Lesen Sie hier das ganze Heft!

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k 14402
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IM FOKUS: LERNRÄUME – STÄRKE VON BIBLIOTHEKEN
Lernraum Öffentliche Bibliothek:
„Ich bibliotheke, du bibliothekst, …“
IM FOKUS Stadt- und Landesbibliothek Dortmund – vom Medienkaufhaus zum Lernort
IM FOKUS Die Hochschule zum Lernraum
entwickeln: Empfehlungen, Trends, Statistik
IM FOKUS Die O.A.S.E. der ULB Düsseldorf ist
Lernort und Erlebnisraum
IM FOKUS Die allgemeine Bildungs- und
Wissenschaftsschranke – realistische Chance
oder Mythos?
VERBAND 6. „Nacht der Bibliotheken“ bot
bewegendes Programm
KONZEPTE Von klein auf – Leseförderungsprogramme der Stadtbüchereien Hamm
ENTDECKUNGEN Kolumne „Neues vom Alten
Buch“
DENKANSTÖSSE 1/15
EDITORIAL
Liebe Leserinnen und Leser von ProLibris,
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ProLibris, dessen neuestes Heft Sie in Händen halten, ist
die Zeitschrift des Verbands der Bibliotheken des Landes
Nordrhein-Westfalen (vbnw). Sie wird vom Verband in
langjähriger und geglückter Kooperation mit den für das
Öffentliche Bibliothekswesen zuständigen Stellen der Landesverwaltung herausgegeben.
lange gestiegen, man denke nur an den in keiner Weise abgeschlossenen Prozess der Digitalisierung unseres Metiers.
Daher bedarf es einer sowohl quantitativ wie auch qualitativ ausgeformten, an Stärken und Interessen orientierten
Arbeitsteiligkeit, um die vielen Bälle in der Luft zu halten
und nicht vor der Themenvielfalt kapitulieren zu müssen.
Daher finden Sie hier nicht nur Artikel, die sich mit fachlichen Fragen, neuen Bibliotheken und Entwicklungen beschäftigen, sondern auch solche, die Selbstorganisation,
Planung und Repräsentanz unseres Verbandes betreffen.
Blickt man zurück, was man allerdings nicht zu lange und
zu intensiv betreiben sollte, dann ist auch die Geschichte unseres Verbandes nicht frei, sondern durchaus reich
an innerverbandlichen Diskussionen um Ausrichtung und
Schwerpunkte. Dies darf und muss so sein, spiegeln sie
doch auch die Lebendigkeit des Verbandes und die Bedeutung, die ihm als Interessenorgan der Bibliotheken aller
Sparten und Größenklassen beigemessen wird.
Neben der Selbstorganisation eines Interessenverbandes,
die nie zur ausschließlichen und weltvergessenen Beschäftigung mit sich selbst regredieren darf, ist sein Verhältnis
zu den legislativen und exekutiven Instanzen und anderen
Institutionen, Vereinen und Verbänden in unaufhörlicher
Bewegung, wenn auch meist – jedoch nicht immer – nur
mit geringer Fließgeschwindigkeit. Aber immer von höchster Bedeutung!
Vor wenigen Jahren haben wir das Amt einer Präsidentin
bzw. eines Präsidenten in der Satzung unseres Verbandes
verankert, was uns dank zweier engagierter Persönlichkeiten ein deutliches Plus an Aufmerksamkeit gebracht hat.
Mit den Formaten »Politisches Frühstück« und »Nacht der
Bibliotheken« nutzen wir zwei aktuelle Instrumente einer spezifischen und allgemeinen Verbandskommunikation; der Relaunch von ProLibris und der Webseite verschaffen dem vbnw einen modernen Auftritt. Jetzt haben Sie
sich auf der im Dezember 2014 in Hamm durchgeführten
Mitgliederversammlung für eine Doppelspitze entschieden, die die gleichberechtigte und kooperative Repräsentanz der Öffentlichen und Wissenschaftlichen Bibliotheken
im Vorsitz herstellt. Wir möchten gern den Beweis antreten, dass es möglich ist, das Bibliothekswesen des Landes
in kooperativer Weise situations- und bedarfsgerecht im Interesse einer demokratischen Informationsversorgung weiterzuentwickeln und zwar nicht auf Kosten der einen oder
anderen Sparte. Davon profitiert auch das Auftreten unseres Verbandes gegenüber unseren Partnern innerhalb und
außerhalb der Bibliotheksszene.
Die Welt, die nicht still steht und wartet, bis die Bibliotheken und der vbnw sich sortiert haben, erfordert einen kollektiven, flexiblen, lernfähigen Organismus, wenn man den
vbnw einmal so bezeichnen darf. Die Vielgestalt der Handlungsfelder hat nicht abgenommen, sondern ist in allen Be-
In diesem Sinne werben wir, gerade ins neue/alte Amt gelangt, um Ihre Unterstützung und Ihre Mitwirkung in den
kommenden drei Jahren. Wir sind zuversichtlich, die anstehenden Aufgaben nicht nur gemeinsam angehen, sondern auch gemeinsam erfolgreich bewältigen zu können.
HARALD PILZER
Vorsitzender vbnw
UWE STADLER
Vorsitzender vbnw
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INHALTSVERZEICHNIS /
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IMPRESSUM
prolibris
Mitteilungsblatt hrsg. vom Verband der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen e.V. und
den Bezirksregierungen, Dez. 48.08 – Öffentliche Bibliotheken * V. i. S. d. P.:
vbnw-Vorsitzende Harald Pilzer, Uwe Stadler. * issn 1430-7235 * Jahrgang 20, Heft 1-2015
herausgebergremium
Irmgard Harmann-Schütz
Dr. Alwin Müller-Jerina
Uwe Stadler
Andrea Stühn
layout
Nieschlag + Wentrup, Münster
redaktion und anzeigen
Susanne Larisch
t 02102 /70 54 19
m susannelarisch@aol.com
druck und verlag
Druckerei und Verlag Peter Pomp, Bottrop
abonnementbestellungen, reklamationen, adressenänderungen
Druckerei Peter Pomp, Jasmin Kikillis
t 02041 /747120 * f 02041 /747160 * m office@pomp.de
Für vbnw-Mitglieder ist ein Jahres-Abonnement kostenfrei; jedes weitere kostet
20 Euro/Jahr. Der Preis für ein Jahres-Abonnement (auch Ausland) für Nicht-Verbandsmitglieder beträgt 55 Euro (incl. MwSt. und Versandkosten). Das Abonnement ist zum
31. Oktober des laufenden Jahres kündbar.
Bei namentlich gezeichneten Artikeln liegt die inhaltliche Verantwortung beim Verfasser bzw. der Verfasserin. © vbnw und Bezirksregierungen, Dez. 48.08 –
Öffentliche Bibliotheken. Alle Rechte vorbehalten; Nachdruck, auch auszugsweise,
nur mit schriftlicher Genehmigung. Fotos wurden, wenn nicht anders angegeben, von
der entsprechenden Bibliothek zur Verfügung gestellt. Links werden bei Erstellung des
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autorenhinweise
1. ProLibris veröffentlicht in der Regel Originalbeiträge. Bis zum Erscheinungstermin sollten diese nicht anderweitig veröffentlicht werden. Jede ProLibris-Ausgabe wird zeitversetzt auf der vbnw-Homepage veröffentlicht. Mit dem Überlassen ihres Printbeitrags erklären sich Autorinnen und Autoren mit der digitalen Veröffentlichung einverstanden.
2. Formalia
››Texte werden in neuer deutscher Rechtschreibung abgefasst (Duden 25. Aufl. 2009)
››Bei der ersten Möglichkeit in einem Text wird die maskuline und feminine Personenbezeichnungen gewählt. Im Folgenden wird das generische Maskulinum verwendet, um
eine bessere Lesbarkeit zu gewährleisten. Gemeint sind aber immer beide Geschlechter.
››Längere Beiträge sind mit Zwischenüberschriften zu versehen.
››Abkürzungen im Text sind zu vermeiden bzw. bei der ersten Nennung aufzulösen.
››Zitationsstellen sind im laufenden Text zu belegen.
››Inhaltliche Beiträge sollen 20.000 Zeichen incl. Leerzeichen in einer unformatierten Word-Datei nicht überschreiten (ohne Abbildungen). Jedem Beitrag sollte ein
Abstract in deutscher Sprache mit max. 500 Zeichen beigefügt werden.
››Abbildungen sind sehr erwünscht und sollten mindestens 300 (besser 600) dpi-Auflösung haben (raw-, jpg-, gif-, tif-Format). Die Abbildungen sind durchzunummerieren
und mit Bildunterschriften unter Angabe der abgebildeten Personen sowie der Rechteinhaberin bzw. des Rechteinhabers zu versehen, ggf. ist eine Abdruckgenehmigung
beizufügen. Platzierungswünsche im Text sollten dort kenntlich gemacht werden.
››Die Autorin oder der Autor stellt sich mit vollem Namen, Titel sowie ggf. mit Position
und Anschrift der Institution vor. Für längere Beiträge wird ein Foto erbeten.
3. Die Redaktion behält sich kleinere Korrekturen und Kürzungen vor, grundlegende Änderungen sind nur im Einverständnis mit der Autorin oder dem Autor möglich.
4. Nach Erscheinen erhalten Autorin oder Autor ein Belegexemplar.
5. Redaktionsschluss für die Hefte ist jeweils 6 Wochen vor dem Erscheinungstermin:
der 15. 02. für Heft 1, der 15. 05. für Heft 2, der 15. 08. für Heft 3 und der 15. 11. für Heft 4.
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24 Die UB Paderborn ist vielbesuchter Arbeits- und Lernort.
26 Tausende Besucher ließen sich
vom bewegenden Programm
mitreißen.
DENKANSTÖSSE
4 Die allgemeine Bildungs- und
Wissenschaftsschranke – realistische
Chance oder Mythos?
Oliver Hinte, Vorsitzender der Rechtskommission des Deutschen Bibliotheksverbandes, stellt den derzeitigen Stand
der Diskussion dar.
IM FOKUS: LERNRÄUME –
STÄRKE VON BIBLIOTHEKEN
6 Lernraum Öffentliche Bibliothek:
»Ich bibliotheke, du bibliothekst,
wir bibliotheken«
Richard Stang, Professor für Medienwissenschaft an der Hochschule der Medien Stuttgart und Leiter des »Learning
Research Centers«, gibt einen kritischen
Überblick über die Entwicklung von
Lernräumen in Öffentlichen Bibliotheken
in Deutschland, auch im Vergleich zu
einigen europäischen Nachbarn.
11 ekz-Ideenwettbewerb – Visionen von
Lernräumen der Zukunft
14 Münster – Q-thek-Bereich zum
zentralen Lernort entwickelt
16 Stadtbibliothek Siegburg nutzt
ihren Schulungsraum intensiv
17 Die Hochschule zum Lernraum
entwickeln: Empfehlungen, Trends,
Statistik
Uwe Stadler, Leiter der Bibliothek
der Bergischen Universität Wuppertal,
erläutert u. a. anhand der Empfehlungen der »Deutschen Initiative für
Netzwerkinformation«, was moderne
Universitätsbibliotheken bei der Entwicklung vom Leseplatz zum flexiblen,
multimedialen Arbeitsplatz leisten
können und müssen.
19 Lesesaal der UB Wuppertal –
Qualität der Arbeitsplätze zählt
22 Die O.A.S.E. der ULB Düsseldorf ist
Lernort und Erlebnisraum
24 Neuer Arbeits- und Lernort
Universitätsbibliothek Paderborn
30 39 VERBAND
KURZ & KNAPP
26 6. »Nacht der Bibliotheken« bot
bewegendes Programm
Ein eindrucksvolles Medienecho fand
das Programm, das rund 200 Bibliotheken anlässlich der vom vbnw alle zwei
Jahre organisierten Veranstaltung boten. Im parallel produzierten Imagefilm
präsentieren sich Öffentliche
Bibliotheken in NRW als attraktiver
Treffpunkt mit Erlebnischarakter.
40 Eine besondere Deutschstunde oder
die späte Geburtstagslesung
»Lesestart« wurde für
Dreijährige konzipiert.
41 Ergreifende Lesung mit der Autorin
Jennifer Teege
42 An »Werne liest« beteiligt sich
tatsächlich ganz Werne
PERSONALIEN
KONZEPTE
43 Dr. Neuhausen, Direktor der USB
Köln, über Ziele und Projekte
30 Von klein auf – Leseförderungsprogramme der Stadtbüchereien Hamm
Am Beispiel der Stadtbüchereien
Hamm wird erläutert, wie die verschiedenen Leseförderungsprogramme
miteinander verzahnt Kinder vom Babybis zum Schulalter begleiten.
ENTDECKUNGEN
34 Kolumne »Neues vom Alten Buch«
12 Stadt- und Landesbibliothek
Dortmund – vom Medienkaufhaus
zum Lernort
Die Karte Tilsits ist
handkoloriert.
45 Nachruf – Franz Rakowski, eine
große Persönlichkeit des deutschen
Bibliothekswesens
47 Meldungen
AUSBLICK
Heft 2-2015
IM FOKUS Aus- und Weiterbildung der
FaMis
39 Alles andere als veraltet:
Altkarten als historische Quellen
»Nacht der Bibliotheken« in der
Stadtbibliothek Hattingen, Foto: Kosjak
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DENKANSTÖSSE /
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›› DENKANSTÖSSE
DIE ALLGEMEINE BILDUNGS- UND
WISSENSCHAFTSSCHRANKE –
REALISTISCHE CHANCE ODER MYTHOS?
Unter dem Begriff »allgemeine Wissenschaftsschranke« werden seit einigen Jahren Ansätze diskutiert, die Ausnahmen vom Urheberrecht im Bereich Bildung und Wissenschaft zu erweitern und zu
vereinfachen. Die Allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke – so ist auch die zurzeit
aktuellste, 320 Seiten starke Studie von Prof. Dr. Katharina de la Durantaye, Juniorprofessorin
für Bürgerliches Recht an der Humboldt-Universität Berlin und Expertin für Urheberrecht, zu
diesem Thema überschrieben. Sie hat dieses Werk mit Förderung des Bundesministeriums für
Bildung und Forschung verfasst und im Mai 2014 der Öffentlichkeit präsentiert.(1)
Wissenschaftsschranke vorgelegt, der »die bisherigen kleinteiligen und höchst komplizierten Schrankenlösungen in einem neuen § 45b Urheberrechtsgesetz (UrhG) bündeln soll«.(3) Ein aktualisierter Vorschlag wurde im Dezember 2014 vorgestellt.(4)
OLIVER HINTE
Vorsitzender der Rechtskommission des
Deutschen Bibliotheksverbands
Die Erleichterung bestünde zunächst
einfach darin, dass man die
Voraussetzungen für den Erhalt und
die Nutzung der Information
einfacher finden und verstehen könnte.
Erstmalig erregte der Begriff der Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Zusammenhang mit dem zwischen CDU, CSU und SPD
geschlossenen Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2013 größere Aufmerksamkeit. Der Vertrag trägt den Titel »Deutschlands Zukunft
gestalten«.(2) Auf Seite 134 heißt es dort vielversprechend: »Wir
werden den wichtigen Belangen von Wissenschaft, Forschung und
Bildung stärker Rechnung tragen und eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke einführen.«
SCHRANKE BEZEICHNET AUSNAHMERECHTE
Was ist also Inhalt und Sinn und Zweck einer solchen Regelung?
Zunächst ein paar Worte zum Begriff der Schranken im Urheberrecht. Sie bezeichnen Ausnahmerechte
der Nutzer gegenüber den Rechteinhabern und sind in den §§ 44a – 63a UrhG
geregelt. Schranken werden in diesem Kontext entsprechend bezeichnet, weil sie das Ausschließlichkeitsrecht des Rechteinhabers
Bereits im Jahre 2010 hatte das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft einen Entwurf für eine Allgemeine
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Bildungs- und Wissenschaftsschranke entgegenstehen, da Bildung
zum Bereich der Kultur zählt und diese von den Ländern geregelt
wird. Bei der Einrichtung einer Bildungsschranke geht es jedoch
nicht um inhaltliche Vorgaben, wie Bildung bundesweit gestaltet
werden soll. Die Bildungsschranke würde lediglich den mit Bildung
befassten Menschen die gleichen Möglichkeiten wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eröffnen, die eine Wissenschaftsschranke mit sich bringen würde.
einschränken. Wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen einer
entsprechenden Ausnahmeregelung erfüllt sind, tritt die Rechtsfolge ein, dass Urheber oder andere Rechteinhaber, soweit es in der jeweiligen Schranke vorgesehen ist, andere nicht von der Verwertung
im Sinne von § 15 UrhG ausschließen dürfen.(5)
Für den Bereich von Bildung und Wissenschaft bedeutet dies vor
allen Dingen, dass mit diesen Gebieten befasste Personen einen
leichteren Zugang zu Informationen und bessere Möglichkeiten zu
deren Verbreitung erhalten würden. Die Erleichterung bestünde zunächst einfach darin, dass man die Voraussetzungen für den Erhalt
und die Nutzung der Information einfacher finden und verstehen
könnte, weil sie nur noch in ein bis zwei Regelungen des Urheberrechts verortet wären. Die momentan für Bildung und Wissenschaft
relevanten urheberrechtlichen Schranken erfassen dagegen in der
Regel nur eng umrissene Sachverhalte, die wenig technologieoffen
und nicht allgemein verständlich formuliert sind.(6)
Es sollte eine Wissenschaftsschranke
eingeführt werden, die einen Zugang zum
Wissensbestand praxistauglich regelt.
Wenn man eine wirkliche Vereinfachung des Urheberrechts anstrebt
und keine künstliche Trennung von Bildung und Wissenschaft in
diesem zusammenhängenden Komplex verfestigen möchte, ist die
Etablierung einer Allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke daher der einzig konsequente und gangbare Weg. Diese
Katharina de la Durantaye schlägt dem entgegen eine Generalklausel für Bildung und Wissenschaft und eine Schrankenregelung für
Bibliotheken, Museen und Archive vor.(7) Ob dieser Vorschlag eine
realistische Chance auf
eine Umsetzung hat
oder zu einem Mythos
wie beispielsweise der
Entwurf zu einem einheitlichen Umweltgesetzbuch(8) wird, bleibt abzuwarten. Auf jeden
Fall bietet ihre Studie eine hervorragende Grundlage für eine weitergehende Diskussion. Ihr entscheidender Vorteil ist, dass sie auf
der aktuellen europäischen und nationalen Rechtslage basiert und
dementsprechend formal juristisch leicht umsetzbar wäre.
einheitliche Schranke stellt somit eine echte und realistische
Chance für unsere auf Bildung und Wissenschaft angewiesene Gesellschaft dar und sollte deshalb nicht zu einem Mythos verkommen.
ENDNOTEN
EXPERTEN FORDERN VEREINFACHUNG
Zusätzlichen Auftrieb hat die Diskussion durch das jüngst von
der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) vorgelegte Jahresgutachten 2015 erhalten.(9) Darin fordert die von der
deutschen Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission unter anderem: »Der Zugang zu wissenschaftlichen Ergebnissen sollte vereinfacht werden. Daher sollte eine Regelung in Form einer
allgemeinen Wissenschaftsschranke eingeführt werden, die einen
möglichst umfassenden Zugang zum Wissensbestand praxistauglich
regelt. Diese sollte mit einer Vergütungspflicht einhergehen. Die
derzeit komplexen Bestimmungen des deutschen Urheberrechts für
den Wissenschaftsbereich sind zu vereinfachen.«(10)
1. Die Studie ist abrufbar unter http://durantaye.rewi.hu/doc/Wissenschaftsschranke.pdf
2. www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/2013/2013-12-17-koalitionsvertrag.pdf?__
blob=publicationFile
3. www.urheberrechtsbuendnis.de/pressemitteilung0610.html.en
4. www.urheberrechtsbuendnis.de/abws-text-2014-12.html.de
5. Hinte, Oliver: Wissenschaftliche Bibliotheken und das unzeitgemäße Urheberrecht. In: Ein
Bibliothekar mit Informationskompetenz, Festschrift zum 60. Geburtstag für Rolf Thiele,
Elektronische Schriftenreihe der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, Band 5, Köln 2012,
S. 51ff., hier S. 51; http://kups.ub.uni-koeln.de/4727
6. Vgl. Anm. 1, S. 1
7. Vgl. Anm. 1, S. 214ff. und S. 245ff.
Dass die EFI hier nur von einer allgemeinen Wissenschaftsschranke und keiner Bildungs- und Wissenschaftsschranke spricht, ist ihrem Auftrag als wissenschaftliche Expertenkommission geschuldet. Auch die Kulturhoheit der Länder könnte einer einheitlichen
8. www.bmub.bund.de/themen/strategien-bilanzen-gesetze/gesetze-verordnungen/
kurzinfo-umweltgesetzbuch
9. www.e-fi.de/fileadmin/Gutachten_2015/EFI_Gutachten_2015.pdf
10. Vgl. Anm. 9, S. 16
5
IM FOKUS /
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›› IM FOKUS: LERNRÄUME – STÄRKE VON BIBLIOTHEKEN­­
ressourcen sind die Bibliotheken längst zu
wichtigen Akteurinnen bei der Vermittlung
von Grundbildung geworden. Besonders
bei Alphabetisierung sowie Medien- und Informationskompetenz in der interkulturellen Bildung und nicht zuletzt als wichtige
Ergänzung des formalen Bildungssystems
spielen sie eine bedeutende Rolle.
LERNRAUM ÖFFENTLICHE BIBLIOTHEK:
„ICH BIBLIOTHEKE, DU BIBLIOTHEKST,
WIR BIBLIOTHEKEN!“
Das erweiterte Angebotsspektrum haben Bibliotheken inzwischen zu einem wichtigen
Ort des lebenslangen Lernens gemacht. Mit
Kursangeboten zur Einführung ins Internet
und zur Informationsbeschaffung sowie der
Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz bieten Bibliotheken schon lange
wichtige Bausteine der Kompetenzentwicklung an. Hier wurde auch die Zusammenarbeit mit Schulen intensiviert. Lernberatung
und Lernbegleitung sind neue Elemente, die
in den letzten Jahren vermehrt von Bibliotheken angeboten werden. Verstärkt wurden auch die Aktivitäten bei der Einrichtung
von Lernräumen für das individuelle Lernen
und das Lernen in Gruppen in Bibliotheken.
Je mehr Information und Generierung von Wissen zu zentralen Ressourcen einer modernen Gesellschaft werden, desto stärker rücken auch die Institutionen, die Informationen vermitteln und die
Generierung von Wissen fördern, in den Fokus bei der Gestaltung gesellschaftlicher Entwicklung.
Der aktuelle Diskurs über den Fachkräftemangel, die prognostizierten Effekte des demografischen
Wandels und nicht zuletzt immer komplexer werdende Anforderungen einer dienstleistungsbasierten Wirtschaft lassen erahnen, wie wichtig diese Ressourcen in den nächsten Jahren werden.
Die Entwicklungen im Bereich der technischen Informations- und Kommunikationsoptionen erfordern eine verstärkte Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten
und Grenzen, soll die kulturelle Entwicklung nicht nur Medienkonzernen überlassen werden. Diese Herausforderungen erfordern komplexe Bewältigungsstrategien.
Zentrale Herausforderungen werden dabei
durch vier Paradoxien der digitalen Gesellschaft gekennzeichnet:(1)
››Informationsparadoxie: Einer immensen Zunahme kontextfreier Information
steht der erhöhte Bedarf an kontextgebundenem Wissen gegenüber.
›› Ortsparadoxie: Je stärker alle Lebensund Wirtschaftsbereiche einer globalen
Orientierung unterworfen sind, desto
Die Kompetenzen, die zur Bewältigung dieser Herausforderungen für den Einzelnen
notwendig sind, lassen sich heute nur bedingt umfassend in den klassischen Bildungseinrichtungen wie der Schule erwerben. Die Bildungsbiografie ist längst dem
Diktat des »lebenslangen Lernens« unterworfen, das die Lernanforderungen auf den
ganzen Lebenslauf erweitert. Dies hat zur
Folge, dass die Bildungsschere immer weiter auseinandergeht, da die gut Gebildeten
von den neuen Möglichkeiten überproportional profitieren, während die weniger Ge-
6
bildeten mit Zugangsbarrieren zu Information und Bildung zu kämpfen haben.
