Das Beispiel USA - und Sozialwissenschaften

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Das Beispiel USA - und Sozialwissenschaften
Universität Hamburg
Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Department Wirtschaftswissenschaften
Institut für Außenhandel und Wirtschaftsintegration
Arbeitsbereich Internationale Wirtschaftsbeziehungen
Prof. Dr. Thomas Straubhaar
Seminar „Aktuelle Probleme der Wirtschaftspolitik“
im Sommersemester 2008
Die ökonomische Logik der irregulären
Migration: Das Beispiel USA
Eingereicht am 28. April 2008 von:
Annika Westphal und Kathrin Schröder
Inhaltsverzeichnis
1.
Einführung ..........................................................................................................................3
2.
Entscheidungsgrundlagen für irreguläre Immigration........................................................4
3.
Ökonomische Bedeutung und Vermeidungsansätze ..........................................................5
4.
5.
3.1.
Herkunftsland .............................................................................................................5
3.2.
Zielland.......................................................................................................................6
3.2.1.
Arbeitsmarkt .......................................................................................................6
3.2.2.
Staatlicher Haushalt..........................................................................................10
Migration in den USA ......................................................................................................13
4.1.
Kontroverse Migrationsgesetzgebung in den USA ..................................................13
4.2.
Der Gesetzesentwurf vom 18. Juni 2007..................................................................14
4.3.
Kritische Würdigung ................................................................................................16
Schlussbetrachtung ...........................................................................................................17
Literaturverzeichnis ..................................................................................................................19
2
1.
Einführung
Die USA gilt seit jeher als Einwanderungsland. Da die Einwanderer aber nicht nur regulär
über die Grenze kommen oder trotz abgelaufener Papiere im Land bleiben, hat die USA nach
und nach immer wieder Gesetze verabschiedet, die die irreguläre1 Immigration eindämmen
soll.
Derzeit leben schätzungsweise 12 Millionen irreguläre Einwanderer in den USA und jährlich
kommen etwa 500.000 dazu. 60 Prozent von ihnen sollen aus Mexiko kommen, denn das
erhebliche Wohlstandsgefälle zwischen den Ländern provozierte immer wieder die irreguläre
Migration. Insgesamt macht die Zahl irregulärer Immigranten fast ein Drittel der im Ausland
geborenen Bevölkerung der USA aus. (Passel 2006:2f)
Neben den ökonomischen, (politischen) und volkswirtschaftlichen Konsequenzen treten durch
irreguläre Migration unter anderem auch humanitär Problematiken auf. So hat die Irregularität
seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 auch im Bezug auf Sicherheitsfragen
wieder stark an Bedeutung gewonnen. (Parott, 2007: o. S.) Außerdem kann irreguläre
Migration auch unfreiwillig durch Menschenschmuggel entstehen. (Vogel/Cyrus, 2008: o. S.)
Diese Bereiche werden wir in diesem Rahmen nicht näher betrachten.
Vielmehr möchten wir mit dieser Seminararbeit darstellen, dass es auch positive Aspekte der
illegalen Migration gibt, die in der öffentlichen Diskussion zumeist nicht oder nur sehr
unscheinbar auftauchen. Auf dem Weg dorthin stellen wir zunächst kurz die privaten
Entscheidungsgrundlagen dar, die dazu führen, das Menschen das Risiko und die Kosten auf
sich nehmen, die illegale Migration mit sich bringen. Darauf aufbauend beleuchten wir im
dritten Kapitel die ökonomische Bedeutung für das Herkunfts- und das Zielland. Während wir
ersteres vollständigkeitshalber nennen, aber nur kurz anreißen, möchten wir den Wirkungen
auf das Zielland die größere Aufmerksamkeit widmen. Diese untergliedern wir in die
resultierenden Effekte auf dem Arbeitsmarkt und den staatlichen Haushalt und benennen
dabei mögliche Vermeidungsansätze. Letztendlich stellt sich die Frage, inwieweit die
Begrenzung irregulärer Zuwanderung ökonomisch überhaupt sinnvoll ist, oder ob die USA
nicht auch von ihr profitiert. In diesem Sinne kommen wir anschließend auf die in vielen
Punkten kontroverse Gesetzgebung der USA zu sprechen, die vom Gesetzesentwurf aus dem
Juni 2007 und dessen kritischer Würdigung abgeschlossen wird.
1
Mit „irregulären Migranten“ sind dabei Menschen gemeint, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung in einem
Land aufhalten. Als Synonym wird häufig auch der Begriff „illegal“ oder „undokumentiert“ verwendet. Wir
beschränken uns in dieser Arbeit in der Regel auf den Begriff „irreguläre Migranten“, da er sich in der
internationalen wissenschaftlichen Diskussion zunehmend durchzusetzen scheint (Vogel/Cyrus, 2008: o. S.).
3
2.
Entscheidungsgrundlagen für irreguläre Immigration
Die Entscheidung zur irregulären Immigration ist ein gegenseitiges Aufwiegen von Nutzen,
Risiko und Kosten. (vgl. Entorf/Moebert 2004:o.S.) Dabei muss zuerst erläutert werden,
warum Personen überhaupt immigrieren, um dann die Frage zu klären, warum dies teilweise
auf irregulärem, anstatt auf regulärem Wege passiert. Hier beziehen wir uns hauptsächlich auf
die Migrationsströme von Mexiko in die USA.
Ursachen von Immigration sind hauptsächlich schlechte politische, soziale und wirtschaftliche
Situationen im Herkunftsland oder auch Familienzusammenführungen. (vgl. Entorf 2002:3)
Der häufigste Grund ist die Hoffnung auf bessere Verdienstmöglichkeiten. Die
Entscheidungsgrundlage basiert also zum großen Teil auf der Differenz des möglichen
Einkommens im Zielland und des bekannten Einkommens im Herkunftsland. (vgl.
