Das Beispiel USA - und Sozialwissenschaften
Transcription
Das Beispiel USA - und Sozialwissenschaften
Universität Hamburg Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Department Wirtschaftswissenschaften Institut für Außenhandel und Wirtschaftsintegration Arbeitsbereich Internationale Wirtschaftsbeziehungen Prof. Dr. Thomas Straubhaar Seminar „Aktuelle Probleme der Wirtschaftspolitik“ im Sommersemester 2008 Die ökonomische Logik der irregulären Migration: Das Beispiel USA Eingereicht am 28. April 2008 von: Annika Westphal und Kathrin Schröder Inhaltsverzeichnis 1. Einführung ..........................................................................................................................3 2. Entscheidungsgrundlagen für irreguläre Immigration........................................................4 3. Ökonomische Bedeutung und Vermeidungsansätze ..........................................................5 4. 5. 3.1. Herkunftsland .............................................................................................................5 3.2. Zielland.......................................................................................................................6 3.2.1. Arbeitsmarkt .......................................................................................................6 3.2.2. Staatlicher Haushalt..........................................................................................10 Migration in den USA ......................................................................................................13 4.1. Kontroverse Migrationsgesetzgebung in den USA ..................................................13 4.2. Der Gesetzesentwurf vom 18. Juni 2007..................................................................14 4.3. Kritische Würdigung ................................................................................................16 Schlussbetrachtung ...........................................................................................................17 Literaturverzeichnis ..................................................................................................................19 2 1. Einführung Die USA gilt seit jeher als Einwanderungsland. Da die Einwanderer aber nicht nur regulär über die Grenze kommen oder trotz abgelaufener Papiere im Land bleiben, hat die USA nach und nach immer wieder Gesetze verabschiedet, die die irreguläre1 Immigration eindämmen soll. Derzeit leben schätzungsweise 12 Millionen irreguläre Einwanderer in den USA und jährlich kommen etwa 500.000 dazu. 60 Prozent von ihnen sollen aus Mexiko kommen, denn das erhebliche Wohlstandsgefälle zwischen den Ländern provozierte immer wieder die irreguläre Migration. Insgesamt macht die Zahl irregulärer Immigranten fast ein Drittel der im Ausland geborenen Bevölkerung der USA aus. (Passel 2006:2f) Neben den ökonomischen, (politischen) und volkswirtschaftlichen Konsequenzen treten durch irreguläre Migration unter anderem auch humanitär Problematiken auf. So hat die Irregularität seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 auch im Bezug auf Sicherheitsfragen wieder stark an Bedeutung gewonnen. (Parott, 2007: o. S.) Außerdem kann irreguläre Migration auch unfreiwillig durch Menschenschmuggel entstehen. (Vogel/Cyrus, 2008: o. S.) Diese Bereiche werden wir in diesem Rahmen nicht näher betrachten. Vielmehr möchten wir mit dieser Seminararbeit darstellen, dass es auch positive Aspekte der illegalen Migration gibt, die in der öffentlichen Diskussion zumeist nicht oder nur sehr unscheinbar auftauchen. Auf dem Weg dorthin stellen wir zunächst kurz die privaten Entscheidungsgrundlagen dar, die dazu führen, das Menschen das Risiko und die Kosten auf sich nehmen, die illegale Migration mit sich bringen. Darauf aufbauend beleuchten wir im dritten Kapitel die ökonomische Bedeutung für das Herkunfts- und das Zielland. Während wir ersteres vollständigkeitshalber nennen, aber nur kurz anreißen, möchten wir den Wirkungen auf das Zielland die größere Aufmerksamkeit widmen. Diese untergliedern wir in die resultierenden Effekte auf dem Arbeitsmarkt und den staatlichen Haushalt und benennen dabei mögliche Vermeidungsansätze. Letztendlich stellt sich die Frage, inwieweit die Begrenzung irregulärer Zuwanderung ökonomisch überhaupt sinnvoll ist, oder ob die USA nicht auch von ihr profitiert. In diesem Sinne kommen wir anschließend auf die in vielen Punkten kontroverse Gesetzgebung der USA zu sprechen, die vom Gesetzesentwurf aus dem Juni 2007 und dessen kritischer Würdigung abgeschlossen wird. 1 Mit „irregulären Migranten“ sind dabei Menschen gemeint, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung in einem Land aufhalten. Als Synonym wird häufig auch der Begriff „illegal“ oder „undokumentiert“ verwendet. Wir beschränken uns in dieser Arbeit in der Regel auf den Begriff „irreguläre Migranten“, da er sich in der internationalen wissenschaftlichen Diskussion zunehmend durchzusetzen scheint (Vogel/Cyrus, 2008: o. S.). 3 2. Entscheidungsgrundlagen für irreguläre Immigration Die Entscheidung zur irregulären Immigration ist ein gegenseitiges Aufwiegen von Nutzen, Risiko und Kosten. (vgl. Entorf/Moebert 2004:o.S.) Dabei muss zuerst erläutert werden, warum Personen überhaupt immigrieren, um dann die Frage zu klären, warum dies teilweise auf irregulärem, anstatt auf regulärem Wege passiert. Hier beziehen wir uns hauptsächlich auf die Migrationsströme von Mexiko in die USA. Ursachen von Immigration sind hauptsächlich schlechte politische, soziale und wirtschaftliche Situationen im Herkunftsland oder auch Familienzusammenführungen. (vgl. Entorf 2002:3) Der häufigste Grund ist die Hoffnung auf bessere Verdienstmöglichkeiten. Die Entscheidungsgrundlage basiert also zum großen Teil auf der Differenz des möglichen Einkommens im Zielland und des bekannten Einkommens im Herkunftsland. (vgl. Entorf/Moebert 2004: o.S.) Das Verhältnis