das älteste Kind in meiner Familie und ich habe
noch zwei Brüder. Meine Hobbys sind Lesen, Filme
4
noviembre 2009
ansehen und mit Freunden ausgehen. Ich lerne Deutsch,
weil ich sehr an der deutschen Kultur und dem
deutschen Lebensstil interessiert bin.
Ich heiße Pablo und bin 16. Ich lese gern und fahre auch
gern Rad. Ich habe fünf Schwestern und einen Bruder.
Ich lerne Deutsch, weil es mir gefällt. Die Sprache ist
ganz anders als andere Sprachen und ich finde
Deutschland auch sehr interessant.
# 21
info-ampal
Berichte
Ich bin Ivan und bin auch 16 Jahre
alt. Mein Hobby ist Tanzen. Ich bin
in drei verschiedenen Tanzgruppen
aktiv: Folklore, Hip Hop und
Ballett. Ich möchte später sehr gern
in Deutschland studieren u n d
vielleicht an einem Austauschprogramm teilnehmen.
Hallo, ich heiße Kevin und ich bin
17. Ich höre gern Musik und lese
gern. Meine Familie ist sehr klein.
Ich habe eine Schwester, die heißt
Alexis. Meine Eltern heißen Susana
und Enrique. Ich lerne Deutsch, weil
mich Fremdsprachen und fremde
Kulturen schon immer interessiert
haben. Außerdem ist es mein großer
Wunsch, später in Deutschland zu
studieren.
Ruth, was weißt du bisher über die
deutschsprachigen Länder, deren
Kultur und Menschen?
Ich habe von Freunden gehört, dass
die Mexikaner in Deutschland
herzlich willkommen sind und das
freut mich natürlich sehr! Zudem
weiß ich, dass es in Deutschland
große Wissenschaftler und Musiker
gab und dass sich das Essen sehr
vom
mexikanischen
Essen
unterscheidet. Das Bier und die
Bratwurst sind typisch für
Deutschland.
Ivan, du bist einer der vier
Stipendiaten, der zu einem PASCH Jugendkurs nach Deutschland
fliegen darf. Herzlichen Glückwunsch noch einmal! Wie wurden
denn die vier Schüler ausgewählt,
kannst du darüber etwas sagen?
Das Auswahlverfahren war wirklich
sehr anspruchsvoll. Ich hätte mir nie
erträumen lassen, zu den
Stipendienkandidaten zu gehören.
Zuerst wurden 16 Schüler aus den
beiden Deutschkursen des zweiten
Semesters ausgewählt. Alle 16
mussten einen Test schreiben. Die
acht Besten wurden zu einem
Interview eingeladen. Schließlich
wurden die vier Sieger bestimmt.
Für mich war das alles sehr stressig
info-ampal
# 21
Die vier Stipendiaten Pablo, Ivan, Kevin und Ruth (von links nach rechts)
aber gleichzeitig auch sehr
aufregend.
Pablo, wie war das für dich, als
du erfahren hast, dass du ein
Stipendium bekommst? Kannst du
dich daran erinnern, wie du
reagiert hast?
Als ich die E-Mail gelesen habe,
wusste ich nicht, was ich sagen
sollte. Ich habe meine Eltern
umarmt und auch ein bisschen vor
Freude geweint. Dann habe ich mit
meinem Vater ein Bier getrunken
und so meine Stipendienzusage
gefeiert.
Kevin, was sagen deine Familie,
Freunde und Klassenkameraden zu
deiner Deutschlandreise?
Meine Familie und Freunde sind
sehr aufgeregt und hören nicht auf,
mich zu beauftragen, viel aus
Deutschland mitzubringen und die
Liste der Mitbringsel wird immer
länger.
Ruth, wann fliegst du nach
Deutschland, wohin und mit wem?
Am Samstag, den 4. Juli um 16:30
Uhr fliegen wir - Pablo, Ivan und
ich - nach Mexiko Stadt. Dort haben
wir zwei Stunden Aufenthalt. Dann
fliegen wir weiter nach Amsterdam
und zum Schluss nach Düsseldorf,
unserem Stipendienort.
Kevin, ist es für dich in irgendeiner
Weise ein Problem, dass du nicht
wie die anderen nach Düsseldorf
sondern alleine nach Varenholz im
Kalletal gehst?
Ich bin schon ein bisschen beunruhigt,
weil es natürlich nicht das Gleiche ist,
allein zu reisen, ganz ohne
Begleitung. Aber dennoch glaube ich,
dass das Alleinreisen auch ein
interessanter Teil dieser Reise sein
kann.
Pablo, weißt du etwas über deinen
Stipendienort in Deutschland? Wo
bist du untergebracht?
Ich werde in einer Jugendherberge
am Ufer des Rheins in Düsseldorf,
einer sehr modernen Stadt,
übernachten.
Und du Kevin, wo übernachtest du
in Varenholz/Kalletal?
In einem Schloss und darauf freue
ich mich sehr.
Ivan, wie stellst du dir deinen
Aufenthalt in Deutschland vor?
Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was
mich erwartet. Ich möchte lieber
offen für alle Möglichkeiten sein. Es
gibt an jedem Ort ja sehr viel Kultur
november 2009
5
Informes
zu entdecken. Ich weiß nur, dass wir
viel Deutsch lernen werden und dass
während der drei W o c h e n
verschiedenste
F r e i z e i t a ktivitäten angeboten werden.
Ruth, welche drei Dinge packst du
außer Reisepass und Flugticket
unbedingt in deinen Koffer?
Meine Kamera halte ich für sehr
wichtig, meinen MP3-Player und
ein Wörterbuch.
Pablo, gibt es etwas, worauf du
ganz besonderes gespannt bist,
etwas, was dich ganz speziell an
Deutschland interessiert?
Ich möchte gern das deutsche Essen
probieren und sehen wie der
öffentliche Transport funktioniert
und wie die Leute in Deutschland
leben. Mich interessieren auch die
deutschen Städte und wie dort alles
geregelt ist.
Ivan, wie fühlst du dich so kurz vor
deiner Deutschlandreise? Bist du
aufgeregt?
Ja, ich bin sehr aufgeregt. Je mehr
sich der Abflugtag nähert, umso
nervöser werde ich. Dennoch nimmt
mir die ganze Aufregung auf keinen
Fall die Vorfreude und die
Gewissheit, dass ich in Deutschland
großartige Momente erleben werde.
Kevin, gibt es etwas, wovor du
Angst hast?
Es gibt für mich keinen Grund,
Angst zu haben. Alles ist sehr
spannend.
Ruth, wirst du etwas oder jemanden
aus Guadalajara in den drei
Wochen vermissen?
Ich werde meine Familie vermissen,
aber ich glaube, dass ist ganz
normal. Hierzulande ist man daran
gewöhnt tagtäglich mit der Familie
zusammen zu sein.
Ivan, wie sieht es mit deinen
Deutschkenntnissen aus? Bist du
deiner
Meinung
nach
gut
vorbereitet?
Ich verstehe ganz gut Deutsch, fast
ohne große Probleme. Aber ich
denke, ich muss noch viel lernen,
um mich wohler und sicherer mit
der deutschen Sprache zu fühlen.
Kevin, weißt du schon, was du dir
aus Deutschland mitbringen wirst,
ein Souvenir, eine Süßigkeit oder ein
Buch?
Die Wunschliste der Mitbringsel ist
schon sehr lang und wird immer
länger. Das Meiste sind kleine
Dinge wie Schokolade für Freunde
und Klassenkameraden. Ich habe
das Gefühl, dass ich für all die
Sachen nicht genug Platz in meinem
Gepäck auf dem Rückflug haben
werde.
Ganz lieben Dank Ruth, Pablo, Ivan
und Kevin für dieses Interview. Ich
wünsche euch eine gute Reise und
einen unvergesslichen Aufenthalt in
Deutschland. Natürlich bin ich
schon sehr auf eure Reiseberichte
gespannt.
Das Interview auf Spanisch führte
Diana Thieme, DaF-Lehrerin an der
Preparatoria 5 de la Universidad de
Guadalajara. Die Prepa 5 ist die
erste Schule in Jalisco, die im
Rahmen der Initiative
Partnerschulen der Zukunft
(PASCH) seit einem Jahr Deutsch
als zweite Fremdsprache anbietet.
dianathieme@yahoo.de
Ein Vorbereitungsworkshop mit den Stipendiaten: Pablo, Ivan, Ruth und Kevin.
(von links nach rechts)
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# 21
info-ampal
Informes
Annette Gradl
Marika Loos
GUANAJUATO BLICKT NACH ÖSTERREICH
unter der Regie Tom
Hanks. Im deutschsprachigen Raum wurde er
vor allem durch seine
Hauptrolle in der populären TV-Serie Verbotene Liebe bekannt.
2001 adaptierte er den
von Wolf Haas veröff e n t l i c h t e n
Kriminalroman Wie die
Tiere für die Bühne,
was er im September
schließlich auch in der
Universität Guanajuato
aufführte.
Wie die Tiere ?
Bereits vor Beginn des
Theaterstücks bekundeStudentInnen der Deutschabteilung beim Tanzworkshop mit Christoph Dostal
ten sowohl zahlreiche
StudentInnen als auch
Zur Freude der DeutschstudentInnen Landeskunde und Tanz und Theater.
unzählige Kulturinteressierte aus
des Departamento de Lenguas der Um eine ausreichende Platzanzahl
der Region um Guanajuato ihr reges
Universität Guanajuato fand das zu gewährleisten, wurden beide
Interesse an dem Stück Wie die
bereits für den vergangenen April Workshops zwei Mal angeboten.
Tiere, was an der beträchtlichen
angekündigte – jedoch aufgrund der
Besucherzahl ersichtlich wurde.