Entorf/Moebert 2004: o.S.) Das Verhältnis des Pro-Kopf-Einkommens zwischen den USA
und Mexiko beträgt beispielsweise 6:1. (vgl. Entorf 2002:7) Sogar irreguläre Immigranten aus
Mexiko haben in den USA ein wesentlich höheres Einkommen als ihre Landsleute, die in
Mexiko leben und arbeiten. (vgl. Hanson 2006:19) Die Unbeständigkeit des mexikanischen
Pesos und der daraus resultierende Lohnabfall ist ein weiterer Grund der Immigrationsströme
von Mexiko in die USA. (vgl. Hanson/Spilimbergo 1999:1337)
Düvell (2006: 145) fasst die Ursache irregulärer Migration in vier Variablen zusammen: Die
Nachfrage nach Arbeitskraft, der eingeschränkte Zugang zu Arbeitserlaubnissen, ausgedehnte
informelle Sektoren und problematische oder lückenhafte Kontrollen im Zielland. Allerdings
muss bei irregulärer Immigration auch die Unsicherheit über die Wahrscheinlichkeit der
Entdeckung und die Härte einer möglichen Strafe in die Immigrationsentscheidung
einbezogen werden. Um diese Risiken einschätzen zu können, müssen hierüber Informationen
gesammelt werden, die aus den Medien oder von Berichten von Rückkehrern stammen
können. Die Kosten der Informationssuche wirken sich ebenfalls negativ auf die
Immigrationsentscheidung aus. (vgl. Entorf/Moebert, 2004:2f)
Es wurde nachgewiesen, dass eine härtere Bestrafung bei Entdeckung zu einem Rückgang
von irregulären und Anstieg regulären Immigranten führt, woraus geschlossen werden könnte,
dass einige Menschen illegal immigrieren, obwohl sie formell die Möglichkeit hätten, dies auf
legalem Wege zu tun. (vgl. Kondoh 2000:237)
In den meisten Fällen fehlen den betroffenen Personen aber lediglich die Möglichkeiten, legal
zu immigrieren, da die Regierungen der Zielländer sich die Immigranten unter anderem nach
ihren Qualifikationen aussuchen. (vgl. Kondoh 2000:223) Denn häufig entsteht irreguläre
Arbeitsmigration, wenn dem Arbeitskräftemangel politische Restriktionen gegenüberstehen.
4
(vgl. Düvell, 2006:87) Und diese verhindern oder zumindest verteuern Migration. (vgl.
Straubhaar, 2002:21) Aber auch wenn eine Person auf legalem Weg in einem anderem als
dem Herkunftsland leben und arbeiten könnte, so stellt sich dies aufgrund der Wartezeiten auf
entsprechende Visa oftmals als ein langwieriger Prozess heraus, wodurch die irreguläre
Immigration nur noch mehr provoziert wird. (vgl. Hanson 2007:14f) Ursache von irregulärer
Migration kann aber auch ganz einfach Marktversagen sein. Wenn es beispielsweise keine
legalen Dienstleister gibt, die organisierte Übergänge anbieten, kann es dazu führen, dass sich
migrationswillige Menschen an informelle Anbieter wenden. (vgl. Düvell, 2006:87)
3.
Ökonomische Bedeutung und Vermeidungsansätze
Zunächst widmen wir uns kurz der ökonomischen Bedeutung und den Vermeidungsansätzen
der irregulären Migration im Herkunftsland. Anschließend gehen wir dann auf die im Zielland
entstehenden Folgen für den Arbeitsmarkt, die Wohlfahrt sowie den staatlichen Haushalt ein
und bieten auch hier mögliche Ansätze zur Vermeidung. Was dabei auf den ersten Blick
plausibel erscheinen mag, stellt sich später häufig anders dar, denn „wie Kosten und Nutzen
der Migration verteilt sind, ist keineswegs offensichtlich“ (vgl. Freeman, 2000:2).
3.1.
Herkunftsland
Für das Herkunftsland ist es erstmal irrelevant, ob die Menschen regulär oder irregulär
abwandern. Das Resultat bleibt gleich: Die Einwohnerzahl geht zurück. Der Unterschied
besteht lediglich in der Planungsunsicherheit durch die unbekannte Zahl der irregulären
Abwanderer.
Als allgemeine negative Effekte von Abwanderung könnte der Verkaufsrückgang
einheimischer Produkte und die Abwanderung knapper Arbeitskräfte genannt werden, woraus
eine Verringerung der Produktivität resultieren könnte. Die Sortiment- und Marktgröße würde
dezimiert und das Bruttosozialprodukt (BSP) sinkt. Es käme zu sinkenden Löhnen in Folge
einer Verringerung der allgemeinen Wirtschaftskraft.
Andererseits vertritt die neoklassische Wirtschaftstheorie die Aussage, dass durch eine
Verknappung der Arbeitskraft die Löhne ansteigen, neue Nachfrage geschaffen und der
Handel angeregt wird, wodurch das BSP steigt. Durch die Abwanderung überschüssiger
Arbeitskraft kann außerdem eine bestehende Arbeitslosigkeit gemindert werden. Zudem
tragen die Geldsendungen von Gastarbeitern in ihre Heimat, die bei weitem die
Entwicklungshilfe der USA überschreiten, im erheblichen Maße zu deren Devisen- und
Einkommenserhöhung bei, sodass die bestehenden Überlebensprobleme angegangen und
5
bewältigt werden können. Dies kann zu einer Steigerung und Diversifizierung der Nachfrage,
sowie zu einer Diversifizierung vom Import und Export führen. Aus den Wachstumsimpulsen
und der Rolle der Remittances schließen Ökonomen, dass Migration das wirksamste Mittel
zur Bekämpfung von Armut ist. (vgl. Düvell, 1995:182f, 185)
Aufgrund der Abwanderung von hochqualifizierten Arbeitskräften („brain drain“) wurde die
Migration fürs Herkunftsland lange Zeit negativ bewertet, denn sie verursacht eine geringere
Standortattraktivität, die die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation der Länder
verschlechtert. Allerdings verursacht „brain drain“ nur dann einen Verlust für die heimische
Wirtschaft, wenn in dem Land durch die Abwanderung nicht mehr die heimischen
Arbeitsplätze besetzt werden können. Im Zeitalter der zunehmenden Mobilität und
Globalisierung muss die Migration aber keine endgültige Entscheidung mehr sein, sondern es
wird vielmehr immer öfter eine Weitermigration oder Rückkehr von Fachkräften
ins
Herkunftsland beobachtet, wo die Fachkräfte Unternehmen gründen und maßgeblich zum
Wachstum neuer Industrien beitragen. Viele asiatische Staaten nutzen mittlerweile auf diesem
Wege ihre gut ausgebildeten Fachkräfte als Exportgut. So lebten 1997 etwa eine halbe
Millionen asiatische Techniker und Ingeneure in den USA, sammelten dort Know-How,
Kontakte und generierten Einkommen und kamen in den 90ern zurück. Deswegen wird
mittlerweile diskutiert, ob derzeit nicht eher von einer „brain circulation“ gesprochen werden
solle, die zum Wohle aller involvierten Gesellschaften sei und politisch gefördert werden
sollte. (vgl. Düvell, 2006: 162f)
3.2.