des Pro-Kopf-Einkommens zwischen den USA und Mexiko beträgt beispielsweise 6:1. (vgl. Entorf 2002:7) Sogar irreguläre Immigranten aus Mexiko haben in den USA ein wesentlich höheres Einkommen als ihre Landsleute, die in Mexiko leben und arbeiten. (vgl. Hanson 2006:19) Die Unbeständigkeit des mexikanischen Pesos und der daraus resultierende Lohnabfall ist ein weiterer Grund der Immigrationsströme von Mexiko in die USA. (vgl. Hanson/Spilimbergo 1999:1337) Düvell (2006: 145) fasst die Ursache irregulärer Migration in vier Variablen zusammen: Die Nachfrage nach Arbeitskraft, der eingeschränkte Zugang zu Arbeitserlaubnissen, ausgedehnte informelle Sektoren und problematische oder lückenhafte Kontrollen im Zielland. Allerdings muss bei irregulärer Immigration auch die Unsicherheit über die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung und die Härte einer möglichen Strafe in die Immigrationsentscheidung einbezogen werden. Um diese Risiken einschätzen zu können, müssen hierüber Informationen gesammelt werden, die aus den Medien oder von Berichten von Rückkehrern stammen können. Die Kosten der Informationssuche wirken sich ebenfalls negativ auf die Immigrationsentscheidung aus. (vgl. Entorf/Moebert, 2004:2f) Es wurde nachgewiesen, dass eine härtere Bestrafung bei Entdeckung zu einem Rückgang von irregulären und Anstieg regulären Immigranten führt, woraus geschlossen werden könnte, dass einige Menschen illegal immigrieren, obwohl sie formell die Möglichkeit hätten, dies auf legalem Wege zu tun. (vgl. Kondoh 2000:237) In den meisten Fällen fehlen den betroffenen Personen aber lediglich die Möglichkeiten, legal zu immigrieren, da die Regierungen der Zielländer sich die Immigranten unter anderem nach ihren Qualifikationen aussuchen. (vgl. Kondoh 2000:223) Denn häufig entsteht irreguläre Arbeitsmigration, wenn dem Arbeitskräftemangel politische Restriktionen gegenüberstehen. 4 (vgl. Düvell, 2006:87) Und diese verhindern oder zumindest verteuern Migration. (vgl. Straubhaar, 2002:21) Aber auch wenn eine Person auf legalem Weg in einem anderem als dem Herkunftsland leben und arbeiten könnte, so stellt sich dies aufgrund der Wartezeiten auf entsprechende Visa oftmals als ein langwieriger Prozess heraus, wodurch die irreguläre Immigration nur noch mehr provoziert wird. (vgl. Hanson 2007:14f) Ursache von irregulärer Migration kann aber auch ganz einfach Marktversagen sein. Wenn es beispielsweise keine legalen Dienstleister gibt, die organisierte Übergänge anbieten, kann es dazu führen, dass sich migrationswillige Menschen an informelle Anbieter wenden. (vgl. Düvell, 2006:87) 3. Ökonomische Bedeutung und Vermeidungsansätze Zunächst widmen wir uns kurz der ökonomischen Bedeutung und den Vermeidungsansätzen der irregulären Migration im Herkunftsland. Anschließend gehen wir dann auf die im Zielland entstehenden Folgen für den Arbeitsmarkt, die Wohlfahrt sowie den staatlichen Haushalt ein und bieten auch hier mögliche Ansätze zur Vermeidung. Was dabei auf den ersten Blick plausibel erscheinen mag, stellt sich später häufig anders dar, denn „wie Kosten und Nutzen der Migration verteilt sind, ist keineswegs offensichtlich“ (vgl. Freeman, 2000:2). 3.1. Herkunftsland Für das Herkunftsland ist es erstmal irrelevant, ob die Menschen regulär oder irregulär abwandern. Das Resultat bleibt gleich: Die Einwohnerzahl geht zurück. Der Unterschied besteht lediglich in der Planungsunsicherheit durch die unbekannte Zahl der irregulären Abwanderer. Als allgemeine negative Effekte von Abwanderung könnte der Verkaufsrückgang einheimischer Produkte und die Abwanderung knapper Arbeitskräfte genannt werden, woraus eine Verringerung der Produktivität resultieren könnte. Die Sortiment- und Marktgröße würde dezimiert und das Bruttosozialprodukt (BSP) sinkt. Es käme zu sinkenden Löhnen in Folge einer Verringerung der allgemeinen Wirtschaftskraft. Andererseits vertritt die neoklassische Wirtschaftstheorie die Aussage, dass durch eine Verknappung der Arbeitskraft die Löhne ansteigen, neue Nachfrage geschaffen und der Handel angeregt wird, wodurch das BSP steigt. Durch die Abwanderung überschüssiger Arbeitskraft kann außerdem eine bestehende Arbeitslosigkeit gemindert werden. Zudem tragen die Geldsendungen von Gastarbeitern in ihre Heimat, die bei weitem die Entwicklungshilfe der USA überschreiten, im erheblichen Maße zu deren Devisen- und Einkommenserhöhung bei, sodass die bestehenden Überlebensprobleme angegangen und 5 bewältigt werden können. Dies kann zu einer Steigerung und Diversifizierung der Nachfrage, sowie zu einer Diversifizierung vom Import und Export führen. Aus den Wachstumsimpulsen und der Rolle der Remittances schließen Ökonomen, dass Migration das wirksamste Mittel zur Bekämpfung von Armut ist. (vgl. Düvell, 1995:182f, 185) Aufgrund der Abwanderung von hochqualifizierten Arbeitskräften („brain drain“) wurde die Migration fürs Herkunftsland lange Zeit negativ bewertet, denn sie verursacht eine geringere Standortattraktivität, die die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation der Länder verschlechtert. Allerdings verursacht „brain drain“ nur dann einen Verlust für die heimische Wirtschaft, wenn in dem Land durch die Abwanderung nicht mehr die heimischen Arbeitsplätze besetzt werden können. Im Zeitalter der zunehmenden Mobilität und Globalisierung muss die Migration aber keine endgültige Entscheidung mehr sein, sondern es wird vielmehr immer öfter eine Weitermigration oder Rückkehr von Fachkräften ins Herkunftsland beobachtet, wo die Fachkräfte Unternehmen gründen und maßgeblich zum Wachstum neuer Industrien beitragen. Viele asiatische Staaten nutzen mittlerweile auf diesem Wege ihre gut ausgebildeten Fachkräfte als Exportgut. So lebten 1997 etwa eine halbe Millionen asiatische Techniker und Ingeneure in den USA, sammelten dort Know-How, Kontakte und generierten Einkommen und kamen in den 90ern zurück. Deswegen wird mittlerweile diskutiert, ob derzeit nicht eher von einer „brain circulation“ gesprochen werden solle, die zum Wohle aller involvierten Gesellschaften sei und politisch gefördert werden sollte. (vgl. Düvell, 2006: 162f) 3.2. Zielland Ob eine Gesellschaft durch irreguläre Migration besser oder schlechter gestellt ist, hängt von vielen Faktoren ab. Entscheidend sind hierfür vor allem die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, den staatlichen Haushalt und die Wohlfahrt. 