Schweinegrippe wieder abgesagte - Christoph Dostal
Schauplatz des Theaterstücks Wie
Programm Una mirada hacia Der 1972 in Niederösterreich gebodie Tiere ist die österreichische
Austria vom 9. bis 10. September rene und am Konservatorium der
Hauptstadt Wien, die unter anderem
Stadt Wien ausgebildete Schau2009 endlich statt.
für ihre nahezu pathologische Liebe
spieler gab sein Leinwanddebüt in
zu Hunden bekannt ist. Eben diese
Trotz anfänglicher Startschwierigkeiten der Hauptrolle des österreichischen
Hunde werden Opfer mysteriöser
ließen sich weder Helena Knapp – Kinofilms Ich Gelobe, welcher 1994
Morde, ein Fall mit dem nun
Lehrbeauftragte und Koordinatorin als „Bester Ausländischer Film“ für
Privatdetektiv Brenner beauftragt
der Deutschabteilung der UG – noch den Oscar nominiert wurde.
wird. Nach intensiven Nachforschungen
das österreichische Ministerium für Außerdem genoss Dostal in
wird dieser jedoch ebenfalls in den
Unterricht, Kunst und Kultur – allen Großbritannien eine ChoreografieIntrigensumpf hineingezogen und
voran Gertrude Zhao-Heissenberger und Tanzausbildung an der London
gerät letztendlich selbst ins
– nicht entmutigen, die entsprechen- Contemporary Dance School, welKreuzverhör.
den Vorkehrungen zu treffen, so che er in Zusammenarbeit mit der
Dostal gelang es, ein perfektes
dass die Veranstaltungen schließlich Tanzlegende Bob Curtis an der Bob
Verwirrungsspiel zu inszenieren,
Curtis Modern Dance Company
gut besucht stattfinden konnten.
indem sich die Rollen von
Für den 9. 9. 2009 war eine ausbaute. Danach wirkte Dostal in
Verfolgern und Verfolgten auf rätTheateraufführung der besonderen zahlreichen internationalen Filmselhafte Weise verschoben und die
Art angekündigt, am nächsten Tag produktionen mit, unter anderem in
Frage nach dem wahren Mörder
folgten Workshops zu den Themen Steven Spielbergs Band of Brothers
8
noviembre 2009
# 21
info-ampal
Berichte
immer dringlicher wurde. Durch seine Darbietung des
Theaterstücks schaffte er es, die StudentInnen vollkommen in seinen Bann zu ziehen. Alle zehn Charaktere des
Stücks Wie die Tiere wurden von Dostal dargestellt,
wobei man die unterschiedlichen Figuren an Mimik,
Gestik, Stimme und Verhalten Dostals eindeutig identifizieren konnte. Dank zahlreicher interaktiver Elemente
hätte das Theaterstück an Abwechslungsreichtum kaum
übertroffen werden können. Neben eingeblendeten
Musik- und Videosequenzen sowie Tanzeinlagen und
Witzen kamen die ZuschauerInnen in den Genuss, selbst
in das Theaterstück mit einbezogen zu werden. Diese
äußerst ausdrucksstarke schauspielerische Leistung wurde
zudem von improvisierten Hintergrundgeräuschen, beabsichtigtem Schweigen und Gesprächen mit dem
Publikum unterbrochen, eine Abwechslung, die im
Auditorium mit herzlichem Lachen erwidert wurde.
Tanz- und Schauspielversuche sowie österreichischer
Kulturworkshop.
Unter der professionellen Anleitung von Christoph
Dostal hatten die mexikanischen DeutschstudentInnen
im Workshop Tanz und Theater die Gelegenheit, AfroModern Dance nach Bob Curtis zu lernen. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus klassischem Ballett,
Modernem Tanz und afrikanischen Tanzelementen.
Zuerst zögerlich, dann aber mit zunehmender
Begeisterung zeigten sich so einige Tanztalente unter
den TeilnehmerInnen. Direkt im Anschluss, an den
Theaterworkshop, präsentierten sich auch überraschend
viele schauspielerische Talente, als es darum ging, eine
kurze Szene auf Deutsch zu spielen. Dabei sollten sich
Gruppen von zwei bis drei StudentInnen eine neue
Situation ausdenken, in der die Charaktere aus dem
Stück verarbeitet werden sollten. An Leidenschaft fehlte es den Mexikanern und Mexikanerinnen keinesfalls.
Vor Ort wurde die konstruktive Kritik Christophs in
einem oder zwei Schritten in die Tat umgesetzt.
Roland Fischer
Professor für Deutsch als Fremdsprache an der österreichischen Universität Linz, bot zeitgleich einen Kulturund Landeskundeworkshop an. Aufbauend auf das vorhandene Vorwissen gelang ihm der Zugang zu den
StudentInnen, um mit ihnen über österreichische aber
auch deutsche Stereotypen zu sprechen, diese aber auf
Stichhaltigkeit zu überprüfen. Sein Ziel war der Abbau
von Vorurteilen und das Beantworten der Fragen, die die
mexikanischen StudentInnen in Bezug darauf hatten.
Der Sieger des Landeskundetests konnte den Abend
schließlich mit einer ihm noch unbekannten rot-gold
glänzenden Mozartkugel als Belohnung verbringen.
Wir danken den OrganisatorInnen und LeiterInnen der
Workshops für ihre ausgezeichnete Arbeit und den von
ihnen gebotenen Blick nach Österreich.
Annette Gradl
Universität Regensburg
Marika Loos
Universtiät Dresden
Praktikantinnen für DaF an der Deutschabteilung der
Universität Guanajuato
Workshop Landeskunde mit Roland Fischer
info-ampal
# 21
november 2009
9
Informes
Ulrike Sperr
20 JAHRE MAUERFALL
EIN PERSÖNLICHER RÜCKBLICK UND LANDESKUNDE FÜR
DEN DAF-UNTERRICHT
20 Jahre sind eine lange Zeit,
besonders wenn man, wie in
meinem Fall, die letzten 10 Jahre
davon
nicht
persönlich
in
Deutschland beobachten konnte.
Doch was wäre gewesen, wenn man
die Mauer am 9. November 1989
nicht geöffnet hätte? Was, wenn das
geteilte Deutschland knapp ein Jahr
später nicht wiedervereinigt worden
wäre? Dann wäre zumindest ich
heute ein ganz anderer Mensch.
Im Februar 1990 hatte ich das
Glück, während einer Klassenfahrt
nach West-Berlin beobachten zu
dürfen, wie Teile der Mauer zum
ersten Mal durch Maschinen
beseitigt
wurden.
Unter
Anwesenheit
des
damals
regierenden Bürgermeisters Walter
Momper, erkennbar an dem für ihn
typischen roten Schal, der am
Potsdamer Platz vor laufenden
Fernsehkamaras eine kurze Rede
hielt, begannen mehrere Bagger den
Betonwall einzureißen. Nötig wäre
das wohl nicht unbedingt gewesen,
denn in den drei Monaten seit ihrer
Öffnung hatten die sogenannten
,,Mauerspechte” mit Hammer und
Meißel schon so viele große und
kleine Löcher hineingebohrt, dass es
ohne Weiteres möglich war, diese
als inoffizielle Grenzübergänge zu
gebrauchen. Dieser Versuchung
konnte auch ich an diesem 19.
Februar 1990 nicht widerstehen,
nachdem ein Vopo (Volkspolizist
der DDR) mir mitgeteilt hatte, dass
ich als Bürgerin der BRD nicht wie
die Bürger von West-Berlin einfach
mit meinem Personalausweis über
die Grenze durfte, sondern dazu
meinen Reisepass benötigte. Denn
auch drei Monate nach der
Grenzöffnung durfte man die Mauer
nur an den offiziellen Grenzübergängen, an denen strikte Kontrollen
stattfanden passieren, und unter
Umständen bekam man innerhalb
weniger Tage alle Seiten seines
Reisepasses vollgestempelt.
Natürlich musste nach den
Mauerlöchern noch der ehemalige
Todesstreifen und eine zweite
,,Mauer”
in
Form
eines
Stacheldrahtzaunes überwunden
werden. Anschließend konnte ich
über ein paar Plastikpipelines am
Spreeufer entlang nach Ostberlin
gelangen. Meine West-Berliner
Freunde kannten sich dort schon aus
und führten mich herum, kauften
mir Vita Cola und Bowu1 sowie
einen Eisbecher mit Sahne für eine
Mark fünfzig. Für mich als
Jugendliche war das Abenteuer pur.
Vielleicht war diese Klassenfahrt
und die vielen Reisen, die ich als
Kind von meinem Wohnort
Nürnberg in meine Geburtsstadt
West-Berlin unternahm, der Grund
dafür, dass ich mich später dazu
entschied, ein neues Abenteuer zu
beginnen und in Leipzig zu
studieren. Während dieser Reisen
durfte ich zwar nur kurzzeitig in den
Osten Deutschlands „schnuppern“,
doch dadurch wurde in mir eine
gewisse Faszination geweckt sowie
der Wunsch, Ostdeutschland besser
kennen zu lernen. Der Hauptgrund
war aber, dass die Universität
Leipzig als einzige in Deutschland
die beiden Studiengänge anbot, die
ich studieren wollte: DiplomÜbersetzen und Journalistik.
Rückblickend kann ich sagen, dass
der Kulturschock für mich damals
innerhalb meines eigenen Landes vier
Jahre nach dem Mauerfall viel größer
war als während meiner ersten Zeit in
Mexiko. So fuhr ich während meines
ersten Jahres in Leipzig fast jedes
Wochenende nach Nürnberg, um
meine Freunde und Familie zu sehen,
aber auch um den “Luxus” eines
wirklichen
Badezimmers
mit
Badewanne, Dusche und Warmwasser sowie einer Zentralheizung genießen zu können. In den
fünf Jahren, die ich im Osten
verbrachte, habe ich es nicht gelernt
einen Kohleofen anzuheizen und
konnte mich auch nie richtig an die
Campingduschen in den Küchen
gewöhnen, die in unsanierten
Altbauwohnungen dort üblich waren.