Vor dem Hintergrund dieser Situation ist
es nur konsequent, dass neben dem Lernen in formalen und nicht-formalen Lernkontexten das Augenmerk zunehmend auf
das Lernen in informellen Kontexten gerichtet wird. Der Alltag und die damit verbundenen Lernanlässe und Lernmöglichkeiten
rücken immer stärker in den Blick. Dies hat
auch zur Folge, dass Einrichtungen wie Bibliotheken mit ihrer sehr offenen Zugangsstruktur als Lernorte in den Fokus rücken.
LERNORT BIBLIOTHEK
Bibliotheken waren schon immer Lernorte,
haben sich aber lange konzeptionell eher als
kulturelle Einrichtungen denn als Bildungseinrichtungen verstanden. Doch spätestens
mit der Proklamierung des »lebenslangen
Lernens« als gesellschaftlichem Ziel haben
sich hier seit Anfang der 2000er Jahre die
Perspektiven verändert.(2) Neben der Bereitstellung von Literatur und Informations-
Fotos: Stang
RICHARD STANG
Hochschule der Medien
Stuttgart
stärker wächst die Bedeutung des
Lokalen/Regionalen.
›› Raumparadoxie: Je mehr die Mediennutzung/Virtualisierung ansteigt, desto größer wird der Bedarf an physischen
(Erlebnis- und Lern-)Räumen.
››Inklusionsparadoxie: Der Zugang zu
Information durch technische Entwicklungen wird immer leichter, für weniger
gebildete Gruppen wird er allerdings
durch fehlende Kompetenz und finanzielle Mittel schwieriger.
Bei der Entwicklung von Angebotskonzepten und der Gestaltung von Lernarrangements stecken die Bibliotheken allerdings
in einem Dilemma. Didaktisch-methodische bzw. pädagogische Kompetenzen sind
die Voraussetzung für die konzeptionelle und räumliche Planung von Lernangeboten und Lernarrangements. Deshalb erstaunt es auch nicht, dass man vor Ort
manchmal das Gefühl bekommt, dass dabei öfter nach dem Prinzip »trial and error«
verfahren wird. Besonders bezogen auf die
Gestaltung von Lernräumen ist dies allerdings ein grundlegendes Problem.(3) Peschl
und Fundneider sprechen in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit von »enabling spaces« (Ermöglichungsräumen), die
den Nutzerinnen und Nutzern eine möglichst große Freiheit bei der Gestaltung ihres Lernprozesses lassen.(4) Unter dieser Perspektive sollen im Folgenden die derzeitige
Situation in Öffentlichen Bibliotheken und
mögliche Perspektiven in den Blick genommen werden.
Im Ausland wird die Schaffung von Lernmöglichkeiten für Einzelne, aber auch Gruppen
noch stärker als zentrales Element von Bibliothek verstanden als hierzulande.
Vielfältige Angebote zum Lernen und Relaxen bietet die Bibliothek in Den Haag.
LERNRAUM BIBLIOTHEK
Der Bedarf an Lernplätzen wächst in Öffentlichen Bibliotheken seit Jahren. Viele Bibliotheken – vor allem im Ausland – sind dazu
übergegangen, die Medienbestände teilweise auszulagern bzw. zu reduzieren, um
Möglichkeiten zu schaffen, Lernarrangements in Form neuer Lernareale zu gestalten. Dies auch, wenn Neubauten in der Planung sind. Während in Wissenschaftlichen
7
Bibliotheken bei Neubauten teilweise noch
der klassische Lesesaal als Lernraum konzipiert wird – aber auch hier gibt es immer mehr Ausnahmen, wie z. B. der Umbau der Universitätsbibliothek in Konstanz
zeigt –, ist in den Öffentlichen Bibliotheken
eine differenziertere Gestaltung von Lernräumen festzustellen.(5) Doch auch hier gilt,
dass nicht alle Konzepte überzeugend sind.
Die Orientierung an einer traditionellen
IM FOKUS /
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nen, Kommunikation und Entspannung ermöglicht, wird besonderer Wert gelegt.
eröffnen. Durch ein flexibles Möbelangebot sollten eine lernförderliche Atmosphäre
und Lernoptionen geschaffen werden, die
unterschiedlichen Lerntypen entgegenkommen. Betrachtet man allerdings die räumliche Umsetzung des Konzepts, stellt sich
auch hier die Frage nach dem pädagogischen Konzept. Die Möblierung scheint im
Zentrum zu stehen, ohne dass sich deren
Funktion immer erschließt.
Doch auch in Deutschland haben Öffentliche Bibliotheken in den letzten Jahren damit begonnen, dieser Profilierung der Bibliotheksarbeit mehr Aufmerksamkeit zu
schenken. So wurde im 2013 eröffneten
Neubau der Stadtbibliothek Nürnberg die
»Lernwelt« eingerichtet, die individuelles
Lernen und Lernen in der Gruppe ermöglicht. Lernberater begleiten die Nutzer bei
Bedarf. Die »Lernwelt« ist ein äußerst flexibler Raum, der sich in kürzester Zeit auch
zum Veranstaltungsraum verändern lässt,
da das Mobiliar mobil ist und die technische
Infrastruktur auf Notebooks basiert.
Die Lernwelt im Bildungscampus Nürnberg ist ein Beispiel dafür, dass Lernräume von
der Verknüpfung von Öffentlicher Bibliothek und Bildungseinrichtung profitieren.
Auf der Ebene der Möblierung ist auch eines der Hauptprobleme der Gestaltung von
Lernräumen in Öffentlichen Bibliotheken
zu sehen. Oft wirken diese wie aus dem Katalog zusammengestellt, und ein pädagogisches Konzept erschließt sich nur selten.
Die Forschungen an der Hochschule der
Medien im »Learning Research Center«(9)
zeigen, dass bei der Gestaltung von multifunktionalen Lernräumen viele Elemente
zu berücksichtigen sind.(10) Interessanterweise entstehen solche Lernräume in den
letzten Jahren vor allem an der Schnittstelle von Öffentlichen Bibliotheken und Bildungseinrichtungen.
Auf die räumliche Gestaltung,
die Lernen, Kommunikation und
Entspannung ermöglicht, wird
besonderer Wert gelegt.
Vorstellung von Lernen ist oft nicht zu übersehen. In Beratungsprozessen zeigt sich immer wieder, dass sowohl unter der Perspektive der Innenarchitektur als auch bezogen
auf die Möblierung bei der Gestaltung von
Lernräumen nur selten neue Wege eingeschlagen werden.(6) Im Ausland scheint hier
die Entwicklung schon weiter.
Im Rahmen von Konzepten, wie sie in den
Idea Stores in London(7) oder in den Niederlanden in vielen Bibliotheken (z. B. Den
Haag, Amsterdam, Wassenaar) zu finden
sind, wird die Schaffung von Lernmöglichkeiten für Einzelne, aber auch Gruppen als
zentrales Element von Bibliothek verstanden. Auf die räumliche Gestaltung, die Ler-
8
Ein interessantes Konzept von Lernarrangements verfolgte auch das Projekt »Lernort Bibliothek« des Landes Nordrhein-Westfalen. Das Konzept »Q-thek – innovative
Bibliotheksräume« sollte Perspektiven in
Richtung eines offenen Lernarrangements
Im Lerntreff kann flexibel mit verschiedenen Lernprogrammen an einem Laptop gearbeitet werden. Die Mitarbeitenden der
Stadtbibliothek helfen den Lernenden, das
passende Programm für sich finden. Zu spezifischen Beratungszeiten werden vor allem
Lernende mit Bedarf im Bereich Grundbildung unterstützt.(12)
Die Lernräume spielen in dem Konzept
eine besondere Rolle. Der Lerntreff wurde
durchgehend mit mobilen Möbeln ausgestattet, die je nach Bedarf für Einzellern-/
Gruppenlernszenarien angeordnet werden
SCHNITTSTELLEN
Die Stadtbibliothek im RW 21 Bayreuth, die
2011 eröffnet wurde, hat das Thema »Lernen« in den Fokus gerückt und ein komplexes
Arrangement von Lernräumen gestaltet.(8)
Es wurden unterschiedliche Lernzonen eingerichtet. Neben Gruppenräumen und Carrels (Lesekabinen) zu individuellem Lernen
gibt es ein Lernstudio sowie das Lesecafé
»Samocca«, das durch eine mobile Möblierung erlaubt, den Raum für verschiedene
Formate wie Lesungen, Diskussionsrunden
usw. anzupassen. Das Element »Selbstlernzentrum« ist in den letzten Jahren zu einem
wichtigen Element der Raumgestaltung in
Öffentlichen Bibliotheken geworden.
Eine verstärkte Kooperation, Vernetzung sowie auch Integration von Bibliotheken und
Bildungseinrichtungen hat dazu beitragen,
dass die Infrastruktur für Lerninteressierte
deutlich verbessert werden konnte. Diese
Entwicklung lässt sich europaweit feststellen.(11) Beispiele wie der Wissensturm in
Linz, das Zentrum für Information und Bildung in Unna, das RW 21 in Bayreuth, der
Bildungscampus Nürnberg, Kultur 123 Rüsselsheim oder das Bildungs- und Medienzentrum in Trier zeigen, welche Potenziale für
die Entwicklung von Lernräumen in der Verknüpfung der jeweiligen Kompetenzen in
diesen Bildungs- und Kulturzentren liegen.
Fotos: von Schwerin, Stang
Hell, freundlich und großzügig empfängt das Café »Samocca« der Stadtbibliothek
Bayreuth seine Nutzerinnen und Nutzer.
risch zusammen. Das von Mitarbeitenden
der Stadtbibliothek und des Projektes »Lernen vor Ort« des Bundesministeriums für
Bildung und Forschung entwickelte Selbstlernzentrum orientiert sich an folgenden
Leitlinien:
›› Lernen initiieren
›› Lernbereitschaft fördern und zum Weiterlernen anregen
››Kompetenzerwerb fördern
›› Lernwege begleiten
››Vernetzung von Lernenden unterstützen
›› Lernen zum Erlebnis machen.
So wurde 2014 der Lerntreff des Bildungsund Medienzentrums Trier in der Stadtbibliothek eröffnet. Das Bildungs- und
Medienzentrum fasst Stadtbibliothek, Volkshochschule und Musikschule organisato-
Oft wirkt die Möblierung
wie aus dem Katalog
zusammengestellt, und ein
pädagogisches Konzept
erschließt sich nur selten.
können. Diese hohe Flexibilität eröffnet
vielfältige Nutzungsmöglichkeiten im Bibliotheksalltag. So können auch Lesungen
und Veranstaltungen mit minimalem Aufwand auf der Fläche des Lerntreffs durchgeführt werden. Die breite Angebotspalette
konnte nur durch die intensive Zusammenarbeit innerhalb des Bildungs- und Medienzentrums realisiert werden, was zu einer
Aufwertung der Bibliothek führte.
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Neben dem Angebotsspektrum ist die deutlich verbesserte Aufenthaltsqualität für die
Nutzer ein entscheidender Faktor, die Informations- und Bildungsdienstleistungen
intensiver in Anspruch zu nehmen. Neben
den veränderten räumlichen Optionen ist
es auch die höhere zeitliche Flexibilität, die
durch die enge Verknüpfung der Einrichtungen ermöglicht wird. Dabei sind es nicht
nur erweiterte Öffnungszeiten, die positiv
zu Buche schlagen, sondern auch die Möglichkeit, während Wartezeiten vor Beginn
eines Volkshochschulkurses die Angebote
der Bibliothek zu nutzen. Insgesamt zeigen
sich so auch eine Zunahme der gegenseitigen Aufmerksamkeit der Nutzer für das Gesamtangebot und »Mitnahmeeffekte«.(13)
LERNRÄUME NEU DENKEN
In den letzten Jahren sind weltweit vielfältige Anstrengungen unternommen worden,
den Raum und damit auch den Lernraum
Bibliothek neu zu denken. Die »neue Öffentliche Bibliothek« wird zum Beispiel von
Jochumsen, Skot-Hansen und HvenegaardRasmussen in ihrem »Vier-Räume-Modell«
entwickelt.(14) Sie sehen für die Zukunft die
Bibliothek als Integration von vier Raumkonzepten:
››Inspirationsraum
›› Lernraum
››Treffpunkt
›› performativer Raum.
Betrachtet man Konzepte wie die Idea
Stores in London oder das Dokk 1 (Urban Mediaspace) in Aarhus, wird deutlich, in welche Richtung die Entwicklung
gehen kann. Ein Blick über die Grenze in
die Niederlande zeigt, dass mit neuen Konzepten auch das Verständnis von Bibliothek
neu gestaltet werden kann. Zu nennen ist
das Konzept der Chocoladefabriek in Gouda.(15) Dort wurde ein neues Raumkonzept
umgesetzt. Der Bestand (Inspiration) wurde in der Mitte des Gebäudes stark konzentriert. Dadurch Flächen für die Gestaltung
(Schöpfung) und für die Kommunikation
(Beteiligung) geschaffen. Die Bibliothek
IM FOKUS /
verbunden mit einem Restaurant bietet einen Raum, der sich im besten Sinne als Ermöglichungsraum für Lernen, Kommunikation und Information darstellt.
1 /15
ball ist ein langweiliges und totes Objekt. Es
wird erst dann interessant, wenn man ein
Verb daraus macht. Wenn ich Leute einlade,
das Ding gemeinsam mit mir zu benutzen,
1/15
EKZ-IDEENWETTBEWERB – VISIONEN
VON LERNRÄUMEN DER ZUKUNFT
4. F undneider, Thomas; Peschl, Markus: Räume bilden
Wissen. Kognitive und epistemologische Grundlagen der
Ermöglichung von Wissensgenerierung in Enabling Spaces.
In: Schröteler-von Brandt, Hilde u. a. (Hrsg.): Raum für
Bildung. Ästhetik und Architektur von Lern- und Lebens-
Die Menschen in den Fokus stellen und nicht die Institutionen
– dies dürfte einer der zentralen Orientierungswechsel bei der
Gestaltung der Lernräume in Bibliotheken sein.
orten. Bielefeld 2012, S. 74
5. Vgl. Kohl-Frey, Oliver: Die Universitätsbibliothek als
Manchmal darf man träumen. Das taten die
Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Ideenwettbewerbs »Lern-Raum-Atmosphäre« der
ekz.bibliotheksservice GmbH 2014. Architekten, Innerarchitekten, Designer und Studenten entwarfen innovative Lernlandschaften für die Bibliothek der Zukunft
und kamen zu erstaunlichen Ergebnissen.
Die Fotos zeigen die Ideen dreier Preisträger. Sina Graner und Anna Stark machten
sich an die Beantwortung der Frage: Gibt es
ein Möbelstück, das sowohl einen geschlossenen als auch einen offenen Raum bietet,
einen Rückzugsort und einen Ort offener
Kommunikation? Ein solches »Wunderding« schufen sie mit ihrem »Raummöbel
neuer Lernraum. Konzepte der Universität Konstanz.
In: Eigenbrodt, Olaf; Stang, Richard (Hrsg.):
(wie Anm. 1) S. 107–123
6. Diese Einschätzung gründet auf den Erfahrungen von
Beratungen und Besuchen von Bibliotheken in den
Einen radikalen Schritt geht das Bildungshaus in Wolfsburg, in dem Stadtbibliothek,
Volkshochschule, Medienzentrum und die
Sekundarstufe I der Neuen Schule Wolfsburg unter einem Dach vereinigt werden.(16)
Die zentrale Konzeptidee ist dabei eine inhaltliche Integration der einzelnen Bereiche. Die Räume der Volkshochschule und
die Bibliotheksflächen werden nicht mehr
voneinander separiert, sondern bilden eine
Einheit. Die Teilnehmer der Volkshochschule werden die Kursräume in thematischen
Arealen finden, in denen die Bibliothek ihre
Medien präsentiert. Die Grenzen zwischen
den Institutionen werden sich aus Perspektive der Nutzer auflösen. Damit wird das
Haus als Einheit wahrgenommen. Informations- und Bildungsdienstleistungen orientieren sich an den Bedürfnissen der Bürger
und nicht mehr an den Strukturen der Einrichtungen.
mit mir Fußball zu spielen, dann wird es lebendig, interessant und spannend. Daher ist
die Tätigkeit Fußball spielen viel interessanter als das Substantiv Fußball. Das Gleiche
gilt für die Bibliothek. Das Gebäude mit den
Bücherregalen an sich sagt uns noch nichts.
Wir brauchen dazu jemanden, der bibliothekt. Jemanden, der die Kollektion nutzt,
mit ihr spielt und Verbindungen zu anderen Leuten sucht. Jemanden, der aus der Bibliothek ein Verb macht. Also: ich bibliotheke, du bibliothekst, wir bibliotheken!«
letzten zehn Jahren.
7. Vgl. Dogliani, Sergio: Innovation an den Bedürfnissen der
Bevölkerung orientieren. Die Idea Stores in London.
In: Eigenbrodt, Olaf; Stang, Richard (Hrsg.):
(wie Anm. 1) S. 124–137
8. B
enannt nach dem Standort: Richard-Wagner-Straße 21
9. www.learning-research.center
10. V
gl. Stang, Richard: Multifunktionalität als Option.
Gestaltung von Lern- und Informationsräumen.
In: Eigenbrodt, Olaf; Stang, Richard (Hrsg.):
(wie Anm. 1) S. 81–93
Preisträger „Einzelmöbel“: Sina Graner und Anna Stark
11. Vgl. Hesse, Claudia; Stang, Richard (Hrsg.): Learning
Centres. Neue Organisationskonzepte zum lebenslangen
In diesem Sinne gilt es auch, Lernräume
nicht nur zur Verfügung zu stellen, sondern
sie auch zu bibliotheken.
Lernen in Europa. Bielefeld 2006
12. Vgl. www.stadtbibliothek-walderdorff.de/Wir-ueber-uns/
Medienangebot/Lerntreff
13. Vgl. Stang, Richard: Strukturen und Leistungen von
Lernzentren. Empirische Befunde und Perspektiven zur
Entwicklung von kommunalen Lernzentren als innovative
Institutionalformen für Lebenslanges Lernen. Bonn 2011;
www.die-bonn.de/doks/2011-lernzentrum-01.pdf
14. Vgl. Hvenegaard-Rasmussen, Casper; Jochumsen, Henrik;
Skot-Hansen, Dorte: Erlebnis, Empowerment, Beteiligung
Die Menschen in den Fokus stellen und nicht
die Institutionen – dies dürfte einer der zentralen Orientierungswechsel bei der Gestaltung der Lernräume in Bibliotheken sein,
der die Zukunft ganz entscheidend prägen wird. Die Entwicklungen weltweit zeigen dies. In Deutschland ist man gewohnt,
sich auf Bedenken zu fokussieren, aber es
scheint so zu sein, dass sich die Risikofreude auch hierzulande langsam durchsetzt.
Rob Bruijnzeels hat es bei einem Vortrag
an der Hochschule der Medien in Stuttgart
mit Verweis auf die Aussage eines Studierenden auf den Punkt gebracht: »Ein Fuß-
ENDNOTEN
und Innovation. Die neue Öffentliche Bibliothek.
Dreidimensionale Strukturen laden in der „Medienlandschaft“ von Anneke Ehmsen, Julia Glugla und Louisa Schönfeld zum Lernen ein.
In: Eigenbrodt, Olaf; Stang, Richard (Hrsg.):
1. Vgl. Eigenbrodt, Olaf; Stang, Richard: Informations- und
Wissensräume der Zukunft. Von Hochgefühlen und
(wie Anm. 1) S. 67–80
15. Vgl. Vortrag von Rob Bruijnzeels beim Bi-Symposium
lernenden Städten. In: Eigenbrodt, Olaf; Stang, Richard
„Forschung für die Praxis. Perspektiven für Bibliotheks-
(Hrsg.): Formierungen von Wissensräumen. Optionen
und Informationsmanagement“ am 05.12.2014 an der
des Zugangs zu Information und Bildung. Berlin/Boston
Hochschule der Medien (HdM) Stuttgart;
http://bit.ly/1AfxDfH
2014, S. 233
2. Vgl. Puhl, Achim; Stang, Richard: Bibliotheken und
16. Vgl. Buntzoll, Petra; Gülzow, André; Jörke, Friederike;
lebenslanges Lernen. Lernarrangements in Bildungs-
Rabofski, Birgit: Information Innovation Inspiration.
und Kultureinrichtungen. Bielefeld 2001
Das Bildungshaus in Wolfsburg als Prototyp eines
3. Vgl. Stang, Richard: Räume als Rahmung. Konstitutionen
Zentrums für lebenslanges Lernen. In: Eigenbrodt,
von realen Informations-, Wissens- und Bildungsräumen.
Olaf; Stang, Richard (Hrsg.): (wie Anm. 1) S. 138–147;
In: Eigenbrodt, Olaf; Stang, Richard (Hrsg.):
http://microsite.stadt.wolfsburg.de/wirwollenwissen/
(wie Anm. 1) S. 50–63
bildungshaus
10
Fotos: ekz
MENSCH IM FOKUS
Überraschend: die bis ins Detail durchdachte Märchenwelt von Raja Rydhem.
11
mit Sitzkreisel«. Die »Medienlandschaft –
Wissen entdecken« von Anneke Ehmsen, Julia Glugla und Louisa Schönfeld zeigt einen
Lernraum der Zukunft, der dreidimensionale Strukturen bietet, die »scheinbar aus Boden, Wänden und Decke klappen und zum
Lernen einladen – egal ob sitzend, liegend,
stehend«, so die Jury. Fantasie anregend
wirkt die »Märchenwelt« von Raja Rydhem.
Der »Wald des Wissen«, der »InformationsFluss« oder die »Höhle der Weisheit« bieten
Anregungen zum Entdecken und Verweilen.
IM FOKUS /
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1/15
STLB DORTMUND – VOM
MEDIENKAUFHAUS ZUM LERNORT
HANS-CHRISTIAN WIRTZ
Stadt- und Landesbibliothek Dortmund
mationsquellen zur Verfügung. Außerdem
steht das geschulte Fachpersonal mit Rat
und Tat zur Seite. Dies ist auch in der Stadtund Landesbibliothek so, wo täglich durchschnittlich 2.000 Kundinnen und Kunden
aktiv sind, um die zahlreichen Angebote der
Bibliothek zu nutzen.
Die vom Schweizer Architekten Mario Botta
geplante Stadt- und Landesbibliothek Dortmund wurde 1999 eröffnet. Die Bau-Idee
sollte den Platzforderungen eines modernen Bibliotheksbetriebes entsprechen und
ein hohes Maß an Kommunikation und Flexibilität ermöglichen.(1) Die Rolltreppen,
die alle Etagen des Freihandbereiches verbinden, und die Bestandaufstellung symbolisieren das damals gewünschte »Medienkaufhaus«.(2)
In der Zentralbibliothek stehen zurzeit 250
Arbeitsplätze zur Verfügung, davon 70 mit
Rechnerausstattung. Im gesamten Haus ist
ein freies WLAN verfügbar und an allen Arbeitsplätzen ist eine Versorgung mit Steckdosen für den Einsatz von Notebooks gewährleistet. Dies wird von unseren Kunden
intensiv genutzt (im Durchschnitt gleichzeitig 100 Logins).
Bibliotheken waren und sind immer auch
Orte des Lernens. In der Bibliothek kann in
einer eigenen Atmosphäre gearbeitet und
gelernt werden. Bei Bedarf stehen Fachliteratur und heute auch elektronische Infor-
Neben Druckern und Kopierern ist auch die
hohe Auslastung der Aufsichts- und Flachbrettscanner in der Bibliothek bemerkenswert. Zudem stehen 30 E-Book-Reader für
die Ausleihe bereit.
INFRASTRUKTUR
Von Anfang an waren in der Bibliothek Arbeitsplätze mit leichtem Mobiliar geplant,
um eine schnelle Veränderung der Arbeitsoder Kommunikationsformen zu ermöglichen.(3) Auf Lesesäle wurde dabei bewusst
verzichtet. Die Veränderung der Lerngewohnheiten und die stetig steigende Nutzung durch Gruppen in den letzten Jahren
führten allerdings zu einer größeren Nachfrage nach ruhigen Arbeitsplätzen. Um diesen dringenden Bedarf besser decken zu
können, wurde 2013 mit Fördermitteln des
Landes eine strukturelle Veränderung vorgenommen.