Zielland
Ob eine Gesellschaft durch irreguläre Migration besser oder schlechter gestellt ist, hängt von
vielen Faktoren ab. Entscheidend sind hierfür vor allem die Auswirkungen auf den
Arbeitsmarkt, den staatlichen Haushalt und die Wohlfahrt.
3.2.1.
Arbeitsmarkt
Irreguläre Immigranten haben eine große ökonomische Bedeutung für den Arbeitsmarkt. Ein
nicht unwesentlicher Punkt dabei ist, dass die Unternehmen durch die Beschäftigung
irregulärer Immigranten Lohnkosten sparen, da diese im Durchschnitt weniger verdienen als
ihre legalen Kollegen. Allerdings tragen die Unternehmen auch das Risiko der Entdeckung
der irregulär Beschäftigten und der gegebenenfalls auf sie zukommenden Strafen. Mit dieser
Problematik beschäftigten sich Entorf und Moebert (2004), die mit einer theoretischen
Darstellung die Reaktion der Nachfrage nach illegaler Arbeit auf die Veränderung der oben
genannten Variablen bei starrer Angebotseite beschreiben (siehe Abbildung 1).
6
Abbildung 1: Arbeitsangebot und –nachfrage nach illegalen Immigranten
Quelle: Entorf/Möbert (2004)
Während (d) den üblichen konkaven Nachfrageverlauf der Unternehmen und privaten
Haushalte beschreibt, stellt (s) den konvexen Verlauf des Arbeitsangebots von illegaler Arbeit
dar. Auf der Ordinate sind die Nachfrage (d) und die Lohnkosten für den Unternehmer (π)
abgebildet. Mit zunehmenden Lohnkosten sinkt die Nachfrage und steigt das Angebot nach
illegaler
Arbeitsmigration.
Wenn
sich
durch
den
Einfluss
der
Politik
die
Entdeckungswahrscheinlichkeit (p) und/oder die Härte der Bestrafung (f) erhöht, wird die
Beschäftigung irregulärer Immigranten riskanter. Die Nachfragekurve verschiebt sich nach
links unten und ein neues Gleichgewicht entsteht, indem der optimale Lohn für irreguläre
Immigranten (π*) sinkt, wodurch sich auch die Menge illegaler Arbeiter (q*) verringert.
Auch exogene Einflüsse, wie ein steigender Mindestlohn wirken sich negativ auf die
Nachfrage aus. So kann die Arbeitsmarktpolitik einen unerwünschten Einfluss auf die
Schattenwirtschaft haben, denn wenn legale Arbeit teurer wird, steigt die Nachfrage nach
illegaler Arbeit. (vgl. Entorf/Moebert
2004: o.S.) Nach Hanson (2007:5) sinken die
Versuche, irregulär ins Land zu kommen um 6 Prozent, wenn die amerikanischen Löhne um
10 Prozent fallen.
Außerdem sind illegal Beschäftigte jederzeit kündbar, wodurch die Unternehmen flexibler auf
ihre jeweilige wirtschaftliche Situation reagieren können. (vgl. Entorf/Moebert 2004: o.S.)
Laut Hanson (2007:12) decken irreguläre Immigranten die steigende Nachfrage nach
Arbeitskräften auf dem US-Arbeitsmarkt wenn die Wirtschaft einen Aufschwung erlebt:
„Illegale Immigranten versorgen US-amerikanische Unternehmen mit den Arbeitern, die sie
wollen, wann sie sie wollen und wo sie sie wollen.“ Sie sind also wesentlich flexibler als
legale Immigranten, da diese durch die oft langwierige Wartezeit nach Beantragung des
Visums wesentlich langsamer auf eine boomende Wirtschaft reagieren und nicht ohne
weiteres ihren Arbeitsplatz wechseln können.
7
Viele Arbeitgeber nutzen die unsichere Situation und die schwache Verhandlungsposition
illegaler Arbeiter aus und können so ihre Kosten minimieren. (vgl. Entorf 2002:5f) Branchen
wie das Gastgewerbe, das Gesundheits- und Pflegewesen und die Landwirtschaft sowie
weitere arbeitsintensive Tätigkeitsbereiche wie Putzen, Kinder hüten und Gartenarbeit sind
daher auf die Beschäftigung von irregulären Immigranten angewiesen, die jenseits von
Tariflöhnen und geltenden Rechtsvorschriften arbeiten und somit günstiger sind. (vgl.
Straubhaar 2007a) Im Jahr 2000 verdiente beispielsweise ein neu ins Land gekommener
durchschnittlicher mexikanischer Immigrant 53,4 Prozent weniger Lohn, als ein
durchschnittlicher einheimischer Arbeiter. (vgl. Borjas/Katz 2007:30)
Außerdem haben mexikanische Immigranten im Durchschnitt ein geringeres Bildungsniveau
als US-Amerikaner. Im Jahr 2000 lag der Anteil mexikanischer Arbeiter ohne Schulabschluss
bei 63 Prozent. (vgl. Borjas/Katz 2007:38f) Amerikanische Arbeitnehmer hingegen zeichnen
sich durch eine immer bessere Ausbildung aus, was dazu beiträgt, dass sie die einfacheren
Jobs nicht mehr annehmen möchten und diese entsprechend immer schwerer mit
einheimischen Arbeitskräften zu besetzen sind. Daraus resultiert eine steigende ungedeckte
Nachfrage. (vgl. Hanson 2007:14) Auf der anderen Seite kommen auch hochqualifizierte
Arbeitnehmer („brain gains“) ins Land. Rund 20-30 Prozent aller Mediziner in den USA
wurden im Ausland ausgebildet und eine halbe Millionen asiatische Techniker und Ingeneure
lebten 1997 in den USA. (vgl. Düvell, 2006:162f.) Und auch sie sind – wie im Punkt 2
beschrieben – oft nur aufgrund politischer Restriktionen nicht immer regulär über die Grenze
gekommen.
Günstigere
Löhne
bedingen
aber
auch
eine
Ausweitung
der
Produktionsmöglichkeiten sowie eine Diversifizierung und Zunahme von Import und Export.