3.2.1. Arbeitsmarkt Irreguläre Immigranten haben eine große ökonomische Bedeutung für den Arbeitsmarkt. Ein nicht unwesentlicher Punkt dabei ist, dass die Unternehmen durch die Beschäftigung irregulärer Immigranten Lohnkosten sparen, da diese im Durchschnitt weniger verdienen als ihre legalen Kollegen. Allerdings tragen die Unternehmen auch das Risiko der Entdeckung der irregulär Beschäftigten und der gegebenenfalls auf sie zukommenden Strafen. Mit dieser Problematik beschäftigten sich Entorf und Moebert (2004), die mit einer theoretischen Darstellung die Reaktion der Nachfrage nach illegaler Arbeit auf die Veränderung der oben genannten Variablen bei starrer Angebotseite beschreiben (siehe Abbildung 1). 6 Abbildung 1: Arbeitsangebot und –nachfrage nach illegalen Immigranten Quelle: Entorf/Möbert (2004) Während (d) den üblichen konkaven Nachfrageverlauf der Unternehmen und privaten Haushalte beschreibt, stellt (s) den konvexen Verlauf des Arbeitsangebots von illegaler Arbeit dar. Auf der Ordinate sind die Nachfrage (d) und die Lohnkosten für den Unternehmer (π) abgebildet. Mit zunehmenden Lohnkosten sinkt die Nachfrage und steigt das Angebot nach illegaler Arbeitsmigration. Wenn sich durch den Einfluss der Politik die Entdeckungswahrscheinlichkeit (p) und/oder die Härte der Bestrafung (f) erhöht, wird die Beschäftigung irregulärer Immigranten riskanter. Die Nachfragekurve verschiebt sich nach links unten und ein neues Gleichgewicht entsteht, indem der optimale Lohn für irreguläre Immigranten (π*) sinkt, wodurch sich auch die Menge illegaler Arbeiter (q*) verringert. Auch exogene Einflüsse, wie ein steigender Mindestlohn wirken sich negativ auf die Nachfrage aus. So kann die Arbeitsmarktpolitik einen unerwünschten Einfluss auf die Schattenwirtschaft haben, denn wenn legale Arbeit teurer wird, steigt die Nachfrage nach illegaler Arbeit. (vgl. Entorf/Moebert 2004: o.S.) Nach Hanson (2007:5) sinken die Versuche, irregulär ins Land zu kommen um 6 Prozent, wenn die amerikanischen Löhne um 10 Prozent fallen. Außerdem sind illegal Beschäftigte jederzeit kündbar, wodurch die Unternehmen flexibler auf ihre jeweilige wirtschaftliche Situation reagieren können. (vgl. Entorf/Moebert 2004: o.S.) Laut Hanson (2007:12) decken irreguläre Immigranten die steigende Nachfrage nach Arbeitskräften auf dem US-Arbeitsmarkt wenn die Wirtschaft einen Aufschwung erlebt: „Illegale Immigranten versorgen US-amerikanische Unternehmen mit den Arbeitern, die sie wollen, wann sie sie wollen und wo sie sie wollen.“ Sie sind also wesentlich flexibler als legale Immigranten, da diese durch die oft langwierige Wartezeit nach Beantragung des Visums wesentlich langsamer auf eine boomende Wirtschaft reagieren und nicht ohne weiteres ihren Arbeitsplatz wechseln können. 7 Viele Arbeitgeber nutzen die unsichere Situation und die schwache Verhandlungsposition illegaler Arbeiter aus und können so ihre Kosten minimieren. (vgl. Entorf 2002:5f) Branchen wie das Gastgewerbe, das Gesundheits- und Pflegewesen und die Landwirtschaft sowie weitere arbeitsintensive Tätigkeitsbereiche wie Putzen, Kinder hüten und Gartenarbeit sind daher auf die Beschäftigung von irregulären Immigranten angewiesen, die jenseits von Tariflöhnen und geltenden Rechtsvorschriften arbeiten und somit günstiger sind. (vgl. Straubhaar 2007a) Im Jahr 2000 verdiente beispielsweise ein neu ins Land gekommener durchschnittlicher mexikanischer Immigrant 53,4 Prozent weniger Lohn, als ein durchschnittlicher einheimischer Arbeiter. (vgl. Borjas/Katz 2007:30) Außerdem haben mexikanische Immigranten im Durchschnitt ein geringeres Bildungsniveau als US-Amerikaner. Im Jahr 2000 lag der Anteil mexikanischer Arbeiter ohne Schulabschluss bei 63 Prozent. (vgl. Borjas/Katz 2007:38f) Amerikanische Arbeitnehmer hingegen zeichnen sich durch eine immer bessere Ausbildung aus, was dazu beiträgt, dass sie die einfacheren Jobs nicht mehr annehmen möchten und diese entsprechend immer schwerer mit einheimischen Arbeitskräften zu besetzen sind. Daraus resultiert eine steigende ungedeckte Nachfrage. (vgl. Hanson 2007:14) Auf der anderen Seite kommen auch hochqualifizierte Arbeitnehmer („brain gains“) ins Land. Rund 20-30 Prozent aller Mediziner in den USA wurden im Ausland ausgebildet und eine halbe Millionen asiatische Techniker und Ingeneure lebten 1997 in den USA. (vgl. Düvell, 2006:162f.) Und auch sie sind – wie im Punkt 2 beschrieben – oft nur aufgrund politischer Restriktionen nicht immer regulär über die Grenze gekommen. Günstigere Löhne bedingen aber auch eine Ausweitung der Produktionsmöglichkeiten sowie eine Diversifizierung und Zunahme von Import und Export. (vgl. Düvell, 2006:182) Während davon ausgegangen wird, dass hochqualifizierte Immigranten einen positiven Einfluss auf das Einkommen von einheimischen Personen haben, deuten Untersuchungen darauf hin, dass Geringqualifizierte (legal oder illegal) einen negativen Einfluss ausüben. Allerdings unterliegen solche Untersuchungen vielen Annahmen und das Ergebnis fällt so gering aus, dass der Einfluss von Immigration zu vernachlässigen ist. Daher stellt sich die Frage, ob die Vermeidung der irregulären Migration aufgrund der hohen Kosten überhaupt noch ökonomisch sinnvoll ist. (vgl. Hanson 2007:24) Gefallene Durchschnittslöhne haben auch einen Einfluss auf die Wohlfahrt. Der Anteil günstig angebotener Güter und Dienstleistungen steigt, insbesondere bei solchen Preisen, die durch lokale Märkte und nicht durch internationalen