Auf lange Sicht waren das jedoch die
einzigen Abstriche, die ich machen
musste, denn in allen anderen
Bereichen war meine Zeit in Leipzig
unvergleichbar und unersetzlich.
Dank meiner relativ dialektfreien
Aussprache konnte ich dort nur selten
als ,,Wessi”2 enttarnt werden und traf
deshalb auch nur selten auf Vorurteile.
1 Bockwurst
2 Westdeutsche/r; die Bezeichnungen “Wessi/s” und “Ossis” werden hier der Einfachheit halber verwendet, wobei eine Stereotypisierung vermieden
werden soll.
10
noviembre 2009
# 21
info-ampal
Berichte
Dank meiner Thüringer Mitbewohnerin konnte ich so richtig in
die ,,Ossikultur” eintauchen, so dass
ich mich während meiner Reisen in
die “Heimat” Nürnberg nicht mehr
wirklich mit allen ,,Wessis”
identifizieren konnte. Dank einer
Recherchearbeit für einen Journalistikkurs erfuhr ich viel über das
Leben der DDR-Studenten vor dem
Mauerfall, ja sogar so viel, dass ich
mir gewünscht hätte ich könne die
Zeit zurückdrehen und selbst erleben,
wie es früher gewesen war. Ich
begann die ,,Ostalgie”3 einiger
Kommilitonen zu verstehen, genoss
zahlreiche ,,Ossipartys” und am
besten gefiel es mir in den typischen
Studentenclubs.
Wenn ich heute nach Leipzig
zurückkehre, werde ich selbst
(n)ostalgisch, da von dem damaligen
“Umbruchgefühl” heute kaum noch
etwas zu spüren ist. Ich glaube, ich
war damals einfach zur richtigen Zeit
am richtigen Ort und kann mit Worten
gar nicht beschreiben, wie sehr mich
diese Zeit im Osten Deutschlands
geprägt hat.
Deshalb ist es für mich wichtig, auch
meinen Schülern ein Stück dieser Art
von Landeskunde mitzugeben. Ich
habe die Erfahrung gemacht, dass dies
für
mich
am
besten
mit
themenbezogenen Liedern (z.B.
,,Kling Klang” von der ostdeutschen
Band Keimzeit) sowie persönlichen
Berichten und Geschichten
funktioniert. Jedenfalls ist das Thema
Mauerfall meiner Meinung nach für
den
Unterricht
Deutsch
als
Fremdsprache zu wichtig, um einfach
ausgeklammert zu werden, wie es die
meisten Lehrwerke für das Niveau
A1/A2 tun. Es gibt zwar Lehrwerke,
wie z. B. Moment mal 1 von
Langenscheidt oder Tangram 2 A von
Hueber, die dem Thema Mauer
immerhin Teile eines Kapitels
widmen, jedoch scheinen die
Studenten persönliche Berichte und
Geschichte
weit
mehr
zu
interessieren. Gleichzeitig können
dadurch Informationslücken zum
Thema
„Jüngere
europäische
Geschichte“ geschlossen werden. In
Fortgeschrittenkursen bietet sich
zusätzlich
die
Möglichkeit,
Ausschnitte aus der vielfältigen
(Nach-)Wende- bzw. Mauerliteratur
zu behandeln wie z.B. Zonenkinder
von Jana Hensel oder die Romane von
Thomas Brüssig, z. B. Wie es leuchtet.
Ulrike Sperr
Coordinadora del Centro de
Aprendizaje de Lenguas
Departamento de Lenguas
Universidad de las Américas Puebla
ulrike.sperr@udlap.mx
Karin Neudecker
AUCH IN HERMOSILLO IST DIE MAUER GEFALLEN.
EIN BERICHT VOM KULTURFEST AN DER
UNIVERSIDAD DE SONORA
In den Sprachkursen an unserer
Universität wird neben der
Vermittlung von Sprachwissen und
-fertigkeiten ein besonderer Wert
auf den landeskundlichen Aspekt,
wie
die
Vermittlung
von
Traditionen
und
kulturellen
Eigenheiten der Länder gelegt,
deren Sprache erlernt wird. Dem
liegt das Konzept zugrunde, dass
Sprache und Kultur eine nicht
voneinander zu trennende Einheit
sind. So haben sich im Laufe der
Jahre an der Fremdsprachenabteilung der UNISON einige
kulturelle Veranstaltungen etabliert,
die aus dem Jahres- bzw.
Semesterrhythmus nicht mehr
wegzudenken sind, wie der Tag der
Erde, der Internationale Tag der
Frau, der Altar für die Verstorbenen,
d a s F u ß b a l l t u r n i e r, d i e
internationale Weihnachtsfeier und
das Internationale Kulturfest.
Letzteres wurde vor 12 Jahren zum
ersten Mal Ende Oktober im
Zusammenhang mit dem Tag der
Vereinten Nationen im kleinen
Rahmen organisiert. Seitdem hat
diese Veranstaltung immer mehr an
Bedeutung gewonnen und wird
schon Wochen zuvor sowohl von
der Fremdsprachengemeinde als
auch von Teilen anderer Fakultäten
und der Bevölkerung allgemein mit
Spannung erwartet.
Das Fest ist in drei Bereiche
geteilt: die Informationsstände
mit landeskundlichen Themen,
die Essensstände mit typischen
Speisen aus den verschiedenen
Ländern (von den Studenten
selbst zubereitet) und das Show Programm, das parallel dazu auf
einer Bühne dargeboten wird.
3 Wortspiel / Verschmelzung der Wörter “Ost” und “Nostalgie”
info-ampal
# 21
november 2009
11
Informes
Studenten beim Gestalten ihres Mauerteils
Für uns drei Deutschlehrerinnen stand ziemlich schnell
das diesjährige Thema der Deutschabteilung fest: der
20. Jahrestag des Mauerfalls konnte einfach nicht
übergangen werden. In Arbeitsteilung entwickelten die
verschiedenen Deutschgruppen (in diesem Semester gab
es 6 Niveaus) je nach Deutschkenntnissen die Beiträge.
Je mehr sie sich in das Thema vertieften, desto größer
wurde die Auswahl an Aspekten und Informationen, die
es Wert waren weiterzugeben: die Geschichte der
Mauer, Einzelschicksale, die Lebensbedingungen in Ost
und West, typische Konsumprodukte beider Länder, die
Geschichte der Nationalhymne, der Tag der
Grenzöffnung und das große “Fest der Freiheit” am 9.
November in Berlin mit der von der Bundesregierung
organisierten und vom Goethe - Institut
internationalisierten Dominoaktion.
Neben den Infowänden wollten wir im Showprogramm
einen Stück zum Gedenken an den Mauerfall vorstellen.
Da uns eine Dominoaktion im Kleinen auf einer Bühne
zu riskant erschien und sicher nicht den Effekt wie die
großen Steine vor dem Brandenburger Tor gehabt hätte,
entschlossen wir uns zu einer Alternative. Wir wollten
eine Mauer aus großen Kartons aufbauen und diese
dann wieder abtragen. Dazu sollten Schlagwörter aus
der Hymne auf Deutsch und Spanisch proklamiert
werden.
Für uns Lehrerinnen war es erstaunlich zu sehen, mit
welchem Interesse die Studenten, die größtenteils noch
gar nicht geboren waren, als die Mauer fiel, sich diesem
,,deutschen“ Thema widmeten. Es wurden Referate
gehalten, die Hymne eingeübt, Plakate und Bildmaterial
gestaltet und am meisten Spass machte natürlich das
Anmalen der 10 Mauersteine. Dabei hatten alle die
Freiheit, sich persönlich zum Thema auszudrücken, eine
12
noviembre 2009
künstlerische Note zu hinterlassen oder
sich in die Situation eines Berliner
„Mauermalers” zu versetzen.
Im Hinblick auf die interkulturelle
Auseinandersetzung und Reflexion
zum Thema wurde die Mauerreise des
Goethe-Instituts zu einem zentralen
Punkt gemacht. Die Studenten waren
beeindruckt, dass Mexiko aufgrund
seiner Grenzsituation zu den USA
eines
der
wenigen
weltweit
ausgewählten Länder war, das
eingeladen wurde, einen Mauerstein zu
gestalten. Die eigene Erfahrung von
Teilung, Abgrenzung, Diskriminierung
und Ängsten gab Stoff für bereichernde
Unterrichtsgespräche. Hermosillo ist
nur 3 Autostunden von der Grenze zu
Arizona entfernt und viele haben ihre persönlichen
Erfahrungen an der Grenze gemacht.
Nach intensiver Vorbereitungszeit kam endlich der Tag.
Unser Infostand wurde mit viel Interesse besucht und
manch einer las alle Einzelheiten. Die Maueraktion auf
der Bühne wurde kommentiert mit den Worten:
,,beeindruckend”, ,,tiefgreifend”, ,,dieses Jahr der
wichtigste Beitrag”. Aber leider ist nichts perfekt und
so tönte die Musik der Bundeswehrkapelle mit der
Deutschlandhymne vorzeitig mitten in den Mauerakt.
Für diejenigen Besucher, die den leiblichen Genuss
vorzogen, gab es am deutschen Stand Gulasch,
Apfelstrudel und Berliner.
Für uns Lehrerinnen an der Fremdsprachenabteilung
bedeuten diese Veranstaltungen natürlich immer
Mehrarbeit, einen Eingriff in die gewohnte
Unterrichtsroutine, Motivationsarbeit, der Einsatz
sämtlicher praktischer Fertigkeiten und manchmal auch
Zeitdruck, um das Unterrichtsprogramm durchzubringen.