(vgl. Düvell, 2006:182)
Während davon ausgegangen wird, dass hochqualifizierte Immigranten einen positiven
Einfluss auf das Einkommen von einheimischen Personen haben, deuten Untersuchungen
darauf hin, dass Geringqualifizierte (legal oder illegal) einen negativen Einfluss ausüben.
Allerdings unterliegen solche Untersuchungen vielen Annahmen und das Ergebnis fällt so
gering aus, dass der Einfluss von Immigration zu vernachlässigen ist. Daher stellt sich die
Frage, ob die Vermeidung der irregulären Migration aufgrund der hohen Kosten überhaupt
noch ökonomisch sinnvoll ist. (vgl. Hanson 2007:24)
Gefallene Durchschnittslöhne haben auch einen Einfluss auf die Wohlfahrt. Der Anteil
günstig angebotener Güter und Dienstleistungen steigt, insbesondere bei solchen Preisen, die
durch lokale Märkte und nicht durch internationalen Wettbewerb bestimmt werden.
Amerikanische Haushalte profitieren durch geringere Produktionskosten und den daraus
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resultierenden Preisverfall, wodurch ihre Lebenshaltungskosten sinken. Daraus entsteht ein
Wohlfahrtsgewinn. (vgl. Vogel 1999:87)
Doch die Beschäftigung irregulärer Immigranten hat auch negative Effekte auf den
Arbeitsmarkt. Da der Arbeitgeber in der Regel keine Lohnnebenkosten für sie zahlen muss,
sind sie billiger als ihre legalen Konkurrenten. Zudem müssen sich die illegalen Arbeitnehmer
an keine arbeits- und sozialrechtlichen Normen oder tarifvertragliche Vereinbarungen halten
und verletzen somit die Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes. (vgl. Straubhaar 2007: o.
S.)
Außerdem wird das Einkommen von einheimischen Arbeitern auf die hohe Zahl ständig
hinzukommender illegaler Arbeitskräfte umverteilt. Schätzungen zufolge sank der
Durchschnittslohn in den USA in der Zeit von 1980 und 2000 um rund 3 Prozent, was
allerdings nicht nur auf irreguläre, sondern auch auf reguläre Immigration zurückzuführen ist.
Bei Geringqualifizierten fiel der Lohn im gleichen Zeitraum sogar um 9 Prozent, da der
Großteil
der
Immigranten
mit
einheimischen
Schulabbrechern
und
anderen
Geringqualifizierten um die Arbeitsplätze konkurrieren. (vgl. Hanson 2007:20) Ebenso
kommt es durch vermehrte irreguläre Immigranten zu einer Erhöhung des Arbeitsangebotes.
Es wird vermutet, dass eine 10-prozentige Erhöhung den Lohn um 3 Prozent sinken lässt.
(vgl. Borjas 1995:6f) Die Bedingungen, unter denen legal und illegal Beschäftigte arbeiten,
stellen sich sehr unterschiedlich dar, wodurch die arbeitsbezogene Zumutbarkeit der
Einheimischen neu definiert werden könnte. (vgl. Vogel, 1999: 88)
Nach Entorf und Moebert (2004: o. S.) hängt der Einfluss irregulärer Immigration auf den
Arbeitsmarkt aber hauptsächlich von der bereits bestehenden Arbeitslosenquote im Land und
dem Verhalten der einheimischen Arbeitssuchenden ab. Vogel (1999:87) erweitert diesen
Gedanken insofern, dass er es für entscheidend hält, ob es durch irreguläre Immigration zu
einer nachhaltigen Verschlechterung der Arbeitslosenquote bei den Einheimischen und damit
zu erhöhten Staatsausgaben führt. Die Finanzierbarkeit des sozialen Sicherungssystems hänge
davon ab, ob die reguläre Wirtschaft durch irreguläre Zuwanderung wächst oder schrumpft
und nicht davon, ob die Untergrundwirtschaft absolut größer wird. Für Straubhaar (2002:107)
liegt das eigentliche ökonomische Problem darin, in welchem Ausmaße irreguläre
Arbeitsmigration stattfindet.
Verlierer der irregulären Immigration sind also hauptsächlich gering qualifizierte Arbeiter, die
einen Lohnrückgang und vielleicht sogar Arbeitslosigkeit zu befürchten haben. Gewinner sind
die Arbeitgeber, die in der Lage sind ihre Lohnkosten deutlich zu senken und so einen
9
Wettbewerbsvorteil erhalten können oder private Haushalte, die durch geringere
Lebenshaltungskosten profitieren.
Wie irreguläre Arbeitsmigration vermieden werden kann, darüber zerbrechen sich viele
Ökonomen und Politiker regelmäßig ihre Köpfe. Die Debatte über die NAFTA (North
American Free Trade Agreement) zwischen den USA, Kanada und Mexiko konzentrierte sich
beispielsweise auf die Frage, wie viele Arbeitsplätze in den USA verloren gehen, weil USFirmen die billigen Arbeitskräfte in Mexiko zu nutzen versuchen. Nuscheler (1995:68) vertritt
dabei das Argument, dass durch eine Verlagerung der Produktionsstätte trotz des bestehen
bleibenden Lohngefälles am wirksamsten gegen die irreguläre Arbeitsmigration vorgegangen
werden kann. Allerdings käme es dann zu einem Migrationsdruck nach Mexiko aus dem
übrigen Zentral- und Südamerika.
Irreguläre Migration ist laut Straubhaar (2007: 0. S.) dabei weniger ein spezifisches
Immigrationsproblem als ein allgemeines Problem der Schattenwirtschaft. Er sieht die
irreguläre Migration als Folge einer ökonomisch ineffizienten Arbeitsmarktpolitik und hält
die heutigen Vermeidungsstrategien wie höhere Grenzzäune, bissigere Schutzhunde und
strengere
Einreisekontrollen
für
nicht
mehr
zeitgemäß.
Vielmehr
sollte
die
Arbeitsmarktpolitik durch flexibler gestaltete Beschäftigungsverhältnisse und dezentraler
ausgehandelte Löhne grundlegend reformiert werden, denn das würde die Anreize zur
Schwarzarbeit und damit auch zur illegalen Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte
mindern. (Straubhaar, 2007: o. S.) Ökonomische Migrationsprobleme entstünden vor allem
dann, wenn mit sozialpolitisch motivierten Maßnahmen das allokative Marktergebnis (zu
stark) korrigiert werde. (Straubhaar, 2002: 61)
3.2.2.