Im 2. Obergeschoss konnten die Zeitschriftenregale der Verwaltungsbibliothek abgebaut werden, weil diese Medien teilweise durch elektronische Ressourcen ersetzt
worden waren oder ihre Nutzung stark zurückging. In dem hier neu entstandenen
Lesesaal wurden Einzelarbeitsplätze mit
WLAN und Stromanschlüssen geschaffen.
Für Gruppen ist dieser neue Stillarbeitsbereich nicht mehr zugelassen. Es war überra-
Der Bedarf an Arbeitsplätzen wächst stetig, ebenso die Nutzung von Angeboten wie Kopierern und vor allem Scannern.
12
Die Bibliothek wird intensiv als Lernort genutzt. Häufig sind schon morgens alle 290 Arbeitsplätze besetzt.
schend zu beobachten, wie die Tische und
Stühle nach dem Auspacken sofort von den
Kunden genutzt wurden.
Mittlerweile wurden in der Zentralbibliothek weitere Zonen für Stillarbeitsplätze und Gruppenarbeitsplätze eingerichtet.
Eine Einteilung, die sich bewährt hat, und
bei sehr hoher Nutzerfrequenz auch immer
wieder vom Bibliothekspersonal durchgesetzt werden muss.
In den letzten zehn Jahren wurden in der
Stadt- und Landesbibliothek jährlich immer
mehr Schulungen in diesem Bereich durchgeführt. 2014 wurden über 3.500 Teilnehmern in 160 Schulungen die verschiedenen
Angebote insbesondere elektronischer Art
INFORMATIONSKOMPETENZ
Bibliotheken geben in der Regel für elektronische Medien viel Geld aus. Die Anzahl
von elektronischen Angeboten in Form von
E-Books, E-Zeitschriften und anderen E-Ressourcen wird auch in Dortmund mit jedem
Jahr größer. Dies ist insbesondere durch
die Förderung mit Landesmitteln möglich.
Gleichzeitig steigen bei diesen Medien die
Nutzungszahlen, ganz im Gegenteil zu den
stagnierenden Ausleihzahlen von konventionellen Medien.
Die Beratung und das Training von Zielgruppen rund um das Lernen gehören genauso zum Angebot der Stadt- und Landesbibliothek wie die Förderung der Lese- und
Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen. Allerdings stehen die fachliche
Recherche und das wissenschaftliche Arbeiten im Vordergrund.
dare, Lehrer und nicht zuletzt die Teilnehmer im Bereich der Berufsbildung.
Kooperationsvereinbarungen mit 26 Bildungseinrichtungen in Dortmund sind hier
besonders hilfreich und führen zu einer
kontinuierlichen Zusammenarbeit mit diesen wichtigen Zielgruppen der Bibliothek.
Dabei erhalten die Teilnehmer einen Überblick über die zahlreichen elektronischen
Angebote, die ihnen als Googlenutzer bis
dahin meist unbekannt waren.
Die Kolleginnen und Kollegen der Informationsvermittlung betreuen natürlich nicht
nur die verschiedenen Einführungen in die
Literaturrecherche. Vielmehr sind sie auch
täglich im Einsatz an den Informationstheken, um den Lernenden und anderen Kunden der Bibliothek bei den unterschiedlichsten Fragestellungen weiterzuhelfen.
Für den Einsatz von Notebooks ist
an allen Arbeitsplätzen die Versorgung
mit Steckdosen gewährleistet.
ENDNOTEN
1. Moeske, Ulrich: Die Stadt- und Landesbibliothek
Dortmund. In: Bibliothek Forschung und Praxis 27 (2003)
nahegebracht. Diese Einführungen in die
Literaturrecherche sind an die jeweiligen
Zielgruppen angepasst und didaktisch in
Zusammenarbeit mit dem Studienseminar
Dortmund entwickelt worden: Für Schüler
der Sekundarstufe II, Studenten, Referen-
13
S. 42–44, Nr. 1/2, S. 42; http://t1p.de/uc6y
2. Seitz, Renate: Der Botta-Bau der Stadt- und
Landesbibliothek Dortmund. Stadt- und Landesbibliothek
Dortmund (Hrsg.), Dortmund 2009, S. 33;
www.seitz-text.de/Dateien/PDFs/Botta.Broschuere.pdf
3. Moeske, Ulrich, ebd. S. 43
IM FOKUS /
1 /15
1/15
MÜNSTER – Q-THEK-BEREICH ZUM
ZENTRALEN LERNORT ENTWICKELT
MARIA DITTBERNER
Stadtbücherei Münster
KULTURETAGE GEPLANT
Im 1. Obergeschoss wird demnächst eine Kulturetage entstehen.
Dieser Bereich wird bewusst keine Arbeitstische aufweisen, sondern nur Leseplätze, um einen durch murmelnde Arbeitsgruppen
hervorgerufenen Geräuschpegel niedrig zu halten.
Für geschlossene Gruppen stand von Anfang an ein Veranstaltungsort zur Verfügung, der sich immer mehr zu einem Lernstudio entwickelt hat. Mittlerweile bietet er außer einem Laptop mit Beamer
auch 25 mit Laptops ausgestattete Schulungsplätze mit Internetzugang. Dieser Raum wird vor allem für Recherche-Schulungen und
Klassenführungen genutzt, gelegentlich auch für weitere Veranstaltungen unserer Kooperationspartner, bei denen einer größeren
Teilnehmerzahl Präsentationen und Vorträge geboten werden.
Als zentraler Lernort wurde die Q-thek entwickelt.
Ab 2009 nahm die Stadtbücherei Münster an dem NRW-weiten
Projekt »Lernort Bibliothek – zwischen Wunsch und Wirklichkeit"
teil. Ziel war es, neben den zahlreichen dezentralen Arbeitsplätzen
und Lernangeboten im Hause auch einen zentralen »Lernort" innerhalb der Stadtbücherei zu akzentuieren, um neue Möglichkeiten des Lernens und Arbeitens zu bieten.
Der Q-thek-Erker ist für Präsentationen oder als
Arbeitsplatz flexibel nutzbar.
MOBILE LERNNISCHEN
Sichtbares Resultat ist seit dem Frühjahr 2011 die Q-thek, ein
Raum für Lernen und Arbeiten, Kommunikation, Information, Entspannung, Präsentation und Veranstaltung. Ein farbenfrohes Lichtobjekt signalisiert: Hier ist die Zukunft! In der Q-thek stehen den
Kunden 20 PC-/Internetplätze zur Verfügung. Alle PCs sind reservierbar und haben Zugriff auf Drucker, um in DIN A 4 schwarz/
weiß oder auch in DIN A 3 und DIN A 4 in Farbe auszudrucken.
Zwei der Plätze sind zudem mit einem Scanner ausgestattet. Auf
bequemen Sitzpolstern lässt sich im attraktiven Zeitschriftenangebot stöbern, mit mobilen Wänden können Lernnischen gestaltet werden. In diesem Zusammenhang wurden auch zwei »Lernräume« geschaffen, die für Gruppen von zwei bis zehn Personen
geeignet sind. Sie können auf Anfrage von unseren Kunden für die
Gruppenarbeit reserviert werden. Die Belegung ist auf maximal
vier Stunden pro Tag begrenzt. Das Angebot ist sehr beliebt und
wird von Schülern, Studenten aber auch von anderen Gruppen intensiv genutzt.
Die Lernräume können Kunden sich reservieren lassen.
Die Bibliothek ist auch ein Ort des konzentrierten Arbeitens.
Auch Weiterbildungsangebote wie Internetsprechstunden oder
-kurse unserer Kooperationspartner können hier stattfinden. Darüber hinaus existieren fast überall im Haus weitere Arbeitsplätze,
die sowohl von Einzelnen als auch von Kleingruppen gern genutzt
werden. Hier wird mitunter die Lautstärke ein Problem, wobei es
eine Erleichterung darstellt, auf die geschlossenen Lernräume hinweisen zu können. WLAN ist für unsere Kundinnen und Kunden im
ganzen Hause verfügbar.
Fast überall im Haus wurden Arbeitsplätze geschaffen, die
sowohl von Einzelnen als auch von Kleingruppen gern genutzt
werden.
14
Das Lernstudio bietet u. a. Laptop-Schulungsplätze mit
Internetzugang.
An den Arbeitstischen für Gruppen wird die Lautstärke schon mal
zum Problem.
15
IM FOKUS /
1 /15
STADTBIBLIOTHEK SIEGBURG NUTZT
IHREN SCHULUNGSRAUM INTENSIV
Empore, auf der bei Bedarf individuell an mehreren PCs gearbeitet werden kann.
CHRISTIANE BONSE
Stadtbibliothek Siegburg
Außerhalb der Schulungszeiten steht die Fachkollegin den Schülern
nach Terminabsprache zur Verfügung, um am Telefon oder vor Ort
Fragen zu beantworten. Dieser Service wird von den Schülern als
besonders gewinnbringend angesehen. An schulungsfreien Tagen
steht dieser Bereich allen Kunden zur freien Nutzung zur Verfügung.
Ob dies der Fall ist, erkennt der Kunde an der außen hängenden
elektronischen Buchungstafel, die über Belegungstermine informiert und zudem auch Buchungen vorgenommen werden können.
Die Stadtbibliothek in Siegburg ist von jeher eine Einrichtung mit
überregional großer Anziehungskraft. Schon vor der Neugestaltung
des Gebäudes, bei der der lang geplante Durchbruch zum angrenzenden Stadtmuseum realisiert wurde, kamen rund 40 Prozent der
fast 200.000 Besucher/Jahr von außerhalb, darunter auch Pendler
aus Köln und Bonn. Mitte Mai 2014 wurde die Stadtbibliothek nach
Umbau und Komplettsanierung, die ein halbes Jahr dauerten, wiedereröffnet und ist nun noch attraktiver als zuvor. Die Highlights:
der offene Durchgang zum Museum, das neu gestaltete Literaturcafé, aus dem Nutzerinnen und Nutzer Kaffee und Kuchen mit zu den
Bücherregalen nehmen dürfen, Sessel, um es sich bequem zu machen, eine Stuhlgruppe um einen großen Tisch extra für Zeitungsleser, Rückgabeautomaten, kostenlose Nutzung des WLANs und mehr.
Da das Kulturhaus, zu dem die Bibliothek gehört, das ganze Wochenende geöffnet hat, nutzen viele Schüler und Studenten gerade
samstags und sonntags die Chance zum ungestörten Arbeiten in angenehmer Atmosphäre. Das bibliothekseigene Literaturcafé ist der
ideale Pausentreff.
Der Schulungsbereich ist somit ein echter Zugewinn für die Bibliothek und zahlreiche Kunden, nicht nur für die, die sich noch in der
Ausbildungsphase befinden.
Foto: Albert Gehret
Viel getan hat man, was die Lernräume angeht. Beispiel: Schulungsraum. Denn, so weiß Christiane Bonse, Leiterin der erfolgreichen
Einrichtung: »Heute ist nicht mehr die primäre Frage: Was kann ich
wie lange ausleihen, sondern: Wie lange kann ich hier arbeiten?«
Die Stadtbibliothek Siegburg ist Kooperationspartner in Sachen Medienkompetenz für
alle weiterführenden Schulen der Stadt. Die
Bibliothek bietet Schulungen an, in denen
Schülerinnen und Schüler lernen, analoge sowie Internetbestände gewinnbringend
für sich zu nutzen. Facharbeiten, Vorbereitungen für das Abitur, den Wechsel zur Universität: In all diesen Bereichen und noch
vielen mehr unterstützt die Bibliothek ihre
Nutzer fachkompetent.
Die Schulungen finden in der Bibliothek
im eigens dafür hergerichteten Schulungsraum statt. Hier haben 25 bis 30 Personen
Platz, bekommen Laptops zur Verfügung gestellt. Die Präsentation der Schulung kann
über ein interaktives Whiteboard laufen.
Aber auch ein Flipchart und entsprechende
Fachbücher sind vor Ort nutzbar. Über dem
Schulungsraum befindet sich eine kleinere
Bei Schulungen steht für Präsentationen auch ein interaktives Whiteboard zur Verfügung.
16
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DIE HOCHSCHULE ZUM LERNRAUM
ENTWICKELN: EMPFEHLUNGEN,
TRENDS, STATISTIK
UWE STADLER
Bibliothek der
Bergischen Universität
Wuppertal
anderem auf der DINI-Jahrestagung 2001
in Bonn und auf dem Augsburger Bibliothekartag im Jahr 2002 berichtet wurde. (1)
UNTERSCHIEDLICHE NUTZUNG
Die in den Achtziger und Neunziger Jahren
des letzten Jahrhunderts zunächst punktuelle, später massenhafte Einführung von
Computerarbeitsplätzen in Bibliotheken
führte zwangsläufig zu erheblich veränderten Nutzungskonzepten in Bibliotheken.
Die Entwicklung vom reinen Leseplatz hin
zum flexiblen, multimedialen Arbeitsplatz
in modernen Hybridbibliotheken trug auch
und vor allem den technischen Veränderungen Rechnung. Diese hatten mit dem Einsatz von Mikrofiche-Lesegeräten begonnen
und fanden ihre Fortsetzung in CD-ROMEinzelplätzen, PC-Netzen, der Nutzung des
Internet, der Einführung von WLAN sowie
der Verwendung mobiler Geräte in jeglicher
Form. Dies alles hat, wie auch die Erneuerung pädagogischer Konzepte, nicht unwesentlich zum Paradigmenwechsel hin zur
sog. Lernraumbibliothek beigetragen.
Kurz nach dem Millenniumwechsel hatte
sich die neu gegründete »Deutsche Initiative für Netzwerkinformation« (DINI) erstmals mit Öffentlichen Computerarbeitsplätzen in Hochschulbibliotheken und deren
Auswirkung auf den Bibliotheksalltag befasst. Neben der weiter unten noch kurz
zu beleuchtenden Erfassung der neuen Gegebenheiten in der Deutschen Bibliotheksstatistik wurden bundesweite Umfragen
durchgeführt, über deren Ergebnisse unter
Etwa zur gleichen Zeit erschienen die
»Empfehlungen zur digitalen Informationsversorgung an Hochschulbibliotheken« des
Wissenschaftsrats, aus denen bezüglich unserer Fragestellung insbesondere das Kapitel »Bauliche Anforderungen an Hochschulbibliotheken« erwähnenswert erscheint.
Der Wissenschaftsrat definiert hier »Bibliothek als ‚Ort der Kommunikation‘ innerhalb
der Hochschule« und fordert von der Hochschulbibliothek der Zukunft unter anderem:
››»Flexibilität in der Errichtung« und »Flexibilität im Betrieb, um das Gebäude einfach an sich verändernde Nutzerbedürfnisse oder den technologischen
Wandel anpassen zu können.«
››»Differenzierte Angebote von Bibliotheksflächen für Einzel- und Gruppenarbeitsplätze (…), Selbstbedienungsbereiche abgestimmt auf die Bedürfnisse der
Studierendengeneration, nicht direkt
unterrichtsbezogene Flächen wie komfortable Leseflächen.«
››»Zonierung der Flächen innerhalb des
Gebäudes« und »attraktive innenräumliche Atmosphäre.«
››»Die Bibliothek muss ein sehr differenziertes Angebot an Arbeitsplätzen bieten
– vom OPAC-Rechercheplatz im Stehen
bis zur Multimediapräsentation in der
Gruppe bei der Projektarbeit. Jeder Arbeitsplatz sollte vernetzt sein.«
››»Die Anzahl der Arbeitsplätze soll anhand der Nutzungsfrequenz und Ver-
17
weildauer der Studierenden nach Fächern ermittelt werden.« (2)
Bereits in diesen Empfehlungen wurden wesentliche Aspekte und Fragestellungen aufgeführt, die auch heute noch die Planung
und den Betrieb von wissenschaftlichen Gebrauchsbibliotheken bestimmen. Zonierung,
Gruppen- und Einzelarbeit, differenziertes
Angebot für unterschiedliche Nutzungsbedarfe: Dies alles sind nach wie vor noch die
relevanten Fragestellungen.
DINI-AG LERNRÄUME
In den Jahren 2010 und 2011 wurden von
der zuständigen und inhaltlich neu aufgestellten DINI-Arbeitsgruppe studentische
Ideenwettbewerbe unter den Titeln »Lebendige Lernorte« und »Studentische Netzwerke: kreativ – mobil – kooperativ« durchgeführt und deren Ergebnisse veröffentlicht.(3)
Schließlich wurden ebenfalls von der DINIAG Lernräume im Jahr 2013 die Empfehlungen »Die Hochschule zum Lernraum entwickeln« veröffentlicht, auf die hier etwas
näher eingegangen werden soll.(4)
In dieser Publikation werden in modernisierter und teils bebilderter Form die Topoi
der früheren Empfehlungen und Abhandlungen aktualisiert dargestellt. Best-Practice-Beispiele veranschaulichen die in den
sechs wesentlichen Kapiteln vorgestellten
Konzepte und Lösungen. Diese hier nun im
Einzelnen:
››»Lernraumentwicklung als Hochschulstrategie und Managementaufgabe«:
Die Empfehlungen heben hervor, dass
moderne Hochschulen die Entwicklung
IM FOKUS /
von Lernräumen als »strategisch bedeutsame Managementaufgabe« und als
»imagebildendes Element einer Hochschule« begreifen und entsprechend
hoch gewichten sollten.
Die Entwicklung von
Lernräumen ist eine
»strategisch bedeutsame
Managementaufgabe«.
››»Informationskompetenz«: In diesem
Kapitel werden die kooperativen und
integrativen Aspekte einer inneruniversitär abgestimmten Vermittlung von
Schlüsselkompetenzen im Kontext
wissenschaftlichen Arbeitens betont.
››»Arbeitsplätze«: Unter Bezugnahme auf
frühere Empfehlungen und den sog.
DIN-Fachbericht 13 aus dem Jahr 2009
werden die Anforderungen an Einzelund Gruppenarbeitsplätze in Bibliotheken vor dem Hintergrund unterschiedlicher Ruhe- und Schutzbedürfnisse
formuliert und dargestellt.
››»Schulungsräume«: Neben den wesentlichen Fragen zur Raumgestaltung und
IT-Ausstattung wird auch der Sonderfall
sog. E-Prüfungen, der computergestützten Leistungsnachweise, behandelt. Je
nach Zugänglichkeit und Zweckorientierung der Räumlichkeiten sind hierbei Sicherheitsaspekte besonders zu beachten.
››»BYOD-Arbeitsplätze«: Hinter der
Phrase »Bring your own device«
verbirgt sich die zukünftig vielleicht
größte Herausforderung an die Planung
und Gestaltung von Lernraumumgebungen in Hochschulen und deren Bibliotheken. Die vermutlich weiter steigende
Vielzahl unterschiedlicher Geräte und
Applikationen in uneinheitlichen Systemumgebungen fordert die Hochschulverantwortlichen ebenso wie die scheinbar
uneingeschränkte Mobilität, die ihre
Grenzen nur noch in Akkulaufzeiten
findet. Die Empfehlungen nennen als
1 /15
Herausforderungen die Nutzbarmachung weiterer Flächen (nicht Räume),
die vielfältig zu beachtenden Sicherheitsbelange sowie die Schaffung neuer
»Einstiegspunkt(e) für weitere Services«.
››»Virtuelle Lernräume«: Anhand von
Beispielen aus sehr unterschiedlichen
Anwendungsbereichen (u. a. virtuelle
Rundgänge und 3-D-Informationsangebote, prüfungsrelevante Online-Kurse,
Lern- und Diagnose-Apps) wird die
Bandbreite möglicher Lösungen veranschaulicht.
EMPFEHLUNGEN KOMPAKT
Die der Ausarbeitung vorangestellten »Empfehlungen kompakt« sind kurz und prägnant gehalten, so dass sie hier noch einmal
vollständig wiedergegeben werden sollen:
›› Let‘s talk about »Lernraum Hochschule«: Die Hochschulen müssen das Thema Lernraum als Strategie und Managementaufgabe aufnehmen. Aspekte wie
Konzeption, Steuerung, Profilierung, Organisations- und Entwicklungsplanung
sowie Ressourcenfragen gehören ebenso
dazu wie der explizite Forschungsbedarf
im Themenfeld der Lernräume.
Lernräume ermöglichen
und unterstützen die
Entwicklung von
Informationskompetenz.
›› Kompetenzentwicklung fördern:
Informationskompetenz ist eine zentrale Schlüsselkompetenz in der hochschulischen Ausbildung. Lernräume
ermöglichen und unterstützen die Kompetenzentwicklung, indem sie die inhaltliche Perspektive erweitern und wichtige
Kooperationen im Hochschulkontext
ermöglichen.
›› Konzeption statt Einzellösungen: Die
konkrete Planung und Gestaltung von
Arbeitsplätzen in Lernräumen beginnt
18
1/15
mit der Konzeption, in der die Nutzerbedarfe eine zentrale Rolle spielen.
Dafür ist eine zunehmende Zonierung
und Differenzierung der Arbeitsplatzbereiche notwendig.
››Keine Stereotype: Aufgrund der Vielfalt
von Lernszenarien werden Einzel- und
Gruppenarbeitsplätze mittlerweile in
vielen Variationen und sehr unterschiedlichen Ausstattungen angelegt. Auch
Schulungsräume bieten eine wichtige
Infrastruktur, deren Ausstattung konkret
am Nutzungsbedarf orientiert werden
sollte. BYOD (Bring Your Own Device)Arbeitsplätze sind notwendig, um den
Anforderungen der »Digital Natives«
gerecht zu werden.
›› Lernräume 2.0: Technik im Lehr- und
Lernkontext zu nutzen, ist für die
medienaffine, Web-2.0-erfahrene Generation der Studierenden selbstverständlich. Virtuelle Angebote ergänzen und
bereichern reale Lernräume, in technischer wie in pädagogischer Hinsicht.(5)
Bei der Planung zukünftiger Maßnahmen
mag es manchmal hilfreich sein, einen Blick
in einschlägige Statistiken und Vergleichsdaten zu werfen, in unserem Fall in die Deutsche Bibliotheksstatistik (DBS). Wie nicht
anders zu erwarten, lässt sich an den diesbezüglichen DBS-Kategorien letztendlich
auch die veränderte Realität in den Bibliotheken recht gut darstellen.
››Bis zum Berichtsjahr (BJ) 2001 wurden
Lese- und Benutzerarbeitsplätze weder
unter dem Aspekt Benutzung noch unter
Bau erfasst, allerdings bis zum BJ 2004
in diversen Zusatzfragebögen.
››Erst ab dem BJ 2002 wurden im Hauptfragebogen für Wissenschaftliche Universal- und Hochschulbibliotheken die
Fragen 14 (Zahl der Benutzerarbeitsplätze, später Frage 16), 15 (darunter: Computerarbeitsplätze, später Frage 17) und
16 eingeführt, ab dem Jahr 2007 schließlich auch ohne die gesonderte Aufführung von internetfähigen Geräten und
Plätzen.
››Zuvor, also seit Beginn der DBS im Jahr
1979 bis zum BJ 1998 wurden nur die
sog. »Lesesaalbenutzungen« erhoben.(6)
››In den BJ 1999 und 2002 wurden in
einem Zusatzfragebogen unter anderem
die »Publikumsfläche« und die »Fläche
der Arbeitsräume« erfragt.
››In den BJ 2000 und 2003 wiederum
wurden im Zusatzfragebogen »Angebote
und Nutzung« unter anderem die Zahl
der »Plätze zur CD-ROM-Nutzung« und
die Zahl der »Internetplätze« erhoben.
››Im BJ 2001 wollte man im Zusatzfragebogen »Erreichbarkeit, Ausstattung,
Gebäudesituation« etwas über die Zahl
der »PC- und Bildschirmplätze«, zusätzlich die mit Internetanschluss sowie
über die »Gesamtzahl der zur Verfügung
stehenden Arbeitsplätze« wissen.
››In der Rubrik »Gebäudesituation«
wurde speziell die Zahl der sog. LeseCafés, Internet-Cafés, Lesesäle und
Veranstaltungsräume erhoben.
››Die Zusatzfragebögen wurden mit
Berichtsjahr 2004 eingestellt.