Aber am Ende stellen wir immer fest: Es hat sich
gelohnt.
Lic. Karin Neudecker
DaF - Lehrerin
Koordinatorin für Fremdsprachen ausser Englisch an
der Universität von Sonora
karin@lenext.uson.mx
# 21
info-ampal
Artículos
Dr. Tülin Arslan
WEBGESTÜTZTES LERNEN MIT MOODLE IM DAF-UNTERRICHT
In der DaF-Forschung bzw. DaF-Didaktik ist immer
häufiger die Rede vom webgestützten Lernen oder
neuen Medien im Unterricht. Den Unterricht nur online
zu gestalten, erscheint aber nicht sinnvoll zu sein, denn
Präsenzunterricht - ist für die kommunikative
Gestaltung der Lernumgebung unabdingbar. Deswegen
ist es sinnvoller, den Präsenzunterricht mit
webgestützten Tools zu erweitern. Wer sich für
webgestützte Tools interessiert, stößt daher
unwillkürlich auf Begriffe wie Lernplattformen, CMS,
LMS, web2.0, etc. Lernplattformen sowie webgestützte
Tools wie Foren, Chats, Wikis und Blogs werden immer
mehr
zu
einem
wesentlichen
Teil
des
Unterrichtsprozesses.
Eine
der
beliebtesten
Lernplattformen ist Moodle.
Moodle ist die Abkürzung für Modular Object Orientes
Dynamic
Learning
Environment
(modulare,
objektorientierte und dynamische Lernumgebung).
Moodle wurde von Martin Dougiamas an der Curtin
Univetsity of Technology in Australien entwickelt und
wird als freie Software zur Verfügung gestellt. Der
Gedanke hinter dieser Software ist eine soziale,
fördernde Pädagogik. Dieser Gedanke geht auf die
Lerntheorie des Konstruktivismus zurück. Moodle
unterstützt die aktiven und sozial Lernenden, die ihr
Wissen in einem aktiven Aneignungsprozess
strukturieren.
„Heute steht Moodle als
- Name für ein sich immer weiterentwickelndes
Lernportal, das weltweit bei ehrenden und lernenden
Personen und Institutionen immer beliebter wird,
- Begriff für eine einfache Lerntechnik und das
Kennenlernen neuer Lernmethoden, die die Kreativität
und Aufnahmefähigkeit der Lernenden fördern,
- Tätigkeit, sich mit einem Thema intuitiv zu
beschäftigen, sich Dinge herauszupicken und in der
Gemeinschaft mit anderen Lernenden zu neuen
Einsichten zu kommen und neue Gedanken zu
entwickeln“ (Gertsch, Fredi 2007).
Moodle ist zurzeit eine sehr beliebte Lernplattform. Die
roten Punkte (siehe Abb. 1) zeigen die Moodle Sites
weltweit.
Moodle hat über eine Million registrierte Benutzer in 75
verschiedenen Sprachen aus 193 Ländern. Es gibt
50,000 registrierte Moodlesites.
Um Zugang zur Lernplattform Moodle zu schaffen
müssen sich die Lernenden über den Link login (Abb. 2)
zuerst registrieren. Das Registrieren ist einmalig aber
man muss sich jedes Mal anmelden.
Abb. 2
Die wichtigsten Bausteine von Moodle sind die Kurse.
Die Kurse sind inhaltlich und didaktisch aufbereitete
Lerneinheiten, in denen man beliebig entweder
Arbeitsmaterial (Abb. 3) oder Aktivitäten (Abb. 4)
anlegen kann.
Abb. 3
Abb. 1
14
noviembre 2009
# 21
info-ampal
Artikel
Abb. 4
Jede Aktivität wird als Modul bezeichnet und jedes
Modul hat in sich eine pädagogische Funktion. In der
nachfolgenden Liste
sind die pädagogischen
Funktionen der Module zu sehen.
Pädagogische Funktionen der Module im Überblick
In diesem Artikel werden die Module Aufgabe (Online
Lernbüchern als Thema bearbeitet wird (Abb. 6).
Lernende, sogar mit geringen Sprachkenntnissen,
können einen einfachen Text über ihren Tag verfassen
und absenden. Der Lehrer kontrolliert den Text und
schickt ihn zurück (Abb. 6). Die Lernenden haben die
Möglichkeit den korrigierten Text mit ihrem
Originaltext zu vergleichen. Dieses Modul ist eines der
meist verwendeten Aktivitäten von Moodle.
Man kann aber auch eine Webseite verlinken und die
Lernenden eine virtuelle Recherche machen lassen, zum
Beispiel über das Thema Jugendherberge. Die
Lernenden werden aufgefordert, die Webseite
www.jugendherberge.de anzuklicken. Mit einer klaren
Beschreibung und deutlichen Anweisungen machen sich
die Lernenden auf die Suche nach Informationen
(Abb.5). Dabei spielt die exakte Aufgabenstellung eine
große Rolle, da Lerner der Grundstufe schnell in der
Fülle authentischer Materialien verloren gehen können.
Auf diese Weise erhalten die Lernenden Zugang zur
realen Welt und das autonome Lernen wird damit
gefördert. Der Lerner kann selbst bestimmen über
welche Jugendherberge er schreiben möchte und die
visuellen Webseiten motivieren dabei zum Lernen.
(Quelle: Hilgenstock/Jirmann 2005: 38)
Textangabe), Forum, Hot-Potaoes-Test, und Wiki
thematisiert und Beispiele aus der Praxis gegeben.
Aufgabe (Online Texteingabe)
Online Texteingabe eignet sich sehr gut für die
Erweiterung der Schreibfertigkeit. Dieses Modul bietet
den Lernenden die Möglichkeit einen Text mit Hilfe
eines Editors zu erstellen und an den Lehrenden zu
senden. Bei Online Texteingabe lässt man den
Lernenden einen Text über ein bestimmtes Thema
schreiben, z. B. über einen Tagesablauf, der in vielen
info-ampal
# 21
Abb. 5
november 2009
15
Artículos
Abb. 6
Forum
Das Modul Forum schafft einen virtuellen Ort, in dem
Meinungen asynchron ausgetauscht und Fragen zu
einem Thema gestellt werden können. Ein Forum
besteht aus „Diskussionsfäden“, die mit einem Thema
beginnen und mit den Beiträgen wachsen (Abb. 7). Die
Kooperation schafft eine virtuelle, soziale Komponente,
die für effektives Lernen sehr wichtig ist. Foren können
mit verschiedenen Absichten eröffnet werden, z. B.
können sie als Treffpunkt zum Diskutieren, für
allgemeine Ankündigungen zum Kurs, (die nur vom
Lehrer eingetragen werden können), zum freien
Meinungsaustausch, für Fragen über Lernmethoden
oder Lernstrategien oder zu Themen, die zum
Unterrichtsplan gehören, genutzt werden. Unten (Abb. 6)
ist ein Beispiel zu einem Thema aus dem
Unterrichtsplan „Macht Geld glücklich?“ gegeben.
Sprachunterricht und für didaktische Konzepte. Die
Software,
die
man
von
der
Webseite
www.hotpotatoes.de kostenlos herunterladen kann,
besteht aus fünf verschiedenen Aufgabentypen (JClose,
JCross, JMatch, JMix und Jquiz) (Abb. 8). Unten sehen
Sie eine Abbildung (Abb. 9) von JCross. Diese
interaktive Aufgaben können von den Lernenden mit
wenig Aufwand bearbeitet werden. Hot-Potatoes-Tests
werden häufig als Alternative zur Lernaktivität Test
eingesetzt. Die Tests werden an einem Computer erstellt
und in den Moodle-Kurs integriert. Nachdem die
Lernenden die Tests gelöst haben, werden die
Ergebnisse automatisch ausgewertet. Durch die
automatische Auswertung bekommen die Lernenden
sofort ein Feedback und haben dadurch auch die
Möglichkeit ihre Fehler zu sehen und sie zu korrigieren.
Abb. 8
Abb. 9
Abb. 7
Hot-Potatoes-Test
Der Hot-Potatoes-Test gehört zwar nicht zur MoodleStandart-Installation, wird aber von vielen gerne
eingesetzt. Hot-Potatoes eignet sich für den
16
noviembre 2009
Wiki
Mit Wiki können die Lernenden gemeinsam Texte
bearbeiten, in dem sie einfache Formate zur Gestaltung
eines Textes benutzen. Veränderungen und Ergänzungen
zu einem Text werden sofort veröffentlicht. Wikis
ermöglichen eine gemeinsame Arbeit an Texten, die
man erweitern, kürzen und auch löschen kann. Alle
# 21
info-ampal
Artikel
kann. Die Verwendungsmöglichkeiten können vom
Lehrer beliebig erweitert werden.
Abb. 10
Veränderungen werden von Moodle gespeichert und
jeder kann verfolgen, wer an dem Text etwas
abgeändert oder hinzugefügt hat. Ein methodischdidaktischer Einsatz von Wikis bietet sich im Bereich
der Gestaltung von Geschichten an (Abb. 10). Im Sinne
einer Schreibwerkstatt entsteht ein gemeinsamer Text.
Eine weitere Einsatzmöglichkeit von Wikis ist die
Führung eines Lerntagebuchs, um den eigenen Lernweg
zu reflektieren. Dafür verfügt jeder Lerner über sein
eigenes Wiki, das nur von ihm selbst kontrolliert werden
Literaturverzeichis:
Gertsch, F. (2007). Das Moodle 1.8 Praxisbuch- OnlineLernumgebungen anbieten und verwalten. München: AddisonWesley Verlag.
Höbarth, U. (2007). Konstruktivistisches Lernen mit MoodlePraktische Einsatzmöglichkeiten in Bildungsinstitutionen.
Boizenburg: Verlag Werner Hülsbusch.