Staatlicher Haushalt
Die verschiedenen ökonomischen Einflüsse auf den staatlichen Haushalt können sich wie
beim Arbeitsmarkt auch hier positiv und negativ auswirken. So können durch den Zustrom
von Immigranten einheimische Ressourcen effektiver genutzt werden, was die Einnahmen
US-amerikanischer Unternehmen erhöht. Jährlich entsteht so ein Mehrwert von etwa 0,2
Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) von 2004, welches 11.750. Milliarden US-Dollar
beträgt. (vgl. Hanson 2007:19f)
In den USA müssen sich die Arbeitgeber bei Neueinstellungen die Sozialversicherungskarte
und Greencard zeigen lassen, die die Arbeitserlaubnis beweisen sollen. Diese sind bei
irregulären Immigranten zumeist gefälscht, (vgl. Hanson 2007:10) wodurch diese trotzdem
Sozialversicherungsbeiträge und Steuern zahlen, obwohl sie keinen Nutzen daraus ziehen
10
können2. Da dieses Geld dem staatlichen Haushalt zu Gute kommt, beschwert sich eben dieser
nicht, sondern lässt die irregulären Immigranten weiterhin arbeiten. Im Jahr 2002 zahlten sie
auf diesem Wege etwa 16 Milliarden US-Dollar Steuern, was allerdings nur knapp ein
Prozent der gesamten Steuereinnahmen ausmacht. Ein durchschnittlicher Haushalt irregulärer
Immigranten zahlte umgerechnet schätzungsweise 4.212 US-Dollar an den staatlichen
Haushalt, kostete den Staat aber 6.949 US-Dollar an Transferleistungen. Darunter fallen die
öffentliche Bildung, medizinische Behandlungen im Notfall oder auch die (wenn auch
ungewollte) Nutzung öffentlicher Gefängnisse und Gerichte. In der Summe entsteht hieraus
ein finanzwirtschaftliches Defizit in Höhe von 2.736 US-Dollar pro Haushalt. (vgl. Camarota
2004:23ff)
Ein wichtiger negativer Punkt sind die Kosten der Vermeidung von irregulärer Migration, die
den US-amerikanischen Staat jedes Jahr Milliarden US-Dollar kosten. Diese setzen sich
größtenteils aus den Kosten interner Kontrollen und Grenzsicherungen zusammen.
Da die Transportkosten sinken und entsprechend die Reisetätigkeit steigt, werden die Kosten
der Grenzsicherung immer höher. (vgl. Straubhaar 2002:107) Im Jahr 1980 wurden 290
Millionen Dollar für die Grenzsicherung ausgegeben, im Jahr 1998 lagen die Ausgaben schon
bei 1,7 Milliarden US-Dollar. (vgl. Hanson/Spilimbergo 2001:613). Die Kosten der
Grenzsicherung betragen derzeit mehr als 0,1 Prozent des amerikanischen BIP und sind
größer als der fiskalische Nutzen, der durch die Bekämpfung von irregulärer Immigration
entsteht.
Für den Erfolg der Grenzsicherung spricht, dass 95 Prozent der 1,2 Millionen in Jahr 2004
gefassten irregulären Immigranten beim Versuch erwischt wurden, die mexikanische Grenze
illegal zu übertreten. (vgl. Hanson 2007:10, 27)
Über den ökonomischen Sinn der Grenzsicherung kann dennoch aus verschiedenen Gründen
gestritten werden: Die Grenzkontrolle konzentriert sich hauptsächlich auf die Grenzstädte und
vernachlässigt weniger bewohnte Gegenden, in denen irreguläre Immigranten in großen
Mengen das Land betreten. Und wenn eine Person bei dem Versuch, die Grenze illegal zu
überschreiten, gefasst wird und sich freiwillig zurück bringen lässt, dann entgeht er dem USamerikanischen Rechtssystem. Dadurch wird es den Personen leicht gemacht, weitere
Versuche zu starten. Zwischen 1990 und 2003 lag der Anteile von Personen, die sich
freiwillig zurückschicken ließen, bei 95 Prozent. (vgl. Hanson 2006:13, 33).
2
Da auch die illegal Beschäftigten öffentliche Güter nutzen, könnte behauptet werden, sie hätten schon einen
gewissen Nutzen aus den Steuern. (Den haben sie aber auch, wenn sie keine Steuern zahlen.)
11
Quantitativ und ökonomisch viel bedeutsamer als die irregulären Einreisen ist laut Straubhaar
(2002:106f) die hohe Zahl der regulären Einwanderer, deren Aufenthaltsgenehmigung
abgelaufen ist und die weiterhin im Land mit ihren Familien leben und arbeiten. Hier seien
Grenzkontrollen zwecklos und müssten durch aufwendigere und teurere Personenkontrollen
ersetzt werden. Das sei nicht mehr im nationalen Alleingang behandelbar. Im Ergebnis
ständen die Kosten, die die USA jährlich für die Sicherung ihrer Grenzen ausgeben, nicht
mehr im Verhältnis zum Erfolg.
Hanson wiederum hält es für wichtig, dass mehr gegen Arbeitgeber unternommen wird, die
irreguläre Immigranten beschäftigen. Im Jahr 1990 haben beispielsweise zumindest 15
Arbeitgeber eine Strafe von mindestens 5.000 US-Dollar für die Beschäftigung von
irregulären Immigranten gezahlt. Diese Zahl nahm über die Jahre sukzessive ab, bis 2004 kein
Arbeitgeber mehr eine solche Summe zahlen musste. (vgl. Hanson 2006:34f)
Weitere Möglichkeiten, die irreguläre Immigration einzudämmen, sind in den USA bereits
vorgenommene Gastarbeiterprogramme und die Legalisierung von Zuwanderern durch die
Begründung von Aufenthaltsrechten. Die Ausweitung des Asylrechts auf die Opfer von
Bürgerkriegen und ökologischen Katastrophen und die Möglichkeit des Familiennachzugs
können auch zur Verminderung der irregulären Zuwanderung beitragen. (Eichenhofer,
1999:19)
Taylor (2005:564) wiederum hält es für am effektivsten, in langfristiger Sicht die Ursachen
im Herkunftsland zu bekämpfen. Dafür sei es notwendig Schritte einzuleiten, die die Armut,
Konflikte und Menschenrechtsverletzungen bekämpfen. Denn wenn die Unterschiede in den
Lebensbedingungen reduziert würden, hätten Menschen kaum noch Anreize irregulär zu
immigrieren, da der resultierende Nutzen das bestehende Risiko nicht mehr übertreffen
würde. Und schon die Aussicht auf eine eventuelle Verbesserung der Lebensumstände in der
Zukunft würde sich positiv auf das Herkunftsland auswirken und damit irreguläre Migration
zurückdrängen. (vgl. Straubhaar 2002:8) Allerdings sind die Kosten für erfolgreiche Einflüsse
so erheblich, dass viele Politiker – besonders im Hinblick auf hohe Ausgaben und geringen
Erfolgserlebnissen während einer Wahlperiode – sie nicht zahlen wollen (vgl. Taylor,
2005:564) Ebenso würden alle Eingriffe in Herkunftsländer einen (zu) starken Einfluss auf
die Politik und Wirtschaft der Länder nehmen, was dazu führt, dass sich das Land nicht allein
nach seinen Vorstellungen entwickeln kann.