ENDNOTEN
1. Vgl. dini.de/fileadmin/jahrestagungen/2001/
stadler-vortrag.pdf;
vgl. /www.bibliothekartag.de/2002/prog/prog_themen_
uebersicht.html#t24
2. Vgl. www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/
Spätestens mit der weiteren Entwicklung
hin zu einer hauptsächlich durch die Nutzung portabler Geräte bestimmten BYODBibliothek wird die Frage nach einer statistischen Erfassung und deren Sinnhaftigkeit
wieder neu zu stellen sein. Bleibt nur zu
hoffen, dass den Benutzerarbeitsplatz nicht
dasselbe Schicksal ereilt wie die Steinlaus
(Kat. 815), die nach der einmaligen Erhebung im BJ 2002 plötzlich wieder von der
Bildfläche verschwand.
4935-01.pdf (S. 46ff.)
3. Vgl. www.dini.de/wettbewerbe/lebendige-lernorte;
vgl. http://dini.de/wettbewerbe/studentische-netzwerke
4. Vgl. http://d-nb.info/1043590714/34
5. Vgl. http://d-nb.info/1043590714/34 (S. 3)
6. Deutsche Bibliotheksstatistik 1979 – Teil B Wissenschaftliche Bibliotheken. Berlin, Deutsches Bibliotheksinstitut,
1980, S. 50ff. und S. 86;
Deutsche Bibliotheksstatistik 1998 – Teil B Wissenschaftliche Bibliotheken. Berlin, Deutsches Bibliotheksinstitut,
1999, S. 98ff. und S. 300
LESESAAL DER UB WUPPERTAL –
QUALITÄT DER ARBEITSPLÄTZE ZÄHLT
Sieben Jahre nach ihrer Gründung studierten im Wintersemester
1980/81 an der damaligen Gesamthochschule Wuppertal 9.192
Studierende, zudem waren etwa 1.200 Menschen hier tätig. Die
Bibliothekszentrale am Grifflenberg verfügte über einen Bestand
von 530.000 Bänden, rund 900 Leseplätze und zusätzlich 60 Carrels, die sich über die gesamte Bibliothek verteilten.(1) Gut 30 Jahre
später, im Jahr 2010, verzeichnete die Bergische Universität Wuppertal (BUW) etwas mehr als 14.000 Studierende, und es waren
rund 1.500 Personen (VZÄ) beschäftigt.(2) Gleichzeitig war die Zahl
der Arbeitsplätze für Nutzer in der Hochschulbibliothek auf 547
TOBIAS SCHWARCK
Bibliothek der Bergischen
Universität Wuppertal
Im Folgenden wird die Entwicklung der Lese- und Arbeitsplätze im
Laufe der letzten 30 Jahre an der Universitätsbibliothek Wuppertal
nachgezeichnet. Die Entwicklung im Spannungsfeld zwischen wachsenden Beständen, steigenden Studierendenzahlen und
1980
1990
2003
2010
2015
den damit einhergehenden sich wandelnStudierende
9.192
16.542
14.860
14.308
20.141
den Anforderungen an die Bibliothek ist
kein Wuppertaler Phänomen und auch keiBestand
530.000
899.095
1.146.385
1.205.707
1.214.657
ne Besonderheit von einschichtigen BiblioArbeitsplätze
960 Nicht erhoben
368
547
747
theksystemen. Somit ist die Entwicklung in
Wuppertal durchaus beispielhaft für andere
Hochschulen und ihre Bibliotheken.
Abb. 1: Entwicklung von Studierendenzahl, Bestandsentwicklung und Arbeitsplätzen (Quelle: DBS)
19
IM FOKUS /
1 /15
1/15
H
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geschrumpft (die Carrels waren inzwischen ganz entfallen), wähH
UNI-Halle
rend der Bestand auf etwas mehr als 1,2 Millionen Bände gewachsen war. Der Zusammenhang zwischen wachsendem Bestand und
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schrumpfenden Arbeitsplätzen
lag auf der Hand
(s. Abb. 1). Der
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Rektoratsbericht 1992 skizzierte
den
Ausweg
aus
dem Dilemma:
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lroist schon absehbar, dass ohne Neubaumaßh
»Für die nächsten Jahre
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nahmen ganz erhebliche Probleme entstehen werden«.(3)
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schaffen. Dieser war von vornherein als ein »ruhiger« Bereich konzipiert, in dem nach wie vor ausschließlich Einzelarbeitsplätze angeboten werden.
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Der bei weitem größte Standort (mit mehr als 80 Prozent des gesamten Bestandes) der Universitätsbibliothek (UB) befindet sich
am Campus Grifflenberg, dem Hauptstandort der BUW, im GebäuI Abb. 2).
de BZ (s.MI
P
K
Gaußstraße
Der Gebäudeteil BZ ist mit den umliegenden Gebäuden verbunden
und befindet sich »mitten
im Geschehen«, was für alle Beteiligten
I
von großem Nutzen ist, allerdings nur wenig Möglichkeiten zum
Anbauen bietet. Anfang der 1990er Jahre wurde daher beschlossen, eine Dachfläche auf der Ebene BZ.09 zu überbauen und als
Lesesaal zu nutzen. Dadurch war es möglich, auf einer Fläche von
U
284 Quadratmetern einen Lesesaal mit etwa 60 Arbeitsplätzen zu
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G
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G
HAUPTEINGANG
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F
BZ
D
Zentrale
Studienberatung
Bereits 1992 hatte der damalige Bibliotheksdirektor Dr. Dieter
Stäglich auf die Möglichkeit hingewiesen, weitere Dachflächen
zu bebauen.(5) Planungen, die in den folgenden Jahren erfolgten,
konnten nicht umgesetzt werden. 2010 dann war das Rektorat in
der Lage, einen Betrag von rund 3 Millionen Euro bereitzustellen,
mit dem ein neuer Lesesaal auf der Ebene BZ.10 errichtet werden
konnte. Die Fläche grenzt an die Gebäude F und G (s. Abb. 2) und
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ist über das Treppenhaus der UB erschlossen. So kann die gesamte
Infrastruktur des Gebäudes BZ mitgenutzt werden.
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Bergisches
Zimmer
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Abb. 2: Lageplan der Bergischen Universität Wuppertal
20
Verbindungstürme mit Treppen
Fußwege
und Aufzügen
Fußwege auf Gebäudeflächen
Eingänge
Treppen
Straßen
Bibliothekszentrale
ENDNOTEN
1. Stäglich, Dieter: Planung und Entwicklung 1972–1980. In: DFW Dokumentation Information,
Sonderheft Bibliothekartag, 1980, S. 13ff.
2. Rektoratsbericht 2010. Wuppertal, Bergische Universität Wuppertal, 2011, S. 104f.
Der Lesesaal ist flächendeckend mit WLAN versorgt. Die Stromversorgung ist ebenfalls (nahezu) flächendeckend. So verfügt der Lesesaal über ein dichtes Netz von Bodensteckdosen, zudem ist ein
großer Teil der Möbel mit Steckdosen versehen.
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m
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Abschließend lässt sich festhalten, dass der Bereich Lernen und
Lernräume trotz Internet und Virtualisierung an Bedeutung gewinnt. Längst zählt nicht mehr nur die Zahl der Arbeitsplätze, sondern auch ihre Qualität.
Die Strukturierung des Innenraums lag ausschließlich in der Hand
der Bibliothek. Bei der Planung sollte insbesondere den Wünschen
der Studierenden nach Räumen für gemeinsames Lernen Rechnung getragen werden. Diese Bedürfnisse waren beispielsweise in
der Planungszelle »Kommunikative Räume an der Bergischen Universität Wuppertal« erarbeitet worden.(6) Nicht nur auf Grund dieser Ergebnisse wurde entschieden, den Lesesaal in unterschiedliche
Bereiche zu untergliedern: einen ruhigeren, mit eher an klassische
Lesesäle erinnernder Möblierung und einen mit loungeartig aufgelockerter Möblierung (s. Foto).
DER NEUE LESESAAL 2012
HN
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Es liegt auf der Hand, dass eine Hochschule, die Anfang bis Mitte der 1970er Jahre geplant wurde, mit ihrer Gebäudetechnik hinsichtlich der infrastrukturellen Vernetzung nicht an die Bedürfnisse des »Netzzeitalters« angepasst war. Es gelang – unterstützt vom
Dezernat Gebäudemanagment und dem Zentrum für Informationsund Medienverarbeitung der Bergischen Universität Wuppertal –
die Stromversorgung deutlich auszubauen und das WLAN flächendeckend in der UB anzubieten.
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Foto: Hans Jürgen Landes
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Bibliothek, vielmehr geschah sie in einem Prozess, der von den Mitarbeitern der UB – mehr oder minder – begleitet wurde. Die einzige
Konstante war der ruhige Lesesaal auf der Ebene BZ.09. Im Folgenden kristallisierten sich bestimmte Bereiche heraus, in denen Nutzer selbst auf Ruhe achten, wie beispielsweise in den Bereichen, in
denen sich die geistes-, wirtschafts- und rechtswissenschaftliche Literatur befindet.
Entstanden ist ein zylindrischer Baukörper mit umlaufender Verglasung, der insgesamt rund 200 Arbeitsplätze bietet (Planung:
Schamp & Schmalöer, Dortmund). Der Anbau hat eine Raumhöhe
von etwa sechs Metern, so dass drei kleinere, zweigeschossige Zylinder in dem Raum stehen können (s. Foto). Der untere Bereich
dieser Zylinder ist geschlossen und kann als Gruppenarbeitsraum
genutzt werden, der obere Bereich ist offen und loungeartig ausgestattet.
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Gaußstraße
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Der zylindrische Baukörper in der Mitte des Lesesaals kann als Gruppenarbeitsraum genutzt werden.
H
PB
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Einen Meilenstein in der Entwicklung der Lernraumsituation in
der UB Wuppertal stellte die Einrichtung der Fachbibliothek 7 am
Campus Freudenberg dar, einem ehemaligen Kasernengelände.
Seit 2003 stehen dort auf einer Fläche von etwas mehr als 1.100
Quadratmetern zum einen die Bestände der Fächer Elektro-, Informations- und Medientechnik zur Verfügung sowie das Magazin
für Monographien. In der Folge des Umzugs dieser Bestände zum
Campus Freudenberg wurde es möglich, die Bibliothek am Campus Grifflenberg neu zu strukturieren. In diesem Zuge wurden die
gebundenen Zeitschriften bis zum Erscheinungsjahr 1990 magaziniert. Insbesondere diese Entscheidung schuf die Voraussetzungen,
um 2003 erstmals einen großzügigen PC-Lesesaal und einen eigenen IT-Schulungsraum einzurichten und so der wachsenden Bedeutung des Internets und der allgemeinen technischen Entwicklung
Rechnung zu tragen.(4)Somit war es also gelungen (s. Abb. 1) den
Abbau von Arbeitsplätzen in der UB Wuppertal zu stoppen bzw. in
Ansätzen sogar umzukehren.
3. Rektoratsbericht 1992. Wuppertal, Gesamthochschule Wuppertal, 1993, S. 11
4. Stadler, Uwe: Die digitale Uni-Bibliothek. In: Wuppertaler Uni-Magazin 23 (2003)
5. Uni-Bibliothek zu klein für eine Million Bände. In: Westdeutsche Zeitung,
Wuppertaler General-Anzeiger, 1. Februar 1992
6. Forschungsstelle Bürgerbeteiligung an der Bergischen Universität Wuppertal (Hrsg.):
Mit dem neuen Lesesaal kamen nicht nur rund 200 Arbeitsplätze neu hinzu. Zudem wurden seit dem Bezug Anfang 2012 die Arbeitsbereiche der Bibliothek neu strukturiert und zoniert, wie es in
den Empfehlungen der DINI-AG Lernräume beschrieben wird.(7) Interessant: Die Zonierung vollzog sich weniger durch Vorgaben der
Planungszelle 2009. Kommunikative Räume an der Bergischen Universität Wuppertal.
Wuppertal 2010
7. Deutsche Initiative für Netzwerkinformation e.V., Arbeitsgruppe „Lernräume“ (Hrsg.):
Die Hochschule zum Lernraum entwickeln. Empfehlungen der DINI-AG Lernräume.
Kassel 2013, S. 34; http://d-nb.info/1043590714/34
21
IM FOKUS /
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1/15
DIE O.A.S.E. DER ULB DÜSSELDORF IST
LERNORT UND ERLEBNISRAUM
Im Mai 2008 musste das alte Gebäude der
Fachbibliothek Medizin der Universitätsund Landesbibliothek Düsseldorf (ULB)
Düsseldorf nach 40 Jahren Nutzungszeit
wegen Baufälligkeit geschlossen werden.
Als Ersatz sollte, insbesondere auf Wunsch
des Studierendendekanats der Medizinischen Fakultät, ein zeitgemäßes Lern- und
Kommunikationszentrum mit Beratungsund Veranstaltungsräumen entstehen. Das
Projekt war von aktuellen Lernortkonzepten geleitet und erhielt den Namen O.A.S.E.,
Ort des Austauschs, des Studiums und der
Entwicklung. Damit wird das Gebäude
deutlich als Lern- und Kommunikationsort
im Sinne eines »Library and Learning Centers« positioniert. Die Architekten schufen
durch gestalterische Elemente ikonographische Bezüge zum Wissenschaftsfach Medizin, etwa indem das weiße Glasmosaik der
Fassade mit einer schimmernden Hautoberfläche, die grünen leicht geschwungenen
Fensterbänder mit Adern, oder Betonkerne im Inneren des Gebäudes mit der Struktur von Knochen assoziiert werden können.
EIGENSTUDIUM, TEAMARBEIT
In den oberen fünf von acht Etagen des Gebäudes wurde die neue Fachbibliothek Medizin realisiert, wobei die aktuellen Anforderungen aus Forschung, Lehre und
Studium in die Neukonzeption der Bibliothek einflossen.(1) Bei der Einteilung der
Fläche in Funktionszonen stand eine deut-
Auf jeder der fünf Etagen
gibt es Angebote unter
dem Aspekt des Lernorts
und Erlebnisraums Bibliothek für die verschiedenen
Lern- und Arbeitssituationen: In der 4. Etage befindet sich ein heller und
modern
ausgestatteter
Schulungsraum, in der
5. und 6. Etage Einzelarbeitsplätze in verschiedenen ergonomischen Anordnungen sowie auf der
5. und 7. Etage je drei gut
ausgestattete Gruppenar-
22
beitsräume. In der 7. Etage wurde zudem
ein durch hochwertigen Parkettboden und
bequeme, Aufmerksamkeit erregende Sitz-
Die Architekten schufen
durch gestalterische
Elemente ikonographische
Bezüge zum Wissenschaftsfach Medizin.
International anerkannte
Experten bescheinigen der
Fachbibliothek Medizin in
der O.A.S.E. Bestnoten in
Funktionalität und Design.
möbel gestalteter Loungebereich realisiert,
durch dessen bodentiefe Fenster eine entspannende Aussicht ermöglicht wird. Die 8.
Flexible Möblierung bietet Gruppentische, die sich mit wenigen Handgriffen in
Einzelarbeitsplätze verwandeln lassen.
Etage liegt als offene Galerie über dem letzten Vollgeschoss und beherbergt weitere
Einzelarbeitsplätze, die aufgrund der luftigen Transparenz und des hellen Ambientes
sowie des Ausblicks über die Hochschule
und die Stadt zu den beliebtesten Arbeitsplätzen auf dem Campus zählen.
FUNKTIONALITÄT, QUALITÄT, DESIGN
Die O.A.S.E. ist nicht mehr Bibliothek im klassischen Sinn,
sondern ein modernes „Library and Learning Center“.
Fotos: ULB Düsseldorf/Christof Neumann
MICHAEL PORZBERG
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
liche Vermehrung von Arbeitsplätzen im
Vordergrund, denn durch die Arbeitsverdichtung der konsekutiven Studiengänge,
die steigenden Studierendenzahlen und
die von der Bibliothek angebotenen langen Öffnungszeiten war eine starke Nachfrage nach Arbeitsplätzen entstanden. Bei
der Spezifikation des Funktionsprogramms
hatten sich die Planungsverantwortlichen
mit einer bedarfsgerechten Zonierung und
der Differenzierung nach verschiedenen
Arbeitsplatztypen zu beschäftigen, denn Eigenstudium, Teamarbeit und Peer-Teaching
wurden im neuen Curriculum viel stärker
als bislang betont. Die benötigte IT-Infrastruktur, räumliche Bezüge zwischen den
einzelnen Zonen des Lernraums und den Servicebereichen der Bibliothek und
die Anordnung von Bereichen mit unterschiedlichen
Geräuschpegeln
waren für die gesamte
Bauplanung der Fachbibliothek Medizin bestimmende Einflussgrößen.
Anteil an elektronischen Medien Rechnung
tragend wurde auf zwei der fünf Geschosse
völlig auf Regalflächen für die Aufstellung
gedruckter Medien verzichtet. Bei der Diskussion mit den Nutzerinnen und Nutzern
der Fachbibliothek Medizin über das Konzept der Bibliothek überraschte, dass sie
die Anwesenheit von Bücherregalen eher
mit einem die Konzentration fördernden
Ambiente und weniger mit einer erforderlichen Nähe zu für das Lernen und Arbeiten
International anerkannte Experten bescheinigen der Fachbibliothek Medizin in der
O.A.S.E. Bestnoten in Funktionalität und
Design.(2) Dazu trägt auch das sorgfältig
ausgewählte Mobiliar bei: Mit Konsolentischen, Hockern, Lounge-Sofas und Sesseln mit und ohne akustische Abschirmung
wurden unterschiedliche ergonomische
Anforderungen gelöst. Bei der Planung
wurden Funktionalität, Qualität und Design sorgsam unter einen Hut gebracht.(3)
Der Lernort ist durch viele verschiedene Arrangements auf den individuellen Bedarf
zugeschnitten: von Offenheit bis Introvertiertheit, von stiller Lesesaalsituation bis
zur Interaktion im Lernteam. Organische
Formen und Kombinationen von Arbeitstischen und Möbeln unterstützen die vielfältigen Möglichkeiten, den Lernort und Erlebnisraum optimal nutzbar und erfahrbar
zu machen. Seit ihrer Eröffnung im November 2011 erfreut sich die Fachbibliothek
Medizin in der O.A.S.E. einer hohen Besuchsfrequenz, die Kombination aus Lernort und Erlebnisraum, die Arbeitsplätze,
Arbeitsräume, Rekreations- und Veranstaltungsflächen kommen ausgesprochen gut
bei den Nutzerinnen und Nutzern an.
erforderlichen Buchbeständen assoziierten.(4) Dass durch moderne Lernort-Konzepte gleichsam die Bücher aus der Bibliothek
vertrieben oder bestenfalls als Staffage für
einen lernfördernden Ort geduldet werden, mag durchaus kritisch gesehen werden. Denn Konzepte für den Lernort sollten
stets auch mit dem Auftrag der Bibliothek
als Gedächtniseinrichtung in Einklang gebracht werden.
ENDNOTEN
1. Vgl. Brunenberg-Piel, Ulrike; Werner, Klaus Ulrich: Die
neue Fachbibliothek Medizin der ULB Düsseldorf in der
O.A.S.E. In: ABI Technik 32 (2012) Heft 1, S. 2–13
2. Vgl. ebda.
3. Vgl. Willhardt, Rolf: O.A.S.E. – Lernort und Erlebnisraum.
In: Uni-Magazin der Heinrich-Heine-Universität 2012-1,
Düsseldorf 2012, S. 26–29
4. Vgl. Siebert, Irmgard: Entstehung und Entwicklung des inte-
Dem spezifischen Bedarf bei der Literatur- und Informationsversorgung des Wissenschaftsfachs Medizin mit seinem hohen
23
grierten Bibliothekssystems der ULB Düsseldorf. In: Söllner,
Konstanze; Sühl-Strohmenger, Wilfried (Hrsg.): Handbuch
Hochschulbibliothekssysteme. Berlin 2014, S. 152f.
IM FOKUS /
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1/15
NEUER ARBEITS- UND LERNORT
UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK PADERBORN
Der Ansturm von Studierenden auf Wissenschaftliche Bibliotheken war selten größer
als heute. Das gilt auch für Paderborn, wo
die Universitätsbibliothek (UB) der beliebteste und – mit durchschnittlich über 4.700
Besuchern pro Tag – der meistbesuchte universitäre Lernort ist. Wie andernorts wird
vermutet, dass die hohe Anziehungskraft
mit den veränderten Studienbedingungen, dem spezifischen Mix der vielfältigen
Dienstleistungen sowie mit der besonderen Atmosphäre der Bibliothek zusammenhängt. Die offensive Bereitstellung elektronischer Informationsmedien, für die die UB
Paderborn aktuell 66 Prozent ihres Erwerbungsetats verwendet, scheint die Bedeutung des Ortes Bibliothek nicht zu verringern, sondern geradezu zu stärken.
Die Universitätsbibliothek
Paderborn ist
der beliebteste und
meistbesuchte
universitäre Lernort.
Diese außerordentlich positive Entwicklung evozierte in Paderborn bauliche Veränderungsbedarfe in quantitativer und
qualitativer Hinsicht: Das 1977 eröffnete
Bibliotheksgebäude war mit gut 7.100 Quadratmetern Hauptnutzflächen (HNF) für
etwa 8.000 Studierende geplant. Obgleich
lien und hohe Designqualität besticht: Die
dezent anthrazitgrauen Regale der Firma
Schulz Speyer Bibliothekstechnik AG haben
bewusst eine bedienungsfreundliche Höhe
von nur 2,25 m erhalten. Die neuen Arbeitsplätze wurden unter optimaler Nutzung
der räumlichen Gegebenheiten entlang der
Fensterfassade eingerichtet. Das Konzept für
sichtnahme der Nutzer untereinander wie
auch die Achtsamkeit im Umgang mit dem
Raum signifikant höher ist, als in den anderen Bereichen der UB.
Basierend auf den seit 2013 gewonnenen Erfahrungen ist für die nächsten Jahre eine weitere räumliche Erweiterung für
Buchstellflächen, Einzelarbeitsplätze und
-räume geplant sowie ein sukzessiver Umbau des gesamten Benutzungsbereiches
ins Auge gefasst. Ziel aller Maßnahmen ist
es, durch eine hochwertige, ästhetisch ansprechende und zugleich funktionale Gestaltung den gesamten Benutzungsbereich
der UB zu einem bedarfsgerechten und zukunftsfähigen Arbeits- und Lernort mit einem breit gefächerten Angebot an unterschiedlichen Zonen und Arbeitsplatztypen
aus- und umzubauen. Die Bibliothek soll zu
einem »landmark« des Wissens werden, der
sich im wahrsten Sinne des Wortes »sehen
lassen« kann.
UMDENKEN
Wie für viele der in den 1970er Jahren errichteten Bibliotheken lag auch in Paderborn der Schwerpunkt der Nutzerorientierung auf der raschen und umfassenden
Bereitstellung von Literatur, möglichst in
Freihandaufstellung und zu großzügigen
Öffnungszeiten. Die Einrichtung eines umfangreicheren Büchermagazins erachtete
man als entbehrlich. Einen intensiven Bedarf an Nutzerarbeitsplätzen sah man in
der Regel nicht. Und dass die Bibliothek
auch ein attraktives und animierendes Arbeits- und Lernumfeld bieten müsse, wurde nur vereinzelt gefordert. Ein Umdenken
fand erst in den letzten Jahren statt.
Mit Beginn des Wintersemesters 2013/14
konnte die UB Paderborn um gut 1.300
Quadratmeter HNF erweitert werden. Dies
ermöglichte u. a. die Schaffung von 42 zusätzlichen Arbeitsplätzen und eines kleinen
Lounge-Bereiches, eine Erweiterung der Regalflächen für die frei zugänglich aufgestellte Literatur der Fachgebiete Kunst-, Musikund Medienwissenschaften, die Einrichtung
neuer Büroräume sowie von Räumlichkeiten für das in die UB integrierte Universitätsarchiv.