Wettbewerb bestimmt werden. Amerikanische Haushalte profitieren durch geringere Produktionskosten und den daraus 8 resultierenden Preisverfall, wodurch ihre Lebenshaltungskosten sinken. Daraus entsteht ein Wohlfahrtsgewinn. (vgl. Vogel 1999:87) Doch die Beschäftigung irregulärer Immigranten hat auch negative Effekte auf den Arbeitsmarkt. Da der Arbeitgeber in der Regel keine Lohnnebenkosten für sie zahlen muss, sind sie billiger als ihre legalen Konkurrenten. Zudem müssen sich die illegalen Arbeitnehmer an keine arbeits- und sozialrechtlichen Normen oder tarifvertragliche Vereinbarungen halten und verletzen somit die Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes. (vgl. Straubhaar 2007: o. S.) Außerdem wird das Einkommen von einheimischen Arbeitern auf die hohe Zahl ständig hinzukommender illegaler Arbeitskräfte umverteilt. Schätzungen zufolge sank der Durchschnittslohn in den USA in der Zeit von 1980 und 2000 um rund 3 Prozent, was allerdings nicht nur auf irreguläre, sondern auch auf reguläre Immigration zurückzuführen ist. Bei Geringqualifizierten fiel der Lohn im gleichen Zeitraum sogar um 9 Prozent, da der Großteil der Immigranten mit einheimischen Schulabbrechern und anderen Geringqualifizierten um die Arbeitsplätze konkurrieren. (vgl. Hanson 2007:20) Ebenso kommt es durch vermehrte irreguläre Immigranten zu einer Erhöhung des Arbeitsangebotes. Es wird vermutet, dass eine 10-prozentige Erhöhung den Lohn um 3 Prozent sinken lässt. (vgl. Borjas 1995:6f) Die Bedingungen, unter denen legal und illegal Beschäftigte arbeiten, stellen sich sehr unterschiedlich dar, wodurch die arbeitsbezogene Zumutbarkeit der Einheimischen neu definiert werden könnte. (vgl. Vogel, 1999: 88) Nach Entorf und Moebert (2004: o. S.) hängt der Einfluss irregulärer Immigration auf den Arbeitsmarkt aber hauptsächlich von der bereits bestehenden Arbeitslosenquote im Land und dem Verhalten der einheimischen Arbeitssuchenden ab. Vogel (1999:87) erweitert diesen Gedanken insofern, dass er es für entscheidend hält, ob es durch irreguläre Immigration zu einer nachhaltigen Verschlechterung der Arbeitslosenquote bei den Einheimischen und damit zu erhöhten Staatsausgaben führt. Die Finanzierbarkeit des sozialen Sicherungssystems hänge davon ab, ob die reguläre Wirtschaft durch irreguläre Zuwanderung wächst oder schrumpft und nicht davon, ob die Untergrundwirtschaft absolut größer wird. Für Straubhaar (2002:107) liegt das eigentliche ökonomische Problem darin, in welchem Ausmaße irreguläre Arbeitsmigration stattfindet. Verlierer der irregulären Immigration sind also hauptsächlich gering qualifizierte Arbeiter, die einen Lohnrückgang und vielleicht sogar Arbeitslosigkeit zu befürchten haben. Gewinner sind die Arbeitgeber, die in der Lage sind ihre Lohnkosten deutlich zu senken und so einen 9 Wettbewerbsvorteil erhalten können oder private Haushalte, die durch geringere Lebenshaltungskosten profitieren. Wie irreguläre Arbeitsmigration vermieden werden kann, darüber zerbrechen sich viele Ökonomen und Politiker regelmäßig ihre Köpfe. Die Debatte über die NAFTA (North American Free Trade Agreement) zwischen den USA, Kanada und Mexiko konzentrierte sich beispielsweise auf die Frage, wie viele Arbeitsplätze in den USA verloren gehen, weil USFirmen die billigen Arbeitskräfte in Mexiko zu nutzen versuchen. Nuscheler (1995:68) vertritt dabei das Argument, dass durch eine Verlagerung der Produktionsstätte trotz des bestehen bleibenden Lohngefälles am wirksamsten gegen die irreguläre Arbeitsmigration vorgegangen werden kann. Allerdings käme es dann zu einem Migrationsdruck nach Mexiko aus dem übrigen Zentral- und Südamerika. Irreguläre Migration ist laut Straubhaar (2007: 0. S.) dabei weniger ein spezifisches Immigrationsproblem als ein allgemeines Problem der Schattenwirtschaft. Er sieht die irreguläre Migration als Folge einer ökonomisch ineffizienten Arbeitsmarktpolitik und hält die heutigen Vermeidungsstrategien wie höhere Grenzzäune, bissigere Schutzhunde und strengere Einreisekontrollen für nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr sollte die Arbeitsmarktpolitik durch flexibler gestaltete Beschäftigungsverhältnisse und dezentraler ausgehandelte Löhne grundlegend reformiert werden, denn das würde die Anreize zur Schwarzarbeit und damit auch zur illegalen Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte mindern. (Straubhaar, 2007: o. S.) Ökonomische Migrationsprobleme entstünden vor allem dann, wenn mit sozialpolitisch motivierten Maßnahmen das allokative Marktergebnis (zu stark) korrigiert werde. (Straubhaar, 2002: 61) 3.2.2. Staatlicher Haushalt Die verschiedenen ökonomischen Einflüsse auf den staatlichen Haushalt können sich wie beim Arbeitsmarkt auch hier positiv und negativ auswirken. So können durch den Zustrom von Immigranten einheimische Ressourcen effektiver genutzt werden, was die Einnahmen US-amerikanischer Unternehmen erhöht. Jährlich entsteht so ein Mehrwert von etwa 0,2 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) von 2004, welches 11.750. Milliarden US-Dollar beträgt. (vgl. Hanson 2007:19f) In den USA müssen sich die Arbeitgeber bei Neueinstellungen die Sozialversicherungskarte und Greencard zeigen lassen, die die Arbeitserlaubnis beweisen sollen. Diese sind bei irregulären Immigranten zumeist gefälscht, (vgl. Hanson 2007:10) wodurch diese trotzdem Sozialversicherungsbeiträge und Steuern zahlen, obwohl sie keinen Nutzen daraus ziehen 10 können2. Da dieses Geld dem staatlichen Haushalt zu Gute kommt, beschwert sich eben dieser nicht, sondern lässt die irregulären Immigranten weiterhin arbeiten. Im Jahr 2002 zahlten sie auf diesem Wege etwa 16 Milliarden US-Dollar Steuern, was allerdings nur knapp ein Prozent der gesamten Steuereinnahmen ausmacht. Ein durchschnittlicher Haushalt irregulärer Immigranten zahlte umgerechnet schätzungsweise 4.212 US-Dollar an den staatlichen Haushalt, kostete den Staat aber 6.949 US-Dollar an