Entorf zeigte 2002, dass ab einem bestimmten Level der Kontrolle, die Kosten der
Vermeidung höher sind als der Schaden, der durch illegale Immigration entsteht.
12
4.
Migration in den USA
Im Folgenden widmen wir uns der Frage, warum die irreguläre Immigration in den USA in
den letzten Jahren stets zugenommen hat und warum die Versuche, dagegen vorzugehen,
zumeist vergeblich blieben. Anschließend wird der Gesetzesentwurf vom Juni 2007 in seinen
wichtigsten Eckpunkten dargestellt und kritisch gewürdigt.
4.1.
Kontroverse Migrationsgesetzgebung in den USA
Schon vor der amerikanischen Staatsgründung im Jahre 1776 war die Migration laut Blätte
und Herz (2003:712) „ein Phänomen epochalen Ausmaßes“. Und nach wie vor zählt die USA
zu den wichtigsten drei Einwanderungsstaaten der Welt. So wurde 1921 mit dem „Emergency
Immigration Restriction Act“ (dem so genannte First Quota Act) erstmalig eine
Immigrationsquote eingeführt, die in den kommenden Jahren durch Setzung und
Erweiterungen
von
Obergrenzen,
bezüglich
der
Herkunftsregion3
und
anderen
Präferenzsystemen, wie die Familienzusammenführung und die Anwerbung von Einfach-,
beziehungsweise Hochqualifizierten Arbeitskräften, reformiert wurde.
Da aber immer wieder ein hoher Bedarf an günstigen Arbeitskräften in der US-Wirtschaft
herrscht und bereits während des zweiten Weltkrieges zweifellos abzusehen war, dass
Migration in der Nachkriegszeit das Wirtschaftswachstum generieren würde, entschloss sich
die USA 1942 zur Anwerbung mexikanischer Land- und Eisenbahnarbeiter, um den
Arbeitskräftemangel auszugleichen. Dieses Gastarbeiterprogramm, welches unter dem Namen
„bracero programm“ bekannt geworden ist, wurde bis 1964 schrittweise verlängert. Ende der
50er Jahre erlebte es seinen Höhepunkt mit jährlich über 400.000 Einwanderern. Nach
Beendigung des Programms waren mehr als vier Millionen Mexikaner als Gastarbeiter in den
USA. Der Migrationswunsch der Mexikaner hat aber eben nicht mit Beendigung des
Programms abgenommen. Stattdessen hat sich die Zahl durch nachziehende Familien noch
erhöht. Und weil kaum weitere legale Wege zur Immigration angeboten wurden, ging die
Zuwanderung nahtlos in die irreguläre Immigration über.
Somit wurde 1986 ein Gesetz zur Reformierung und Kontrolle der Zuwanderung eingeführt,
welches Arbeitgebern, die irreguläre Immigranten beschäftigten, mit Sanktionen droht.
Gleichzeitig wurde den Immigranten eine Amnestie ermöglicht, durch die rund drei Millionen
illegale Einwanderer legalisiert wurden. Das führte wiederum zu steigenden Einwanderungen.
1996 wurde das Kontrollprogramm durch erhöhte Verfolgungsmöglichkeiten irregulärer
Einwanderer ausweitet. Es wurden schärfere Sanktionen einführt, Rechtschutzgarantien und
sozialstaatliche Leistungen für irreguläre (aber auch für reguläre) Immigranten stark
3
Die Zuwanderung aus den bevorzugten nord- und westeuropäischen Staaten sollte gefördert werden, während
andere Regionen wie Lateinamerika beschränkt werden sollte.
13
einschränkt.4 (vgl. Blätte/Herz, 2003:711-713, 723-725) Weitere Maßnahmen, wie die
Sicherung der Grenzen haben die Menschen lediglich dazu gezwungen, die Grenze an
gefährlicheren Stellen zu überqueren. Denn gerade an den nicht offiziellen Grenzübergängen
kam es immer wieder zu privaten Gruppenbildungen, die sich eigenmächtig zu
Patrouillengängen an der Grenze verabredeten. Viele versuchte Grenzübergänge endeten
durch sie tödlich.
Auch die zunehmende Globalisierung tangiert den Arbeitsmarkt und schafft neue Realitäten,
die heute nicht mehr ignoriert werden können. Aufgrund des derzeitig geringen
Bevölkerungswachstums der USA, welches aus rückläufigen Geburtenraten resultiert, der
demographische Alterung und immer besser ausgebildeten Arbeitskräften kommt es wieder
zu einem Defizit an ungelernten und einfach qualifizierten Arbeitskräften. Aufgrund der zu
geringen Zahl von Arbeitsgenehmigungen für ungelernte Arbeiter wird dieses Defizit von
Zuwanderern geleistet, die sich ohne Genehmigung in den USA aufhalten.
Aber auch die hochqualifizierten Immigranten, von denen die US-Amerikanischen
Unternehmen und Universitäten profitieren, haben Probleme, auf legale Weise ins Land zu
kommen, denn sie übertreffen regelmäßig bei weitem die Zahl der in den jeweiligen
Kategorien zur Verfügung stehenden Visa. Die jährliche Quote ist in der Regel schon in den
ersten Wochen eines Geschäftsjahres ausgeschäpft und die daraus resultierenden langen
Wartezeiten lassen sich nur schlecht mit den Bedürfnissen der Arbeitgeber vereinbaren, was
wiederum die illegale Einreise verstärkt. (vgl. Parott, 2007: o. S.)