Rice IV, W.H. (2006). Moodle E-Learning Course Development- A
complete guide to successful using Moodle. Birmingham-UK: Packt
Publishing Ltd.
Rinder, A. (2003). Das konstruktivistische Lernparadigma und die
neuen Medien. Info DaF- Informationen Deutsch als Fremdsprache,
30,1, 3-22 München: IUDICIUM Verlag.
Webseiten
www.moodle.org
www.hotpotatoes.de
www.tulinarslanlcom/moodle
Dr. Tülin Arslan
Universität Yeditepe, Istanbul Türkei
tulin.ar@hotmail.com
Dorit Heike Gruhn
OBJEKTIVERE FREMDBILDER DURCH KONTAKTE, WISSEN
UND GUTE ABSICHTEN? TEIL 1
In seinen ,,philosophischen
Untersuchungen über die
Amerikaner” schreibt der
preußische Philosoph Kornelius de
Paw 1768 folgendes:
,,Las lenguas de América son tan
estrechas y escasas de palabras, que
no es posible explicar en ellas
ningún concepto metafísico. No hay
ninguna de estas lenguas en que se
pueda contar arriba de tres.”
Diese Behauptung stößt auf den
vehementen Widerspruch des
mexikanischen Jesuitenpaters und
Geschichtsforschers
Francisco
Xavier Clavijero, der 1780 kontert:
Cualquiera que lea estas decisiones
magistrales de Paw, se persuadirá
sin duda que decide así después de
haber viajado por toda la América,
de haber tratado con todas aquellas
naciones y haber examinado todas
info-ampal
# 21
sus lenguas. Pero no es así. Paw, sin
salir de su gabinete de Berlín, sabe
las cosas de América mejor que los
mismos americanos, y en el
conocimiento de aquellas lenguas
excede a los que las hablan” .
Eine Menge Tinte muss Clavijero
noch verspritzen, um diese und viele
weitere
Behauptungen
Paws
detailliert zu widerlegen, denn
dessen Werk steht ganz und gar
unter dem Vorzeichen, die
Überlegenheit der europäischen
Völker
gegenüber
den
amerikanischen zu beweisen.
Drei Elemente scheinen mir hier
von Interesse, die ich beim
Aufzählen gleichzeitig durch
Fragen erweitern möchte:
1.
Sicher waren im 18.
Jahrhundert die Möglichkeiten
grenzüberschreitend zu reisen und
andere
Kulturen
vor
Ort
kennenzulernen auf relativ wenige
Personen beschränkt. Doch hat der
in den letzten Jahrzehnten stark
zu
Trend
zugenommene
Auslandsreisen und -aufenthalten zu
einem Abbau von Vorurteilen
geführt?
2.
Damals gab es weder
Fernsehen noch Internet und auch
wesentlich weniger Printmedien als
heute, einmal abgesehen davon,
dass der Zugang zum Wissen allein
schon durch die allgemein hohen
Analphabetenquoten
weltweit
beschränkt war. Ist aber der
gegenwärtig
immer
größer
werdenden Flut an Wissen und
Dokumentation aus aller Welt mehr
zu trauen als den Aussagen eines
Paw und hilft diese, Vorurteile
abzubauen?
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17
Artículos
3.
Wie steht es mit dem
Überlegenheitsdünkel, den Paw hier
unter dem Deckmantel der
Wissenschaft an den Tag legt? Sind
in Zeiten, in denen Vorträge und
Fortbildungsveranstaltungen rund
um die interkulturelle Kompetenz
überall auf der Tagesordnung
stehen, zumindest wir Sprachlehrer
und Sprachenlerner davor gefeit?
Bevor ich aber detaillierter auf diese
Punkte eingehe, möchte ich etwas
ausholen, und ein paar allgemeine
Anmerkungen
machen
zu
politischen Grenzen, der physischen
oder auch nur geistigen Überschreitung derselben, sowie zu den
Kulturen, die sie angeblich
voneinander trennen.
1. Nationalstaaten als Kulturhybride
Politische Grenzen sind menschengemachte Trennlinien, deren
Existenz und Verlauf zeitlichen
Änderungen unterliegen. Denken
wir nur daran, dass man zu Beginn
des
19.
Jahrhunderts
noch
Ausweispapiere benötigte, um von
einem deutschen Kleinstaat in den
nächsten zu gelangen, während in
der Gegenwart die politische und
wirtschaftliche Bedeutung der
Grenzen
ganz
Europas
im
Schrumpfen begriffen ist.
Und während manchen Menschen
das
physische
Überschreiten
nationalstaatlicher Grenzen immer
leichter gemacht wird, lässt eine
wachsende Zahl anderer beim
bloßen Versuch dazu ihr Leben.
Mexikaner verdursten in der Wüste
von Arizona, Afrikaner ertrinken im
Mittelmeer.
Die vorwiegend politischen und
wirtschaftlichen Beweggründe von
Grenzziehungen haben es auch mit sich
gebracht, dass Grenzen eben nicht - wie
oft fälschlicherweise angenommen auf gleichsam natürliche Weise
Sprachen und Kulturen voneinander
trennen. Große Anstrengungen waren
notwendig, um über Staatsapparat und
B i l d u n g s s y s t e m
18
noviembre 2009
Homogenisierungsprozesse
einzuleiten, die in den meisten
Nationalstaaten bis heute nicht
abgeschlossen sind. Auch in der
Gegenwart existieren innerhalb der
meisten Nationalstaaten noch diverse
ethnische Minderheiten mit ihren
jeweiligen
Sprachen
sowie
unterschiedliche kulturelle Elemente.
Das mag banal klingen, wird aber in
vielen Texten und Veranstaltungen
zu Themen der Interkulturalität
immer noch schlichtweg übersehen.
Da wird über die deutsche oder die
mexikanische Kultur referiert, da
werden Rezepte verteilt, wie den
Vertretern der ,,anderen Kultur” zu
begegnen sei, gerade so als ob diese
als feste, unwandelbare Einheit
existieren würde.
Sicher, Unterschiede zwischen den
Menschen aus verschiedenen
Weltgegenden lassen sich nicht
leugnen. In Deutschland isst man
Schwarzbrot, in Mexikano Tortillas
aus Maismehl. Aber was ist mit
Guatemala, wo ebenfalls MaisTortillas gegessen werden? Was mit
Nordmexiko, wo man in der Regel
Weizen vorzieht? Wo stecken wir
die Bewohner dieser Gegenden hin?
Die kulturellen Unterschiede
zwischen den Menschen entziehen
sich nicht jeglichem wissenschaftlichen Beschreibungsversuch,
so gibt es z. B. interessante Studien
zu kulturbedingtem Umgang mit
Raum oder Zeit. Schwierig wird es
aber, wenn es um eine genaue
zeitliche, räumliche oder ethnische
Eingrenzung des Beschriebenen
geht. Nicht nur, dass wir über Max
Webers Definition von Ethnie als
einer “Glaubensgemeinschaft” , also
eines sozialen Konstrukts, bis heute
nicht hinausgekommen sind, eine
gesamtgesellschaftliche
Beschreibung kultureller Merkmale
kann vielleicht gerade noch für manche
Agrargesellschaften geleistet werden,
in denen alle Mitglieder eindeutigen
gemeinsamen Wertordnungen und
Normen folgen. Und selbst das ist nicht
sicher.
Für komplexe Gesellschaften gefällt
mir das Bild vieler Schichten, die sich
überlappen, ohne jemals völlig
kongruent zu sein - jede Schicht mit
ihren
spezifischen
kulturellen
Eigenheiten, die mehr oder weniger
schnellen
Wandlungsprozessen
unterworfen sind. Zunächst einmal
gibt es da allgemeinmenschliche, also
universalistische Grundbedingungen
des
menschlichen
Lebens
(Ernährung, Bildung von Fortpflanzungsgemeinschaften, Krankheit, Tod
usw.), der sich jede Gemeinschaft auf
die ein oder andere Weise stellen
muss. Dann kommt ein gemeinsamer
politisch-wirtschaftlicher
und
institutioneller
Rahmen,
der
historisch gewachsen ist und über
Generationen tradiert, aber auch
transformiert wird. Darüber lagern
sich regionale, religiöse, subkulturspezifische, d. h. allgemein soziokulturelle Unterschiede, dann auch
Einwandererkulturen und nicht
zuletzt persönliche Merkmale der
Individuen.
Nicht vergessen werden darf, dass die
gegenwärtigen
Globalisierungstendenzen, die Durchdringung der
Welt mit denselben marktbezogenen
Gesetzen von Effizienz und
Zweckrationalität, und die (fast)
weltweite Konsumgemeinschaft, die
bestehenden kulturellen Unterschiede
verwässern, ja deren ohnehin nicht klar
definierbaren Grenzen noch weiter
verwischen, während sich manche
Gruppen - wohl als Reaktion darauf zu ethnischen und kulturellen
Eigenheiten bekennen, die in der von
ihnen
beanspruchten
Form
möglicherweise nie existiert haben.
Wie soll sich nun der arme
Sprachenlerner, aber auch der arme
Sprachenlehrer
in
diesem
unüberschaubaren Gemenge der unterschiedlichsten kulturellen Einflüsse
und Überschneidungen zurechtfinden?
Wie sich dem vorgeblich fremden und
# 21
info-ampal
Artículos
begrifflich gar nicht mehr fassbaren Kulturhybrid nähern?
Hat er eine andere Wahl, als zu Vereinfachungen, sprich
Stereotypen und den darauf aufbauenden Vorurteilen zu
greifen?
Nun, Vereinfachungen sind oftmals notwendig, um
überhaupt mit einer allzu komplexen Realität umgehen zu
können. Auch scheinen Stereotypen- und Vorurteilsbildung
aus dem Miteinander menschlicher Gruppen nicht
wegzudenken zu sein, haben sie doch eine wichtige
Abgrenzungs- und Identitätsbildungsfunktion. Insofern wird
man sie kaum jemals völlig aus der Welt schaffen können.