Mit Blick auf die veränderten Arbeits- und
Lerngewohnheiten der Studierenden entwickelte die UB eine neue innenarchitektonische Konzeption, die vor allem durch die
Hochwertigkeit der verwendeten Materia-
24
Im Ergebnis wurde eine
überdurchschnittliche
Aufenthaltsqualität geschaffen.
die Informationstheke sowie den LoungeBereich wurde gemeinsam mit der Firma
Walter Nagel GmbH & Co KG erarbeitet. Die
puristische Form der neuen Arbeitsplätze
wird durch dezente funktionale Elemente,
wie eigens für die UB entwickelte LED-Arbeitsleuchten und Steckdosen/Schlossanker-Einheiten (zum Sichern von Notebooks)
ergänzt und perfektioniert. Die Bestuhlung
mit Freischwinger-Stühlen der Firma Vitra ermöglicht ein angenehmes längeres Sitzen in Schreibposition. Dazu passend finden sich im Lounge-Bereich Vitra-Sessel.
LITERATUR
Antonius Jammers: Zum Bedarf an Leseplätzen in Hochschulbibliotheken. In: Vom Bauen neuerer Bibliotheken.
Erinnerungen, Erfahrungen, Planungen. Hrsg. von
Rolf Fuhlrott. Wiesbaden 1979, S. 163-178; elektronische
HOHE ACHTSAMKEIT
Im Ergebnis wurde eine überdurchschnittliche Aufenthaltsqualität geschaffen, die die
hohe Wertschätzung der Universität und
der Bibliothek gegenüber den hier arbeitenden und lernenden Studierenden signifikant zum Ausdruck bringt.
Festgestellt werden kann inzwischen, dass
die Resonanz der Nutzerinnen und Nutzer
auf die neuen Räumlichkeiten und Angebote uneingeschränkt positiv ist. Beobachtet
werden kann zum Beispiel, dass die Rück-
Fotos: bereitgestellt durch Walter Nagel GmbH & Co. KG
DIETMAR HAUBFLEISCH
Universitätsbibliothek
Paderborn
der Literaturbestand seitdem stark anwuchs, und die Zahl der Studierenden bis
zum Wintersemester 2013/14 auf knapp
20.000 stieg, wurden bis zu diesem Zeitpunkt keine nennenswerten räumlichen Erweiterungen vorgenommen.
Als moderne Universitätsbibliothek
legt die UB Paderborn großen Wert darauf,
ein attraktives und animierendes
Arbeits- und Lernumfeld zu bieten.
Veröffentlichung. Hrsg. von Dietmar Haubfleisch.
Paderborn: Universitätsbibliothek, 2012:
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hbz:466:2-10232
Helmut Bonheim: Die Traumbibliothek.
In: Verband der Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen.
Mitteilungsblatt N.F. 23 (1973) S. 119–122;
elektronische Veröffentlichung. Hrsg. von Dietmar
Haubfleisch. Paderborn: Universitätsbibliothek, 2012: http://
nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hbz:466:2-9921
Dietmar Haubfleisch: 40 Jahre. Von der Planung der
Gesamthochschulbibliotheken zur Universitätsbibliothek Paderborn 2012. Paderborn 2012, S. 324–340
(40 Jahre Universität Paderborn, hrsg. von Peter Freese)
25
1/15
6. „NACHT DER BIBLIOTHEKEN“
BOT BEWEGENDES PROGRAMM
Weit mehr als 50.000 Besucherinnen und Besucher ließen sich bei der
SUSANNE LARISCH
»Nacht der BibliotheÖffentlichkeitsarbeit
ken" am Freitag, 6. März
vbnw
2015, bewegen – und
das in mehrfacher Hinsicht. Crossboccia-Turniere, Tango-, Salsa-, Zumba-, Hip-Hop- und Bokwa-Workshops luden passend zum Motto »eMotion – Bibliotheken bewegen!«
zum Mitmachen ein. Das Jubiläum – 10 Jahre »Nacht der Bibliotheken« – wurde in vielen der rund 200 Öffentlichen und Kirchlichen Bibliotheken, die in ganz Nordrhein-Westfalen teilnahmen,
zum rauschenden Fest. Jongleure, Tänzer, Rhönradfahrer, Rollerskater und Artisten tummelten sich zwischen Bücherregalen und
Verbuchungstheken. Tischtennis-Match mit ausrangierten Bü-
Attraktivität unserer Bibliotheken, ohne die die Bildungs- und Kulturlandschaft in NRW nicht vorstellbar ist.«
Als vielfältig und attraktiv dürften die vielen tausend Gäste die Bibliotheken im Land tatsächlich erlebt haben. In der Berichterstattung über die »Nacht der Bibliotheken« wird die Überraschung darüber immer wieder deutlich. »Dass Bibliotheken mehr sein können,
als eine ,Ausleihstation’ für Bücher, hat der Aktionstag am Freitag einmal mehr unter Beweis gestellt«, schrieb die WAZ Neuenrade. »Ruhe bitte – von wegen!« titelten die Westfälischen Nachrichten Gronau. Und weiter: »Die Organisatoren stellten passend zum
Motto ein Programm auf die Beine, das mit viel Action und Bewegung gefüllt war und sämtliche Bücherei-Klischees über Bord warf:
Zwischen den Bücherregalen durfte laut geredet, getanzt und sogar
Sport getrieben werden.« Sei noch die WAZ Witten zitiert: »Fröhlich plaudernde Menschengruppen, spielende Kinder, Tänzer, Musik
und Snacks! Der wahr gewordene Alptraum eines jeden Bibliothekars? Im Gegenteil!«
Dino-Alarm in der Stadtbibliothek Elsdorf: Die Bilderbücher des
Digitalzeitalters faszinierten die Kinder.
26
Fotos: Bourichter (l. oben)
vbnw-Vorsitzender, Harald Pilzer, Düsseldorfs Kulturdezernent
Hans-Georg Lohe, vbnw-Präsident Andreas Bialas, Dr. Norbert Kamp,
Leitender Städt. Bibliotheksdirektor der Stadtbüchereien Düsseldorf,
vbnw-Vorsitzender Uwe Stadler und Beate Möllers vom Kulturministerium NRW (v. l.) bei der Eröffnung in Düsseldorf.
Foto: sla (l. unten)
chern? Das war in Hattingen ein Knüller! Bewegend im Sinne von
aufregend, anrührend, amüsant waren überall im Land die Veranstaltungen mit bekannten Autoren, Kabarettisten, Poetry-Slammern und Standup-Comedians, so u. v. a. Gisa Klönne, Lena Gorelik,
Eugen Drewermann, Bastian Bielendorfer und Maxi Gstettenbauer. Spannung herrschte bei den Zockern: Games vom Konsolenspiel über die QR-Code-Rallye bis zu Hybrid- oder App-Games zogen ganze Familien in ihren Bann. Und auch Musik gab es reichlich,
dazu Crossboccia-Turniere allerorten.
Andreas Bialas, Präsident des Verbands der Bibliotheken des Landes
Nordrhein-Westfalen e. V. (vbnw), der die »Nacht der Bibliotheken«
alle zwei Jahre organisiert, eröffnete die landesweite Veranstaltung
in der Zentralbibliothek der Stadtbüchereien Düsseldorf. »Wollen
wir die Faszination von Vielfalt und Kulturen leben?« fragte er und
betonte: »Die finden wir in Wörtern und Büchern. Und Bibliotheken
sind es, die den freien Zugang dazu ermöglichen.« Kulturministerin
Ute Schäfer, Schirmherrin dieser 6. »Nacht der Bibliotheken«, ließ
Grüße überbringen. Sie hatte schon im Vorfeld gebeten: »Lassen Sie
sich anregen, begeistern und auch überraschen von der Vielfalt und
Das Publikum war ganz dabei, ob beim Kinderprogramm
in der Stadtbibliothek Herten oder den Fitness-Aktionen der
Stadtbibliothek Hilden.
Die »Nacht der Bibliotheken« will nicht nur Dankeschön für die vielen Fans der Bibliotheken sein, sie will Neugierige anlocken und
die besonderen Angebote der Bibliotheken bekannt machen. Dank
des Einfallsreichtums der Bibliotheksteams und ihrem Mut, Neues auszuprobieren, gelang das mit der Veranstaltung 2015 voll und
ganz. Dies bewies nicht nur die Resonanz der Besucher wie zum
Beispiel in Witten – Lisa, 16: »Die ,Nacht der Bibliotheken’ ist eine
wirklich coole Idee!« –, sondern auch das außerordentlich große
Medienecho. Die Berichterstattung vor allem in den lokalen Tageszeitungen nahm breiten Raum ein. Die Lokalzeiten des WDR Fernsehens waren in den Bibliotheken unterwegs, ebenso Teams der lokalen Privatsender. Takt, das Kundenmagazin der Deutschen Bahn,
Auflage 70.000 Stück, kündigte die »Nacht« in ganz NRW an. Überregional wurde mit Pressekonferenz und einem Hörfunkspot geworben, der eine gute Woche im Werbeblock von WDR 2 zu hören war.
Auch Medienpartner WDR 5 bewarb die »Nacht« mit einem Spot. Die
Webseite www.NachtderBibliotheken.de informierte über Konzept
und Veranstaltungen und hatte allein am 6.3.2015 1.500 Besucher.
27
Viel Bewegung gab's auch in der Stadtbibliothek Mönchengladbach,
die diesmal die 1.000-Besucher-Marke knackte.
Mit Konzentration dabei: In Coesfeld führte das CrossbocciaTurnier treppauf und treppab.
VERBAND /
1/15
1/15
MEDIOTHEK KREFELD
MIT HOLLYWOOD-FLAIR
Regelmäßig wurden Tweets verschickt. Flyer und Plakate informierten auf lokaler Ebene. Die Vorbereitungen in vielen Bibliotheken
konnten auf der Facebook-Seite der »Nacht« verfolgt werden, deren
Besucherzahl stetig wuchs. Höhepunkt: Die Meldung zur Veröffentlichung des Imagefilms erreichte 4.592 Besucher.
Eine landesweite Aktion ist nur mit Hilfe engagierter Förderer und
Sponsoren zu verwirklichen. Neben dem Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW engagierten sich die Sparkassen NRW, die ekz.bibliotheksservice GmbH und
der vbnw finanziell. Der Verband verloste u. a. drei Büffets unter
den teilnehmenden Bibliotheken, die die Stadtbüchereien Bergheim und Elsdorf sowie die Bücherei St. Anna in Neuenkirchen gewannen. Medienpartner war WDR 5. Großer Dank gebührt den
Mitgliedern der kleinen, überwiegend ehrenamtlich arbeitenden
Planungsgruppe mit Karola Hüttenrauch, Martin Kramer, Jutta
Schwichtenberg, Michael Schürmann, Stephan Schwering, Brigitte Tingelhoff und Susanne Larisch, zuständig für Organisation und
Öffentlichkeitsarbeit.
Die Arbeit Öffentlicher Bibliotheken (ÖBs)
hat viele Facetten. Was also tun, wenn man
Bibliothek in Bildern darstellen und trotzdem keinen Mehrteiler drehen will? Da
bleibt nur, sich auf einen Aspekt zu beschränken. Das Motto der »Nacht der Bibliotheken« »e-Motion – Bibliotheken bewegen!« nahm die vbnw-Planungsgruppe
»Nacht« zum Anlass, einen Imagefilm zu
produzieren, den die Einrichtungen auch
unabhängig von der Veranstaltung für ihre
Eigenwerbung nutzen können. Zielgruppe:
Menschen, die Bibliothek immer noch mit
Lesestube assoziieren.
Magische Momente erlebten die Kinder in der Stadtbibliothek
Emsdetten.
Westfalens Kulturministerin Ute Schäfer als
Schirmherrin der »Nacht der Bibliotheken«:
»Es ist nicht neu, dass die Bibliotheken – vor
allem die kommunalen Bibliotheken – durch die
neuen Informationstechnologien außerordentlich
gefordert sind. Sie müssen den Spagat schaffen
zwischen der Herausforderung, neue Angebote in
der digitalen Welt zu etablieren und gleichzeitig ihren traditionellen Auftrag
als Kultur-, Bildungs- und
Informationseinrichtung
so zu erfüllen, dass sie als
Bibliothek erkennbar bleiStephan Schwering, Leiter der Zentralbibliothek der Stadtbüben.« Die Bibliotheken als
chereien Düsseldorf, Dr. Norbert Kamp, Leiter der StadtbücheKultur- und Bildungseinreien Düsseldorf, Kulturministerin Ute Schäfer, vbnw-Präsident
richtungen zu stärken und
Andreas Bialas, Michael Breuer, Vorsitzender des Kuratoriums
ihre Zukunftsfähigkeit zu
der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland und Präsident des
fördern, liege der LandesRheinischen Sparkassen- und Giroverbandes, und Harald Pilzer,
regierung am Herzen. HaVorsitzender des vbnw (v. l.).
Anlässlich der überregionalen Pressekonferenz in der Zentralbibliothek der Stadtbüchereien Düsseldorf betonte Nordrhein-
28
rald Pilzer, Vorsitzender des Verbands der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen
e. V. (vbnw), der die landesweite Veranstaltung alle zwei Jahre organisiert, nahm das
10-jährige Bestehen der »Nacht der Bibliotheken« zum Anlass für einen Rückblick.
»Bibliotheken haben sich behauptet, verändert, modernisiert, sind ,aktiver’ und sichtbarer geworden«, erläuterte er. Ohne finanzielles Engagement der Sponsoren (vbnw,
ekz.bibliotheksservice GmbH, Sparkassen
NRW, MFKJKS) gäbe es keine »Nacht der
Bibliotheken«. Michael Breuer, Vorsitzender
des Kuratoriums der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland und Präsident des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes, erläuterte stellvertretend für die Sparkassen
in NRW: »Wir unterstützen vielfach herausragende Kulturprojekte, die für ganz NRW
von besonderer Bedeutung sind, darunter
zahlreiche Maßnahmen zur Leseförderung.
Lesen ist eine der Grundvoraussetzungen,
um Bildung zu erlangen. Die Bibliotheken
spielen dabei eine zentrale Rolle.«
Fotos: Schwichtenberg
KULTURMINISTERIN SCHÄFER: „BIBLIOTHEKEN MÜSSEN SPAGAT SCHAFFEN“
Der Clip sollte die moderne, bewegende ÖB
als einen Treffpunkt mit Wohlfühl- und Erlebnischarakter zeigen, die neuen Angebote der Bibliotheken ins rechte Licht rücken
– und das alles in maximal 2,5 Minuten. Ein
ambitioniertes Unterfangen! Dank der Beratung des Filmteams rund um Kameramann
Peter Chlistowski – Perfektionist und Technikfreak, der u. a. ARD-Tatorte dreht – und
Timo Beelow, Chef der Crossboccia GmbH
in Wuppertal, der die Regie übernahm, entstanden Drehbuch und Storyboard. Die Akteure sollten authentisch sein. Deshalb und
auch aus finanziellen Gründen wurde mit
Laien gedreht. Die Mitglieder der Planungsgruppe überzeugten ihre Freunde, Familien-
mitglieder und Kollegen davon, dass diese
sich schon immer mal als Schauspieler versuchen wollten. Und so fand sich an einem
Sonntag Ende Januar, 8 Uhr, tatsächlich ein
Grüppchen von Menschen in der Mediothek
Krefeld ein, die neugierig die Verwandlung
der Bibliothek in einen Drehort mit Hollywood-Atmosphäre beobachteten und gespannt auf ihren Einsatz warteten. Das Ergebnis dieses aufregenden Tages ist auf
Youtube (»Bibliotheken NRW Imagefilm«)
zu begutachten. NRW-Bibliotheken können
den Clip auf den Webseiten des vbnw oder
der »Nacht der Bibliotheken« downloaden.
Ohne die vielen zuverlässigen Helfer hätte
dieser Filmdreh niemals zum Erfolg geführt.
Dank geht an das tolle Team der Bibliothek
Krefeld und an Martin Kramer, der als Drehort-Verantwortlicher viel Arbeit hatte. Dank
an Larissa, Lucas und Sonja vom »Jugendclub Theater Krefeld und Mönchengladbach«. Dank an Caroline Rullmann und Jutta
Schwichtenberg (Stadtbibliothek Gelsenkirchen), die die Filmfamilie mitbrachten,
die Kinder bei Laune hielten und für das Catering sorgten. Dank an alle Kolleginnen und
Kollegen, die uns am Drehtag unterstützten:
Manuela Atzor (Rheinberg), Evelyn Buchholtz, Barbara Dierkes, Katrin Hufschmidt,
Tilo Mieth (Krefeld) und Brigitte Tingelhoff
(Coesfeld). Und nicht zuletzt: Dank an die
Sponsoren der »Nacht der Bibliotheken«,
die auch das Filmprojekt möglich machten.
Susanne Larisch
Uuund action! Eindrücke von einem
aufregenden Drehtag in der Mediothek
Krefeld mit Filmfamilie (oben)
und dem Drehteam um
Kameramann Peter Chlistowski.
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KONZEPTE /
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VON KLEIN AUF –
LESEFÖRDERUNGSPROGRAMME DER
STADTBÜCHEREIEN HAMM
Es ist eines der Anliegen der Öffentlichen Bibliotheken, potentielle Leserinnen und Leser da
abzuholen, wo sie sich befinden, und nicht einfach die Türen zu öffnen und zu warten, wer
kommt. Aus dieser Überlegung heraus sind im vergangenen Jahrzehnt mehrere Programmreihen
entwickelt worden, über die Kinder vom Kleinstkindalter an mit der Bibliothek, ihren Themen und
ihren Angeboten in Berührung gebracht werden. Die folgende Darstellung orientiert sich am
Entwicklungsstand der Kinder und berücksichtigt weniger die Chronologie in der Entwicklung
der Programmreihen.
BOOKSTART
CHRISTIAN HÜTTEMANN,
VOLKER PIRSICH,
GUNDA WIRSCHUN,
Stadtbüchereien Hamm
Am Beginn des Lebens setzt Bookstart an. Zum 1. Mai 2007 gingen
die Stadtbüchereien Hamm mit diesem Programm an den Start. Mit
einer attraktiven roten Papiertüte mit der Aufschrift »Bücher für Babies – lernen lebenslang« in neun Sprachen und Schriften (neben
Deutsch, Englisch und Französisch auch Arabisch, Kroatisch, Polnisch, Russisch, Türkisch und Tamil), einem hochwertig aufgemachten Elternbrief in denselben Sprachen und einem Baby-Badebuch
konnten wir sowohl die deutschen Eltern als auch diejenigen mit
Migrationshintergrund ansprechen. Vor allem Letztere hatten wir
bis dahin mit unseren Informationen und Angeboten noch nicht in
ausreichendem Maße erreicht.
Bookstart war und ist nur als Projekt in Public-Private-Partnership umsetzbar, was sich als sehr schwierig herausstellte, da andere Partner als bei zuvor eingeführten Programmen gefunden werden mussten. Unser logistischer Partner bei dieser Aktion war das
Standesamt, dessen Kollegen durch die Verteilung der Tüten das Gelingen des Projekts überhaupt erst möglich machten. Bookstart ist
zweifellos eines der ganz wichtigen Programme der Stadtbüchereien Hamm, dennoch musste es aufgrund fehlender Sponsoren einige
Jahre lang zurückgefahren werden. Das Geld für die Buchgeschenke konnte eine Zeitlang nicht mehr akquiriert werden.
Seit dem Frühjahr 2014 gibt es nun eine Neuauflage, dieses Mal
in Verbindung mit dem Familienbüro. In den Begrüßungstaschen
für die Eltern von Neugeborenen und von zugezogenen Familien
mit kleinen Kindern ist wieder eine Lesetüte der Stadtbüchereien
enthalten. Die Mitarbeiterinnen des Familienbüros weisen bei ih-
Die Programme für jüngere Kinder beziehen ganz intensiv
deren Eltern ein und informieren diese über die Bedeutung von
Vorlesen und Lesen.
30
1/15
lauscht hatten, nahmen die Dreijährigen mit großen Augen ihre
»gelbe Tasche« entgegen.
ren Willkommensbesuchen auch darauf hin, wie wichtig Lesen und
Vorlesen für die Entwicklung von Kindern ist. Das Pixibuch und der
inzwischen neugestaltete Flyer in neun Sprachen sollen Lust auf
Lesen und Vorlesen machen und den Weg in die Bücherei weisen.
Allein 2014 konnte das Büchlein schon fast 1.000 Eltern und Kindern überreicht werden. Neben der Freude über das Geschenk wollen wir das Interesse an Sprache wecken und den Zusammenhang
zwischen (Vor-)Lesen und Bildung aufzeigen.
Weitere Kindertageseinrichtungen können individuelle Termine
zum Lesestart-Besuch vereinbaren. Und natürlich erhalten Eltern
dreijähriger Kinder das Lesestart-Set auch, wenn sie in den Stadtbüchereien danach fragen.
»Lesestart« will Eltern zum Vorlesen
und mehr Kinder zum Lesen bringen
und so ihre Bildungschancen konkret
und nachhaltig stärken.
LESESTART – DREI MEILENSTEINE FÜR DAS LESEN
»Lesestart – Drei Meilensteine für das Lesen« ist ein Programm für
Dreijährige, bei dem u. a. mit einem kleinen Buchgeschenk die Vorleselust gesteigert werden soll.
Ein Drittel aller Eltern liest ihren Kindern selten oder gar nicht vor.
Zu diesem Ergebnis kommt die Vorlesestudie 2014 der Stiftung Lesen, die Ende Oktober veröffentlicht wurde. Dabei fördert das Vorlesen nicht nur Sprachkompetenz und Wortschatz, sondern stärkt
auch den familiären Zusammenhalt: Die Atmosphäre von Geborgenheit und Zuwendung schafft Anknüpfungspunkte und Gesprächsanlässe weit über das Buch hinaus. Um die Bedeutung des
Vorlesens in der Familie hervorzuheben, sind die Stadtbüchereien
Hamm seit Herbst 2013 Partner
der bundesweiten Aktion »Lesestart – Drei Meilensteine für
das Lesen«. In der Zentralbibliothek und den Bezirksbüchereien
erhalten dreijährige Kinder ihr
persönliches Lesestart-Set: eine
Stofftasche mit einem Bilderbuch, Vorlesetipps (auch mehrsprachig) und einem kleinen Bücherei-Wimmelposter. Der Weg in
die Bücherei lohnt sich also, und
dort gibt es auch gleich noch viel
mehr zu entdecken!
Ein paar Worte zum Projekt: Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Stiftung Lesen im November 2011 gestartete Lesestart-Initiative will Eltern zum Vorlesen und mehr Kinder zum Lesen bringen und so ihre Bildungschancen konkret und
nachhaltig stärken. Zu diesem Zweck begleitet das Lesestart-Projekt Kinder in den entscheidenden frühen Lebensjahren bis zum
Eintritt in die Schule. In dieser Zeit erhalten Familien dreimal ein kostenloses Lesestart-Set,
das aus je einem altersgerechten
Buch sowie Tipps und Informationen zum Vorlesen und Erzählen
besteht. Der Fokus der Initiative
liegt auf Kindern, die in einem
bildungsbenachteiligten Umfeld
aufwachsen.
Dr. Volker Pirsich, Leitender
Städtischer Bibliotheksdirektor,
ist sehr zufrieden damit, dass
Hamm Partner des »Lesestarts«
ist. »Unsere bereits bestehenden Angebote zur Förderung der
Sprach- und Lesekompetenz von
Kindern und die bundesweite Lesestart-Initiative setzen sich für
In Kooperation mit dem Elisabeth-Lüders-Berufskolleg wurden im November 2014 zum
zweiten Mal Vorlese-Aktionstage »Lesestart« durchgeführt. 17
Hammer Kitas nutzten die Gelegenheit zu einem Büchereibesuch in ihrem Stadtteil, wo
angehende Erzieherinnen des
Berufskollegs den Kindern vorlasen. Nachdem sie der spannenden Bilderbuchgeschichte ge-
Das Lesestart-Projekt hat
das Ziel, auch Familien und
Kinder zu erreichen, die
Bibliotheken bislang selten
oder gar nicht besucht haben.