Ein Grund, warum die USA weiterhin einen so starken Magneten für irreguläre Zuwanderer
darstellt, könnte also deren eigene Gesetzgebung sein, die in kontroverser Weise die
allgemeine Zuwanderung zuerst begrenzt, dann wiederum Arbeitskräfte anwirbt, sie aber in
schlechteren Zeiten schnell wieder los werden möchte. Das Problem dabei ist nur: Die
Immigranten, um die es geht, sind Menschen mit eigenen Bedürfnissen und keine Maschinen,
die bei Bedarf an- und ausgestellt werden können.
4.2.
Der Gesetzesentwurf vom 18. Juni 2007
Einen weiteren Versuch, gegen die irreguläre Immigration vorzugehen, wurde am 18. Juni
2007
der
überparteilich
ausgehandelte
Kompromiss
zur
Reformierung
des
Einwanderungsgesetzes („Secure Borders, Economic Opportunity and Immigration Reform
Act of 2007“5) im Senat vorgelegt, der aber durch eine gescheiterte Abstimmung praktisch
4
Diese Punkte sind eine modifizierte Reform des zunächst erfolgreich durchgesetzten kalifornischen
Referendums von 1994, welches aber wegen unzulässigen Eingriffen in Bundeskompetenzen 1995 als
verfassungswidrig erklärt wurde. Mit der daraus bekanntesten Position 187 sollte irregulären Einwanderern der
Zugang zu Sozialleistungen wie medizinischer Versorgung verwehrt werden.
5
Gesetzesentwurf: www2.nationalreview.com/dest/2007/05/19/immigrationdraft051807.pdf
14
abgelehnt wurde.6 Das Thema ist jedoch nicht aus der Welt und bereits jetzt zeichnet sich die
Einwanderungsdebatte als eines der wichtigsten Themen für die Präsidentschafts- und
Kongresswahlen im November dieses Jahres ab.
Die laufenden politischen Debatten konzentrieren sich nach wie vor im Wesentlichen auf drei
zusammenhängende Aspekte: Grenzkontrollen, Regularisierung irregulärer Einwanderer, die
sich bereits im Land aufhalten und Arbeitskräftemangel am nationalen Arbeitsmarkt. (vgl.
Migration und Bevölkerung, 2007: o. S.)
Während es in vielen Bereichen erhebliche Streitpunkte gab, waren sich die meisten
Mitglieder des Kongresses einig, dass die Grenzsicherung und inländische Verfolgung
ausgeweitet werden sollten. Die Zahl der Fahrzeugsperren, Sicherheitszäune und
Grenzbeamten sollten laut des Entwurfs aufgestockt werden. Ebenso war eine härte
Sanktionierung von Arbeitgebern geplant, die wissentlich Schwarzarbeiter beschäftigen.
Dafür sollte ein neuartiges elektronisches Identifizierungssystem errichtet werden, welches
Arbeitgebern die Möglichkeit zur Statusüberprüfung von möglichen Arbeitnehmern bietet.
(vgl. Hanson, 2007: 27)
Weiterhin sollten zur Legalisierung von irregulären Immigranten jährlich 200.000 „Y-Visa“
zur Verfügung gestellt werden, die es temporären Arbeitskräften ermöglicht hätten, dreimal
hintereinander für jeweils zwei Jahre einzureisen, mit mindestens einem Jahr Unterbrechung
zwischen den Aufenthalten.
Außerdem hätte der Entwurf irregulären Einwanderern, die vor dem 1. Januar 2007 in die
USA eingereist sind, die Möglichkeit geboten, mit dem vorgesehenen „Z-Visum“ vier Jahre
lang einen rechtmäßigen Aufenthaltsstatus mit Arbeitserlaubnis zu erwerben. Nach dieser
Frist hätte das Visum durch Nachweis von ausreichenden Englisch- und LandeskundeKenntnissen sowie die Begleichung ihrer ausstehenden Steuerschuld und einer Strafgebühr
(vgl. Migration und Bevölkerung, 2007: o. S.) verlängert werden können. Eine unbefristete
Aufenthaltsgenehmigung wäre durch einen Antrag des jeweilige Familienoberhaupts vom
Herkunftsland aus für eine Bearbeitungsgebühr von 4.000 US-Dollar möglich gewesen.
Des Weiteren sollten Jugendliche, die vor einem Alter von 16 Jahren irregulär in den USA
eingereist sind und entweder die High School abgeschlossen oder zwei Jahre im
Hochschulstudium oder Militärdienst verbracht haben bei der Integration unterstützt werden.
Sofern die Kriterien für das „Z-Visum“ erfüllt wären, sollte die Möglichkeit der sofortigen
Beantragung eines dauerhaften Aufenthaltsrechts bestehen. (vgl. Parott, 2007: o. S.)
6
Nur 38 Demokraten und sieben Republikaner der insgesamt 100 Senatoren sprachen sich Anfang Juni dafür
aus, die Gesetzesvorlage zur Abstimmung zu bringen. Notwendig wären mindestens 60 Stimmen gewesen.
Daraufhin wurde der Gesetzentwurf ganz von der Tagesordnung genommen und vorerst vertagt.
15
Wegen der hohen Nachfrage nach Arbeitskräften sollten die Einwanderungsquoten zudem
insgesamt erhöht und ein Punktesystem eingeführt werden, wonach potentielle Einwanderer
anhand von beruflicher Qualifikation (50 Prozent), Ausbildung (25 Prozent) und
Englischkenntnissen (15 Prozent) für den Erwerb einer Aufenthaltsgenehmigung stärker in
Betracht kommen sollten als verwandtschaftliche Bindungen (10 Prozent). (vgl. Migration
und Bevölkerung, 2007: o. S.)
Alles in allem bietet der Gesetzesentwurf erweiternde Möglichkeiten zur regulären
Immigration.
4.3.