Dennoch: Gerade Sprachlehrer und Sprachenlerner sollten
sich um deren kleinstmögliches Ausmaß bemühen bzw. realistischer gesprochen - sich ihrer eigenen Vorurteilsstrukturen zumindest bewusst werden.
Und, um wieder auf die eingänglichen Fragen
zurückzukommen, gilt es zu durchleuchten, welche Rolle
dabei
Auslandsaufenthalte,
Informationen
und
Selbstzuschreibungen spielen können.
2. Führen Kontakte mit anderen Kulturen zu interkultureller
Kompetenz?
Nicht wenige Europäer haben versucht, Mexiko ihr ureigenes
Weltbild aufzuprägen.
Auch heute wird landläufig noch angenommen, dass die
beiden Ersteren gleichsam automatisch zu interkultureller
Kompetenz führen würden. Mehr Wissen, so verhieß die
Aufklärung, sei ein sicheres Mittel gegen Vorurteile, gegen das
bloße Meinen und Glauben . Und Alexander von Humboldt
fügte hinzu: ,,Die gefährlichste Weltanschauung, ist die
Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben” .
Doch die Auffassung, dass allein durch persönliche
Anschauung und Kontakte - in der Forschung als
'Kontakthypothese' bezeichnet - Vorurteile abgebaut werden
könnten, wird gegenwärtig ernsthaft angezweifelt. Es liegt
auf der Hand, dass ein deutscher Tourist, der zwei Wochen
lang in Mexiko durch Pyramidenstätten und komfortable
Hotels geführt wird und seinen Urlaub in Cancún beendet,
hinterher wenig mehr über das Urlaubsland wissen wird, als
vorher, zumal die Reiseveranstalter bemüht sein werden,
20
noviembre 2009
sämtliche Klischees zu bedienen, die der Kunde erwartet.
Schreibt der auf diese Weise Gereiste dann zu Hause ein
Buch, wird das in Bezug auf die subjektive Beliebigkeit der
Aussagen den Arbeiten Paws in nichts nachstehen; Paw
hatte sich - wie schon erwähnt - vom heimatlichen
Schreibtisch nicht fortbewegt.
Aber wie werden die Schriften von Gastschülern,
Austauschstudenten oder auch Firmenangehörigen
ausfallen, die in der Regel mehrere Monate oder Jahre in
einem anderen Land bleiben und intensivere Kontakte zur
einheimischen Bevölkerung pflegen können? Um es
vorwegzunehmen: Wahrscheinlich auch nicht besser. Jeder
kennt Deutsche und andere Ausländer, die schon lange in
Mexiko leben, und sich den lieben langen Tag nur über
Mexiko und die Mexikaner beschweren (was sich
umgekehrt in Deutschland natürlich auch beobachten lässt).
Woran liegt das? ,,Die naive Erwartung, dass allein schon
eine Auslandsreise […] Stereotype zu Fall bringe, ist durch
eine ganze Anzahl psychologischer Untersuchungen in
Frage gestellt worden”, schreibt Hermann Bausinger schon
1988. Und Alexander Au spezifiziert aus aktueller
Perspektive: ,,Interaktion von Kommunikationspartnern
differenter Kulturstandards führt durch die Eigendynamik
kommunikativer Prozesse eher zur Verstärkung von
bestehenden Vorurteilen und also auch zur Behinderung von
echten (interkulturellen) Kommunikationsprozessen […]” .
Ich nehme an, dass hier unter ,,Eigendynamik
kommunikativer Prozesse” kulturell unterschiedliche
Kommunikationsstandards und -riten, auch unter Einbezug
von pragmatischen und semantischen Aspekten, gemeint
sind, die bei Nichtkenntnis des Anderen auch dann zu
Mißverständnissen und Fehlinterpretationen führen können,
wenn es keine Verständigungsschwierigkeiten auf der
formalsprachlichen Ebene gibt.
Darüberhinaus wird der Abbau von Vorurteilen durch
Mechanismen verhindert, die unsere Wahrnehmung leiten.
Ulrich Bauer schreibt dazu:
Das Bedürfnis nach Festschreibung der Anderen als
Fremden ist offensichtlich sehr ausgeprägt und sichert
unsere Weltwahrnehmung ab. […] Diese Prozesse
funktionieren völlig ohne rationale Rückbindung an die
beobachtbare Realität, also ohne Rücksicht auf die Frage,
welcher Anteil der Fremdgruppe sich entsprechend der
stereotypen Erwartung verhält, oder gar, welche
Verhaltensmuster im Rahmen einer selektiven
Wahrnehmung überhaupt registriert werden.
Findet der Kontakt nicht zwischen Personen statt, sondern
zum Beispiel auf dem heimischen Sofa über das Medium
Literatur, sind dieselben Mechanismen am Greifen. Der
Literaturbetrieb steuert nicht nur Erwartungshaltungen (und
somit die Wahrnehmung) bezüglich des ,,Anderen”, er
bedient sie auch. Sehr anschaulich verdeutlicht das ein
# 21
info-ampal
Artikel
Vorfall, der sich in den USA
zugetragen hat :
Im
Rahmen
eines
Booms
lateinamerikanischer Literatur in den
90er Jahren werden drei unbekannte
lateinamerikanische Schriftsteller von
einem
begeisterten
Verleger
angeheuert, um in seiner angesehen
Literaturzeitschrift zu veröffentlichen.
Bald darauf sind auch drei
Manuskripte fertig - von denen aber
dann ganz unerwarteterweise zwei
abgelehnt werden. Der Grund: Die
Autoren hatten gegen den 'heiligen
Code des magischen Realismus'
verstoßen
und
waren
damit
uninteressant. 'Diese Texte hätten in
jedwedem Land der Ersten Welt
geschrieben sein können', argumentiert
der Verleger.
Ähnliches könnte sich sicher auch in
Verlagshäusern des deutschsprachigen
Raumes zutragen, oder hat sich schon
tausende Male zugetragen.
Ich selbst bin gerade dabei, die
biographische
Schrift
einer
Lateinamerikanerin ins Deutsche zu
übersetzen und bin diesbezüglich in
eine Auseinandersetzung mit dem
Verleger geraten: Beschreibt die
Autorin doch in erster Linie einen
politischen Kampf, wobei ihr
persönliches Leben eher als Kulisse
und Erfahrungshintergrund ins
Blickfeld gerät. Der Verleger möchte
aber das politische Element
abschwächen, denn das - so meint er interessiert das deutschsprachige
Publikum nicht. “Die wollen etwas
über das Leben der armen
unterdrückten Indio-Bäuerin vom
Lande erfahren”. Eine Festschreibung
von der Art, wie die Autorin sie eben
gerade überwinden wollte. Kurz:
Gedruckt wird, was verkaufsträchtig
ist.
Unsere Wahrnehmung wird also
bereits fokussiert, bevor wir überhaupt
etwas wahrnehmen können. Die
vorgefertigten Bilder, die daraufhin
entstehen, suchen dann nicht nur in der
Literatur, sondern auch im Falle eines
persönlichen Kontaktes immer wieder
nach Bestätigung.
Halten wir also fest, dass Kontakte zu
Menschen aus anderen Kulturen, bei
denen der eigene Blick nicht in seiner
Bedingtheit reflektiert wird, keinesfalls
automatisch zu interkultureller
Kompetenz führen. Mit anderen
Worten: Die ,,Wege in die fremde
Kultur” müssen ,,methodisiert”
werden, ,,aus dem naiven kontrastiven
Erfahrungsmodus” ist ein ,,kontrollierter Zugang zu machen” .
Dorit Heike Gruhn
Lehrkraft an der Sprachenfakultät der
Benemérita Universidad Autónoma
de Puebla
heike50@hotmail.com
Kornelius de Paw: Philosophische Untersuchungen über die Amerikaner, Berlin 1768. Zit. in span. Übers. nach Clavijero,
Francisco Xavier Clavijero, La cultura de los mexicanos, Planeta 2002 (aus: Historia antigua de México, Bd. 4 von 10, Italien
1780/81), S. 56.
2
ebd.
3
Besonders treffend und präzise erscheind mir die folgende Definition von ,,interkulturell”, die dieser Arbeit unterlegt werden
soll: ,,Von Interkulturalität ist ein Verhältnis dann geprägt, wenn es (1) Begriffe nicht als binäre, sondern als relationale auffasst, (2) in das Verstehen des Anderen das Verstehen des eigenen Blickwinkels mit einschließt, (3) jede Beziehung also auch
zu einer Selbstaufklärung durch Distanzierung und Selbstkritik führt, (4) diese Selbstkritik eine Selbstveränderung impliziert
und (5) diese Selbstveränderung zu einem qualitativ neuen Verhältnis zwischen den Kulturen führt.” Alexandra Hausstein:
Interkulturalität. In: Ralf Schnell (Hg.) Metzler Lexikon Kultur der Gegenwart, Metzler 2000, S. 231f. Hier zit. nach Bauer
2003, S. 16.
4
Edward Hall: The hidden dimension, Anchor Books/Doubleday 1990 (Raum) und Robert Levine: Geography of Time: On
Tempo, Culture and the Pace of Life, Basic Books 1998 (Zeit).
5
,,Wir wollen solche Menschengruppen, welche aufgrund von Ähnlichkeiten des äußeren Habitus oder der Sitten oder beider,
oder von Erinnerungen an Kolonisation und Wanderung einen subjektiven Glauben an eine Abstammungsgemeinschaft hegen
[…] ethnische Gruppen nennen, ganz einerlei, ob eine Blutsgemeinschaft vorliegt oder nicht”. Max Weber: Wirtschaft und
Gesellschaft, Tübingen 1972, S. 237.