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KONZEPTE /
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Mit einem kleinen Geschenk im ersten Schuljahr wollen wir Kinder
und Eltern erreichen. Unsere Lesetüte enthält Folgendes:
›› ein attraktives Erstlesebuch für Leseanfänger mit vielen Bildern
und noch wenig Text
›› eine Information, warum Kinder lesen sollten; und dies mit
möglichst viel Unterstützung ihrer Eltern (eine derartige Information sollte zumindest auch in türkischer Sprache vorgehalten
werden)
›› ein Informations-Flyer über die Stadtbüchereien Hamm mit einer Anmeldekarte
›› ein kleines Geschenk für die Kinder (nicht in jedem Jahr realisiert).
mus – mit den Büchern auseinander. Das Prinzip ist denkbar einfach: In den Seiten der Bücher ist ein Code eingedruckt, der von den
Stiften gelesen werden kann. Wenn die
Kinder mit den Stiften auf besonders
markierte Bereiche zeigen, geben
die Stifte ein zu den Abbildungen passendes Geräusch wieder, oder ein Text wird vorgelesen.
Ting ist ein Hörstift, der Lesen und
Hören miteinander kombiniert. Mit
dem Sensor an der Stiftspitze wird ein
Code auf Buchseiten ausgelesen, der mit
unter­schiedlichen Audiodateien verknüpft
ist, die zum Buch gehören.
das gleiche Ziel ein: Kindern und ihren Eltern schon
frühzeitig Freude an Sprache, Büchern und (Vor)lesen zu vermitteln. Durch die aktive Teilnahme am Lesestart-Projekt haben wir die Möglichkeit, auch Familien und Kinder zu erreichen, die Bibliotheken bislang selten
oder gar nicht besucht haben«, erläutert er.
Hinter dem Projekt steckt allerdings weit mehr, als nur Ting-Stifte und Bücher an Kita-Kinder auszuteilen.
Diese Schlüsseltechnologie ist in ein umfangreiches Leseförderprogramm eingebettet, das vom Deutschen Bibliotheksverband und der Stiftung digitale Chancen
gefördert wird. Auf lokaler Ebene kooperieren die StadtbüchereiDie erste Phase von »Lesestart«, in der Familien mit einjährigen
Kindern im Rahmen der U6-Vorsorgeuntersuchung beim Kinder- en mit den Kommunalen Integrationszentren, die den Kontakt zu
ehrenamtlichen Helfern hergestellt haben. Diese sind das Rückgrat
arzt ein kostenloses Lesestartset erhalten, startete im November
2011. In der zweiten Phase ab 2013 erwartete die dann Dreijäh- dieses Projektes, das nach folgendem Schema geplant ist: Die Ehrenamtler besuchen eine Kita und führen dort
ein Bilderbuchkino durch. Hierbei werden die
Bilder eines Bilderbuches mithilfe eines Beamers
Wenn die Kinder mit den Ting-Stiften auf markierte
auf eine Leinwand projiziert und die passenden
Bereiche zeigen, geben die Stifte ein zu den Abbildungen
Textstellen vorgelesen. Danach wird thematisch
zu dem Bilderbuch gearbeitet, zum Beispiel gepassendes Geräusch wieder, oder ein Text wird vorgelesen.
bastelt. Bei einem zweiten Termin besucht dieselbe Kita-Gruppe die Bibliothek, und die Inhalte
rigen und ihre Eltern ein altersgerecht zusammengestelltes Lese- werden mithilfe der sprechenden Bücher vertieft. Die Stadtbüchereien Hamm haben mit 18 Hammer Kitas Kooperationsvereinbarunstart-Set in den örtlichen Bibliotheken. Diese arbeiten dabei eng
mit sozialen und kommunalen Einrichtungen wie zum Beispiel Kin- gen unterschrieben. Das Projekt läuft bis Ende 2015.
dertagesstätten zusammen. Für die dritte Lesestart-Phase ab 2016
Ganz bewusst haben wir uns dazu entschieden, Ehrenamtler mit
ist für jedes Kind mit dem Eintritt in die Schule ein Lesestart-Set
vorgesehen, das die Kinder zum Selberlesen motivieren soll. Wäh- Migrationshintergrund anzusprechen. Wir hoffen, dass sie einen
rend der ersten beiden Lesestart-Programmphasen stehen ausrei- besseren Zugang zu Kindern mit ebenfalls migrantischem Hinterchend Lesestart-Sets für mindestens die Hälfte der Familien bereit, grund haben, die in den Kitas zahlreich vertreten sind. Zusätzlich
in der dritten Phase soll jedes Schulkind ein Lesestart-Set erhal- wurden durch einen Zeitungsartikel weitere Interessenten auften. Diese dritte Phase greift die Idee der Hammer ABC-Tüten-Ak- merksam, so dass wir insgesamt zwölf Freiwillige gewinnen konnten. Seitens der Stiftung Lesen wurde eine Fortbildung für die Ehtion auf, die schon in ihr zehntes Jahr geht, und transferiert sie auf
renamtler organisiert. Inhalt: der Umgang mit TING-Stiften sowie
die Bundesebene.
Anregungen zur weiteren, vertiefenden Arbeit mit den Kindern.
„LESEN MACHT STARK“
Das Wort »Ting« soll für viele Kita-Kinder in Hamm bald mit zeitgemäßem Lesespaß und einem leichten Einstieg in die Welt der Bücher verbunden sein. Ting-Stifte ermöglichen den Gebrauch sogenannter »sprechender Bücher«. Die Kinder bekommen im Rahmen
des Projektes Bücher und Stifte zur Verfügung gestellt und setzen
sich dann – nach bisherigen Erfahrungen mit großem Enthusias-
32
Um das Projekt durchführen zu können, ist natürlich eine gewisse
technische Ausstattung nötig. Diese konnte von Projektmitteln gekauft werden, so dass nun zwei Beamer sowie drei Notebooks und
eine Leinwand zur Verfügung stehen. Schon die Erfahrungen der
ersten Monate zeigen, dass das Projekt ein voller Erfolg ist: begeisterte Kinder, hochmotivierte Freiwillige und zufriedene Projektteilnehmer machen Lust auf die weitere Arbeit.
In Hamm wurden 2004 ca. 2.000 Kinder eingeschult; es bedurfte anfangs also der beträchtlichen Menge von 2.000 Lesetüten. Inzwischen ist die Zahl der Einschulungen gesunken, liegt aber immer noch bei ca. 1.600. Rechnet man mit einem Durchschnittswert
von 1.800 Erstklässlern pro Jahr, haben in zehn Jahren inzwischen
18.000 ABC-Tüten neue Besitzer gefunden.
Lesen macht stark und regt die Fantasie an. Das wird schnell
deutlich, wenn die Kinder nach dem Anschauen eines Bilderbuchs gemeinsam basteln.
Lesen ist die Kulturtechnik, über die
sich alle anderen erschließen. Grund genug
also, ihr noch mehr Aufmerksamkeit zu
schenken, als bisher.
Auch die ganz Kleinen beweisen Sitzfleisch, wenn ihnen Geschichten in altersgerechter Form erzählt werden.
ABC-TÜTEN FÜR 18.000 KINDER
Seit 2004 gibt es alljährlich die Aktion »ABC-Tüten der Stadtbüchereien Hamm«, dementsprechend geht dieses Projekt, das älteste vergleichbarer Art in Deutschland, im Schuljahr 2014/15 inzwischen
in sein elftes Jahr. Von Beginn an war es sein Ziel, alle Schulanfänger und ihre Eltern auf die Bedeutung des Lesens hinzuweisen. Sicher war und ist es für viele Eltern selbstverständlich, sich mit ihren
Kindern von klein auf mit Büchern und anderen Medien aktiv zu beschäftigen. Ganz sicher aber könnte diese Zahl höher sein, als sie es
heute ist, denn Lesen ist die Kulturtechnik, über die sich alle anderen erschließen. Grund genug also, ihr noch mehr Aufmerksamkeit
zu schenken, als bisher. Die Ergebnisse der PISA-Studie sind sicher
noch vielen präsent.
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Ein derartiges Projekt war von Anfang an nur im Sinne von PublicPrivate-Partnership realisierbar, da allein der Ladenpreis der Bücher
weit über 10.000 Euro lag. Glücklicherweise konnte (und kann) mit
Unterstützung der inhabergeführten Hammer Buchhandlungen von
Luise Harms aufgrund der hohen Stückzahl ohne Umgehung der
Buchpreisbindung alljährlich ein Sonderpreis vereinbart werden.
Genauso glücklich fand sich mit der Sparda Bank West eG von Projektbeginn an ein Partner, der jedes Jahr nennenswerte Beträge in
das Programm investiert, über mehrere Jahre die Buchbeschaffung
sogar vollständig ermöglicht hat. Alle finanziellen Transaktionen
liefen seit 2004 in bewährter Weise über den Freundeskreis Stadtbücherei Hamm e. V., der sich auch darüber hinaus mit der Verteilung der ABC-Tüten, Vorleseaktionen in Schulen u. a. für das Projekt
engagierte. Die Bücherei leistet bei dieser Aktion die Beschaffung
der Materialien, das Packen der Tüten und einen großen Teil der
Verteilaktion (seit 2012/13 sei hier besonders das Team der Autobücherei hervorgehoben).
Die verschiedenen Konzepte und Programme haben sich bewährt.
In ihrem Rahmen begleiten viele Stadtbibliotheken in NRW ebenso
wie die Stadtbüchereien Hamm Kinder ab dem Kleinkinderalter auf
ihrem Weg, der ihnen über das Lesen Bildung ermöglicht.
ENTDECKUNGEN /
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›› KOLUMNE: NEUES VOM ALTEN BUCH
TAGUNG ZU RELIQUIENTRANSLATION
UND HEILIGENVEREHRUNG IN KÖLN
MICHAEL HERKENHOFF
Universitäts- und
Landesbibliothek Bonn (1)
FORTBILDUNGEN
Am 29./30. September 2014 fand eine vom
Zentrum für Bibliotheks- und Informationswissenschaftliche Weiterbildung (ZBIW)
getragene und sehr gut besuchte Fortbildung zum Thema »Historische Einbände
in Bibliotheken« statt, die von Reinhard
Feldmann (Münster) und Armin Schlechter
(Speyer) geleitet wurde. Seminarort war
die USB Köln, die das nötige Anschauungsmaterial bereitstellte. An einen Überblick
über die Einbandformen vom Mittelalter
bis zur Neuzeit schloss sich die Vorstellung
der konventionellen und elektronischen
Hilfsmittel für deren Bestimmung an. Auf
dieser Grundlage konnten die Teilnehmer
Einbände aus dem Bestand der USB Köln
näher bestimmen. Im Mittelpunkt des zweiten Teils des Seminars standen Bestandserhaltung, Konservierung und Restaurierung.
Neben den Grundsätzen der Restaurierung
und der Auftragsvergabe wurden moderne Materialien vorgestellt, die insbesondere für konservatorische Arbeiten zur Verfügung stehen. Zum Abschluss erarbeiteten
die Teilnehmer Vorschläge für die Verga-
Im Bereich der Nachlässe und Sammlungen wurden große Fortschritte bei der Verzeichnung, Katalogisierung und Präsentation
gemacht: Über 20, zum Teil umfangreiche Nachlässe, konnten erschlossen und die Findmittel im Netz präsentiert werden.(2) Besondere Erwähnung verdient der Teilnachlass des Carl von Clausewitz,
der als »Preußens geistvollster Soldat« gilt. Der Nachlass wurde
1955 (!) von der ULB erworben und nun in HANS katalogisiert.
Clausewitz’ Theorien über Strategie, Taktik und Philosophie werden noch heute an Militärakademien gelehrt, finden aber auch in
anderen Bereichen wie Marketing und Unternehmensführung Anwendung und haben nicht zuletzt auch das Denken von Friedrich
Engels und Wladimir I. Lenin beeinflusst.
be von konservatorischen und restauratorischen Aufträgen auf der Basis schadhafter Objekte.
Der Arbeitskreis Historische Bestände
in Nordrhein-Westfalen und RheinlandPfalz bietet auch 2015 in Zusammenarbeit mit dem ZBIW Fortbildungen zu Altund Sonderbeständen an. Ende Januar
2015 fand in der Wolfsburg (Mühlheim/
Ruhr) eine zur Provenienzerschließung
statt, für die zweite Jahreshälfte sind Fortbildungen zu Nachlässen sowie zu Bucheinbänden im 19. Jahrhundert geplant.
›› UNIVERSITÄTS- UND LANDESBIBLIOTHEK MÜNSTER
Weiterhin ist eine intensive Nutzung der mittelalterlichen Handschriften und Frühdrucke für Seminare der Westfälischen Wilhelms-Universität zu beobachten, vor allem zur Paläographie und
Kodikologie. Insbesondere lateinische und niederdeutsche Gebetbücher, die Bearbeitung des »Liber unus Collectarius«, einer umfangreiche Geschichte und Beschreibung des Stiftes St. Mauritz in
Münster und einer Sammelhandschrift der Kartause Marienburg,
alle spätes 15. Jahrhundert, verdienen Beachtung, ebenso wie die
Seminare zur Geschichte des Buches und des Bucheinbandes (Seminar »Materialität des Buches«).
ihre Nachbarn« (Jüdisches Museum für Westfalen, Dorsten) zeugen
von der Attraktivität der Bestände für die Vermittlung von Kunst
und Kulturgeschichte.
Darüber hinaus hält die Nachfrage nach Büchern oder Nachlassmaterialien als Leihgaben für externe Ausstellungen unvermindert an:
Ausstellungen wie »Pilgerwelten« (RELiGIO Telgte), »Werdendes
Ruhrgebiet« (Ruhrmuseum Essen), »Die sieben Todsünden« (Klostermuseum Dalheim) oder »Heimatkunde. Westfälische Juden und
Vom Starkregen im Juli 2014 war auch die ULB Münster betroffen.
Während der Schaden im allgemeinen Magazin (relativ) rasch behoben werden konnte, schlägt der Einsatz im Außenmagazin mit
langwierigen Folgearbeiten und -kosten zu Buche: Sortierung und
Trennung der Bestände, Arbeiten in der Restaurierungswerkstatt,
Für 2015 befinden sich zwei eigene Ausstellungen in Vorbereitung:
eine zur Plakatkunst im Ersten Weltkrieg zusammen mit dem LWLMuseum für Kunst und Kultur, eine weitere zum Thema »Betteln
und Predigen – 400 Jahre Kapuziner in Münster« zusammen mit
dem Kapuzinerkloster Münster. In beiden Ausstellungen werden
die reichhaltigen Sammlungen der ULB gezeigt.
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Schimmelbeprobung der Bestände nach dem Biolumineszenverfahren – die eingesetzte ATP/AMP-Messung misst aktive und inaktive Sporen.
In mehreren Seminaren und Vorträgen widmete sich Reinhard Feldmann dem Thema »Bestandserhaltung«: An der Grand Peoples Study Hall in Pyongyang (Nordkorea), der National Library of Vietnam
(Hanoi), der National Library of Laos (Vientiane) und an der Aquinas-University in Legaspi (Philippinen), aber auch beim 750-jährigen Domjubiläum Münster, wo er einen vielbeachteten Vortrag im
Rahmen der »Kreuzgänge« im Hohen Dom zu Münster hielt.
Nach den Schäden durch Starkregen im vergangen Jahr werden
jetzt einzelne Bestände auf Schimmelbefall geprüft.
›› LIPPISCHE LANDESBIBLIOTHEK DETMOLD
Im Herbst 2014 konnte ein bislang unveröffentlichter Brief des Detmolder Dramatikers
Christian Dietrich Grabbe (1801–1836) an
seinen Freund und Verleger Georg Friedrich Kettembeil erworben werden. Grabbe schreibt darin über seine Arbeit am
Kościuszko-Stoff. Ebenfalls erfreulich ist
die Erwerbung eines Lemgoer Drucks, des
»Thesaurus juris civilis« von Schütz/Lauterbach in der Ausgabe von 1717.
Die zweite Jahreshälfte 2014 stand im Zeichen des 400-jährigen Jubiläums der Bibliothek, mit einem Sommerfest am 24.
August sowie einem Festakt mit der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft als Ehrengast und zahlreichen Vertretern aus Politik,
Kultur und Gesellschaft am 23. Oktober.
Den Festvortrag zum Thema »Von der fürst-
lichen zur Öffentlichen Bibliothek« hielt
Prof. Dr. Wolfgang Schmitz (Köln), festlich untermalt von Musik des Lemgoer Hofmusikers Johann Grabbe (1585–1655), die
von Studierenden der Hochschule für Musik mit Enthusiasmus vorgetragen wurde.
Das Jubiläum fand seinen Niederschlag in
zwei Veröffentlichungen zur Geschichte der
Bibliothek:
››Hellfaier, Detlev: Die Lippische Landesbibliothek Detmold. Detmold 2014, Lippischer Heimatbund (Lippische Kulturlandschaften 27)
››Eberhardt, Joachim; Hellfaier, Detlev
(Hrsg.): 1614–2014. 400 Jahre Lippische
Landesbibliothek. Detmold, Lippische
Landesbibliothek 2014. (Auswahl- und
Ausstellungskataloge der Lippischen
Landesbibliothek 38)
35
Prof. Dr. Wolfgang Schmitz hielt den
Festvortrag zum 400-jährigen Bestehen
der Lippischen Landesbibliothek.
ENTDECKUNGEN /
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›› UNIVERSITÄTS- UND LANDESBIBLIOTHEK BONN
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat einen Antrag der
ULB Bonn zur Erschließung und Teildigitalisierung des Nachlass
von Karl Lamprecht (1856–1915) bewilligt, einem der bekanntesten, aber auch umstrittensten Historiker der Wilhelminischen Zeit.
Im Rahmen des zweijährigen Projektes wird der umfangreiche
Nachlass, der in den letzten Jahren noch durch signifikante Erwerbungen arrondiert worden ist, im HANS-Katalog der ULB Bonn erschlossen. Digitalisiert werden die Teile des Nachlasses, die sich mit
Lamprechts Positionierung im sogenannten Methodenstreit, seiner
Kulturgeschichtsschreibung, seinen Bemühungen um eine institutionelle Reform des deutschen Hochschulwesens und um die Ausgestaltung der deutschen auswärtigen Kulturpolitik am Vorabend
des Ersten Weltkrieges befassen sowie die gesamte wissenschaftliche Korrespondenz und wichtige Lebensdokumente. Die Onlinestellung erfolgt in den Digitalen Sammlungen der ULB Bonn. Dort
sind schon jetzt einige ausgewählte Dokumente vorab verfügbar.(3)
Das Projekt wird voraussichtlich im 2. Quartal 2015 beginnen.
für ihre Infrastruktur (Scanner, Visual Library) zur Verfügung gestellt und die digitalisierten Titel in ihren Digitalen Sammlungen
veröffentlicht. In dem Projekt soll untersucht werden, wie und in
welchem Ausmaß in asiatischen Kulturen zwischen 1860 und 1945
europäische Konzepte und Schlüsselbegriffe diskutiert und übernommen worden sind. Die digitalisierten Zeitschriften sollten für
diese Forschungen wichtiges Material online zugänglich machen.
Das Projekt wird 2015 fortgesetzt.
2015 jährt sich der 200. Geburtstag des Bonner Gelehrten und
Revolutionärs Gottfried Kinkel (1815–1882). Die ULB Bonn wird
deshalb aus dem umfangreichen Nachlass, der sich in der Handschriftenabteilung befindet, Briefe und andere Dokumente zur Revolution von 1848 in Bonn digitalisieren. Diese Aktivität ist mit
dem Bonner Stadtarchiv und anderen Kultureinrichtungen bzw.
-vereinen abgestimmt.
damit sie dem Digitalisat des Druckes hinzugefügt werden kann. Nach der Restaurierung sollen die Wasserzeichen mittels Thermographie aufgenommen werden, um ihre
Herkunft zu bestimmen.
Zu Lebzeiten William Shakespeares (1564–
1616) wurden nur wenige seiner Stücke
veröffentlicht. Die erste Gesamtausgabe seiner Werke kam 1623 in London heraus. Von
den ursprünglich ca. 750 gedruckten Exemplaren existieren heute noch 229. Es gibt
nicht weniger als 40 Varianten dieser ersten
Folio-Ausgabe, da Korrekturen während des
Druckes vorgenommen wurden. Die Ausgabe der Universitäts- und Stadtbibliothek
weist weitere Exemplarspezifika auf: Der
rote Maroquin-Einband wurde ca. 1860 von
Clarke and Bedford gefertigt. Beim Binden
wurde aus Versehen die Abfolge der Vorreden und Widmungsgedichte vertauscht. Die
Kassette entstand später in der Buchbinderwerkstatt Riviére & Son. Ungewöhnlich
dicht lassen sich bei dem Kölner Exemplar
die Provenienz- und Erwerbungsgeschichte
nachvollziehen. Allein drei Exlibris weisen
auf Vorbesitzer hin: William Proby, Earl of
Carysfort, A. Edward Newton und Hannah
D. Rabinowitz. Erst im letzten Jahr wurde
das Exemplar der First Folio im Rahmen der
Ausstellung »A Party for Will! Eine Reise in
das Shakespeare-Universum« im Museum
für Angewandte Kunst in Köln ausgestellt.
›› ERZBISCHÖFLICHE DIÖZESANUND DOMBIBLIOTHEK KÖLN
Die Ausstellung zur »Dreikönigstranslation und Dreikönigsverehrung im Spiegel der Reichspolitik« wird noch bis Ende März 2015
im Foyer der Diözesanbibliothek zu sehen sein. Am 24. Oktober
2014 fand aus dem gleichen Anlass – dem 850-jährigen Anniversarium der Dreikönigstranslation 1164 – eine Tagung statt, die das
Thema »Reliquientranslation und Heiligenverehrung« unter verschiedenen Aspekten betrachtete. So wurden die hochmittelalterliche Dreikönigslegende und neulateinische Dichtungen um die
heiligen Magier genauso in den Blick genommen wie liturgischer
Buchschmuck zu ihrem Festtag. Die historisch wie literaturwissenschaftlich herausragende Tagung war 2014 eine der bestbesuchten
Veranstaltungen der Bibliothek.
›› UNIVERSITÄTS- UND STADTBIBLIOTHEK KÖLN
Die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln
lässt sieben wertvolle Bücher aus ihren Beständen restaurieren. Es handelt sich um
zwei Blockbücher und fünf Werke von William Shakespeare. Die USB Köln besitzt
zwei Blockbücher aus dem 15. Jahrhundert: Johannes [Apostolus]: Apocalypsis,
gedruckt ca. 1465–70 und eine »Biblia pauperum«, gedruckt ca. 1462–68. Beide Bücher stammen aus der Sammlung von Ferdinand Franz Wallraf (1748–1824). Weltweit
sind von den Blockbüchern nur etwa 100
Ausgaben von 33 verschiedenen Werken in
etwa 600 Exemplaren nachweisbar. Die besondere Druckform im Holzschnittverfahren, die sich nicht durchsetzte, macht die-
se Bücher so selten. Da z. T. noch Text oder
Malereien nachträglich per Hand hinzugefügt wurden, die Abbildungen oft handkoloriert waren und regional unterschiedliche
Papiere Verwendung fanden (erkennbar am
Wasserzeichen), unterscheiden sich Exemplare des gleichen Textes in den verschiedenen Bibliotheken deutlich und machen das
jeweilige Exemplar so zu einem Unikat. Die
wissenschaftliche Bearbeitung der Blockbücher wird durch ihren problematischen
konservatorischen Zustand erschwert.
Die Schäden an den Kölner Exemplaren befinden sich überwiegend am Buchblock.
Risse und Fehlstellen – zum Teil früher mit
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aus heutiger Sicht ungeeigneten Materialien ergänzt – schwächen die Papiersubstanz. Durch Bestandteile der Farbpigmente kam es zur Schädigung des Papiers (Kupferfraß). Bei der »Biblia« ist zudem der Pergament-Makulatureinband am Buchrücken
stärker beschädigt und weist Fehlstellen
auf, die ergänzt werden. Das Pergament
ist geschrumpft, spannt dadurch und wölbt
sich leicht nach oben, so dass eine Glättung
des Einbandes nötig ist. Bei der Ablösung
der Spiegel zeigte sich, dass die Buchdeckel
in Gänze aus zusammengeklebter Papiermakulatur bestehen, vermutlich ein zeitgenössischer philosophischer Text. Die Makulatur wird einzeln gelöst und dokumentiert,
Im Zuge des Kaufes der First Folio 1960
konnten auch die ebenfalls seltenen zweiten bis vierten Folio-Ausgaben (1632, 1664,
1685) und die Poems-Ausgabe von 1640 erworben werden, an denen jetzt ebenfalls
kleinere Restaurierungsmaßnahmen vorgenommen werden.