Transferleistungen. Darunter fallen die öffentliche Bildung, medizinische Behandlungen im Notfall oder auch die (wenn auch ungewollte) Nutzung öffentlicher Gefängnisse und Gerichte. In der Summe entsteht hieraus ein finanzwirtschaftliches Defizit in Höhe von 2.736 US-Dollar pro Haushalt. (vgl. Camarota 2004:23ff) Ein wichtiger negativer Punkt sind die Kosten der Vermeidung von irregulärer Migration, die den US-amerikanischen Staat jedes Jahr Milliarden US-Dollar kosten. Diese setzen sich größtenteils aus den Kosten interner Kontrollen und Grenzsicherungen zusammen. Da die Transportkosten sinken und entsprechend die Reisetätigkeit steigt, werden die Kosten der Grenzsicherung immer höher. (vgl. Straubhaar 2002:107) Im Jahr 1980 wurden 290 Millionen Dollar für die Grenzsicherung ausgegeben, im Jahr 1998 lagen die Ausgaben schon bei 1,7 Milliarden US-Dollar. (vgl. Hanson/Spilimbergo 2001:613). Die Kosten der Grenzsicherung betragen derzeit mehr als 0,1 Prozent des amerikanischen BIP und sind größer als der fiskalische Nutzen, der durch die Bekämpfung von irregulärer Immigration entsteht. Für den Erfolg der Grenzsicherung spricht, dass 95 Prozent der 1,2 Millionen in Jahr 2004 gefassten irregulären Immigranten beim Versuch erwischt wurden, die mexikanische Grenze illegal zu übertreten. (vgl. Hanson 2007:10, 27) Über den ökonomischen Sinn der Grenzsicherung kann dennoch aus verschiedenen Gründen gestritten werden: Die Grenzkontrolle konzentriert sich hauptsächlich auf die Grenzstädte und vernachlässigt weniger bewohnte Gegenden, in denen irreguläre Immigranten in großen Mengen das Land betreten. Und wenn eine Person bei dem Versuch, die Grenze illegal zu überschreiten, gefasst wird und sich freiwillig zurück bringen lässt, dann entgeht er dem USamerikanischen Rechtssystem. Dadurch wird es den Personen leicht gemacht, weitere Versuche zu starten. Zwischen 1990 und 2003 lag der Anteile von Personen, die sich freiwillig zurückschicken ließen, bei 95 Prozent. (vgl. Hanson 2006:13, 33). 2 Da auch die illegal Beschäftigten öffentliche Güter nutzen, könnte behauptet werden, sie hätten schon einen gewissen Nutzen aus den Steuern. (Den haben sie aber auch, wenn sie keine Steuern zahlen.) 11 Quantitativ und ökonomisch viel bedeutsamer als die irregulären Einreisen ist laut Straubhaar (2002:106f) die hohe Zahl der regulären Einwanderer, deren Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen ist und die weiterhin im Land mit ihren Familien leben und arbeiten. Hier seien Grenzkontrollen zwecklos und müssten durch aufwendigere und teurere Personenkontrollen ersetzt werden. Das sei nicht mehr im nationalen Alleingang behandelbar. Im Ergebnis ständen die Kosten, die die USA jährlich für die Sicherung ihrer Grenzen ausgeben, nicht mehr im Verhältnis zum Erfolg. Hanson wiederum hält es für wichtig, dass mehr gegen Arbeitgeber unternommen wird, die irreguläre Immigranten beschäftigen. Im Jahr 1990 haben beispielsweise zumindest 15 Arbeitgeber eine Strafe von mindestens 5.000 US-Dollar für die Beschäftigung von irregulären Immigranten gezahlt. Diese Zahl nahm über die Jahre sukzessive ab, bis 2004 kein Arbeitgeber mehr eine solche Summe zahlen musste. (vgl. Hanson 2006:34f) Weitere Möglichkeiten, die irreguläre Immigration einzudämmen, sind in den USA bereits vorgenommene Gastarbeiterprogramme und die Legalisierung von Zuwanderern durch die Begründung von Aufenthaltsrechten. Die Ausweitung des Asylrechts auf die Opfer von Bürgerkriegen und ökologischen Katastrophen und die Möglichkeit des Familiennachzugs können auch zur Verminderung der irregulären Zuwanderung beitragen. (Eichenhofer, 1999:19) Taylor (2005:564) wiederum hält es für am effektivsten, in langfristiger Sicht die Ursachen im Herkunftsland zu bekämpfen. Dafür sei es notwendig Schritte einzuleiten, die die Armut, Konflikte und Menschenrechtsverletzungen bekämpfen. Denn wenn die Unterschiede in den Lebensbedingungen reduziert würden, hätten Menschen kaum noch Anreize irregulär zu immigrieren, da der resultierende Nutzen das bestehende Risiko nicht mehr übertreffen würde. Und schon die Aussicht auf eine eventuelle Verbesserung der Lebensumstände in der Zukunft würde sich positiv auf das Herkunftsland auswirken und damit irreguläre Migration zurückdrängen. (vgl. Straubhaar 2002:8) Allerdings sind die Kosten für erfolgreiche Einflüsse so erheblich, dass viele Politiker – besonders im Hinblick auf hohe Ausgaben und geringen Erfolgserlebnissen während einer Wahlperiode – sie nicht zahlen wollen (vgl. Taylor, 2005:564) Ebenso würden alle Eingriffe in Herkunftsländer einen (zu) starken Einfluss auf die Politik und Wirtschaft der Länder nehmen, was dazu führt, dass sich das Land nicht allein nach seinen Vorstellungen entwickeln kann. Entorf zeigte 2002, dass ab einem bestimmten Level der Kontrolle, die Kosten der Vermeidung höher sind als der Schaden, der durch illegale Immigration entsteht. 12 4. Migration in den USA Im Folgenden widmen wir uns der Frage, warum die irreguläre Immigration in den USA in den letzten Jahren stets zugenommen hat und warum die Versuche, dagegen vorzugehen, zumeist vergeblich blieben. Anschließend wird der Gesetzesentwurf vom Juni 2007 in seinen wichtigsten Eckpunkten dargestellt und kritisch gewürdigt. 