6
vgl. Armin Nassehi: Von der Lösung zum Problem. In: KulturAustausch 4/2004, S. 36.
7
zit. nach Georg Schütte: Der Atlantik ist schmaler geworden. In: KulturAustausch 2/1999, S. 62.
8
Hermann Bausinger: Stereotypie und Wirklichkeit. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 14/1988, S. 165.
9
Alexander Au: Vom Wandel der Gesellschaft, dem Konzept ,,eine Sprache können” und dem Erlernen interkultureller
Kompetenz. In: DaF-Brücke 6/2004, S. 33.
10
Interessant in diesem Zusammenhang sind auch die Ausführungen von Johan Galtung: Structure, culture and intellectual
style. In: Social Science Information 20/1981, S. 817-856.
11
Ulrich Bauer: Zur Vermittlung der deutschen Sprache in Mexiko - Xenologische Überlegungen, in: Memorias VI Encuentro
AMPAL 2003, S. 14. Vgl. dazu auch die Studie von Norbert Elias: Etablierte und Außenseiter, Suhrkamp 1965, die am Beispiel
zweier englischen Vorortgemeinden anschaulich nachvollzieht, wie Fremdzuschreibungen entstehen und tradiert werden, die
sich jeglicher empirischer Nachweisbarkeit entziehen.
12
aus Ray-Güde Mertin: Die Magie der alten Männer. In: KulturAustausch 2/1999, S. 78f.
13
Hermann Bausinger: Stereotypie und Wirklichkeit. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 14/1988, S. 160.
1
info-ampal
# 21
november 2009
21
Artículos
Dr. Eda B. Bakıner
Dr. Emra Büyüknisan
DIE RÜCKKEHR DER MUTTERSPRACHE
ALS ALTERNATIVES LEHRMITTEL IM
FREMDSPRACHENUNTERRICHT
Zusammenfassung
Wie allgemein bekannt ist, zeigt ein
Blick auf die Entwicklungsgeschichte
des Fremdsprachenlehrens, dass die
Muttersprache und somit auch die
Translation als Lehrmittel aus
bestimmten Gründen für lange Zeit aus
dem Fremdsprachenunterricht
ausgeschlossen
wurden.
Ein
ausschlaggebender Grund für diese
Entwicklung waren die negativen
Einflüsse
der
GrammatikÜbersetzungsmethode,
die
über
Jahrzehnte als Hauptprinzip im
Fremdsprachenunterricht galt. Doch
neuere Diskussionen wenden sich
erneut dem Einsatz der Translation als
alternatives Lehrmittel im Fremdsprachenunterricht zu. Das Ziel dieses
Artikels ist die Argumentation für den
Einsatz der Translation als alternatives
Mittel im Fremd-sprachenunterricht.
Historischer Rückblick
Bis in die sechziger Jahre des letzten
Jahrhunderts wurden Fremdsprachen
vorwiegend mit Hilfe der Methode des
Vergleichs zur Muttersprache gelehrt,
während als primäres Lernziel der
Erwerb von grammatischen und
syntaktischen Strukturen der zu
erlernenden Fremdsprache angesehen
wurde.
Nach
der
G r a m m a t i k -Übersetzungsmethode setzte sich Ende des
20. Jahrhunderts jedoch definitiv die
Einsprachigkeit
im
Fremdsprachenunterricht durch, wodurch die
Muttersprache endgültig aus dem
Fremdsprachenunterricht
verbannt
wurde.
Die
behavioristische
Lernmethode wurde entwickelt und
unterstützte die Ansicht der aktiven
Sprachbeherrschung
als
ein
Kommunikationsmittel,
das
die
Übersetzung im Fremdsprachenunterricht als ein Hindernis definierte.
Anhänger der einsprachigen, kommuni-
22
noviembre 2009
kativen Methode vertraten die
Meinung, dass die Translation die
direkte Handhabung der Fremdsprache
unterbreche und den Lernenden nur
indirekt mit der Fremdsprache in
Verbindung setze. Außerdem zählte die
Translation nicht zu den vier
Sprachfertigkeiten Lesen, Hören,
Sprechen und Schreiben, was als
weiteres Argument gegen den Einsatz
d e r T r a n s l a t i o n i m Fremdsprachenunterricht eingesetzt wurde.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts jedoch,
nachdem die einsprachige Methode
intensiv kritisiert wurde, sind erneut
Diskussionen
und
mehrfache
Überlegungen zum Einsatz der
Translation als Mittel im Fremdsprachenunterricht
(FSU)
zu
beobachten. Als Grund für diese
Entwicklung sind die positiven
Einflüsse der teilweise eingesetzten
Muttersprache
beim
Fremdsprachenerwerb, die anhand von
Forschungsarbeiten
konkretisiert
wurden, zu nennen (vgl. z. B. Königs
2000:9). In diesem Zusammenhang
werden
Translationsübungen
als
Lehrmittel im Fremdsprachenunterricht
zunehmend Aufmerksamkeit geschenkt.
Es bietet sich daher unter bestimmten
Umständen wieder an, die Translation
bzw. Translationsübungen als Mittel für
bestimmte
Lernziele
in
den
Fremdsprachenunterricht einzubauen.
Vorteile der Translation als alternatives
Lehrmittel im Fremdsprachenunterricht
Lehr- und Übungsmaterialien im FSU
konzentrieren sich hauptsächlich auf die
Entwicklung der vier Fertigkeiten
Lesen, Schreiben, Hören und Sprechen
in der zu erwerbenden Fremdsprache.
Ob die Translation als eine fünfte
Fertigkeit neu definiert werden sollte,
ist eine vielleicht noch nicht
abgeschlossene Debatte. Dass aber die
Translation ein effektives Lehr- und
Übungsmittel für die Entwicklung der
vier betreffenden Fertigkeiten ist, ist im
Rahmen des Fremdsprachenlehrens
eine unumstrittene Tatsache (vgl.
Königs 2000: 10).
Sowohl bei den schriftlichen als
eventuell auch bei den mündlichen
Translationstechniken sind bestimmte
Fertigkeiten erforderlich. Konkreter
ausgedrückt, der translatorische Prozess
z.B. in die Muttersprache beinhaltet
zunächst das Lesen bzw. das Hören
eines bestimmten fremdsprachlichen
Textes, welcher vor der Translationspraxis natürlich auch das Verstehen
des betreffenden Textes
bedingt
verlangt (vgl. Stolze 2008: 112-116).
Der Prozess der Translation aus der
Muttersprache dagegen beinhaltet das
Schreiben oder die mündliche
Herstellung
(Sprechen)
eines
fremdsprachlichen Textes (vgl. Stolze
2008: 118-122). Diese Prozesse allein
zeigen, dass schriftliche und auch
mündliche Translationsübungen sowohl
aus der als auch in die Muttersprache
den aktiven Umgang mit den vier
Sprachfertigkeiten erfordern, d. h. bei
bewusstem
Einsatz
die
Weiterentwicklung dieser Fertigkeiten
bei den Lernenden in der Fremdsprache
eindeutig fördern.
Ein weiteres Argument dafür, dass die
Translation als ein hilfreiches und das
Unterrichtsziel förderndes Mittel in den
FSU aufgenommen werden sollte, ist
der natürliche Prozess der I n formationssammlung im menschlichen Bewusstsein. Die Lernpsychologie als Teil der kognitiven
Psychologie deutet darauf hin, dass der
menschliche Lernprozess eine Art der
Informationsverarbeitung
darstellt.
Demnach werden neue, noch zu
erwerbende
Informationen
im
Bearbeitungssystem des menschlichen
Gehirns auf der Strukturbasis bereits
# 21
info-ampal
Artikel
erworbener
und
bekannter
Informationen rezipiert (vgl. Tönshoff
1992 und Störkel 2005: 342-346). Die
Aufnahme neuer Informationen kann
sich dementsprechend nur mit Hilfe von
vorher
bereits
aufgenommenen
Informationen verwirklichen. Aus einer
anderen Perspektive betrachtet heißt
das, dass der Erwerb einer neuen
Fremdsprache ausschließlich mit dem
Aufbau auf vorher erworbene und somit
bereits bestehende Informationen, also
u.a. mit Hilfe der Muttersprache,
stattfinden kann (vgl. Königs 2000: 9).
Dass die Translation nicht nur aus
theoretischer sondern auch aus
praktischer, Sicht einen motivierenden
Einfluss auf das Fremdsprachenlernen
hat, zeigt eine auf das Ziel dieser Arbeit
fokussierte Umfragestudie im Rahmen
der intensiven Erasmus-Sprachkurse
(am Beispiel von Türkisch als
Fremdsprache). Die Frage, ob der
Vergleich mit einer vorher erworbenen
Sprache bzw. der Muttersprache einen
hilfreichen Einfluss auf das Verstehen
von grammatikalischen Strukturen der
neu zu erwerbenden Fremdsprache hat,
beantworteten 72.73 % der 2027jährigen Studenten positiv. Nur 27.27
% der Beteiligten waren sich nicht
sicher. Auf die Frage, ob der Vergleich
von Muttersprache und neu zu
erlernender Sprache dazu beiträgt,
Ausdrücke in der Zielsprache besser
anzueignen, gaben 72.73 % eben dieser
Studenten
wiederum
positive
Antworten. 9.1 % gaben negative
Antworten wobei 18.17 % sich nicht
sicher waren. Auf die Frage, ob
im
FSU
Translationsübungen
gewünscht und bevorzugt werden,
antworteten 100 % der Studenten
positiv. Dabei ist zu erwähnen, dass
einige Studenten folgende zusätzliche
Überlegungen aufgeführt haben: „Es
hilft mir, Satzstrukturen zu verstehen.“
„Es ist sehr amüsant.“ „Es ist sehr
entscheidend für die Schreibfertigkeit,
für Vorbereitung auf Prüfungen und für
Hausaufgaben.“ Außerdem kreuzten
neun von elf Studenten - auf die Frage‚
welche Übungen sie im FSU am
meisten motivieren - unter der Auswahl
‚Lückentext', ‚Translationsübungen',
‚Vervollständigen von Sätzen', ‚Satzbau
info-ampal
# 21
mit bestimmten angegebenen Wörtern'
und ‚Wortpaarkombination' die Antwort
‚Translationsübungen'
an.