Kritische Würdigung
Dass der Entwurf nicht zur endgültigen Abstimmung gekommen ist, hatte verschiedene
Gründe. Zwar hat US-Präsident George W. Bush (Republikaner) die Reform der
Einwanderungspolitik zu einem Kernanliegen seiner zweiten Amtszeit erklärt. Mit dem
Gesetzesentwurf stieß er jedoch außer im Bereich der Grenzsicherung selbst in seiner eigenen
Partei auf Widerstand. Besonders die Legalisierung von irregulären Einwanderern regt immer
wieder zu einer großen Diskussion an. (vgl. Migration und Bevölkerung, 2007: o. S.)
Unterstützer der Amnestie7 argumentieren, dass die einzige Möglichkeit, die Zahl irregulärer
Immigranten im Land zu reduzieren, eine Massenabschiebung wäre, was sie für nicht tragbar
halten. Die US-Wirtschaft würde unter der Abschiebung von irregulären Einwanderern durch
erhöhte Preise, der Verteuerung geringqualifizierter Arbeit und die Erhöhung des Einkommen
von Steuerzahlern, die öffentliche Güter zahlen, leiden. Insgesamt wären die Auswirkungen
aber gering. (vgl. Hanson, 2007:30) Davon abgesehen würde eine Abschiebung von so vielen
Menschen ein ernsthaftes logistisches und finanzielles Problem darstellen. Zudem ist dann
fraglich, wie mit den Kindern dieser Einwanderer umzugehen wäre, die aufgrund ihrer Geburt
in den USA das Recht haben, dort zu leben.
Viele Konservative verurteilen hingegen diese Strategie und sprechen sich stattdessen für eine
stärkere Sicherung der Südgrenze aus (vgl. Parott, 2007: o. S.). Sie sehen in der Amnestie
eine Belohnung irregulären Verhaltens und damit einen Anreiz für weitere irreguläre
Immigranten anstelle einer Lösung des Problems. Würden alle Irregulären einen regulären
Status erhalten, so würden diese vermutlich höhere Löhne fordern, wodurch die oben
genannten - wohl vorhandenen -ökonomischen Vorteile durch irreguläre Arbeit verschwinden
würden. So verlieren die regularisierten Arbeitnehmer vor allem auch einen großen Teil ihrer
7
Eine Amnestie ist ein vollständiger oder zu Teilen erfolgter Straferlass. Hier: Die Legalisierung irregulärer
Einwanderer.
16
Flexibilität und Mobilität, wodurch der US-amerikanischen Wohlfahrt Schaden zugefügt
werden könnte. (vgl. Hanson, 2007:29, 31)
Bezüglich des Punktesystems bezeichnen einige Demokraten die daraus resultierende
Einschränkung des Familiennachzugs als unsozial. Außerdem kritisieren sie mit den
Argumenten Lohn-Dumping und Verdrängung einheimischer Arbeitnehmer die geplante
Einführung des Gastarbeiterprogramms. (vgl. Parott, 2007: o. S.)
5.
Schlussbetrachtung
Reguläre Migration wird von der Mehrzahl aller Ökonomen überwiegend positiv bezüglich
wirtschaftlicher und soziokultureller Entwicklung bewertet. Die irreguläre Immigration
hingegen stellt eine große Herausforderung dar. Letztendlich hängt der Einfluss aber davon
ab, wie die Kosten-Nutzen-Verteilung ausgestaltet ist. Es kann nicht pauschal behauptet
werden, dass irreguläre Migration gut oder schlecht ist. Hanson (2007:24) sagt sogar, dass bei
Gegenüberstellung aller positiven und negativen Einflüsse von irregulärer Migration im
Endeffekt kein signifikanter Einfluss auf die US-amerikanische Wirtschaft bestehen bleibt.
Die Arbeitsmarkt bezogenen und volkswirtschaftlichen Merkmale ihrer Anwesenheit werden
aufgrund von Verdrängungs- und verteilungspolitischen Problematiken häufig negativ
bewertet.
Aber
es
entstehen
auch
positive
Wohlfahrtseffekte
wie
sinkende
Lebenshaltungskosten. Die gesamte Volkswirtschaft profitiert von den irregulären
Immigranten, sie sind ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft geworden. Da diese Vorteile
aber wiederum nicht mit der eigenen Gesetzgebung vereinbar sind (wie die Beschäftigung
von Schwarzarbeitern bei der Renovierung, Steuereinnahmen ohne entsprechende
Steuernummern oder die Einziehen von Sozialversicherungsbeiträgen ohne dass der Zahlende
einen Nutzen daraus ziehen kann), können sie nicht öffentlich für gut empfunden werden.
Vielleicht ist das der Grund, warum die USA so schwach gegen irreguläre Immigranten
vorgeht.
Offiziell muss die USA also etwas gegen die irreguläre Zuwanderung unternehmen. So
wurden ständig neue Gesetze verabschiedet, die aber in der Regel wenig effizient waren. Die
Vorlage vom Juni 2007 sei dabei laut Parott (2007: o. S.) der wohl ausgewogenste Versuch
einer umfassenden Einwanderungsreform der letzten Jahre. Nach der gescheiterten
Abstimmung hält er es für unwahrscheinlich, dass vor der Präsidentschaftswahl im November
dieses Jahres noch eine größere Reform verabschiedet wird.
Während
die
Vorstellungen
um
die
Grenzkontrollen
zwischen
Demokraten
und
Republikanern wahrscheinlich recht einheitlich ausfallen, vermutet Parott weiterhin intensive
Diskussionen über den Umgang mit bereits in den USA lebenden irregulären Zuwanderern.
Da die bereits eingebürgerte lateinamerikanische Bevölkerung aufgrund ihrer hohen Zahl
17
zunehmend an Bedeutung gewinnen würde, müssten sich die Politiker, die die kommende
Wahl für sich entscheiden wollen, um Wählerstimmen zu sammeln in ihrer Haltung zu diesem
Thema entsprechend anpassen. Letztendlich bleibt aber das typische Problem, dass politische
Interessen zumeist kurzfristiger Natur und oft nur bis zur nächsten Wahlperiode ausgerichtet
sind.
Es bleibt abzuwarten, ob und inwiefern überhaupt neue Einwanderungsreformen entworfen
werden können, die die amerikanische Bevölkerung erfolgreich in legale Bahnen lenken kann.
Ausschlaggebend
bleibt
dabei,
dass
genug
Einreisegenehmigungen
für
den
Arbeitskräftebedarf eingeplant werden müssen, um dem amerikanischen Arbeitsmarkt gerecht
werden zu können.
18
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Alle Onlinequellen wurden zuletzt am 27. April 2008 überprüft.
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