4.1. Kontroverse Migrationsgesetzgebung in den USA Schon vor der amerikanischen Staatsgründung im Jahre 1776 war die Migration laut Blätte und Herz (2003:712) „ein Phänomen epochalen Ausmaßes“. Und nach wie vor zählt die USA zu den wichtigsten drei Einwanderungsstaaten der Welt. So wurde 1921 mit dem „Emergency Immigration Restriction Act“ (dem so genannte First Quota Act) erstmalig eine Immigrationsquote eingeführt, die in den kommenden Jahren durch Setzung und Erweiterungen von Obergrenzen, bezüglich der Herkunftsregion3 und anderen Präferenzsystemen, wie die Familienzusammenführung und die Anwerbung von Einfach-, beziehungsweise Hochqualifizierten Arbeitskräften, reformiert wurde. Da aber immer wieder ein hoher Bedarf an günstigen Arbeitskräften in der US-Wirtschaft herrscht und bereits während des zweiten Weltkrieges zweifellos abzusehen war, dass Migration in der Nachkriegszeit das Wirtschaftswachstum generieren würde, entschloss sich die USA 1942 zur Anwerbung mexikanischer Land- und Eisenbahnarbeiter, um den Arbeitskräftemangel auszugleichen. Dieses Gastarbeiterprogramm, welches unter dem Namen „bracero programm“ bekannt geworden ist, wurde bis 1964 schrittweise verlängert. Ende der 50er Jahre erlebte es seinen Höhepunkt mit jährlich über 400.000 Einwanderern. Nach Beendigung des Programms waren mehr als vier Millionen Mexikaner als Gastarbeiter in den USA. Der Migrationswunsch der Mexikaner hat aber eben nicht mit Beendigung des Programms abgenommen. Stattdessen hat sich die Zahl durch nachziehende Familien noch erhöht. Und weil kaum weitere legale Wege zur Immigration angeboten wurden, ging die Zuwanderung nahtlos in die irreguläre Immigration über. Somit wurde 1986 ein Gesetz zur Reformierung und Kontrolle der Zuwanderung eingeführt, welches Arbeitgebern, die irreguläre Immigranten beschäftigten, mit Sanktionen droht. Gleichzeitig wurde den Immigranten eine Amnestie ermöglicht, durch die rund drei Millionen illegale Einwanderer legalisiert wurden. Das führte wiederum zu steigenden Einwanderungen. 1996 wurde das Kontrollprogramm durch erhöhte Verfolgungsmöglichkeiten irregulärer Einwanderer ausweitet. Es wurden schärfere Sanktionen einführt, Rechtschutzgarantien und sozialstaatliche Leistungen für irreguläre (aber auch für reguläre) Immigranten stark 3 Die Zuwanderung aus den bevorzugten nord- und westeuropäischen Staaten sollte gefördert werden, während andere Regionen wie Lateinamerika beschränkt werden sollte. 13 einschränkt.4 (vgl. Blätte/Herz, 2003:711-713, 723-725) Weitere Maßnahmen, wie die Sicherung der Grenzen haben die Menschen lediglich dazu gezwungen, die Grenze an gefährlicheren Stellen zu überqueren. Denn gerade an den nicht offiziellen Grenzübergängen kam es immer wieder zu privaten Gruppenbildungen, die sich eigenmächtig zu Patrouillengängen an der Grenze verabredeten. Viele versuchte Grenzübergänge endeten durch sie tödlich. Auch die zunehmende Globalisierung tangiert den Arbeitsmarkt und schafft neue Realitäten, die heute nicht mehr ignoriert werden können. Aufgrund des derzeitig geringen Bevölkerungswachstums der USA, welches aus rückläufigen Geburtenraten resultiert, der demographische Alterung und immer besser ausgebildeten Arbeitskräften kommt es wieder zu einem Defizit an ungelernten und einfach qualifizierten Arbeitskräften. Aufgrund der zu geringen Zahl von Arbeitsgenehmigungen für ungelernte Arbeiter wird dieses Defizit von Zuwanderern geleistet, die sich ohne Genehmigung in den USA aufhalten. Aber auch die hochqualifizierten Immigranten, von denen die US-Amerikanischen Unternehmen und Universitäten profitieren, haben Probleme, auf legale Weise ins Land zu kommen, denn sie übertreffen regelmäßig bei weitem die Zahl der in den jeweiligen Kategorien zur Verfügung stehenden Visa. Die jährliche Quote ist in der Regel schon in den ersten Wochen eines Geschäftsjahres ausgeschäpft und die daraus resultierenden langen Wartezeiten lassen sich nur schlecht mit den Bedürfnissen der Arbeitgeber vereinbaren, was wiederum die illegale Einreise verstärkt. (vgl. Parott, 2007: o. S.) Ein Grund, warum die USA weiterhin einen so starken Magneten für irreguläre Zuwanderer darstellt, könnte also deren eigene Gesetzgebung sein, die in kontroverser Weise die allgemeine Zuwanderung zuerst begrenzt, dann wiederum Arbeitskräfte anwirbt, sie aber in schlechteren Zeiten schnell wieder los werden möchte. Das Problem dabei ist nur: Die Immigranten, um die es geht, sind Menschen mit eigenen Bedürfnissen und keine Maschinen, die bei Bedarf an- und ausgestellt werden können. 4.2. Der Gesetzesentwurf vom 18. Juni 2007 Einen weiteren Versuch, gegen die irreguläre Immigration vorzugehen, wurde am 18. Juni 2007 der überparteilich ausgehandelte Kompromiss zur Reformierung des Einwanderungsgesetzes („Secure Borders, Economic Opportunity and Immigration Reform Act of 2007“5) im Senat vorgelegt, der aber durch eine gescheiterte Abstimmung praktisch 4 Diese Punkte sind eine modifizierte Reform des zunächst erfolgreich durchgesetzten kalifornischen Referendums von 1994, welches aber wegen unzulässigen Eingriffen in Bundeskompetenzen 1995 als verfassungswidrig erklärt wurde. Mit der daraus bekanntesten Position 187 sollte irregulären Einwanderern der Zugang zu Sozialleistungen wie medizinischer Versorgung verwehrt werden. 5 Gesetzesentwurf: www2.nationalreview.com/dest/2007/05/19/immigrationdraft051807.pdf 14 abgelehnt wurde.6 Das Thema ist jedoch nicht aus der Welt und bereits jetzt zeichnet sich die Einwanderungsdebatte als eines der wichtigsten Themen für die Präsidentschafts- und Kongresswahlen im November dieses Jahres ab. Die laufenden politischen Debatten konzentrieren sich nach wie vor im Wesentlichen auf drei zusammenhängende Aspekte: Grenzkontrollen, Regularisierung irregulärer Einwanderer, die sich bereits im Land aufhalten und Arbeitskräftemangel am nationalen Arbeitsmarkt. (vgl. Migration und Bevölkerung, 2007: o. S.) Während es in vielen Bereichen erhebliche Streitpunkte gab, waren sich die meisten Mitglieder des Kongresses einig, dass die Grenzsicherung und inländische Verfolgung ausgeweitet werden sollten. Die Zahl der Fahrzeugsperren, Sicherheitszäune und Grenzbeamten sollten laut des Entwurfs aufgestockt werden. Ebenso war eine härte Sanktionierung von Arbeitgebern geplant, die wissentlich Schwarzarbeiter beschäftigen. Dafür sollte ein neuartiges elektronisches Identifizierungssystem errichtet werden, welches Arbeitgebern die Möglichkeit zur Statusüberprüfung von möglichen Arbeitnehmern bietet. (vgl. Hanson, 2007: 27) Weiterhin sollten zur Legalisierung von irregulären Immigranten jährlich 