Die
statistischen Ergebnisse zu dieser Frage
zeigen auch hier wieder, dass die
Studenten definitiv Translationsübungen im Fremdsprachenunterricht
befürworten. 81,81 % entschieden sich
für Translation als motivierende Übung
im Unterricht. Mit Frage 8: „Haben
Ihnen
Translationsübungen
vom
Türkischen ins Englische oder vom
Türkischen ins Deutsche dabei
geholfen, Sprachstrukturen im EILC
Türkischunterricht Stufe II besser zu
verstehen?“, sollte herausgefunden
werden, ob die Translationsübungen im
intensiven Sprachkurs im Rahmen von
Erasmus besonders für die Studenten
der deutschen Muttersprache eine
entscheidende Unterstützung waren. An
diesem Punkt sollte ergänzt werden,
dass
eine
der
unterrichtenden
Lehrkräfte zweisprachig aufgewachsen
ist und sowohl Deutsch als auch
Türkisch perfekt beherrscht. 100 % der
Studenten stimmten zu, dass beidseitige
Translationsübungen ihnen halfen,
Sprachstrukturen generell besser zu
verstehen.
Anhand dieser Studie wurde erwiesen,
dass die Haltung der Studenten zur
Translation als Lehrmittel im FSU im
Allgemeinen sehr positiv ausfällt.
Anders ausgedrückt hat diese Studie,
wenn auch nur in einem kleinen
Rahmen, konkret gezeigt, dass
Translationsübungen nicht nur aus der
Perspektive des Lehrenden sondern
auch aus der Perspektive des Lernenden
einen effektiven, zielorientierten und
motivierenden Einfluss auf den Prozess
des Fremdsprachenerwerbs haben.
Äußerungen,
welche
von
den
teilnehmenden Studenten vertreten
werden, unterstreichen besonders die
Relevanz der Translation als Lehrmittel
im FSU: „Meiner Meinung nach war es
eine der besten Übungen überhaupt…
Ich denke, es sollte über einen längeren
Zeitraum hinweg praktiziert werden.
Ich denke, Translationsübungen tragen
zum
Bewusstwerden
über
die
gemachten Fehler bei… Denn auch
wenn ich spreche, übersetze ich die
Sätze zuerst ins Türkische. Ich denke
auf Deutsch und versuche türkisch zu
sprechen. Also ist das Übersetzen auch
ein alltäglicher Prozess. Und wenn ich
schreibe, kann ich sehen, welche Fehler
ich mache, welche Fehler ich
wiederhole, woran ich arbeiten muss…
So habe ich das z. B. auch beim
Portugiesischlernen gemacht. Wir
hatten eine Liste von Fehlern wie
Grammatikfehler, Rechtschreibfehler,
etc. und haben immer angekreuzt, wo
wir während der Translationsübungen
Fehler gemacht haben. So wussten wir
immer, an welchen grammatischen
Strukturen wir noch arbeiten müssen…
Ich denke, es ist sehr wichtig. In vielen
Fremdsprachenklassen haben wir das
noch nicht gemacht. Es sind viel mehr
gemischte Translationsübungen
notwendig“.
Schlussfolgerung
Das Ziel dieses Vorhabens bestand
darin, Argumente für den Einsatz der
Translation als Lehrmittel im FSU
aufzuführen. Wie dem obigen Zitat zu
entnehmen ist, reflektiert auch die
Ansicht der Studenten, die eine
Fremdsprache erlernen, wie natürlich,
selbstverständlich und alltäglich die
Anwendung der Translation beim
Erlernen und beim Einsatz einer
Fremdsprache ist. Dem ist zu
entnehmen, dass die Muttersprache, und
infolgedessen auch die Translation als
zielunterstützendes Mittel im FSU
eingebaut werden sollte. Sowohl die
Tatsache, dass die Rezeption neuer
Informationen auf Basis bereits
bestehender
Informationen
verwirklicht wird, als auch die Tatsache,
dass Translationsübungen die vier
Sprachfertigkeiten fördern und auch die
Beobachtung, dass Studenten beim
Fremdsprachenlernen durch Translationsübungen motiviert werden,
deuten konkret darauf hin, dass die
Muttersprache aus dem Fremdsprachenunterricht nicht vollständig
ausgeschlossen werden sollte, sondern
bis zu einem gewissen Grad effektiv
eingesetzt werden kann.
An diesem Punkt ist auch zu beachten,
dass nicht nur der bloße Einsatz der
Translation als Mittel im FSU sondern
auch das Ausmaß der für die
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23
Artículos
Translationsübungen benötigten Zeit eine wichtige Rolle spielt.
Außerdem könnte z. B. anhand eines Feedbacks über gemachte
Fehler während der Translationsübungen das Sprachbewusstsein
bei den Lernenden sensibilisiert werden.
Anhang
Beispiel eines Umfragebogens, welcher mit elf Studenten des
EILC (Türkisch als Fremdsprache) der Universität Çukurova
(2009) durchgeführt wurde :
Umfragebogen
Mit dieser Umfrage untersuchen wir den Einfluss von
Translation und Translationsübungen im EILC Türkisch L2.
Ihre Anworten werden einen wichtigen Beitrag zu dieser
Studie und den zukünftigen EILC-Kursen leisten. Wir danken
Ihnen dafür, dass Sie sich Zeit für diese Umfrage nehmen.
1. Denken Sie, dass die Translation im Fremdsprachenunterricht
nützlich ist?
2. Hilft Ihnen der Vergleich von einer vorher erlernten
Sprache (oder der Muttersprache) mit der zu erlernenden
Fremdsprache beim Verstehen von grammatischen
Strukturen?
3. Hilft Ihnen der Vergleich von einer vorher erlernten
Sprache (oder der Muttersprache) mit der zu erlernenden
Fremdsprache beim Verstehen von sprachlichen Ausdrücken?
4. Mögen Sie Translationsübungen beim Erlernen von
Fremdsprachen?
5. Wie ausreichend fanden Sie die Translationsübungen in
Ihrem Türkischbuch II und im Unterricht?
6. Welche Art von Übungen im Fremdsprachenunterricht
motivieren Sie am meisten? (Sie können mehr als eine
Antwort ankreuzen)
a) Lückentext
b) Translationsübungen
c) Vervollständigen von Sätzen
d) Satzbau mit bestimmten Wörtern
e) Wortpaarkombination
7. Sind Sie der Meinung, dass die Translation als zusätzliche
Lernstrategie im Fremdsprachunterricht angewendet werden
sollte (wie z.B. Lesen, Hören, Sprechen, Schreiben)?
1
8. Haben Ihnen Translationsübungen vom Türkischen ins
Englische oder vom Türkischen ins Deutsche dabei geholfen,
Sprachstrukturen im EILC Türkischunterricht Stufe II besser
zu verstehen?
9. Wenn ja, wie?
10. Was denken Sie über die Anzahl der Translationsübungen
im EILC Türkischunterricht Stufe II?
a) zu viel (Zeitverschwendung)
b) ausreichend
c) zu wenig (wir benötigen mehr)
Vielen Dank für Ihre Mitarbeit!
Quellenverzeichnis
Gündog˘du, Mehmet/Büyüknisan, Emra (2005).
Übersetzung im DaF-Unterricht. In: Tagungsbeiträge zum IX.
Internationalen Germanistensymposium. „Wissen-KulturSprache und Europa“ - neue Konstruktionen und neue
Tendenzen, Eskig˘ehir: Anadolu Universität. S. 188-197.
Königs,
Frank
G.
(2000).
Übersetzen
im
Fremsprachenunterricht? Ja, aber anders! In: Fremdsprache
Deutsch, Heft 23, S. 6-13.
Lindemann,
B.
(2001).
Zum
universitären
Übersetzungsunterricht im Bereich DaF (am Beispiel
Norwegen). DaF 3, S. 153-158.
Schroedter-Albers, H. (2000). Vom Sprachvergleich zum
Übersetzen. In: Fremdsprache Deutsch, Heft 23, S. 19-23.
Stolze, Radegundis (2008). Übersetzungstheorien. 5.
Auflage. Tübingen: Narr.
Störkel, Friederike (2005). Aufnehmen,Verarbeiten,
Speichern und Abrufen: Grundlagen der biologischen
Informationsverarbeitung am Beispiel von Gehirn und
Immunsystem. Berlin/Heidelberg: Springer.
Tönshoff, Wolfgang (1992). Kognitivierende Verfahren
im Fremdsprachenunterricht. Hamburg: Verlag Dr. Kovac.
Dr. Eda B. Bakıner, Universität Çukurova, Türkei,
edabuyuknisan@hotmail.com
Dr. Emra Büyüknisan, Universität Mersin, Türkei,
emra78@hotmail.com
Erasmus Intensive Language Courses (EILC) sind obligatorische Sprachkurse im Rahmen des Erasmus Studenten- und
Lehrkräfteaustauschprogrammes, die in einer relativ kurzen Zeitspanne sowohl die Übermittlung der Sprache als auch der Kultur des
besuchten Landes anstreben.
2
Daten im Rahmen dieses unsererseits hergestellten Fragebogens wurden auch für andere Studien verwendet, zur Unterstüztung dieser
Studie wurden jedoch nur die Fragen 2, 3, 4 und 6 bewertet. Der originale Fragebogen wurde auf Englisch hergestellt, für diese Studie
indessen von uns ins Deutsche übersetzt.
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