Das Kölner Exemplar gilt als eines der besterhaltenen. Doch schwächte auch hier der
Die ULB Bonn hat 2007, finanziert aus Bestandserhaltungsmitteln
des Landes NRW, die Bibliothek Goussen, eine Spezialbibliothek
zur orientalischen Kirchengeschichte, bei einem Dienstleister verfilmen und digitalisieren lassen. Aus urheberrechtlichen Gründen
wurden damals Drucke nur bis zum Erscheinungsjahr 1900 digitalisiert. Die ULB stellt jetzt auch, sofern urheberrechtlich möglich,
Titel des 20. Jahrhunderts ins Netz.(5)
Die Abteilung für Islamwissenschaft des Instituts für Orient- und
Asienwissenschaften der Universität Bonn hat 2014 im Rahmen eines Projektes, das vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft
und Forschung des Landes NRW gefördert wurde, zwölf arabische,
persische und türkische Zeitschriften aus dem ausgehenden und
beginnenden 20. Jahrhundert digitalisiert.(4) Die ULB Bonn hat da-
Zahn der Zeit die historische Buchsubstanz:
Risse im Maroquin-Ziegenleder an den Gelenkfälzen, Bereibungen des Ledernarbens
mit partiellem Farbverlust, ein leichter, inaktiver Schimmelschaden am Buchblock,
stärkerer Stockfleckenbefall, Verbräunungen durch eingebrachte säurehaltige Papiere und im Bereich des runden Lederexlibris.
Noch mehr Teilnehmer verzeichnete das 6. Symposion »Handschriften der Dombibliothek« Ende November 2014. Unter den 14
Beiträgen aus verschiedenen Teilbereichen der Handschriftenforschung waren Themen der Textedition und aus der Kunstgeschichte wieder stark vertreten. Erstmals wurde auch über den Altbestand der Benediktinerabtei St. Michael in Siegburg referiert, der
2012 von der Diözesanbibliothek übernommen worden war. Neben mittelalterlichen Fragmenten und Manuskripten kommen aus
Siegburg auch vier Handschriften, die von einem künstlerisch wie
kalligraphisch begabten Mönch um die Mitte des 20. Jahrhunderts
Der Codex 1555 zu den vier Siegburger Handschriften,
die ein Mönch um die Mitte des 20. Jahrhunderts anfertigte.
37
ENTDECKUNGEN /
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bequemeren Gebrauch während der Prozessionen in und außerhalb der Stiftskirche zusammengestellt wurden. Das Cantuale ist
mit brauner und roter Tinte in einer gut lesbaren Antiqua-Minuskel
geschrieben; die gregorianischen Gesänge wurden mit der in Köln
verbreiteten Hufnagelnotation auf vier Linien notiert. Aus den Rubriken erfährt man, dass etwa der Weg der Fronleichnamsprozession die Stiftskanoniker hinter St. Maria im Kapitol am Dreikönigenpförtchen vorbeiführte – dem Tor, durch das die Reliquien der Drei
Könige 1164 in die Stadt gebracht worden sein sollen.
angefertigt wurden. Sie haben letztlich ihre Wurzeln in der jahrhundertealten Tradition benediktinischer Skriptorien, die im Umkreis der sogenannten Beuroner Kunst noch einmal auflebte.
Auf einer Auktion erwarb die Bibliothek eine Handschrift des späten 18. Jahrhunderts aus dem Stift St. Maria ad Gradus, das hinter dem Ostchor des Kölner Doms lag und 1817 abgerissen wurde. Bei dem »Cantuale« betitelten Bändchen handelt es sich um
eine Sammlung von Gesängen, die aus verschiedenen Büchern zum
ALLES ANDERE ALS VERALTET:
ALTKARTEN ALS HISTORISCHE QUELLE
REINHARD FELDMANN
Universitäts- und Landesbibliothek Münster
›› LANDESBIBLIOTHEKENZENTRUM
ENDNOTEN
RHEINLAND-PFALZ/PFÄLZISCHE
LANDESBIBLIOTHEK
1. Die Kolumne ist von Dr. Michael Herkenhoff (ULB
Bonn) im Auftrag des Arbeitskreises »Historische
Bestände in Nordrhein-Westfalen und RheinlandPfalz« redigiert worden. Ständige Mitglieder des
Das LBZ / Rheinische Landesbibliothek Koblenz konnte antiquarisch ein Exemplar
eines Inkunabeldrucks des »Speculum aureum decem praeceptorum dei« von Henricus
Herp erwerben, gedruckt 1481 in Nürnberg
von Anton Koberger (GW 12227). Der Band
stammt ausweislich eines handschriftlichen
Besitzeintrags aus der Bibliothek des Benediktinerklosters Laach (heute Maria Laach),
das 1802 aufgehoben worden ist. Drucke
aus der seinerzeit etwa 4.000 Einheiten
umfassenden Klosterbibliothek sind sehr
selten.
Ende August 2014 wurde auf Schloss Villa Ludwigshöhe die Ausstellung »Aus Max
Slevogts Briefkasten. Zeugnisse aus seinem
schriftlichen Nachlass« durch Staatssekretär
Walter Schumacher eröffnet. Gezeigt wurden in diesem Kooperationsprojekt von Landesbibliothekszentrum und Generaldirektion kulturelles Erbe/Landesmuseum Mainz
40 Exponate aus dem schriftlichen Nachlass
von Max Slevogt, die Gemälde von seiner
Hand aus dem Besitz des Landesmuseums
ergänzten. Zur Ausstellung ist in der Reihe
»Patrimonia« der Kulturstiftung der Länder,
die den Ankauf des Nachlasses seinerzeit
gefördert hatte, ein gleichnamiger Katalog
erschienen.(6)
Auf dem unter Denkmalschutz stehenden
Slevogthof über Leinweiler an der pfälzischen Weinstraße wird seit dem Tod von
Max Slevogt 1932 seine Bibliothek mit einem Umfang von 4.300 Bänden aufbewahrt, die sich seit längerer Zeit in Landesbesitz befindet. Ende September 2014 hat
das zuständige Ministerium dem Landesbibliothekszentrum/Pfälzische Landesbibliothek Speyer die Sach- und Fachaufsicht
übertragen. Das Landesbibliothekszentrum
will die Bibliothek konservatorisch sichern
und erschließen; die wertvolleren Bestände
sollen künftig in Speyer verwahrt werden.
Arbeitskreises sind zur Zeit: Irene Bischoff (USB
38
Die handkolorierte Karte der
preußischen Stadt Tilsit entstand um 1800.
Köln), Dr. Hans-Joachim Cristea (BPS Trier),
Dr. Joachim Eberhard (LLB Detmold), Reinhard
Feldmann (ULB Münster), Barbara Fischer
(UB Trier), Dr. Michael Herkenhoff (ULB Bonn),
Harald Horst (EDDB Köln), Dr. Stephanie Marra
(UB Dortmund), Annelen Ottermann WStB Mainz,
Martina Pauly (Martinus-B. Mainz), Dr. Armin
Schlechter (LBZ/RLP), Dr. Eva Seidenfaden
(StB Trier), Dr. André Welters (USB Köln).
2. U
LB Münster: Nachlässe www.ulb.uni-muenster.de/
sammlungen/nachlaesse
3. U
LB Bonn, Digitale Sammlungen:
Nachlass Lamprecht http://s2w.hbz-nrw.de/ulbbn/
nav/classification/1961936
Ende November 2104 wurde in der Landesvertretung von Rheinland-Pfalz in Berlin die 2013 vom Landesbibliothekszentrum erarbeitete Ausstellung »Bibliothecae
beatae Mariae virginis ad Lacum. Zimelien aus der Bibliothek des Benediktinerklosters Maria Laach« eröffnet. Grußworte
sprachen Ministerpräsidentin Malu Dreyer,
Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles, Dr. Stephan Ackermann, Bischof von
Trier, sowie Prior-Administrator Dr. Albert
Sieger aus Maria Laach. Die Eröffnung war
mit etwa 260 Gästen überaus gut besucht.
Der Begriff »Altkarten« verwundert zunächst: Was ist gemeint? Bei
»Altkarten« handelt es sich um Karten, die vor der Mitte des 19.
Jahrhunderts gezeichnet oder gedruckt worden sind. Sie stellen
eine wichtige Quelle für Historiker aller Fachrichtungen dar. Gleichzeitig sind sie oftmals auch unter ästhetischen Aspekten ansprechende Artefakte
4. Translation. Die kognitive Aneignung europäischer
Schlüsselkonzepte in asiatischen und nahöstlichen
Es gibt nicht viele Bibliotheken, die über große Sammlungen von
Altkarten verfügen. Zum einen galten derartige Materialien in den
Bibliotheken nicht immer als sammelwürdig, zum anderen sind
sie sperrig und schwierig handhabbar. Auch die ULB Münster besitzt, trotz reicher Tradition, aus eigenem Besitz nur relativ wenige Altkarten. Umso erfreulicher ist es, dass sie auf die umfangreiche
Sammlung eines Privatgelehrten zurückgreifen kann, welche sie im
Jahre 1967 erwerben konnte. Denn damals erhielt sie den Nachlass,
die Bibliothek und die Kartensammlung des Freiherrn August von
Haxthausen. Wer war dieser August von Haxthausen? Zunächst ist
er als Onkel der westfälischen Dichterin Annette von Droste Hülshoff bekannt. Er war aber weit mehr: Er war Schriftsteller, vor allem
zu Agrarfragen, zur Agrargesetzgebung, zum Verfassungs- und Provinzialrecht. Er war Sammler und Herausgeber von Märchen und
Volksliedern. Er war Ökonom, Jurist und Landwirt, er war auch Rei-
Gesellschaften (1860-1945) www.translatio.uni-bonn.
de. Die digitalisierten Zeitschriften finden sich in
den Digitalen Sammlungen der ULB Bonn:
http://digitale-sammlungen.ulb.uni-bonn.de/nav/
classification/3085779
5. ULBBonn, Digitale Sammlungen: Bibliothek
Goussen http://digitale-sammlungen.ulb.uni-bonn.de/
nav/classification/16431
6. Kulturstiftung der Länder (Hrsg.):
Aus Max Slevogts Briefkasten. Zeugnisse aus seinem
schriftlichen Nachlass. Berlin 2014 (Patrimonia 368)
Diese Karte von
Persien und dem
südlichen Russland,
die um 1720
entstand, stammt
aus der damals
führenden Kartendruckerei Homann
in Nürnberg.
sender, vor allem in Ostmitteleuropa, in Russland und im Kaukasus.
Als solcher verfasste er eigene Werke, wie die »Studien über Russland« oder »Transkaukasia«. Von Haxthausen wirkte auch als Berater, unter anderem der russischen Zaren Nikolaus I. und Alexander II. Als solcher half er Letzterem 1861 bei der Bauernbefreiung
in Russland.
Die Kartensammlung Haxthausen umfasst über 1.800 Karten,
Zeichnungen und Atlanten. Sie war bislang durch einen gedruckten Katalog erschlossen. Im Zuge der Digitalisierung wurden die
einzelnen Werke im ULB-Katalog erfasst und sind damit leicht und
komfortabel recherchierbar. Die hochwertig erstellten Digitalisate,
die auch Details auf den Karten bequem sichtbar machen, werden
nunmehr für Wissenschaft und Forschung sowie für die interessierte Öffentlichkeit leicht zugänglich gemacht.(1) So sind diese in der
ULB aufbewahrten Altkarten, teils spektakuläre Kupferstichwerke
mit aufwändiger Kolorierung, teils unscheinbar daherkommende
alltägliche Gebrauchsobjekte, heute vor allem eins: Eine wichtige
Quelle für die Siedlungsgeschichte, die politische Geschichte und
die Wirtschaftsgeschichte, geben sie doch unmittelbar Zeugnis ab
von den Geschehnissen vergangener Zeiten. Spannend wie am ersten Tag – jetzt auch bequem am Bildschirm zu lesen.
ENDNOTE
1. http://sammlungen.ulb.uni-muenster.de/nav/classification/2527307
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KURZ & KNAPP /
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›› KURZ & KNAPP
EINE BESONDERE DEUTSCHSTUNDE
ODER DIE SPÄTE GEBURTSTAGSLESUNG
Mitte Januar traf Inge Meyer-Dietrich, gerade 70 Jahre alt geworden, auf Einladung
der Kinderbibliothek der Stadtbibliothek
Gelsenkirchen den 6. Jahrgang der benachbarten Lessing- Realschule.(1) Der Anlass:
eine knapp verspätete Geburtstagslesung
der Gelsenkirchener Autorin, die seit Jahren
ein gern gesehener Gast in ihrer »Heimat«Bibliothek ist.
Dass die Kinder der benachbarten Bildungspartnerschule in den »besonderen Genuss
einer Autorenlesung kamen«, stand am
kommenden Tag in der Tagespresse. Genauso war es auch! Die Autorin las auf eigenen
Wunsch aus zweien ihrer Bücher, die beide mit unserer Region, dem Ruhrgebiet, zu
tun haben. »Plascha – von kleinen Leuten
und großen Träumen« handelt von einem
Mädchen aus einer polnischen Einwandererfamilie vor 100 Jahren. Ein gerade wieder
aktuelles Thema, zu dem Inge Meyer-Dietrich auch persönlich klare Worte fand und
auf die augenblickliche Situation von ausgegrenzten Zuwanderern hinwies.
Nach der Lesung aus »Plascha« gab es erstmal eine große Frage-Runde, denn wann
hat man im Schulalltag schon einmal die
Gelegenheit, eine »echte« Schriftstellerin
kennenzulernen? Im zweiten Teil las Inge
Meyer-Dietrich aus »Die Hüter des Schwar-
zen Goldes«, einem Buch, geschrieben mit ihrer Tochter Anja
Kiel. In ihm nahm sie die Zuhörer in die Sagenwelt des Bergbaus
mit, die Welt unter Tage, die von
Schwarzmännchen und Kobolden bevölkert wird. Bei der Entstehung dieses Buches, so erzählte sie, hatten beide Autorinnen
mit großem Spaß zusammengearbeitet. Auch bei der zweiten Leserunde lauschten die jungen Zuhörer gebannt.
Und noch einmal wurden Fragen
gestellt. Es gab so viele Wortmeldungen, dass man fast den Überblick verlieren konnte. Die Kinder
erfuhren viel über Themen, die die
Autorin bewegen, aber auch ganz
pragmatische Dinge, zum Beispiel
zum Thema Geldverdienen als
Kinderbuch-Autorin Inge Meyer-Dietrich kommt
Autorin. Auch das wollten die Kinimmer gern in die Stadtbibliothek Gelsenkirchen.
der wissen: Muss man studieren,
wenn man Schriftstellerin werden will? Studiert habe sie, so Inge Meyer- Rund 100 aufmerksame und konzentrierte
Zuhörer nahm Inge Meyer-Dietrich an dieDietrich, aber nötig sei das nicht, beruhigte
sie den Fragesteller. Und: Woran sie augen- sem Vormittag mit auf eine ganz besondeblicklich arbeite? Zwei weitere Titel war- re Lesung.
ten gerade darauf, veröffentlicht zu werden,
und an einem neuen Manuskript arbeite sie
augenblicklich auch. Wie wird man überhaupt Schriftstellerin? Inge Meyer-Dietrich
ENDNOTE
wurde bei einem Schreibwettbewerb vor 30
Jahren entdeckt, anschließend entstanden
1. Die Dokumentation zum 70. Geburtstag von Inge
über 30 Bücher für unterschiedlichste Ziel- Meyer-Dietrich – zusammengestellt von Klaus Scheibe
gruppen. Geschrieben hat sie aber schon als
und Claudia Nobis‒– kann kostenfrei über die StadtKind. Ganz klar: Immer schon wollte sie Au- bibliothek bezogen werden. Sie gibt einen guten
torin werden, auch wenn es in ihrem Leben
Überblick über das Gesamtwerk der Gelsenkirchener
erst einmal andere Berufswege gab.
Kinder- und Jugendbuchautorin.
40
Das tragische Geschehen: Mit 38 Jahren erfährt Jennifer Teege
durch einen Zufall, wer sie ist. In einer Bibliothek findet sie ein
Buch über ihre Mutter und ihren Großvater Amon Göth. Millionen Menschen kennen Göths Geschichte: In Steven Spielbergs Film
»Schindlers Liste« ist der brutale KZ-Kommandant der Saufkumpan
und Gegenspieler des Judenretters Oskar Schindler. Göth war verantwortlich für den Tod tausender Menschen und wurde 1946 hierfür gehängt. Seine Lebensgefährtin Ruth Irene, Jennifer Teeges geliebte Großmutter, begeht 1983 Selbstmord. Jennifer Teege ist die
Tochter einer Deutschen und eines Nigerianers, wuchs bei Adoptiveltern auf und studierte in Israel. Sie wird mit einem Familiengeheimnis konfrontiert, das sie nicht mehr ruhen lässt. Wie kann sie
ihren jüdischen Freunden noch unter die Augen treten? Und was
soll sie ihren eigenen Kindern erzählen?
MICHAEL SCHÜRMANN
Öffentliche Bücherei St. Georg Vreden
Unter dem Motto »Politische Bildung vor Ort: Es liest…« hat die
Landeszentrale für politische Bildung NRW in Kooperation mit
dem Verband der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen e.V.
(vbnw) im September und November 2014 die Schriftstellerin Jennifer Teege zu einer Lesungsreise durch Bibliotheken in fünf Regierungsbezirken des Landes eingeladen. Neben den Veranstaltungen
in Bad Salzuflen, Kleve, Neuenkirchen-Siegerland und Nettersheim
wurde Anfang November auch in Vreden eine Lesung mit der Bestseller-Autorin angeboten.
Die örtlichen Veranstalter, die Öffentliche Bücherei Vreden, das »aktuelle forum – Volkshochschule«, die Stadt Vreden sowie die Buchhandlung Schaten konnten im restlos ausgebuchten Saal Meyerink
200 Zuhörerinnen und Zuhörer begrüßen. Nach einleitenden Worten des Leiters der Bücherei Michael Schürmann sowie von
Klaus Kaufmann von der Landeszentrale für politische Bildung stellte Jennifer Teege ihr
Buch »Amon – Mein Grossvater
hätte mich erschossen« vor.
Foto: Sascha Kreklau
VERA PIONTEK-KREBBER
Stadtbibliothek
Gelsenkirchen
ERGREIFENDE LESUNG MIT DER
AUTORIN JENNIFER TEEGE
Nach kurzem Zögern nutzten viele Zuhörer die Gelegenheit, Fragen an Jennifer Teege zu stellen. Auch bei deren Beantwortung gab
es kein Zaudern. Offen und kritisch ging die Autorin auf die Nachfragen ein. Zum Abschluss las
sie einige Abschnitte aus ihrem
Buch, welche insbesondere die
Rolle ihrer Großmutter thematisierten. Jennifer Teege schloss
diesen beeindruckenden Abend
mit folgender Aussage: »Mein
Großvater war auch ein Mensch.
Dass er zum Täter wurde, war
ein Produkt seiner Zeit«, so Teege. Weiter führte sie aus: »Das
Toxische war für mich das Verborgene. Ich hätte gern einen
anderen Großvater gehabt, aber
ich hätte immer wieder diese
Großmutter haben wollen.«
Mit Leseproben aus den verschiedenen Kapiteln des Buches
gelang des der Autorin innerhalb kürzester Zeit, alle Zuhörer
in ihren Bann zu ziehen. Ausgehend vom Zufallsfund eines Buches über ihre Mutter präsentierte sie schonungslos offen
alle Facetten ihrer zutiefst bedrückenden Familiengeschichte.
Nach der gut einstündigen Lesung herrschte ergriffene Stille, hatten die Zuhörer doch eine
Frau kennengelernt, die trotz
aller Belastungen selbstbewusst
und authentisch zu ihrer Familiengeschichte steht.
Mit lang anhaltendem Applaus
dankten die Zuhörer Jennifer
Teege für die beeindruckende
Lesung. Im Anschluss signierte
sie ihre Bücher. Dabei hatten die
Gäste Gelegenheit, mit ihr einige persönliche Worte zu wechseln.
41
KURZ & KNAPP /
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AN „WERNE LIEST“ BETEILIGT SICH
TATSÄCHLICH GANZ WERNE
»Alle (zwei) Jahre
wieder…« stehen in
Werne
(30.000 EinGERLINDE SCHÜRKMANN
wohner, Kreis Unna)
Stadtbücherei Werne
einen Tag lang das
Lesen und das Vorlesen zeitgleich in
allen
Kindertageseinrichtungen und
Familienzentren, in allen Grund- und weiterführenden Schulen, in
der Förderschule, in Seniorenheimen, in
der Stadtbücherei und vielen weiteren
Einrichtungen
öffentlichkeitswirksam
im Mittelpunkt. »Werne liest« unterstützen nicht nur der Bürgermeister und
seine Stellvertreter, sondern auch viele
Personen des öffentlichen Lebens und gelegentlich prominente Persönlichkeiten,
wie im November 2014 Sylvia Löhrmann,
Ministerin für Schule und Weiterbildung
des Landes NRW.
VORLESER SCHWÄRMEN AUS
Die Stadtbücherei als Organisatorin setzt
mit diesem Aktionstag ein Zeichen für
das Lesen. »Werne liest«, mittlerweile ein
fester Bestandteil im städtischen Kulturkalender, bringt Literatur zu einem bestimmten Thema und Vorleserinnen und
Vorleser in die verschiedensten Einrichtungen. Die vielen Veranstaltungen dieses Tages ergänzen die zahlreichen Angebote zur Leseförderung, die im Laufe der
vergangenen Jahre durch die enge Vernetzung der verschiedensten Institutionen und die prall mit Leben
gefüllten Bildungspartnerschaften entstanden sind.
eins »Lesewelt Werne« sowie Schüler tragen mit ihrem persönlichen
Engagement und ihrer (Vor-)Lesebegeisterung zum Gelingen des
Aktionstages bei. Ein besonderer Schwerpunkt ist immer die Leseförderung von Jungen. Aus diesem Grund werden in den teilnehmenden Schulklassen generell männliche »Lesevorbilder zum Anfassen« eingesetzt.
Die Planungen des Aktionstages beginnen etwa zehn Monate vorher.
Das Motto wird festgelegt, potentielle Vorleser angesprochen, eine
mögliche Teilnahme bei den verschiedensten Einrichtungen abgefragt, die Werbetrommel gerührt. Die Kitas melden die Anzahl und das Alter der
teilnehmenden Gruppen, die Schulen legen die Jahrgänge fest, die sich an »Werne liest« beteiligen. Während 2010 die
Grundschulen generell einen Jahrgang
meldeten, änderte sich dies 2012 und
2014. Mittlerweile kommen alle Grundschulklassen und alle Klassen der Förderschule in den Genuss eines Ausflugs
in die Welt der Bücher und in das Reich
der Fantasie. Die weiterführenden Schulen wählen in der Regel den 5. oder 6.
Jahrgang aus. Das Büchereiteam koordiniert die Einsatztermine, steht als Ansprechpartner für die Vorleser zur Verfügung und stellt eine Auswahl geeigneter
Literatur zusammen.
VON 8.30 BIS 22 UHR
Zu dem von der Stadtbücherei geschnürten Literaturpaket gehören stets auch öffentliche Veranstaltungen. So gab es im
vergangenen Jahr nachmittags einen
»Literarischen Spaziergang«, der zeitlich versetzte Vorleseaktionen
in der Stadtbücherei, im Kapuzinerkloster, im Capitol Cinema Center und im Heimatmuseum miteinander verband.
Polizisten, Feuerwehrmänner, Vorstandsmitglieder von Sparkasse
und Volksbank, Vertreter aus Verwaltung, Stadtrat und dem Kreis
Unna, Geschäftsinhaber, Redakteure der lokalen Zeitungen, Vertreter der Kirchen und des Kapuzinerklosters, Vorstandsmitglieder des Fördervereins Stadtbücherei, zahlreiche Vorleser des Ver-
42
»Werne liest« begann 2014 um 8.30 Uhr mit der Vorlesestunde von
Ministerin Sylvia Löhrmann und endete um 22 Uhr mit einer Abendveranstaltung in der Stadtbücherei. Die stolze Bilanz des Tages: 92
Vorlesetermine, 111 engagierte Vorleser und 2.249 Zuhörer.