200.000 „Y-Visa“ zur Verfügung gestellt werden, die es temporären Arbeitskräften ermöglicht hätten, dreimal hintereinander für jeweils zwei Jahre einzureisen, mit mindestens einem Jahr Unterbrechung zwischen den Aufenthalten. Außerdem hätte der Entwurf irregulären Einwanderern, die vor dem 1. Januar 2007 in die USA eingereist sind, die Möglichkeit geboten, mit dem vorgesehenen „Z-Visum“ vier Jahre lang einen rechtmäßigen Aufenthaltsstatus mit Arbeitserlaubnis zu erwerben. Nach dieser Frist hätte das Visum durch Nachweis von ausreichenden Englisch- und LandeskundeKenntnissen sowie die Begleichung ihrer ausstehenden Steuerschuld und einer Strafgebühr (vgl. Migration und Bevölkerung, 2007: o. S.) verlängert werden können. Eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung wäre durch einen Antrag des jeweilige Familienoberhaupts vom Herkunftsland aus für eine Bearbeitungsgebühr von 4.000 US-Dollar möglich gewesen. Des Weiteren sollten Jugendliche, die vor einem Alter von 16 Jahren irregulär in den USA eingereist sind und entweder die High School abgeschlossen oder zwei Jahre im Hochschulstudium oder Militärdienst verbracht haben bei der Integration unterstützt werden. Sofern die Kriterien für das „Z-Visum“ erfüllt wären, sollte die Möglichkeit der sofortigen Beantragung eines dauerhaften Aufenthaltsrechts bestehen. (vgl. Parott, 2007: o. S.) 6 Nur 38 Demokraten und sieben Republikaner der insgesamt 100 Senatoren sprachen sich Anfang Juni dafür aus, die Gesetzesvorlage zur Abstimmung zu bringen. Notwendig wären mindestens 60 Stimmen gewesen. Daraufhin wurde der Gesetzentwurf ganz von der Tagesordnung genommen und vorerst vertagt. 15 Wegen der hohen Nachfrage nach Arbeitskräften sollten die Einwanderungsquoten zudem insgesamt erhöht und ein Punktesystem eingeführt werden, wonach potentielle Einwanderer anhand von beruflicher Qualifikation (50 Prozent), Ausbildung (25 Prozent) und Englischkenntnissen (15 Prozent) für den Erwerb einer Aufenthaltsgenehmigung stärker in Betracht kommen sollten als verwandtschaftliche Bindungen (10 Prozent). (vgl. Migration und Bevölkerung, 2007: o. S.) Alles in allem bietet der Gesetzesentwurf erweiternde Möglichkeiten zur regulären Immigration. 4.3. Kritische Würdigung Dass der Entwurf nicht zur endgültigen Abstimmung gekommen ist, hatte verschiedene Gründe. Zwar hat US-Präsident George W. Bush (Republikaner) die Reform der Einwanderungspolitik zu einem Kernanliegen seiner zweiten Amtszeit erklärt. Mit dem Gesetzesentwurf stieß er jedoch außer im Bereich der Grenzsicherung selbst in seiner eigenen Partei auf Widerstand. Besonders die Legalisierung von irregulären Einwanderern regt immer wieder zu einer großen Diskussion an. (vgl. Migration und Bevölkerung, 2007: o. S.) Unterstützer der Amnestie7 argumentieren, dass die einzige Möglichkeit, die Zahl irregulärer Immigranten im Land zu reduzieren, eine Massenabschiebung wäre, was sie für nicht tragbar halten. Die US-Wirtschaft würde unter der Abschiebung von irregulären Einwanderern durch erhöhte Preise, der Verteuerung geringqualifizierter Arbeit und die Erhöhung des Einkommen von Steuerzahlern, die öffentliche Güter zahlen, leiden. Insgesamt wären die Auswirkungen aber gering. (vgl. Hanson, 2007:30) Davon abgesehen würde eine Abschiebung von so vielen Menschen ein ernsthaftes logistisches und finanzielles Problem darstellen. Zudem ist dann fraglich, wie mit den Kindern dieser Einwanderer umzugehen wäre, die aufgrund ihrer Geburt in den USA das Recht haben, dort zu leben. Viele Konservative verurteilen hingegen diese Strategie und sprechen sich stattdessen für eine stärkere Sicherung der Südgrenze aus (vgl. Parott, 2007: o. S.). Sie sehen in der Amnestie eine Belohnung irregulären Verhaltens und damit einen Anreiz für weitere irreguläre Immigranten anstelle einer Lösung des Problems. Würden alle Irregulären einen regulären Status erhalten, so würden diese vermutlich höhere Löhne fordern, wodurch die oben genannten - wohl vorhandenen -ökonomischen Vorteile durch irreguläre Arbeit verschwinden würden. So verlieren die regularisierten Arbeitnehmer vor allem auch einen großen Teil ihrer 7 Eine Amnestie ist ein vollständiger oder zu Teilen erfolgter Straferlass. Hier: Die Legalisierung irregulärer Einwanderer. 16 Flexibilität und Mobilität, wodurch der US-amerikanischen Wohlfahrt Schaden zugefügt werden könnte. (vgl. Hanson, 2007:29, 31) Bezüglich des Punktesystems bezeichnen einige Demokraten die daraus resultierende Einschränkung des Familiennachzugs als unsozial. Außerdem kritisieren sie mit den Argumenten Lohn-Dumping und Verdrängung einheimischer Arbeitnehmer die geplante Einführung des Gastarbeiterprogramms. (vgl. Parott, 2007: o. S.) 5. Schlussbetrachtung Reguläre Migration wird von der Mehrzahl aller Ökonomen überwiegend positiv bezüglich wirtschaftlicher und soziokultureller Entwicklung bewertet. Die irreguläre Immigration hingegen stellt eine große Herausforderung dar. Letztendlich hängt der Einfluss aber davon ab, wie die Kosten-Nutzen-Verteilung ausgestaltet ist. Es kann nicht pauschal behauptet werden, dass irreguläre Migration gut oder schlecht ist. Hanson (2007:24) sagt sogar, dass bei Gegenüberstellung aller positiven und negativen Einflüsse von irregulärer Migration im Endeffekt kein signifikanter Einfluss auf die US-amerikanische Wirtschaft bestehen bleibt. Die Arbeitsmarkt bezogenen und volkswirtschaftlichen Merkmale ihrer Anwesenheit werden aufgrund von Verdrängungs- und verteilungspolitischen Problematiken häufig negativ bewertet. Aber es entstehen auch positive Wohlfahrtseffekte wie sinkende Lebenshaltungskosten. Die gesamte Volkswirtschaft profitiert von den irregulären Immigranten, sie sind ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft geworden. Da diese Vorteile aber wiederum nicht mit der eigenen Gesetzgebung vereinbar sind (wie die Beschäftigung von Schwarzarbeitern bei der Renovierung, Steuereinnahmen ohne entsprechende