›› PERSONALIEN
DR. NEUHAUSEN, DIREKTOR DER USB
KÖLN, ÜBER ZIELE UND PROJEKTE
Dr. Hubertus Neuhausen ist neuer Direktor der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, der größten
Zentralbibliothek Nordrhein-Westfalens, und seit gut hundert Tagen im Amt. Martina Windrath
von der Kölnischen Rundschau sprach mit dem Altphilologen, der in der Domstadt studierte und
promovierte, über erste Eindrücke und seine Pläne.(1)
Sie kommen nach Stationen an der Berliner Humboldt-Universität und dem
Uniklinikum Hamburg-Eppendorf aus
Marburg, wo sie die dortige Uni-Bibliothek leiteten. Wie ist Ihr erster Eindruck
von der Kölner USB?
ten. Ich bin hier sehr herzlich empfangen
worden, die Kollegen und die Hochschule
begegnen mir sehr offen. Außerdem hinterlässt mein Vorgänger Professor Wolfgang
Schmitz ein gut bestelltes Haus. Wir treffen
uns weiter regelmäßig.
Die USB ist erheblich größer. Die Leitung
der größten Zentralbibliothek NordrheinWestfalens ist eine ganz andere Dimension.
Das hat mich auch gereizt, sie mitzugestal-
Was haben Sie sich für Ziele gesetzt?
Ich möchte das Potenzial der USB weiter
heben und noch besser machen. From good
to great, sozusagen. Mit zwei konkreten Maßnahmen möchte ich beginnen.
Zum einen mit dem Ausbau der Benutzerforschung. Wir brauchen mehr
Kenntnisse darüber, was unsere Nutzer tatsächlich brauchen und wollen, um noch passgenauere Angebote zu entwickeln. Außerdem möchte
ich einen Forschungs- und Entwicklungsbereich aufbauen und Kollegen
mehr Zeit verschaffen, innovative Projekte zu erarbeiten. Zum Beispiel gibt
es von der Deutschen Forschungsgemeinschaft Gelder für Vorhaben zur
Erprobung neuer Publikationsformen.
Zeit, nutzen viel mehr Technik wie das Smartphone. Wir wollen mehr elektronische Inhalte anbieten und sehen, dass sie auch auf
Smartphones und Tablets gut lesbar sind.
Man muss unsere Inhalte mittelfristig auch
gut über Google finden können. Hier fangen wir mit der Diskussion über mögliche
Wege an. Eine große Veränderung ist auch,
dass es viele Wissenschaftler und Fächer
wie etwa die Naturwissenschaften und Medizin gibt, die Bibliotheken als Service nutzen, auf den sie schnell über den Computer
zugreifen wollen.
Und was wird für Studenten verbessert?
Mehr W-Lan-Plätze?
Wollen Sie den Bereich der elektronischen Medien weiter voranbringen?
Für Studierende muss es Lernorte geben,
wo man gut und lange bequem lernen und
sich aufhalten kann, mehr schöne Arbeitsplätze mit W-Lan, Gruppenräume, eine vernünftige Cafeteria. In diesem Bereich sehe
ich das größte Entwicklungspotenzial.
Auf jeden Fall. Die Studierenden heute
sind sehr anders als noch vor zehn Jahren, sie haben mehr Druck und weniger
Die Bibliothek ist in Teilen saniert und zum
Beispiel der Servicebereich modernisiert,
aber es gibt noch viel Erneuerungsbedarf …
43
KURZ & KNAPP /
An der Uni gibt es viele Bauvorhaben, und
das Ganze ist sehr teuer. Doch meine Aufgabe ist es, darauf hinzuweisen und den Finger zu heben, dass die USB auch eine hohe
Priorität bekommt.
Was steht sonst noch an Projekten an?
Wir müssen auch mit den Fakultäten die Diskussion beginnen, wie die 146 dezentralen
Bibliotheken zu guten Lernorten gebündelt
werden können. Mit dem Rechenzentrum
möchte ich stärker zusammenarbeiten und
überlegen, wie man digitale Daten langfristig erhalten und wie man mit gespeicherten
Forschungsdaten umgehen kann. Zudem ist
es eine wichtige Aufgabe, die vielen wundervollen Büchersammlungen der USB zu
1 /15
pflegen und weitere einzuwerben, wie es
Professor Schmitz gelungen ist. Es gibt sehr
spannende Forschungsprojekte dazu, wie
zur Herterich-Sammlung mit Werken zu
Friedrich von Gentz, Sekretär von Metternich in der Zeit des Wiener Kongresses. Es
ist auf 18 Jahre angelegt, mit vielen Doktorarbeiten.
1/15
Ich bin in Neuss geboren und habe enge
Verbindungen zu Köln. Ich bin zu Hause angekommen. In den letzten 16 Jahren, seit
ich die Uni verlassen habe, hat sich hier
vieles zum Positiven verändert. Besonders
inspirierend finde ich diese Atmosphäre,
Sachen voranzutreiben. Zur Aufbruchstimmung würde ich gern mit der Uni-Bibliothek beitragen.
NACHRUF – FRANZ RAKOWSKI,
EINE GROSSE PERSÖNLICHKEIT DES
DEUTSCHEN BIBLIOTHEKSWESENS
Haben Sie persönlich ein bibliophiles
Steckenpferd?
Ich habe in Köln Latein und Altgriechisch
studiert und promoviert, das war auch eine
große Liebe. Aber jetzt bin ich mit großer
Freude im administrativen Bereich und
habe wenig Zeit für anderes.
Haben Sie sich in Köln schon eingelebt?
JAN-PIETER BARBIAN
Stadtbibliothek Duisburg
ENDNOTE
1. Das Interview wurde am 18.2.2015 in der Kölnischen
Rundschau veröffentlicht.
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In seinem Roman »Das Vorbild« beschreibt
Siegfried Lenz die Versuche dreier Pädagogen, für ein Schulbuch das Thema »Lebensbilder – Vorbilder« inhaltlich zu besetzen. »Wir sind hier, sagt Pundt, um zu
erfragen, welche Vorbilder heute noch taugen (…). Jedenfalls (…) kann behauptet werden, dass die Jugend nach Vorbildern verlangt.« Wie der große Hamburger
Schriftsteller gehörte auch der am 30. Januar 1927 in Oberhausen geborene Franz
Rakowski einer Generation an, die nach der
Barbarei der NS-Diktatur und des Zweiten
Weltkriegs nach Vorbildern für die Neuorientierung suchten. Wobei eine Tatsache für
Rakowski in diesem Findungsprozess feststand: Die Bibliotheken sollten eine zentrale Rolle spielen, hatte er doch nach der
Mittleren Reife 1944 eine bibliothekarische
Ausbildung begonnen.
Ausgerechnet am 6. Juni 1944, dem DDay, wurde Rakowski erst in den Reichsarbeitsdienst, später zur Wehrmacht eingezogen. Ende April 1945 geriet er in russische
Kriegsgefangenschaft, aus der er erst Mitte
1949 entlassen wurde. Nach mehr als vier
verlorenen Jahren seines Lebens, an die
er sich immer mit nachvollziehbarer Wehmut erinnerte, absolvierte Rakowski zunächst ein Praktikum in der Stadtbücherei
in Duisburg, bevor er sich am Bibliotheka-
rischen Lehrinstitut in Köln zum DiplomBibliothekar ausbilden ließ. 1951 begann
er in der Stadtbücherei Duisburg als Lektor für die Sachgebiete Theologie und Philosophie. Bereits ein Jahr später konnte der
Neubau der Zentralbibliothek bezogen werden, die – nachdem ihre Vorgänger 1942
und 1944 bei Luftangriffen zerstört worden
waren – im Herzen der Stadt ein funktional schönes Gebäude erhalten hatte. Dem
kompetenten, engagierten und durchsetzungsfähigen Jung-Bibliothekar übertrug
der damalige Direktor Wilhelm SchmitzVeltin die Erarbeitung eines Konzepts für
eine neuartige Kinder- und Jugendbibliothek. Dieses wurde im Rahmen eines großzügigen Erweiterungsbaus 1955 realisiert,
wobei Kinder und Jugendliche – im Gegensatz zu den Erwachsenen – ihre Bücher in
Freihandaufstellung selbst auswählen durften und die gesamte Ausstattung als Maßanfertigung eines Duisburger Möbelbauers
auf die Zielgruppe abgestimmt worden war.
Die UNESCO zeichnete dieses in Deutschland seinerzeit einzigartige Konzept mit
dem Prädikat »Modell-Bücherei« aus.
In der Folge setzte Duisburg weitere Akzente für das deutsche Bibliothekswesen.
1961 wurde dem Rat der Stadt ein erster Bibliotheksentwicklungsplan vorgelegt. Neben der Zentralbücherei war ein Netz von
25 Zweigstellen vorgesehen. 1966 öffnete
im Stadtzentrum eine neue, repräsentative Zentralbibliothek mit 135.000 Printmedien in vollständiger Freihandaufstellung.
In ihr wurde erstmals in Deutschland auch
die elektronische Datenverarbeitung für
die Ausleihe und für statistische Auswertungen eingesetzt. Im gleichen Jahr legte
45
die Stadtbibliothek eine eigene Sachsystematik für Bibliotheken (SSD) vor, nach der
bis heute rund 80 Bibliotheken in Deutschland, Österreich und der Schweiz arbeiten.
1968 richtete Duisburg als eine der ersten
Öffentlichen Bibliotheken eine eigene Musikbibliothek mit Noten- und Schallplattenausleihe ein. Zur gleichen Zeit wurde
die Schulbibliothekarische Arbeitsstelle gegründet, die die Schulen bei der Einrichtung von Bibliotheken unterstützte. Ende
1971 fand in der Mercatorhalle die erste Internationale Kinder- und Jugendbuchausstellung (IKiBu) statt. Sie entwickelte sich
rasch zu einem Markenzeichen mit bis zu
200.000 Besuchern und zu einem bundesweit beachteten Literatur- und Theaterfestival mit prominenten Gästen wie u. a. Janosch, Christine Nöstlinger, Paul Maar,
Hans-Joachim Gelberg, Peter Härtling.
Mit dem Modellprojekt einer Fahrbibliothek, die »Gastarbeiter« mit Medien in sieben Sprachen versorgte, stieg Duisburg
bereits 1974 in die interkulturelle Bibliotheksarbeit ein. 1976 konnte die Zentralbibliothek im Europa-Haus erweitert werden.
Hier fanden die Kinder- und Jugendbibliothek zusammen mit den neuen AV-Medien
(ab 1987 auch Videos) und einer Discothek
viel Platz zur Entfaltung. Ein Herzensanliegen für Rakowski war es, dass auch ein
angemessener Präsentationsraum für die
Sammlung »Historische und Schöne Bücher« mit 3.500 wertvollen Ausgaben und
dem »Sachsenspiegel« (1385) eingerichtet
werden konnte.
Bereits 1957 war Rakowski Stellvertreter
des seit 1942 amtierenden Schmitz-Veltin
KURZ & KNAPP /
1/15
Franz Rakowski wirkte nicht nur
in Duisburg. Er gab auch dem
deutschen Bibliothekswesen neue
Impulse.
Zweigstellen und zwei Fahrbibliotheken, für die mehr als 300 Mitarbeiter und drei Millionen DM
für Medienkäufe zur Verfügung
standen. Da die Gesamthochschule/Universität Duisburg sich erst
seit 1970 im Aufbau befand, erfüllte die Stadtbibliothek bis Ende
der 1980er Jahre auch die Aufgaben einer Wissenschaftlichen
Bibliothek.
geworden. Die hohe Fachkompetenz, das
große Organisationstalent, die ausgezeichnete Vernetzung innerhalb der Stadtverwaltung und die hohen Qualitäten in der Personalführung hatte Rakowski schon seit
den 1950er Jahren unter Beweis gestellt.
Die für die Jahre 1971 bis 1976 und 1977
bis 1985 vorgelegten Bibliotheksentwicklungspläne konkretisierten den Ausbau des
Zweigstellensystems. Auf dem Höhepunkt
der Entwicklung bot die Stadt Duisburg ihren Bürgern neben der Zentralbibliothek 27
Die Wertschätzung als ein »Mekka des Öffentlichen Bibliothekswesens«, das die Stadtbibliothek Duisburg in den 1960er und 1970er
Jahren auszeichnete, kam auch in
der vielfältigen Verbands- und Gremienarbeit Rakowskis zum Ausdruck. Sein Sachverstand war in der Jury des Deutschen
Jugendbuchpreises und im Vorstand des Arbeitskreises Jugendliteratur, im Kuratorium
und im Fachbeirat des Deutschen Bibliotheksinstituts, im Vorstand des Deutschen
Bibliotheksverbands, dem er neun Jahre
lang angehörte, und im Aufsichtsrat der ekz
seit 1976 ebenso gefragt wie im Gutachterausschuss der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement, in der
1/15
›› MELDUNGEN
›› „NETZWERK BIBLIOTHEK“:
Strukturplankommission für NRW und in
der Bertelsmann-Stiftung. Über die nationalen Grenzen hinaus engagierte er sich auch
in der International Association of Metropolitan City Libraries.
BIBLIOTHEKEN PRÄSENTIEREN
DIGITALE ANGEBOTE
Mit Beginn der Struktur- und Finanzkrise
Duisburgs musste Rakowski seit 1978 das
von ihm aufgebaute Bibliothekssystem sukzessive zurückschneiden. Innerhalb von
zwölf Jahren wurden acht Zweigstellen
und die Schulbibliothekarische Arbeitsstelle geschlossen, eine große Anzahl von Personalstellen abgebaut, der Medienetat halbiert, die IKiBu erheblich eingeschränkt.
Diese schmerzhaften Einschnitte in Verbindung mit einer angeschlagenen Gesundheit veranlassten Rakowski dazu, am
1. Juli 1990 vorzeitig in den Ruhestand zu
gehen – hoch geschätzt von seinem Kollegium, das er stets mit dem Grundsatz geführt hatte: »Ich möchte gut sein in einem
Kollektiv, das gut ist.« Als »Leitender Bibliotheksdirektor i. R.«, als Vorsitzender des
Vereins für Literatur und Kunst (bis 2003)
und als Beiratsvorsitzender der Duisburger
Bürgerstiftung Bibliothek (bis 2009) blieb
er seiner geliebten Wirkungsstätte lange
Zeit intensiv verbunden. Auch im hohen Alter schien in den Gesprächen, die ich mit
ihm führen konnte, das reiche Maß an Hingabe für die Welt der Bibliotheken, an Lebenserfahrung und Einfühlungsvermögen
in die Denkweise anderer Menschen auf.
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Der Berufsverband Information Bibliothek
e. V. (BIB) hat seine Position zum Thema
»Sonntagsöffnung in Öffentlichen Bibliotheken« von 2008 aktualisiert und spricht
sich jetzt auch für die Möglichkeit zur Öffnung Öffentlicher Bibliotheken an Sonntagen aus, vorausgesetzt, die persönlich-privaten Bedürfnisse der Beschäftigten bleiben
gewahrt. Der BIB hat sich damit der vom
Deutschen Bibliotheksverband e. V. seit langem vertretenen Position angenähert.
Foto: Britta Lauer
Anfang 2015 hat Dr. Dietmar Haubfleisch, Leitender Bibliotheksdirektor der UB Paderborn, den Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft der Universitätsbibliotheken (AG UB) übernommen. In der Amtszeit 2015
bis 2017 gehören dem Vorstand außerdem Dr. Joachim Kreische (UB
Dortmund) und Uwe Stadler (UB Wuppertal) an. Bis 2014 war Dr.
Haubfleisch Vorsitzender des Beirats des hbz und Mitglied des DINIHauptausschusses sowie des DINI-Vorstands. Seit 2010 ist er Mitglied im Unterausschuss für elektronische Publikationen der DFG.
››Gemeindebücherei Simmerath
[DE-1914]
Bickerather Str. 1, 52152 Simmerath
Telefon: 0 2473 - 66 80,
E-Mail: gemeindebuecherei@simmerath.de
››Bibliothek der Verbraucherzentrale NRW
[DE-2216]
Mintropstr. 27, 40215 Düsseldorf
Telefon: 0211 - 3809-104, E-Mail: birgit.bidmon@vz-nrw.de
››- Bibliothek des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe
[DE-Mue131]
Piusallee 1-3 , 48147 Münster
Telefon: 0251 - 591-5370, E-Mail: martina.loeckener@lwl.org
Die Zulassung erfolgte auf Grundlage der Leihverkehrsordnung für
NRW vom 8. März 2004. Die Amtliche Leihverkehrsliste ist einsehbar unter: www.hbz-nrw.de/angebote/online_fernleihe/leihverkehr/
leihverkehrsliste_nrw
›› BIB WIE DBV FÜR DIE MÖGLICHKEIT DER SONNTAGSÖFFNUNG
VORSITZ DER AG UB
In seiner ersten Sitzung des Jahres 2015 wählte der Vorstand des
Verbands der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen e. V.
(vbnw) satzungsgemäß zwei stellvertretende Vorsitzende. Die Ämter übernehmen künftig Prof. Dr. Gregor Hohenberg vom Zentrum
für Wissensmanagement der Hochschule Hamm-Lippstadt als Vertreter der Wissenschaftlichen Bibliotheken und Bernd Jeucken, Leiter der Stadtbibliothek Hattingen, als Vertreter der Öffentlichen Bibliotheken.
Mit Wirkung vom 12. November bzw. 16. Dezember 2014 wurden
folgende Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen zum deutschen Leihverkehr zugelassen:
Seit Oktober 2014 präsentieren Bibliotheken in Deutschland ihre
digitalen Angebote und Netzwerke im Rahmen der Imagekampagne »Netzwerk Bibliothek« des dbv, die vom Bundesministerium für
Bildung und Forschung
gefördert wird. Mehr als
2.000 Veranstaltungen
sind bereits unter www.
netzwerk-bibliothek.de aufgeführt, eine bundesweite Aktion mit der Fragestellung »Wie digital ist
Ihre Bibliothek?« ist gestartet, und Besucher, und
Bibliotheken verbinden
sich über soziale Medien.
Plakate und Online-Angebote visualisieren das
Motto der Aktion »Bibliothek neu erleben – auch
digital«.
›› VBNW WÄHLT STELLVERTRETENDE ›› DR. HAUBFLEISCH ÜBERNIMMT
VORSITZENDE
›› ZULASSUNGEN ZUM LEIHVERKEHR
Der Sonntagsöffnung der Bibliotheken stehen gesetzliche Regelungen im Weg. Das
Bundesarbeitszeitgesetz enthält ein Beschäftigungsverbot, das sich an den Arbeit-
geber richtet. Die Sonn- und Feiertagsgesetze der Länder enthalten ein Arbeits- und
Handlungsverbot. Während das Bundesarbeitszeitgesetz aber für Museen, Theater
und Wissenschaftliche Präsenzbibliotheken
Ausnahmeregelungen erlaubt, gilt dies bislang für Öffentliche Bibliotheken nicht.
Der BIB spricht sich für folgende Erweiterung der Ausnahmetatbestände in § 10 Abs.
1 Nr. 7 des Bundesarbeitszeitgesetzes aus:
»Sofern die Arbeiten nicht an Werktagen
vorgenommen werden können, dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen abweichend von § 9 beschäftigt werden beim Sport
und in Freizeit-, Erholungs- und Vergnü-
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gungseinrichtungen, beim Fremdenverkehr
sowie in Museen und Bibliotheken (...).«
Neue Nahrung erhält die Diskussion um die
Sonntagsöffnung durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, das im
November 2014 entschied, dass die Hessische Bedarfsgewerbeverordnung insoweit
nichtig ist, als sie eine Beschäftigung von
Arbeitnehmern an Sonn- und gesetzlichen
Feiertagen in den Bereichen Videotheken
und Öffentliche Bibliotheken, Callcentern
und Lotto- und Totogesellschaften zulässt.
Das Bundesverwaltungsgericht fordert den
Gesetzgeber nachdrücklich auf, das Bundesarbeitszeitgesetz zu präzisieren.
KURZ & KNAPP /
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›› STADTBIBLIOTHEK KÖLN IN GELUNGENER WDR-DOKUMENTATION
wichtig Bibliotheken den Bürgerinnen und Bürgern sind. Auch über
die zukunftsweisenden Angebote der Kölner Bibliothek, wie zum
Beispiel »Quellentaucher«, wird berichtet. Der Film ist im Internet
zu sehen (http://0cn.de/n6u0).
Das WDR-Fernsehen hat für die Sendung »Hier und heute« in der
Stadtbibliothek Köln eine knapp 15 Minuten lange, sehenswerte
Dokumentation gedreht. »Zwischen Büchern – unter Menschen«
unterstreicht mit vielen positiven Besucher-Kommentaren, wie
›› ULB DÜSSELDORF – FRAGMENT ZUM KÖLNER DOM ENTDECKT
Es ist eine kleine Sensation: Eigentlich gilt
die Handschrift Ms. B 51 der Universitätsund Landesbibliothek Düsseldorf eher als
unspektakulär, handelt es sich dabei doch
»nur« um eine Abschrift von Werken des
frühchristlichen Autors Johannes Cassianus, verfertigt wahrscheinlich in der
im Bergischen Land liegenden bedeutenden Zisterzienserabtei Altenberg im 12.
und 14. Jahrhundert. Doch
für den ursprünglichen
Einband der Handschrift
waren
Pergamentfragmente verwendet worden, auf denen sich zwei
Ausschnitte einer professionell, wohl im
späten 14. Jahrhundert ausgeführten Architekturzeichnung befinden. Wie erst
der Kunsthistoriker Prof. Dr. Norbert Nußbaum (Universität Köln) erkannte, der auf
›› ERSTES BOOKUPDE-TREFFEN IN
die Zeichnungen durch eine wissenschaftliche Mitarbeiterin der ULB Düsseldorf aufmerksam gemacht wurde, geben diese ein
nicht ausgeführtes Planstadium des dritten
und vierten Turmgeschosses der Westfassade des Kölner Domes wieder. Gerade über
diesen Aspekt der Bauplanung und Baugeschichte des Kölner Domes ist bislang noch
sehr wenig bekannt. Umso kulturgeschichtlich gewichtiger ist das Fragment in Ms. B
51 zu werten. Es wird von Prof. Dr. Nußbaum im »Kölner Domblatt« umfassend
wissenschaftlich vorgestellt.
Das Pergament zeigt einen Teil einer
Architekturzeichnung aus dem späten
14. Jahrhundert.
REALE, NICHT-MENSCHLICHE
DER STADTBÜCHEREI HILDEN
ENTITÄTEN
Bei Tweetups treffen sich twitternde Menschen anlässlich einer
(Kultur-)Veranstaltung persönlich, kommen ins Gespräch und verbreiten News und Fotos des besuchten Events über Twitter, Instagram und Blogs. Ein #bookupDE-Treffen funktioniert ähnlich. Hier
treffen sich Buchbegeisterte an Orten, die unmittelbar mit Büchern
zu tun haben.
Erfassungshilfe der Deutschen Nationalbibliothek für »Personen
und Familien« mit der Vorgabe »Kernelement« und »ein passender
Ausdruck ist Teil des normierten Sucheinstiegs«: »Für reale, nichtmenschliche Entitäten wird ein passender Ausdruck für die Art, die
Gattung oder die Rasse als Teil des normierten Sucheinstiegs in einem eigenen Unterfeld (PICA: $l, Aleph: $c) erfasst. Der Ausdruck
wird möglichst zusätzlich als getrenntes Element Feld 550 mit dem
Code ‚obin‘ erfasst.«
Als erste Öffentliche Bibliothek lud die Stadtbücherei Hilden Ende
Oktober 2014 Social Media affine Menschen zum Blick hinter die
Kulissen ein. Mit Hilfe von Smartphone und Tablet berichteten diese live oder zeitversetzt bei Facebook, Twitter sowie in dem Blog
#bookupDE über alles, was sie in der Bibliothek neu und überraschend für sie war: die Q-thek, den Ohrenstöpsel-Automaten, die
Schütte, die Vorräte im Sortierraum und auch den Strandkorb.
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PICA3
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100 $PBarito$lOrang-Utan
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678 $bBarito lebt und malt im Krefelder Zoo
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