Steuernummern oder die Einziehen von Sozialversicherungsbeiträgen ohne dass der Zahlende einen Nutzen daraus ziehen kann), können sie nicht öffentlich für gut empfunden werden. Vielleicht ist das der Grund, warum die USA so schwach gegen irreguläre Immigranten vorgeht. Offiziell muss die USA also etwas gegen die irreguläre Zuwanderung unternehmen. So wurden ständig neue Gesetze verabschiedet, die aber in der Regel wenig effizient waren. Die Vorlage vom Juni 2007 sei dabei laut Parott (2007: o. S.) der wohl ausgewogenste Versuch einer umfassenden Einwanderungsreform der letzten Jahre. Nach der gescheiterten Abstimmung hält er es für unwahrscheinlich, dass vor der Präsidentschaftswahl im November dieses Jahres noch eine größere Reform verabschiedet wird. Während die Vorstellungen um die Grenzkontrollen zwischen Demokraten und Republikanern wahrscheinlich recht einheitlich ausfallen, vermutet Parott weiterhin intensive Diskussionen über den Umgang mit bereits in den USA lebenden irregulären Zuwanderern. Da die bereits eingebürgerte lateinamerikanische Bevölkerung aufgrund ihrer hohen Zahl 17 zunehmend an Bedeutung gewinnen würde, müssten sich die Politiker, die die kommende Wahl für sich entscheiden wollen, um Wählerstimmen zu sammeln in ihrer Haltung zu diesem Thema entsprechend anpassen. Letztendlich bleibt aber das typische Problem, dass politische Interessen zumeist kurzfristiger Natur und oft nur bis zur nächsten Wahlperiode ausgerichtet sind. Es bleibt abzuwarten, ob und inwiefern überhaupt neue Einwanderungsreformen entworfen werden können, die die amerikanische Bevölkerung erfolgreich in legale Bahnen lenken kann. Ausschlaggebend bleibt dabei, dass genug Einreisegenehmigungen für den Arbeitskräftebedarf eingeplant werden müssen, um dem amerikanischen Arbeitsmarkt gerecht werden zu können. 18 Literaturverzeichnis BLÄTTE, Andreas; HERZ, Dietmar (2003): Vereinigte Staaten von Amerika, Historische Grunddaten, in: GIELER, Wolfgang: Handbuch der Ausländer- und Zuwanderungspolitik, Politik, Forschung und Wissenschaft, Band 6, Münster, Hamburg, London, Lit Verlag, S. 711-728 BORJAS, George J. (1995): The Economic Benefits from Immigration, in: Journal of Economic Perspective, Vol. 9 (2), S. 3 -22 BORJAS, George J.; KATZ, Lawrenze F. (2007): The Evolution of the Mexican-born Workforce in the United States, in: BORJAS, George J.: Mexican Immigration to the United States, Chicago, The University of Chicago Press, S. 13 - 57 CAMAROTA, Steven A. (2004): The High Cost of Cheap Labor - Illegal Immigration and the Federal Budget, in: Center for Immigration Studies, http://www.cis.org/articles/2004/ fiscal.pdf DÜVELL, Franck (2006): Europäische und internationale Migration, Einführung in historische, soziologische und politische Analysen, Band 5, Hamburg EICHENHOFER, Eberhart. (1999): Migration und Illegalität, Osnabrück, S. 5-19 ENTORF, Horst (2002): National Migration Policy should tolerate non-zero illegal migration flows, in: International Migration, Vol. 40 (1), S. 27–44 ENTORF, Horst; MOEBERT, Jochen (2004): The demand for illegal migration and market outcomes, in: Darmstadt Discussion Papers in Economics, Arbeitspapier No. 130 FREEMAN, Gary (2000): Paper submit to Conference on the Political Economy of Migration, 24.-25. März, S. 2 HANSON, Gordon H.; SPILIMBERGO, Antonio (1999): Illegal Immigration, Border Enforcement, and Relative Wages: Evidence from Apprehensions at the U.S.-Mexico Border, in: The American Economic Review, Vol. 89 (5), S. 1337 – 1357 HANSON, Gordon H.; SPILIMBERGO, Antonio (2001): Political Economy, Sectoral Shocks, and Border Enforcement, in: Canadian Journal of Economics, Vol. 34 (3), S. 612 - 638 HANSON, Gordon H. (2006): Illegal Migration from Mexico to the United States, in: Journal of Economic Literature, Vol. 44 (4), S. 869–924 HANSON, Gordon H. (2007): The economic logic of illegal immigration, in: Council on Foreign Relation, CSR NO. 26, S. 3 – 37 19 KONDOH, Kenji (2000): Legal migration and illegal migration: the effectiveness of qualitative and quantitative restriction policies, in: Journal of International Trade & Economic Development, Vol. 9 (3), S. 223 – 241 NUSCHELER, Franz (1995): Internationale Migration. Flucht und Asyl, Opladen, Leske + Budrich-Verlag O. A. (2007): USA: Einwanderungspolitik in der Diskussion, in: Migration und Bevölkerung, Hg.: Netzwerk Migration in Europa, Bundeszentrale für politische Bildung, Hamburger WeltWirtschafteInstitut, Ausgabe 5, http://www.networkmigration.org/miginfo/ migration_und_ bevoelkerung/ artikel/070505.htm PAROTT, Nicholas (2007): Die vereinigten Staaten von Amerika, in: Focus Migration, Länderprofil, Nr. 4., http://www.focus-migration.de/ Die_Vereinigten_Staa.2495.0.html PASSEL, Jeffrey S. (2006): The Size and Characteristics of the Unauthorized Migrant Population in the U.S. Estimates Based on the March 2005 Current Population Survey, Homepage Pew Hispanic Centre, http://pewhispanic.org/reports/archive/ STRAUBHAAR, Thomas (2002): Migration im 21. Jahrhundert – Von der Bedrohung zur Rettung sozialer Marktwirtschaften?, Tübingen, Mohr Siebeck STRAUBHAAR, Thomas (2007): Schmieröl unserer Wirtschaft, in: Die Welt vom 14.09.2007, http://www.hwwi.org/Schmieroel_unserer_W.2516.0.html?&no_cache= 1&sword_list[]=migration TAYLOR, Savitri (2005): From border control to migration management: the case for a paradigm change in the western response to transborder population movement, in: Social Policy & Administration, Vol. 39 (6), S. 563 – 586 VOGEL, Dita (1999): Illegale Zuwanderung nach Deutschland und soziales Sicherungssystem, in: EICHENHOFER, Eberhart: Migration und Illegalität, Rasch, Osnabrück, S. 73-90 VOGEL, Dita; CYRUS, Norbert (2008): Irreguläre Migration in Europa – Zweifel an den Bekämpfungsstrategien. In: Focus Migration, http://www.focus-migration.de/ Irregulaere_Migratio.2874.0.html Alle Onlinequellen wurden zuletzt am 27. April 2008 überprüft. 20